BT-Drucksache 18/235

Wahlrecht in Deutschland

Vom 20. Dezember 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 18/235
18. Wahlperiode 20.12.2013
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Halina Wawzyniak, Jan Korte, Dr. André Hahn, Ulla Jelpke,
Petra Pau, Harald Petzold (Havelland), Dr. Petra Sitte, Frank Tempel und der
Fraktion DIE LINKE.

Wahlrecht in Deutschland

Das Wahlrecht wurde in der 17. Wahlperiode des Deutschen Bundestages mehr-
mals geändert. Insbesondere die Regelung zu den sog. Auslandsdeutschen war
Bestandteil einer von allen Fraktionen getragenen Änderung des Wahlrechts
(vgl. http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/118/1711820.pdf). Sie war notwen-
dig, weil das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 4. Juli 2012 den bis-
herigen § 12 Absatz 2 Satz 1 des Bundeswahlgesetzes (BWahlG) für nichtig er-
klärt hatte (vgl. www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/cs20120704
_2bvc000111.html). Darüber hinaus wurde aber auch die Frage des Wahlrechts
für unter Vollbetreuung stehende Personen debattiert, ohne dass es zu einer
Wahlrechtsänderung gekommen ist (vgl. http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/
123/1712380.pdf und http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/120/1712068. pdf).
Hinsichtlich der von diesen Regelungen betroffenen Personen lagen zum Zeit-
punkt der Beratung der o. g. parlamentarischen Initiativen so gut wie keine Zah-
len vor.
Im Hinblick auf die Bundestagswahl 2013 wurde medial auf verschiedene
Pannen im Rahmen der Bundestagswahl 2013 verwiesen (vgl. u. a. www.zeit.de/
politik/deutschland/2013-09/pannen-bundestagswahl-briefwahl und
www.spiegel.de/politik/deutschland/briefwahl-pannen-bei-bundestagswahl-a-
924888.html). Darüber hinaus haben sich Wahlberechtigte an die Fragesteller
mit Hinweisen über Ungenauigkeiten bei der Bundestagswahl 2013 gewendet.
Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zur Briefwahl vom 24. No-
vember 1981 (2 BvC 1/81, BVerfGE 59, 119) hat der Gesetz- und Verordnungs-
geber „die bisherige Regelung und Handhabung der Briefwahl ständig in An-
betracht neu auftretender Entwicklungen, die unvorhergesehene Gefahren für
die Integrität der Wahl mit sich bringen können, zu überprüfen. Treten dabei
Mißbräuche zutage, die geeignet sein können, die Freiheit der Wahl oder das
Wahlgeheimnis mehr als unumgänglich zu gefährden, so erwächst daraus die
verfassungsrechtliche Pflicht, die ursprüngliche Regelung im Wege der Nach-
besserung zu ergänzen oder zu ändern“. Um der gesetzgeberischen Aufgabe
nachzukommen, ist es erforderlich, diesbezügliche Informationen einzuholen,
bevor ggf. über gesetzgeberische Änderungen nachgedacht wird.
Die Fragesteller haben keinen Zweifel an der Gültigkeit der Bundestagswahl
2013. Unabhängig davon gehen die Fragesteller aber davon aus, dass im Rahmen
der Bundeswahlordnung (BWO) und im BWahlG Optimierungsmöglichkeiten
für die Gewährleistung einer freien, gleichen und geheimen Wahl bestehen.

Drucksache 18/235 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie viele sog. Auslandsdeutsche haben entsprechend § 12 Absatz 2

BWahlG in Verbindung mit § 16 Absatz 2 BWO bei der Bundestagswahl
2013 einen Antrag auf Eintragung in das Wählerverzeichnis gestellt?

2. Wie viele der unter Nummer 1 benannten Personen haben im Jahr 2013 ih-
ren Antrag auf die Voraussetzungen des § 12 Absatz 2 Nummer 1 BWahlG
und § 12 Absatz 2 Nummer 2 BWahlG gestützt. Wie viele Anträge sind
bewilligt und wie viele Anträge sind abgelehnt worden (bitte nach § 12 Ab-
satz 2 Nummer 1 und § 12 Absatz 2 Nummer 2 BWahlG aufschlüsseln)?

3. Wie erfolgte die notwendige öffentliche Bekanntmachung nach § 20 Absatz 2
BWO durch die diplomatischen und berufskonsularischen Vertretungen der
Bundesrepublik Deutschland im Ausland im Hinblick auf die Bundestags-
wahl 2013?

4. Wie viele Personen waren nach § 13 Nummer 1 BWahlG bei der Bundes-
tagswahl 2013 vom Wahlrecht infolge des Richterspruchs ausgeschlossen?

5. Wie viele Personen waren nach § 13 Nummer 2 BWahlG bei der Bundes-
tagswahl 2013 vom Wahlrecht auf Grund der Bestellung eines Betreuers zur
Besorgung aller Angelegenheiten ausgeschlossen?

6. Wie viele Personen waren nach §13 Nummer 3 BWahlG bei der Bundes-
tagswahl 2013 vom Wahlrecht ausgeschlossen, weil sie sich aufgrund einer
Anordnung nach § 63 i. V. m. § 20 des Strafgesetzbuchs (StGB) in einem
psychiatrischen Krankenhaus befanden?

7. Wie viele Personen besaßen nach § 15 Absatz 2 Nummer 2 BWahlG bei der
Bundestagswahl 2013 infolge des Richterspruchs nicht die Wählbarkeit?
Wie viele Wahlbewerberinnen und Wahlbewerber wurden bei den vergange-
nen fünf Bundestagswahlen aufgrund dieser Vorschrift nicht zur Wahl zuge-
lassen?

8. Wie viele Personen haben bei der Bundestagswahl 2013 entsprechend § 17
Absatz 2 BWahlG einen Antrag auf einen Wahlschein gestellt, weil sie nicht
in einem Wählerverzeichnis eingetragen waren oder aus einem nicht von ih-
nen zu vertretenden Grund in dieses nicht eingetragen wurden?

9. Wie viele Anträge auf Erteilung eines Wahlscheins wurden positiv entschie-
den (bitte nach den Gründen des § 25 Absatz 2 BWO aufschlüsseln)?

10. Wie viele Wahlscheinanträge wurden entsprechend § 27 Absatz 3 BWO für
„einen anderen“ beantragt?

11. In wie vielen Fällen gab es Einsprüche gegen das Wählerverzeichnis und
Beschwerden entsprechend § 22 BWO bei der Bundestagswahl 2013?
Wie vielen Einsprüchen und Beschwerden wurde stattgegeben (bitte ge-
trennt nach stattgegebenen Einsprüchen und stattgegebenen Beschwerden
aufschlüsseln)?

12. In wie vielen Fällen bei der Bundestagswahl 2013 war eine Berichtigung
des Wählverzeichnisses nach § 23 BWO notwendig?

13. In wie vielen Stimmbezirken erfolgte bei der Bundestagswahl 2013 die
Stimmabgabe mit Wahlgeräten nach § 35 BWahlG?

14. Stellt es nach Ansicht der Bundesregierung einen Verstoß gegen die ord-
nungsgemäße Durchführung der Wahl – beispielsweise durch Beeinträchti-
gung der Wahlfreiheit – nach § 6 Absatz 7 BWO dar, soweit der Wahlvor-
stand im Wahllokal einen Spendenteller aufstellt?
a) Wenn nein, warum nicht?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/235
b) Wenn ja, sieht die Bundesregierung insoweit gesetzlichen Klarstellungs-
bedarf, beispielsweise dahingehend, dass durch § 10 Absatz 2 BWO die
Aufwendungen abgegolten und ein zusätzliches Einwerben von Geld
untersagt wird?

15. Wie wird sichergestellt, dass die nach § 8 BWO für die Stimmabgabe in
„kleineren Krankenhäusern, kleineren Alten- und Pflegeheimen, Klöstern,
sozialtherapeutischen Anstalten und Justizvollzugsanstalten“ bei entspre-
chendem Bedürfnis zu bildenden beweglichen Wahlvorständen auch tat-
sächlich gebildet werden?
a) Wie wird „kleineres Krankenhaus“ und „kleineres Alten- und Pflege-

heim“ definiert?
b) Wer teilt wem das „Bedürfnis“ nach einem beweglichen Wahlvorstand

mit?
c) Wie viele bewegliche Wahlvorstände wurden bei der Bundestagswahl

2013 gebildet (bitte getrennt nach den beweglichen Wahlvorständen für
die einzelnen Gruppen aufführen)?

d) Plant die Bundesregierung, diesbezüglich gesetzliche Klarstellungen in
den Deutschen Bundestag einzubringen?

16. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Frage, ob die Einrich-
tung eines beweglichen Wahlvorstandes in einer Justizvollzugsanstalt über-
haupt möglich ist, von der Gemeinde zu beurteilen ist und dabei insbeson-
dere personelle und organisatorische Gegebenheiten wie auch Sicherheits-
gründe eine Rolle spielen (vgl. http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/063/
1706300.pdf, S. 26)?
a) Wenn ja, warum?
b) Wenn nein, warum nicht?
c) Sieht die Bundesregierung diesbezüglich Bedarf für gesetzgeberische

Klarstellungen?
17. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass seit Einführung der Brief-

wahl keine zwingende Notwendigkeit für die Einrichtung beweglicher
Wahlvorstände in Justizvollzugsanstalten besteht, sofern nicht besondere
Gründe vorliegen (vgl. http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/063/1706300.
pdf, S. 39)?
a) Wenn ja, warum?
b) Wenn nein, warum nicht?
c) Sieht die Bundesregierung diesbezüglich gesetzgeberischen Handlungs-

bedarf?
18. Wie wird sichergestellt, dass Menschen in „größeren“ Alten- und Pflegehei-

men sowie „größeren“ Krankenhäusern ihr Wahlrecht wahrnehmen kön-
nen?
a) Wie wird „eine größere Anzahl von Wahlberechtigten“ in § 13 Absatz 1

BWO (Sonderwahlbezirke) definiert?
b) Wer teilt die Notwendigkeit eines Sonderwahlbezirkes nach § 13 Absatz 1

BWO der Gemeindebehörde mit?
c) Plant die Bundesregierung, diesbezüglich gesetzliche Klarstellungen in

den Deutschen Bundestag einzubringen?
19. Wie nehmen Angehörige der Bundeswehr, die sich im Auslandseinsatz

befinden, ihr Wahlrecht wahr?

Drucksache 18/235 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
a) Erfolgt die Wahrnehmung des Wahlrechts nach § 14 Absatz 2 BWahlG
(Wahl im Wahlbezirk) oder nach § 14 Absatz 3 BWahlG (Wahl im Wahl-
kreis)?

b) Soweit eine Wahlbeteiligung nach § 14 Absatz 2 BWahlG erfolgt, wie
lauten die nach § 12 Absatz 3 BWO notwendigen „festen Abgrenzungs-
merkmale“ für die Verteilung in die verschiedenen Wahlbezirke?

20. Wie wird die Wahlteilnahme von Menschen mit Behinderungen und Mobi-
litätsbeeinträchtigungen gesichert, soweit die Wahlräume nicht den Anfor-
derungen des § 46 BWO entsprechen?
Sieht die Bundesregierung hier gesetzgeberischen Handlungsbedarf, z. B.
durch die Umwandlung der „Soll-Regelung“ in § 46 BWO in eine „Muss-
Regelung“?
Wenn nein, warum nicht?

21. Wie erfolgt die Kontrolle, dass ein Wahlberechtigter entsprechend § 28 Ab-
satz 5 BWO für nicht mehr als vier Wahlberechtigte die Wahlscheine und
Briefwahlunterlagen persönlich abholt?
Sieht die Bundesregierung diesbezüglich gesetzlichen Optimierungsbedarf,
um Missbrauch zu verhindern?

22. Wie viele Wahlberechtigte haben bei der Bundestagswahl 2013 glaubhaft
versichert, dass ihr Wahlschein verloren gegangen ist?
a) Wie viele davon haben entsprechend § 28 Absatz 10 BWO einen neuen

Wahlschein erhalten?
b) Sieht die Bundesregierung hinsichtlich der Regelung des § 28 Absatz 10

BWO gesetzlichen Optimierungsbedarf, um Missbrauch zu verhindern?
23. Wie viele Wahlberechtigte wurden bei der Bundestagswahl 2013 entspre-

chend § 56 Absatz 6 BWO zurückgewiesen (bitte nach Nummern 1 bis 6
aufschlüsseln)?

24. Sieht die Bundesregierung Veranlassung, die Möglichkeit der Wahlbeob-
achtung gesetzlich zu verankern?
Wenn nein, warum nicht?

25. Teilt die Bundesregierung die Ansicht, dass „ein Verbot, Wahlräume in Ge-
bäuden bzw. Räumen einzurichten, die mit Überwachungstechnik ausgerüs-
tet sind, nicht erforderlich“ sei (vgl. http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/
110/1711088.pdf, S. 1)?
Wenn nein, warum nicht?
Wenn ja, warum?

26. Sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit, in § 74 Absatz 1 Satz 1 BWO
eine Präzisierung hinsichtlich der Aufbewahrung (unter Verschluss halten)
der eingegangenen Wahlbriefe vorzunehmen?
Wenn nein, warum nicht?

27. Sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit, in § 50 Absatz 2 BWO eine
gesetzliche Klarstellung dahingehend vorzunehmen, dass unter „Schreib-
stift“ nicht ein „Bleistift“ zu verstehen ist?
Wenn nein, warum nicht?

28. Sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit, bei der Auswahl von Wahl-
bezirken nach § 3 des Wahlstatistikgesetzes (WStatG) die Mindestanzahl
von 400 Wahlberechtigten heraufzusetzen?
Wenn nein, warum nicht?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/235
29. Ist es nach Kenntnis der Bundesregierung zutreffend, dass den Kreiswahl-
leiterinnen und Kreiswahlleiter und übergeordnet den Landes- bzw. dem
Bundeswahlleiter die genaue Lage (Ort und Adressen) der einzelnen
Stimmbezirke (Wahllokale) für die Bundestagswahl nicht bekannt waren?
a) Wird die Bestimmung der Wahlbezirke nach Kenntnis der Bundesregie-

rung durch die Gemeinden entsprechend § 12 Absatz 1 Satz 2 BWO
weitergegeben?
Wenn nein, warum nicht?

b) Sieht die Bundesregierung hinsichtlich der Regelung in § 12 Absatz 1
Satz 2 BWO gesetzlichen Regelungsbedarf, etwa in dem Sinne, dass
analog § 12 Absatz 4 BWO die Kreiswahlleiterin bzw. der Kreiswahllei-
ter Mitentscheidungsrechte erhält?

c) Wie viele Veränderungen gab es, von der Bundestagswahl 2009 bis zur
Bundestagswahl 2013, in den Stimmbezirken?

d) Liegt dem Bundeswahlleiter ein genaues Verzeichnis der einzelnen
Stimmbezirke in den Wahlkreisen der Bundestagswahl 2013 vor?
Wenn nein, warum nicht?

e) Müssen Veränderungen bei den Stimmbezirken bei den zuständigen
Wahlleiterinnen bzw. Wahlleitern auf der Ebene der Wahlkreise, des
Bundeslandes und im gesamten Bundesgebiet angezeigt werden?

Berlin, den 19. Dezember 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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