BT-Drucksache 18/2926

Rahmenabkommen zur Beteiligung der kolumbianischen Streitkräfte an Krisenbewältigungsoperationen der Europäischen Union

Vom 15. Oktober 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/2926
18. Wahlperiode 15.10.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Heike Hänsel, Sevim Dağdelen, Annette Groth, Dr. André Hahn,
Inge Höger, Andrej Hunko, Katrin Kunert, Niema Movassat, Dr. Alexander S. Neu,
Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE.

Rahmenabkommen zur Beteiligung der kolumbianischen Streitkräfte an
Krisenbewältigungsoperationen der Europäischen Union

Am 5. August 2014 wurde von Juan Carlos Pinzón, Verteidigungsminister der
Republik Kolumbien, und María Antonia van Gool, Botschafterin der Europä-
ischen Union (EU) in Kolumbien (www.webinfomil.com/2014/08/colombia-
participara-en-operaciones.html), das bereits am 17. Juni 2014 vom Rat der EU
verabschiedete Abkommen über die Schaffung eines Rahmens für die Beteili-
gung Kolumbiens an Krisenbewältigungsoperationen der EU (Ratsdok. 10792/
14) unterschrieben.
In Brüssel war zuvor, am 26. Juni 2014, ein Kooperationsvertrag zwischen der
Organisation des Nordatlantikvertrages (NATO) und der Republik Kolumbien
unterzeichnet worden (www.blickpunkt-lateinamerika.de/news-details/article/
bogotaacute-naumlhert-sich-nato.html?no_cache=1&cHash=183d8a8f2881729
4dd474496197428b1). Dieser Vertrag begünstigt nach Ansicht mehrerer Re-
gionalstaaten eine Militarisierung und Destabilisierung der Kräfteverhältnisse
auf dem amerikanischen Kontinent (www.dw.de/evo-morales-para-qu%C3%A9-
quiere-entrar-colombia-a-la-otan/a-16856671). Der angestrebte Informations-
austausch zwischen der NATO und Kolumbien, die Teilnahme Kolumbiens an
ähnlich gelagerten NATO-Operationen wie etwa in Afghanistan, der Verleih von
Rüstungsgütern an die kolumbianischen Streitkräfte sowie der zu erwartende Er-
werb von Waffen- und Weltraumtechnik u. a. drohen demnach eine Spirale der
Militarisierung in der Region in Gang zu setzen.
Die Menschenrechtslage in Kolumbien zwischen 2009 und 2012 wurde von der
Bundesregierung als „weiterhin ernst“ beurteilt (Antwort zu Frage 15 auf die
Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. ,,Mögliche illegale Waffenlieferun-
gen nach Kolumbien“, Bundestagsdrucksache 18/2238).
Der Bundesregierung ist bekannt, dass in Kolumbien seit fünfzig Jahren ein in-
terner bewaffneter Konflikt besteht und dass es in den vergangenen Jahren auch
zu Menschenrechtsverletzungen durch das Militär gekommen ist. In diesem
Kontext stechen die Fälle der so genannten falsos positivos hervor, Zivilisten,
die von der Armee zunächst ermordet und dann als Mitglieder der Guerilla aus-
gegeben wurden (http://tinyurl.com/p8e4um3). Im kolumbianischen Parlament
wird zurzeit ein Gesetzesprojekt verhandelt, das möglicherweise die systema-
tische – und auch rückwirkende – Ausweitung der Militärgerichtsbarkeit zu-
ungunsten der generalstaatsanwaltschaftlichen Befugnisse vorsieht.

Drucksache 18/2926 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Wir fragen die Bundesregierung:
1. Was qualifiziert nach Kenntnis der Bundesregierung die kolumbianische

Regierung und/oder die kolumbianische Armee für eine Beteiligung an Kri-
senbewältigungsoperationen der EU?

2. Welche politischen, geostrategischen und militärischen Gründe haben die
EU und Deutschland als deren Mitglied dazu bewogen, die von Kolumbien
beantragten Verhandlungen über eine Unterstützung der Armee des süd-
amerikanischen Landes für EU-Missionen aufzunehmen und die entspre-
chende Vereinbarung abzuschließen?

3. Welche spezifischen Fähigkeiten sollen die kolumbianischen staatlichen In-
stitutionen und/oder die kolumbianische Armee nach Kenntnis und Er-
wartung der Bundesregierung sowie der EU einbringen?

4. Stehen die anerkanntermaßen prekäre Menschenrechtssituation in Kolum-
bien und die in diesem Zusammenhang von Militärs begangenen Men-
schenrechtsverbrechen einer Einbindung der Streitkräfte Kolumbiens für
zivile und militärische Missionen im Rahmen der Gemeinsamen Außen-
und Sicherheitspolitik (GASP) entgegen (wenn ja, bitte begründen)?
Wenn nein, weshalb nicht?

5. In welcher Weise fand diese Menschenrechtssituation nach Kenntnis der
Bundesregierung auf der Ebene der EU und in der Bundesregierung im Ent-
scheidungsprozess selbst Berücksichtigung?

6. Wäre eine von der kolumbianischen Regierung behauptete verbesserte
Wahrung der Menschenrechte durch die kolumbianische Armee ausrei-
chend, um die genannte Kooperation einzugehen, dies vor allem vor dem
Hintergrund, dass die Bundesregierung die Menschenrechtsvergehen der
kolumbianischen Armee explizit anerkennt (Antwort zu Frage 15 auf die
Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. „Mögliche illegale Waffenliefe-
rungen nach Kolumbien“, Bundestagsdrucksache 18/2238)?

7. Woran machen die Bundesregierung und die EU ggf. die Annahme einer
Verbesserung der Menschenrechtslage fest (bitte konkret belegen)?

8. Wie, anhand welcher Kriterien, und über welche Institution in Kolumbien
werden nach Kenntnis der Bundesregierung die Teilnehmenden an gemein-
samen Krisenbewältigungsoperationen der EU auf kolumbianischer Seite
ausgewählt?

9. Werden die Teilnehmer an gemeinsamen Krisenbewältigungsoperationen
der EU mit der Republik Kolumbien vor Einsatz einer Eignungsprüfung
unterzogen?
Durch wen findet die Prüfung statt?
In welchem Rahmen findet sie statt?
Wie ist das Verfahren gestaltet?
Welche Kriterien werden angelegt?

10. Werden nach Kenntnis der Bundesregierung eventuell begangene Men-
schenrechtsverstöße der Teilnehmer von kolumbianischer Seite vor einem
gemeinsamen Einsatz recherchiert?
Wenn ja, wie, und von welchen Institutionen?
Wenn nein, weshalb nicht?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2926
11. Wie kann sich die Vereinbarung über eine Beteiligung der Republik Kolum-
bien an Krisenbewältigungsoperationen der EU nach Ansicht der Bundes-
regierung auf den laufenden Friedensprozess auswirken (www.eeas.
europa.eu/statements/docs/2014/140519_01_en.pdf)?

12. Für welche Missionen nach Artikel 42 Absatz 1 des Vertrages über die
Europäische Union (EUV) und Artikel 43 Absatz 1 EUV und zu welchem
Zweck plant bzw. erwägt die EU nach Kenntnis der Bundesregierung die
Einbindung Kolumbiens mit zivilen und militärischen Mitteln?
a) Mit welchen Mitteln soll Kolumbien ggf. mit welcher Zielsetzung unter-

stützt werden?
b) Welche militärischen und zivilen Fähigkeiten wird Kolumbien einbrin-

gen?
13. Auf welche Rüstungsgüter wird Kolumbien durch die Kooperation an Kri-

senbewältigungsoperationen der EU Zugriff haben?
14. Wird Kolumbien im Zuge der Kooperation auf nachrichtendienstliche Er-

kenntnisse der EU oder ihrer Mitgliedstaaten Zugriff haben?
Wenn ja, in welchen thematischen und geografischen Bereichen?

15. Inwiefern stehen die Kooperation der EU mit der Republik Kolumbien und
die damit möglicherweise einhergehende Bereitstellung von Rüstungs-
gütern angesichts des internen bewaffneten Konfliktes den einschlägigen
Prinzipien des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle entgegen?

16. Aufgrund welcher Erwägungen befürwortet die Bundesregierung es als
Mitgliedstaat der EU und der NATO, mit Kolumbien zugleich ein Abkom-
men über die Schaffung eines Rahmens für die Beteiligung an Krisenbewäl-
tigungsoperationen der EU und einen Kooperationsvertrag zwischen der
NATO und der Republik Kolumbien zu schließen?

17. Welche politischen, geostrategischen und militärischen Gründe haben die
NATO und Deutschland als deren Mitglied dazu bewogen, einen Koopera-
tionsvertrag mit Kolumbien zu schließen?

18. Welche Kooperation zwischen der NATO und Kolumbien ist mit Blick auf
welche gemeinsamen Aktivitäten nach Erkenntnissen der Bundesregierung
konkret geplant oder wird erwogen?

19. Welche spezifischen Fähigkeiten sollen die kolumbianische Regierung und/
oder die kolumbianische Armee nach Kenntnis und Erwartung der Bundes-
regierung sowie der NATO und der weiteren NATO-Mitgliedstaaten dabei
einbringen?

20. Auf welche Rüstungsgüter wird Kolumbien durch die Kooperation mit der
NATO Zugriff haben bzw. erhalten?

21. Wird Kolumbien in Zuge der Kooperation auf nachrichtendienstliche Er-
kenntnisse der NATO oder ihrer Mitgliedstaaten Zugriff haben?
Wenn ja, in welchen thematischen und geografischen Bereichen?

22. Wie analysiert die Bundesregierung vor dem Hintergrund der geplanten mi-
litärischen Kooperation zwischen der Republik Kolumbien einerseits und
der EU sowie der NATO andererseits die systematische – und auch rückwir-
kende – Ausweitung der Militärgerichtsbarkeit zuungunsten der general-
staatsanwaltschaftlichen Befugnisse (www.hrw.org/es/news/2014/07/08/
colombia-proyecto-de-ley-amplia-alcance-del-fuero-militar-sobre-falsos-
positivos)?

Drucksache 18/2926 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
23. Wie werden Entschädigungsansprüche von dritten Zivilpersonen geregelt,
die während einer gemeinsamen Krisenbewältigungsoperation der EU und
der Republik Kolumbien entstehen?
a) Wie werden die Rechte möglicher ziviler Geschädigter vor der nach dem

Rahmenabkommen zuständigen Gerichtsbarkeit in Kolumbien und
Deutschland als EU-Mitgliedstaat gewahrt?

b) Sind in diesen Fällen zivile oder Militärgerichte zuständig?
24. Welche Haltung vertritt die Bundesregierung angesichts der Kritik von Re-

gionalstaaten wie Bolivien (siehe Vorbemerkung der Fragesteller), die die
internationale militärische Zusammenarbeit der Republik Kolumbien als
Gefahr für die regionale Sicherheit sehen?

25. Wann tritt bzw. trat das Rahmenabkommen zur Beteiligung der Streitkräfte
Kolumbiens an Krisenbewältigungsoperationen der EU in Kraft?

26. Welche Erkenntnisse besitzt die Bundesregierung über die Überprüfung des
Rahmenabkommens auf die Verfassungsmäßigkeit durch das Verfassungs-
gericht der Republik Kolumbien (www.onemagazine.es/noticia/19165/
Internacional/Colombia-se-suma-a-las-misiones-de-paz-de-la-Union-
Europea.html)?

Berlin, den 14. Oktober 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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