BT-Drucksache 18/2436

Umgang der Bundeswehr mit Neonazis in ihren Reihen (Nachfrage zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksache 18/2234)

Vom 28. August 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/2436
18. Wahlperiode 28.08.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Wolfgang Gehrcke, Inge Höger,
Dr. Alexander S. Neu, Petra Pau, Harald Petzold (Havelland), Martina Renner
und der Fraktion DIE LINKE.

Umgang der Bundeswehr mit Neonazis in ihren Reihen
(Nachfrage zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage
auf Bundestagsdrucksache 18/2234)

Obwohl die Bundeswehr fast drei Viertel der in den Jahren 2010 bis 2012
erkannten Neonazis nicht schnellstmöglich entlassen, sondern bis zum Ablauf
ihrer Dienstzeit im Dienst belassen hat, sieht die Bundeswehr keine Veran-
lassung, die gesetzlichen Möglichkeiten zur Entlassung rechtsextremer Sol-
datinnen und Soldaten zu erweitern (vgl. Bundestagsdrucksachen 17/14670 und
18/2234).
Aus den Antworten der Bundesregierung auf bisherige Anfragen der Fragestel-
ler geht nicht hervor, mit welchen disziplinarrechtlichen Maßnahmen und Ver-
wendungseinschränkungen die Bundeswehr in der Vergangenheit im Einzelnen
gegen die Neonazis in ihren Reihen vorgegangen ist. Es wird auch nicht deut-
lich, wie sie gegen jene Soldatinnen und Soldaten vorgeht, die als Verursacher
von rechtsextremen besonderen Vorkommnissen dem Wehrbeauftragten des
Deutschen Bundestages gemeldet wurden.
Die Fragesteller sind weiterhin der Ansicht, dass Neonazis in den Reihen der
Bundeswehr nichts zu suchen haben dürfen. Vielmehr ist ihre schnellstmögliche
Entlassung anzustreben. Solange dürfen sie weder Zugang zu Waffen noch
Funktionen als Vorgesetzte haben.
Besorgnis erregt bei den Fragestellern der Umstand, dass rund die Hälfte der
rechtsextremen Vorkommnisse nicht etwa von frisch eingezogenen Soldatinnen
und Soldaten verursacht werden, die womöglich unreif und unter spätpuber-
tärem Stress stehend in einer neuen Umgebung Nazisprüche loslassen, sondern
vielmehr von dienstälteren Bundeswehrangehörigen. In 25 der 58 gemeldeten
Fällen sind die Verursacher schon zwei Jahre oder länger im Dienst.
Es ist aus Sicht der Fragesteller recht unwahrscheinlich, dass Soldatinnen und
Soldaten, die schon jahrelang im Dienst stehen, „über Nacht“ zu Nazis werden
und „auf einmal“ ihre Ansicht äußern, es seien zu wenige Juden vergast worden
oder Aufkleber über „Adolf Hitlers European Tour 1939–1945“ in ihrem Auto
anbringen, Asylbewerber mit Feuerwerkskörpern und erhobenem rechten Arm
bedrohen. Hier muss vielmehr die Frage gestellt werden, ob diese Soldatinnen
und Soldaten nicht aufgrund eines militärischen Korpsgeistes zu lange unbehel-
ligt blieben. Womöglich sind allzuwenige Bundeswehrangehörige bereit, offen-
siv gegen die „braunen Schafe“ in ihren Reihen anzugehen. Angesichts der gän-

Drucksache 18/2436 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
gigen Praxis, erkannte Nazis im Dienst zu belassen, kommt das schlechte Bei-
spiel dafür von ganz oben.
Da die Beantwortung einiger der nachfolgenden Fragen womöglich einen grö-
ßeren Aufwand erfordert, erklären sich die Fragesteller mit einer Verlängerung
der Antwortfrist einverstanden.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie viele weitere der vom Militärischen Abschirmdienst (MAD) im Jahr

2013 aufgenommenen Verdachtsfälle auf rechtsextreme Betätigung haben
sich seit Erstellung der Bundestagsdrucksache 18/2234 „positiv“ bestätigt,
sind also mit dem Ergebnis „erkannter Extremist“ abgeschlossen worden?
a) Wie viele dieser Verdachtsfälle wurden „negativ“ abgeschlossen, indem

Sinne, dass sich der Verdacht nicht bestätigt hat?
b) Wie viele dieser Verdachtsfälle werden gegenwärtig noch geprüft?

2. Teilt die Bundesregierung grundsätzlich die Haltung der Fragesteller, er-
kannte Neonazis, wie auch solche, die für rechtsextreme Vorfälle verantwort-
lich sind, müssten schnellstmöglich entlassen werden und sofort vom Dienst
an der Waffe und von Ausbildungsfunktionen abgezogen werden, und wenn
ja, welche Schlussfolgerungen zieht sie daraus?

3. Warum wurden, angesichts des Umstandes, dass der MAD ohnehin nur „ge-
richtsfeste“ Hinweise übermittelt (vgl. Bundestagsdrucksache 17/14670,
Antwort zu Frage 6a), nicht alle der seit dem Jahr 2010 erkannten 79 Rechts-
extremisten unverzüglich aus der Truppe entlassen bzw. ein gerichtliches
Disziplinarverfahren zwecks Entlassung eingeleitet?
In wie vielen Fällen war ein solches Verfahren eingeleitet, vom Gericht aber
verworfen worden?

4. Inwiefern ist die Tatsache, dass alle drei der im Jahr 2013 erkannten Neonazis
vorzeitig aus der Bundeswehr entlassen worden sind, als Schlussfolgerung
aus dem Umstand zu sehen, dass in der Vergangenheit nur ein Viertel der er-
kannten Nazis vorzeitig entlassen wurden (also als Verschärfung des bundes-
wehrinternen Vorgehens gegen Neonazis)?

5. Welche Maßnahmen hat die Bundeswehr jeweils im Einzelnen und zu
welchem Zeitpunkt gegen jene Soldatinnen und Soldaten durchgeführt, die
für rechtsextreme Vorfälle verantwortlich waren, die dem Wehrbeauftragten
des Deutschen Bundestages in den Jahren 2012 und 2013 gemeldet worden
sind (bitte möglichst anhand der Auflistungen in den Bundestagsdrucksachen
17/14670 und 18/2234 vollständig aufschlüsseln und dabei auch angeben, in-
wiefern die betreffenden Soldaten weiterhin Zugang zu Waffen hatten, als
Ausbilder eingesetzt worden sind oder als Vorgesetzte Befehle erteilen konn-
ten sowie darlegen, wie lange nach dem Tatzeitpunkt die Soldaten noch im
Dienst verblieben waren, und ob ihre Dienstzeit vorzeitig beendet wurde)?

6. Welche Maßnahmen hatte die Bundeswehr jeweils im Einzelnen und zu wel-
chem Zeitpunkt gegen jene 79 Soldatinnen und Soldaten durchgeführt, die
zwischen den Jahren 2010 und 2013 vom MAD als Rechtsextremisten er-
kannt worden waren (bitte möglichst vollständig aufschlüsseln und dabei
auch angeben, inwiefern die betreffenden Soldaten weiterhin Zugang zu Waf-
fen hatten, als Ausbilder eingesetzt worden sind oder als Vorgesetzte Befehle
erteilen konnten sowie darlegen, wie lange nach der „Erkennung“ die Sol-
daten noch im Dienst verblieben waren, und ob ihre Dienstzeit vorzeitig be-
endet wurde)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2436
7. Wie vielen dieser 79 Soldatinnen und Soldaten wurde bei ihrer Entlassung
das reguläre Entlassungsgeld bzw. Übergangsbeihilfen ausbezahlt, und in-
wiefern gilt das auch für die vorzeitig entlassenen Soldaten?
Gehört die Kürzung oder Streichung dieser Gelder grundsätzlich zu den mög-
lichen Maßnahmen gegen Rechtsextremisten in der Bundeswehr?

8. Was genau versteht die Bundesregierung unter dem Begriff „schwerwiegen-
der schuldhafter Verstoß gegen die politische Treuepflicht“ von Soldatinnen
und Soldaten, und welche der in den Berichten des Wehrbeauftragten ge-
nannten Vorkommnisse (vom „Hitlergruß“ bis zu rassistischen Beleidigun-
gen von Flüchtlingen) sind ihrer Auffassung nach keine schwerwiegenden
Verstöße?

9. In welchen der auf Bundestagsdrucksache 18/2234 aufgeführten Fälle, bei
denen die verantwortlichen Soldaten das fünfte Dienstjahr bereits hinter sich
hatten bzw. Berufssoldaten waren, hat die Bundeswehr ein gerichtliches Dis-
ziplinarverfahren zwecks Entlassung eingeleitet, und mit welchem Ergebnis?
Warum hat sie in den anderen Fällen darauf verzichtet?

Berlin, den 28. August 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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