BT-Drucksache 18/2341

Haushaltswirksamkeit der Pkw-Maut

Vom 13. August 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/2341
18. Wahlperiode 13.08.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Herbert Behrens, Caren Lay, Eva Bulling-Schröter, Roland
Claus, Annette Groth, Sabine Leidig, Thomas Lutze, Dr. Kirsten Tackmann und
der Fraktion DIE LINKE.

Haushaltswirksamkeit der Pkw-Maut

Da in Deutschland über Jahrzehnte viel in den Neubau, aber zu wenig in den
Erhalt der Verkehrsinfrastruktur investiert wurde, sind die Verkehrswege hier-
zulande teilweise in einem erbärmlichen Zustand. Den investiven Nachholbedarf
haben zwei von der Bundesregierung eingesetzte Kommissionen (Daehre/
Bodewig) monetär bewertet und einen zusätzlichen Finanzbedarf für den Erhalt
der Verkehrsinfrastruktur von 7,2 Mrd. Euro ermittelt. Um weitere Geldquellen
zu erschließen, will die Bundesregierung – im Einklang mit den Vorstellungen
der Europäischen Union (EU) – vermehrt auf eine Nutzerfinanzierung setzen und
hat neben der Ausweitung der Lkw-Maut die Einführung einer Pkw-Maut
vereinbart, welche gemäß dem Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD
folgende Rahmenbedingungen erfüllen muss:
„Zur zusätzlichen Finanzierung des Erhalts und des Ausbaus unseres Autobahn-
netzes werden wir einen angemessenen Beitrag der Halter von nicht in Deutsch-
land zugelassenen Pkw erheben (Vignette) mit der Maßgabe, dass kein Fahr-
zeughalter in Deutschland stärker belastet wird als heute. Die Ausgestaltung
wird EU-rechtskonform erfolgen. Ein entsprechendes Gesetz soll im Verlauf des
Jahres 2014 verabschiedet werden.“ (Koalitionsvertrag, S. 29).
Auf einer Pressekonferenz am 7. Juli 2014 stellte der Bundesminister für Ver-
kehr und digitale Infrastruktur, Alexander Dobrindt, die Eckpunkte seines
Konzeptes für die Pkw-Maut vor. Dementsprechend soll die Pkw-Maut auf allen
öffentlichen Straßen im Bundesgebiet erhoben werden, Kurzzeitvignetten für
den Zeitraum von zehn Tagen und zwei Monaten verfügbar sein, die Berechnung
der Mautsätze für eine Jahresvignette analog zur Berechnungssystematik der
Kfz-Steuer erfolgen und Halterinnen und Haltern von in Deutschland zugelasse-
nen Pkw sollen die Mautkosten durch eine direkte Verrechnung mit der Kfz-
Steuer erstattet werden.
Darüber hinaus unterstellen die im „Infopapier zur Pkw-Maut/Infrastruktur-
abgabe“ des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI)
präsentierten Zahlen, allen voran der Verweis auf Nettoeinnahmen von jährlich
600 Mio. Euro, dass bereits umfangreiche Berechnungen zur Haushaltswirk-
samkeit der Pkw-Maut vorliegen, welche jedoch kritischen Modellrechnungen
wie z. B. der vom ADAC e. V. in Auftrag gegebenen Kurzstudie „Abschätzung
der Gebühreneinnahmen aus einer Autobahnvignette für Pkw“ widersprechen.

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Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wer hat die im „Infopapier zur Pkw-Maut/Infrastrukturabgabe“ dargestellten

Berechnungen hinsichtlich des Einnahmepotenzials sowie der Erhebungs-
kosten der Pkw-Maut vorgenommen (bitte entsprechendes Referat eines
Bundesministeriums und/oder privaten Auftragnehmers unter Angabe des
Titels der gutachterlichen Stellungnahme angeben), und wann und von wem
wurden diese Berechnungen validiert?

2. Wie verteilen sich die vom BMVI angegebenen jährlichen Gesamteinnah-
men aus der Pkw-Maut in Höhe von 4,7 Mrd. Euro auf die Posten
a) Einnahmen von in Deutschland Kfz-steuerpflichtigen Pkw,
b) Einnahmen von nicht in Deutschland Kfz-steuerpflichtigen Pkw,
c) Einnahmen aus Bußgeldern?

3. Wie verteilen sich die vom BMVI angegebenen jährlichen Kosten des Pkw-
Mautsystems in Höhe von 260 Mio. Euro auf die Posten

a) Erhebungskosten (bitte detailliert aufschlüsseln),
b) Kosten für die Kontrolle der Einhaltung der Mautpflicht,
c) Verwaltungskosten für die Kompensation der Mautkosten durch Ver-

rechnung mit der Kfz-Steuer?
4. Wie viele Pkw, welche nicht in Deutschland zugelassen sind, nutzten in den

Jahren 2009 bis 2013 die Straßenverkehrsinfrastruktur in Deutschland (bitte
getrennt nach Jahresscheiben aufführen), und welches Jahr wurde von der
Bundesregierung als Referenzjahr für die Hochrechnung des Einnahme-
potenzials einer Pkw-Maut herangezogen?

5. Welche Berechnungsmethodik liegt der angegebene Wert der jährlich auf
hiesigen Straßen verkehrenden Pkw, welche nicht in Deutschland zugelas-
sen sind, zugrunde?

6. Von welcher Verteilung auf die einzelnen Vignettentypen (Wochen-, Monats-
und Jahresvignetten) im Rahmen des Verkaufs von Vignetten an Halterinnen
und Halter nicht in Deutschland zugelassener Pkw ist dabei die Bundesregie-
rung in ihrer Prognose ausgegangen, und welcher durchschnittliche Preis für
eine Jahresvignette wurde dabei unterstellt?

7. Wie viele volle Planstellen müssen im Rahmen der Einführung einer Pkw-
Maut in welchen Behörden neu geschaffen werden?

8. Mit welchen Kosten rechnet die Bundesregierung für die Beschilderung zur
Anzeige der Mautpflicht auf der hiesigen Straßeninfrastruktur für den Fall,
dass die Pkw-Maut
a) auf allen Straßen in Deutschland und
b) nur auf Autobahnen gilt?

9. Mit welcher Begründung müssen angesichts des automatischen Versands
der Jahresvignetten an Halterinnen und Halter von in Deutschland zugelas-
senen Pkw selbige eine Vignette am Auto anbringen bzw. warum genügt
nicht bereits das Führen eines gültigen Kfz-Kennzeichens zum Nachweis
der Entrichtung der Pkw-Maut?

10. Auf welche Höhe belaufen sich die Kosten für den Druck und den Versand
der Jahresvignetten an alle Halterinnen und Halter von in Deutschland zu-
gelassenen Pkw voraussichtlich?

11. Wird die für den Einzug der Kfz-Steuer zuständige Zollbehörde auch mit
dem Einzug der Pkw-Maut betraut werden?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2341
12. Lägen in diesem Falle der Zollbehörde durch die Meldung zur Kfz-Steuer
bereits alle für die Erhebung der Maut (Jahresvignette für Halterinnen und
Halter von in Deutschland zugelassenen Pkw) Daten vor, und wenn ja,
warum ist dann ein Anmeldeverfahren für das Pkw-Mautsystem vonnöten?

13. Müssen Halterinnen und Halter von in Deutschland zugelassenen Pkw nur
im Falle eines Fahrzeugwechsels eine erneute Meldung (mit den relevanten
Kfz-Daten) an die Erhebungsstelle abgeben oder muss dies unabhängig da-
von jedes Jahr erfolgen (bitte begründen)?

14. Gelten im Sinne der Eckpunkte des BMVI zur Einführung einer Pkw-Maut
auch die durch private Konzessionsnehmer bewirtschafteten Autobahn-
abschnitte als öffentliche Straßen, und wenn ja, wie werden diese Konzes-
sionsnehmer an den Einnahmen aus der Pkw-Maut beteiligt?

15. Mit welcher Begründung könnte den privaten Konzessionsnehmern eine
Beteiligung an den Mauteinnahmen einer Pkw-Maut verwehrt werden, und
wenn ja, welche grundlegenden Unterschiede zwischen Pkw- und Lkw-
Maut bestehen demgemäß?

16. Sind in den bestehenden Konzessionsverträgen (A-Modell) bereits Bestim-
mungen enthalten, welche die Beteiligung der Konzessionsnehmer an Ein-
nahmen aus einer Pkw-Maut regeln, und wenn ja, welche?

17. Sollen die Einnahmen aus der Pkw-Maut zur Finanzierung der Verkehrs-
infrastruktur zweckgebunden werden, und wenn ja
a) nur die Nettoeinnahmen oder die Gesamteinnahmen und
b) angesichts der Tatsache, dass die Pkw-Maut eine nichtsteuerliche

Abgabe mit Gegenleistungscharakter im Sinne des Ausgleichs eines
spezifischen Sondervorteils ist, nur für den Bereich der Straßenverkehrs-
infrastrukturfinanzierung (bitte begründen)?

18. Ist nach Ansicht der Bundesregierung die Einführung einer Pkw-Maut haus-
haltsrechtlich nur dann zulässig, d. h. mit dem Gebot sparsamen Wirtschaf-
tens vereinbar, wenn durch die Maut Nettoeinnahmen erzielt werden kön-
nen, und wenn nein, unter welchen Voraussetzungen kann davon abgesehen
werden?

19. Wie bewertet die Bundesregierung die ökologische Lenkungswirkung der
geplanten Pkw-Maut angesichts deren Kostenneutralität für Halterinnen
und Halter in Deutschland zugelassener Pkw und des Umstands, dass gemäß
der vom BMVI dargestellten Berechnungssystematik für Pkw mit einem
Kohlendioxidausstoß von 85 g pro Kilometer über 100 Euro (z. B. VW Golf
1.6 TDI Blue Motion) fällig werden können, für Pkw mit einem mehr als
doppelt so hohen Ausstoß jedoch lediglich 60 Euro (z. B. BMW X5 xDrive
35i) (siehe „Pkw-Maut: Standpunkte des ökologischen Verkehrsclubs
Deutschland“)?

20. Beabsichtigt die Bundesregierung im Rahmen der Einführung einer Pkw-
Maut ein Interessenbekundungsverfahren durchzuführen, d. h. privaten An-
bietern (Mautbeteibern) die Möglichkeit zu eröffnen, darzulegen, inwieweit
sie die Erhebung einer Pkw-Maut wirtschaftlicher betreiben können (bitte
begründen), und wenn ja, wann soll dieses Verfahren eingeleitet werden?

21. Sind für die Einführung einer die Bestimmungen des Koalitionsvertrages
einhaltenden Pkw-Maut zwei Gesetze notwendig, wobei eines die Erhebung
einer Pkw-Maut und ein weiteres die Reform der Kfz-Steuer zum Inhalt
haben (bitte begründen)?

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22. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass bei einer Erhöhung der
Kosten für eine Jahresvignette stets simultan die Kfz-Steuersätze angepasst
werden und damit eine Mehrbelastung für Halterinnen und Halter in
Deutschland zugelassener Kfz auch zukünftig ausgeschlossen bleibt (bitte
begründen), und wenn ja, wie gedenkt sie dies zu tun?

23. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass die Einführung einer Pkw-
Maut in Deutschland und die geplante Kfz-Steuerreform nicht zeitgleich er-
folgen und somit die Halterinnen und Halter von in Deutschland zugelasse-
nen Pkw erst rückwirkend die Pkw-Maut erstattet bekämen, was dem Bund
einen einmaligen Buchungsgewinn in Höhe der gesamten Mauteinnahmen
bescherte (bitte begründen), und wenn ja, wie?

24. Wird die Bundesregierung von der Einführung einer Pkw-Maut Abstand
nehmen, wenn eine Reform der Kfz-Steuer mit dem Inhalt der Gewährung
von Freibeträgen in Höhe der zu zahlenden Pkw-Maut seitens der EU für
unzulässig erklärt und wird sie die Pkw-Maut rückwirkend für den Fall ab-
schaffen, dass eine Kfz-Steuerreform erst nach Einführung einer Pkw-Maut
verabschiedet und von der EU „kassiert“ werden sollte (bitte jeweils be-
gründen)?

25. Wie begründet die Bundesregierung die höheren Mautkosten für Halterin-
nen und Halter von Pkw mit Dieselmotor vor dem Hintergrund, dass der
benötigte Kraftstoff keinen Bezug zur Abnutzung der Infrastruktur aufweist
und die (für die Berechnung der Mautsätze erheblichen) höheren Kfz-
Steuersätze primär dem Ausgleich der niedrigeren Energiesteuer auf Diesel
dienen und somit auch keinen Bezug zur Inanspruchnahme der Infrastruktur
aufweisen?

Berlin, den 13. August 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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