BT-Drucksache 18/191

Die Souveränität der Republik Zypern und die britischen Militärbasen in Akrotiri und Dekelia

Vom 13. Dezember 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 18/191
18. Wahlperiode 13.12.2013
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sevim Dağdelen, Wolfgang Gehrcke, Annette Groth, Heike
Hänsel, Inge Höger, Andrej Hunko, Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE.

Die Souveränität der Republik Zypern und die britischen Militärbasen in Akrotiri
und Dekelia

Im Ergebnis einer gemeinsamen Recherche des „NDR“, der „Süddeutschen Zei-
tung“, der griechischen Zeitung „Ta Nea“, des TV-Senders Alpha TV und des ita-
lienischen Magazins „LʼEspresso“ wurde bekannt, dass der britische Geheim-
dienst Government Communications Headquarters (GCHQ) die britische Mili-
tärbasis Ayios Nikolaos in der so genannten Souvereign Base Areas (SBA)
Dekelia in der Republik Zypern, nahe der Grenze zum völkerrechtswidrig tür-
kisch besetzten Norden der Insel, der National Security Agency (NSA) als ille-
gale Abhörstation für den Nahen Osten und Israel die Mitnutzung gestattet hat
(www.tagesschau.de/ausland/nsa-zypern100.html). Laut der britischen Tages-
zeitung „The Guardian“ soll die NSA seit dem Jahr 2009 sogar die Aufrecht-
erhaltung der Basis durch das GCHQ zur Hälfte mit 115 Mio. US-Dollar mit-
finanziert haben; wobei diese Information auf Enthüllungen des Whistleblowers
Edward Snowden zurückgehen (http://cyprus-mail.com/tag/gchq/). Am 29. Ja-
nuar 2008 schrieb Robert L. Schlicher (von 2006 bis 2008 Botschafter der USA
auf Zypern in Lefkosía) an das Außenministerium der USA, dass die USA mit-
tels verschiedener formeller Abmachungen und informeller Maßnahmen Zugang
zu den SBA haben und aus den durch die SBA bestehenden Möglichkeiten Groß-
britanniens einen Nutzen ziehen. Anders als der Verlust sonstiger zyprischer In-
frastrukturen und die Unterbrechung des Exports von Schlüsselressourcen, würde
die Behinderung bzw. gar ein Wegfall der Nutzung der durch die SBA bestehen-
den Möglichkeiten für die USA eine Bedrohung der nationalen Sicherheitsinter-
essen der USA im östlichen Mittelmeer darstellen (www.cablegatesearch.net/
cable.php?id=08NICOSIA70&q=cyprus). Die USA drängen deshalb immer
wieder Großbritannien dazu, diesen Horchposten nicht aufzugeben, denn die
US-Geheimdienste können ihn nicht übernehmen (www.sueddeutsche.de/politik/
geheimdienstbasis-zypern-insel-der-spione-1.1810573).
Die zypriotische Tageszeitung „Phileleftheros“ kommentierte im Jahr 2008 den
Beschluss Großbritanniens, die britischen Militärbasen in Zypern beizubehal-
ten: „Es gibt keinen Zweifel daran, dass die Basen ein Überbleibsel des briti-
schen Kolonialismus sind. Es ist kein Geheimnis, dass die Basen das größte
Spionagezentrum der Welt sind. Zu den Aktivitäten der Briten gehört bestimmt
auch das Ausspionieren unserer eigenen Interessen (…) Durch diese Basen sind
unser Staat und unsere Würde gefährdet, unsere Ausdauer gegenüber der türki-
schen Expansionspolitik wird geschwächt und unser Land wird nicht vor einer
möglichen militärischen Expansion der Türkei geschützt. Abgesehen von der
politischen Dimension muss die Höhe der elektromagnetischen Strahlung, die
von den Basen ausgeht, veröffentlicht werden, (…) damit die Leute sehen, wel-

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ches Risiko diese für ihre Gesundheit darstellt“ (www.eurotopics.net/de/home/
presseschau/archiv/aehnliche/archiv_article/ARTICLE30068-Britische-
Militaerbasen-in-Zypern).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Inwieweit verstößt nach Kenntnis der Bundesregierung bereits die (Mit-)Nut-

zung der britischen Sovereign Base Areas (SBA) durch die NSA gegen die
offiziellen Vereinbarungen zwischen der britischen und zypriotischen Re-
gierung (www.sueddeutsche.de/politik/geheimdienstbasis-zypern-insel-der-
spione-1.1810573)?

2. Auf Grundlage welcher europarechtlichen Bestimmungen des gemeinsamen
Besitzstandes der Europäischen Union ist es nach Kenntnis der Bundesregie-
rung möglich, dass die in den zwei britischen SBA in der Republik Zypern
– Dekelia und Akrotiri (mit einer Gesamtfläche von 256,4 km² bzw. fast 3 Pro-
zent der Inselfläche) – lebenden 7 700 Zyprer (www.bmi.gv.at/cms/BMI_
OeffentlicheSicherheit/2012/07_08/files/ZYPERN_CYPRUS_POLICE.pdf)
zwar seit dem EU-Beitritt Zyperns im Jahr 2004 Bürger und Bürgerinnen der
Europäischen Union sind und seit dem Jahr 2008 die gemeinsame Währung
Euro führen, aber die Regierung der Republik Zypern nicht die tatsächliche
Kontrolle über diese SBA ausübt und dort die Anwendung des Besitzstandes
der Gemeinschaft und Union ausgesetzt ist, da die „Grenzlinie zwischen der
östlichen Hoheitszone des Vereinigten Königreichs und den in Artikel 68 ge-
nannten Landesteilen (…) als Teil der Außengrenzen der Hoheitszonen des
Vereinigten Königreichs im Sinne von Teil IV des Anhangs zum Protokoll
Nr. 3 der Beitrittsakte vom 16. April 2003 über die Hoheitszonen des Ver-
einigten Königreichs Großbritannien und Nordirland auf Zypern“ festgelegt
wurde (siehe Vertrag über die Europäische Union, Titel X, Artikel 69)?

3. Inwieweit teilt die Bundesregierung die Auffassung in einer Antwort des
damaligen EU-Erweiterungskommissars, Olli Rehn, auf eine im Jahr 2007
gestellte Anfrage im Europaparlament „The British Colonies in Cyprus“
(E-2842/2007), in der er den Fragesteller bezüglich der SBA auf das Proto-
koll Nr. 3 der Beitrittsakte vom 16. April 2003 über die Hoheitszonen des
Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland auf Zypern verwies,
nach dem der EU-Beitritt der Republik Zyperns keinen Einfluss auf die
Rechte und Pflichten der Vertragsparteien des Gründungsvertrages haben,
was durch die Ratifikation der 15 Mitgliedstaaten und der zehn Beitrittslän-
der bestätigt wurde?

4. Hat die Bundesregierung im Zusammenhang mit dem Ratifizierungsprozess
des Beitrittsvertrages der Europäischen Union (The Treaty of Accession
2003) mit Zypern, dessen Bestandteil das Protokoll Nr. 3 über die Hoheits-
zonen des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland auf Zypern
einschließlich des Bezuges auf die Berücksichtigung der Bestimmungen über
die Hoheitszonen, die in dem Vertrag zur Gründung der Republik Zypern
(Gründungsvertrag) und dem zugehörigen Notenwechsel vom 16. August
1960 ist, geprüft, welche Auswirkungen bzw. Konsequenzen sich für die in
den SBA Akrotiri und Dekelia lebenden zyprischen Bewohnerinnen und Be-
wohner haben, die zu faktischen EU-Bürgerinnen und EU-Bürgern wurden,
ohne aber der tatsächlichen Kontrolle der Republik Zypern unterworfen zu
sein?
a) Wenn eine Prüfung durchgeführt wurde, zu welchen Schlussfolgerungen

ist die Bundesregierung gekommen, und hält sie daran heute noch fest?
b) Wenn eine Prüfung nicht durchgeführt wurde, ist die Bundesregierung

auch hier der Auffassung, dass ihr eine Auslegung nicht obliegt, obwohl
sie Vertragspartei des Beitrittsvertrages 2003 war?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/191
5. Zu welchen Völkerrechtsubjekten, die Mitglied der Vereinten Nationen
sind, aber keine vollständige Souveränität über ihr Territorium ausüben, un-
terhält die Bundesregierung diplomatische Beziehungen (bitte nach Völker-
rechtsubjekt und genaue Beschreibung des Staatsgebietes, über welche die-
ses Völkerrechtsubjekt keine vollständige Souveränität ausübt, auflisten)?

6. Welchen Kenntnisstand besitzt die Bundesregierung bezüglich der Forde-
rungen von zypriotischen Politikern und/oder Parteien sowie der Bevölke-
rung nach einem baldigen Abzug der britischen Streitkräfte und der – wie
es Dimitris Christofias, der ehemalige Präsident der Republik Zypern for-
mulierte – Beseitigung des „kolonialen Schandflecks“, der etwa 3 Prozent
der Inselfläche ausmacht (http://suite101.de/article/akotriri-und-dekelia-
britische-inselkolonie-im-mittelmeergebiet-a121175)?

7. Inwieweit gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung unter dem am
28. Februar 2013 gewählten konservativen Präsidenten der Republik Zypern,
Nikos Anastasiadis (DISY, christdemokratisch-konservative Partei), und
seiner Regierung eine im Gegensatz zu seinem Vorgänger, dem kommunis-
tischen Präsidenten Dimitris Christofias, und seiner Regierung dahinge-
hende Umorientierung Zyperns, Mitglied der NATO und/ oder der „Partner-
schaft für den Frieden“ werden zu wollen (http://cyprus-mail.com/2013/10/
18/defence-minister-modernised-army-is-on-its-way/)?

8. Inwieweit gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung unter dem am
28. Februar 2013 gewählten konservativen Präsidenten der Republik Zypern,
Nikos Anastasiadis (DISY, christdemokratisch-konservative Partei), und
seiner Regierung eine im Gegensatz zu seinem Vorgänger, dem kommunis-
tischen Präsidenten Dimitris Christofias, und seiner Regierung dahinge-
hende Umorientierung, dass Zypern nicht mehr wie bisher einen EU-Beitritt
Serbiens, ohne jegliche Form der Konditionierung, die eine vorherige An-
erkennung des Kosovo durch Serbien zur Bedingung eines EU-Beitritts
machen will, unterstützt, auch weil Zypern befürchtet, „dies könnte sonst
zum Präzedenzfall für die Anerkennung von gewaltsamen einseitigen Grenz-
verschiebungen in Europa und weltweit werden und damit viele neue
Konflikte geradezu heraufbeschwören“ (www.imi-online.de/2012/08/06/
eu-militarismus-und-entdemokratisierung-zur-zyprischen-eu-
ratsprasidentschaft/)?

9. Inwieweit sind der Bundesregierung Äußerungen des türkischen Minister-
präsidenten Recep Tayyip Erdogan bekannt, wonach dieser behauptet habe,
dass Zypern kein Staat sei, sondern lediglich eine Regionalverwaltung im
Süden habe (www.deutsch-tuerkische-nachrichten.de/2013/11/494094/
erdogan-leugnet-zyperns-existenz-nikosia-fordert-harsche-eu-reaktion/),
und welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung daraus für ihr
Verhältnis zur türkischen Regierung?

10. Inwieweit sind nach Auffassung der Bundesregierung durch die Weigerung
seitens der Republik Türkei, das Ankara-Protokoll in Bezug auf die Repu-
blik Zypern umzusetzen, keine neuen Spielräume in den Beitrittsverhand-
lungen eröffnet worden, wie die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die
Mündliche Frage 46 der Abgeordneten Sevim Dağdelen (Bundestagsdruck-
sache 17/14063) aber noch als Voraussetzung formulierte?

11. Inwieweit teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die völkerrecht-
liche Isolierung der türkisch-zyprischen Gemeinschaft im nördlichen Teil
der Republik Zypern eine Folge der dauerhaften türkischen Besetzung in-
folge der – das Gewaltverbot der UN-Charta missachtenden – Militärinva-
sion in Zypern durch die Türkei ist?

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12. Hängt nach Auffassung der Bundesregierung die Verpflichtung zur Umset-
zung des Ankara-Protokolls von zyprischen Zugeständnissen und deren
Kompromissbereitschaft gegenüber der türkisch-zyprischen Gemeinschaft
im türkisch besetzten Teil der Republik Zypern ab, wie die Bundesregierung
nach Auffassung der Fragesteller in der Antwort zu den Fragen 16 bis 18 auf
Bundestagsdrucksache 17/6669 suggeriert (bitte begründen)?

13. Inwieweit hat die Bundesregierung gegenüber der türkischen Regierung
deutlich gemacht, dass Verträge zwischen der Republik Türkei und dem tür-
kisch besetzten Teil nicht völkerrechtsfähig sind, da es sich bei letzterem
nicht um ein Völkerrechtssubjekt handelt (siehe Antwort der Bundesregie-
rung zu Frage 6 auf Bundestagsdrucksache 17/7590)?

14. Inwieweit gibt es hinsichtlich des vom damaligen Präsidenten der Republik
Zypern, Dimitris Christofias, gemachten Vorschlages Fortschritte, wonach
über eine Öffnung des Hafens von Famagusta unter Aufsicht der Europä-
ischen Union in Verbindung mit der Rückgabe des Stadtteils Varosha an die
griechisch-zyprischen Einwohnerinnen und Einwohner eine wirtschaftliche
Stärkung der türkischen Zyprerinnen und Zyprer erreicht werden soll?

15. Inwieweit ist der Bundesregierung bekannt, dass zwei Schiffe der türki-
schen Marine im Juni 2013 versucht haben sollen, seismologische For-
schungen eines norwegischen Schiffes „Ramform Sovereign“ in zyprio-
tischen Hoheitsgewässern zu verhindern und verlangten, dass das Schiff
das „türkische Hoheitsgewässer zu verlassen“ habe, woraufhin der Kapitän
erwidert haben soll, das Schiff befinde sich im Hoheitsgewässer von Zypern
(http://german.ruvr.ru/news/2013_06_06/Turkische-Schiffe-wollten-Gas-
Forderung-von-Zypern-storen-8809/)?

16. Inwieweit ist der Bundesregierung bekannt, ob die Türkei Sanktionen gegen
das italienische Unternehmen ENI verhängt hat bzw. verhängen will, weil
dieses gemeinsam mit der Republik Zypern an der Gewinnung von Ener-
gieträgern im Mittelmeer teilnimmt (http://de.ria.ru/politics/20130327/
265809150.html)?

17. Ist in der ersten OSCC-Sitzung der 62. Sitzungsperiode am 9. September
2013 der Entwurf des Arbeitsprogramms der OSCC (Open Skies Consulta-
tive Commission) formal angenommen und die Differenzen zwischen Grie-
chenland, Zypern und der Türkei beigelegt worden, so dass die Blockade
faktisch beendet und die OSCC auch in der Frage der Flugquoten für 2014
wieder beschlussfähig ist (Antwort der Bundesregierung zu Frage 4 auf
Bundestagsdrucksache 17/14712)?

18. Inwieweit ist der Bundesregierung bekannt, ob die faschistische griechische
Partei Goldene Morgenräte (Chrysi Avgi ) nicht allein Dachorganisation der
sogenannten Nationale Volksfront (Ethniko Laiko Metwpo – E.LA.M.)
Zyperns ist, sondern auch aus staatlichen Mitteln der griechischen Regie-
rung zwei der drei Büros der E.LA.M in der Republik Zypern finanzieren
(www.enet.gr/?i=news.el.article&id=394828)?

Berlin, den 13. Dezember 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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