BT-Drucksache 18/2308

Anti-Doping-Gesetz für den Sport vorlegen

Vom 7. August 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/2308
18. Wahlperiode 07.08.2014

Antrag
der Abgeordneten Dr. André Hahn, Katrin Kunert, Jan Korte, Ulla Jelpke,
Harald Petzold (Havelland), Kersten Steinke und der Fraktion DIE LINKE.

Anti-Doping-Gesetz für den Sport vorlegen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Doping und andere Manipulationen im sportlichen Wettbewerb, wie zum Beispiel
Match Fixing und Korruption, sind eine Bedrohung für den Sport. Sie untergraben
die positiven Funktionen, die der Sport für die Gesellschaft hat und widersprechen
den grundlegenden Werten von Respekt, Fairness und Toleranz.
Der Sport hat sich in den letzten Jahrzehnten zunehmend gewandelt und wenngleich
seine ethischen und moralischen Grundlagen nach wie vor Gültigkeit haben, ist ge-
rade der Spitzensport heute als eigenständiger Wirtschaftszweig anzusehen. Eine ne-
gative Konsequenz dieser Entwicklung ist, dass der Sport auch eine Plattform für
kriminelle Machenschaften ist. Neben den Sportlerinnen und Sportlern, die sich aus
unterschiedlichen Gründen für Doping und damit gegen sauberen Sport entscheiden,
gibt es auch ein Netzwerk von Personen im Hintergrund, welches den Regelverstoß
erst ermöglicht oder zur Verdeckung beiträgt. Diese Netzwerke haben zum Teil das
Ausmaß von organisierter Kriminalität und selbst wenn Sportlerinnen und Sportler
oder andere Beteiligte diesen Kreislauf verlassen und ihr Schweigen brechen wollen,
so finden sie nur wenig Anlaufstellen und Hilfe.
Auch im Breitensport (ver)führen Leistungsdruck und das Streben nach einem
„Traumbody“ zur Nutzung leistungsfördernder Mittel auch bei Inkaufnahme ge-
sundheitlicher Beeinträchtigungen. Besonders gefährdet sind hierbei Kinder und Ju-
gendliche, die insbesondere durch das Internet nahezu uneingeschränkten Zugang zu
solchen Mitteln haben. Diese Entwicklung ist auch deshalb besorgniserregend, weil
hier (anders als im Leistungssport) davon ausgegangen werden muss, dass vielen die
kurz- und langfristigen Schädigungen etwa durch den Konsum von Anabolika nicht
ausreichend bekannt sind.
Aufklärung und Prävention sind hier besonders notwendig, können aber trotzdem
nur die Auswirkungen von grundsätzlichen gesellschaftlichen Fehlentwicklungen et-
was abfedern. Letztlich braucht es eine fachübergreifende gesellschaftliche Debatte
darüber, wie die Anforderungen unserer Leistungsgesellschaft an den einzelnen
Menschen so gestaltet werden können, dass sie auch zu bewältigen sind. Das Gefühl,
diesen Ansprüchen nicht gerecht zu werden und die dadurch hervorgerufenen Selbst-
Optimierungsstrategien sind letztlich Symptome einer Gesellschaft, die Leistungs-
fähigkeit und Wettbewerb über alles stellt. Dem kann letztlich nur durch die Gestal-
tung gesundheitsförderlicher Lebensbedingungen begegnet werden. Dabei ist der

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Begriff Gesundheit in Übereinstimmung mit der Weltgesundheitsorganisation als
physisches, psychisches und soziales Wohlergehen zu verstehen.
Angesichts der enormen Summen, die auf legale und illegale Weise im und durch
den Sport umgesetzt werden, und den schwerwiegenden Schäden, die Doping ver-
ursacht, besteht ein dringender Handlungsbedarf. Der Sport allein kann dieses Prob-
lem jedoch nicht lösen. Der Staat muss hier zum Schutz des sportlichenWettbewerbs
und nicht zuletzt auch zum Schutz des Sports und seiner Werte selbst ein Regelwerk
schaffen, um gegen Doping im Sport vorzugehen. Dabei stehen das sportrechtliche
und staatliche Sanktionsverfahren nebeneinander, um sich gegenseitig effektiv zu
ergänzen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

den Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung des Dopings im Sport vorzulegen.
Zweck dieses Gesetzes soll sein, Sportlerinnen und Sportler sowie den freien Wett-
bewerb im Sport vor unlauteren Manipulationen in Form von Doping zu schützen.
Sowohl die Sportlerinnen und Sportler als auch ihr Umfeld, wie Trainerinnen und
Trainer, Ärztinnen und Ärzte sowie sonstige Betreuerinnen und Betreuer sollen in
den Geltungsbereich der Vorschriften einbezogen werden. Unter Berücksichtigung
der Autonomie des Sports soll in dem Gesetz insbesondere Folgendes geregelt wer-
den:
1. Die Festlegung von relevanten Definitionen, insbesondere:

Doping bzw. Einnahme und Anwendung zu Dopingzwecken im Sport,
Dopingmittel und Dopingmethoden.

2. Zur Definition der einzelnen Dopingmittel und Dopingmethoden hat das zustän-
dige Bundesministerium eine Verordnung zu erlassen und bei Bedarf zu aktua-
lisieren. Die Liste hat sich an der des Welt-Anti-Doping-Codes zu orientieren.

3. Die Verpflichtung des Staates, geeignete Präventionsmaßnahmen zu entwi-
ckeln, zu fördern und umzusetzen, insbesondere:

im Jugend- und Nachwuchsbereich, auch unter Einbeziehung der Eltern von
Nachwuchsathletinnen und -athleten in entsprechende Präventions- und
Aufklärungsmaßnahmen zu investieren,
bezogen auf die Aus- undWeiterbildung der Personen imUmfeld der Sport-
lerinnen und Sportler (z. B. Trainerinnen und Trainer sowie sonstige Be-
treuerinnen und Betreuer),
die Aufklärung über die Folgen von Doping und insbesondere im Fitness-
sport über die Wirkungen von anabolen Steroiden sowie über Nahrungser-
gänzungsmittel und sporttypische Aufbaupräparate und die Folgen von
nicht sachgemäßem Gebrauch und möglichen Verunreinigungen bei der
Herstellung,
die Nationale Anti Doping Agentur (NADA) wird beauftragt, die negativen
Auswirkungen von gebräuchlichen Arzneimitteln zumMuskelaufbau allge-
mein verständlich zusammenzufassen. Sportvereine sowie die Betreiberin-
nen und Betreiber von Sporteinrichtungen und Fitnessstudios werden ver-
pflichtet, einen Ausdruck dieser Zusammenfassung für dieMitglieder sowie
Besucherinnen und Besucher in ihren Einrichtungen gut sichtbar anzubrin-
gen.

4. Die Einrichtung einer unabhängigen Ombudsstelle, zum Beispiel angegliedert
an die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), an die sich z. B.
Sportlerinnen und Sportler, Trainerinnen und Trainer sowie Eltern wenden kön-
nen, um Informationen über Doping zu erhalten, aber auch, um einen bestehen-
den Dopingverdacht mitzuteilen und um Hilfe zu bitten.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2308

5. Die Sicherstellung der institutionellen Unabhängigkeit der Nationalen Anti Do-
ping Agentur (NADA) sowie die Gewährleistung langfristiger Planungssicher-
heit durch angemessene finanzielle Förderung.

6. Die Beleihung der NADAmit der öffentlichen Aufgabe der Dopingbekämpfung
aufgrund dieses Gesetzes und die Festlegung von Regelungen über die Zusam-
menarbeit zwischen der NADA und den staatlichen Ermittlungsbehörden.

7. Die Festlegung einer Rechtsgrundlage im Sinne des § 4 Absatz 1 Bundesdaten-
schutzgesetz (BDSG) bezüglich der Nutzung des Meldesystems ADAMS durch
Sportlerinnen und Sportler.

8. Die Festlegung von Straftatbeständen, insbesondere:
Strafbarkeit des Eigendopings von Sportlerinnen und Sportlern,
o die im Zusammenhang mit ihrer sportlichen Betätigung als Person mit

öffentlichen Mitteln gefördert bzw. im öffentlichen Dienst beschäftigt
werden,

o die Mitglied einer Nationalmannschaft oder eines entsprechenden Ka-
ders sind oder

o die durch ihre sportliche Tätigkeit regelmäßig Einnahmen erzielen, die
einen wesentlichen Bestandteil am Gesamteinkommen ausmachen,

mit dem Ziel, sich einen unlauteren Vorteil im sportlichen Wettbewerb zu
verschaffen, Entsprechendes gilt auch für das Eigendoping im Trainings-
zeitraum, sofern dies geeignet ist, sich einen unerlaubten Vorteil im Wett-
bewerb zu verschaffen.
Die Rechtswidrigkeit der Tat entfällt, wenn die Einnahme des Dopingmit-
tels oder die Anwendung der Dopingmethode nachweisbar medizinisch in-
diziert ist, was durch zwei voneinander unabhängige Ärztinnen oder Ärzte
bestätigt werden muss.
Übernahme der Strafvorschriften aus den §§ 6a, 95 Absatz 1 Nr. 2a, 2b,
Absatz 3 Nr. 2 Arzneimittelgesetz (AMG) und Erweiterung der strafbe-
währten Tathandlungen beim Handeltreiben sowie bei Ein- und Ausfuhr
von Dopingmitteln im Sinne dieses Gesetzes.
Als Strafen sind vorrangig Geldstrafen festzulegen, Freiheitsstrafen sollen
nur für besonders schwere Fälle vorgesehen werden.

9. Ärztinnen und Ärzte, die nachweislich an Dopinganwendung beteiligt waren
bzw. sind, sollen entsprechend dem § 3 Absatz 1 Nr. 2 Bundesärzteordnung
(BÄO) als unwürdig eingestuft werden; ihnen soll von der zuständigen Behörde
nach § 5 Bundesärzteordnung (BÄO) die Approbation entzogen werden.

10. Pharmazeutische Unternehmen, die Produkte herstellen, welche zumDoping im
Sinne dieses Gesetzes geeignet sind, haben entsprechende Warnhinweise auf
den Primär- und Sekundärpackmitteln anzubringen. Die genaue Ausgestaltung
der Vorschriften für Warnhinweise findet in der Verordnung nach Punkt 2 statt.

11. Die Möglichkeiten von Einziehung und Verfall entsprechend der §§ 73 ff. Straf-
gesetzbuch (StGB) sollen berücksichtigt werden.

12. Die Festlegung von bereichsspezifischen Regelungen zum Schutz von Whistle-
blowern sowie von Vorschriften über Strafmilderungen und das Absehen von
Strafe.

13. Die dopingbezogenen Regelungen im Arzneimittelgesetz (AMG) und in der
Strafprozessordnung (StPO) werden entsprechend angepasst bzw. gestrichen.

Berlin, den 6. August 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion
Drucksache 18/2308 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Begründung

Doping gefährdet nicht nur Leib und Leben von Sportlerinnen und Sportlern, sondern ist auch eine Gefahr für
den Sport als solcher und dieWerte, die durch ihn in die Gesellschaft transportiert werden sollen. Der sportliche
Wettbewerb verliert seine Bedeutung, wenn die Leistungen nicht mehr auf Talent und Training beruhen, son-
dern durch Medikamente oder medizinische Methoden erbracht werden. Diesen Wettbewerb gilt es zu schüt-
zen, da die Spitzensportlerinnen und Spitzensportler zugleich Vorbilder für Kinder und Jugendliche sind. Es
wäre ein falsches Signal, wenn das Bild vermittelt wird, dass Höchstleistungen nur möglich sind, wenn man
bereit ist, sogar die eigene Gesundheit zu riskieren.
Von grundlegender Bedeutung ist es, die Prävention insgesamt zu stärken. Es müssen entsprechende Aufklä-
rungskampagnen für alle mittelbar oder unmittelbar am sportlichen Wettbewerb Beteiligten entwickelt und
umgesetzt werden. Daneben ist es aber auch wichtig, im Bereich Freizeit- und Fitnesssport Aufklärung zu
leisten. Gerade bei diesen Sportlerinnen und Sportlern herrscht viel Unkenntnis über die Gefahren von Doping,
z. B. die Wirkung von anabolen Steroiden. Gerade die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen kann durch
die Einnahme leistungssteigernder Substanzen gefährdet sein.
Bei Nahrungsergänzungsmitteln ist auf einen bewussten Umgang zu achten und darüber aufzuklären, dass es
bei nicht bestimmungsgemäßer Einnahme bzw. verunreinigten Produkten ebenfalls zu Schäden kommen kann.
Als Informationsquelle kann hier die so genannte Kölner Liste des Instituts für Biochemie der Deutschen Sport-
hochschule Köln dienen.
Ein Handeln des Staates ist unerlässlich. Staat und Sport müssen in einem engen Schulterschluss gegen diese
Auswüchse vorgehen. Staatliche und sportrechtliche Gerichtsbarkeit sollen dabei parallel nebeneinander be-
stehen und sich in sinnvoller Weise ergänzen. Ein solches Gesetz ist auch mit der Autonomie des Sports ver-
einbar, da das Sportgerichtsverfahren hiervon unberührt bleibt. Darüber hinaus gilt die Autonomie des Sports
auch nicht schrankenlos. In diese Richtung geht auch eine Entscheidung des Landgerichts München, in welcher
jüngst die Unwirksamkeit von Schiedsvereinbarungen festgestellt wurde. Athleten sind danach nicht mehr
schutzlos der Sportjustiz unterworfen. Der Sport befindet sich in einem stetigen Wandel und damit einherge-
hend wandeln sich auch die Verantwortlichkeiten für bestimmte Probleme.
Neben umfassenden Vorschriften die Prävention betreffend, soll dieses Gesetz auch Sanktionen vorsehen und
dabei auch die dopende Sportlerin bzw. den dopenden Sportler als Zentralgestalt des Geschehens mit in den
Fokus nehmen. Fälle, wie zum Beispiel der des amerikanischen Radfahrers Lance Armstrong, zeigen, dass es
nicht gerechtfertigt wäre, die Sportlerinnen und Sportler außen vor zu lassen. Als Bestrafung sind vorrangig
Geldstrafen auszusprechen. Die konkrete Höhe soll sich dabei an der Höhe des Einkommens orientieren, wel-
ches unmittelbar oder mittelbar durch den Sport erzielt wird.
Es ist jedoch ebenso wichtig, auch das Umfeld der Sportlerin oder des Sportlers zu berücksichtigen und ent-
sprechendes Verhalten unter Strafe zu stellen. Die Sportlerin oder der Sportler darf nicht das Bauernopfer für
Machenschaften im Hintergrund sein.
Für Sportlerinnen und Sportler, die Einnahmen aus dem Sport beziehen und bei denen Dopingmittel im Körper
oder die Anwendung von Dopingmethoden nachgewiesen werden, bedarf es eines speziellen Straftatbestandes.
Wenn sie manipulieren, um sich einen Vorteil im Wettkampf verschaffen, dann gefährdet dies die Integrität
eines jeden Wettkampfes. Doping darf sich nicht mehr lohnen.
Neben der Schaffung eines eigenen Straftatbestandes wegen Eigendopings der Sportlerin bzw. des Sportlers
sollen die Vorschriften aus dem Arzneimittelgesetz (AMG) übernommen und um weitere Tathandlungen er-
gänzt werden.
Von grundlegender Bedeutung ist es auch, Sportlerinnen und Sportler dabei zu unterstützen, Dopingpraktiken
aufzudecken und entsprechende Strukturen offenzulegen. Sie müssen ermutigt werden, die Wahrheit ans Licht
zu bringen. Es ist nicht hinnehmbar, dass viele aus Angst vor Repressalien innerhalb des eigenen Teams oder
aus Angst vor Bestrafung wegen eigener Dopingvergehen schweigen. Entsprechende Schutzvorschriften oder
die Möglichkeit von Strafmilderungen bzw. dem Absehen von Strafe könnten hier hilfreich sein.
Die Nationale Anti Doping Agentur (NADA) muss als Kompetenzzentrum im Kampf gegen Doping gewürdigt
und entsprechend ausgestattet sein. Dies bedeutet, dass sie finanzielle Planungssicherheit erhält und dass sie
organisatorisch so aufgestellt ist, dass sie ihre Aufgaben effektiv und zielorientiert erfüllen kann.
Angesichts des Ausmaßes der Problematik und der immensen Schäden, die dadurch verursacht werden, bedarf
es rechtlicher Regelungen. Eine lediglich moralische Verurteilung durch den Staat ist nicht ausreichend.

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