BT-Drucksache 18/233

Vereinheitlichung von Kriterien zur Erfassung von mit Haftbefehl gesuchten Neonazis

Vom 20. Dezember 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 18/233
18. Wahlperiode 20.12.2013
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Sevim Dağdelen, Petra Pau, Harald Petzold
(Havelland), Martina Renner, Frank Tempel, Halina Wawzyniak und der Fraktion
DIE LINKE.

Vereinheitlichung von Kriterien zur Erfassung von mit Haftbefehl gesuchten
Neonazis

Auf mehrere Kleine Anfragen der Fraktion DIE LINKE. in der 17. Legislatur-
periode bezüglich der Anzahl von mit Haftbefehl gesuchten, untergetauchten
Neonazis hat die Bundesregierung nur unter Vorbehalt Auskünfte geben können.
Als größtes Problem einer zuverlässigen Erfassung nannte sie im März 2013
(auf Bundestagsdrucksache 17/12706), das Fehlen „bundesweit einheitlicher
und zur Gewinnung eines aussagekräftigen Lagebilds tauglicher Kriterien“. Im
August 2013 teilte sie mit (auf Bundestagsdrucksache 17/14568), „die abschlie-
ßende Festlegung der aktuell in Beratung befindlichen“ Kriterien werde „vo-
raussichtlich in Kürze erfolgen“, eine erste Erhebung nach diesen neuen einheit-
lichen Kriterien könne dann „frühestens im Herbst 2013 erfolgen.“
Aus Sicht der Fragesteller ist aus den bisherigen Darlegungen der Bundesregie-
rung nicht schlüssig hervorgegangen, worin genau die Unterschiede bei den Er-
fassungskriterien zwischen den einzelnen Ländern bestanden haben. Insbeson-
dere bleibt unklar, warum ein Abgleich der offenen Haftbefehle mit dem Be-
stand der INPOL-Falldatei „Innere Sicherheit“ nicht ausreichend ist. Den Frage-
stellern drängt sich der Verdacht auf, dass nicht nur die Erfassungskriterien
hinsichtlich der mit Haftbefehl gesuchten Neonazis uneinheitlich sind, sondern
überhaupt die Einschätzung von Straftaten als politisch motiviert unterschied-
lich gehandhabt wird. Sie verweisen darauf, dass in der Vergangenheit (insbe-
sondere auf Bundestagsdrucksache 17/12706) etwa das Entbieten des „Hitler-
grußes“ mehrfach als „unpolitische“ Tat eingestuft worden war. Diese Einstu-
fung wurde erst auf Nachfrage der Fragesteller revidiert.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Entwicklung haben die Bemühungen um eine Vereinheitlichung der

Erfassungskriterien seit der Antwort der Bundesregierung auf Bundestags-
drucksache 17/12706 genommen?

2. Inwiefern haben sich die Erfassungskriterien in der Vergangenheit unter-
schieden (bitte konkrete Unterschiede benennen?)

3. Wo genau hat aus Sicht der Bundesregierung Verbesserungsbedarf bestan-
den, welchen Verbesserungsbedarf haben die Länder formuliert, und inwie-
fern ist den jeweiligen Bedarfen inzwischen abgeholfen worden bzw. inwie-
fern bestehen sie weiter?

Drucksache 18/233 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
4. Sind mittlerweile zwischen Bund und Ländern einheitliche Kriterien verein-
bart worden, und wenn ja,
a) in welchem Rahmen haben diesbezügliche Gespräche stattgefunden,
b) wann wurde diese Vereinbarung getroffen,
c) um welche Kriterien handelt es sich,
d) wie soll künftig eine Erfassung offener Haftbefehle wegen Delikten mit

rechtsextremem Hintergrund erfolgen,
e) welche Dateien und etwaigen sonstigen Erkenntnisquellen sollen dazu

herangezogen werden,
und wenn nein,
f) warum nicht,
g) welche weiteren Schritte sind von Seiten der Bundesregierung bzw. nach

Kenntnis der Bundesregierung von Seiten der Länder beabsichtigt, um
eine solche Festlegung treffen zu können, und welche zeitlichen Pro-
gnosen gibt es diesbezüglich?

5. Wie ist die Aussage der Bundesregierung, es sei aus ihrer Sicht entscheidend,
dass die Sicherheitsbehörden „alle insoweit im Fokus stehenden Personen,
die […] tatsächlich ein politisch motiviertes Gefährdungspotenzial aufwei-
sen, im Blick behalten bzw. bei unbekanntem Aufenthalt ausfindig machen“
(Bundestagsdrucksache 17/14568), zu verstehen?
a) Beschränkt sich diese Aussage auf solche Personen, die per Haftbefehl ge-

sucht werden, und wenn nein, welcher Personenkreis ist genau gemeint?
b) Wie wird der Begriff „politisch motiviertes Gefährdungspotenzial“ defi-

niert, und inwieweit wird dabei eine nachgewiesene oder vermutete
Gewaltbereitschaft vorausgesetzt?

c) Welche Kriterien sind für die Einstufung in diesen Personenkreis verein-
bart bzw. werden von der Bundesregierung angestrebt, und wer kann letzt-
lich über konkrete Einstufungen entscheiden?

6. Inwiefern sollen künftig offene Haftbefehle auch mit anderen Phänomenbe-
reichen der Politisch motivierten Kriminalität (PMK) abgeglichen werden,
und welche konkreten Festlegungen gibt es diesbezüglich?

7. Welcher zeitliche, personelle und materielle Aufwand wird bei der Zugrunde-
legung einheitlicher Kriterien voraussichtlich bei einer Erfassung anfallen?

8. Hat inzwischen eine neue, nach einheitlichen Kriterien erfolgte Erfassung,
wie viele Personen mit rechtsextremem Hintergrund per Haftbefehl gesucht
werden, stattgefunden, und wenn ja, mit welchen Ergebnissen (bitte mög-
lichst nach der Systematik entsprechender Anfragen in der Vergangenheit
darstellen), und wenn nein, wann wird eine solche Erfassung mutmaßlich
stattfinden können?
Sollte eine solche Erfassung stattgefunden haben,
a) gegen wie viele Neonazis lagen zum Zeitpunkt der Abfrage unvollstreckte

Haftbefehle vor,
b) wie viele dieser Haftbefehle beruhen auf Delikten aus dem PMK-Bereich,
c) wie viele dieser Haftbefehle beruhen auf Gewaltdelikten,
d) welche Delikte liegen diesen Haftbefehlen jeweils maßgeblich zugrunde

(bitte vollständig und möglichst nach der Systematik, wie in der Antwort
zu Frage 5 auf Bundestagsdrucksache 17/14558, angeben),

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/233
e) wie viele der gesuchten Personen sind in jeweils welchen einschlägigen
Datenbanken der Sicherheitsbehörden gespeichert bzw. in INPOL als
Gewalttäter rechts markiert, und wie viele gelten als gewaltbereit,

f) wie viele dieser Personen sind nach Kenntnis der Bundesregierung An-
gehörige rechtsextremer Kameradschaften, der Musikszene oder anderer
rechtsextremer Subkulturen?

9. Sind die Sicherheitsbehörden der Länder bzw. das Bundeskriminalamt jetzt
in der Lage, zu jedem Zeitpunkt mit nur unerheblichem Aufwand verläss-
liche Aussagen darüber zu treffen, wie viele Neonazis (Personen mit PMK-
rechts-Bezug) per Haftbefehl gesucht werden, oder sollen sie dazu nach
Festlegung der Kriterien in der Lage sein?

10. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Entschei-
dung des Bundesverfassungsgerichtes zur Antiterrordatei hinsichtlich der
Ausgestaltung der Datei zu gewaltbereiten Rechtsextremisten, und welche
Maßnahmen ergeben sich daraus?

11. Inwiefern ist nach Einschätzung der Bundesregierung mit der erzielten bzw.
angestrebten Festlegung einheitlicher Erfassungskriterien auch das Problem
behoben, dass die Vergabe personengebundener Hinweise (etwa „Straftäter
rechtsmotiviert“) im polizeilichen Informationssystem (bislang) nicht
einheitlich erfolgt ist (vgl. die Antwort der Bundesregierung zu Frage 8 auf
Bundestagsdrucksache 17/14568), bzw. inwiefern besteht dieses Problem
weiter, und welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung daraus?

12. Hat bereits eine nach einheitlichen Kriterien erfolgte Abfrage offener Haft-
befehle aus anderen PMK-Bereichen stattgefunden, und wenn ja, welche
Ergebnisse brachte diese?

Berlin, den 19. Dezember 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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