BT-Drucksache 18/2867

Kenntnis der Bundesregierung über die Beteiligung ausländischer Kämpfer im Konflikt in der Ostukraine und die Rolle neofaschistischer Kampfverbände

Vom 9. Oktober 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/2867
18. Wahlperiode 09.10.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Dr. Diether Dehm, Wolfgang Gehrcke,
Annette Groth, Heike Hänsel, Inge Höger, Katrin Kunert, Niema Movassat,
Dr. Alexander S. Neu, Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE.

Kenntnis der Bundesregierung über die Beteiligung ausländischer Kämpfer im
Konflikt in der Ostukraine und die Rolle neofaschistischer Kampfverbände

Im Ostukraine-Konflikt ist das Ausmaß der Beteiligung russischer Kämpfer und
der Unterstützung mit militärischem Material durch Russland umstritten. Nach
Meldungen verschiedener europäischer Zeitungen kämpfen aber auch Staatsan-
gehörige verschiedener europäischer Staaten aufseiten Kiews im Konflikt um
die Ostukraine. Unter ihnen sind viele Neonazis, die in ihren Herkunftsländern
bereits in neonazistischen oder neofaschistischen Organisationen Mitglied
waren bzw. noch sind. Nicht selten sind es Menschen mit Kampferfahrung, die
entweder bereits in Kriegen mitkämpften oder eine militärische Ausbildung
hatten. Diese Kämpfer schlossen sich u. a. den Bataillonen „Ajdar“ oder „Azow“
an und sollen laut der österreichischen Zeitung „Die Presse“ unter Berufung auf
deutsche Geheimdienste (http://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/3865847/
Tschetschenen-aus-Osterreich-als-Kaempfer-in-der-Ostukraine) auch an militä-
rischer Ausbildung beteiligt sein. Die Bataillone befinden sich im Rahmen der
sog. Anti-Terror-Operation im Einsatz in der Ostukraine.
Auch das „heute journal“ des ZDF vom 8. September 2014 berichtete über das
Bataillon „Azow“. Dabei war deren offen faschistische Symbolik klar zu erken-
nen. Die beiden genannten Bataillone wurden immer wieder in Verbindung mit
den in der Region verübten Gräueltaten gebracht, wie zuletzt bei der Entdeckung
eines Massengrabes in der Nähe von Donezk (www.heise.de/tp/artikel/42/
42890/1.html). Beispielsweise klagte die Menschenrechtsorganisation „Am-
nesty International“ in einem Bericht (www.amnesty.org/en/library/asset/
EUR50/040/2014/en/e6776c69-fe66-4924-bfc0-d15c9539c667/eur500402014
en.pdf) über die vom Bataillon „Ajdar“ begangenen Kriegsverbrechen und Men-
schenrechtsverletzungen an der Zivilbevölkerung.
Die österreichische Zeitung „Die Presse“ berichtete weiterhin (http://diepresse.com
vom 5. September 2014 „Tschetschenen aus Österreich als Kämpfer in der Ost-
ukraine“), dass auch österreichische Staatsangehörige mit tschetschenischem
Hintergrund an der Operation im Osten der Ukraine beteiligt sind.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche eigenen Erkenntnisse hat die Bundesregierung über den Umfang rus-

sischer Kämpfer in der Ukraine auf beiden Seiten, wie viele von diesen stam-
men aus militärischen oder paramilitärischen Formationen Russlands, und
auf welche Fakten, Berichte und Quellen stützt die Bundesregierung diese
Erkenntnisse?

Drucksache 18/2867 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
2. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über russische Lieferungen
von Waffen und anderer militärischen Ausrüstungen an die aufständischen
Kämpfer in der Ostukraine, und auf welche Fakten, Berichte und Quellen
stützt sie diese Erkenntnisse?

3. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über die Beteiligung von
nichtukrainischen Staatsangehörigen im Konflikt in der Ostukraine, ins-
besondere in den Bataillonen „Azow“ und „Ajdar“, vor, und welche Er-
kenntnisse hat die Bundesregierung über die in der Vorbemerkung der
Fragesteller genannten Fälle der Beteiligung ausländischer Kämpfer in den
genannten Bataillonen (bitte nach Anzahl und Staatsangehörigkeit auf-
schlüsseln)?

4. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den Erkenntnis-
sen über die Beteiligung ausländischer Staatsangehöriger in den genannten
Bataillonen?

5. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über Aufrufe und Bestrebun-
gen rechtsextremer bzw. neofaschistischer Organisationen und Netzwerke
in Europa zur Unterstützung der ukrainischen Einheiten im Konflikt in der
Ostukraine?

6. Inwiefern unterstützt die Bundesregierung den im Minsk-Memorandum
vom 19. September 2014 vereinbarten Abzug ausländischer militarisierter
Formationen, Kämpfer und Söldner vom ukrainischen Territorium unter der
Überwachung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in
Europa (OSZE)?

7. Welche Informationen hat die Bundesregierung über Maßnahmen der ukra-
inischen Regierung, um ausländische Kämpfer in ihren militärischen und
paramilitärischen Einheiten ausfindig zu machen und ihren Abzug aus der
Ukraine sicherzustellen, und welche Informationen hat sie über entspre-
chende Maßnahmen und Stellungnahmen der OSZE?

8. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung der Fragesteller, dass es sich bei
den Bataillonen „Azow“ und „Ajdar“ um neofaschistische Organisationen
handelt, und wie begründet sie ihre Einschätzung?

9. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der im „heute
journal“ des ZDF vom 8. September 2014 dokumentierten Verwendung na-
tionalsozialistischer Symbolik durch Einheiten des Bataillons „Azow“?

10. Teilt die Bundesregierung die Besorgnis des Ausschusses für Gleichheit und
Nichtdiskriminierung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
über den wachsenden Trend der Glorifizierung von Organisationen der Waf-
fen-SS, wie der SS-Division Galizien (vgl. http://assembly.coe.int/nw/xml/
XRef/Xref-XML2HTML-en.asp?fileid=21146&lang=en), und welche In-
formationen hat sie über entsprechende Entwicklungen in der Ukraine?

11. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Verwendung
der Wolfsrune, des Truppenkennzeichens der SS-Panzer-Division „Das
Reich“, durch das Bataillon „Azow“?

12. Welche Informationen und Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über
durch das Bataillon „Ajdar“ begangene Kriegsverbrechen oder Menschen-
rechtsverletzungen vor, und inwiefern teilt die Bundesregierung die Ein-
schätzung von „Amnesty International“ bezüglich der vom Bataillon
„Ajdar“ begangenen Kriegsverbrechen (www.amnesty.org/en/library/asset/
EUR50/040/2014/en/e6776c69-fe66-4924-bfc0-d15c9539c667/eur500402014
en.pdf)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2867
13. Welche Konsequenzen hat die Bundesregierung aus den Erkenntnissen und
Medienberichten über die Bataillone „Azow“ und „Ajdar“ gezogen?

14. Wie groß schätzt die Bundesregierung den politischen Einfluss der rechts-
extremen bzw. neofaschistischen paramilitärischen Verbände in der Ukraine
ein, die unter anderem mit Umstellungen des Parlaments Druck ausüben?

15. Inwiefern sind der Bundesregierung Informationen über den Einsatz rechts-
extremer Formationen für Einschüchterungen und körperliche Angriffe im
laufenden Wahlkampf bekannt?

16. Auf den Wahllisten welcher Parteien zur Parlamentswahl am 26. Oktober
2014 befinden sich nach Kenntnis der Bundesregierung Anführer so ge-
nannter Freiwilligenbataillone oder rechtsextremer Gruppierungen?

17. Stellen die rechtsextremen bzw. neofaschistischen Kampfverbände nach
Ansicht der Bundesregierung eine potentielle Bedrohung für die Amts-
trägerinnen und Amtsträger der Ukraine dar, und welche Schlussfolgerun-
gen zieht sie aus den entsprechenden Drohungen, beispielsweise von Semen
Sementschenko (www.bernerzeitung.ch/ausland/europa/Poroschenko-
befiehlt-Grossoffensive-in-der-Ostukraine/story/30670077)?

18. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über das Bataillon Donbass?
a) Teilt sie die Einschätzung der Fragesteller, dass es sich um einen rechts-

extremen Kampfverband handelt?
b) Hat die Bundesregierung Kenntnis von der Auszeichnung des „Kom-

mandeurs“ des Bataillons, Semen Sementschenko, mit dem Bogdan-
Chmelnizki-Orden dritter Klasse durch Arsenij Jazenjuk, nachdem er in
Kämpfen in Donezk verwundet wurde (http://kp.ua/politics/468271-
yatsenuik-nahradyl-kombata-semenchenko-ordenom), und inwiefern hat
sie sich öffentlich oder in den bilateralen Beziehungen zur ukrainischen
Regierung dazu verhalten?

19. Inwiefern sieht die Bundesregierung das staatliche Gewaltmonopol in der
Ukraine durch nichtstaatliche (para-)militärische Formationen bedroht?

20. Inwiefern sieht die Bundesregierung das staatliche Gewaltmonopol in der
Ukraine durch neue, staatlich anerkannte (para-)militärische Formationen
bedroht, die potenziell zur Durchsetzung von Partikularinteressen eingesetzt
werden könnten (vgl. www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/
aktuell/2014A52_kle_pst.pdf, S.7)?

21. Inwiefern hat die Bundesregierung gegenüber der Regierung der Ukraine
Kritik am Einsatz der genannten Bataillone zum Ausdruck gebracht, wann
und in welcher Form ist dies gegebenenfalls geschehen, und welche Aus-
wirkungen hat diese Kritik auf die Unterstützung der ukrainischen Regie-
rung durch die Bundesregierung gehabt?

22. Welche Informationen hat die Bundesregierung über die Beteiligung auslän-
discher Söldner in der so genannten Anti-Terror-Operation im Osten der
Ukraine?

23. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über Organisationen oder
Einzelpersonen, die von Deutschland aus die beiden genannten Bataillone
unterstützen?

24. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über Organisationen oder
Einzelpersonen, die sich in der Ukraine den beiden genannten Bataillonen
angeschlossen haben (bitte nach Herkunftsländern auflisten)?

Drucksache 18/2867 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
25. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus einer möglichen
Unterstützung der Bataillone aus Deutschland, und inwiefern erwägt sie
diese Unterstützungsmöglichkeiten einzuschränken, zu erschweren oder zu
untersagen?

26. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über Maßnahmen der ukra-
inischen Regierung, die darauf abzielen, die humanitäre Situation im Don-
bass zu verbessern, wie es im Protokoll der Minsk-Vereinbarung vom
5. September 2014 festgelegt ist?

27. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über russische humanitäre
Hilfe für die Menschen im Donbass, und in welchem Wert hat Russland be-
reits Hilfe zur Verfügung gestellt?

28. Erwägt die Bundesregierung der Ukraine militärische Hilfe zu leisten?
Wenn ja, welche?

29. Inwiefern befürwortet die Bundesregierung die Lieferung von militärischer
Aufklärungstechnik an ukrainische Einheiten im Ostukraine-Konflikt, zum
Beispiel durch das Unternehmen T. R. (www.cyber-berkut.net/traitors/
0024.php)?

30. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über Waffenlieferungen an
die Ukraine seit einschließlich dem Jahr 2013?

Berlin, den 9. Oktober 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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