BT-Drucksache 18/2713

Zivile Krisenprävention und Konfliktbearbeitung

Vom 1. Oktober 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/2713
18. Wahlperiode 01.10.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jan van Aken, Kathrin Vogler, Wolfgang Gehrcke, Christine
Buchholz, Inge Höger, Andrej Hunko, Katrin Kunert und der Fraktion DIE LINKE.

Zivile Krisenprävention und Konfliktbearbeitung

Der zivilen Konfliktbearbeitung kommt eine Schlüsselrolle bei der Friedensför-
derung und dem Friedenserhalt zu. Maßnahmen der zivilen Konfliktbearbeitung
leisten einen bedeutenden Beitrag zur Verhütung und Eindämmung von Gewalt-
eskalation. Angesichts der wachsenden Zahl von Krisen, die zu gewaltförmiger
Eskalation führen können oder bereits in Gewalt eskaliert sind, ist der Beitrag
Deutschlands zur zivilen Krisenprävention und Konfliktbearbeitung nach Auf-
fassung der Fragesteller beschämend gering. So fließen in den Haushaltstitel zur
„Unterstützung von internationalen Maßnahmen auf den Gebieten der Krisen-
prävention, Friedenserhaltung und Konfliktbewältigung durch das Auswärtige
Amt“ nicht einmal 3 Prozent der Gesamtmittel ein. Die CDU, CSU und SPD
haben in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt, die Strukturen der zivilen Kri-
senprävention und Konfliktbearbeitung zu stärken und weiterzuentwickeln. In-
formationen darüber, ob und was die Bundesregierung dafür konkret unter-
nimmt, bleibt die Bundesregierung bislang jedoch schuldig.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche konkreten Initiativen hat die Bundesregierung seit Beginn dieser Le-

gislaturperiode ergriffen bzw. fortgesetzt, und welche hat sie geplant, um die
deutschen Strukturen und Kapazitäten der zivilen Krisenprävention zu stär-
ken und weiterzuentwickeln (bitte einzeln nach Organisation, Initiativen und
aufgewendeten Haushaltsmitteln auflisten)?

2. Welche konkreten Initiativen hat die Bundesregierung seit Beginn dieser Le-
gislaturperiode ergriffen bzw. fortgesetzt, und welche hat sie geplant, um die
Stärkung und Weiterentwicklung der Strukturen und Kapazitäten der zivilen
Krisenprävention in der Europäischen Union (EU), den Vereinten Nationen
(VN) und gegebenenfalls weiteren internationalen Organisationen zu unter-
stützen (bitte einzeln nach Organisation, Initiativen und aufgewendeten
Haushaltsmitteln auflisten)?

3. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung seit Beginn dieser Legislatur-
periode ergriffen oder geplant, um die Krisenfrüherkennungskapazitäten ent-
sprechend der Empfehlungen des VN-Aktionsplans „Rights Up Front“ in
Deutschland und der EU, der Organisation der Vereinten Nationen (UNO)
und anderer internationaler und regionaler Akteure zu verbessern (bitte nach
jeweiliger Organisation bzw. Akteur und unter Bezugnahme der einzelnen
Empfehlungen auflisten)?

Drucksache 18/2713 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
4. Welche Unterstützungsleistungen zum Aufbau von EU-Instrumenten zur zi-
vilen Krisenprävention und Konfliktbearbeitung hat die Bundesregierung
seit Beginn dieser Legislaturperiode geleistet (bitte unter Auflistung der ein-
zelnen Maßnahmen, der finanziellen und personellen Aufwendungen)?

5. Mit welchen Maßnahmen und welchem finanziellen Volumen wurde die
Förderung der Friedens- und Konfliktforschung durch die Bundesregierung
seit Beginn dieser Legislaturperiode ausgeweitet?

6. Welche konkreten Maßnahmen hat die Bundesregierung bzw. durch sie
finanzierte Akteure in welchen Regionen bzw. Staaten seit Beginn dieser
Legislaturperiode ergriffen,
a) um Gewalttaten durch staatliche und nichtstaatliche Akteure vorzubeu-

gen,
b) um den unbewaffneten Schutz (ziviles Peacekeeping) von durch Gewalt

bedrohten Bevölkerungen zu gewährleisten,
c) um den Dialog zwischen Konfliktparteien bzw. rivalisierenden Bevölke-

rungsteilen zu fördern,
d) um friedenserhaltende und deeskalierende Maßnahmen durch zivilge-

sellschaftliche Akteure zu stärken?
7. Welche Aktivitäten haben die Bundesregierung und aus Bundeshaushalts-

mitteln finanzierte Organisationen seit Beginn dieser Legislaturperiode im
Bereich der internationalen Konfliktmediation unternommen (bitte einzeln
unter Angabe der durchführenden Institution bzw. Organisation auflisten)?

8. Für welche Staaten, in denen in den letzten zehn Jahren krisenpräventive
Maßnahmen durchgeführt oder gefördert wurden, wurden gleichzeitig Ge-
nehmigungen zur Ausfuhr von Waffen oder sonstigen Rüstungsgütern ver-
geben (bitte unter Angabe des Jahres, der jeweiligen zivilen Maßnahmen
und deren personellem und finanziellem Umfang, des Rüstungsgutes, der
Stückzahl und dem Genehmigungswert)?

9. Wie viele Friedensfachkräfte sind nach Kenntnis der Bundesregierung zur-
zeit im Rahmen des Zivilen Friedensdienstes im Einsatz, und wie viele wa-
ren es in den letzten zehn Jahren (bitte nach Jahren und durchschnittlicher
Entsendedauer aufschlüsseln)?

10. Wie viele Friedensfachkräfte wurden nach Kenntnis der Bundesregierung in
den letzten zehn Jahren durch wie viele Organisationen in Deutschland aus-
gebildet (bitte nach Jahren aufschlüsseln)?

11. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über den derzeitigen Stand der
Ausbildungskapazitäten und -finanzierung von Friedensfachkräften in
Deutschland?
a) Werden nach Auffassung der Bundesregierung dem Bedarf entsprechend

ausreichend viele Friedensfachkräfte ausgebildet?
b) Können alle Projektstellen zeitnah mit qualifiziertem Personal besetzt

werden, bzw. hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, dass Projekte
aufgrund fehlender personeller Kapazitäten nicht fortgesetzt bzw. Pro-
jektmittel nicht abgerufen werden können?

c) Was unternimmt die Bundesregierung, um die Ausbildung und den Ein-
satz von Friedensfachkräften dem Bedarf entsprechend zu gewährleisten,
und aufgrund welcher Kriterien ermittelt sie den Bedarf?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2713
12. Wie viele Projektanträge von zivilgesellschaftlichen Organisationen für den
Bereich Zivile Krisenprävention und Konfliktbearbeitung mit welchem je-
weiligen finanziellen und personellen Volumen sind in den letzten zehn Jah-
ren jährlich in welchen Bundesministerien eingegangen?
a) Wie lang war die durchschnittliche Bearbeitungsdauer?
b) Wie viele der jeweiligen Anträge wurden in welcher Höhe für welchen

Zeitraum bewilligt, wie viele abgelehnt (aufgelistet nach Programmen:
beantragt in Euro, bewilligt in Euro, abgelehnt in Euro)?

c) Aus welchen Haushaltstiteln wurden die Projekte finanziert?
d) Wie viele der Anträge kamen von deutschen, und wie viele von aus-

ländischen Organisationen (bitte die Länder auflisten)?
13. Aus welchen Haushaltstiteln welcher Ministerien werden Maßnahmen der

zivilen Krisenprävention und Konfliktbearbeitung der Bundesregierung fi-
nanziert bzw. Projekte von zivilgesellschaftlichen Organisationen in diesem
Bereich gefördert?

14. In welcher Weise stellt die Bundesregierung die Anwendung des „Do-no-
harm“-Ansatzes, der eine negative Wirkung von Projekten auf bestehende
Konflikte verhindern soll, sicher?
a) Bei welchen Haushaltstiteln, aus denen Projektanträge finanziert wer-

den, wird die Berücksichtigung des „Do-no-harm“-Ansatzes von der
Bundesregierung überprüft, und in welcher Weise?

b) Bei welchen Haushaltstiteln, aus denen Maßnahmen der Bundesregie-
rung finanziert werden, wird die Berücksichtigung des „Do-no-harm“-
Ansatzes überprüft, und in welcher Weise?

15. Ist es zutreffend, dass nicht alle Projekte der Deutschen Gesellschaft für In-
ternationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH in Krisen- bzw. Konfliktregio-
nen den „Do-no-harm“-Ansatz anwenden?
Wenn ja,
a) nach welchen Kriterien wird über die Anwendung bzw. Nichtanwendung

des „Do-no-harm“-Ansatzes entschieden,
b) wie wird die Anwendung des Ansatzes geprüft und evaluiert,
c) gibt es Aus- oder Fortbildungsangebote zum „Do-no-harm“-Ansatz, und

wie viele Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeiter der GIZ nehmen jährlich da-
ran teil?

16. Wie viele Projekte in den Bereichen interkultureller und interkonfessionel-
ler Dialog, Trauma- und Versöhnungsarbeit hat die Bundesregierung im
Ausland in den letzten zehn Jahren gefördert (bitte unter Angabe des Pro-
jektinhalts)?
a) Welche Laufzeit hatten die Projekte jeweils?
b) Welchen finanziellen und personellen Umfang hatten die Projekte je-

weils?
c) Wie wurden die Projekte evaluiert?

17. Welchen Bedarf sieht die Bundesregierung, Projekte in den Bereichen Ver-
söhnung, Traumaarbeit (insbesondere für Opfer sexualisierter Gewalt) und
Dialog auszubauen, und was unternimmt sie dafür konkret (bitte mit Be-
gründung)?

Drucksache 18/2713 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
18. Wie viele Projekte zur Stärkung der Rolle von Frauen in Friedensprozessen
hat die Bundesregierung in den letzten fünf Jahren gefördert (bitte unter An-
gabe des Projektinhalts)?
a) Welche Laufzeit hatten die Projekte jeweils?
b) Welchen finanziellen und personellen Umfang hatten die Projekte je-

weils?
c) Wie wurden die Projekte evaluiert?

19. Wie viele Projekte zum Schutz, zur Aus- und Weiterbildung von Menschen-
rechtsverteidigerinnen und -verteidigern hat die Bundesregierung in den
letzten zehn Jahren gefördert (bitte nach Ländern und unter Angabe von
Projektinhalt, der Projektlaufzeit sowie finanziellem und personellem Volu-
men auflisten)?

20. Mit welchen Maßnahmen und nach welchem Verfahren prüft und stellt die
Bundesregierung die Umsetzung der „Leitlinien der EU zum Schutz von
Menschenrechtsverteidigern“ in allen staatlichen Institutionen und in den
von der Bundesregierung geförderten Projekten sicher?
a) In welchem Umfang wurden entsprechend der Leitlinien spezielle huma-

nitäre Visa für den vorübergehenden Schutz ausgestellt und Schutzpro-
gramme für Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger eingerich-
tet?

b) Wie viele Asylanträge mit Bezug auf Menschenrechtsarbeit haben deut-
sche Botschaften bzw. Vertretungen im Ausland in den letzten zwei Jah-
ren erhalten, und wie viele davon wurden positiv, wie viele negativ mit
welcher Begründung beschieden (bitte nach Ländern auflisten)?

21. Welche konkreten Aufgaben hat der Beauftragte für Zivile Krisenpräven-
tion des Auswärtigen Amts, über welche Kapazitäten und Befugnisse ver-
fügt er, spricht er lediglich Empfehlungen aus oder kann er auch Maßnah-
men einleiten, und wem gegenüber legt er regelmäßige Berichte über seine
Arbeit vor (bitte unter Angabe von konkreten Beispielen aus den letzten
zwei Jahren)?

22. Welche konkreten Aufgaben hat das Krisenreaktionszentrum des Auswär-
tigen Amts, über welche Befugnisse verfügt es im Hinblick auf Krisenreak-
tionsmaßnahmen, und wem gegenüber legt die Leitung regelmäßige Berichte
über die Arbeit des Krisenreaktionszentrums vor (bitte unter Angabe von
konkreten Beispielen aus den letzten zwei Jahren)?

23. Über welche Ausstattung (personell, finanziell) verfügen die einzelnen
Bundesministerien, um ressortübergreifend frühzeitig krisenhafte Entwick-
lungen zu erkennen (bitte für jedes Bundesministerium einzeln auflisten)?

24. Für welche Staaten bzw. Regionen wurden in den letzten fünf Jahren auf-
grund welcher Kriterien ressortübergreifende Task Forces der Krisenprä-
vention gebildet?
a) Welche Ressorts sind daran beteiligt, und wie häufig treten sie zusam-

men?
b) In welcher Form sind zivilgesellschaftliche Gruppen bzw. Akteure betei-

ligt?
c) Welche finanziellen Kapazitäten zur Krisenreaktion stehen den Task

Forces kurzfristig zur Krisenreaktion zur Verfügung?
d) Was haben die bisherigen Task Forces gemacht, wurde deren Tätigkeit

evaluiert, und mit welchem Ergebnis?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/2713
25. Zieht die Bundesregierung eine Expertise aus der Friedens- und Konflikt-
forschung bei der Planung, Umsetzung und Evaluation von Maßnahmen der
zivilen Konfliktbearbeitung hinzu, und falls ja, welche Institute, Think
Tanks oder einzelne Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler werden von
welchem Bundesministerium in welcher Form zurate gezogen?

26. Wie oft hat der Ressortkreis zum Aktionsplan Zivile Krisenprävention seit
Beginn dieser Legislaturperiode getagt, wann fanden die Treffen statt, wer
hat daran teilgenommen, und was waren die Themen der Treffen?

27. Für welche Länder hat die Bundesregierung seit Januar 2014 Länderbe-
richte von Menschenrechtsorganisationen erhalten, in welchen Fällen hat
sie aus den Berichten Handlungsbedarf abgeleitet, und worin bestand bzw.
besteht dieser konkret (bitte unter Nennung der jeweiligen Maßnahmen)?

28. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung seit Beginn der Legislatur-
periode in Umsetzung des Aktionsplans der Bundesregierung zur Umset-
zung der Resolution 1325 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen ergrif-
fen?
Welche Maßnahmen wurden konkret ergriffen zur Umsetzung der Teilberei-
che
a) Prävention,
b) Vorbereitung von Einsätzen, Ausbildung, Fortbildung und Weiterbil-

dung,
c) Beteiligung,
d) Schutz,
e) Wiedereingliederung und Wiederaufbau und
f) Strafverfolgung?

29. An welchen internationalen multidimensionalen Einsätzen im Rahmen der
VN, EU, Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa
(OSZE) und NATO beteiligt sich Deutschland derzeit finanziell und/oder
personell, und wie hoch ist der jeweilige zivile und militärische personelle
und finanzielle Anteil (zivile Kräfte unterschieden nach Polizei und anderen
Kräften)?

30. Wie hat sich das prozentuale Verhältnis zwischen Militär, nichtpolizeili-
chem und polizeilichem Personal in den Auslandseinsätzen in den letzten
fünf Jahren entwickelt (bitte nach Jahren, Mission und unter Angabe der Ge-
samtzahlen auflisten)?

31. Wie bewertet die Bundesregierung die zivilen (nichtpolizeilichen), die poli-
zeilichen und die militärischen Komponenten der laufenden VN- und EU-
Missionen im Hinblick auf
a) deren verhältnismäßige Zusammensetzung,
b) die Gewichtung der Aufgabenbereiche (zivil, polizeilich, militärisch) und
c) die Weisungsbefugnisse bzw. Hierarchien innerhalb der Mission?

Berlin, den 1. Oktober 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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