BT-Drucksache 18/2115

Sicherstellungen von Asservaten beim verstorbenen V-Mann des Bundesamtes für Verfassungsschutz "Corelli"

Vom 10. Juli 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/2115
18. Wahlperiode 10.07.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Petra Pau, Martina Renner, Dr. André Hahn, Harald Petzold
(Havelland), Halina Wawzyniak und der Fraktion DIE LINKE.

Sicherstellungen von Asservaten beim verstorbenen V-Mann des Bundesamtes
für Verfassungsschutz „Corelli“

Am 7. April wurde der V-Mann des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV)
„Corelli“ tot in seiner Wohnung am Stadtrand von Paderborn aufgefunden. Die
die Umstände des Todes ermittelnde Polizeibehörde Bielefeld stellte eine ganze
Reihe von Asservaten sicher.
Das Nachrichtenmagazin „DER SPIEGEL“ berichtete, dass sich später auch die
Karlsruher Bundesanwaltschaft in die Ermittlungen eingeschaltet hatte und die
Wohnung des ehemaligen V-Manns „Corelli“ durchsuchen ließ. „Die Ermittler
stellten unter anderem ein Notebook, mehrere Festplatten sowie Speicherkarten
und handschriftliche Notizen sicher. Sie gehen einem schwerwiegenden Ver-
dacht nach: Wusste „Corelli“ doch mehr von der rechtsextremen Terrorzelle
„Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU), als er zu Lebzeiten zugab? Ausge-
löst hatten die neuen Ermittlungen ein weiterer V-Mann. Wenige Wochen vor
„Corellis“ Tod hatte er sich beim Hamburger Verfassungsschutz gemeldet und
eine CD mit rechtsextremer Propaganda übergeben. Den Datenträger, so sagte
er, habe er bereits 2006 erhalten - von „Corelli“. Die Beamten waren alarmiert:
Denn laut Begleittext handelte es sich bei der Propaganda-Scheibe um „die erste
umfangreiche Bilddaten-CD des Nationalsozialistischen Untergrunds der
NSDAP (NSU)“. War damit womöglich die gleichnamige Terrorzelle um die
Neonazis Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos gemeint, die sich 2011 mit anonym
verschickten DVDs zu zehn Morden und zwei Sprengstoffanschlägen bekannt
hatte? Zumindest von der martialischen Bildsprache her erinnert das Cover der
Hamburger NSU-CD an die Bekennervideos des Zwickauer Trios: Unten links
ist eine halbautomatische Pistole der Marke Glock abgebildet, darüber der Aus-
schnitt eines Hitler-Fotos, ein „Wolfsangel“-Symbol und der Schriftzug „NSU/
NSDAP“ (SPIEGEL ONLINE vom 12. Mai 2014).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Befinden sich alle Asservate, die in der Wohnung des toten V-Manns des BfV,

„Corelli“, sichergestellt wurden, beim Bundeskriminalamt (BKA), seit wann
verfügt das BKA über diesen Bestand an Asservaten, und um welche Asser-
vate handelt es sich dabei genau (bitte einzeln auflisten)?

2. Aus welchen Gründen und im Kontext welchen Ermittlungsverfahrens hat
das BKA die Wohnung von „Corelli“ am 25. April 2014 durchsucht (bitte
Aktenzeichen und Behörde nennen)?

Drucksache 18/2115 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
3. Hat das BKA alle die vom Polizeipräsidium Bielefeld sichergestellten
Asservate in ihrem Bestand, und wann genau hat das BKA diese Asservate
auf wessen Veranlassung hin erhalten?

4. Welche Asservate hat das BKA vom Polizeipräsidium Bielefeld erhalten
(bitte genau auflisten)?

5. Hatten die Beamten des BfV, die den verstorbenen „Corelli“ zusammen mit
dem Vermieter am 7. April 2014 tot aufgefunden hatten, unmittelbar danach
mit der Amtsleitung und/oder ihren Vorgesetzten telefoniert, um sie über
den Tod der Topquelle „Corelli“ zu informieren, und hatten sie sich Anwei-
sungen geben lassen, wie sie sich weiter zu verhalten haben – dies auch be-
zogen auf den Schutz von streng geheimen dienstlichen Informationen auf
technischen Geräten oder in den schriftlichen Unterlagen und Dokumenten?

6. Hatte das BfV – nach Kenntnis der Bundesregierung – nach dem Auffinden
des verstorbenen „Corelli“ gegenüber dem Polizeipräsidium Bielefeld oder
gegenüber dem BKA Ansprüche auf Diensttelefone, -laptops, -kameras etc.
geltend gemacht, um streng geheime Daten und Informationen, die auf die-
sen Geräten vorhanden waren, zu schützen, und wenn ja, wie wurde nach
Kenntnis der Bundesregierung mit etwaigen Ansprüchen des BfV auf
Asservate in der Wohnung des verstorbenen V-Mannes „Corelli“ von Seiten
der ermittelnden Polizeibehörden umgegangen?

7. Hatten die Mitarbeiter des BfV vor Eintreffen der Polizei oder unmittelbar
nach Eintreffen der Polizei, dienstliche Geräte und/oder Dokumente sicher-
gestellt?
Und wenn ja, wo befinden sich diese jetzt (bitte nach Asservaten, die im
BfV verblieben sind bzw. Zeitraum des Verbleibs beim BfV bis zur Über-
gabe an das BKA auflisten)?

8. Wurden anhand der Asservate (Kommunikationsmittel wie Handy und
Computer) Verbindungsdaten des „Corelli“ und Kontaktpersonen rekons-
truiert?
Und wenn ja, durch welche Behörde?
Und konnte in diesem Zusammenhang auch die Kommunikation zwischen
„Corelli“ und seinen Betreuern vom BfV gefunden werden?
Wenn ja, seit wann, und was waren die wesentlichen Ergebnisse der Rekon-
struktion?

9. Warum ist die Auswertung des Mobiltelefons oder der Mobiltelefone durch
das BKA erst später geschehen?

10. Wenn nein, warum ist die Auswertung bis heute nicht erfolgt?
11. Ist mittlerweile die CD „NSU/NSDAP“ ausgewertet worden, und wenn ja,

welche wesentlichen Erkenntnisse konnte man
a) über das genaue Herstellungsdatum bzw. den Herstellungszeitraum der

CD,
b) über die wesentlichen Inhalte der CD,
c) über den Anteil, den „Corelli“ an der Erstellung von Dateiordnern, Tex-

ten, Fotos etc. hatte,
d) über den Anteil, den „Corelli“ an der Herstellung und Verteilung der CD

hatte, gewinnen?
12. Konnte das BKA auf der CD „NSU/NSDAP“ bisher Textdateien sicherstel-

len, die einen „Rassenkrieg“ und „Kleingruppen-Konzepte“ propagieren
und die „Taten statt Worte“ sowie die Bewaffnung von rechtsextremen
Aktivisten fordern, und wenn ja, in welchem Umfang?

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13. Wie weit ist das BKA mit der Auswertung einer zweiten CD gekommen, die
im Mai 2014 in Mecklenburg-Vorpommern sichergestellt werden konnte,
und welche Erkenntnisse hat man hier gewinnen können?

14. Welche wesentlichen Erkenntnisse konnte das BKA aus der Auswertung der
Speicherkarten ziehen, die bei „Corelli“ in der Wohnung gefunden worden
sind?

15. Welche wesentlichen Erkenntnisse konnte das BKA aus der Auswertung
des Laptops ziehen, der bei „Corelli“ in der Wohnung gefunden worden ist?

16. Welche wesentlichen Erkenntnisse konnte das BKA aus der Auswertung der
externen Festplatten gewinnen, die bei „Corelli“ gefunden worden sind?

17. Welche wesentlichen Erkenntnisse konnte das BKA aus der Auswertung der
handschriftlichen Notizen ziehen, die bei „Corelli“ in der Wohnung gefun-
den worden sind?

18. Welche juristischen Möglichkeiten sieht der Generalbundesanwalt (GBA),
um gegen die Sperrerklärung des Landesamt für Verfassungsschutz Ham-
burg vorzugehen, mit der verhindert werden soll, dass der Hamburger
V-Mann beim GBA aussagen kann, wurden entsprechende Rechtsbehelfe
erhoben oder ist dies beabsichtigt, und wenn nein, weshalb nicht?

Berlin, den 9. Juli 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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