BT-Drucksache 18/2537

Ausweitung von internationalen Finanzermittlungen und Abfragen von Kontodaten

Vom 10. September 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/2537
18. Wahlperiode 10.09.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Annette Groth, Inge Höger, Ulla Jelpke,
Kerstin Kassner, Petra Pau, Martina Renner, Kersten Steinke, Frank Tempel,
Kathrin Vogler, Halina Wawzyniak und der Fraktion DIE LINKE.

Ausweitung von internationalen Finanzermittlungen und Abfragen von
Kontodaten

Laut Medienberichten plant die Bundesregierung, einen „Kampf gegen Geld-
wäsche“ zu verschärfen (www.all-in.de vom 27. August 2014). Demnach würde
damit auf die internationale „Arbeitsgruppe Bekämpfung der Geldwäsche und
der Terrorismusfinanzierung“ (Financial Action Task Force on Money Launde-
ring – FATF) reagiert, die Deutschland „wegen des Ausmaßes an Geldwäsche“
mit einem „verschärften Überwachungsverfahren gedroht“ habe. Dabei sei es
vor allem um „Terrorismusfinanzierung“ gegangen. Auch die Organisation für
Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) habe laut Medien-
berichten deutsche Regelungen bemängelt und forderte „strafrechtliche Nach-
besserungen“ (REUTERS vom 27. April 2014). Angedroht wurde ein „ver-
schärftes Überwachungsverfahren“ der OECD, sofern nicht bis Juni 2014 „kon-
krete Schritte zur Verschärfung des Kampfes gegen Geldwäsche“ vorgewiesen
würden.
Letztes Jahr hatte indes die „WirtschaftsWoche“ über den damaligen Bundes-
datenschutzbeauftragten Peter Schaar gemeldet, dass immer mehr Abfragen von
Kontodaten vorgenommen würden (26. November 2013). Die Maßnahme habe
„einst als Anti-Terror-Maßnahme“ gegolten, nun würden damit auch wegen
„Steuerhinterziehungen und Sozialmissbrauch“ ermittelt. Bis Ende September
2013 seien bereits mehr als 102 000 Kontenabrufe erfolgt, im gesamten vergan-
genen Jahr seien es lediglich 72 578 gewesen. Die Bundesregierung hatte aber
kurz zuvor eine entsprechende Erhöhung bestritten (vgl. Antwort der Bundes-
regierung auf Bundestagsdrucksache 17/14831). Laut Peter Schaar habe sich
auch der „Kreis der Zugriffsberechtigten“ im Laufe der Jahre immer mehr er-
weitert. Das Argument des Kampfs gegen den Terrorismus diene „als eine Art
Türöffner zu den Kontodaten“. Abfragen würden „oftmals ohne Begründung
und ohne Nachricht an den Betroffenen“ durchgeführt. Die nun angekündigten
Verschärfungen im „Kampf gegen Geldwäsche“ hinsichtlich einer „Terroris-
musfinanzierung“ könnten also zur weiteren Zunahme entsprechender Abfragen
führen.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Inwiefern kann die Bundesregierung die Einschätzung des vom Europäischen

Polizeiamt Europol vorgelegten „EU Terrorism Situation & Trend Report
2014“ (Te-Sat) bestätigen, wonach „Terroristen“ häufig Sozialversicherungs-
leistungen, Kreditkarten oder anonyme Geldkarten missbrauchen oder Wohl-
tätigkeitsorganisationen und Vereine zur Beschaffung von Geldern für terro-

Drucksache 18/2537 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
ristische Vereinigungen benutzen, und auf welche belastbaren Angaben
stützt sie die Einschätzung?

2. Auf welche Weise hat die Bundesregierung die „EU-Präventiv-Richtlinie
zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung“ umge-
setzt?

3. Welche neuen Regelungen sollen in der aktualisierten Richtlinie nach ge-
genwärtigem Stand getroffen werden, und wie hat sich die Bundesregierung
hierzu positioniert?

4. Auf welche Weise hat die Bundesregierung die EU-Richtlinie über die
Sicherstellung und Einziehung von Tatwerkzeugen und Erträgen aus Straf-
taten umgesetzt?

5. Inwieweit trifft es nach Einschätzung der Bundesregierung zu, dass Behör-
den des Innern und des Zolls durch die erneuerte Richtlinie noch mehr
Befugnisse erhalten?

6. Welche Haltung vertritt die Bundesregierung zur Empfehlung des EU-Be-
richts „Schlussfolgerungen und Empfehlungen“ des Rates hinsichtlich ver-
stärkten Finanzermittlungen, die einen „proaktiven und präventiven Zusatz-
nutzen“ erzielen könnten und deshalb vermehrt „in allen Fällen schwerer
und organisierter Kriminalität“ eingesetzt werden sollten (bitte nicht wie
auf Bundestagsdrucksache 17/14831 antworten, ob die Maßnahmen als
„regelmäßiger Ermittlungsbestandteil“ genutzt werden, sondern ob diese
aus ihrer Sicht, wie von der Europäischen Union (EU) gefordert, vermehrt
genutzt werden sollten)?

7. Inwiefern plant die Bundesregierung tatsächlich eine „Verschärfung der Be-
kämpfung der Geldwäsche in Deutschland“?
a) Auf welche Weise soll eine „Terrorismusfinanzierung“ zukünftig besser

aufgedeckt werden?
b) Welche neuen Instrumente werden geschaffen?

8. Welche „verschärften Überwachungsverfahren“ hatte die FATF bei einer
Nichtreaktion der Bundesregierung angedroht?

9. Inwiefern trifft es zu, dass deutsche Bundesminister mit einem Schreiben
Deutschland „die Vorstufe eines schärferen Überwachungsverfahrens“ er-
spart hätten?

10. Inwiefern trifft es zu, dass auch die OECD deutsche Regelungen bemängelt
und „strafrechtliche Nachbesserungen“ gefordert hatte (REUTERS vom
27. April 2014)?

11. Worin besteht nach Kenntnis der Bundesregierung das gegenüber der Bun-
desrepublik Deutschland angedrohte „verschärfte Überwachungsverfah-
ren“ der OECD?

12. Welche „konkreten Schritte zur Verschärfung des Kampfes gegen Geld-
wäsche“ hatte die Bundesregierung, wie von der OECD gefordert, bis Juni
2014 vorgewiesen?

13. Inwiefern ist die Zahl der Kontenabfragen durch Finanzämter und Sozial-
behörden im Jahr 2013 tatsächlich „drastisch gestiegen“ (WirtschaftsWoche
vom 26. November 2013), und welche Zahlen kann die Bundesregierung
hierzu vorlegen (bitte für beide Jahreshälften 2013 sowie die erste Jahres-
hälfte 2014 sowie die anfragenden Behörden aufschlüsseln)?

14. In wie vielen der Fälle wurden die Betroffenen über die Maßnahme infor-
miert?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2537
15. Inwiefern trifft es zu, dass Zugriffsmöglichkeiten auf immer mehr Behör-
den ausgeweitet wurden?

16. Inwiefern trifft es zu, dass die Kontenabfrage ursprünglich als „Anti-Terror-
Maßnahme eingeführt“ worden war, das Argument aber „als eine Art Tür-
öffner zu den Kontodaten“ geworden ist?

17. Auf welche Weise bringen sich Bundesbehörden im EU-Programm „Auto-
nomous Anonymous Analysis“ (Ma3tch) ein (www.fiu.net/fiunet-unlimited/
match/match3)?
a) Welche Technologien werden beim automatisierten Datenabgleich via

Ma3tch eingesetzt?
b) Welche Anwendungen welcher Hersteller (Hard- und Software) werden

hierfür beim Bundeskriminalamt (BKA) genutzt?
c) Wie wird sichergestellt, dass dabei keine Personendaten übertragen

werden?
18. Welche weiteren Datenaustauschsysteme existieren nach Kenntnis der Bun-

desregierung unter den Mitgliedstaaten der Europäischen Union für Zwecke
des Aufspürens von „Terrorismusfinanzierung“?
a) Welche der Aktennachweissysteme sind geeignet, Risiken zu ermitteln

oder Prognosen zu entwerfen?
b) Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, inwiefern Zulieferungen

oder Abfragen der Informationssysteme zu- oder abnehmen?
c) Welche Zahlen sind ihr diesbezüglich für die Jahre 2012, 2013 und 2014

hinsichtlich des Systems für das Risikomanagement bei Zollkontrollen,
des Zollinformationssystems, des Aktennachweissystems für Zoll-
zwecke sowie entsprechende Datensammlungen bei Europol bekannt
(sofern keine Zahlen für andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union
vorliegen, bitte wenigstens für deutsche Behörden benennen)?

19. Auf welche Weise sind Bundesbehörden sowie Einrichtungen der EU in der
Plattform der zentralen Meldestellen der EU (Financial Intelligence Unit –
FIU) vertreten?
a) Inwiefern arbeitet die Plattform auch mit der Europäischen Kommission

zusammen, etwa in der Vorbereitung von Gesetzgebungsvorhaben oder
politischen Maßnahmen?

b) Wem ist die Plattform gegenüber rechenschaftspflichtig, und wie kann
diese parlamentarisch kontrolliert werden?

c) Wie oft hat sich die Plattform in den Jahren 2012, 2013 und 2014 jeweils
getroffen?

d) Auf welche Weise können Informationen zwischen den FIU einzelner
Mitgliedstaaten der Europäischen Union getauscht werden?

e) Auf welche Weise sollen die FIU zukünftig mit Europol kooperieren,
welche Vereinbarungen existieren hierzu bereits, und bis wann sollen
diese umgesetzt werden?

f) Welche Regelungen treffen die Vereinbarungen zur Zusammenarbeit bei
der „Terrorismusfinanzierung“?

20. Wie viele Ermittlungshinweise haben Behörden der Mitgliedstaaten der Eu-
ropäischen Union von der Anlaufstelle des „Programms zum Aufspüren der
Finanzierung des Terrorismus“ (Terrorist Finance Tracking Programme –
TFTP) von Europol bzw. US-Behörden nach Kenntnis der Bundesregierung
nach TFTP-Ersuchen erhalten?

Drucksache 18/2537 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
21. Auf welche Weise hat die TFTP-Anlaufstelle von Europol das BKA seit
ihrem Bestehen unterstützt?
a) Wie viele Ermittlungshinweise hat das BKA von der TFTP-Anlaufstelle

von Europol bzw. US-Behörden nach TFTP-Ersuchen erhalten?
b) Wie viele Ermittlungshinweise hat das BKA aus TFTP-Analysen ohne

vorherige TFTP-Ersuchen von Europol bzw. US-Behörden erhalten?
c) Wie viele der TFTP-Hinweise von Europol bzw. US-Behörden wurden

vom BKA an andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder
„Drittländer“ weitergeleitet, und um welche handelt es sich dabei?

22. Was ist der Bundesregierung über die Ergebnisse der dritten TFTP-Über-
prüfung vom April 2014 bekannt, bzw. wann sollen diese vorliegen?

23. An welchen Konferenzen oder Fortbildungsveranstaltungen zum TFTP
haben Behörden des Bundesministeriums des Innern (BMI) im Jahr 2014
teilgenommen, und welche Aspekte zur „Bekämpfung von Geldwäsche und
Terrorismusfinanzierung“ wurden dort behandelt?

24. Inwieweit haben nach Kenntnis der Bundesregierung bei Europol im Jahr
2014 Treffen oder Konferenzen zu TFTP stattgefunden, wer richtete diese
aus, welche deutschen Behörden nahmen daran teil, und welche Themen
wurden dort behandelt?

25. Inwieweit nahmen an den Veranstaltungen nach Kenntnis der Bundesregie-
rung auch Vertreterinnen und Vertreter von US-Behörden teil?
a) Welche Ergebnisse zeitigte ein „EU-USA-Workshop über Terrorismus-

finanzierung“ vom Mai 2014, der vom griechischen EU-Vorsitz aus-
gerichtet wurde und vor allem um „finanzielle Zuwendungen für ter-
roristische Vereinigungen, die in Syrien aktiv sind“ zum Inhalt hatte
(Bundestagsdrucksache 18/2429)?

b) Was kann die Bundesregierung darüber mitteilen, inwiefern der Syrien-
konflikt Auswirkungen auf Zulieferungen, Abfragen oder Analysen im
Rahmen des TFTP hat?

26. Inwieweit haben die USA ihre Zusicherung vom letzten Jahr wahrgemacht,
„eingestufte Dokumente zu deklassifizieren und sukzessive weitere Infor-
mationen bereitzustellen“, damit die Bundesregierung überprüfen kann
inwiefern der US-Militärgeheimdienst NSA weite Teile des internationalen
Zahlungsverkehrs sowie Banken und Kreditkartentransaktionen überwacht
(Bundestagsdrucksache 17/14831)?
a) Welche Ergebnisse kann sie zu der Prüfung mitteilen?
b) Über welche neueren Informationen verfügt die Bundesregierung mitt-

lerweile über das NSA-Programm „Follow the Money“ zum Ausspähen
von Finanzdaten sowie der Finanzdatenbank „Tracfin“?

c) Welche neuere Kenntnis hat die Bundesregierung über einen Bericht,
wonach in ,,Tracfin“ auch Daten der in Brüssel beheimateten Firma
SWIFT, über die millionenfache internationale Überweisungen vorge-
nommen werden, eingespeist werden (DER SPIEGEL vom 15. Septem-
ber 2013)?

Berlin, den 9. September 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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