BT-Drucksache 18/2289

Vorbereitende Planungen für den G7-Gipfel im Jahr 2015

Vom 30. Juli 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/2289
18. Wahlperiode 30.07.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Andrej Hunko, Annette Groth, Heike Hänsel,
Niema Movassat, Dr. Alexander S. Neu, Martina Renner, Kathrin Vogler und
der Fraktion DIE LINKE.

Vorbereitende Planungen für den G7-Gipfel im Jahr 2015

Im Juni 2015 wird der G7-Gipfel auf Schloss Elmau in Bayern stattfinden. Zu-
ständig für den Gipfel 2015 ist die bayerische Polizei, die ein flächendeckendes
Digitalfunknetz erhält (Pressemitteilung des Bayerischen Staatsministeriums
des Innern, für Bau und Verkehr, 27. Februar 2014).
Die Kosten für den Gipfel sollen nach Angaben der Bayerischen Staatskanzlei
weniger hoch ausfallen als im Jahr 2007 in Heiligendamm. Die Staatskanzlei
spricht von voraussichtlichen Kosten im „niedrigen zweistelligen Millionenbe-
trag“. Das hatte auch die im Jahr 2007 zuständige Polizei in Rostock zunächst
behauptet. Die tatsächlichen Ausgaben explodierten dann allerdings auf mehr
als 100 Mio. Euro: Aufseiten des Bundes 81 Mio. Euro (Bundestagsdrucksache
18/13540); hinzu kamen aufseiten des Landes Mecklenburg-Vorpommern nicht
vom Bund gedeckte Mehrkosten für den Polizeieinsatz in Höhe von über
22 Mio. Euro (Landtagsdrucksache 5/2410),
Die Veranstaltung in Elmau ist das erste Gipfeltreffen dieses Gremiums in
Deutschland seit dem Treffen im Jahr 2007 in Heiligendamm, das damals noch
unter Einschluss Russlands als G8 fungierte.
Die Maßnahmen von Sicherheitsbehörden des Bundes und des damals zustän-
digen Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern waren im Jahr 2007 massiv
kritisiert worden und haben sich in mehreren Fällen als rechtswidrig heraus-
gestellt.
Bereits im Vorfeld hatte die Bundesanwaltschaft Razzien bei linken Aktivistin-
nen und Aktivisten durchgeführt und diese mit angeblichem Terrorverdacht
begründet. Dieses Vorgehen war vom Bundesgerichtshof mit Beschluss vom
20. Dezember 2007 für rechtswidrig erklärt worden.
Rund um den Gipfel war ein großräumiges Demonstrationsverbot erklärt wor-
den. Das Verbot eines Sternmarsches wurde im Februar 2012 vom Verwaltungs-
gericht Schwerin für rechtswidrig erklärt (Az. 1 A 1260/07).
Polizei und Bundeswehr agierten gemeinsam bei der Sicherung und Durchfüh-
rung des Gipfels. Insgesamt waren nach Angaben der Bundesregierung rund
2 450 Soldatinnen und Soldaten im Einsatz. Davon waren 1 100 Soldaten unmit-
telbar zur Unterstützung für örtliche, Landes- und Bundesbehörden abkomman-
diert, 1 000 Soldaten sollten die militärischen Liegenschaften in der Region
sichern, 350 den Luftraum. Die Bundesregierung hatte den Bundeswehreinsatz
seinerzeit als „technisch-logistische Amtshilfe“ bezeichnet. Das Ausmaß dieser
„Amtshilfe“ stieß allerdings schon damals auf starke Kritik in der Öffentlichkeit

Drucksache 18/2289 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
und auch bei den damaligen Oppositionsfraktionen im Deutschen Bundestag
(DIE LINKE., BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP). Besonders umstritten
waren der Einsatz von Überwachungsflugzeugen der Bundeswehr, die unter an-
derem Fotos der Camps von Demonstrantinnen und Demonstranten anfertigten
und diese der Polizei aushändigten, sowie der Einsatz von Spähpanzern, die
gemeinsam mit der Polizei Verkehrsbewegungen beobachteten. 641 Feldjäger
waren im Einsatz, davon 272 mit dem Maschinengewehr G 36, die nach An-
gaben der Bundesregierung auch „mobil“ außerhalb militärischer Anlagen pa-
trouillierten. Bundeswehrfahrzeuge transportierten Polizistinnen und Polizisten
an ihre Einsatzorte und versorgten sie dort (vgl. hierzu die Bundestagsdruck-
sachen 16/5148, 16/6046, 16/6317 und 16/7221 sowie die Auswertung des Ein-
satzes unter www.ulla-jelpke.de/uploads/Bilanz_1.pdf).
Vor diesem Hintergrund befürchten die Fragestellerinnen und Fragesteller, dass
auch im Umfeld des G7-Gipfels im Jahr 2015 erhebliche Eingriffe in die Ver-
sammlungsfreiheit und ein massiver Bundeswehreinsatz geplant sein könnten.
Da die vorbereitenden Planungen für den Gipfel im Jahr 2007 rund ein Jahr vor
seiner Durchführung begonnen hatten, wollen sich die Fragestellerinnen und
Fragesteller bereits jetzt nach dem Stand der Planungen für das Jahr 2015 er-
kundigen.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Bei welchen Besprechungen haben Vertreter von Bundesbehörden oder der

Bundesregierung bisher die Sicherheitsmaßnahmen anlässlich des G7-Gip-
fels erörtert (bitte Datum, Kreis der Teilnehmer, Themen der Besprechung
sowie etwaige Beschlüsse oder Absichtsbekundungen angeben)?

2. Bei welchen Besprechungen haben Vertreter von Bundesbehörden oder der
Bundesregierung bisher die Sicherheitsmaßnahmen anlässlich des G7-Gip-
fels gemeinsam mit Vertretern des Freistaats Bayern erörtert (bitte Datum,
Kreis der Teilnehmer, Themen der Besprechung sowie etwaige Beschlüsse
angeben)?

3. Bei welchen Besprechungen bayerischer Behörden, bei denen die Sicher-
heitsmaßnahmen anlässlich des G7-Gipfels erörtert worden sind, waren Ver-
treter von Bundesbehörden oder der Bundesregierung anwesend (bitte
Datum, Kreis der Teilnehmer, Themen der Besprechung sowie etwaige
Beschlüsse angeben)?

4. Welchen Stand hat nach Kenntnis der Bundesregierung die Erörterung bzw.
Planung der Sicherheitsmaßnahmen?

5. Wer ist für die Rahmenkonzeption der Sicherheitsarchitektur des Gipfeltref-
fens verantwortlich, und wer gehört dem Gremium an?

6. Inwiefern entwickeln das Bundeskriminalamt (BKA) und die Bundespolizei
eigene Sicherheitskonzepte?

7. Welche Polizeibehörde und welche Versammlungsbehörde werden formal
für den Gipfel zuständig sein?

8. Inwieweit sind nach Kenntnis der Bundesregierung in Bayern Arbeitskreise,
Arbeitsgruppen, die Besondere Aufbauorganisation (BAO) oder sonstige
Gremien oder Plattformen gegründet worden oder geplant, die sich haupt-
sächlich oder teilweise mit den Sicherheitsmaßnahmen befassen (bitte soweit
möglich deren Bezeichnungen und Zusammensetzung angeben)?
a) An welchen derartigen Kreisen oder Zusammenschlüssen nehmen jeweils

wie viele Vertreter welcher Bundesbehörden teil?
b) Wie viele Besprechungen hat es dabei bisher gegeben (bitte Datum, Kreis

der Teilnehmer, Themen der Besprechung sowie etwaige Beschlüsse oder

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2289
Absichtsbekundungen angeben, soweit nicht bereits in der Antwort zu
Frage 1 enthalten)?

9. In welchem (ungefähren) Rhythmus kommen nach Kenntnis der Bundesre-
gierung etwaige, im Zusammenhang mit dem Gipfel gegründete Gremien,
Arbeitskreise oder die BAO zu Besprechungen zusammen, und inwiefern
wird sich dieser Rhythmus nach Einschätzung der Bundesregierung noch
verändern?

10. Inwiefern haben jeweils welche Behörden des Freistaats Bayern gegenüber
Bundessicherheitsbehörden sowie der Bundeswehr allgemeinen oder spezi-
fischen Bedarf an Unterstützungsleistungen geäußert (bitte möglichst kon-
kret und ausführlich darstellen), und inwiefern soll diesen Ersuchen ent-
sprochen werden?

11. Welche spezifischen Beiträge zu den Sicherheitsmaßnahmen hat die Bun-
desregierung bzw. haben Bundesbehörden bislang durchgeführt oder ge-
plant?
In welchem Rahmen und Umfang wurden dem Freistaat Bayern Unterstüt-
zungsmaßnahmen angeboten bzw. in Aussicht gestellt, und welche weiteren
Beiträge werden von diesen derzeit erörtert?

12. Inwiefern und von wem wird im Zusammenhang mit dem Gipfel die Stö-
rung des Funk- und Mobilfunkverkehrs, der Einsatz von IMSI-Catchern
(IMSI: International Mobile Subscriber Identity) oder stiller SMS (Short
Message Service) erwogen?

13. Welche Sicherheitsmaßnahmen und -überprüfungen hinsichtlich der Akkre-
ditierung von Journalistinnen und Journalisten werden derzeit erwogen?

14. Beabsichtigt das BKA die Errichtung spezieller Dateien mit personenbezo-
genen Hinweisen für den G7-Gipfel, oder ist dies bereits erfolgt, und wenn
ja, für welchen Zweck, welcher Personenkreis soll aufgrund welcher Krite-
rien darin gespeichert werden und wie viele Personen sind ggf. bereits darin
gespeichert?
Inwiefern sollen sich diese Dateien aus anderen, bereits bestehenden oder
ebenfalls noch in Planung befindlichen Dateien speisen?
Welchen Charakter sollen diese Dateien haben, und wie sollen die Schreib-
und Zugriffsrechte gestaltet werden?
Entspricht eine der allfällig geplanten Dateien der so genannten Störerdatei,
die zum G8-Gipfel in Heiligendamm errichtet wurde?
Inwiefern beabsichtigen das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), der
Militärische Abschirmdienst (MAD) oder der Bundesnachrichtendienst
(BND) die Errichtung spezieller Dateien anlässlich des Gipfels?

15. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung über die Bereitschaft des Frei-
staats Bayern bzw. der Kommunen im Umfeld des Gipfels, die Einrichtung
von Camps von Demonstrantinnen und Demonstranten zu ermöglichen,
und inwiefern war dies bereits Diskussionsgegenstand von Treffen, an de-
nen Bundesbehörden teilnahmen?

16. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung über den Umfang geplanter
Sicherheitszonen rund um den Tagungsort (bitte ggf. Örtlichkeiten ange-
ben)?
In welchen Gebieten werden ihrer Kenntnis nach Betretungsverbote er-
wogen?

Drucksache 18/2289 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
17. Sind nach Kenntnis der Bundesregierung seitens der bayerischen Behörden
bereits Planungen für die Einrichtung mobiler Gefangenensammelstellen
eingeleitet worden, oder war dies Gegenstand von Beratungen bayerischer
Behörden mit Bundesbehörden, und wenn ja, wie sollen diese Gefangenen-
sammelstellen beschaffen sein?
Ist dabei mit Käfigen wie im Jahr 2007 in Heiligendamm zu rechnen?

18. Inwiefern werden seitens der Bundesbehörden selbständig oder in Abspra-
che mit Bayern vorbereitende Planungen hinsichtlich der Sicherheitsmaß-
nahmen getroffen, und welche Angaben über den derzeitigen Planungs-
stand kann die Bundesregierung machen?
a) Inwiefern bereiten sich die einzelnen Bundessicherheitsbehörden sowie

die Bundeswehr auf den Gipfel vor, und wer ist dort jeweils für die Pla-
nungen verantwortlich?

b) Inwiefern sind hierzu spezielle Gremien in den jeweiligen Behörden ein-
gerichtet worden?

c) Inwiefern kooperieren die entsprechenden Gremien der jeweiligen Be-
hörden mit denen anderer Bundessicherheitsbehörden, inwiefern gibt es
behördenübergreifende Gremien, bzw. wie werden Informationsaus-
tausch und Absprachen untereinander koordiniert?

19. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass die Bundeswehr Unterstüt-
zungsmaßnamen in einem Umfang durchführen wird, der mit dem aus dem
Jahr 2007 vergleichbar ist?
Kann sie insbesondere ausschließen, dass Flugzeuge der Bundeswehr Fotos
von Protestcamps anfertigen und diese der Polizei vorlegen wird, dass
Spähpanzer Verkehrsbewegungen beobachten und mit Maschinenpistolen
bewaffnete Feldjäger außerhalb militärischer Anlagen patrouillieren?

20. Inwiefern ist der Einsatz von AWACS-Flugzeugen (AWACS = Airborne
Warning and Control System) geplant?

21. Gibt es im Bereich der Bundessicherheitsbehörden und der Bundeswehr
Planungen für Urlaubssperren oder -einschränkungen für den Zeitraum des
Gipfels bzw. die Zeit davor und wenn ja, für welche Abteilungen bzw. Ein-
heiten?

22. Mit wie vielen Polizistinnen und Polizisten des Bundes und der Länder im
Einsatz wird derzeit im Zusammenhang mit dem Gipfel gerechnet?
Geht die Bundesregierung generell von einer mit der im Jahr 2007 ver-
gleichbaren Größenordnung aus (bitte ggf. begründen)?

23. Welche Neuanschaffung von Software und Hardware sowie weiteren Mate-
rials ist seitens der Bundessicherheitsbehörden und der Bundeswehr anläss-
lich des Gipfels beabsichtigt?

24. Inwiefern wird die angekündigte Ausrüstung der bayerischen Polizei mit
Digitalfunk über den Haushalt des Bundes finanziert?

25. Inwiefern gibt es im Zusammenhang mit den Sicherheitsmaßnahmen Ab-
sprachen und/oder gemeinsame Gremien mit österreichischen Behörden,
und welche Vereinbarungen wurden bislang mit diesen getroffen?

26. Welche Angaben kann die Bundesregierung derzeit darüber machen, ob von
den Schengen-Regelungen zur vorrübergehenden Wiedereinführung von
Grenzkontrollen an deutsch-österreichischen oder weiteren Grenzübergän-
gen Gebrauch gemacht wird?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/2289
27. Welche Gremien auf internationaler Ebene beschäftigen sich nach Kenntnis
der Bundesregierung mit den Sicherheitsmaßnahmen anlässlich des Gip-
fels, und was wurde dort bislang vereinbart?
a) Wie setzen sich diese Gremien im Einzelnen zusammen?
b) Inwiefern ist die Gründung solcher (ggf. weiterer) Gremien beabsich-

tigt?
28. Inwiefern haben Bundesbehörden des Innern bereits unaufgeforderte Mel-

dungen von Partnerbehörden aus dem Ausland über Protestvorbereitungen
erhalten, und welche Schlussfolgerungen ziehen diese daraus?

29. Inwiefern trifft es zu, dass deutsche Sicherheitskreise vor „linksextremisti-
schen Störaktionen“ gegen das G8-Treffen warnen (FOCUS, 24. Mai 2014),
und auf welchen konkreten Erkenntnissen beruhen diese Warnungen ggf.?

30. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung darüber, ob anlässlich des Gip-
fels gefährdete Objekte identifiziert bzw. markiert werden sollen?

31. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung darüber, ob anlässlich des Gip-
fels eine automatisierte Kfz-Kennzeichenauslesung auf Straßen erfolgen
soll bzw. eine solche Maßnahme erwogen wird (bitte ggf. die jeweiligen
Straßen und Straßenabschnitte angeben)?
Ist die Annahme der Fragesteller korrekt, dass eine automatisierte Kennzei-
chenauslesung auf Bundesautobahnen in jedem Fall der Bundesregierung
zur Kenntnis kommen muss, auch wenn sie von einer Landespolizei durch-
geführt wird?

32. Welche Infrastrukturmaßnahmen wurden nach Kenntnis der Bundesregie-
rung bereits begonnen, und inwiefern werden diese über den Bundeshaus-
halt finanziert?
a) Wo wird nach derzeitigem Planungsstand das Pressezentrum eingerich-

tet?
b) Inwiefern trifft es zu, dass auch Kasernen in Mittenwald für ein Presse-

zentrum in Betracht gezogen wurden?
33. Inwiefern gibt es derzeit schon Schätzungen für die zu erwartenden Kosten

im Zusammenhang mit dem Gipfel (wenn möglich, nach Kommunen, dem
Freistaat Bayern und dem Bund aufgliedern)?

34. Welche Angaben kann die Bundesregierung aus heutiger Sicht zu den
Gesamtkosten des G8-Gipfels in Heiligendamm im Jahr 2007 machen (bitte
nach Möglichkeit Gesamtkosten des Bundes aufgliedern und Kosten des
Landes Mecklenburg-Vorpommern angeben)?

35. Welche „regionale und kulturelle Diversität Deutschlands“ soll mit der
Wahl Bayerns als Austragungsort des Gipfels zum Ausdruck gebracht wer-
den (Schreiben des Parlamentarischen Staatssekretärs beim Bundesminister
des Innern, Dr. Günter Krings, vom 13. März 2014 an den Abgeordneten
Andrej Hunko)?

Berlin, den 30. Juli 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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