BT-Drucksache 18/2114

Forschungsvorhaben des Bundesamtes für Verfassungsschutz zum Thema Linksextremismus

Vom 10. Juli 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/2114
18. Wahlperiode 10.07.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Sevim Dağdelen, Petra Pau, Harald Petzold
(Havelland), Halina Wawzyniak und der Fraktion DIE LINKE.

Forschungsvorhaben des Bundesamtes für Verfassungsschutz zum Thema
Linksextremismus

In einem Beitrag auf „NDR Info“ kündigte der Präsident des Bundesamtes für
Verfassungsschutz (BfV), Dr. Hans-Georg Maaßen, an, dass das Bundesamt eine
wissenschaftliche Studie zum Thema Linksextremismus in Auftrag geben
wolle, um mehr über den „Gegner im Bereich Linksextremismus zu wissen“.
Im Rahmen der Innenministerkonferenz (IMK) sei beschlossen worden, für
eine Summe im niedrigen sechsstelligen Bereich eine solche wissenschaftliche
Studie in Auftrag zu geben. Ziel der Studie sei es unter anderem, Defizite an
belastbaren Informationen aufzuarbeiten, so Dr. Hans-Georg Maaßen (vgl.
www.ndr.de/der_ndr/presse/mitteilungen/Verfassungsschutz-will-erstmals-
linksextremes-Milieu-wissenschaftlich-untersuchen-lassen,pressemeldungndr
14400.html).
Im Umkehrschluss leitet sich nach Ansicht der Fragesteller aus diesem Ein-
geständnis mangelnden Wissens die Vermutung ab, dass die Kapitel „Links-
extremismus“ der jährlichen Verfassungsschutzberichte ohne tatsächlich fun-
dierte Kenntnis des Gegenstands verfasst wurden und insofern kein realisti-
sches Bild widergeben.
Vor dem Hintergrund der seit dem Jahr 2010 bestehenden Förderung der Bun-
desregierung für Projekte im Bereich des so genannten Linksextremismus sind
die Fragesteller darüber verwundert, dass die im Rahmen dieser Programme er-
arbeiteten Ergebnisse offenbar nutzlos für den Verfassungsschutz sind, wenn er
jetzt eine eigene Studie für eine sechsstellige Summe in Auftrag geben will.
Diese Verwunderung ist umso größer, weil im Rahmen der besagten Förderung
explizit auch wissenschaftliche Studien zum Thema „Linksextremismus“ geför-
dert wurden. Auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. zu besagten
Programmen, die unter dem Titel „Initiative Demokratie Stärken“ laufen, ant-
wortete die Bundesregierung u. a.: „Da in Deutschland die Ursachen von Links-
extremismus bei jungen Menschen bislang wenig erforscht sind, ist es ein wich-
tiges Anliegen der Initiative, vertiefte Kenntnisse zu dem Phänomen des Links-
extremismus und den Ursachen zu erlangen sowie zur Weiterentwicklung der
pädagogischen Praxis beizutragen.“ (vgl. Bundestagsdrucksache 17/14468).
Aus Sicht der Fragesteller und auch nach Aussagen der Bundesregierung haben
die über das oben genannte Programm geförderten wissenschaftlichen Studien
genau den Zweck, systematische Erkenntnisse zum so genannten Linksextre-
mismus zu liefern. Hierzu heißt es in besagter Antwort der Bundesregierung:
„Das Forschungsvorhaben zu Buchstabe a wird systematisch theoretische und
empirische Studien zum Linksextremismus im wiedervereinten Deutschland er-
fassen und die inhaltliche Ausrichtung von Begrifflichkeiten wie z. B. Links-

Drucksache 18/2114 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
extremismus beschreiben. Während dieses Vorhaben auf Grundlage dieser wis-
senschaftlichen Analyse untersucht, wie verbreitet linksextremistische Ideolo-
gien in Deutschland sind und welche ideologischen, kulturellen und sozialen
Aspekte linksextremer Ideologien insbesondere für junge Menschen eine beson-
dere Verführungskraft darstellen, forscht das Forschungsvorhaben zu Buchstabe b
zu den persönlichen Hintergründen junger Menschen.“ (Bundestagsdrucksache
17/14468). Vor dem Hintergrund dieser Aufgabenstellung erklärt sich Sinn und
Zweck einer neuerlichen wissenschaftlichen Studie für den Verfassungsschutz
nicht.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie begründet sich das Vorhaben einer wissenschaftlichen Studie zum

Thema „Linksextremismus“ durch das BfV angesichts der Tatsache, dass
genau solche Studien im Rahmen des Bundesprogramms „Initiative Demo-
kratie Stärken“ von der Bundesregierung gefördert werden?

2. Sind dem BfV die über das Bundesprogramms „Initiative Demokratie Stär-
ken“ geförderten wissenschaftlichen Studien zum Thema „Linksextremis-
mus bekannt, und wie unterscheiden sich Ansatz und Fragestellung der vom
BfV geplanten Studie zu den bisher geförderten Studien (bitte Fragestellun-
gen und Forschungsdesign der über das Bundesprogramm erarbeiteten Stu-
dien und der vom BfV angestrebten Studie gegenüberstellen)?

3. Wäre es aus Sicht der Bundesregierung nicht sinnvoller, zunächst die für das
Jahresende 2014 avisierten Ergebnisse der Studien über das Bundespro-
gramm „Initiative Demokratie Stärken“ abzuwarten, bevor seitens des BfV
eine weitere Studie zum gleichen Thema in Auftrag gegeben wird, und wie
begründet die Bundesregierung ihre Position?

4. Hat die Bundesregierung das BfV auf die zu erwartenden Studien über das
Bundesprogramm „Initiative Demokratie Stärken“ hingewiesen?

5. Welche Gründe haben das BfV dazu veranlasst, über eine wissenschaftliche
Studie zum Thema „Linksextremismus“ nachzudenken, und welche neuen,
dem BfV bisher nicht bekannten Tendenzen des Phänomenbereichs sollen
hier in den Blick genommen werden?

6. Mit welcher Definition des Linksextremismus arbeitet das BfV bis heute,
und welche neueren Entwicklungen stellen diesen Begriff bzw. die Defini-
tion in seiner bisherigen Verwendung aus Sicht des BfV in Frage?

7. Welche konkreten „Defizite an belastbaren Informationen“ zum so genann-
ten Linksextremismus gilt es aus Sicht der Bundesregierung bzw. aus Sicht
des BfV aufzuarbeiten?

8. Müssen aufgrund der mangelnden Kenntnisse zum Phänomenbereich
„Linksextremismus“ bisherige Einschätzungen des BfV relativiert oder ge-
ändert werden, und um welche Einschätzungen handelt es sich dabei?

9. Gibt es seitens des BfV bereits Vorstellungen oder Gespräche darüber, wer
die besagte Studie zum Thema „Linksextremismus“ durchführen soll, und
um welche Personen und wissenschaftlichen Institutionen handelt es dabei?

10. Ist aus Sicht des BfV eine Ausweitung des Begriffs „Linksextremismus“
nötig, um die Teilnahme „bürgerlicher“ Kreise an Protestaktionen wie zu
„Stuttgart 21“ im Raster des Verfassungsschutzes fassen zu können?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2114
11. Sieht die Bundesregierung Veranlassung dazu, das für den Verfassungs-
schutz konstitutive Konzept des Extremismus wissenschaftlich überprüfen
zu lassen, um damit zu einer verbesserten Einschätzung der Gefahrenpoten-
ziale für die Demokratie zu kommen, und wie begründet sie ihre Meinung?

Berlin, den 10. Juli 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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