BT-Drucksache 18/2307

Verdacht auf Tod durch Uran-Munition

Vom 9. Juli 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/2307
18. Wahlperiode 09.07.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Christine Buchholz, Inge Höger, Jan van Aken, Nicole Gohlke,
Annette Groth, Ulla Jelpke, Katrin Kunert, Niema Movassat, Dr. Alexander S. Neu,
Kathrin Vogler, Hubertus Zdebel und der Fraktion DIE LINKE.

Verdacht auf Tod durch Uran-Munition

Am 31. Januar 2000 verstarb der damals 23-jährige Bundeswehr-Hauptgefreite
André Horn nach einem kurzen und heftigen Krankheitsverlauf im Feldlazarett
Prizren (Kosovo). Er war seit Ende November 1999 als Angehöriger der Kosovo
Force (KFOR) im Kosovo eingesetzt. Als offizielle Todesursache gilt eine
atypisch verlaufene Meningokokken-Sepsis. Allerdings gibt es eine Reihe von
Indizien, die eine andere Krankheit als Todesursache nahelegen. So sind zwei
namhafte Wissenschaftler – Professor Peter Horn, Biotechnologe an der
Ludwig-Maximilians-Universität München und Experte für Isotopengeochemie
der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), und der Arzt und Medizin-
wissenschaftler Horst Günther Siegwart – in ihren Expertisen zu dem Schluss
gekommen, dass der Hauptgefreite André Horn an einer schweren Vergiftung
durch Depleted uranium (DU, zu dt.: abgereichertes Uran) gelitten haben
könnte, die er sich im Kosovo zugezogen hat. Diese Vergiftung könnte ursäch-
lich gewesen sein für die Erkrankung des Soldaten, an der er verstarb.
DU ist Bestandteil von Uran-Munition. Im Kosovo-Krieg 1999 wurden von
NATO-Truppen mindestens 35 000 DU-Geschosse (etwa zehn Tonnen) ab-
gefeuert. Das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) hatte vor diesem
Hintergrund in einem mit Datum vom 21. Juli 1999 verfassten Schreiben an die
Bundeswehr im Zusammenhang mit dem Kosovo-Einsatz vor dem körperlichen
Kontakt mit uranverseuchtem Erdstaub gewarnt. In dem Schreiben wurde darauf
hingewiesen, „dass die Aufnahme von DU-Partikeln in den Körper wegen der
radiologischen und toxischen Wirkung durch Tragen einer Staubmaske und
Händewaschen vor dem Essen zu vermeiden“ sei. Dazu sei beim Besteigen eines
Militärfahrzeugs „Erdstaub von Kleidung und Schutzwerk abzuklopfen, Schuh-
werk abzuwaschen“. Der Hauptgefreite André Horn war nach Information der
Fragesteller im Kosovo in einer Instandsetzungseinheit eingesetzt, die Bundes-
wehrfahrzeuge zu warten hatte, die zuvor durch früheres Kampfgebiet gefahren
sind.
Der Nachweis einer radiologischen Vergiftung, die sich der Hauptgefreite wäh-
rend seines Armeedienstes im Kosovo zugezogen haben könnte, wäre heute
noch möglich, wenn der Leichnam von André Horn exhumiert und Gewebe
daraus wissenschaftlich analysiert wird. Mehrfach von der Familie des toten
Bundeswehrsoldaten geäußerte Bitten, eine solche Exhumierung durchführen zu
lassen oder einen entsprechenden Antrag der Familie bei der Staatsanwaltschaft
zu unterstützen, hat das BMVg nach Information der Fragesteller in den letzten
Jahren jedoch stets abgelehnt.

Drucksache 18/2307 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
EUROMIL (European Organisation of Military Associations) veröffentlichte
am 22. März 2004 eine Erklärung, wonach bis zu diesem Zeitpunkt 109 italieni-
sche Soldaten an den Folgen der Vergiftung durch Überreste von Uran-Munition
verstorben seien. Laut der Organisation International Physicians for the Preven-
tion of Nuclear War (IPPNW) wurden in Italien insgesamt 16 Veteranen von Ge-
richten Entschädigungen zugesprochen, weil sie an Gesundheitsschädigungen
aufgrund von DU-Munition litten. Mindestens einer dieser Soldaten war nach
Information der Fragesteller im Kosovo eingesetzt.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Sind der Bundesregierung Fälle von deutschen Bundeswehrangehörigen be-
kannt, die während ihres Auslandseinsatzes an Vergiftungserscheinungen
durch Uran-Partikel aus verschossener DU-Munition bzw. an Krankheiten
litten, deren Ursache auf eine Vergiftung durch Uran-Partikel aus verschos-
sener DU-Munition zurückzuführen ist?

a) Wenn ja, um wie viele Soldaten handelt es sich?

b) Wo und wann waren diese Soldaten im Einsatz?

2. Wie wurde sichergestellt und kontrolliert, dass die im Schreiben des BMVg
vom 21. Juli 1999 empfohlenen Schutzmaßnahmen vor der Aufnahme radio-
logisch und toxisch verseuchten Erdstaubs im Kosovo in der Truppe durch-
gesetzt wurden?

3. Benutzen die KFOR-Truppen im Kosovo das lokale Trinkwasser oder impor-
tieren sie es (bitte begründen)?

4. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung darüber, inwiefern die juristi-
schen Schritte, die die serbische Regierung gegen die USA und Großbritan-
nien wegen deren DU-Einsatzes während des NATO-Krieges gegen Jugos-
lawien 1999 eingeleitet hat, Gegenstand der EU-Beitrittsverhandlungen mit
Serbien waren oder sind?

5. In welchen Auslandseinsätzen waren bzw. sind Bundeswehrsoldaten Belas-
tungen durch DU-Munition ausgesetzt?

a) Wie viele Bundeswehrsoldaten sind davon jeweils betroffen gewesen?

b) Welche Streitkräfte haben DU-Munition in welchem Umfang in dem be-
troffenen Gebiet eingesetzt?

6. Welche Maßnahmen hat das BMVg getroffen, um die Soldaten vor den Be-
lastungen durch DU-Munition zu schützen?

7. Wie werden Bundeswehrsoldaten vor ihrem Auslandseinsatz über die ge-
sundheitlichen Gefahren in ehemaligen Kampfgebieten, in den DU-Munition
verschossen wurde, aufgeklärt?

8. Wurde oder wird auf deutschen Truppenübungsplätzen mit DU-Munition ge-
schossen?

Wenn ja, wann, und wo erfolgte dies?

9. Teilt die Bundesregierung die Ansicht, dass eine mögliche Vergiftung des in
Prizren verstorbenen Hauptgefreiten André Horn durch DU-Munition nur
durch eine Exhumierung und Gewebeanalyse des Leichnams auszuschließen
ist?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2307
10. Teilt die Bundesregierung die Ansicht, dass eine solche Untersuchung dazu
dienen könnte, die gesundheitliche Gefährdung von Bundeswehrsoldaten in
ehemaligen Kampfgebieten, in denen DU-Munition eingesetzt wurde, zu er-
kennen und effektive Schutzmaßnahmen für die Truppe durchzusetzen?

11. Was spricht aus Sicht der Bundesregierung dagegen, eine Exhumierung und
Gewebeanalyse des Leichnams von André Horn zu beantragen bzw. einen
entsprechenden Antrag der Familie zu unterstützen?

Berlin, den 9. Juli 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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