BT-Drucksache 18/2112

Beschleunigtes Verfahren zur Assoziierung der EU mit der Republik Moldau vor den moldauischen Parlamentswahlen am 30. November 2014

Vom 9. Juli 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/2112
18. Wahlperiode 09.07.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sevim Dağdelen, Wolfgang Gehrcke, Annette Groth,
Heike Hänsel, Andrej Hunko, Niema Movassat, Dr. Alexander S. Neu,
Alexander Ulrich, Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE.

Beschleunigtes Verfahren zur Assoziierung der EU mit der Republik Moldau vor
den moldauischen Parlamentswahlen am 30. November 2014

Am 27. Juni 2014 unterzeichneten Vertreter der Republik Moldau und der Euro-
päischen Union (EU) ein Assoziierungsabkommen, obwohl große Teile der mol-
dauischen Bevölkerung die Assoziierung ablehnen, die derzeitige moldauische
Regierungskoalition laut Umfragen keine Mehrheit mehr in der Bevölkerung hat
und autonome und abtrünnige Regionen in dem Land angekündigt haben, den
gemeinsamen Staatsverband verlassen zu wollen (www.euractiv.de vom 23. Mai
2014 „Fahrt ins Ungewisse: Die Republik Moldau vor der Unterzeichnung des
Assoziierungsabkommens“).
Am 30. November 2014 finden die Parlamentswahlen in der osteuropäischen
Republik Moldau statt. Nachdem die EU-Assoziierung mit der Ukraine zunächst
gescheitert schien und nun vor dem Hintergrund eines Bürgerkrieges stattfindet,
scheinen die deutsche Bundesregierung und die Regierungen der anderen Mit-
gliedsländer der EU nach Auffassung der Fragesteller gewillt, die Assoziierung
der EU mit der Republik Moldau trotz aller Widersprüche unbedingt umsetzen
zu wollen.
Die derzeitige moldauische Regierungskoalition „Pro-Europäische Koalition“
aus drei liberalen und konservativen Parteien kann derzeit laut repräsentativen
Umfragen nicht mehr auf eine Mehrheit in der Bevölkerung setzen. Diese Wahl-
umfragen sehen hingegen die oppositionelle Partei der Kommunisten der Repu-
blik Moldau (PCRM) und die mit dieser verbündete Partei der Sozialisten der
Republik Moldau (PSRM) mit großem Abstand vor den derzeitigen Regierungs-
parteien (www.allmoldova.com/en/moldova-news/1249058238.html). Genau
deshalb und trotz offensichtlich mangelnden Rückhalts in der moldauischen
Bevölkerung hat nach Auffassung der Fragesteller die EU die Assoziierungsab-
kommen mit der Republik Moldau beschleunigt (www.eurasianet.org/node/
68182).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie positioniert sich die Bundesregierung zum Wunsch Moldaus nach einer

langfristigen Beitrittsperspektive für die EU?
2. Inwieweit ist der Bundesregierung bekannt, dass Vertreter Frankreichs, Grie-

chenlands, Italiens, der Niederlande und Spaniens den EU-Kommissionsprä-
sidenten José Manuel Barroso kritisierten, dass dieser der Republik Moldau
eine „europäische Perspektive“ versprochen hat, und worin lagen die Gründe

Drucksache 18/2112 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
der Kritik (Drahtbericht, Sitzung Ratsarbeitsgruppe COEST am 19. Mai
2014)?

3. Inwieweit hat der vermeintlich vor dem Hintergrund der Ereignisse in der
Ukraine beschleunigte Zeitplan zur Unterzeichnung des Assoziierungs- und
Freihandelsabkommens der EU mit Moldau, dessen Unterzeichnung ur-
sprünglich für September 2014 geplant war, wesentlich mehr mit den im
November 2014 in Moldau stattfinden Parlamentswahlen zu tun, die eine
Ratifizierung durch das neue Parlament möglicherweise gefährden, da die
derzeitige Pro-EU-Regierungskoalition „Allianz für europäische Integration“
(AEI) ihre Mehrheit wegen der Paraphierung des Assoziierungs- und Frei-
handelsabkommens anlässlich des Gipfeltreffens zur Östlichen Partnerschaft
in Vilnius am 29. November 2013 einbüßen könnte (www.euractiv.de/
sections/eu-aussenpolitik/fahrt-ins-ungewisse-die-republik-moldau-vor-der-
unterzeichnung-des)?

4. Sind der Bundesregierung die Ausführungen von Philip M. Breedlove, dem
Supreme Allied Commander Europe (SACEUR) der NATO (North Atlantic
Treaty Organization), bekannt, wonach die Generalstabschefs der NATO-
Staaten mögliche Szenarien in Bezug auf die Republik Moldau besprochen
haben und Philip M. Breedlove wegen „Ereignissen in Transnistrien, die frü-
heren Entwicklungen in einigen ukrainischen Regionen ähneln“ entspre-
chend „beunruhigt“ sei (www.jamestown.org/programs/edm/single/?tx_
ttnews%5Btt_news%5D=42426&tx_ttnews%5BbackPid%5D=756&no_
cache=1#.U47mPPl_vTq)?
a) Wenn ja, welche möglichen Szenarien in Bezug auf Moldau bzw. Trans-

nistrien haben die Generalstabschefs der NATO-Staaten besprochen?
b) Sofern seitens der Generalstabschefs der NATO-Staaten mögliche Szena-

rien in Bezug auf die Republik Moldau besprochen wurden, wann und wo
fand das Gespräch statt, und wer war seitens des Einsatzführungskom-
mandos der Bundeswehr vertreten?

5. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die bis zum Jahr 2062
laufende Konzession des Flughafens von Chişinău durch den russischen
Konzern Komaks (www.jamestown.org/programs/edm/single/?tx_ttnews%5
Btt_news%5D=42425&tx_ttnews%5BbackPid%5D=756&no_cache=1#.
U42xK_l_vTp)?
a) Inwieweit ist die Bundesregierung tätig geworden, um die moldauische

Regierung dazu zu bewegen, dass die Konzession des Flughafens von
Chişinău „eingefroren“ wird?

b) Wenn ja, mit welcher Begründung?
6. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über das mit der Mehrheit der

„Pro-Europäische[n] Koalition“ verabschiedete Gesetz zum Verbot von so-
genannter homosexueller Propaganda durch das moldauische Parlament am
2. Juli 2013, welches die „öffentliche Verbreitung von Informationen […],
die die Prostitution, Pädophilie, Pornographie und andere Beziehungen jen-
seits von Ehe und Familie propagieren“ unter Strafe stellt (sonderwege.org/
index.php/nachrichtenbeitrag-lesen/items/republik-moldau-verabschiedet-
heimlich-gesetz-gegen-homosexuelle-propaganda.html)?
a) Wann und in welcher Form hat die Bundesregierung die mögliche Kritik

an diesem Gesetz gegenüber Vertretern der moldauischen Regierung mit-
geteilt?

b) In welcher Weise hat die Verabschiedung dieses Gesetzes den Prozess der
EU-Assoziierung Moldaus verlangsamt?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2112
c) Welche Ähnlichkeiten bestehen nach Kenntnis der Bundesregierung
zum entsprechenden russischen Gesetz?

d) In welchen Staaten der GUS (GUS = Gemeinschaft Unabhängiger Staa-
ten) wurden nach Kenntnis der Bundesregierung ähnliche Gesetze ver-
abschiedet?

7. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die vermehrte Flucht von
Transnistriern aus der Ukraine seit dem Beginn der Krise in der Ukraine
Ende November 2013 (www.taz.de/taz-Reporter-auf-Zeitreise/!140569/)?
a) Wie viele Transnistrier sind nach Kenntnis der Bundesregierung seit Be-

ginn der Ukraine-Krise im November 2013 aus der Ukraine geflohen?
b) Aus welchen Gründen haben – nach Kenntnis der Bundesregierung – die

Transnistrier die Westukraine verlassen?
c) Wann und in welcher Form hat die Bundesregierung die mögliche Kritik

an diesem Gesetz gegenüber Vertretern der ukrainischen De-facto-
Regierung mitgeteilt?

8. Mit welcher Strategie will die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zu-
sammenarbeit (GIZ) GmbH „vertrauensbildende Maßnahmen“ zwischen
der Regierung in Chişinău, der autonomen Regierung in Gagausien so-
wie der abtrünnigen De-facto-Regierung von Transnistrien initiieren
(www. bmz.de/de/presse/aktuelleMeldungen/2014/juni/140618_pm_066_
Bundesminister-Mueller-reist-nach-Moldau/index.html)?
a) Ist die Bundesregierung der Überzeugung, dass die Regierung des auto-

nomen Gebietes Gagausien von der Regierung in Chişinău abtrünnig ist?
b) Welchen Einfluss hatte das gagausische Referendum, bei dem sich eine

Mehrheit von über 98 Prozent gegen eine Annäherung an die Europä-
ische Union und für die Integration in die Zollunion/EaU (Eurasische
Union) ausgesprochen hat (www.eurasischesmagazin.de/ticker/Moskau-
nutzt-Minderheit-der-Gagausen-um-EU-Kurs-Moldaus-zu-stoeren/105),
nach Kenntnis der Bundesregierung auf die Unterzeichnung der EU-As-
soziierung Moldaus?

9. Wie viele moldauische Arbeitsmigrantinnen und -migranten halten sich
nach Kenntnis der Bundesregierung in den Ländern der Zollunion (Vorläu-
fer der Eurasischen Union) dauerhaft auf?
Welche Summen überweisen diese nach Kenntnis der Bundesregierung in
die Republik Moldau?

10. Wie haben sich im Zeitraum von 2008 bis 2013 die bilateralen Wirtschafts-
beziehungen Moldaus zur Bundesrepublik Deutschland entwickelt?

11. Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse über Behinderungen der EU Bor-
der Assistance Mission in Moldau und der Ukraine in den Jahren 2007 bis
2014 (erstes Halbjahr) vor?

12. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung von der von den international
kaum oder nicht anerkannten Regierungen von Transnistrien, Abchasien
und Südossetien per Vertrag am 14. Juni 2006 gegründeten Gemeinschaft
für Demokratie und Menschenrechte, und welche Schlussfolgerungen zieht
sie daraus?

13. In welcher Höhe hat die Bundesregierung in den Jahren 2003 bis 2013 Mit-
tel für die Entwicklungszusammenarbeit mit der Republik Moldau bereit-
gestellt (nach Jahren aufgeschlüsselt), in welcher Höhe wurden diese Mittel
abgerufen, und für welche Projekte wurden diese Mittel ausgegeben?

Drucksache 18/2112 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
14. Wie beurteilt die Bundesregierung die Stellung der Frau in der Republik
Moldau vor dem Hintergrund, dass moldauische Frauen nach wie vor Opfer
von Menschenhandel werden?

15. Wie beurteilt die Bundesregierung den Erfolg bisheriger Entwicklungszu-
sammenarbeit mit der Republik Moldau?

16. In welchem Umfang – materiell und durch Projekte – beteiligt sich die Bun-
desregierung im Rahmen der Mitgliedschaften in der EU und der OSZE
(Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) am Kampf
gegen transnationalen Menschenhandel, insbesondere Frauenhandel, der
durch und von Moldau aus in die Balkanländer und auch nach Deutschland
führt?

17. In welchem Umfang wurden die von der Bundesregierung im Rahmen des
Stabilitätspakts für Südosteuropa eingesetzten Fördermittel für die Schaf-
fung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen, für die soziale Infrastruktur,
Bildung und Frauenförderung eingesetzt?

18. In welchem Umfang unterstützte die Bundesregierung in den Jahren 2008
bis 2013 zivilgesellschaftliche Projekte (bitte einzeln aufführen), die der
Bekämpfung und Prävention von Zwangsprostitution und Sklavenhandel
mit moldauischen Frauen und Mädchen dienen und rückkehrenden Prosti-
tuierten in Moldau die Reintegration in die Gesellschaft ermöglichen?

Berlin, den 9. Juli 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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