BT-Drucksache 18/2058

Verschärfung und Evaluation des 2013 eingeführten Leistungsschutzrechtes für Presseverlage

Vom 3. Juli 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/2058
18. Wahlperiode 03.07.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Tabea Rößner, Dr. Konstantin von Notz, Renate Künast,
Ulle Schauws, Dr. Franziska Brantner, Katja Dörner, Kai Gehring,
Maria Klein-Schmeink, Elisabeth Scharfenberg, Kordula Schulz-Asche,
Dr. Harald Terpe, Doris Wagner, Beate Walter-Rosenheimer und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Verschärfung und Evaluation des 2013 eingeführten Leistungsschutzrechtes
für Presseverlage

Der Deutsche Bundestag hat vor über einem Jahr, am 1. März 2013, das kon-
trovers diskutierte Gesetz eines Leistungsschutzrechtes für Presseverlage ver-
abschiedet. Das Gesetz trat am 1. August 2013 in Kraft. Die jetzige Bundes-
regierung hat im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD angekündigt,
das Leistungsschutzrecht hinsichtlich der Erreichung seiner Ziele zu evaluieren.
Mit dem Gesetzentwurf sollte laut der Gesetzesbegründung sichergestellt wer-
den, dass Presseverlage im Onlinebereich nicht schlechter gestellt sind als andere
Werkvermittler und der Schutz von Presseerzeugnissen im Internet verbessert
wird. Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens wurde starke Kritik an dem Vorha-
ben geäußert, auch im Rahmen einer hierzu stattgefundenen Anhörung im
Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages. Unter anderem befürchtet der
Deutsche Journalisten-Verband e. V. negative Auswirkungen des Gesetzes ins-
besondere auf freie Journalisten vor allem aufgrund der fehlenden Klarheit des
Gesetzes über die Kürze der Textbestandteile, die vom Leistungsschutzrecht aus-
genommen blieben, und kritisierte, dass die freien Journalisten die ihnen zuste-
hende Beteiligung an den Erlösen aus dem Leistungsschutzrecht selbst gegen-
über den Verlagen durchsetzen müssten. Der IT-Branchenverband BITKOM –
Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien
e. V. kritisierte, dass ein Leistungsschutzrecht für Presseverlage die Urheber-
rechte an den Bestandteilen des Presseerzeugnisses (Artikel, Fotos, einzelne For-
mulierungen aus den Artikeln) unweigerlich überlagern würde. Der damalige
Vorsitzende des Rechtsausschusses im Deutschen Bundestag, Siegfried Kauder,
kritisierte, dass das Gesetz sehr weitgehend in die Informationsrechte der Nutzer
eingreife (www.siegfriedkauder.de vom 23. Februar 2013 „Lobbyisten der
Presseverlage sind fast am Ziel“). Zahlreiche weitere Kritiker kritisierten die Ein-
führung eines Leistungsschutzrechtes für Presseverlage als einen Eingriff in ein
Kernelement der offenen Internetarchitektur, die wesentlich auf Links und
Hyperlinks basiert, ebenso wurde das Gesetz etwa vom Max-Planck-Institut dem
Grunde nach kritisiert.
Trotz wiederholt vorgebrachter kritischer Hinweise wurde im Gesetz letztend-
lich nicht eindeutig festgehalten, welche Dienste vom Leistungsschutzrecht
konkret betroffen sind. In diesem Zusammenhang wurde wiederholt auf die
hohe Wahrscheinlichkeit hingewiesen, dass durch diese Unbestimmtheit ge-
richtliche Klarstellungen notwendig werden.

Drucksache 18/2058 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Kritiker verwiesen im Vorfeld der Verabschiedung des Gesetzes wiederholt auf
die Möglichkeit der Verlage, eine Leistung zu verhindern. Der Suchmaschinen-
anbieter Google hat vor Inkrafttreten des Gesetzes in Deutschland eine Erklä-
rung seitens der Verlage unterzeichnen lassen, ob ihre Inhalte in den News der
Suchergebnisse des Suchmaschinenanbieters aufgeführt werden sollen oder
nicht („Google News bleibt offene Plattform für die deutschen Verlage“ vom
21. Juni 2013). Eine große Anzahl von Verlagen willigte ein, dass ihre Texte
und Videos weiterhin unentgeltlich in Google News aufgenommen werden;
allerdings behielten sich die Verlage explizit vor, diese Erklärung später wieder
aufzukündigen (www.journalist.de „Mehrere Verlagshäuser verzichten auf
Google News“).
Im Februar 2014 sind eine Reihe von Verlagen in die VG Media – Gesellschaft
zur Verwertung der Urheber- und Leistungsschutzrechte von Medienunterneh-
men mbH als Gesellschafter eingestiegen und haben bei der bisherigen Verwer-
tungsgesellschaft der TV- und Radiosender 50 Prozent der Geschäftsanteile
übernommen. Die VG Media übernimmt die Wahrnehmung der Urheber- und
Leistungsschutzrechte der privaten Medienunternehmen und deren Durchset-
zung (Pressemitteilung vom 18. Februar 2014).
Im Juni 2014 veröffentlichte die VG Media im Bundesanzeiger ein Tarifangebot
zum Leistungsschutzrecht für Presseverlage. Darin werden „11 Prozent der
Brutto-Umsätze, einschließlich der Auslandsumsätze, die der Nutzer unmittel-
bar oder mittelbar mit der Zugänglichmachung von Ausschnitten aus Online-
Presseerzeugnissen erzielt“, gefordert. Das Deutsche Patent- und Markenamt
wird dieses Tarifangebot auf Anwendbarkeit und Angemessenheit prüfen. Falls
es keine Einigung durch die Schlichtungsstelle geben wird, kann der weitere
Klageweg beschritten werden.
Die VG Media hat zwischenzeitlich eine zivilrechtliche Klage gegen Google
eingereicht. Laut Presseberichten wurde ein Antrag auf Zahlung einer angemes-
senen Vergütung wegen der Verwertung des Presseleistungsschutzrechtes ein-
gereicht (Pressemitteilung vom 18. Juni 2014). Die VG Media und zwölf Ver-
lage haben außerdem eine Beschwerde beim Bundeskartellamt eingereicht.
Nach Auffassung der Beschwerdeführer missbraucht das Unternehmen mit dem
zum 1. August 2013 einseitig durchgesetzten Verzicht auf die Geltendmachung
von Zahlungsansprüchen für die Verwertung der Rechte der Presseverlage seine
Marktmacht (www.madsack.de vom 24. Juni 2014 „Beschwerde beim Bundes-
kartellamt“). Die VG Media hat zudem eine zivilrechtliche Klage gegen Yahoo
und 1&1 auf Zahlung einer angemessenen Vergütung wegen der Verwertung des
Presseleistungsschutzrechts eingereicht (Pressemitteilung vom 1. Juli 2014).
Die Fraktion der SPD legte im Zuge der zweiten und dritten Beratung des
Siebenten Gesetzes zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes einen Entschlie-
ßungsantrag vor (Bundestagsdrucksache 17/12546), in dem sie die Bundes-
regierung aufforderte, dem Deutschen Bundestag einen neuen Gesetzentwurf
vorzulegen, in dem die Regelungen des vorgelegten Gesetzentwurfs aufgehoben
werden. Im SPD-Bundestagswahlprogramm von 2013 stand, dass die SPD das
von „Schwarz-Gelb beschlossene Leistungsschutzrecht“ ablehnt. Der SPD-
Kanzlerkandidat Peer Steinbrück äußerte sich im März 2013 hinsichtlich des
neu geschaffenen Leistungsschutzrechtes wie folgt: „Das schwarz-gelbe Leis-
tungsschutzrecht muss weg“ (www.spd.de vom 22. März 2013). Laut mehrerer
übereinstimmender Presseberichte hat der Bundesminister der Justiz und für
Verbraucherschutz Heiko Maas am 24. Juni 2014 nun im Rahmen eines Vor-
trages vor Verlegern eine weitere Verschärfung des Leistungsschutzrechtes für
Presseverlage in Aussicht gestellt (www.bmjv.de „Rede im Rahmen des
40. Kongresses des Verbandes Deutscher Lokalzeitungen“). Eine solche, nicht
näher konkretisierte Verschärfung des bestehenden Leistungsschutzrechtes ist
im Gegensatz zur Evaluierung im Koalitionsvertrag nicht vereinbart.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2058
Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wann wird die Bundesregierung das Leistungsschutzrecht für Presseverlage

evaluieren, wie CDU, CSU und SPD es im Koalitionsvertrag angekündigt
haben?

2. In welcher Form und durch welche Institution oder durch welche Behörde
soll diese Evaluation stattfinden?

3. Anhand welcher Kriterien und mit welchem Ziel soll das Leistungsschutz-
recht für Presseverlage evaluiert werden?

4. Was versteht die Bundesregierung unter einer angekündigten Weiterent-
wicklung der gesetzlichen Bestimmungen des Leistungsschutzrechtes?

5. Vor dem Hintergrund, dass der Bundesjustizminister Heiko Maas auf einem
Kongress der Lokalzeitungsverleger erklärt hat (25. Juni 2014), dass die
Bundesregierung das Ziel verfolge, die Geschäftsmodelle der Verlage zu-
kunftsfähig zu halten, durch welche gesetzliche Regelung will die Bundes-
regierung dazu beitragen?

6. Aus welchen Gründen sieht die Bundesregierung Anlass, die gesetzlichen
Bestimmungen des Leistungsschutzrechtes zu überarbeiten oder zumindest
die Überarbeitung zu überprüfen?
Was versteht die Bundesregierung in diesem Zusammenhang unter der
Schaffung von „Fairness im Netz“ in Bezug auf Presseverlage?

7. Inwiefern sieht die Bundesregierung die Geschäftsmodelle der Presse-
verlage im Netz in Deutschland als regulierungsbedürftig an?

8. Plant die Bundesregierung weitere Einschränkungen der Zugänglichmachung
von Verlagserzeugnissen durch Suchmaschinenanbieter?
Wenn ja, welche?

9. Hat die Bundesregierung Erkenntnisse darüber, welche Internetdienste mit
Hinweis auf die durch die Einführung des Leistungsschutzrechtes ent-
stehende Rechtsunsicherheit ihre Dienste eingestellt oder eingeschränkt
haben, und wenn ja, welche sind dies?

10. Fallen nach Ansicht der Bundesregierung kleinste Textausschnitte mit
einem Umfang von bis zu 250 Zeichen unter das Leistungsschutzrecht für
Presseverlage?
Wie differenziert die Bundesregierung zwischen kleinen und kleinsten Text-
ausschnitten?

11. Vor dem Hintergrund, dass im verabschiedeten Gesetzestext des Leistungs-
schutzrechtes für Presseverlage eine zulässige Zeichenlänge eines Such-
ergebnisses, dass durch die Suchmaschinen oder Newsaggregatoren ange-
zeigt wird, nicht definiert worden ist, und nach den Klagen der VG Media
davon auszugehen ist, dass die VG Media die heute üblichen Suchergeb-
nisse als vergütungspflichtig ansieht (www.spiegel.de vom 18. Juni 2014),
wie erklärt sich die Bundesregierung diesen Widerspruch?

12. Wie will die Bundesregierung gewährleisten, dass eine angemessene Be-
teiligung der Urheber an den Einnahmen des Leistungsschutzrechtes für
Presseverlage gewährleistet ist und die Urheber erreicht?
Kann eine solche Vergütung nach Ansicht der Bundesregierung allein durch
die Aufsicht durch eine staatliche Stelle wie das Deutsche Patent- und Mar-
kenamt gewährleistet werden?

Drucksache 18/2058 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
13. Wie will die Bundesregierung konkret gewährleisten, dass die Beteiligung
der Urheber an den Einnahmen der Presseverlage durch das Leistungs-
schutzrecht angemessen ist?

14. Ist der Bundesregierung bekannt, welche Verlage Leistungsschutzrechte für
welche Angebote an die VG Media übertragen haben?
Ist der Bundesregierung bekannt, warum einige bedeutende Verlage bzw.
deren Publikationen (DER SPIEGEL, Die Zeit, Frankfurter Allgemeine
Zeitung, Süddeutsche Zeitung etc.) das Leistungsschutzrecht für Pressever-
lage nicht in Anspruch nehmen und daher ihre Rechte nicht an eine Verwer-
tungsgesellschaft abgetreten haben (www.heise.de vom 18. Februar 2014)?
Ist der Bundesregierung bekannt, dass und warum einige Verlage bzw. die
Herausgeber ihrer Publikationen das Leistungsschutzrecht nicht über die
VG Media wahrnehmen lassen, obwohl sie das Leistungsschutzrecht für
Presseverlage befürworten?
Vor dem Hintergrund, dass das Leistungsschutzrecht für Presseverlage als
Verbotsrecht ausgestaltet worden ist, teilt die Bundesregierung die Auf-
fassung, dass es jedem Newsaggregator und jeder Suchmaschine überlassen
ist, die unter dem Leistungsschutzrecht stehenden Textausschnitte zu nutzen
und dementsprechend dafür zu zahlen oder aber auf die Nutzung zu ver-
zichten?

15. Entspricht das bisherige Verfahren zur Umsetzung des Leistungsschutzrech-
tes dem nun genannten Ziel der Bundesregierung, ein Gesetz zu schaffen,
das Fairness im Netz schafft?

16. Welche Schlussfolgerung und Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus
dem Umstand, dass die rechtliche Klarheit zur Umsetzung des Leistungs-
schutzrechtes offenbar erst auf dem Rechtsweg geklärt werden kann?
Welche Priorität räumt die Bundesregierung in diesem Zusammenhang dem
Ziel ein, Gesetze zu schaffen, die Rechtssicherheit für Beteiligte schaffen?

17. Teilt die Bundesregierung die Ansicht der Fragesteller, dass durch die im
Zuge der Schaffung des Leistungsschutzrechtes entstandene Rechtsunsicher-
heit Innovationen und Gründungen neuer Dienste im Internet beeinträchtigt
werden könnten?
Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse bezüglich der Auswirkungen des
Leistungsschutzrechtes für Presseverlage auf Innovationen und Gründungen
vor?
Wenn ja, welche?

18. Inwieweit hält die Bundesregierung das Leistungsschutzrecht für Presse-
verlage für ein geeignetes Mittel, den Qualitätsjournalismus zu befördern,
insbesondere vor dem Hintergrund, dass durch dieses nach dem Tarif-
angebot der Verwertungsgesellschaften nach Auffassung der Fragesteller
Anreize geschaffen werden, viele Inhalte zu produzieren und vergüten zu
lassen, jedoch keine Anreize zur Produktion weniger, gut recherchierter
Inhalte setzt und damit folglich auch keine Anreize setzt, in Qualitäts-
journalismus zu investieren?

Berlin, den 1. Juli 2014

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.