BT-Drucksache 18/2422

Umsetzung der Listen terroristischer Organisationen und Personen

Vom 28. August 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/2422
18. Wahlperiode 28.08.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan van Aken, Annette Groth, Dr. André Hahn,
Inge Höger, Andrej Hunko, Dr. Alexander S. Neu, Harald Petzold (Havelland),
Martina Renner, Halina Wawzyniak und der Fraktion DIE LINKE.

Umsetzung der Listen terroristischer Organisationen und Personen

Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 haben die Vereinten Nationen
(UN) eine sogenannte Terrorliste eingeführt. Gelder, finanzielle Vermögens-
werte und wirtschaftlichen Ressource der in der Liste aufgeführten Personen,
Vereinigungen und Körperschaften sind einzufrieren, ihnen dürfen weder direkt
noch indirekt Gelder, andere finanzielle Vermögenswerte und wirtschaftliche
Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Die gelisteten Personen unterliegen
zudem einem Ein- und Durchreiseverbot in oder durch die Mitgliedstaaten. Auf
Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 des Rates vom 27. Dezember
2001 „über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerich-
tete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus“ hat der Rat der
Europäische Union neben der UN-Terrorliste eine eigene darüber hinausge-
hende Terrorliste beschlossen. Der EU-Ministerrat muss nach dem in der Regel
auf Geheimdienstinformationen beruhenden Antrag des Innenministers eines
Mitgliedstaates einstimmig entscheiden, wer auf diese Liste kommt. Bis auf die
Beschränkung der Reisefreiheit gelten für die darauf Gelisteten dann dieselben
Sanktionen wie bei der UN-Liste.
Mit der EU-Terrorliste werden – wie die Bundesregierung auf Bundestagsdruck-
sache 17/9076 einräumte – „nach dem Gemeinsamen Standpunkt 931 aus-
schließlich Finanzsanktionen“ gefordert. Dennoch wird nach Kenntnis der
Fragesteller eine Listung von deutschen Behörden auch im Asyl- und Aus-
länderrecht sowie bei der Begründung von Haftbefehlen nach § 129b des Straf-
gesetzbuchs (StGB) herangezogen.
Der Sonderermittler des Europarates, Dick Marty, beklagte im November 2007
bei Vorstellung seines Berichts, dass auch gänzlich unschuldige Menschen, die
aufgrund „vager Verdachtsmomente“ in das Visier des US-Geheimdienstes CIA
geraten sind, durch die Terrorlisten von UN und EU mit einer „zivilen Todes-
strafe“ belegt werden.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. In wie vielen und welchen Fällen wurden – nach Kenntnis der Bundesregie-

rung – seit dem Jahr 2012 in der Bundesrepublik Deutschland Gelder oder
sonstige Vermögenswerte der auf den EU- und UN-Terrorlisten genannten
Organisationen, Körperschaften oder Einzelpersonen eingefroren (bitte ein-
zeln nach Jahren und betroffenen Körperschaften/Organisationen/Einzelper-
sonen aufzählen)?

Drucksache 18/2422 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
a) Welche und wie viele Körperschaften, Organisationen oder Einzelperso-
nen waren davon reell betroffen (die Frage bezieht sich darauf, inwieweit
tatsächlich Gelder und wirtschaftliche Ressourcen eingefroren wurden
und Betroffene nicht bloß gelistet wurden, wie von der Bundesregierung
auf Bundestagsdrucksache 17/9786 angenommen)?

b) Wie hoch waren die eingefrorenen Gelder oder Vermögenswerte jeweils?
c) Wo wurden diese Gelder oder Vermögenswerte aufgefunden?
d) Wie und durch welche Stelle oder Behörde wurden diese Gelder oder Ver-

mögenswerte festgestellt und einer gelisteten Person, Organisation oder
Körperschaft zugeschrieben?

e) In wie vielen und welchen Fällen wurden eingefrorene Gelder oder Ver-
mögenswerte wieder freigegeben?

2. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung über die Einleitung von Ermitt-
lungs- und Strafverfahren gegen in Deutschland ansässige Firmen, Institutio-
nen oder Personen wegen geschäftlicher Beziehungen mit auf den EU- und
UN-Terrorlisten genannten Organisationen, Personen oder Körperschaften
seit einschließlich dem Jahr 2012?

3. Welche und wie viele Verstöße gegen § 34 des Außenwirtschaftsgesetzes im
Zusammenhang mit auf den EU- und UN-Terrorlisten genannten Organisa-
tionen oder Personen innerhalb des Bundesgebietes sind der Bundesregie-
rung seit einschließlich des Jahres 2012 bekannt (bitte angeben, ob es zur
Anklageerhebung, Verurteilung, zum Freispruch oder zur Einstellung kam,
und in welchen Fällen zugleich eine Anklage bzw. Verurteilung nach § 129b
StGB erfolgte und um welche gelisteten Organisationen/Körperschaften/Per-
sonen es sich handelte)?

4. In welchen und wie vielen Fällen haben seit einschließlich des Jahres 2012
Einzelpersonen oder Organisationen gegen Maßnahmen deutscher Behörden
im Zusammenhang mit der EU-Terrorliste geklagt, und mit welchem Ergeb-
nis?

5. In welchen und wie vielen Fällen wurde mit welchem Ergebnis vor dem
Europäischen Gerichtshof (EuGH) nach Kenntnis der Bundesregierung
gegen eine Nennung auf der EU-Terrorliste geklagt?

6. In welchen und wie vielen Fällen und in welcher Höhe wurden nach Kenntnis
der Bundesregierung zu Unrecht auf der EU-Terrorliste genannte Personen,
Organisationen oder Körperschaften nach ihrer Delistung gemäß Artikel 340
des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union für die finan-
ziellen Einbußen und Demoralisierungen entschädigt?

7. Inwieweit hält die Bundesregierung die Möglichkeit, vor dem EuGH gegen
eine Aufnahme auf der EU-Terrorliste zu klagen, für ausreichend?

8. In wie vielen und welchen Fällen führte eine Listung auf der EU- oder UN-
Terrorliste auch zur Einleitung statusrechtlicher Maßnahmen im Rahmen des
Asyl- und Aufenthaltsrechts (bitte nach Ausweisungsverfügungen, Ableh-
nung der Erteilung oder Verlängerung von Aufenthalts- und Niederlassungs-
erlaubnissen, abgelehnten Asylanträgen, Asylwiderrufsentscheidungen,
politische Betätigungsverbote nach dem Aufenthaltsgesetz, Maßnahmen zur
Überwachung von Ausländern nach § 54a des Aufenthaltsgesetzes, Ab-
lehnung von Einbürgerungsanträgen aufschlüsseln)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2422
9. Inwieweit wirkt die Listung auf einer der genannten Listen ermessenslei-
tend oder -einschränkend bei Entscheidungen von Behörden in asyl-, auf-
enthalts- und staatsangehörigkeitsrechtlichen Angelegenheiten (bitte soweit
bekannt spezifizierende untergesetzliche Maßnahmen und gerichtliche Ent-
scheidungen nennen)?

10. Welche der auf der EU- oder UN-Terrorliste genannten Organisationen und
Körperschaften sind nach Erkenntnis der Bundesregierung im Bundesgebiet
aktiv, verfügen hier über Anhängerinnen und Anhänger oder legale Front-
organisationen, und welche der auf diesen Listen genannten Personen sind
im Bundesgebiet aufhältig (bitte Organisationen einzeln und Art der Ak-
tivität benennen sowie angeben, ob die aufhältigen Personen sich in Haft
befinden)?

11. In wie vielen und welchen Fällen wurde aufgrund einer Nennung in der UN-
Terrorlisten ein Einreiseverbot nach Deutschland verhängt bzw. eine Ein-
reiseerlaubnis verwehrt bzw. Personen ausländischer Herkunft des Bundes-
gebietes verwiesen?

12. Welche Modifikationen an der EU-Terrorliste und der Verfahren ihrer Er-
stellung wurden seit der vom Sonderermittler des Europarates Dick Marty
geäußerten Kritik Ende des Jahres 2007 nach Kenntnis der Bundesregierung
bislang vorgenommen?

13. Welche Erfahrungen liegen der Bundesregierung vor, inwieweit mit Hilfe
der UN- oder der EU-Terrorlisten die Unterstützung djihadistischer Grup-
pierungen im Nahen und Mittleren Osten aus der Bundesrepublik Deutsch-
land heraus (jedenfalls mutmaßlich) wirksam behindert oder unterbunden
werden konnte, und welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht
sie daraus?

14. Wie viele und welche der auf den Terrorlisten von EU und UN namentlich
aufgeführten Einzelpersonen wurden bislang nach Kenntnis der Bundes-
regierung Opfer von gezielten Tötungen oder Tötungsversuchen durch die
USA?

Berlin, den 28. August 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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