BT-Drucksache 18/2740

Todesstrafe weltweit ächten

Vom 7. Oktober 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/2740
18. Wahlperiode 07.10.2014
Antrag
der Abgeordneten Annette Groth, Inge Höger, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken,

Dr. Diether Dehm,
Heike Hänsel, Andrej Hunko, Katrin Kunert, Stefan Liebich, Niema Movassat,
Dr. Alexander S. Neu, Alexander Ulrich und der Fraktion DIE LINKE.

Todesstrafe weltweit ächten

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der Deutsche Bundestag verurteilt die Todesstrafe als grausam und inhuman. Die
Todesstrafe negiert das elementarste Menschenrecht, das Recht auf Leben. Durch
die Verhängung der Todesstrafe wird das Bild einer gnadenlosen Justiz vermittelt,
das einzig den Gedanken von Rache und Vergeltung als Grundlage des Justizsystems
festschreibt und alle Bemühungen auf Resozialisierung und Wiedereingliederung
von Straffälligen negiert.

Im Jahr 2014 leben noch immer zwei Drittel aller Menschen in Staaten, die Todes-
urteile verhängen und diese auch vollstrecken. In diesen Staaten werden jedes Jahr
mehrere Tausend Menschen zum Tode verurteilt. Allein in China geht Amnesty In-
ternational von mehreren Tausend Hinrichtungen aus. Außerhalb Chinas wurden
2013 nach Angaben von Amnesty International in 22 Ländern mindestens 778 Men-
schen hingerichtet, eine deutliche Zunahme im Vergleich zu 2012. Ihre Hinrichtung
wird durch Erhängen, Erschießung, Enthauptung oder Vergiftung vollstreckt. Diese
Form der Rachejustiz verstößt gegen die Menschenrechte und ist mit einem huma-
nitären und menschenrechtlichen Justizsystem in keiner Weise zu vereinbaren. Der
Deutsche Bundestag verurteilt diese Form der barbarischen Bestrafung und erwartet
von den ausführenden Ländern, dass sie die Todesstrafe schnellstmöglich abschaf-
fen.

Amnesty International weist darauf hin, dass es vor allem in zwei Ländern einen
deutlichen Anstieg der Hinrichtungszahlen gegeben hat: Im Iran wurden im Jahr
2013 mindestens 369 Menschen hingerichtet, im Irak mindestens 169 und damit fast
100 Menschen mehr als 2012. In nur drei Ländern, Iran, Irak und Saudi Arabien,
haben fast 80 Prozent aller Hinrichtungen außerhalb Chinas stattgefunden.

Neben den bekannt gewordenen Hinrichtungen wurden Hunderte offiziell nicht be-
stätigte Exekutionen im Iran durchgeführt. In Saudi Arabien wurden 2012 drei Min-
derjährige hingerichtet. Saudi Arabien verstößt damit gegen die UN-Kinderrechts-
konvention und Artikel 6 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische
Rechte, in dem die Verhängung und Vollstreckung der Todesstrafe gegen Jugendli-
che unter 18 Jahren und schwangere Frauen ausdrücklich verboten ist.

Drucksache 18/2740 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Mit Irak, Saudi-Arabien und den USA unterhält Deutschland umfangreiche Pro-
gramme zur Polizei- und Militärkooperation und liefert Technologie zur Ausrüstung
der Sicherheitskräfte. Der Deutsche Bundestag erwartet von der Bundesregierung,
dass alle Formen der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit mit Ländern, die
Todesurteile verhängen oder durchführen, eingestellt wird, bis die Todesstrafe in
diesen Ländern abgeschafft ist.

Der Deutsche Bundestag nimmt mit Sorge zur Kenntnis, dass auch die Ermordung
von Menschen ohne Gerichtsurteil weiter zunimmt. Neben den „legalisierten For-
men der Todesstrafe“ hat sich mit den „gezielten Tötungen“ eine neue Form der
Ermordung von Menschen ohne jegliche gerichtliche Prüfung durchgesetzt. Diese
Form der „Todesstrafe ohne Richter“ durch Spezialkommandos des Militärs oder
bewaffnete Drohnen wird auch von engen NATO-Mitgliedern und engen Verbünde-
ten der Bundesrepublik Deutschland angewandt.

Der Deutsche Bundestag nimmt mit großer Sorge zur Kenntnis, dass in den USA die
Verhängung der Todesstrafe weiterhin praktiziert wird. In den USA sind 2013 mit
79 Urteilen mehr Todesurteile ausgesprochen worden als im Vorjahr. Vollstreckt
wurden davon 39 Hinrichtungen, vier weniger als 2012, aus Mangel an Giftspritzen.
Er fordert die Regierungen der Bundesstaaten der USA auf, als ersten Schritt ein
Moratorium für die Todesstrafe zu erlassen und in allen Bundesstaaten der USA die
Todesstrafe zu verbieten. Eine Regierung, die diese Form der barbarischen Justiz im
eigenen Land nicht ächtet, kann international nicht glaubwürdig für die Durchset-
zung von Menschenrechten agieren. Mit tiefem Bedauern hat der Deutsche Bundes-
tag realisieren müssen, dass die US-amerikanischen Behörden in den Todestrakten
mit Giftcocktails experimentieren, die Menschen in einen grausamen, langanhalten-
den und schmerzhaften Todeskampf zwingen. Dieses Vorgehen ist barbarisch und
nicht akzeptabel.

Der Deutsche Bundestag begrüßt, dass zwischenzeitlich 140 Staaten die Todesstrafe
im Gesetz oder in der Praxis abgeschafft haben, und bedauert, dass im Jahr 2013 in
Indonesien, Kuwait, Nigeria und Vietnam nach einer längeren Unterbrechung wie-
der Menschen hingerichtet wurden.

Der Deutsche Bundestag bedauert, dass die Todesstrafe völkerrechtlich nicht geäch-
tet ist, auch wenn durch Artikel 6 des Internationalen Pakts über bürgerliche und
politische Rechte („Zivilpakt“) Einschränkungen und Mindestnormen formuliert
sind. So sind nach Artikel 6 Todesurteile nur für schwerste Verbrechen und bei Ein-
haltung aller rechtsstaatlichen Verfahrensgarantien erlaubt. Diese Einschränkung
wird bei der Verhängung der Todesstrafe in einigen arabischen Ländern häufig ge-
brochen, da dort Todesurteile gegen Frauen wegen angeblichen Ehebruchs oder ge-
gen Konvertiten verhängt werden.

Der Deutsche Bundestag begrüßt, dass heute 78 Staaten das Zweite Fakultativproto-
koll zum Zivilpakt ratifiziert haben, und sich damit völkerrechtlich zur Abschaffung
der Todesstrafe verpflichtet haben. Der Deutsche Bundestag bedauert jedoch, dass
die Europäische Grundrechtecharta die Tötung von Personen zur „rechtmäßigen
Niederschlagung eines Aufruhrs oder Aufstands“ nicht ausschließt. Damit ist auch
in den Ländern der Europäischen Union in Ausnahmesituationen die Tötung von
Menschen weiterhin möglich. Der Deutsche Bundestag erwartet, dass sich die Re-
gierungen der Europäischen Union für eine Präzisierung der Europäischen Grund-
rechtecharta einsetzen, die solche Ausnahmen grundsätzlich abschafft.

Zudem wurde bisher unterlassen, die Erläuterungen der Grundrechtecharta um eine
explizite Bezugnahme auf das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Ab-
schaffung der Todesstrafe zu ergänzen. Als Teil der Grundrechtecharta gilt stattdes-
sen nach dem Wortlaut der Erläuterungen zu Artikel 2 „Recht auf Leben“ Artikel 2
des Protokolls Nr. 6 zur EMRK, der die Todesstrafe in Kriegszeiten oder bei unmit-
telbarer Kriegsgefahr zulässt und der durch das Protokoll Nr. 13 zur EMRK hinfällig

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2740
geworden ist. Der Deutsche Bundestag erwartet, dass sich die Regierungen in der
Europäischen Union für eine Präzisierung des Erläuterungstextes einsetzen.

Ausdrücklich bekräftigt der Deutsche Bundestag die am 18. Dezember 2007 verab-
schiedete Resolution der UN-Generalversammlung (62/149), die sich für ein sofor-
tiges, weltweites Hinrichtungsmoratorium ausgesprochen hat.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. sich für eine UN-Resolution zur weltweiten Ächtung aller Formen der Todes-
strafe einzusetzen;

2. die deutschen Botschaften in allen Staaten, die Todesurteile verhängen oder aus-
führen, anzuweisen, bei der Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe
grundsätzlich zu protestieren und die Betroffenen in den Gefängnissen zu besu-
chen, um ihre Fälle öffentlich zu machen und zu dokumentieren;

3. sich für ein öffentliches internationales Register zur Erfassung der Todesurteile,
der Gründe und der Aussagen der Betroffenen einzusetzen;

4. sich für eine völkerrechtliche Ächtung der „extralegalen Tötungen“ durch para-
militärische Einheiten, Spezialkräfte der Polizei oder das Militär und durch be-
waffnete Drohnen einzusetzen und eine internationale Verurteilung der Täter zu
verlangen;

5. die Lieferung von Polizeiausstattungen an Staaten zu verbieten, die die Todes-
strafe verhängen oder vollstecken und sich im Rahmen der UNO für eine völ-
kerrechtliche Ächtung aller Formen extralegaler Tötungen einzusetzen;

6. sich für eine Änderung der Europäischen Grundrechtecharta und der sie inter-
pretierenden Erläuterungen einzusetzen, damit auch die Tötung von Personen
zur „rechtmäßigen Niederschlagung eines Aufruhrs oder Aufstands“ ausge-
schlossen wird und eine Bezugnahme auf das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über
die vollständige Abschaffung der Todesstrafe aufgenommen wird;

7. sich für ein weltweites Hinrichtungsmoratorium als ersten Schritt zur weltweiten
Ächtung und Abschaffung der Todesstrafe einzusetzen und im Rahmen der
UNO für die Verabschiedung einer neuen Resolution für ein weltweites Hin-
richtungsmoratorium zu werben;

8. sich im Rahmen der EU dafür einzusetzen, dass an Staaten, in denen die Todes-
strafe verhängt oder durchgeführt wird, keinerlei Ausstattungen für die Polizei-
oder Sicherheitskräfte geliefert werden dürfen;

9. sich in ihren bilateralen Beziehungen zu Staaten wie China, Iran und Saudi-Ara-
bien, die die Todesstrafe an Minderjährigen unter 18 Jahren vollziehen, für ein
sofortiges Verbot dieser Bestrafung einzusetzen und darauf hinzuweisen, dass
diese Praxis gegen die von ihnen ratifizierte UN-Kinderrechtskonvention ver-
stößt;

10. in ihren bilateralen Beziehungen zu Ländern wie China, Iran, Japan und den
USA, die die Todesstrafe an Personen mit geistiger Behinderung oder an psy-
chisch kranken Menschen vollziehen, darauf hinzuweisen, dass diese Praxis ge-
gen die vom Wirtschafts- und Sozialrat der UN verabschiedeten Garantien zum
Schutz von Personen, denen die Todesstrafe droht, verstößt;

11. über alle Fälle von extralegalen Tötungen, von denen die Bundesregierung
Kenntnis erhält, den UN-Sonderberichterstatter für außergerichtliche, stand-
rechtliche und willkürliche Hinrichtungen zu informieren und intensiv im Sinne
der Aufklärung mit ihm zusammenzuarbeiten;

Drucksache 18/2740 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
12. in ihren bilateralen Beziehungen zu allen Staaten, in denen Menschen durch

staatliche oder parastaatliche Organe auf außergesetzliche Weise getötet wer-
den, diese Tötungspraxis auf das Schärfste zu verurteilen und sich für eine kon-
sequente Aufklärung und Strafverfolgung der Täter einzusetzen.

Berlin, den 7. Oktober 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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