BT-Drucksache 18/2060

Mögliche illegale Waffenlieferungen nach Kolumbien

Vom 2. Juli 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/2060
18. Wahlperiode 02.07.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Heike Hänsel, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken,
Christine Buchholz, Sevim Dağdelen, Annette Groth, Inge Höger, Andrej Hunko,
Niema Movassat, Dr. Alexander S. Neu, Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE.

Mögliche illegale Waffenlieferungen nach Kolumbien

Die „Süddeutsche Zeitung“ (SZ) berichtete am 28. Mai 2014 unter der Überschrift
„Die Kolumbien-Connection“ über deutsche Pistolen des Typs SIG SAUER
SP2022. Diese Waffen seien illegal nach Kolumbien geliefert worden (www.
sueddeutsche.de/wirtschaft/deutsche-waffenexporte-die-kolumbien-connection-
1.1976330). Nach Angaben der „SZ“ wurden die Waffen ursprünglich an die
US-Armee geliefert. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle
(BAFA) habe den Export der Pistolen nach Kolumbien nicht genehmigt. Das
US-Außenministerium habe eine entsprechende Endverbleibserklärung abgege-
ben.
In den „Politischen Grundsätzen der Bundesregierung für Rüstungsexporte“
heißt es: „Ein Empfängerland, das entgegen einer abgegebenen Endverbleibs-
erklärung den Weiterexport von Kriegswaffen oder kriegswaffennahen sonsti-
gen Rüstungsgütern genehmigt oder einen ungenehmigten derartigen Export
wissentlich nicht verhindert hat oder nicht sanktioniert, wird bis zur Beseitigung
dieser Umstände grundsätzlich von einer Belieferung mit weiteren Kriegswaf-
fen und kriegswaffennahen sonstigen Rüstungsgütern ausgeschlossen.“
Die Menschenrechtslage in Kolumbien und der in dem südamerikanischen Land
seit Jahrzehnten andauernde bewaffnete Konflikt verbieten Waffenexporte dort-
hin von vornherein. Von 2002 bis zum heutigen Datum wurden in Kolumbien
791 Gewerkschaftsaktivisten ermordet (www.bbc.co.uk/mundo/noticias/2013/
05/130430_colombia_sindicalismo_peligros_aw.shtml). Nach Angaben des
Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) sind 5,7 Millionen
Menschen im eigenen Land auf der Flucht (www.unhcr.org/cgi-bin/texis/
vtx/refdaily? pass=463ef21123&id=537ae8e48). Dies ist mitnichten nur auf die
irregulären bewaffneten Kräfte zurückzuführen. Kolumbianische und inter-
nationale Menschenrechtsorganisationen verweisen wiederholt darauf, dass die
Nationalpolizei, die nach dem genannten Medienbericht von den illegalen
Waffenexporten profitiert hat, in Menschenrechtsverletzungen verwickelt ist
(http://justiciaypazcolombia.com/The-Nation-Elections-and-Peace und in einem
Fallbeispiel: http://justiciaypazcolombia.com/Policia-tortura-y-amenaza-con).
In Kolumbien verkauft das staatliche Rüstungsunternehmen Indumil zudem
offenbar Pistolen des Typs P99 des deutschen Waffenherstellers Carl Walther
GmbH und produziert sie auch selbst. Weder Ausfuhr noch Herstellung waren
genehmigt. Das Anti-Rüstungsexport-Bündnis „Aktion Aufschrei – Stoppt den
Waffenhandel“ hat in diesem Zusammenhang Anzeige gegen das in Ulm ansäs-
sige Unternehmen erstattet.

Drucksache 18/2060 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Auch für die Walther-Pistolen wurde nach Angaben des BAFA kein Export-
antrag gestellt. Trotzdem verkauft Indumil Pistolen des Typs P99, auf deren
Handgriff die Gravur „Made in Germany“ zu lesen ist. Zudem wird die Waffe
als Eigenproduktion angeboten (www.juergengraesslin.com/index.php?seite
=Agenturber_Verdacht_Illegarle_Waffenexporte_2014-02-23.htm).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Die Ausfuhr welcher Handfeuerwaffen hat die Bundesregierung in den ver-

gangenen zehn Jahren generell genehmigt (bitte nach Jahr und Waffentyp
auflisten)?

2. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung inzwischen über in Deutsch-
land produzierte Waffenteile bzw. Pistolen des Typs SIG SAUER SP2022
gewinnen können, die in Kolumbien von der Nationalpolizei (Policía
Nacional de Colombia) genutzt werden (www.tagesschau.de/inland/
waffenexport104.html)?

3. Welchen zeitlichen Rahmen hat das Bundesministerium für Wirtschaft und
Energie der ihr untergeordneten Behörde, dem Bundesamt für Wirtschaft
und Ausfuhrkontrolle (BAFA), gegeben, um den Fall der über die USA ille-
gal an Kolumbien exportierten Pistolen des Typs SIG SAUER SP2022 zu
überprüfen?

4. Wie viele Waffenteile bzw. Pistolen des Typs SIG SAUER SP2022 aus deut-
scher Produktion wurden nach Erkenntnissen der Bundesregierung nach
Kolumbien geliefert oder weitergeliefert, und von wem?

5. Über welchen Weg gelangten die Waffen nach Erkenntnissen der Bundes-
regierung nach Kolumbien?
Falls nicht der komplette Weg nachvollziehbar ist, welche Stationen oder
belieferte Stellen sind bekannt?

6. Über welchen Weg gelangte die Waffe mit der Seriennummer SP0238567
nach Erkenntnissen der Bundesregierung nach Kolumbien?

7. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung unternommen, um den Lie-
ferweg der deutschen Waffen und speziell der Waffe mit der Seriennummer
SP0238567 nach Kolumbien zu eruieren?

8. Ist die Bundesregierung an die US-Regierung oder andere US-Institutionen
herangetreten, um die mutmaßliche Weitergabe der deutschen Waffen nach
Kolumbien aufzuklären (bitte unter Angabe des Datums und der Form der
diesbezüglichen Kontaktaufnahme)?
Was war das Ergebnis der Kontaktaufnahme?

9. Gehören die Waffen mit der Seriennummer SP0238567 nach Erkenntnissen
der Bundesregierung zu einer Lieferung, die nach der Endverbleibserklä-
rung mit der Permit-Nummer 10-00658 bzw. 11-00074 in die USA geliefert
wurde?

10. Gab es ein Reexportersuchen seitens der US-Regierung, sonstiger staat-
licher Einrichtungen oder der US-Armee für die besagten Waffen bzw. Waf-
fenteile des Herstellers SIG SAUER GmbH & Co. KG?

11. Auf Basis welcher Informationen aus den USA hat die Bundesregierung den
Endverbleib der SIG-SAUER-Waffen überprüft, hat es Vor-Ort-Kontrollen
gegeben, und wie gestaltete sich der Kontrollvorgang?

12. Hat die Bundesregierung Überprüfungskriterien, um den Endverbleib von
exportierten Waffen in regelmäßigen Abständen zu überprüfen?

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13. Gibt es nach Auffassung der Bundesregierung im Fall der USA eine recht-
liche Vorrangigkeit eines Importzertifikats gegenüber einer Endverbleibs-
erklärung?
Wenn ja, auf welcher rechtlichen Norm fußt diese?

14. Unterlagen die fraglichen Pistolen des Typs SIG SAUER einem Reexport-
vorbehalt seitens der Bundesregierung?
Wenn nein, warum nicht (bitte detaillierte Begründung)?

15. Wie beurteilte die Bundesregierung in den Jahren 2009 bis 2012 jeweils die
Menschenrechtslage in Kolumbien?

16. Welche Gründe lagen der Versagung von Exportgenehmigungen für Rüs-
tungsgüter nach Kolumbien in den Jahren 2010, 2011 und 2012 (Rüstungs-
exportberichte der Bundesregierung 2010 bis 2012) jeweils im Einzelnen
zugrunde (bitte die Gründe der jeweiligen Ausfuhrlistenposition zuordnen)?

17. Handelte es sich bei der Versagung einer Exportgenehmigung nach Kolum-
bien im Jahre 2012 innerhalb der AL-Position A 0001 um die Versagung
eines Exportes für Revolver bzw. Pistolen?

18. Hat die Bundesregierung die USA insgesamt, oder einzelne Bundesstaaten,
Ministerien, Behörden oder sonstige staatliche Einrichtungen wie die US-
Armee von der Belieferung mit weiteren Kriegswaffen und kriegswaffen-
nahen sonstigen Rüstungsgütern bereits ausgeschlossen?
a) Wenn ja, bis wann?
b) Wenn nein, warum nicht?

19. Wird eine solche Sanktion gegenüber den USA im Fall eines nachgewie-
senen Verstoßes geprüft werden, wie die Parlamentarische Staatssekretärin
beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie, Brigitte Zypries, dies in
der Parlamentsdebatte (Deutscher Bundestag, Plenarprotokoll 18. Wahl-
periode, 38. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 4. Juni 2014) zugesagt hat?

20. Vor dem Hintergrund, dass es laut der Antwort der Parlamentarischen Staats-
sekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie, Brigitte Zypries,
vom 20. Juni 2014 eine rechtliche Verpflichtung für deutsche Rüstungs-
unternehmen, bei Hinweisen auf Zuwiderhandlung der Endverbleibserklä-
rung eine Meldung zu erstatten, gibt, wie häufig wurde von Rüstungsunter-
nehmen bisher zu einem Verstoß gegen die Endverbleibserklärung Meldung
erstattet?

21. Konnte die Bundesregierung bisher Unterlassungen von Meldungen bei
Rüstungskonzernen feststellen?
Wenn ja, wie wurden diese sanktioniert?

22. Auf welcher rechtlichen Norm fußt – neben den „Politischen Grundsätzen
der Bundesregierung zu Rüstungsexporten“ – eine mögliche Sanktionie-
rung, und wie kontrolliert das BAFA die Unterlassungen von Meldungen
bei Rüstungskonzernen?

23. Handelt es sich bei den „Politischen Grundsätzen der Bundesregierung zu
Rüstungsexporten“ aus Sicht der Bundesregierung um ein verbindliches
Regelwerk?

24. Wie oft wurden von Dritten im Verlauf der vergangenen zehn Jahre entspre-
chende Verstöße an das BAFA gemeldet (bitte detailliert und nach Datum
auflisten)?

Drucksache 18/2060 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
25. Wie oft und in welchen Fällen hat die Bundesregierung im Verlauf der ver-
gangenen zehn Jahre auf eigene Initiative hin Verstöße bei der Ausfuhr von
Rüstungsgütern recherchiert und ggf. verifiziert und/oder geahndet (bitte
detailliert und nach Datum auflisten)?

26. Wie oft und in welchen Fällen wurden im genannten Zusammenhang Sank-
tionen gegen Rüstungsunternehmen erlassen (bitte detailliert nach Datum
und Fall und mit Fallbeschreibung auflisten)?

27. Würde die Bundesregierung eingedenk der erwähnten exportpolitischen
Grundsätze im Fall des illegalen Weiterverkaufs der in Deutschland produ-
zierten Waffenteile bzw. Pistolen des Typs SIG SAUER SP2022 nach Ko-
lumbien die eigenen politischen Grundsätze verletzen, sofern sie keine
Maßnahmen dagegen ergreift?

28. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung über die Lizenzvergabe zur Pro-
duktion und/oder dem Verkauf der Pistolen des Typs P99 des deutschen
Waffenherstellers Carl Walther GmbH an den kolumbianischen Rüstungs-
unternehmen Indumil?

Berlin, den 1. Juli 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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