BT-Drucksache 18/194

Zusammenarbeit von Hooligans und Neonazis

Vom 17. Dezember 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 18/194
18. Wahlperiode 17.12.2013
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Sevim Dağdelen, Dr. André Hahn, Petra Pau,
Harald Petzold (Havelland) und der Fraktion DIE LINKE.

Zusammenarbeit von Hooligans und Neonazis

Laut „SPIEGEL ONLINE“ haben sich 17 eigentlich rivalisierende Hooligan-
gruppen aus ganz Deutschland Anfang 2012 im Rheinland unter dem Leitspruch
„Kameraden im Geiste. Viele Farben, dennoch eine Einheit“ zu einem bundes-
weiten Bündnis mit dem Namen GnuHonnters (New Hunters) vereinigt. „Hoo-
ligans prügeln sich eigentlich untereinander. Aber jetzt haben sie sich zusam-
mengetan, ein Netzwerk gegründet, um gemeinsam für ihre Sache zu kämpfen“,
heißt es auf „SPIEGEL ONLINE“. „Sie werden dabei unterstützt von gewalt-
bereiten Rechtsextremisten.“ Einladende Gruppe zum Gründungstreffen der
GnuHonnters war die seit Anfang der 80er-Jahre bestehende rechtsextreme
Dortmunder Hooligantruppe Borussenfront. Deren Gründer und langjährige An-
führer Siegfried „SS Siggi“ Borchardt ist heute Vorsitzender des Dortmunder
Kreisverbandes der Partei Die Rechte, die als Auffangbecken von Mitgliedern
des verbotenen Nationalen Widerstandes Dortmund gilt. Bei den Folgetreffen
der GnuHonnters u. a. in Frankfurt, Berlin und Essen seien auch jüngere
Kampfsportler zu den Althooligans dazu gestoßen. Den GnuHonnters sollen bis
zu 300 Personen angehören. Auf Bildern von ihren Treffen sind auch NPD-Ka-
der sowie Hooligans, die den Hitlergruß zeigen, zu sehen. Als Ziele benennen
die GnuHonnters in einem Manifest die „Herstellung alter Werte“, „Keine
Antifa im Stadion“ und „Meinungsfreiheit zurückgewinnen“ (www.spiegel.de/
sport/fussball/rechtsextreme-im-fussball-hooligans-und-nazis-vernetzen-sich-
a-933194.html).
In den letzten Monaten kam es bei verschiedenen Bundesligavereinen zu An-
griffen von rechtsgerichteten Hooligans auf antirassistisch orientierte Ultras. So
zogen sich die Ultras Aachen aufgrund massiver Drohungen rechter Schläger
zum Ende der letzten Saison aus dem Stadion von Alemannia Aachen zurück. In
Braunschweig griffen Hooligans die Ultras Braunschweig 01 während eines
Spiels in der Fankurve an, verprügelten diese und beleidigten sie rassistisch. An-
schließend belegte der Verein Eintracht Braunschweig die Ultras mit dem Ver-
bot, als Gruppe im Stadion aufzutreten. Nach einem Spiel des MSV Duisburg
verprügelten Hooligans Mitglieder der MSV-Ultragruppe Kohorte. Ein Großteil
der rund zwei Dutzend Angreifer gehörte zur Hooligangruppe „Division Duis-
burg“. Beteiligt waren aber auch Personen, die nach Einschätzung der Polizei
aus dem Umfeld des verbotenen „Nationalen Widerstands Dortmund“ und deren
Parallelgruppierung aus Duisburg kommen (www.spiegel.de/sport/fussball/
rechte-gewalt-gegen-ultras-des-msv-duisburg-a-929166.html).
Auch die – vom Bündnis aktiver Fußballfans (BAFF) wegen ihrer einseitigen
Fokussierung auf Fangewalt bei gleichzeitiger Ausblendung von Verletzten
durch Polizeieinsätze als tendenziös kritisierte (Neues Deutschland vom 24. No-

Drucksache 18/194 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
vember 2012) – Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze sieht bei den Vereinen
der ersten und zweiten Bundesliga einen Anstieg „an rechtsmotiviertem Verhal-
ten“ innerhalb der Hooliganszene. Bei 16 Bundesligavereinen erkennt diese der
nordrhein-westfälischen Polizei angeschlossene Behörde eine personelle Über-
schneidung zwischen Teilen der gewaltbereiten Fanszene und dem rechten Mi-
lieu. So beteiligten sich bei Angriffen der Dresdner Hooligan-Gruppe Elbflorenz
auf Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte am Rande von Fußballspielen nach
Angaben des ermittelnden Oberstaatsanwaltes Jürgen Schär „zunehmend
gewaltbereite Rechtsextremisten“, die diese „Hooliganauseinandersetzungen
als Training“ nutzen. Es gäbe auch ein gemeinsames Schusstraining von Hooli-
gans und Neonazis in abgelegenen Wäldern (www.spiegel.de/sport/fussball/
rechtsextreme-im-fussball-hooligans-und-nazis-vernetzen-sich-a-933194.html).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Inwieweit hat die Bundesregierung Erkenntnisse über einen laut SPIEGEL

ONLINE zu verzeichnenden Anstieg an rechtsmotiviertem Verhalten inner-
halb der Hooliganszene der Bundesligavereine, und aufgrund welcher sozio-
logischer und politischer Faktoren erklärt sie sich ein solches Phänomen
(www.spiegel.de/sport/fussball/rechtsextreme-im-fussball-hooligans-und-
nazis-vernetzen-sich-a-933194.html)?

2. Welche Drohungen und Übergriffe von rechtsgerichteten Hooligans auf den-
selben Verein unterstützende antirassistische Ultras und Fangruppen während
der letzten zwei Jahre sind der Bundesregierung bekannt geworden (bitte ein-
zeln nach Vorkommnis, Datum, Verein, Hooligan- und Ultragruppe auf-
schlüsseln)?

3. Welche Drohungen und Übergriffe von rechtsgerichteten Hooligans auf anti-
rassistische Ultras und Fangruppen gegnerischer Vereine während der letzten
zwei Jahre sind der Bundesregierung bekannt geworden (bitte einzeln nach
Vorkommnis, Datum, Verein, Hooligan- und Ultragruppe aufschlüsseln)?

4. Kann die Bundesregierung hinter den Angriffen rechtsgerichteter Hooligans
auf Ultras, die denselben Verein wie die angreifenden Hooligans unterstüt-
zen, eine Strategie zur Herstellung einer rechten Hegemonie in den Fankur-
ven erkennen?

5. Inwieweit gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung regionale oder bundes-
weite Kooperationen von Hooligans beim Vorgehen gegen antirassistische
Fangruppen?

6. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über bundesweite vereinsüber-
greifende Zusammenschlüsse von Hooligangruppen?
a) Welche derartigen Zusammenschlüsse gibt es, und welche Hooligangrup-

pen aus welchen Städten bzw. von welchen Fußballvereinen sind Mitglied
darin bzw. stehen mit diesen Vereinigungen in Verbindung?

b) Inwieweit ist der Bundesregierung ein bundesweiter Hooliganzusammen-
schluss namens GnuHonnteres bekannt, und welche Hooligangruppen aus
welchen Städten bzw. von welchen Fußballvereinen sind nach ihrer
Kenntnis Mitglieder bzw. stehen mit diesem Zusammenschluss in Verbin-
dung (bitte angeben, welche der angeschlossenen Gruppierungen von der
Bundesregierung als rechtsextrem oder rechtsextrem beeinflusst angese-
hen werden)?

c) Welche Aktivitäten der GnuHonnters sind der Bundesregierung bekannt?
d) Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnis von einschlägigen rechts-

extremen Straftaten durch Mitglieder oder Mitgliedsgruppen der
GnuHonnters?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/194
7. Inwiefern erkennt die Bundesregierung eine Verbindung zwischen dem von
den GnuHonnters laut „SPIEGEL ONLINE“ vertretenen Zielen „Herstel-
lung der Meinungsfreiheit“ (womit dem Kontext zufolge die Herstellung
ihrer eigenen Dominanz gemeint ist) und „Keine Antifa im Stadion“ und
den gewaltsamen Übergriffen rechtsextremer Hooligans auf antirassistisch
eingestellte Ultragruppen in Braunschweig, Duisburg, Aachen und anderen
Städten?

8. Wie haben die betroffenen Fußballvereine nach Kenntnis der Bundesregie-
rung auf die gewaltsamen Übergriffe von rechtsgerichteten Hooligans auf
antirassistische Ultras und andere Fangruppen bislang reagiert?

9. Inwieweit erscheint der Bundesregierung die bislang von den betroffenen
Vereinen eingeleiteten Maßnahmen als angemessen zur Bekämpfung
rechtsextremer Tendenzen unter den Fans?

10. Wie viele Personen, die derzeit in der Datei „Gewalttäter Sport“ gespeichert
sind, sind in den einschlägigen PMK-Dateien (PMK = Politisch motivierte
Kriminalität) gespeichert (bitte für jede dieser Dateien angeben)?
Wie viele von ihnen sind im polizeilichen Informationssystem als rechts-
motivierte Straftäter markiert?

11. Welche rechtsextremen oder rechtsextrem beeinflussten Hooligan- und Fan-
gruppen von Vereinen der ersten drei Ligen sind der Bundesregierung be-
kannt (bitte einzeln benennen, Mitgliederzahl und einschlägige Straftaten
angeben)?

12. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über gezielte Unterwan-
derungsversuche der rechtsextremen Szene (NPD, Partei Die Rechte, Ka-
meradschaften, Autonome Nationalisten) bei Fußballvereinen, Fanclubs
oder Ordnerdiensten vor (bitte nach Vereinen und rechtsextremen Gruppie-
rungen aufschlüsseln)?

13. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung von einer Kooperation zwi-
schen Rechtsextremisten und Hooligans etwa bei Kampfsport- oder Schuss-
waffentraining?

14. Hat die Bundesregierung Kenntnisse über eine Kooperation von Mitglie-
dern von Rockerclubs und Hooligans, und wenn ja, auf welche Bereiche er-
streckt sich eine solche Zusammenarbeit?

15. Welche Initiativen will die Bundesregierung selbst bzw. gemeinsam mit den
Ländern hinsichtlich der genannten Thematik ergreifen (bitte soweit mög-
lich konkret benennen)?

Berlin, den 17. Dezember 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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