BT-Drucksache 18/2052

Namenspatronen von Bundeswehrkasernen aus dem Ersten Weltkrieg

Vom 3. Juli 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/2052
18. Wahlperiode 03.07.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Wolfgang Gehrcke, Christine Buchholz,
Sevim Dağdelen, Annette Groth, Niema Movassat, Dr. Alexander S. Neu, Petra Pau,
Kersten Steinke, Frank Tempel, Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE.

Namenspatronen von Bundeswehrkasernen aus dem Ersten Weltkrieg

Namhafte Militärhistorikerinnen und Militärhistoriker fordern in einem Aufruf,
Bundeswehrkasernen, die nach fragwürdigen Offizieren aus dem Ersten Welt-
krieg benannt sind, umzubenennen. Unter dem Titel „100 Jahre Erster Welt-
krieg. Schluss mit Militarismus in der Traditionspflege der Bundeswehr!“ er-
klären unter anderem Dr. Detlev Bald, Prof. Dr. Manfred Messerschmidt und
Prof. Dr. Wolfram Wette, der 100. Jahrestag des Beginns des Ersten Weltkriegs
sei „das historische Datum für die Bundeswehr, endlich geplättete Geschichts-
bilder, verklärende Heldenmythen und falsche Traditionen zu tilgen!“. Die
Historikerinnen und Historiker benennen konkret mehrere Generäle, denen sie
eine extrem militaristische, über das im Militär ohnehin übliche Maß an Men-
schenverachtung weit hinausgehende Haltung vorwerfen (www.bv-opfer-ns-
militaerjustiz.de/).
Benannt wird etwa die Emmich-Cambrai-Kaserne in Hannover, benannt nach
General Otto von Emmich, der eine truppendienstliche Verantwortung für
Kriegsgräuel gehabt habe, die beim Vormarsch der deutschen Truppen im völ-
kerrechtswidrig überfallenen Belgien verübt worden seien.
Graf von Haeseler, Namensgeber der Graf-Haeseler-Kaserne in Lebach, wird
mit den Worten zitiert: „Es ist notwendig, daß unsere Zivilisation ihren Tempel
auf Bergen von Leichen, auf einem Ozean von Tränen und auf dem Röcheln von
unzähligen Sterbenden errichten wird“.
Die Hindenburg-Kaserne in Munster ist nach dem Leiter der Obersten Heeres-
leitung Paul von Hindenburg benannt, der nicht nur seit August 1916 eine fakti-
sche Militärdiktatur errichtet, sondern auch die „Dolchstoßlegende“ genährt hat.
In seiner Funktion als Reichspräsident hatte Paul von Hindenburg im Jahr 1933
Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt und insbesondere durch seine Notver-
ordnung im Februar 1933 die terroristische Etablierung der faschistischen Herr-
schaft ermöglicht.
General von Mudra, Namensgeber der Mudra-Kaserne in Köln, sprach sich dem
Historikeraufruf zufolge noch im Oktober 1918 für die Fortsetzung des Krieges
aus. Als Mitglied der Deutschnationalen Volkspartei habe er im Jahr 1924 einen
neuen Waffengang gegen den Westen „zur endgültigen Abrechnung mit dem
Erzfeinde“ gefordert.
Ebenfalls genannt werden Admiral Reinhard Scheer und Großadmiral Alfred
von Tirpitz, Namensgeber zweier Molen am Marinestützpunkt Kiel. Reinhard
Scheer habe Ende Oktober 1918 noch eine „Todesfahrt“ der Marine geplant;

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außerdem habe er im Sommer 1917 die Todesurteile gegen die der antimilitaris-
tischen Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD) nahe-
stehenden Matrosen Max Reichpietsch und Albin Köbis bestätigt. Alfred von
Tirpitz war Führer der Deutschen Vaterlandspartei, die von den Historikern als
„präfaschistisch“ bezeichnet wird, da sie nationalistische, antisemitische und
völkische Ideologien vertreten habe.
Einige dieser Kasernen – auf jeden Fall die Emmich-Cambrai-Kaserne und die
Muda-Kaserne – hatten ihre Namen im Zuge der nazifaschistischen „Traditions-
offensive“ 1937/1938 erhalten.
Die Historikerinnen und Historiker vertreten die Auffassung, die kritisierten
Namensgebungen entsprächen nicht der Vorgabe des Traditionserlasses, Namens-
patronen müssten sich „durch ihr gesamtes Wirken oder eine herausragende Tat
um Freiheit und Recht verdient gemacht haben“. Auch nach Auffassung der
Fragesteller sind diese Namensgeber nicht geeignet, eine Vorbildfunktion zu
entfalten.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Ist der Bundesregierung der genannte Aufruf der Militärhistorikerinnen und

Militärhistoriker bekannt?
2. Inwiefern sind der Bundesregierung die in dem Aufruf genannten Vorwürfe

gegen die entsprechenden Offiziere bekannt?
3. Welche der Kasernennamen gehen auf die „Traditionsoffensive“ der Wehr-

macht 1937/1938 zurück?
4. Inwiefern entsprechen die Namensgebungen nach Auffassung der Bundes-

regierung der Vorgabe des Traditionserlasses, die Namenspatronen müssten
sich „durch ihr gesamtes Wirken oder eine herausragende Tat um Freiheit
und Recht verdient gemacht haben“?

5. Inwiefern entspricht der von General Otto von Emmich befehligte Ein-
marsch deutscher Truppen im neutralen Belgien und die Begehung von
Kriegsverbrechen dort der genannten Vorgabe des Traditionserlasses?

6. Inwiefern entspricht die Auffassung Graf von Haeselers, die Zivilisation
„auf Bergen von Leichen“ aufzubauen, der genannten Vorgabe des Tradi-
tionserlasses?

7. Inwiefern entspricht die Forderung des Mitglieds der Deutschnationalen
Volkspartei (DNVP) General von Mudra zur „endgültigen Abrechnung mit
dem Erzfeinde“ der genannten Vorgabe des Traditionserlasses?

8. Inwiefern entspricht die Bereitschaft Admiral Scheers, noch angesichts der
Kriegsniederlage Ende Oktober 1918 einen letzten Vorstoß der Marine zu
befehligen, und seine Bestätigung der Todesurteile gegen die Matrosen Max
Reichpietsch und Albin Köbis der genannten Vorgabe des Traditionserlas-
ses?

9. Inwiefern entspricht die Mitgliedschaft Großadmirals Alfred von Tirpitz in
der Deutschen Vaterlandspartei der genannten Vorgabe des Traditionserlas-
ses?

10. Welche Position vertritt die Bundesregierung gegenüber dem Aufruf der
Militärhistorikerinnen und Militärhistoriker, und welche Schlussfolgerun-
gen zieht sie aus deren Angaben bezüglich der Namensgeber?

11. Beabsichtigt die Bundesregierung bei allen oder bei manchen (ggf. bitte
konkret angeben) der genannten Standorte auf jeden Fall eine Umbenen-
nung vorzunehmen?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2052
Wenn nein, warum nicht?
12. In welchen der genannten Standorte der Bundeswehr gibt es nach Kenntnis

der Bundesregierung gegenwärtig Diskussionen über eine Umbenennung,
und welchen Verlauf haben diese bislang genommen?

13. Inwiefern trägt die Bundesregierung zu solchen Diskussionen bei?
14. Wie viele und welche Kasernen, Molen, weitere Liegenschaften, Schiffe der

Bundeswehr sind gegenwärtig nach
a) Namen und Ereignissen oder Orten in Bezug zum Ersten Weltkrieg (bitte

vollständig namentlich aufführen),
b) Namen und Ereignissen oder Orten in Bezug zum Zweiten Weltkrieg

(bitte vollständig namentlich aufführen und soweit möglich unterteilen
in Angehörige und Unterstützer des militärischen Widerstandes bzw.
einzelner „Retter in Uniform“)

benannt, und inwiefern ist ihre Umbenennung beschlossen, zur Diskussion
gestellt oder ihre Schließung vorgesehen?

Berlin, den 3. Juli 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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