BT-Drucksache 18/2474

Spionagetätigkeit des Bundesnachrichtendienstes gegenüber den NATO-Partnern Türkei und Albanien sowie den US-Außenministern

Vom 2. September 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/2474
18. Wahlperiode 02.09.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jan Korte, Ulla Jelpke, Sevim Dağdelen, Dr. André Hahn, Harald
Petzold (Havelland), Martina Renner, Dr. Petra Sitte, Frank Tempel und der Fraktion
DIE LINKE.

Spionagetätigkeit des Bundesnachrichtendienstes gegenüber den NATO-Partnern
Türkei und Albanien sowie den US-Außenministern

Nach über einem Jahr intensiver Diskussion über die Ausspähaktionen der
NSA erhärtet sich der Verdacht, dass auch die deutschen Nachrichtendienste
aktives Ausspähen verbündeter Staaten betreiben. Aktuellen Informationen von
„DER SPIEGEL“ zufolge hat der Bundesnachrichtendienst (BND) die NATO-
Staaten Türkei und Albanien überwacht – vermutlich jahrelang und bis heute
(vgl. SPIEGEL ONLINE vom 23. August 2014). Die „Frankfurter Allgemeine
Sonntagszeitung“ (FAS) berichtete, dass Regierungskreise das Vorgehen des
BND zumindest gegenüber der Türkei bestätigt hätten. Man verstoße damit aber
nicht gegen das Diktum der Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, dass Ausspä-
hen unter Freunden nicht gehe. Begründet würde die Ausspähung damit, dass
die Bundesregierung „in den vergangenen Jahren nie behauptet [habe], dass eine
solche Haltung für alle Nato-Staaten gilt“ (FAS vom 17. August 2014). Außer-
dem sei die Türkei nicht mit den Vereinigten Staaten oder europäischen Partnern
wie Frankreich und Großbritannien vergleichbar. Ferner habe, was in der Türkei
geschehe, nach Angaben der Regierungskreise unmittelbare Bedeutung für die
innere Sicherheit Deutschlands.
Die NATO-Partner Türkei und Albanien seien im derzeit noch aktuellen Auf-
tragsprofil der Bundesregierung aus dem Jahr 2009 geführt und damit offizielles
Aufklärungsziel des deutschen Auslandsgeheimdienstes. „SPIEGEL ONLINE“
und „FAS“ zufolge gehören beide Staaten zu den „Kernländern“ der Beobach-
tung durch den BND. Gegen diese Länder dürften nachrichtendienstliche Mittel
wie etwa Abhörmaßnahmen eingesetzt werden. Andere Länder würden im Auf-
tragsprofil der Bundesregierung als „Monitoring-Staaten“ geführt, über die nur
offen verfügbare Informationen gesammelt werden dürften. Während Albanien
nach SPIEGEL-Informationen schon vor seinem Beitritt zur NATO auf die Ziel-
liste des BND genommen wurde, werde die Türkei bereits seit 1976 vom BND
ausgespäht (vgl. hierzu u. a. SPIEGEL ONLINE vom 23. August 2014 und
ZEIT ONLINE vom 23. August 2014).
Der BND soll außerdem auch Gespräche des US-Außenministers John Kerry
und dessen Vorgängerin Hillary Clinton aufgezeichnet haben. Die über Satelliten
geführten Telefonate seien als „Beifang“ im Überwachungsnetz gelandet. Erst
im Nachhinein habe man bemerkt, dass im Rahmen anderer Operationen, bei
denen Terrorverdächtige im Mittleren Osten im Fokus der Abhöraktion standen
– quasi aus Versehen – auch die vertraulichen Telefonate der amerikanischen
Amtsträger mitgeschnitten worden seien (www.spiegel.de/spiegel/vorab/bnd-
fuehrt-nato-partner-tuerkei-als-aufklaerungsziel-a-986466.html). Dieser soge-
nannte Beifang, eigentlich zwangsläufiges Ergebnis einer vollständigen Kom-

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munikationserfassung und insofern nicht ganz zufällig, scheint nach Medien-
berichten ein bekanntes Phänomen zu sein (tagesschau.de am 16. August 2014).
Bis zum Sommer 2013 soll solcher „Beifang“ systematisch ausgewertet und
dann gelöscht worden sein. Jetzt heißt es, dass „im Sommer 2013 […] das Kanz-
leramt diese Praxis jedoch gestoppt und eine Anweisung erlassen [habe], nach
der abgehörte Telefonate oder Mails von befreundeten Politikern ungelesen ver-
nichtet werden müssen“.
Die jetzigen Informationen stammen aller Wahrscheinlichkeit nach aus den
218 Unterlagen, die der im Juli 2014 festgenommene mutmaßliche BND-Spion
an die USA übergeben haben soll. Bei einem der geheimen Dokumente, das der
CIA übermittelt wurde, handelt es sich demnach um das besagte „Auftragspro-
fil“, das die Aufklärungsschwerpunkte des deutschen Auslandsgeheimdiens-
tes BND beinhaltet.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Seit wann hat die Bundesregierung Kenntnis von den Ausspähaktionen des

Bundesnachrichtendienstes gegenüber dem NATO-Partner Albanien?
2. Seit wann hat die Bundesregierung Kenntnis von den Ausspähaktionen des

Bundesnachrichtendienstes gegenüber dem NATO-Partner Türkei?
3. Welche NATO-Partner bzw. welche Kommunikationswege in NATO-Mit-

gliedstaaten werden bzw. wurden seit Mitgliedschaft der BRD in der NATO
durch den BND überwacht (bitte Zeitraum, Ausspähziel, überwachte Kom-
munikationswege angeben)?

4. Wann, auf welcher Grundlage und mit welchem Inhalt wurde jeweils ein
entsprechender Auftrag an den BND durch das Kanzleramt erteilt?

5. Welche Behörden und Bundesministerien sind in welcher Funktion an der
Erstellung eines Aufgabenprofils für den BND beteiligt, und wie lange hat
ein solches in der Regel Gültigkeit?

6. Werden die Aufgabenprofile in der Folgezeit evaluiert und angepasst und
wenn ja, in welchen zeitlichen Abständen und auf Grundlage welcher Infor-
mationen und Entscheidungsprozesse?

7. Aus welchem Jahr stammt das derzeitige Aufgabenprofil und welche An-
lässe haben im Einzelnen zur Änderung seines Vorläufers geführt?

8. In welcher Form wird eine neue Bundesregierung über das jeweils geltende
Aufgabenprofil informiert?

9. Welche Länder werden neben der Türkei und Albanien in dem besagten
BND-Auftragsprofil als Spionageziel definiert?

10. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, dass im Auftrags-
profil des BND einige Staaten als „Monitoring-Staaten“ und andere als
„Kernländer“ kategorisiert werden?

11. Anhand welcher Kriterien erfolgt im Aufgabenprofil des BND die jeweilige
Kategorisierung, und welche Maßnahmen zur Informationsgewinnung
resultieren aus der jeweiligen Zuordnung bzw. welche sonstigen Folgen
resultieren aus einer Zuordnung zu einer solchen Kategorie (bitte der jewei-
ligen Kategorie zuordnen)?

12. Wie erklärt die Bundesregierung vor dem Hintergrund der aktuellen Ver-
öffentlichungen zum Aufgabenprofil des BND ihre Antwort auf die Kleine
Anfrage der Fraktion DIE LINKE., Bundestagsdrucksache 18/1086, dass
keine förmliche Kategorisierung ausländischer Nachrichtendienste und
damit der jeweiligen Staaten anhand bestimmter Kriterien erfolgt, und hält
sie an dieser Antwort weiterhin fest?

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13. Welche Umstände und Tatsachen rechtfertigen die Aufnahme der Türkei als
Überwachungsziel in das Aufgabenprofil des BND gegenüber anderen
europäischen und nichteuropäischen Staaten?

14. Welche Umstände und Tatsachen rechtfertigen die Aufnahme Albaniens als
Überwachungsziel in das Aufgabenprofil des BND gegenüber anderen
europäischen und nichteuropäischen Staaten?

15. Ist es zutreffend, dass durch den BND Kommunikationsdaten des US-
Außenministers John Kerry und dessen Vorgängerin Hillary Clinton er-
hoben und verarbeitet wurden, und wann hat die Bundesregierung hierüber
jeweils Kenntnis erlangt?

16. Welche Umstände und Tatsachen rechtfertigen die Einordnung, dass diese
abgehörten Kommunikationsdaten zufällig bzw. nicht gezielt erhoben wur-
den?

17. Inwieweit treffen Berichte der Medien zu, das Kanzleramt habe veranlasst,
abgehörte Telefonate oder Mails von befreundeten Politikern ungelesen zu
vernichten?
Wann, durch wen und in welcher Form erfolgte diese Anweisung aus wel-
chem Anlass?

18. Wie viele weitere Kommunikationsdaten und -vorgänge wurden durch den
BND darüber hinaus seit 2001 zufällig erhoben (bitte einzeln Jahr, Anzahl
und Erhebungsort angeben)?

19. Wurden die seit 2001 von „zufälliger“ durch den BND erfolgter Erhebung,
Speicherung und Verarbeitung der Daten Betroffenen über dieselbe infor-
miert, und wenn ja, wann, wie und durch wen?

20. Wurden ausländische Nachrichtendienste, mit denen der BND zusammen-
arbeitet und kooperiert, über zufällig erhobene Kommunikationsdaten
informiert und ihnen diese Daten zur Verfügung gestellt (bitte einzeln Jahr,
Art und Umfang der erhobenen Daten, an welchen Nachrichtendienst wei-
tergeleitet und auf welcher rechtlichen Grundlage angeben)?

21. Wann, durch wen und unter wessen Beteiligung und Aufsicht wurden die
zufällig vom BND erhobenen Kommunikationsdaten gelöscht (bitte einzeln
den Zeitpunkt der Datenerhebung, Zeitpunkt der Löschung, beteiligte und
beaufsichtigende Behörde angeben)?

22. Inwieweit treffen Medienberichte zu, das Parlamentarische Kontrollgre-
mium (PKGr) sei über einen Teil der aktuellen Vorwürfe bereits im Juli
2014 unterrichtet worden?
Wann genau erfolgte die Unterrichtung, und welche konkreten Inhalte wur-
den den Mitgliedern des Gremiums übermittelt?

23. Welche Formen und welche Praxis der Kooperation haben deutsche Nach-
richtendienste mit denen der Türkei?

24. Welche Formen und welche Praxis der Kooperation haben deutsche Nach-
richtendienste mit denen Albaniens?

25. Inwiefern befindet sich der BND im Austausch mit welchen Partnerbehör-
den der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, der USA oder Groß-
britanniens hinsichtlich jeweils erlangter relevanter Erkenntnisse über die
Türkei?

26. Inwiefern befindet sich der BND im Austausch mit welchen Partnerbehör-
den der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, der USA oder Groß-
britanniens hinsichtlich jeweils erlangter relevanter Erkenntnisse über Alba-
nien?

Drucksache 18/2474 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
27. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über private Firmen, die im
Auftrag des oder in Kooperation mit dem BND seit dem Jahr 2001 nach-
richtendienstlich tätig sind und ggf. an den Überwachungsaktivitäten in der
Türkei beteiligt sind?

28. Um welche 150 Staaten und weitere 46 Regionen handelt es sich, in und aus
denen der BND ausweislich der Gründe des Urteils des Bundesverwaltungs-
gerichts vom 28. Mai 2014 (BVerwG 6 A. 1.13) den Telekommunikations-
verkehr überwacht, und auf welche tatsächlichen Umstände stützen sich
jeweils diese Maßnahmen des BND?

29. Welche 218 Dokumente sind dem Parlamentarischen Kontrollgremium vor-
gelegt worden (bitte Titel und jeweiligen Verschlusssachengrad nennen)?

Berlin, den 1. September 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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