BT-Drucksache 18/2597

Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit - International Services

Vom 23. September 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/2597
18. Wahlperiode 23.09.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Niema Movassat, Heike Hänsel, Inge Höger, Andrej Hunko,
Annette Groth, Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE.

Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit – International Services

Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH ist
zu 100 Prozent in Bundeshand und führt mit einem Gesamtumsatz von über
2 Mrd. Euro pro Jahr und über 16 000 Beschäftigten weltweit im Bereich der
„Technischen Zusammenarbeit“ (TZ) Projekte der staatlichen deutschen Ent-
wicklungszusammenarbeit durch. Als privatrechtlich organisiertes Unter-
nehmen kann die GIZ, mit Zustimmung der Bundesregierung auch im Auftrag
Dritter (bspw. private Unternehmen und Stiftungen, Staaten, Organisationen der
Vereinten Nationen – UN, die Europäische Union – EU, die Behörde der Ver-
einigten Staaten für internationale Entwicklung – USAID, Weltbank etc.) unmit-
telbar über ihre kommerzielle Sparte „International Services“ (GIZ IS) tätig
werden. An diesen Projekten ist die Bundesregierung finanziell nicht beteiligt
und übernimmt deshalb offiziell keine Mitverantwortung für diese Vorhaben. Im
Arbeitsalltag sind die Grenzen zwischen GIZ-Kerngeschäft und GIZ IS jedoch
fließend. Deshalb und durch die Genehmigung solcher Drittmittelgeschäfte und
ihre Mitgliedschaft im Aufsichtsrat der GIZ ist die Bundesregierung durchaus in
einer Mitverantwortung für dieses GIZ-Geschäftsfeld. So wird auch betont,
„Projekte, die von der GIZ IS durchgeführt werden, müssen mit der entwick-
lungspolitischen sowie dem außenpolitischen Gesamtkonzept der Bundesregie-
rung vereinbar sein und bedürfen der vorherigen Zustimmung des BMZ [Bun-
desministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung] und des
Auswärtigen Amts (AA)“ (s. Antwort zu Frage 18 auf Bundestagsdrucksache
17/12793).
Medienberichte haben in jüngster Zeit immer wieder Zweifel an der (entwick-
lungs-)politischen und unternehmerischen Sinnhaftigkeit der GIZ IS aufkom-
men lassen. Mehrfach wurde berichtet, dass dieser Geschäftsbereich finanziell
angeschlagen sei. So hieß es: „Für den Dienstleister [...] werden laut einem Be-
richt aus dem Aufsichtsrat 2014 rote Zahlen in Millionenhöhe prognostiziert –
das dritte Jahr in Folge.“ (vgl. DER SPIEGEL 14/2014, S. 49). Durch den
Zwang, gewinnbringend arbeiten zu müssen, besteht eine grundsätzliche Offen-
heit gegenüber vielen – eventuell auch fragwürdigen – Auftraggebern, um an
lukrative Geschäfte zu kommen. So heißt es auf der Website der GIZ IS: „Wir
bieten internationalen Institutionen (Europäische Union, Weltbank, Vereinte
Nationen und anderen), Regierungen weltweit, Stiftungen und international
agierenden Unternehmen die Möglichkeit, uns direkt zu beauftragen.“ (vgl.
www.giz.de/international-services/de/html/39.html). So ist derzeit Saudi-Ara-
bien einer der größten nationalen Auftraggeber der GIZ IS, nachdem das Land
schon über die GIZ bei der Polizeiausbildung unterstützt wird (vgl. www.imi-
online.de/2013/02/09/die-giz-im-dienste-der-sicherheit/). Auch wenn dort sei-
tens der GIZ IS derzeit mit der Ausbildung von Berufsschullehrern ein rein

Drucksache 18/2597 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
ziviles Projekt durchgeführt wird, so stellt sich angesichts der menschenrecht-
lichen Lage und des Umstandes, dass gerade die autoritär regierten Golf-
Monarchien, wie allen voran Saudi-Arabien, weltweit terroristischen Kräften
mutmaßlich den Rücken stärken, die Frage, ob die Kooperation mit solch einem
Land überhaupt ein entwicklungspolitisches Interesse verfolgt.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche politischen Erwägungen im Sinne der Erfüllung des entwicklungs-

politischen Gesamtauftrags der GIZ hat die Bundesregierung dazu bewogen,
der GIZ ein Drittmittelgeschäft mit wachsender Bedeutung über den Ge-
schäftsbereich „International Services“ (IS) zu genehmigen, und welchen
über das staatlich ODA-finanzierte Kerngeschäft (ODA: Official Develop-
ment Assistance bzw. Öffentliche Entwicklungszusammenarbeit) hinausge-
henden entwicklungspolitischen Nutzen, und welche Wirkungen verspricht
sich die Bundesregierung hierdurch?

2. Welche konkreten Ziele verfolgt die Bundesregierung mit dem GIZ-Ge-
schäftsfeld IS?

3. Warum reicht es der Bundesregierung nicht aus, die GIZ auf das Kernge-
schäft als staatliche Durchführungsorganisation der deutschen ODA-finan-
zierten Entwicklungszusammenarbeit und damit in erster Linie der Armuts-
bekämpfung zu beschränken?

4. Über welche Mechanismen stellt die Bundesregierung sicher, dass „Projekte,
die von der GIZ IS durchgeführt werden, […] mit der entwicklungspoliti-
schen sowie dem außenpolitischen Gesamtkonzept der Bundesregierung ver-
einbar“ sind (s. Antwort zu Frage 18 auf Bundestagsdrucksache 17/12793)?

5. Welches ist die Rechtsform der GIZ IS, und in welchem rechtlichen Verhält-
nis stehen GIZ und GIZ IS?
a) Ist die GIZ IS ein rechtlich eigenständiges Gebilde und somit eine Art

Subunternehmen der GIZ?
b) Falls zwei rechtlich getrennte Strukturen bestehen, wie sehen die Abstim-

mungsprozesse zwischen den zwei Strukturen (Aufteilung der Zuständig-
keiten, Abstimmung auf Mitarbeiterinnen- bzw. Mitarbeiterebene etc.)
aus?

c) Falls die GIZ IS keine rechtliche Eigenständigkeit besitzt, wie werden
rechtlich und im Arbeitsalltag (Trennung der Mitarbeiterinnen und Mit-
arbeiter, Führungsstrukturen, Absprachen etc.) die zwei Geschäftsberei-
che voneinander getrennt?

6. In welchem Verhältnis stehen GIZ-Kerngeschäft, GIZ IS, Kofinanzierungs-
wesen und PPP-Geschäfte (PPP: Public-Private-Partnership bzw. öffentlich-
private Partnerschaft) zueinander, bzw. wie werden diese voneinander ab-
gegrenzt?
a) Gibt es in den einzelnen Ländern und/oder in der GIZ-Zentrale eine zen-

trale Anlaufstelle, über die Drittmittelgeschäfte und Kofinanzierungen
aktiv eingeworben und dann auch die vertraglichen Verhandlungen für
künftige GIZ IS-Geschäfte geführt werden?

b) Wurden oder werden Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeiter der GIZ (Aus-
landsmitarbeiterinnen und Auslandsmitarbeiter – AMA –, Abteilungs-
und/oder Projektleiterinnen und Projektleiter etc.) zur Akquise von Dritt-
mittelgeschäften und Kofinanzierungen für den Geschäftsbereich GIZ IS
eingesetzt?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2597
c) Kann die Bundesregierung ausschließen, dass ODA-finanzierte AMA der
GIZ in ihrer regulären Arbeitszeit Akquise und Monitoring für Drittmittel-
und Kofinanzierungsgeschäfte u. a. auch für die GIZ IS betreiben?

d) Wenn nein, inwiefern steht das im Einklang mit den entwicklungspoliti-
schen Zielen des BMZ?

e) Trifft es zu, dass AMA, Abteilungs- und/oder Projektleiterinnen bzw. Pro-
jektleiter der GIZ jährliche Akquisitionsziele planen müssen?

f) Trifft es zu, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der GIZ Boni für er-
folgreich abgeschlossene Drittmittel- und Kofinanzierungsgeschäfte er-
halten?

g) Wenn ja, bis zu welcher Höhe (in Euro) werden Boni gezahlt, und wie viel
machte das in den letzten zehn Jahren jeweils als Gesamtsumme aus (bitte
pro Jahr für die Jahre 2004 bis 2013 auflisten)?

h) Wenn ja, inwiefern stellt die Bundesregierung sicher, dass solche Zusatz-
geschäfte stets zur Erreichung entwicklungspolitischer Ziele abgeschlos-
sen werden und nicht etwa rein finanzielle Erwägungen (für die GIZ und
die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter) hierbei eine Rolle spielen?

i) Aus welchen Töpfen werden etwaige Boni gezahlt?
7. Welche Programme und Projekte hat die GIZ IS (vormals GTZ IS) in den

letzten zehn Jahren (2005 bis 2014) durchgeführt?
a) Wer waren die Auftraggeber (bitte tabellarische Auflistung)?
b) Über welche Prozesse kam es jeweils zur Akquise neuer Aufträge?

Haben sich die Auftraggeber von sich aus an die GIZ IS gewandt („Nach-
frageorientierung“), haben sie die Programme bzw. Projekte öffentlich
ausgeschrieben, und/oder hat die GIZ IS die Programm- bzw. Projektvor-
schläge von sich aus eingereicht?

c) Wie hoch waren die jeweiligen finanziellen Programm- bzw. Projektvolu-
mina?

d) Liegen zu allen Programmen und Projekten vor Auftragsannahme Base-
line-Studien vor, die die Vorhaben auf ihre entwicklungspolitische Sinn-
haftigkeit überprüft haben?
Wenn ja, welches waren und sind die angelegten Kriterien, und welche
Akteure wurden und werden als Stakeholder in diese Studien einbezogen?

e) Welche Programme bzw. Projekte verliefen erfolgreich im Sinne einer
positiven entwicklungspolitischen Wirkung mit welchen konkreten Er-
gebnissen (bitte Evaluierungen beifügen)?

f) Welche Programme bzw. Projekte haben ihre intendierte Wirkung eher
verfehlt oder zu einem Großteil nicht erreicht, und warum (bitte Evaluie-
rungen beifügen)?

8. Mittels welcher konkreter Kriterien prüft die GIZ IS Auftragsangebote (bitte
Kriterienkatalog anhängen)?

9. Über welche Genehmigungsprozesse wurden und werden GIZ IS-Projekte
seitens der Bundesregierung (insbesondere seitens des BMZ und/oder des
AA) geprüft und genehmigt?
a) Welche GIZ IS-Projekte innerhalb der letzten fünf Jahre (2010 bis 2014)

wurden wann den jeweils zuständigen Bundesministerien zur Prüfung und
Genehmigung vorgelegt (bitte auflisten)?

Drucksache 18/2597 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
b) Bei welchem genauen Verhandlungsstand mit den potentiellen externen
Auftraggeberinnen und Auftraggebern der GIZ IS wurden oder werden in
der Regel die potentiellen Projekte den jeweils zuständigen Bundesminis-
terien zur Prüfung und Genehmigung vorgelegt?

c) Von welcher Abteilung und welchem Referat innerhalb des BMZ und/
oder des AA werden die eingereichten Anträge für GIZ IS-Projekte ge-
prüft und genehmigt?

d) Wer genau zeichnet in den jeweiligen Bundesministerien verantwortlich
für die Genehmigung?

e) Wie viele potentielle GIZ IS-Projekte haben BMZ und/oder AA mit wel-
chen Begründungen abgelehnt (bitte eingereichte Projekte und die jewei-
ligen Begründungen der Ablehnung auflisten)?

10. Inwiefern gibt oder gab es Programme bzw. Projekte der GIZ IS, für die die
GIZ in ihrem Kerngeschäft durch Bundeshaushaltsmittel seitens der Bun-
desregierung nie einen Auftrag bekommen hätte, weil sie nicht den ent-
wicklungspolitischen Auftragsrichtlinien der Bundesregierung entsprachen
oder entsprechen (falls es solche Projekte gab, bitte Liste dieser Projekte an-
hängen)?

11. Hat die GIZ IS von sich aus Aufträge, die ihr angeboten wurden, ausge-
schlagen?
Wenn ja, welche Auftragsangebote waren dies, und warum wurden diese
ausgeschlagen (bitte genaue Gründe auflisten)?

12. Welche entwicklungspolitischen Ziele und intendierten Wirkungen verfolgt
das an den Unternehmer Pezold in Simbabwe vergebene PPP-Projekt, und
was und welche Maßnahmen werden hier genau finanziert (falls schon Eva-
luationsberichte vorliegen, bitte beifügen)?

13. In welchem Geschäftsfeld der GIZ (ODA-finanziertes Kerngeschäft oder
GIZ IS) liegt das durch Australien in Simbabwe durchgeführte Kofinanzi-
rungsprojekt im Wassersektor, und welche Maßnahmen werden hier genau
mit welchen intendierten entwicklungspolitischen Wirkungen durchgeführt
(falls schon Evaluationsberichte vorliegen, bitte beifügen)?

14. Inwiefern treffen die Medienberichte zu, dass die GIZ IS schon in den Jah-
ren 2012 und 2013 und laut einer internen Prognose auch im Jahr 2014 im
dritten Jahr in Folge Verluste machen wird (vgl. u. a. DER SPIEGEL, 14/
2014, S. 49)?

15. Wurden die Geschäfte der GIZ IS in den letzten fünf Jahren (2009 bis 2014)
internen oder externen Prüfungen oder Audits unterzogen?
Wenn ja, von wem (bitte Prüfberichte und -ergebnisse anhängen)?
Wenn nein, warum nicht?

16. Liegen bereits Ergebnisse des bei der BostonConsultingGroup extern in
Auftrag gegebenen Gutachtens (vgl. DER SPIEGEL, 14/2014, S. 49) vor?
Wenn ja, welche (bitte anhängen), und welche Konsequenzen zieht die GIZ
daraus?
Wenn nein, wann werden diese erwartet (bitte nachliefern)?

17. Wie fängt die GIZ IS entstandene Verluste auf?
Wie werden diese verbucht?

18. Was macht die GIZ IS mit etwaigen Gewinnen aus ihren Drittmittelgeschäf-
ten?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/2597
19. Wurden in der Vergangenheit die Rücklagen der GIZ zum Ausgleich der
Verluste des Geschäftsbereichs GIZ IS genutzt, bzw. ist vorgesehen, dass
die GIZ-Rücklagen auch für die GIZ IS im Zweifel zur Verfügung stehen?

20. Übernehmen in letzter Instanz die Bundesregierung, der Bundeshaushalt
und damit der Steuerzahler die Verluste der GIZ IS?
Wenn ja, wie ist dies zu rechtfertigen?
Wenn nein, wer übernimmt die Verluste dann?
Ist ein solcher Fall schon eingetreten, bzw. ist die Übernahme der Verluste
durch Bundeshaushaltsmittel grundsätzlich vorgesehen oder ausgeschlos-
sen?

21. Unterliegen die Gehälter der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der GIZ IS
der Besteuerung in Deutschland und/oder im Einsatzland?
Oder bleiben diese entsprechend der Steuerpraxis der GIZ bis Ende 2013
unbesteuert?

Berlin, den 22. September 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.