BT-Drucksache 18/2425

Aktivitäten des Bundesamts für Verfassungsschutz in Fußball-Fanszenen

Vom 28. August 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/2425
18. Wahlperiode 28.08.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jan Korte, Dr. André Hahn, Ulla Jelpke, Katrin Kunert,
Petra Pau, Harald Petzold (Havelland), Martina Renner, Dr. Petra Sitte,
Frank Tempel, Halina Wawzyniak und der Fraktion DIE LINKE.

Aktivitäten des Bundesamts für Verfassungsschutz in Fußball-Fanszenen

Am 21. Juli 2014 berichtete das Nachrichtenmagazin „DER SPIEGEL“, dass
ein renommierter Kölner Fanforscher seit rund 20 Jahren für das Bundesamt für
Verfassungsschutz (BfV) arbeiten soll. Der Politologe habe in den neunziger
Jahren im Bereich Rechtsextremismus beim BfV gearbeitet („Fanforscher arbei-
tet für Nachrichtendienst“. DER SPIEGEL Nr. 30 vom 21. Juli 2014) und sei
dort unter anderem mit der Führung des Verbindungsmanns (V-Manns) und
Neonazis Michael See, dessen Akte beim BfV wenige Tage nach Auffliegen des
NSU-Terrortrios im November 2011 geschreddert wurde, betraut gewesen (vgl.
Stefan Aust, Dirk Laabs: „Heimatschutz“. München 2014).
Seit dem Jahr 2011 hat der mutmaßliche Mitarbeiter des BfV diverse Bücher zu
Fußball- und Fankultur veröffentlicht und sich in der Fanszene einen guten Ruf
erarbeitet, war an diversen wissenschaftlichen Projekten zur Fanforschung be-
teiligt und ist einer der Mitbegründer des Instituts für Fankultur e. V. an der
Universität Würzburg sowie von www.fankultur.com, einer Internetplattform,
die Fußballfans zum Verfassen von Blogs einlädt.
Vor dem Hintergrund bekannter Anwerbeversuche von Verfassungsschutz-
behörden der Länder in der Ultra-Szene stellt sich die Frage, ob sich das BfV auf
diesem Weg Informationen über Organisationsstrukturen von Fußballfans, ins-
besondere von organisierten Ultras, beschafft. In Fanblogs macht sich dies-
bezüglich Verunsicherung breit. Im Blog „EricCantona“ schreibt ein Autor:
„Herausgestochen ist seinerzeit zum einen, dass er selbst kaum Beiträge ver-
fasste, sondern mehr durch Interviews glänzte, die er im Rahmen dieser Bücher
geben durfte. Zum anderen war auffällig, dass er zu einem sehr breiten Spektrum
an Teils renommierten und prominenten Personen Kontakte pflegt. Das muss per
se nicht verunsichern, ist aber auffällig“ (ericcantona.blogsport.de). Andere fra-
gen, ob das von dem Fanforscher gestartete Netzprojekt fankultur.com vom Ver-
fassungsschutz initiiert worden sei (vgl. www.publikative.org/2014/07/04/nsu-
komplex-erreicht-ultra-szene/).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Treffen die Behauptungen im o. g. „SPIEGEL“-Artikel zu, wonach der Wis-

senschaftler bis heute ein Beschäftigungsverhältnis beim Bundesamt für Ver-
fassungsschutz (BfV) hat?

Drucksache 18/2425 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
2. Steht die Arbeit des Politologen als Wissenschaftler und Autor auf dem
Gebiet der Fanforschung und Fankultur im Zusammenhang mit seiner Be-
schäftigung beim BfV, und wenn ja, wie stellt sich dieser dar?

3. Hat das BfV durch diese Arbeit Zugriff auf Informationen über Ultra- und
andere Fangruppierungen, Einzelpersonen oder andere Einrichtungen und
Institutionen im Fußballzusammenhang (wie z. B. wissenschaftliche Insti-
tute und Fachgruppen) erlangt?

Wenn ja, welche, und zu welchem Nutzen?

4. Sind Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter des BfV in öffentlichen oder priva-
ten wissenschaftlichen Einrichtungen operativ tätig, und wenn ja, auf wel-
cher Rechtsgrundlage und welchen Bereichen aufgrund welcher Gefähr-
dungsanalysen und Lagebildern?

5. Auf welcher Rechtsgrundlage dürfen Beschäftigte des BfV Informationen,
auf die sie im Rahmen einer externen ehrenamtlichen oder entlohnten Mit-
arbeit an wissenschaftlichen Instituten oder Forschungszusammenschlüssen
Zugriff haben, in ihrer Arbeit beim BfV verwenden oder diese mit der Be-
hörde teilen?

6. Auf welcher Rechtsgrundlage dürfen Beschäftigte des BfV Informationen,
die sie im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit erlangen, für ihre ehrenamt-
liche oder entlohnte Arbeit an wissenschaftlichen Instituten oder For-
schungszusammenschlüssen nutzen?

7. Wie viele Teil- und Vollzeitangestellte des BfV gehen einem Zweitjob nach
oder sind selbstständig tätig?

a) Sind Mitarbeiter des BfV im Falle der Aufnahme einer ehrenamtlichen
oder bezahlten Tätigkeit bei privaten oder öffentlichen Unternehmen
oder Institutionen dazu verpflichtet, ihre Beschäftigung beim BfV zu
verschweigen, und wenn ja, warum?

b) Wenn nein, fordert das BfV die bei ihm angestellten Wissenschaftler
dazu auf, bei externer Mitarbeit an empirischen und soziologischen For-
schungsprojekten öffentlicher oder privater Einrichtungen offen mit
ihrem Arbeitsverhältnis beim BfV umzugehen, um den Eindruck einer
Unterwanderung, Beeinflussung oder Abschöpfung unabhängiger Insti-
tute durch den Verfassungsschutz vorzubeugen?

8. War oder ist das BfV seit dem Jahr 2005 an empirischen Forschungsprojek-
ten zu Ultras und anderen Fußballfans indirekt oder direkt beteiligt, und
wenn ja, an welchen (bitte auflisten).

9. Welche Informationen sammelt das BfV auf welche Art und Weise, zu
welchem Zweck, aufgrund welcher Gefährdungslagen oder Lagebilder und
auf welcher Rechtsgrundlage über Gruppierungen, Einzelpersonen und
Institutionen im Zusammenhang mit der Fußballszene?

10. Gehört das Einrichten oder Anbieten von Internetforen und Blogs zu den
Methoden des BfV, um Informationen über die in diesem Bereich agierende
Personen und Gruppen zu gewinnen?

11. Hat das BfV mittels eines Back-End-Zugriffs auf die Webseite
www.fankultur.com Informationen über deren Nutzer, Autoren oder Kom-
mentatoren gesammelt, und wenn ja, welche, zu welchem Zweck, auf
welcher Rechtsgrundlage, und in welchem Zusammenhang mit dem in der
Vorbemerkung genannten BfV-Mitarbeiter?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2425
12. Hat das BfV öffentlich sichtbare Informationen über die Nutzer, Autoren
oder Kommentatoren auf der Webseite www.fankultur.com gesammelt und/
oder ausgewertet, und wenn ja, welche, zu welchem Zweck, auf welcher
Rechtsgrundlage, und in welchem Zusammenhang mit dem in der Vorbe-
merkung der Fragesteller genannten BfV-Mitarbeiter?

Berlin, den 28. August 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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