BT-Drucksache 18/1810

zu Einsprüchen gegen die Gültigkeit der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag am 22. September 2013

Vom 26. Juni 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/1810
18. Wahlperiode 26.06.2014

Dritte Beschlussempfehlung
des Wahlprüfungsausschusses

zu Einsprüchen gegen die Gültigkeit der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag
am 22. September 2013

A. Problem
Gemäß Artikel 41 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) ist die Wahlprüfung
Sache des Deutschen Bundestages. Dieser hat nach den Bestimmungen des Wahl-
prüfungsgesetzes (WPrüfG) auf der Grundlage von Beschlussempfehlungen des
Wahlprüfungsausschusses über die Einsprüche gegen die Gültigkeit der Wahl zum
18. Deutschen Bundestag zu entscheiden. Insgesamt sind 223 Wahleinsprüche
eingegangen. Die jetzt zur Beschlussfassung vorgelegten Entscheidungen betreffen
57 Wahlprüfungsverfahren. Die Beschlussempfehlungen zu den weiteren Einsprü-
chen wird der Wahlprüfungsausschuss nach dem Abschluss seiner Beratungen
vorlegen.

B. Lösung
Zurückweisung von 57 Wahleinsprüchen wegen Unbegründetheit.

C. Alternativen
Keine.

D. Kosten
Keine.

Drucksache 18/1810 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,
die aus den Anlagen ersichtlichen Beschlussempfehlungen zu Wahleinsprüchen
anzunehmen.

Berlin, den 26. Juni 2014

Der Wahlprüfungsausschuss

Dr. Johann Wadephul

Vorsitzender und Berichterstatter

Ansgar Heveling

Berichterstatter

Dr. Hans-Peter Uhl

Berichterstatter

Sonja Steffen

Berichterstatterin

Volker Beck (Köln)

Berichterstatter

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/1810

Inhaltsverzeichnis zum Anlagenteil:

Beschlussempfehlungen zu den einzelnen Wahleinsprüchen
Akten-
zeichen Gegenstand Berichterstatter Anlage Seite

WP 1/13 Fünf-Prozent-Sperrklausel Abg. Ansgar Heveling 1 7

WP 8/13
Auslandsdeutsche, Chancengleichheit
(Wahlbewerber), Fünf-Prozent-
Sperrklausel u. a.

Abg. Sonja Steffen 2 13

WP 18/13 Zulassung der NPD zur Wahl, Fünf-
Prozent-Sperrklausel

Abg. Ansgar Heveling 3 23

WP 23/13 Fünf-Prozent-Sperrklausel Abg. Ansgar Heveling 4 29

WP 24/13 Fünf-Prozent-Sperrklausel Abg. Ansgar Heveling 5 35

WP 39/13 Fünf-Prozent-Sperrklausel Abg. Ansgar Heveling 6 41

WP 53/13
Fünf-Prozent-Sperrklausel, Grund-
mandatsklausel Abg. Ansgar Heveling 7 47

WP 56/13 Fünf-Prozent-Sperrklausel Abg. Ansgar Heveling 8 53

WP 57/13 Fünf-Prozent-Sperrklausel Abg. Ansgar Heveling 9 59

WP 72/13 Fünf-Prozent-Sperrklausel Abg. Ansgar Heveling 10 65

WP 75/13 Fünf-Prozent-Sperrklausel Abg. Ansgar Heveling 11 71

WP 81/13 Fünf-Prozent-Sperrklausel Abg. Ansgar Heveling 12 77

WP 82/13 Fünf-Prozent-Sperrklausel Abg. Ansgar Heveling 13 83

WP 84/13 Fünf-Prozent-Sperrklausel Abg. Ansgar Heveling 14 89

WP 92/13
Fünf-Prozent-Hürde, Mängel bei der
Durchführung der Wahl

Abg. Ansgar Heveling 15 97

WP 96/13
Kandidatenaufstellung (Quotenrege-
lungen), Fünf-Prozent-Sperrklausel
u. a.

Abg. Volker Beck/
Abg. Dr. Hans-Peter Uhl 16 103

WP 100/13 Fünf-Prozent-Sperrklausel Abg. Ansgar Heveling 17 115

Drucksache 18/1810 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Akten-
zeichen Gegenstand Berichterstatter Anlage Seite

WP 102/13 Fünf-Prozent-Sperrklausel Abg. Ansgar Heveling 18 121

WP 111/13 Fünf-Prozent-Sperrklausel Abg. Ansgar Heveling 19 127

WP 113/13 Fünf-Prozent-Sperrklausel Abg. Ansgar Heveling 20 133

WP 121/13 Fünf-Prozent-Sperrklausel Abg. Ansgar Heveling 21 141

WP 126/13 Fünf-Prozent-Sperrklausel Abg. Ansgar Heveling 22 147

WP 129/13 Fünf-Prozent-Sperrklausel Abg. Ansgar Heveling 23 153

WP 130/13 Fünf-Prozent-Sperrklausel Abg. Ansgar Heveling 24 159

WP 135/13 Fünf-Prozent-Sperrklausel Abg. Ansgar Heveling 25 165

WP 140/13 Fünf-Prozent-Sperrklausel Abg. Ansgar Heveling 26 171

WP 142/13 Fünf-Prozent-Sperrklausel Abg. Ansgar Heveling 27 177

WP 143/13 Fünf-Prozent-Sperrklausel Abg. Ansgar Heveling 28 185

WP 144/13
Fünf-Prozent-Sperrklausel,
Listenwahl u. a.

Abg. Ansgar Heveling 29 191

WP 145/13 Fünf-Prozent-Sperrklausel Abg. Ansgar Heveling 30 201

WP 146/13
Fünf-Prozent-Sperrklausel,
Parteienfinanzierung u. a.

Abg. Ansgar Heveling 31 201

WP 149/13 Fünf-Prozent-Sperrklausel Abg. Ansgar Heveling 32 215

WP 150/13 Fünf-Prozent-Sperrklausel Abg. Ansgar Heveling 33 221

WP 151/13 Fünf-Prozent-Sperrklausel Abg. Ansgar Heveling 34 227

WP 152/13 Fünf-Prozent-Sperrklausel Abg. Ansgar Heveling 35 233

WP 154/13 Fünf-Prozent-Sperrklausel Abg. Ansgar Heveling 36 239

WP 157/13 Fünf-Prozent-Sperrklausel Abg. Ansgar Heveling 37 245

WP 158/13 Fünf-Prozent-Sperrklausel Abg. Ansgar Heveling 38 251

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/1810

Akten-
zeichen Gegenstand Berichterstatter Anlage Seite

WP 159/13
Fünf-Prozent-Hürde,
Wahlbeeinflussung Abg. Dr. Johann Wadephul

39 257

WP 164/13 Fünf-Prozent-Sperrklausel Abg. Ansgar Heveling 40 273

WP 166/13 Fünf-Prozent-Sperrklausel Abg. Ansgar Heveling 41 275

WP 167/13 Fünf-Prozent-Sperrklausel Abg. Ansgar Heveling 42 279

WP 170/13
Fünf-Prozent-Sperrklausel,
Parteienfinanzierung u. a. Abg. Ansgar Heveling 43 285

WP 171/13 Fünf-Prozent-Sperrklausel Abg. Ansgar Heveling 44 293

WP 173/13 Fünf-Prozent-Sperrklausel Abg. Ansgar Heveling 45 299

WP 174/13 Fünf-Prozent-Sperrklausel Abg. Ansgar Heveling 46 305

WP 178/13 Fünf-Prozent-Sperrklausel Abg. Ansgar Heveling 47 311

WP 180/13 Fünf-Prozent-Sperrklausel Abg. Ansgar Heveling 48 217

WP 181/13 Fünf-Prozent-Sperrklausel Abg. Ansgar Heveling 49 323

WP 182/13 Fünf-Prozent-Sperrklausel Abg. Ansgar Heveling 50 329

WP 184/13
Verspätete Zusendung von
Briefwahlunterlagen,
Fünf-Prozent-Sperrklausel

Abg. Ansgar Heveling 51 335

WP 188/13 Fünf-Prozent-Sperrklausel Abg. Ansgar Heveling 52 341

WP 189/13 Fünf-Prozent-Sperrklausel Abg. Ansgar Heveling 53 347

WP 190/13 Fünf-Prozent-Sperrklausel Abg. Ansgar Heveling 54 353

WP 197/13 Fünf-Prozent-Sperrklausel Abg. Ansgar Heveling 55 359

WP 198/13 Fünf-Prozent-Sperrklausel Abg. Ansgar Heveling 56 365

WP 199/13 Fünf-Prozent-Sperrklausel Abg. Ansgar Heveling 57 371

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/1810

Anlage 1

Beschlussempfehlung

ZumWahleinspruch

des Herrn F. B., 85748 Garching b. München

– Az.: WP 1/13 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag
am 22. September 2013

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 26. Juni 2014 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit einem Fax vom 23. September 2013 hat der Einspruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl
zum 18. Deutschen Bundestag am 22. September 2013 eingelegt.

Er wendet sich gegen die Sperrklausel (Fünf-Prozent-Hürde) in § 6 Absatz 3 des Bundeswahlgesetzes
(BWG). Diese schränke die durch Artikel 38 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) garantierte gleiche Wahl zu
sehr ein. Sie habe zur Folge, dass über 15 Prozent bzw. mehr als 6,5 Millionen der abgegebenen Stimmen
nicht zur Bestimmung des neuen Bundestages beigetragen hätten. Dessen Zusammensetzung spiegele daher
nicht den Wählerwillen wider. Zwar habe das Bundesverfassungsgericht im Jahr 1990 geurteilt, dass in ge-
wissen Grenzen die „Regierbarkeit“ über Einzelinteressen nach Artikel 38 Absatz 1 GG stehe. Zugleich habe
das Gericht aber festgehalten, dass die Vereinbarkeit einer Sperrklausel mit dem Grundsatz der Gleichheit der
Wahl nicht ein für allemal abstrakt beurteilt werden könne und beim Erlass einer Sperrklausel die Verhältnis-
se des Landes, für die sie gelten solle, zu berücksichtigen seien.

Das Bundesministerium des Innern hat zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-
Sperrklausel am 16. Juni 2014 wie folgt Stellung genommen:

1. Das Bundesverfassungsgericht erachte in ständiger Rechtsprechung bei Wahlen zum Deutschen Bundestag
die heute in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG vorgesehene, auf
das gesamte Wahlgebiet bezogene Fünf-Prozent-Sperrklausel für verfassungsgemäß (vgl. BVerfGE 1, 208
[247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366]; 95, 408 [417 ff.];
120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.]). Zuletzt habe das Gericht in seinem Urteil vom
9. Januar 2011 zur Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen entschieden, dass die Fünf-Prozent-
Sperrklausel bei der Wahl zum Deutschen Bundestag ihre Rechtfertigung im Wesentlichen darin finde, dass
die Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende
Unterstützung nötig sei und dieses Ziel durch die Zersplitterung des Parlaments in viele kleine Gruppen ge-
fährdet werde (BVerfGE 129, 300 [335 f.]). In der Entscheidung vom 26. Februar 2014 (2 BvE 2/13 u. a.) zur
Drei-Prozent-Sperrklausel im Europawahlrecht habe das Gericht erneut bestätigt, dass eine Sperrklausel ge-
rechtfertigt sein könne, wenn Verhältnisse wie auf nationaler Ebene gegeben sind, wo die Bildung einer
stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Unterstützung nötig
sei (ebd. Rn. 72).

Angesichts der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei der Wahlgesetzgeber verfas-
sungsrechtlich nicht daran gehindert, bei der Verteilung der zu vergebenden Sitze auf die Landeslisten bei der
Bundestagswahl grundsätzlich nur die Parteien zu berücksichtigen, die mindestens fünf Prozent der im Wahl-
gebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten haben (§ 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Ab-
satz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG). Es sei ihm mit anderen Worten von Verfassungs wegen unbenommen,
gültige Zweitstimmen, die auf Landeslisten von Parteien entfallen sind, die nicht die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben, zwar für die Ergebnisfeststellung als relevant zu werten (§ 42 BWG), nicht

Drucksache 18/1810 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

aber für die Sitzverteilung. Der Wahlgesetzgeber dürfe also ohne Verstoß gegen Bundesverfassungsrecht alle
zu vergebenden Parlamentssitze auf die Landeslisten derjenigen Parteien verteilen, die die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben.

Im Interesse der Handlungsfähigkeit des Deutschen Bundestages habe der Wahlgesetzgeber bisher an der auf
das gesamte Wahlgebiet bezogenen Fünf-Prozent-Sperrklausel, die seit der Wahl zum 2. Deutschen Bundes-
tag 1953 gilt, festgehalten. Denn eine Wahl habe – wie das Bundesverfassungsgericht betone (vgl. BVerfGE
51, 222 [236]) – „nicht nur das Ziel, eine Volksvertretung zu schaffen, die ein Spiegelbild der in der Wähler-
schaft vorhandenen politischen Meinungen darstellt, sondern sie soll auch ein funktionsfähiges Organ her-
vorbringen.“ Hierfür seien „(k)lare und ihrer Verantwortung für das Gesamtwohl bewusste Mehrheiten in
einer Volksvertretung (…) für eine Bewältigung der ihr gestellten Aufgaben unentbehrlich“, die durch einen
unbegrenzten Proporz nicht gewährleistet sind.

2. Zwar könne nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die verfassungsrechtliche Rechtfer-
tigung einer die Wahlgleichheit berührenden Norm des Wahlrechts wie eine Sperrklauselregelung durch ver-
änderte Verhältnisse oder neue Entwicklungen – etwa durch eine Änderung der vom Gesetzgeber vorausge-
setzten tatsächlichen oder normativen Grundlagen oder wenn sich die beim Erlass der Norm hinsichtlich ihrer
Auswirkungen angestellte Prognose als irrig erwiesen habe – in Frage gestellt werden (BVerfGE 82, 322
[338 f.]; 120, 82 [108]; 129, 300 [321 f.]; Urteil vom 26. Februar 2014, Az. 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 56). Dies
sei im Hinblick auf die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen jedoch nicht der Fall.

Eine Änderung der normativen Grundlagen für die Beurteilung der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundes-
tagswahlen, die das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung als verfassungsgemäß angesehen
habe, sei nicht festzustellen. Insbesondere führten das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
9. November 2011 zur Verfassungswidrigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen (BVerfGE
129, 300) und sein Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Sperrklausel im
Europawahlgesetz (2 BvE 2/13 u. a.) nicht zu einer abweichenden Bewertung. Das Bundesverfassungsgericht
begründe die Verfassungswidrigkeit der Sperrklauseln bei Europawahlen in diesen Urteilen mit der besonde-
ren Stellung und Funktion des Europäischen Parlaments im Gefüge der Organe der Europäischen Union, wo
eine vergleichbare Interessenlage wie bei der Bundestagswahl nicht bestehe (BVerfGE 129, 300 [336]). Auch
in seinem Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Klausel im Europawahl-
gesetz halte das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich an der gefestigten Rechtsprechung zum verfassungs-
rechtlichen Maßstab für die Beurteilung wahlrechtlicher Sperrklauseln fest und lege – wie es mehrfach beto-
ne – seinem Urteil die gleichen Prüfungsmaßstäbe wie im Urteil vom 9. November 2011 zugrunde (Az. 2
BvE 2/13 u. a., Rn. 37, 45, 63). In beiden Urteilen weise das Gericht zudem darauf hin, dass bei der Bundes-
tagswahl – anders als bei der Europawahl – der Deutsche Bundestag im Falle einer eintretenden Funktionsbe-
einträchtigung aufgrund seiner veränderten strukturellen Zusammensetzung nicht mehr in der Lage wäre, die
gesetzlichen Regelungen zur Sicherung seiner Funktionsfähigkeit zu ändern, weil die erforderliche Mehrheit
nicht mehr zustande käme (BVerfGE 129, 300 [324]; Urteil vom 26. Februar 2014, 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 58).

3. Auch in tatsächlicher Hinsicht erfordere das Wahlergebnis der Bundestagswahl 2013, bei der zwei Parteien
mit einem Stimmenanteil von 4,8 Prozent bzw. 4,7 Prozent der Zweitstimmen vergleichsweise knapp an der
Fünf-Prozent-Klausel gescheitert seien, keine Neubewertung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der
Klausel. Der Gesetzgeber habe sich für die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen entschieden und
diese bis heute beibehalten, um in Konstellationen, in denen eine oder mehrere Parteien weniger als fünf
Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, die Funktionsfähigkeit des Bundestages sicherzustellen. Wenn eine
solche Konstellation bei einer Wahl – wie nun der Bundestagswahl 2013 – tatsächlich auftrete, liege gerade
nicht der Fall vor, dass sich eine Prognose des Gesetzgebers als irrig erwiesen habe oder dass eine Änderung
der vom Gesetzgeber vorausgesetzten tatsächlichen Verhältnisse eingetreten sei, sondern es habe sich ledig-
lich ein Szenario realisiert, das der Gesetzgeber mit seiner Regelung von vornherein habe erfassen wollen.
Auch das Bundesverfassungsgericht habe die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen in Kenntnis
des Umstands, dass an ihr nicht nur Parteien mit einem niedrigen Stimmenanteil zwischen null und zwei
Prozent der Zweitstimmen, sondern auch Parteien mit einem Stimmenanteil knapp unter fünf Prozent schei-
tern können, in ständiger Rechtsprechung als verfassungsmäßig angesehen (siehe die Nachweise unter 1.).

Die bei der Bundestagswahl 2013 aufgetretene hohe Gesamtzahl von abgegebenen gültigen Zweitstimmen
für Parteien, die die Fünf-Prozent-Sperrklausel nicht überwunden haben, sei kein Grund, das Vorliegen ver-
änderter Verhältnisse bzw. neuer Entwicklungen anzunehmen, die eine Neubewertung der verfassungsrecht-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/1810

lichen Zulässigkeit der Sperrklausel erforderten. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Sperrklausel sei
nicht von der Gesamtzahl der Stimmen für diejenigen Parteien abhängig, die die Sperrklausel bei einer ein-
zelnen Wahl nicht überwinden. Die Sperrklausel rechtfertige sich vielmehr durch den mit ihr verfolgten ver-
fassungsrechtlich legitimen Zweck, die Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages sicherzustellen (siehe
die Nachweise unter 1.). Sie erfülle ihren Zweck gerade dann, wenn viele an der Wahl teilnehmende Parteien
die Sperrklausel nicht überwinden, aber ohne Sperrklausel Sitze im Parlament erlangt hätten, da auf diese
Weise eine die stabile Mehrheitsbildung gefährdende Zersplitterung des Bundestages vermieden werde.

4. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel stehe nicht entgegen, dass eine
hohe Zahl von Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die aufgrund der Sperrklausel nicht an der Sitzvertei-
lung teilnehmen, eine absolute Mehrheit der Sitze für Parteien ermögliche, die bei der Wahl deutlich weniger
als der Hälfte der Stimmen erreicht haben. Das Erreichen einer Mehrheit der Sitze im Parlament sei immer
mit weniger als der Hälfte der gültigen Zweitstimmen möglich. Denn auch ohne Sperrklausel erhalte nicht
jede Partei, für die bei der Wahl gültige Stimmen abgegeben wurden, automatisch einen Sitz. Da für einen
Sitz auch ohne Sperrklausel stets eine bestimmte Zahl von Stimmen erforderlich sei, führten nicht alle Stim-
men zu einem Sitzerfolg und darum weniger als 50 Prozent der gültigen Zweitstimmen zu einer Mehrheit der
Sitze. Ein Verfassungsrechtssatz des Inhalts, dass einer Mehrheit der Mitglieder des Bundestages notwendi-
gerweise eine Mehrheit der Zweitstimmen in der Bundestagswahl entsprechen müsse, sei nicht feststellbar.
Wenn aber eine Partei in einer Wahl eine absolute Mehrheit der Zweitstimmen erhalte, sei gesichert, dass auf
sie mehr als die Hälfte der Sitze entfalle (§ 6 Absatz 7 BWG).

5. Gegen die Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht vorgebracht werden, sie verhindere bzw. erschwere
in übermäßiger Weise die Entstehung oder Etablierung neuer Parteien und schränke dadurch in unzulässiger
Weise die Chancengleichheit der Parteien ein. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Chancengleichheit
der Parteien verlange nicht, dass jeder Partei, die bei der Bundestagswahl Stimmen erhalte, Sitze im Bundes-
tag garantiert seien. Jede Partei habe rechtlich die gleiche Chance auf Teilnahme an der Sitzverteilung bei
Überwindung der Sperrklausel. Wenn eine Partei die für alle geltende Sperrklausel nicht überwinde, so sei
dies Resultat zu geringer Zustimmung in der Wählerschaft und gerade nicht ungleicher Chancen, denn die
unterschiedliche Gewichtung des Erfolgswerts von Wahlstimmen durch eine Sperrklausel treffe alle Parteien
gleichermaßen (vgl. BVerfGE 82, 322 [345]).

Dass die Fünf-Prozent-Sperrklausel die Entstehung und Etablierung neuer Parteien nicht verhindere oder
übermäßig erschwere, zeige der Einzug in die Parlamente auch neuer Parteien in den vergangenen Jahren bei
Bundestagswahlen und Landtagswahlen, bei denen nach Landesrecht ebenfalls Fünf-Prozent-Sperrklauseln
bestünden. Die Sperrklauseln trügen zu einem Mindestmaß an Konsolidierung neuer Parteien bei, indem sie
eine funktionierende Organisation und eine hinreichende Kampagnenfähigkeit der Partei erforderlich mach-
ten, um einen erfolgreichen Wahlkampf zu führen, der den Einzug ins Parlament ermögliche. Auch das Bun-
desverfassungsgericht sehe in ständiger Rechtsprechung in der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestags-
wahlen keinen verfassungswidrigen Eingriff in die Chancengleichheit der Parteien (siehe die Nachweise un-
ter 1.).

6. Die Fünf-Prozent-Sperrklausel habe nicht zur Folge, dass die Parteien, die die Sperrklausel überwunden
haben und deshalb an der Sitzverteilung teilnehmen, von den Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die an
der Sperrklausel gescheitert sind und somit nicht an der Sitzverteilung teilnehmen, profitierten und die Wäh-
ler bei der Stimmabgabe nicht erkennen könnten, welche Partei letztlich tatsächlich von ihrer Zweitstimme
profitiere. Von der Zweitstimme für eine Partei profitiere stets die Partei, für die die Stimme abgegeben wor-
den sei. Wenn eine Partei aufgrund eines zur Überwindung der Sperrklausel nicht ausreichenden Zuspruchs
in der Wählerschaft nicht an der Sitzverteilung teilnehme, würden die zu vergebenden Sitze auf die Parteien
verteilt, die die Sperrklausel überwunden haben. Diese Parteien profitierten bei dieser Verteilung von den für
sie abgegebenen Zweitstimmen, nicht von den Zweitstimmen für die an der Sperrklausel gescheiterten Partei-
en, die wegen Nichtteilnahme an der Sitzverteilung zu keinem Sitzerfolg führten.

7. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht entgegengehalten
werden, der Umstand, dass aufgrund der Sperrklausel eine hohe Zahl von Stimmen bei der Sitzverteilung
unberücksichtigt bleibe, befördere die Politikverdrossenheit der Wahlberechtigten. Unabhängig davon, ob
dies tatsächlich der Fall sei, habe sich der Gesetzgeber dazu entschieden, der Sicherung der Funktionsfähig-
keit des Parlaments Vorrang vor derartigen Erwägungen einzuräumen. Das Bundesverfassungsgericht erachte
dies in ständiger Rechtsprechung für verfassungsrechtlich zulässig (siehe die Nachweise unter 1.). Ein wegen

Drucksache 18/1810 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Zersplitterung in kleine und kleinste Fraktionen nicht mehrheits- und handlungsfähiges Parlament, das zur
Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nicht in der Lage sei, wäre zudem in weit höherem Maße geeignet, Politikverdrossenheit zu för-
dern.

8. Aufgrund der verfassungskonformen Ausgestaltung der Fünf-Prozent-Sperrklausel im geltenden Bundes-
wahlgesetz sei der Wahlgesetzgeber auch nicht zur Einführung einer Alternativstimme („Eventualstimme“,
„Ersatzstimme“ bzw. „Stimmweitergabe-Option“) verpflichtet. Ergänzend sei darauf verwiesen, dass im
Schrifttum gegen die Einführung einer solchen Alternativstimme verfassungsrechtliche Bedenken geltend
gemacht würden: Eine Alternativstimme sei mit dem Charakter der Stimmabgabe als einer vorbehaltlosen
und bedingungsfeindlichen Willenserklärung nicht zu vereinbaren und verstoße daher gegen den Grundsatz
der Unmittelbarkeit der Wahl im Sinne des Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 GG und gegen das Demokratieprinzip
nach Artikel 20 Absatz 1 GG (so Strelen, in: Schreiber, Bundeswahlgesetz, 9. Auflage 2013, § 6 Rn. 37 so-
wie Schreiber, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: 43. Lfg. April 2014, Art. 38
Rn. 40, 132). Überdies wäre die Gewährung einer Alternativstimme auch keine verfassungspolitisch ange-
zeigte Fortentwicklung des Wahlrechts. Sie würde das Stimmabgabeverfahren verkomplizieren, die Ermitt-
lung des Wahlergebnisses wesentlich erschweren und verzögern und den Wähler von einer eindeutigen poli-
tischen Entscheidung ohne Vorbehalt und Rückfallposition entpflichten (vgl. im Einzelnen hierzu Strelen, in:
Schreiber, § 6 Rn. 37).

9. Die Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Klausel sei schließlich auch nicht davon abhängig, dass Par-
teien, die jeweils mit einer eigenen Liste an der Bundestagswahl teilnehmen, ihre Landeslisten verbinden
dürften, um als Zählgemeinschaft die Sperrklausel zu überwinden. Derartige Listenverbindungen verschiede-
ner Parteien bei der Bundestagswahl seien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wegen
Verstoßes gegen den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit der Parteien verfas-
sungswidrig (BVerfGE 82, 322 [345 f.]). Eine derartige Listenverbindung würde allein dem Zweck dienen,
die verfassungslegitime Zielsetzung einer Fünf-Prozent-Sperrklausel, die Verhinderung einer Zersplitterung
des Parlaments, zu umgehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet. Dem Vortrag des Einspruchsführers lässt sich kein Verstoß
gegen Wahlrechtsvorschriften und damit kein Wahlfehler entnehmen.

Der Einspruchsführer bestreitet nicht, dass das Verfahren zur Auszählung der Stimmen und zur Verteilung
der Sitze auf die Landeslisten der Parteien bei der Bundestagswahl 2013 den Vorgaben des Bundeswahlge-
setzes entsprach. Dieses regelt in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1,
dass bei der Verteilung der Sitze auf die Landeslisten nur Parteien berücksichtigt werden, die mindestens fünf
Prozent der im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten oder in mindestens drei Wahlkrei-
sen einen Sitz errungen haben. Soweit der Einspruchsführer geltend macht, die Sperrklausel schränke den
Grundsatz der Wahlgleichheit zu sehr ein und sei daher verfassungswidrig, ist darauf hinzuweisen, dass der
Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsver-
fahrens die Verfassungsmäßigkeit der für die Wahl geltenden Rechtsvorschriften nicht überprüfen. Eine der-
artige Kontrolle ist stets dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten worden (vgl. etwa Bundestagsdrucksa-
chen 16/1800, Anlagen 26 bis 28 mit weiteren Nachweisen; 17/1000, Anlagen 5 und 11; 17/2200, Anlagen 1,
13 bis 15, 17 bis 20, 23 und 24; 17/3100, Anlagen 15, 19, 20, 22 bis 30, 32, 34 bis 36; 17/4600, Anlagen 10,
12, 13, 32, 38, 40 bis 43 mit weiteren Nachweisen; 17/6300, Anlage 19). Allerdings hat der Wahlprüfungs-
ausschuss schon in zahlreichen Wahlprüfungsentscheidungen früherer Wahlperioden keinen Anlass für Zwei-
fel an der Verfassungsmäßigkeit der Regelung gesehen (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen 15/1850, Anla-
gen 9 und 47; 16/900, Anlage 14), zumal das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit der Sperr-
klausel in ihrer Ausgestaltung durch das Bundeswahlgesetz in ständiger Rechtsprechung bestätigt hat (vgl.
BVerfGE 1, 208 [247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366]; 95,
408 [417 ff.]; 120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.], siehe auch Bundestagsdrucksache
16/900, Anlage 14). Es ist folglich verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass alle Parlamentssitze auf
diejenigen Parteien verteilt werden, welche die Fünf-Prozent-Hürde überwunden haben. Zwar kann nach der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Sperrklausel durch veränderte Verhältnisse infrage ge-
stellt werden. Dies ist bezüglich der Bundestagswahl 2013 aber nicht der Fall, wie das Bundesministerium

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 11 – Drucksache 18/1810

des Innern – auch unter Bezugnahme auf die Urteile vom 9. November 2011 und 26. Februar 2014 – in seiner
Stellungnahme zutreffend feststellt: Dass nach dem amtlichen Endergebnis der Bundestagswahl 2013 insge-
samt 15,7 Prozent der gültigen Zweitstimmen nicht in die Mandatsverteilung eingeflossen sind, weil sie für
insgesamt 25 Parteien abgegeben wurden, die bundesweit weniger als fünf Prozent der Zweitstimmen erreicht
haben, ändert nichts an der vom Bundesverfassungsgericht festgestellten Verfassungskonformität der Fünf-
Prozent-Hürde. Zwar war der Anteil der gültigen, aber wegen der Sperrklausel nicht in die Sitzverteilung
eingeflossenen Zweitstimmen bei der Bundestagswahl 2013 höher als bei früheren Bundestagswahlen, da –
anders als bei vorhergehenden Wahlen – zwei Parteien jeweils fast fünf Prozent und zudem 23 weitere Par-
teien insgesamt 6,2 Prozent (für sich genommen aber teilweise weniger als 0,1 Prozent) erreicht haben. Je-
doch ist dieser Umstand nicht atypisch oder zuvor unbekannt gewesen. Es ist zudem durchaus möglich, dass
er bei kommenden Bundestagswahlen mit anderen Wahlergebnissen nicht (mehr) auftritt. Der Einzug neuer
Parteien in den Deutschen Bundestag wird, wie Beispiele aus der Geschichte der Bundesrepublik zeigen,
ohnehin nicht durch die Sperrklausel verhindert. Außerdem ist die Fünf-Prozent-Hürde auf das jeweilige
Ergebnis einer jeden Partei bezogen. Nur die konkrete Stimmenzahl jeder Partei kann der Ausgangspunkt der
Sitzverteilung auf die Landeslisten sein (vgl. § 6 Absatz 1 BWG) – übrigens auch dann, wenn man gedank-
lich die Sperrklausel streicht oder eine niedrigere Sperrklausel ansetzt –; erst im zweiten Schritt ist die Stim-
menzahl einer jeden Partei in Relation zu den Stimmenanteilen der anderen Parteien zu setzen (vgl. § 6 Ab-
sätze 2 bis 7 BWG). Die gedankliche Addition von Zweitstimmenanteilen kann folglich für die Fünf-Prozent-
Hürde keine Aussagekraft beanspruchen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 13 – Drucksache 18/1810

Anlage 2

Beschlussempfehlung

ZumWahleinspruch

des Herrn J. H., 3640 José Domingo Ocampos (PY),

– Az.: WP 8/13 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag
am 22. September 2013

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 26. Juni 2014 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit einem Fax vom 24. September 2013 Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl
zum 18. Deutschen Bundestag am 22. September 2013 eingelegt. Er hat seinen Vortrag mit im Wesentlichen
identischen Telefaxen vom 25., 27. und 28. September sowie vom 3. und 16. Oktober 2013 erweitert.

Der als „gewählter Botschafter der Bundesrepublik Deutschland“ mit einem Siegel auftretende Einspruchs-
führer möchte seinen Einspruch auch als Petition und als Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz des
Bundes an den Wissenschaftlichen Dienst des Deutschen Bundestages verstanden wissen. Außerdem enthält
der Text auch Anfragen bzw. Unterlagenforderungen an den Bundeswahlleiter, das Statistische Bundesamt
und das Auswärtige Amt, wobei zum Teil unklar bleibt, wer worüber Auskunft geben soll. Der Einspruchs-
führer wünscht außerdem Stellungnahmen des Europarates, der Organisation für wirtschaftliche Zusammen-
arbeit und Entwicklung (OECD) und des Menschenrechtsrates der Vereinten Nationen.

Die Fragen des Einspruchsführers an den Wissenschaftlichen Dienst beziehen sich beispielsweise auf die
Spendeneinnahmen von Regierungs- und Oppositionsparteien, den Anteil der Briefwähler und mögliche
Alternativen zum Briefwahlverfahren. Vom Bundeswahlleiter verlangt er die Übersendung aller bundesweit
verfügbaren Wählerlisten und Anschriftenaufkleber mit Namen, Vornamen, Anschriften, Geburtsdaten, um
gezielt „Neu- und Erstwähler oder Rentner oder Frauen usw.“ zielgruppengerecht ansprechen zu können.
Vom Auswärtigen Amt möchte er eine „Deutschenliste oder Krisenvorsorgeliste“ erhalten.

I.

Der eigentlichen Einspruchsbegründung lassen sich folgende Punkte zuordnen:

1. Der Einspruchsführer macht einleitend alle Wahlanfechtungsargumente anderer (Einspruchsführer) „von
WP 1/13 bis WP 2000/13“ selbst auch geltend.

2. Er rügt, seiner Familie seien Reisepässe für die Beibringung von Unterstützungsunterschriften verweigert
worden, obwohl seine Heimatgemeinde eine „Pass-Unbedenklichkeitsbescheinigung“ ausgestellt habe. Seine
Kandidatur und die seiner Familie habe der (deutsche) Botschafter gezielt verhindert. Er frage, wie ein Aus-
landsdeutscher die Unterstützungsunterschriften ohne Reisepass beibringen solle. Im Falle seiner Familie
liege Wahlbetrug vor, denn er habe alle 299 Wahlkreise durch eigene Familienmitglieder „abdecken“ wollen,
da er „aufgrund von Vaterschaftsanerkennungen nach § 1592 Nr. 2 BGB, Adoptionen, Samenspenden und
Zeugungen weltweit über 2 000 Kinder habe“ und keine Partei benötige, um in Deutschland flächendeckend
zu kandidieren.

3. Das Auswärtige Amt und viele Botschaften verweigerten ihm, dem Einspruchsführer, als Einzelkandidaten
die Wahllisten aus der „Deutschenliste oder Krisenvorsorgeliste“, obwohl über zehn Millionen Auslandsdeut-
sche wahlberechtigt seien.

Drucksache 18/1810 – 14 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

4. Überdies würden Einzelbewerber gegenüber Parteibewerbern massiv benachteiligt und wirtschaftlich
übervorteilt. Dies verletzte die Wahlrechtsgleichheit.

Aufgrund des § 18 des Parteiengesetzes (PartG) erhalte jede Partei, die bei der letzten Bundestagswahl 0,5
Prozent oder bei einer Landtagswahl ein Prozent der Stimmen erhalten habe, jährlich staatliche Mittel. Diese
Einschränkung gelte jedoch nicht für die Parteien nationaler Minderheiten. Er frage, ob hierzu auch die Aus-
landsdeutschen zählen würden, wenn sie eine eigene Partei gründen würden. Als weitere Formen der indirek-
ten Finanzierung seien kostenlose Sendezeiten für Wahlwerbung im öffentlichen Rundfunk sowie die Bereit-
stellung von Plakatflächen durch Kommunen zu erwähnen. Öffentliche Mittel flössen außerdem für die „Pro-
pagandaarbeit“ der Parlamentsfraktionen und an die politischen Stiftungen. Einzelbewerber um ein Direkt-
mandat erhielten hingegen keine Vorschüsse und auf Antrag nur dann eine Erstattung gemäß § 49b des Bun-
deswahlgesetzes (BWG), wenn sie mindestens zehn Prozent der in einem Wahlkreis abgegebenen Erststim-
men erreichten. Dies sei ein erheblicher Wettbewerbsverstoß. Des Weiteren könnten Parteispenden steuerlich
abgesetzt werden, Spenden an Einzelbewerber hingegen nicht. Insbesondere sei eine Spende von BMW-
Großaktionären an die CDU zu kritisieren. Der „staatlich gefoerderte und finanziell gefuetterte Parteien-
kluengel“ erhalte kostenlos von den Stadt- und Kreisverwaltungen geeignete Wählerlisten und Anschriften-
aufkleber mit Namen, Vornamen, Anschriften, Geburtsdaten, um gezielt „Neu- und Erstwaehler oder Rentner
oder Frauen usw.“ zielgruppengerecht ansprechen zu können. Ihm, dem Einspruchsführer, würden als Ein-
zelbewerber diese Unterlagen stets verweigert. Die Parteien besetzten die aussichtslosen Listenplätze mit
Beamten und Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes, weil diese auf Kosten der Steuerzahler für mehrere
Monate für den Wahlkampf unter Weiterzahlung der Bezüge freigestellt würden.

5. Briefwahlen sollten nicht weiterhin gefördert werden. Die Anfälligkeit für Wahlbetrug sei bei der Brief-
wahl extrem hoch, denn sogar der Stimmenverkauf sei möglich. Man könne die Unterlagen blanco verkaufen
oder im Beisein des Stimmenkäufers ausfüllen.

6. Die Fünf-Prozent-Klausel sei verfassungswidrig. Über 6,8 Millionen Wähler (Zweitstimmen) seien im
Parlament nicht mehr vertreten, weil die entsprechenden Parteien die Hürde nicht überwunden hätten. Es
gebe keine allgemeinen und gleichen Wahlen mehr.

7. Das bisherige Bundeswahlrecht sei vom Bundesverfassungsgericht als nicht grundgesetzkonform kassiert
worden. Der bis zum Ende der Legislatur mit einer „Not-Legitimation“ versehene 17. Deutsche Bundestag
habe die Auflage erhalten, ein neues Bundeswahlrecht zu verabschieden. Das geänderte und am 8. Mai 2013
im Bundesgesetzblatt veröffentlichte Bundeswahlrecht sei aber nicht in Kraft getreten, da die entsprechende
Vorschrift (§ 55 BWG) ohne Inhalt sei, wie eine Internetrecherche ergeben habe.

8. Die „Beschreibung“ der Bundestagswahlkreise im Gesetz sei unzureichend bzw. gar nicht vorhanden. Das
Wort „Beschreibung“ sei „Hochstapelei“ im Gesetz. Es sei nicht erkennbar, ob die Voraussetzungen des
Bundeswahlgesetzes (Abweichung der Bevölkerungszahl vom Durchschnitt um maximal 15 Prozent nach
oben oder unten) erfüllt seien. Der Durchschnittswert aller Wahlkreise werde nicht angegeben, die konkrete
Zahl der deutschen Bevölkerung im Wahlkreis werde nicht angegeben und auch nicht die prozentuale Ab-
weichung. Der Manipulation seien Tür und Tor geöffnet. Auch fehle die Angabe, welcher Stichtag für die
Einwohnerzahl der Wahlkreise zugrunde gelegt worden sei.

8. Der Einspruchsführer befasst sich ferner mit der Thematik möglicher Auslandswahlkreise. In Brasilien
lebten 3 Millionen, in Argentinien knapp 500 000, in Chile ca. 40 000, in Mexiko und Venezuela je 10 000
Deutschsprachige; in Paraguay „zählten“ sich rund 40 000 Menschen zum „Deutschtum“. In Deutschland
habe ein Wahlbezirk rund 220 000 Einwohner. Also stelle sich die Frage, warum es für die Auslandsdeut-
schen in Südamerika nicht mindestens drei Wahlbezirke gebe. Ebenso müssten drei Wahlbezirke in Nord-
amerika (USA und Kanada) gebildet werden und ein weiterer Wahlbezirk für Namibia, Südafrika und die
Nachbarstaaten. Diese Forderung sei legitim, da solche Regelungen in Frankreich und vielen anderen demo-
kratischen Staaten üblich seien. Er frage, warum ein Auslandsdeutscher in einem Wahlbezirk in Deutschland
kandidieren müsse, obwohl er dort nicht wohne, unbekannt sei und keine Chance habe, gewählt zu werden.

Wegen der Einzelheiten des Vortrages des Einspruchsführers wird auf den Inhalt der Akten Bezug genom-
men.

Das Bundesministerium des Innern hat zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel
am 16. Juni 2014 wie folgt Stellung genommen:

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15 – Drucksache 18/1810

1. Das Bundesverfassungsgericht erachte in ständiger Rechtsprechung bei Wahlen zum Deutschen Bundestag
die heute in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG vorgesehene, auf
das gesamte Wahlgebiet bezogene Fünf-Prozent-Sperrklausel für verfassungsgemäß (vgl. BVerfGE 1, 208
[247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366]; 95, 408 [417 ff.];
120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.]). Zuletzt habe das Gericht in seinem Urteil vom
9. Januar 2011 zur Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen entschieden, dass die Fünf-Prozent-
Sperrklausel bei der Wahl zum Deutschen Bundestag ihre Rechtfertigung im Wesentlichen darin finde, dass
die Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende
Unterstützung nötig sei und dieses Ziel durch die Zersplitterung des Parlaments in viele kleine Gruppen ge-
fährdet werde (BVerfGE 129, 300 [335 f.]). In der Entscheidung vom 26. Februar 2014 (2 BvE 2/13 u. a.) zur
Drei-Prozent-Sperrklausel im Europawahlrecht habe das Gericht erneut bestätigt, dass eine Sperrklausel ge-
rechtfertigt sein könne, wenn Verhältnisse wie auf nationaler Ebene gegeben sind, wo die Bildung einer
stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Unterstützung nötig
sei (ebd. Rn. 72).

Angesichts der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei der Wahlgesetzgeber verfas-
sungsrechtlich nicht daran gehindert, bei der Verteilung der zu vergebenden Sitze auf die Landeslisten bei der
Bundestagswahl grundsätzlich nur die Parteien zu berücksichtigen, die mindestens fünf Prozent der im Wahl-
gebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten haben (§ 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Ab-
satz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG). Es sei ihm mit anderen Worten von Verfassungs wegen unbenommen,
gültige Zweitstimmen, die auf Landeslisten von Parteien entfallen sind, die nicht die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben, zwar für die Ergebnisfeststellung als relevant zu werten (§ 42 BWG), nicht
aber für die Sitzverteilung. Der Wahlgesetzgeber dürfe also ohne Verstoß gegen Bundesverfassungsrecht alle
zu vergebenden Parlamentssitze auf die Landeslisten derjenigen Parteien verteilen, die die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben.

Im Interesse der Handlungsfähigkeit des Deutschen Bundestages habe der Wahlgesetzgeber bisher an der auf
das gesamte Wahlgebiet bezogenen Fünf-Prozent-Sperrklausel, die seit der Wahl zum 2. Deutschen Bundes-
tag 1953 gilt, festgehalten. Denn eine Wahl habe – wie das Bundesverfassungsgericht betone (vgl. BVerfGE
51, 222 [236]) – „nicht nur das Ziel, eine Volksvertretung zu schaffen, die ein Spiegelbild der in der Wähler-
schaft vorhandenen politischen Meinungen darstellt, sondern sie soll auch ein funktionsfähiges Organ her-
vorbringen.“ Hierfür seien „(k)lare und ihrer Verantwortung für das Gesamtwohl bewusste Mehrheiten in
einer Volksvertretung (…) für eine Bewältigung der ihr gestellten Aufgaben unentbehrlich“, die durch einen
unbegrenzten Proporz nicht gewährleistet sind.

2. Zwar könne nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die verfassungsrechtliche Rechtfer-
tigung einer die Wahlgleichheit berührenden Norm des Wahlrechts wie eine Sperrklauselregelung durch ver-
änderte Verhältnisse oder neue Entwicklungen – etwa durch eine Änderung der vom Gesetzgeber vorausge-
setzten tatsächlichen oder normativen Grundlagen oder wenn sich die beim Erlass der Norm hinsichtlich ihrer
Auswirkungen angestellte Prognose als irrig erwiesen habe – in Frage gestellt werden (BVerfGE 82, 322
[338 f.]; 120, 82 [108]; 129, 300 [321 f.]; Urteil vom 26. Februar 2014, Az. 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 56). Dies
sei im Hinblick auf die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen jedoch nicht der Fall.

Eine Änderung der normativen Grundlagen für die Beurteilung der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundes-
tagswahlen, die das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung als verfassungsgemäß angesehen
habe, sei nicht festzustellen. Insbesondere führten das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
9. November 2011 zur Verfassungswidrigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen (BVerfGE
129, 300) und sein Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Sperrklausel im
Europawahlgesetz (2 BvE 2/13 u. a.) nicht zu einer abweichenden Bewertung. Das Bundesverfassungsgericht
begründe die Verfassungswidrigkeit der Sperrklauseln bei Europawahlen in diesen Urteilen mit der besonde-
ren Stellung und Funktion des Europäischen Parlaments im Gefüge der Organe der Europäischen Union, wo
eine vergleichbare Interessenlage wie bei der Bundestagswahl nicht bestehe (BVerfGE 129, 300 [336]). Auch
in seinem Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Klausel im Europawahl-
gesetz halte das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich an der gefestigten Rechtsprechung zum verfassungs-
rechtlichen Maßstab für die Beurteilung wahlrechtlicher Sperrklauseln fest und lege – wie es mehrfach beto-
ne – seinem Urteil die gleichen Prüfungsmaßstäbe wie im Urteil vom 9. November 2011 zugrunde (Az. 2
BvE 2/13 u. a., Rn. 37, 45, 63). In beiden Urteilen weise das Gericht zudem darauf hin, dass bei der Bundes-
tagswahl – anders als bei der Europawahl – der Deutsche Bundestag im Falle einer eintretenden Funktionsbe-

Drucksache 18/1810 – 16 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

einträchtigung aufgrund seiner veränderten strukturellen Zusammensetzung nicht mehr in der Lage wäre, die
gesetzlichen Regelungen zur Sicherung seiner Funktionsfähigkeit zu ändern, weil die erforderliche Mehrheit
nicht mehr zustande käme (BVerfGE 129, 300 [324]; Urteil vom 26. Februar 2014, 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 58).

3. Auch in tatsächlicher Hinsicht erfordere das Wahlergebnis der Bundestagswahl 2013, bei der zwei Parteien
mit einem Stimmenanteil von 4,8 Prozent bzw. 4,7 Prozent der Zweitstimmen vergleichsweise knapp an der
Fünf-Prozent-Klausel gescheitert seien, keine Neubewertung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der
Klausel. Der Gesetzgeber habe sich für die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen entschieden und
diese bis heute beibehalten, um in Konstellationen, in denen eine oder mehrere Parteien weniger als fünf
Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, die Funktionsfähigkeit des Bundestages sicherzustellen. Wenn eine
solche Konstellation bei einer Wahl – wie nun der Bundestagswahl 2013 – tatsächlich auftrete, liege gerade
nicht der Fall vor, dass sich eine Prognose des Gesetzgebers als irrig erwiesen habe oder dass eine Änderung
der vom Gesetzgeber vorausgesetzten tatsächlichen Verhältnisse eingetreten sei, sondern es habe sich ledig-
lich ein Szenario realisiert, das der Gesetzgeber mit seiner Regelung von vornherein habe erfassen wollen.
Auch das Bundesverfassungsgericht habe die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen in Kenntnis
des Umstands, dass an ihr nicht nur Parteien mit einem niedrigen Stimmenanteil zwischen null und zwei
Prozent der Zweitstimmen, sondern auch Parteien mit einem Stimmenanteil knapp unter fünf Prozent schei-
tern können, in ständiger Rechtsprechung als verfassungsmäßig angesehen (siehe die Nachweise unter 1.).

Die bei der Bundestagswahl 2013 aufgetretene hohe Gesamtzahl von abgegebenen gültigen Zweitstimmen
für Parteien, die die Fünf-Prozent-Sperrklausel nicht überwunden haben, sei kein Grund, das Vorliegen ver-
änderter Verhältnisse bzw. neuer Entwicklungen anzunehmen, die eine Neubewertung der verfassungsrecht-
lichen Zulässigkeit der Sperrklausel erforderten. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Sperrklausel sei
nicht von der Gesamtzahl der Stimmen für diejenigen Parteien abhängig, die die Sperrklausel bei einer ein-
zelnen Wahl nicht überwinden. Die Sperrklausel rechtfertige sich vielmehr durch den mit ihr verfolgten ver-
fassungsrechtlich legitimen Zweck, die Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages sicherzustellen (siehe
die Nachweise unter 1.). Sie erfülle ihren Zweck gerade dann, wenn viele an der Wahl teilnehmende Parteien
die Sperrklausel nicht überwinden, aber ohne Sperrklausel Sitze im Parlament erlangt hätten, da auf diese
Weise eine die stabile Mehrheitsbildung gefährdende Zersplitterung des Bundestages vermieden werde.

4. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel stehe nicht entgegen, dass eine
hohe Zahl von Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die aufgrund der Sperrklausel nicht an der Sitzvertei-
lung teilnehmen, eine absolute Mehrheit der Sitze für Parteien ermögliche, die bei der Wahl deutlich weniger
als der Hälfte der Stimmen erreicht haben. Das Erreichen einer Mehrheit der Sitze im Parlament sei immer
mit weniger als der Hälfte der gültigen Zweitstimmen möglich. Denn auch ohne Sperrklausel erhalte nicht
jede Partei, für die bei der Wahl gültige Stimmen abgegeben wurden, automatisch einen Sitz. Da für einen
Sitz auch ohne Sperrklausel stets eine bestimmte Zahl von Stimmen erforderlich sei, führten nicht alle Stim-
men zu einem Sitzerfolg und darum weniger als 50 Prozent der gültigen Zweitstimmen zu einer Mehrheit der
Sitze. Ein Verfassungsrechtssatz des Inhalts, dass einer Mehrheit der Mitglieder des Bundestages notwendi-
gerweise eine Mehrheit der Zweitstimmen in der Bundestagswahl entsprechen müsse, sei nicht feststellbar.
Wenn aber eine Partei in einer Wahl eine absolute Mehrheit der Zweitstimmen erhalte, sei gesichert, dass auf
sie mehr als die Hälfte der Sitze entfalle (§ 6 Absatz 7 BWG).

5. Gegen die Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht vorgebracht werden, sie verhindere bzw. erschwere
in übermäßiger Weise die Entstehung oder Etablierung neuer Parteien und schränke dadurch in unzulässiger
Weise die Chancengleichheit der Parteien ein. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Chancengleichheit
der Parteien verlange nicht, dass jeder Partei, die bei der Bundestagswahl Stimmen erhalte, Sitze im Bundes-
tag garantiert seien. Jede Partei habe rechtlich die gleiche Chance auf Teilnahme an der Sitzverteilung bei
Überwindung der Sperrklausel. Wenn eine Partei die für alle geltende Sperrklausel nicht überwinde, so sei
dies Resultat zu geringer Zustimmung in der Wählerschaft und gerade nicht ungleicher Chancen, denn die
unterschiedliche Gewichtung des Erfolgswerts von Wahlstimmen durch eine Sperrklausel treffe alle Parteien
gleichermaßen (vgl. BVerfGE 82, 322 [345]).

Dass die Fünf-Prozent-Sperrklausel die Entstehung und Etablierung neuer Parteien nicht verhindere oder
übermäßig erschwere, zeige der Einzug in die Parlamente auch neuer Parteien in den vergangenen Jahren bei
Bundestagswahlen und Landtagswahlen, bei denen nach Landesrecht ebenfalls Fünf-Prozent-Sperrklauseln
bestünden. Die Sperrklauseln trügen zu einem Mindestmaß an Konsolidierung neuer Parteien bei, indem sie

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 17 – Drucksache 18/1810

eine funktionierende Organisation und eine hinreichende Kampagnenfähigkeit der Partei erforderlich mach-
ten, um einen erfolgreichen Wahlkampf zu führen, der den Einzug ins Parlament ermögliche. Auch das Bun-
desverfassungsgericht sehe in ständiger Rechtsprechung in der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestags-
wahlen keinen verfassungswidrigen Eingriff in die Chancengleichheit der Parteien (siehe die Nachweise un-
ter 1.).

6. Die Fünf-Prozent-Sperrklausel habe nicht zur Folge, dass die Parteien, die die Sperrklausel überwunden
haben und deshalb an der Sitzverteilung teilnehmen, von den Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die an
der Sperrklausel gescheitert sind und somit nicht an der Sitzverteilung teilnehmen, profitierten und die Wäh-
ler bei der Stimmabgabe nicht erkennen könnten, welche Partei letztlich tatsächlich von ihrer Zweitstimme
profitiere. Von der Zweitstimme für eine Partei profitiere stets die Partei, für die die Stimme abgegeben wor-
den sei. Wenn eine Partei aufgrund eines zur Überwindung der Sperrklausel nicht ausreichenden Zuspruchs
in der Wählerschaft nicht an der Sitzverteilung teilnehme, würden die zu vergebenden Sitze auf die Parteien
verteilt, die die Sperrklausel überwunden haben. Diese Parteien profitierten bei dieser Verteilung von den für
sie abgegebenen Zweitstimmen, nicht von den Zweitstimmen für die an der Sperrklausel gescheiterten Partei-
en, die wegen Nichtteilnahme an der Sitzverteilung zu keinem Sitzerfolg führten.

7. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht entgegengehalten
werden, der Umstand, dass aufgrund der Sperrklausel eine hohe Zahl von Stimmen bei der Sitzverteilung
unberücksichtigt bleibe, befördere die Politikverdrossenheit der Wahlberechtigten. Unabhängig davon, ob
dies tatsächlich der Fall sei, habe sich der Gesetzgeber dazu entschieden, der Sicherung der Funktionsfähig-
keit des Parlaments Vorrang vor derartigen Erwägungen einzuräumen. Das Bundesverfassungsgericht erachte
dies in ständiger Rechtsprechung für verfassungsrechtlich zulässig (siehe die Nachweise unter 1.). Ein wegen
Zersplitterung in kleine und kleinste Fraktionen nicht mehrheits- und handlungsfähiges Parlament, das zur
Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nicht in der Lage sei, wäre zudem in weit höherem Maße geeignet, Politikverdrossenheit zu för-
dern.

8. Aufgrund der verfassungskonformen Ausgestaltung der Fünf-Prozent-Sperrklausel im geltenden Bundes-
wahlgesetz sei der Wahlgesetzgeber auch nicht zur Einführung einer Alternativstimme („Eventualstimme“,
„Ersatzstimme“ bzw. „Stimmweitergabe-Option“) verpflichtet. Ergänzend sei darauf verwiesen, dass im
Schrifttum gegen die Einführung einer solchen Alternativstimme verfassungsrechtliche Bedenken geltend
gemacht würden: Eine Alternativstimme sei mit dem Charakter der Stimmabgabe als einer vorbehaltlosen
und bedingungsfeindlichen Willenserklärung nicht zu vereinbaren und verstoße daher gegen den Grundsatz
der Unmittelbarkeit der Wahl im Sinne des Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) und gegen
das Demokratieprinzip nach Artikel 20 Absatz 1 GG (so Strelen, in: Schreiber Bundeswahlgesetz, 9. Auflage
2013, § 6 Rn. 37 sowie Schreiber, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: 43. Lfg.
April 2014, Art. 38 Rn. 40, 132). Überdies wäre die Gewährung einer Alternativstimme auch keine verfas-
sungspolitisch angezeigte Fortentwicklung des Wahlrechts. Sie würde das Stimmabgabeverfahren verkompli-
zieren, die Ermittlung des Wahlergebnisses wesentlich erschweren und verzögern und den Wähler von einer
eindeutigen politischen Entscheidung ohne Vorbehalt und Rückfallposition entpflichten (vgl. im Einzelnen
hierzu Strelen, in: Schreiber, § 6 Rn. 37).

9. Die Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Klausel sei schließlich auch nicht davon abhängig, dass Par-
teien, die jeweils mit einer eigenen Liste an der Bundestagswahl teilnehmen, ihre Landeslisten verbinden
dürften, um als Zählgemeinschaft die Sperrklausel zu überwinden. Derartige Listenverbindungen verschiede-
ner Parteien bei der Bundestagswahl seien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wegen
Verstoßes gegen den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit der Parteien verfas-
sungswidrig (BVerfGE 82, 322 [345 f.]). Eine derartige Listenverbindung würde allein dem Zweck dienen,
die verfassungslegitime Zielsetzung einer Fünf-Prozent-Sperrklausel, die Verhinderung einer Zersplitterung
des Parlaments, zu umgehen.

Entscheidungsgründe

I.

1. Der Einspruch ist unstatthaft und damit unzulässig, soweit er Anfragen nach dem Informationsfreiheitsge-
setz bzw. Unterlagenforderungen an den Bundeswahlleiter, das Statistische Bundesamt und das Auswärtige

Drucksache 18/1810 – 18 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Amt sowie Stellungnahmeersuchen an den Europarat, die OECD und den Menschenrechtsausschuss der Ver-
einten Nationen enthält. Denn ein Einspruch ist gemäß § 1 Absatz 1 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) nur
statthaft, wenn er die Gültigkeit der Wahlen zum Deutschen Bundestag und die Verletzung von Rechten bei
der Vorbereitung oder Durchführung der Wahl, soweit sie der Wahlprüfung nach Artikel 41 GG unterliegen,
zum Gegenstand hat. Teils richten die genannten Ansinnen sich gar nicht an den Deutschen Bundestag oder
den Wahlprüfungsausschuss, teils zielen sie auf ein Tätigwerden des Wissenschaftlichen Dienstes ab. Dessen
Tätigkeit hat aber mit der Wahlprüfung nichts zu tun. Ohnehin der Wissenschaftliche Dienst nicht für öffent-
liche Auskünfte und Gutachten, sondern zur Unterstützung der Parlamentstätigkeit bestellt.

2. Der Einspruch ist außerdem unstatthaft und damit unzulässig, soweit der Einspruchsführer (zum Teil in
Frageform) Forderungen zur Form der Unterstützungsunterschriften für Einzelbewerber, zur Parteienfinan-
zierung für eine eigene Partei der Auslandsdeutschen, zum Briefwahlverfahren, zur Ausgestaltung der Sperr-
klausel und zur Bildung von Auslandswahlkreisen formuliert. Ein erkennbarer Bezug – wie ihn § 1 Absatz 1
WPrüfG verlangt – zur Gültigkeit der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag oder einer möglichen Rechtsver-
letzung bei der Vorbereitung und Durchführung dieser Wahl fehlt.

II.

Soweit der Einspruch zulässig ist, ist er unbegründet. Dem Vortrag des Einspruchsführers lässt sich kein
Verstoß gegen Wahlrechtsvorschriften und damit kein Wahlfehler entnehmen.

1. Das Vorbringen des Einspruchsführers, er mache auch alle Einspruchsgründe geltend, die andere Ein-
spruchsführer vorgetragen hätten, ist unerheblich. Eine derartige Verweisung ohne eigenen Tatsachenvortrag
ist nicht geeignet, den Anfechtungsgegenstand mit hinreichender Bestimmtheit einzugrenzen. Dies gilt jeden-
falls dann, wenn – wie hier – nicht deutlich wird, inwieweit dem Einspruchsführer die Begründung des ande-
ren Einspruchs, auf den verwiesen werden soll, überhaupt bekannt ist (vgl. Bundestagsdrucksache 15/1850,
Anlage 20). Der bloße Verweis auf andere ersetzt nicht den eigenständigen Vortrag und die eigene Argumen-
tation. Auch im Verfassungsbeschwerdeverfahren reicht die Bezugnahme auf die Begründung einer anderen
Verfassungsbeschwerde nicht aus (vgl. BVerfGE 8, 141 [142]); ebenso ist es nicht statthaft, im Wahlprü-
fungsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht auf einen Schriftsatz im Verfahren vor dem Bundestag
Bezug zu nehmen (vgl. BVerfGE 21, 359 [361]; 122, 304 [310]).

2. Soweit der Einspruchsführer behauptet, er und seine Kinder seien dadurch, dass ihnen rechtswidrig die
Ausstellung deutscher Reisepässe versagt worden sei, an der Ausübung ihres passiven Wahlrechts gehindert
worden, fehlt es an einer substantiierten Darlegung möglicher Fehler bei der Vorbereitung und Durchführung
der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag. Der Einspruchsführer hat seine Behauptung mit keinerlei überprüf-
baren Tatsachen untermauert. Insbesondere hat er keine Tatsachen vorgetragen, die belegen, dass er oder
andere Wahlberechtigte an der Einreichung eines Wahlvorschlags (gezielt) gehindert worden wären. Dem
Vortrag des Einspruchsführers lässt sich weder entnehmen, wann, wo, und für wen die Ausstellung deutscher
Ausweispapiere beantragt, noch, wann und mit welcher Begründung dies verweigert worden wäre. Hinsicht-
lich seiner angeblichen Kinder hat er nicht einmal deren Namen oder Staatsangehörigkeit mitgeteilt. Auf das
Substantiierungserfordernis ist der Einspruchsführer bereits in einem früheren Wahlprüfungsverfahren hin-
gewiesen worden (vgl. Bundestagsdrucksache 17/6300, Anlage 45). Wahlbeanstandungen, die über nicht
belegte Vermutungen oder die bloße Andeutung der Möglichkeit von Wahlfehlern nicht hinausgehen und
einen konkreten, der Überprüfung zugänglichen Tatsachenvortrag nicht enthalten, müssen als unsubstantiiert
zurückgewiesen werden (Bundestagsdrucksachen 15/1150, Anlagen 283 bis 285; 15/1850, Anlage 25;
15/2400, Anlage 9; 17/1000, Anlagen 13 und 19; 18/1160, Anlagen, 3, 6 und 83; BVerfGE 48, 271 [276]; 66,
369 [379]; 85, 148 [159]; 122, 304 [309]; Hahlen, in: Schreiber, § 49 Rn. 25). Die Frage, ob die Versagung
eines Reisepasses überhaupt einen Wahlfehler darstellen kann, kann daher hier offen bleiben.

3. Auch das Vorbringen des Einspruchsführers, das Auswärtige Amt und viele Botschaften verweigerten ihm
als Einzelkandidaten die Wahllisten aus der „Deutschenliste oder Krisenvorsorgeliste“, obwohl über zehn
Millionen Auslandsdeutsche wahlberechtigt seien, vermag dem Wahleinspruch nicht zum Erfolg zu verhel-
fen. Inwiefern das gerügte, nicht belegte Verhalten Einfluss auf die Vorbereitung und Durchführung der
Bundestagswahl gehabt haben soll, wird nicht deutlich. Für eine (erfolgreiche) Bewerbung um ein Bundes-
tagsmandat dürfte diese Liste belanglos sein.

4. Hinsichtlich der angeblich massiven Benachteiligung von Einzel- gegenüber Parteibewerbern sind eben-
falls keine Wahlfehler erkennbar. Soweit der Einspruchsführer einen Verstoß gegen die Wahlrechtsgleichheit

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 19 – Drucksache 18/1810

rügt, ist zu beachten, dass der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in ständiger Praxis im
Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens die Verfassungsmäßigkeit von Wahlrechtsvorschriften nicht überprü-
fen. Eine derartige Kontrolle ist stets dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten worden (vgl. zuletzt etwa
Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlagen 26 bis 28 mit weiteren Nachweisen; 17/1000, Anlagen 5 und 11;
17/2200, Anlagen 1, 13 bis 15, 17 bis 20, 23 und 24; 17/3100, Anlagen 15, 19, 20, 22 bis 30, 32, 34 bis 36;
17/4600, Anlagen 10, 12, 13, 32, 38, 40 bis 43 mit weiteren Nachweisen; 17/6300, Anlage 19). Davon abge-
sehen begründet der Vortrag des Einspruchsführers keinen Verstoß gegen den mit Verfassungsrang ausgestat-
teten Grundsatz der Chancengleichheit aller Wahlvorschlagsträger, der eine Differenzierung nur aus zwin-
genden Gründen zulässt (BVerfGE 41, 399 [413]; 78, 350 [358]).

a) Hinsichtlich seines Vortrages zur staatlichen Parteienfinanzierung ist bereits zweifelhaft, ob der Ein-
spruchsführer diese wirklich angreift, oder ob er nur feststellt, dass sie existiert und dann eine Frage nach der
Finanzierung einer Partei der Auslandsdeutschen stellt. Wenn man unterstellt, dass er sich auch gegen die
staatliche Parteienfinanzierung wendet, so ist weiterhin fraglich, ob der der Finanzierung zugrunde liegende §
18 PartG zu den Wahlrechtsvorschriften im weiteren Sinne zählt. Denn die Wahlprüfung bezieht sich, wie
sich aus § 1 Absatz 1 WPrüfG ergibt, nur auf Fehler bei der Vorbereitung und Durchführung der Wahl (s. o.).
Außerdem behauptet der Einspruchsführer nur eine Benachteiligung der Einzelbewerber, sagt aber nicht,
worin diese liegen soll. Der pauschale Hinweis auf die Erstattungsvoraussetzungen gemäß § 49b BWG er-
setzt keine nachvollziehbare Begründung.

Unabhängig davon verstoßen die Regelungen zur Wahlkampfkostenerstattung (in § 18 PartG und § 49b
BWG) nicht gegen den Grundsatz der Chancengleichheit. Es ist zwar zutreffend, daß die geltende Rechtslage
für parteiangehörige Wahlbewerber andere Regeln trifft als für parteilose. Die Kostenerstattung für Parteien
richtet sich nach § 18 des Parteiengesetzes und setzt voraus, daß die betreffende Partei mindestens 0,5 Pro-
zent der Stimmen bei den letzten Europa- oder Bundestagswahlen bzw. mindestens 1 Prozent der Stimmen
einer Landtagswahl erreicht hat. Wenn in einem Land eine Liste für die betreffende Partei nicht zugelassen
war, beträgt der Mindeststimmenanteil 10 Prozent der in einem Wahl- oder Stimmkreis abgegebenen gültigen
Stimmen. Die Wahlkampfkostenerstattung für „andere Kreiswahlvorschläge“ richtet sich demgegenüber –
wie der Einspruchsführer selbst zutreffend ausführt – nach § 49b BWG. Hier beträgt der zu erreichende Min-
deststimmenanteil 10 Prozent der in einem Wahlkreis abgegebenen gültigen Erststimmen. Diese Regeln mit-
samt der darin vorgenommenen Differenzierungen sind auch in Ansehung des Grundsatzes der Chancen-
gleichheit zulässig. Zwar haben auch parteilose Wahlbewerber grundsätzlich einen Anspruch auf Teilhabe an
der staatlichen Wahlkampfkostenerstattung. Die Sicherung des Charakters der Wahl als eines entscheidenden
Integrationsvorgangs rechtfertigt es aber, der Stimmenzersplitterung und Bildung von Kleinstparteien vorzu-
beugen. Diesem Zweck dient nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht nur die Fünf-
Prozent-Klausel (in § 6 Absatz 3 Satz 1 BWG); auch im Vorfeld der Wahl kann der Gesetzgeber der Stim-
menzersplitterung durch eine angemessene Beschränkung der Erstattung von Wahlkampfkosten entgegentre-
ten. Dies dient dem legitimen Ziel sicherzustellen, daß die Beteiligung am Wahlkampf ernst gemeint, d. h.
allein auf den Wahlerfolg und nicht lediglich auf eine Beteiligung an der Wahlkampfkostenerstattung gerich-
tet ist (BVerfGE 41, 399 [421 f.]). Dabei liegt es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in
gewissen Grenzen im Ermessen des Gesetzgebers, wie hoch er den Mindeststimmenanteil für die Teilhabe
des unabhängigen Bewerbers an der Wahlkampfkostenerstattung festsetzen will. Einerseits ist zwingend
geboten, dafür Sorge zu tragen, daß die Beteiligung am Wahlkampf ernst gemeint ist. Andererseits wäre es
mit den Grundsätzen der gleichen und freien Wahl nicht vereinbar, den Mindeststimmenanteil so hoch her-
aufzusetzen, daß der unabhängige Bewerber auch bei einem beachtlichen Wahlerfolg leer ausginge. Unter
diesen Umständen hat das Gericht einen Mindeststimmenanteil von zehn Prozent als „nicht unverhältnismä-
ßig“ angesehen (BVerfGE 41, 399 [424 f.]). Dies entspricht der geltenden Rechtslage in § 49b BWG. Eine
unangemessene Benachteiligung gegenüber solchen Parteien, für die Mindeststimmenanteile von 0,5 bzw. 1
Prozent gelten, liegt schon deswegen nicht vor, weil sich diese Größen auf die im gesamten Bundesgebiet
bzw. im Gebiet einer Landtagswahl abgegebenen Stimmen beziehen, während die vom Einspruchsführer
beanstandeten 10 Prozent lediglich die wesentliche geringere Anzahl der in dem eng begrenzten Gebiet eines
Wahlkreises abgegebenen Stimmen als Bezugsgröße haben. Außerdem entspricht die Höhe der staatlichen
Mittel für parteiunabhängige Bewerber der an die Parteien in der vierjährigen Wahlperiode des Deutschen
Bundestages gezahlten staatlichen Teilfinanzierung, die gemäß § 18 Absatz 3 Satz 1 Nr. 2 und Absatz 4 Satz
2 PartG für jede gültige, über vier Millionen Stimmen hinausgehende Stimme pro Jahr 0,70 beträgt. Der
Erstattungsbetrag in § 49b BWG ist durch Artikel 17 in Verbindung mit Artikel 7 Absatz 1 des Gesetzes zur
Änderung des Wahl- und Abgeordnetenrechts vom 17. März 2008 (Bundesgesetzblatt I S. 394) rückwirkend

Drucksache 18/1810 – 20 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

für die Bundestagswahl 2005 sogar von 4 DM auf 2,80 erhöht worden, um dem Grundsatz der Chancen-
gleichheit aller Wahlbewerber in ausreichendem Maße Rechnung zu tragen (vgl. die Gesetzesbegründung in
Bundestagsdrucksache 16/7461, S. 20 f.).

b) Auch aus der pauschalen Behauptung des Einspruchsführers, Parteien erhielten kostenlose Sendezeiten für
Wahlwerbung im öffentlichen Rundfunk sowie Plakatflächen durch die Kommunen, folgt kein Verstoß gegen
den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit bzw. die Chancengleichheit der Wahlbewerber. Die Rundfunk- und
Fernsehanstalten müssen zwar im Grundsatz allen politischen Tendenzen Raum geben, damit die Vielfalt der
vorhandenen Meinungen und Zielsetzungen zum Ausdruck kommen kann. Die Rechtsprechung hat in diesem
Bereich jedoch Differenzierungen aus zwingenden Gründen zugelassen. So ist in Bezug auf Parteien der
Grundsatz der abgestuften Chancengleichheit anerkannt, der bei der Zuteilung von Sendezeiten Unterschiede
entsprechend dem politischen Gewicht der einzelnen Partei erlaubt. Parteiunabhängige Bewerber haben in
der Konsequenz dieses Gedankens bei Bundestagswahlen grundsätzlich keinen Anspruch auf eine Zuteilung
von Sendezeiten. Im Hinblick auf die Funktion der Rundfunkanstalten, die auf eine Ausgewogenheit des
Programms Bedacht zu nehmen und die Bedeutung des Gegenstandes und die Allgemeinheit des Interesses
zu würdigen haben, wäre eine Vergabepflicht auch an unabhängige Wahlbewerber nicht mehr zu vertreten.
Die Rundfunkanstalten können vielmehr selbst darüber entscheiden, ob sie im Rahmen der zur Verfügung
stehenden Sendezeiten unter Beachtung des Gewichts der übrigen im Sendegebiet zugelassenen Landeslisten
und Wahlbewerber auch einem Einzelbewerber Sendezeit zur Verfügung stellen (vgl. Bundestagsdrucksache
14/1560, Anlage 57; Strelen, in: Schreiber, § 1 Rn. 67).

Bezüglich der vom Einspruchsführer angesprochenen Plakatflächen ist schon unklar, ob er damit die Zurver-
fügungstellung gemeindeeigener Stellwände meint oder die Möglichkeit, Plakatwerbung im öffentlichen
Straßenraum zu machen. Ferner bleibt offen, worin ein Verstoß gegen die Chancengleichheit liegen soll.
Denn die Gemeinden müssen, im Rahmen des Möglichen, grundsätzlich auch Einzelbewerbern die Möglich-
keit zur Wahlwerbung einräumen. Der Einspruchsführer hat nicht vorgetragen, dass und wo dies im Einzel-
fall nicht geschehen sein soll.

c) Soweit der Einspruchsführer vorträgt, es flössen öffentliche Mittel für die „Propagandaarbeit“ der Parla-
mentsfraktionen und an die politischen Stiftungen, liegt ebenfalls kein Verstoß gegen den Grundsatz der
Wahlrechtsgleichheit vor. Fraktionen erhalten kein Geld für „Propagandaarbeit“ (etwa im Wahlkampf), son-
dern, was verfassungsrechtlich zulässig ist (vgl. BVerfGE 20, 56 [104]), im Bund gemäß § 50 Absatz 1 des
Abgeordnetengesetzes Geld- und Sachleistungen aus dem Bundeshaushalt zur Erfüllung ihrer Aufgaben; in
den Bundesländern bestehen ähnliche Vorschriften für die Landtagsfraktionen. Auch die Zuwendungen an
politische Stiftungen, die rechtlich und tatsächlich von den Parteien unabhängig sind (vgl. BVerfGE 73, 1
[31]; 85, 264 [289]), sind verfassungskonform. Abgesehen davon fehlt es an einem nachvollziehbaren Vor-
bringen des Einspruchsführers. Er belässt es bei dem Hinweis des Mittelzuflusses, ohne genauer auszuführen,
inwiefern dadurch parteiunabhängige Mandatsbewerber gegen die Wahlrechtsgleichheit angeblich benachtei-
ligt werden.

d) Bezüglich der steuerlichen Absetzbarkeit von Parteispenden legt der Einspruchsführer nicht dar, warum
insoweit ein Verstoß gegen den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit vorliegen soll. Davon abgesehen ent-
spricht die Rechtslage, dass nur Zuwendungen an politische Parteien und sog. unabhängige Wählervereini-
gungen gemäß § 10b Absatz 2 und § 34g des Einkommensteuergesetzes steuerlich begünstigt werden, einem
allgemeinen Grundsatz des Steuerrechts, wonach stets nur Zuwendungen an Körperschaften, nicht aber sol-
che an natürliche Personen steuerlich gefördert werden. Dahinter steht der Gedanke, dass nur bei Körper-
schaften effektiv kontrolliert werden kann, dass die Zuwendungen auch den Zwecken zugute kommen, um
derentwillen die Zuwendung steuerlich subventioniert wird (vgl. Bundestagsdrucksachen 16/5700, Anlage 21
mit weiteren Nachweisen; 17/6300, Anlage 30). Überdies ist nicht ausgeschlossen, dass Spenden den Parteien
auch dann zuteil würden, wenn sie steuerlich nicht abgesetzt werden könnten. Zudem hängt der Wahlerfolg
nur zu einem Teil von der Finanzausstattung der Bewerber bzw. der hinter ihnen stehenden Partei ab. Außer-
dem verwehrt die fehlende steuerliche Begünstigung es parteiunabhängigen Bewerbern nicht, Spenden zu
erhalten.

e) Die Behauptung des Einspruchsführers, Parteien erhielten kostenlos von den Stadt- und Kreisverwaltungen
geeignete Wählerlisten und Anschriftenaufkleber mit Namen, Vornamen, Anschriften, Geburtsdaten, um
gezielt „Neu- und Erstwähler oder Rentner oder Frauen usw.“ zielgruppengerecht ansprechen zu können,
trifft nicht zu. Gemäß § 22 Absatz 1 Satz 1 des Melderechtsrahmengesetzes (MRRG) darf eine Meldebehörde

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 21 – Drucksache 18/1810

Parteien, Wählergruppen und anderen Trägern von Wahlvorschlägen im Zusammenhang mit Wahlen zum
Deutschen Bundestag oder zum Europäischen Parlament in den sechs der Wahl vorangehenden Monaten
Auskunft aus dem Melderegister über die in § 21 Abs. 1 Satz 1 MRRG bezeichneten Daten von Gruppen von
Wahlberechtigten erteilen, soweit für deren Zusammensetzung das Lebensalter bestimmend ist und die
Wahlberechtigten dieser Auskunftserteilung nicht widersprochen haben. Entgegen der Darlegung des Ein-
spruchsführers darf auch ein Einzelbewerber – so er denn einen Wahlvorschlag eingereicht hat und dieser
zugelassen worden ist – die entsprechenden Daten erhalten. Der Einspruchsführer hat noch nie einen zulas-
sungsfähigen Wahlvorschlag eingereicht und schon daher keine Daten erhalten. Auch trifft es nicht zu, dass
„Wählerlisten“ übermittelt werden. Da die Wahlberechtigten der Weiterleitung ihrer Daten widersprechen
können, erfassen die übersandten Listen in der Regel nicht alle Wahlberechtigten. Von Anschriftenaufklebern
spricht die Vorschrift - anders als der Einspruchsführer – übrigens auch nicht. Auch hinsichtlich der Geburts-
daten ist der Einspruchsführer falsch unterrichtet. Gemäß § 22 Absatz 1 Satz 2 MRRG dürfen die Geburtsta-
ge der Wahlberechtigten den Parteien, Wählergruppen und anderen Trägern von Wahlvorschlägen gar nicht
mitgeteilt werden.

f) Die weitere Behauptung des Einspruchsführers, die Parteien besetzten die aussichtslosen Listenplätze mit
Beamten und Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes, weil diese auf Kosten der Steuerzahler für mehrere
Monate für den Wahlkampf unter Weiterzahlung der Bezüge freigestellt würden, ist schon nicht hinreichend
substantiiert. Sie stimmt auch tatsächlich nicht. Dies zeigt ein Blick in das vom Bundeswahlleiter zur Wahl
zum 18. Deutschen Bundestag veröffentlichte Sonderheft über die Wahlbewerber. Davon abgesehen, dass
auch in der Privatwirtschaft beschäftigte Einzelbewerber nach § 3 AbgG Anspruch auf einen zweimonatigen
Wahlvorbereitungsurlaub haben, erschließt sich außerdem nicht, inwiefern in der Kandidatenauswahl der
Parteien eine Benachteiligung von Einzelbewerbern liegen sollte.

5. Der Einspruchsführer bestreitet nicht, dass das Verfahren zur Auszählung der Stimmen und zur Verteilung
der Sitze auf die Landeslisten der Parteien bei der Bundestagswahl 2013 den Vorgaben des Bundeswahlge-
setzes entsprach. Dieses regelt in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1,
dass bei der Verteilung der Sitze auf die Landeslisten nur Parteien berücksichtigt werden, die mindestens fünf
Prozent der im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten oder in mindestens drei Wahlkrei-
sen einen Sitz errungen haben. Soweit der Einspruchsführer geltend macht, die Sperrklausel schränke den
Grundsatz der Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl zu sehr ein und sei daher verfassungswidrig, ist erneut
– wie unter 4. a) – darauf hinzuweisen, dass der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in
ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens die Verfassungsmäßigkeit der für die Wahl gel-
tenden Rechtsvorschriften nicht überprüfen und eine derartige Kontrolle stets dem Bundesverfassungsgericht
vorbehalten wurde Allerdings hat der Wahlprüfungsausschuss schon in zahlreichen Wahlprüfungsentschei-
dungen früherer Wahlperioden keinen Anlass für Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Regelung gesehen
(vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen 15/1850, Anlagen 9 und 47; 16/900, Anlage 14), zumal das Bundesver-
fassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit der Sperrklausel in ihrer Ausgestaltung durch das Bundeswahlge-
setz in ständiger Rechtsprechung bestätigt hat (vgl. BVerfGE 1, 208 [247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51,
222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366]; 95, 408 [417 ff.]; 120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300
[335 f.], siehe auch Bundestagsdrucksache 16/900, Anlage 14). Es ist folglich verfassungsrechtlich nicht zu
beanstanden, dass alle Parlamentssitze auf diejenigen Parteien verteilt werden, welche die Fünf-Prozent-
Hürde überwunden haben. Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Sperr-
klausel durch veränderte Verhältnisse infrage gestellt werden. Dies ist bezüglich der Bundestagswahl 2013
aber nicht der Fall, wie das Bundesministerium des Innern – auch unter Bezugnahme auf die Urteile vom 9.
November 2011 und 26. Februar 2014 – in seiner Stellungnahme zutreffend feststellt: Dass nach dem amtli-
chen Endergebnis der Bundestagswahl 2013 insgesamt 15,7 Prozent der gültigen Zweitstimmen nicht in die
Mandatsverteilung eingeflossen sind, weil sie für insgesamt 25 Parteien abgegeben wurden, die bundesweit
weniger als fünf Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, ändert nichts an der vom Bundesverfassungsge-
richt festgestellten Verfassungskonformität der Fünf-Prozent-Hürde. Zwar war der Anteil der gültigen, aber
wegen der Sperrklausel nicht in die Sitzverteilung eingeflossenen Zweitstimmen bei der Bundestagswahl
2013 höher als bei früheren Bundestagswahlen, da – anders als bei vorhergehenden Wahlen – zwei Parteien
jeweils fast fünf Prozent und zudem 23 weitere Parteien insgesamt 6,2 Prozent (für sich genommen aber teil-
weise weniger als 0,1 Prozent) erreicht haben. Jedoch ist dieser Umstand nicht atypisch oder zuvor unbekannt
gewesen. Es ist zudem durchaus möglich, dass er bei kommenden Bundestagswahlen mit anderen Wahler-
gebnissen nicht (mehr) auftritt. Der Einzug neuer Parteien in den Deutschen Bundestag wird, wie Beispiele
aus der Geschichte der Bundesrepublik zeigen, ohnehin nicht durch die Sperrklausel verhindert. Außerdem

Drucksache 18/1810 – 22 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

ist die Fünf-Prozent-Hürde auf das jeweilige Ergebnis einer jeden Partei bezogen. Nur die konkrete Stim-
menzahl jeder Partei kann der Ausgangspunkt der Sitzverteilung auf die Landeslisten sein (vgl. § 6 Absatz 1
BWG) – übrigens auch dann, wenn man gedanklich die Sperrklausel streicht oder eine niedrigere Sperrklau-
sel ansetzt –; erst im zweiten Schritt ist die Stimmenzahl einer jeden Partei in Relation zu den Stimmenantei-
len der anderen Parteien zu setzen (vgl. § 6 Absätze 2 bis 7 BWG). Die gedankliche Addition von Zweit-
stimmenanteilen kann folglich für die Fünf-Prozent-Hürde keine Aussagekraft beanspruchen.

6. Entgegen der Auffassung des Einspruchsführers ist das „bisherige Bundeswahlrecht“ nicht vom Bundes-
verfassungsgericht als grundgesetzwidrig kassiert worden. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Ent-
scheidung vom 25. Juli 2012 (BVerfGE 131, 316) lediglich das durch das Neunzehnte Gesetz zur Änderung
des Bundeswahlgesetzes vom 25. November 2011 neu gestaltete Verfahren der Verteilung der (Landes-
)Listenmandate gemäß § 6 BWG (alte Fassung) für verfassungswidrig erklärt. Eine Aufhebung des gesamten
Bundeswahlgesetzes, gar rückwirkend, hatte das Urteil nicht zur Folge. Von einer „Not-Legitimation“ des 17.
Deutschen Bundestages, wie sie der Einspruchsführer erkennen will, kann auch keine Rede sein. Der Gesetz-
geber hat auf die Einwände des Bundesverfassungsgerichts reagiert und das Sitzverteilungsverfahren auf die
Landeslisten durch das Zweiundzwanzigste Gesetz zur Änderung des Bundeswahlgesetzes vom 3. Mai 2013
(Bundesgesetzblatt I S. 1082) neu und aus Sicht des Wahlprüfungsausschusses und des Deutschen Bundesta-
ges verfassungskonform geregelt. Dieses Gesetz ist – anders als der Einspruchsführer meint – auch in Kraft
getreten. Das Inkrafttreten wird nicht durch § 55 BWG geregelt. § 55 BWG normierte das Inkrafttreten des
Bundeswahlgesetzes vom 7. Mai 1956 (Bundesgesetzblatt I S. 383). Da der Zeitpunkt des Inkrafttretens der
späteren Änderungsgesetze sich aus diesen ergibt, ist § 55 BWG für die Änderungsgesetze bedeutungslos.
Der Text des § 55 BWG wird daher in Textsammlungen oder auf Internetseiten oftmals nicht wiedergegeben.
Das Zweiundzwanzigste Gesetz zur Änderung des Bundeswahlgesetzes ist gemäß seinem Artikel 2 Absatz 1
am Tag nach der Verkündung in Kraft getreten. Es wurde im Bundesgesetzblatt I Nr. 22 vom 8. Mai 2013
verkündet und trat damit am 9. Mai 2013 in Kraft.

7. Die Beschreibung der Wahlkreise ist – entgegen der Ansicht des Einspruchsführers – zureichend. Der An-
lage zu § 2 Absatz 2 BWG lassen sich die Wahlkreiszuschnitte eindeutig entnehmen. Es ist gut erkennbar,
dass die Voraussetzungen des § 3 BWG erfüllt werden. Insbesondere wird § 3 Abs. 1 Nr. 3 BWG beachtet,
wonach die Bevölkerungszahl eines Wahlkreises von der durchschnittlichen Bevölkerungszahl der Wahlkrei-
se nicht um mehr als 15 Prozent nach oben oder unten abweichen soll und (erst) bei einer Abweichung von
mehr als 25 Prozent eine Neuabgrenzung vorzunehmen ist. Die Kritik des Einspruchsführers, der Durch-
schnittswert aller Wahlkreise, die prozentuale Abweichung einzelner Wahlkreise, die konkrete Zahl der deut-
schen Bevölkerung im Wahlkreis und Stichtag für die Einwohnerzahl der Wahlkreise seien nicht angegeben,
geht fehl. Eine Pflicht zu solchen Angaben besteht nicht. Inwieweit angesichts einer Wahlkreisliste in der
Anlage zu § 2 Absatz 2 BWG irgendeiner Manipulation „Tür und Tor“ geöffnet sein soll, wird aus dem recht
knappen Vortrag des Einspruchsführers nicht deutlich.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 23 – Drucksache 18/1810

Anlage 3

Beschlussempfehlung

ZumWahleinspruch

des Herrn M. M., 31812 Bad Pyrmont,

– Az.: WP 18/13 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag
am 22. September 2013

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 26. Juni 2014 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit einem Schreiben vom 27. September 2013 Einspruch gegen die Gültigkeit der
Wahl zum 18. Deutschen Bundestag am 22. September 2013 eingelegt. Mit einem Schreiben vom 29. Sep-
tember 2013 hat er seinen Vortrag erweitert.

Der Einspruchsführer bemängelt zweierlei:

1. Er rügt die Zulassung der Landeslisten der NPD zur Bundestagswahl. Der Bundesrat habe schon am 6.
Dezember 2012 beschlossen, beim Bundesverfassungsgericht das Verbot dieser Partei zu beantragen. Am
Tag zuvor sei die Innenministerkonferenz zu dem klaren Ergebnis gelangt, dass die NPD grundgesetzfeindli-
che Ziele verfolge. Die Prozessbevollmächtigten des Bundesrates seien an dem Stichtag, bis zu dem die Lan-
deslistenvorschläge bei den Lanneswahlleitern einzureichen gewesen seien, bereits dabei gewesen, den Ver-
botsantrag zu entwerfen. Es sei unbegreiflich, warum die Landeswahlleiter die Landeslisten der NPD zuge-
lassen hätten. Als Beisitzer in einem Wahlvorstand habe er selbst erlebt, dass die NPD tatsächlich Zweit-
stimmen erhalten habe. Mit 1,5 Prozent der Erst- und 1,3 Prozent der Zweitstimmen habe sie Anspruch auf
Wahlkampfkostenerstattung aus öffentlichen Mitteln, obwohl die Innenministerkonferenz ihr nachgewiesen
habe, grundgesetzfeindliche Ziele zu verfolgen. Er beantrage, die Landeslisten für ungültig zu erklären und
die Stimmenverhältnisse für die Wahl zum 18. Deutschen Bundestag neu zu berechnen.

2. Außerdem wendet sich der Einspruchsführer gegen die „Nicht-Berücksichtigung“ aller derjenigen gültigen
Zweitstimmen, die nicht für die CDU, die CSU, die SPD, Bündnis 90/Die Grünen oder Die Linke abgegeben
worden sind, nimmt insoweit aber die für die NPD abgegebenen gültigen Zweitstimmen aus. Vertreter ver-
schiedener Parteien dürften sich, wie CDU und CDU, zu Fraktionen zusammenschließen. Ebenso dürften sich
die Vertreter derjenigen Parteien, die nicht mindestens fünf Prozent der abgegebenen gültigen Zweitstimmen
erhielten, zu einem Wahlbündnis zusammenschließen. Wenn man dies berücksichtige, hätten die „Sonstigen“
in jedem Bundesland die Fünf-Prozent-Hürde genommen. Sie vereinigten inklusive der Nichtwähler 40,5
Prozent der Wahlberechtigten auf sich.

Wegen der Einzelheiten des Vortrages des Einspruchsführers wird auf den Inhalt der Akten Bezug genom-
men.

Das Bundesministerium des Innern hat zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-
Sperrklausel am 16. Juni 2014 wie folgt Stellung genommen:

1. Das Bundesverfassungsgericht erachte in ständiger Rechtsprechung bei Wahlen zum Deutschen Bundestag
die heute in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1 des Bundeswahlgesetzes
(BWG) vorgesehene, auf das gesamte Wahlgebiet bezogene Fünf-Prozent-Sperrklausel für verfassungsgemäß
(vgl. BVerfGE 1, 208 [247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366];
95, 408 [417 ff.]; 120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.]). Zuletzt habe das Gericht in seinem
Urteil vom 9. Januar 2011 zur Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen entschieden, dass die Fünf-

Drucksache 18/1810 – 24 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Prozent-Sperrklausel bei der Wahl zum Deutschen Bundestag ihre Rechtfertigung im Wesentlichen darin
finde, dass die Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren
fortlaufende Unterstützung nötig sei und dieses Ziel durch die Zersplitterung des Parlaments in viele kleine
Gruppen gefährdet werde (BVerfGE 129, 300 [335 f.]). In der Entscheidung vom 26. Februar 2014 (2 BvE
2/13 u. a.) zur Drei-Prozent-Sperrklausel im Europawahlrecht habe das Gericht erneut bestätigt, dass eine
Sperrklausel gerechtfertigt sein könne, wenn Verhältnisse wie auf nationaler Ebene gegeben sind, wo die
Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nötig sei (ebd. Rn. 72).

Angesichts der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei der Wahlgesetzgeber verfas-
sungsrechtlich nicht daran gehindert, bei der Verteilung der zu vergebenden Sitze auf die Landeslisten bei der
Bundestagswahl grundsätzlich nur die Parteien zu berücksichtigen, die mindestens fünf Prozent der im Wahl-
gebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten haben (§ 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Ab-
satz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG). Es sei ihm mit anderen Worten von Verfassungs wegen unbenommen,
gültige Zweitstimmen, die auf Landeslisten von Parteien entfallen sind, die nicht die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben, zwar für die Ergebnisfeststellung als relevant zu werten (§ 42 BWG), nicht
aber für die Sitzverteilung. Der Wahlgesetzgeber dürfe also ohne Verstoß gegen Bundesverfassungsrecht alle
zu vergebenden Parlamentssitze auf die Landeslisten derjenigen Parteien verteilen, die die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben.

Im Interesse der Handlungsfähigkeit des Deutschen Bundestages habe der Wahlgesetzgeber bisher an der auf
das gesamte Wahlgebiet bezogenen Fünf-Prozent-Sperrklausel, die seit der Wahl zum 2. Deutschen Bundes-
tag 1953 gilt, festgehalten. Denn eine Wahl habe – wie das Bundesverfassungsgericht betone (vgl. BVerfGE
51, 222 [236]) – „nicht nur das Ziel, eine Volksvertretung zu schaffen, die ein Spiegelbild der in der Wähler-
schaft vorhandenen politischen Meinungen darstellt, sondern sie soll auch ein funktionsfähiges Organ her-
vorbringen.“ Hierfür seien „(k)lare und ihrer Verantwortung für das Gesamtwohl bewusste Mehrheiten in
einer Volksvertretung (…) für eine Bewältigung der ihr gestellten Aufgaben unentbehrlich“, die durch einen
unbegrenzten Proporz nicht gewährleistet sind.

2. Zwar könne nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die verfassungsrechtliche Rechtfer-
tigung einer die Wahlgleichheit berührenden Norm des Wahlrechts wie eine Sperrklauselregelung durch ver-
änderte Verhältnisse oder neue Entwicklungen – etwa durch eine Änderung der vom Gesetzgeber vorausge-
setzten tatsächlichen oder normativen Grundlagen oder wenn sich die beim Erlass der Norm hinsichtlich ihrer
Auswirkungen angestellte Prognose als irrig erwiesen habe – in Frage gestellt werden (BVerfGE 82, 322
[338 f.]; 120, 82 [108]; 129, 300 [321 f.]; Urteil vom 26. Februar 2014, Az. 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 56). Dies
sei im Hinblick auf die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen jedoch nicht der Fall.

Eine Änderung der normativen Grundlagen für die Beurteilung der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundes-
tagswahlen, die das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung als verfassungsgemäß angesehen
habe, sei nicht festzustellen. Insbesondere führten das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
9. November 2011 zur Verfassungswidrigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen (BVerfGE
129, 300) und sein Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Sperrklausel im
Europawahlgesetz (2 BvE 2/13 u. a.) nicht zu einer abweichenden Bewertung. Das Bundesverfassungsgericht
begründe die Verfassungswidrigkeit der Sperrklauseln bei Europawahlen in diesen Urteilen mit der besonde-
ren Stellung und Funktion des Europäischen Parlaments im Gefüge der Organe der Europäischen Union, wo
eine vergleichbare Interessenlage wie bei der Bundestagswahl nicht bestehe (BVerfGE 129, 300 [336]). Auch
in seinem Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Klausel im Europawahl-
gesetz halte das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich an der gefestigten Rechtsprechung zum verfassungs-
rechtlichen Maßstab für die Beurteilung wahlrechtlicher Sperrklauseln fest und lege – wie es mehrfach beto-
ne – seinem Urteil die gleichen Prüfungsmaßstäbe wie im Urteil vom 9. November 2011 zugrunde (Az. 2
BvE 2/13 u. a., Rn. 37, 45, 63). In beiden Urteilen weise das Gericht zudem darauf hin, dass bei der Bundes-
tagswahl – anders als bei der Europawahl – der Deutsche Bundestag im Falle einer eintretenden Funktionsbe-
einträchtigung aufgrund seiner veränderten strukturellen Zusammensetzung nicht mehr in der Lage wäre, die
gesetzlichen Regelungen zur Sicherung seiner Funktionsfähigkeit zu ändern, weil die erforderliche Mehrheit
nicht mehr zustande käme (BVerfGE 129, 300 [324]; Urteil vom 26. Februar 2014, 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 58).

3. Auch in tatsächlicher Hinsicht erfordere das Wahlergebnis der Bundestagswahl 2013, bei der zwei Parteien
mit einem Stimmenanteil von 4,8 Prozent bzw. 4,7 Prozent der Zweitstimmen vergleichsweise knapp an der

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 25 – Drucksache 18/1810

Fünf-Prozent-Klausel gescheitert seien, keine Neubewertung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der
Klausel. Der Gesetzgeber habe sich für die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen entschieden und
diese bis heute beibehalten, um in Konstellationen, in denen eine oder mehrere Parteien weniger als fünf
Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, die Funktionsfähigkeit des Bundestages sicherzustellen. Wenn eine
solche Konstellation bei einer Wahl – wie nun der Bundestagswahl 2013 – tatsächlich auftrete, liege gerade
nicht der Fall vor, dass sich eine Prognose des Gesetzgebers als irrig erwiesen habe oder dass eine Änderung
der vom Gesetzgeber vorausgesetzten tatsächlichen Verhältnisse eingetreten sei, sondern es habe sich ledig-
lich ein Szenario realisiert, das der Gesetzgeber mit seiner Regelung von vornherein habe erfassen wollen.
Auch das Bundesverfassungsgericht habe die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen in Kenntnis
des Umstands, dass an ihr nicht nur Parteien mit einem niedrigen Stimmenanteil zwischen null und zwei
Prozent der Zweitstimmen, sondern auch Parteien mit einem Stimmenanteil knapp unter fünf Prozent schei-
tern können, in ständiger Rechtsprechung als verfassungsmäßig angesehen (siehe die Nachweise unter 1.).

Die bei der Bundestagswahl 2013 aufgetretene hohe Gesamtzahl von abgegebenen gültigen Zweitstimmen
für Parteien, die die Fünf-Prozent-Sperrklausel nicht überwunden haben, sei kein Grund, das Vorliegen ver-
änderter Verhältnisse bzw. neuer Entwicklungen anzunehmen, die eine Neubewertung der verfassungsrecht-
lichen Zulässigkeit der Sperrklausel erforderten. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Sperrklausel sei
nicht von der Gesamtzahl der Stimmen für diejenigen Parteien abhängig, die die Sperrklausel bei einer ein-
zelnen Wahl nicht überwinden. Die Sperrklausel rechtfertige sich vielmehr durch den mit ihr verfolgten ver-
fassungsrechtlich legitimen Zweck, die Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages sicherzustellen (siehe
die Nachweise unter 1.). Sie erfülle ihren Zweck gerade dann, wenn viele an der Wahl teilnehmende Parteien
die Sperrklausel nicht überwinden, aber ohne Sperrklausel Sitze im Parlament erlangt hätten, da auf diese
Weise eine die stabile Mehrheitsbildung gefährdende Zersplitterung des Bundestages vermieden werde.

4. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel stehe nicht entgegen, dass eine
hohe Zahl von Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die aufgrund der Sperrklausel nicht an der Sitzvertei-
lung teilnehmen, eine absolute Mehrheit der Sitze für Parteien ermögliche, die bei der Wahl deutlich weniger
als der Hälfte der Stimmen erreicht haben. Das Erreichen einer Mehrheit der Sitze im Parlament sei immer
mit weniger als der Hälfte der gültigen Zweitstimmen möglich. Denn auch ohne Sperrklausel erhalte nicht
jede Partei, für die bei der Wahl gültige Stimmen abgegeben wurden, automatisch einen Sitz. Da für einen
Sitz auch ohne Sperrklausel stets eine bestimmte Zahl von Stimmen erforderlich sei, führten nicht alle Stim-
men zu einem Sitzerfolg und darum weniger als 50 Prozent der gültigen Zweitstimmen zu einer Mehrheit der
Sitze. Ein Verfassungsrechtssatz des Inhalts, dass einer Mehrheit der Mitglieder des Bundestages notwendi-
gerweise eine Mehrheit der Zweitstimmen in der Bundestagswahl entsprechen müsse, sei nicht feststellbar.
Wenn aber eine Partei in einer Wahl eine absolute Mehrheit der Zweitstimmen erhalte, sei gesichert, dass auf
sie mehr als die Hälfte der Sitze entfalle (§ 6 Absatz 7 BWG).

5. Gegen die Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht vorgebracht werden, sie verhindere bzw. erschwere
in übermäßiger Weise die Entstehung oder Etablierung neuer Parteien und schränke dadurch in unzulässiger
Weise die Chancengleichheit der Parteien ein. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Chancengleichheit
der Parteien verlange nicht, dass jeder Partei, die bei der Bundestagswahl Stimmen erhalte, Sitze im Bundes-
tag garantiert seien. Jede Partei habe rechtlich die gleiche Chance auf Teilnahme an der Sitzverteilung bei
Überwindung der Sperrklausel. Wenn eine Partei die für alle geltende Sperrklausel nicht überwinde, so sei
dies Resultat zu geringer Zustimmung in der Wählerschaft und gerade nicht ungleicher Chancen, denn die
unterschiedliche Gewichtung des Erfolgswerts von Wahlstimmen durch eine Sperrklausel treffe alle Parteien
gleichermaßen (vgl. BVerfGE 82, 322 [345]).

Dass die Fünf-Prozent-Sperrklausel die Entstehung und Etablierung neuer Parteien nicht verhindere oder
übermäßig erschwere, zeige der Einzug in die Parlamente auch neuer Parteien in den vergangenen Jahren bei
Bundestagswahlen und Landtagswahlen, bei denen nach Landesrecht ebenfalls Fünf-Prozent-Sperrklauseln
bestünden. Die Sperrklauseln trügen zu einem Mindestmaß an Konsolidierung neuer Parteien bei, indem sie
eine funktionierende Organisation und eine hinreichende Kampagnenfähigkeit der Partei erforderlich mach-
ten, um einen erfolgreichen Wahlkampf zu führen, der den Einzug ins Parlament ermögliche. Auch das Bun-
desverfassungsgericht sehe in ständiger Rechtsprechung in der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestags-
wahlen keinen verfassungswidrigen Eingriff in die Chancengleichheit der Parteien (siehe die Nachweise un-
ter 1.).

Drucksache 18/1810 – 26 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

6. Die Fünf-Prozent-Sperrklausel habe nicht zur Folge, dass die Parteien, die die Sperrklausel überwunden
haben und deshalb an der Sitzverteilung teilnehmen, von den Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die an
der Sperrklausel gescheitert sind und somit nicht an der Sitzverteilung teilnehmen, profitierten und die Wäh-
ler bei der Stimmabgabe nicht erkennen könnten, welche Partei letztlich tatsächlich von ihrer Zweitstimme
profitiere. Von der Zweitstimme für eine Partei profitiere stets die Partei, für die die Stimme abgegeben wor-
den sei. Wenn eine Partei aufgrund eines zur Überwindung der Sperrklausel nicht ausreichenden Zuspruchs
in der Wählerschaft nicht an der Sitzverteilung teilnehme, würden die zu vergebenden Sitze auf die Parteien
verteilt, die die Sperrklausel überwunden haben. Diese Parteien profitierten bei dieser Verteilung von den für
sie abgegebenen Zweitstimmen, nicht von den Zweitstimmen für die an der Sperrklausel gescheiterten Partei-
en, die wegen Nichtteilnahme an der Sitzverteilung zu keinem Sitzerfolg führten.

7. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht entgegengehalten
werden, der Umstand, dass aufgrund der Sperrklausel eine hohe Zahl von Stimmen bei der Sitzverteilung
unberücksichtigt bleibe, befördere die Politikverdrossenheit der Wahlberechtigten. Unabhängig davon, ob
dies tatsächlich der Fall sei, habe sich der Gesetzgeber dazu entschieden, der Sicherung der Funktionsfähig-
keit des Parlaments Vorrang vor derartigen Erwägungen einzuräumen. Das Bundesverfassungsgericht erachte
dies in ständiger Rechtsprechung für verfassungsrechtlich zulässig (siehe die Nachweise unter 1.). Ein wegen
Zersplitterung in kleine und kleinste Fraktionen nicht mehrheits- und handlungsfähiges Parlament, das zur
Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nicht in der Lage sei, wäre zudem in weit höherem Maße geeignet, Politikverdrossenheit zu för-
dern.

8. Aufgrund der verfassungskonformen Ausgestaltung der Fünf-Prozent-Sperrklausel im geltenden Bundes-
wahlgesetz sei der Wahlgesetzgeber auch nicht zur Einführung einer Alternativstimme („Eventualstimme“,
„Ersatzstimme“ bzw. „Stimmweitergabe-Option“) verpflichtet. Ergänzend sei darauf verwiesen, dass im
Schrifttum gegen die Einführung einer solchen Alternativstimme verfassungsrechtliche Bedenken geltend
gemacht würden: Eine Alternativstimme sei mit dem Charakter der Stimmabgabe als einer vorbehaltlosen
und bedingungsfeindlichen Willenserklärung nicht zu vereinbaren und verstoße daher gegen den Grundsatz
der Unmittelbarkeit der Wahl im Sinne des Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) und gegen
das Demokratieprinzip nach Artikel 20 Absatz 1 GG (so Strelen, in: Schreiber, Bundeswahlgesetz, 9. Auflage
2013, § 6 Rn. 37 sowie Schreiber, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: 43. Lfg.
April 2014, Art. 38 Rn. 40, 132). Überdies wäre die Gewährung einer Alternativstimme auch keine verfas-
sungspolitisch angezeigte Fortentwicklung des Wahlrechts. Sie würde das Stimmabgabeverfahren verkompli-
zieren, die Ermittlung des Wahlergebnisses wesentlich erschweren und verzögern und den Wähler von einer
eindeutigen politischen Entscheidung ohne Vorbehalt und Rückfallposition entpflichten (vgl. im Einzelnen
hierzu Strelen, in: Schreiber, § 6 Rn. 37).

9. Die Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Klausel sei schließlich auch nicht davon abhängig, dass Par-
teien, die jeweils mit einer eigenen Liste an der Bundestagswahl teilnehmen, ihre Landeslisten verbinden
dürften, um als Zählgemeinschaft die Sperrklausel zu überwinden. Derartige Listenverbindungen verschiede-
ner Parteien bei der Bundestagswahl seien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wegen
Verstoßes gegen den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit der Parteien verfas-
sungswidrig (BVerfGE 82, 322 [345 f.]). Eine derartige Listenverbindung würde allein dem Zweck dienen,
die verfassungslegitime Zielsetzung einer Fünf-Prozent-Sperrklausel, die Verhinderung einer Zersplitterung
des Parlaments, zu umgehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet. Dem Vortrag des Einspruchsführers lässt sich kein Verstoß
gegen Wahlrechtsvorschriften und damit kein Wahlfehler entnehmen.

1. Die Wahlteilnahme der NPD stellt keinen Wahlfehler dar. Die NPD war zur Bundestagswahl zuzulassen,
da sie die Kriterien hierfür gemäß § 18 Absätze 2 bis 4 BWG erfüllte. Sie hat gemäß § 20 und § 27 BWG
Kreiswahlvorschläge und Landeslistenvorschläge eingereicht und somit an der Wahl teilnehmen können. Der
Bundesrat hat erst am 3. Dezember 2013 – und damit nach der Bundestagswahl – einen Antrag beim Bundes-
verfassungsgericht gestellt, die NPD nach Artikel 21 Absatz 2 des Grundgesetzes zu verbieten. Selbst wenn
er diesen Antrag vor der Wahl gestellt hätte, hätte für die NPD wie für alle Parteien das sog. Parteienprivileg

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 27 – Drucksache 18/1810

gegolten. Danach dürfen sich Parteien solange politisch betätigen und insbesondere an Wahlen teilnehmen,
wie sie nicht vom Bundesverfassungsgericht verboten worden sind.

2. Das Verfahren zur Auszählung der Stimmen und zur Verteilung der Sitze auf die Landeslisten der Parteien
bei der Bundestagswahl 2013 entsprach den Vorgaben des Bundeswahlgesetzes. Dieses regelt in § 6 Absatz 6
Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1, dass bei der Verteilung der Sitze auf die Landes-
listen nur Parteien berücksichtigt werden, die mindestens fünf Prozent der im Wahlgebiet abgegebenen gülti-
gen Zweitstimmen erhalten oder in mindestens drei Wahlkreisen einen Sitz errungen haben. Begründeten
Anlass für Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Hürde hat der Wahlprüfungsausschuss
schon in zahlreichen Wahlprüfungsentscheidungen früherer Wahlperioden nicht gesehen (vgl. zuletzt Bun-
destagsdrucksachen 15/1850, Anlagen 9 und 47; 16/900, Anlage 14); unabhängig davon, dass der Wahlprü-
fungsausschuss und der Deutsche Bundestag in ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens
die Verfassungsmäßigkeit der für die Wahl geltenden Rechtsvorschriften ohnehin nicht überprüfen und eine
derartige Kontrolle stets dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten bleibt (vgl. etwa Bundestagsdrucksachen
16/1800, Anlagen 26 bis 28 mit weiteren Nachweisen; 17/1000, Anlagen 5 und 11; 17/2200, Anlagen 1, 13
bis 15, 17 bis 20, 23 und 24; 17/3100, Anlagen 15, 19, 20, 22 bis 30, 32, 34 bis 36; 17/4600, Anlagen 10, 12,
13, 32, 38, 40 bis 43 mit weiteren Nachweisen; 17/6300, Anlage 19). Zudem hat das Bundesverfassungsge-
richt die Verfassungsmäßigkeit der Sperrklausel in ihrer Ausgestaltung durch das Bundeswahlgesetz in stän-
diger Rechtsprechung bestätigt (vgl. BVerfGE 1, 208 [247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.];
82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366]; 95, 408 [417 ff.]; 120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.], siehe
auch Bundestagsdrucksache 16/900, Anlage 14). Es ist folglich verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden,
dass alle Parlamentssitze auf diejenigen Parteien verteilt werden, welche die Fünf-Prozent-Hürde überwun-
den haben. Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Sperrklausel durch ver-
änderte Verhältnisse infrage gestellt werden. Dies ist bezüglich der Bundestagswahl 2013 aber nicht der Fall,
wie das Bundesministerium des Innern – auch unter Bezugnahme auf die Urteile vom 9. November 2011 und
26. Februar 2014 – in seiner Stellungnahme zutreffend feststellt: Dass nach dem amtlichen Endergebnis der
Bundestagswahl 2013 insgesamt 15,7 Prozent der gültigen Zweitstimmen nicht in die Mandatsverteilung
eingeflossen sind, weil sie für insgesamt 25 Parteien abgegeben wurden, die bundesweit weniger als fünf
Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, ändert nichts an der vom Bundesverfassungsgericht festgestellten
Verfassungskonformität der Fünf-Prozent-Hürde. Zwar war der Anteil der gültigen, aber wegen der Sperr-
klausel nicht in die Sitzverteilung eingeflossenen Zweitstimmen bei der Bundestagswahl 2013 höher als bei
früheren Bundestagswahlen, da – anders als bei vorhergehenden Wahlen – zwei Parteien jeweils fast fünf
Prozent und zudem 23 weitere Parteien insgesamt 6,2 Prozent (für sich genommen aber teilweise weniger als
0,1 Prozent) erreicht haben. Jedoch ist dieser Umstand nicht atypisch oder zuvor unbekannt gewesen. Es ist
zudem durchaus möglich, dass er bei kommenden Bundestagswahlen mit anderen Wahlergebnissen nicht
(mehr) auftritt. Der Einzug neuer Parteien in den Deutschen Bundestag wird, wie Beispiele aus der Geschich-
te der Bundesrepublik zeigen, ohnehin nicht durch die Sperrklausel verhindert. Außerdem ist die Fünf-
Prozent-Hürde auf das jeweilige Ergebnis einer jeden Partei bezogen. Nur die konkrete Stimmenzahl jeder
Partei kann der Ausgangspunkt der Sitzverteilung auf die Landeslisten sein (vgl. § 6 Absatz 1 BWG) – übri-
gens auch dann, wenn man gedanklich die Sperrklausel streicht oder eine niedrigere Sperrklausel ansetzt –;
erst im zweiten Schritt ist die Stimmenzahl einer jeden Partei in Relation zu den Stimmenanteilen der anderen
Parteien zu setzen (vgl. § 6 Absätze 2 bis 7 BWG). Die gedankliche Addition von Zweitstimmenanteilen
kann folglich für die Fünf-Prozent-Hürde keine Aussagekraft beanspruchen.

Im Übrigen sind Wahlbündnisse im Sinne von Listenverbindungen verschiedener Parteien verfassungswidrig
(vgl. BVerfGE 82, 322 [345 f.].

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 29 – Drucksache 18/1810

Anlage 4

Beschlussempfehlung

ZumWahleinspruch

des Herrn P. J., 79539 Lörrach,

– Az.: WP 23/13 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag
am 22. September 2013

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 26. Juni 2014 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit einem Schreiben vom 25. September 2013 Einspruch gegen die Gültigkeit der
Wahl zum 18. Deutschen Bundestag am 22. September 2013 eingelegt.

Er wendet sich mit seinem Wahleinspruch gegen die Sperrklausel (Fünf-Prozent-Hürde) im Bundeswahlge-
setz (BWG). Die daraus folgende Nichtberücksichtigung von zwei Parteien (FDP und „Alternative für
Deutschland“ [AfD]), die lediglich 0,2 bzw. 0,3 Prozent unter der Fünf-Prozent-Hürde gelegen hätten, verlet-
ze das in Artikel 38 des Grundgesetzes (GG) verankerte Wahlrecht von mehr als vier Millionen Wählerinnen
und Wählern, deren Stimmen von der Sitzverteilung auf die Landeslisten ausgeschlossen blieben. Bei den
Bundestagswahlen 2005 und 2009 seien 1.857.610 bzw. 2.606.902 Stimmen nicht berücksichtigt worden.
Nach dem Wahlergebnis der Wahl am 22. September 2013 seien gemäß § 6 Absatz 3 BWG jedoch 6.855.044
Stimmen nicht zu berücksichtigen gewesen. Dies sei ein „Quantensprung“ im Vergleich zu den vorherigen
beiden Bundestagswahlen, nicht kalkulierbar gewesen und habe nicht Gegenstand des politischen Wettbe-
werbs, des Wahlkampfs, sein können. Die Stimmenzahl der FDP und der AfD liege zusammengerechnet über
dem Ergebnis der Partei Die Linke, die 3752577 Stimmen erhalten habe, und somit auf „Platz 3“ hinter
CDU/CSU und SPD. Der Vergleich solle die Ungerechtigtkeit der Handhabung des § 6 Absatz 3 BWG zei-
gen, der im Interesse der Demokratie geändert werden müsse, um nicht das Nichtwählen zu fördern.

Wegen des weiteren Vortrages des Einspruchsführers wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Das Bundesministerium des Innern hat zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-
Sperrklausel am 16. Juni 2014 wie folgt Stellung genommen:

1. Das Bundesverfassungsgericht erachte in ständiger Rechtsprechung bei Wahlen zum Deutschen Bundestag
die heute in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG vorgesehene, auf
das gesamte Wahlgebiet bezogene Fünf-Prozent-Sperrklausel für verfassungsgemäß (vgl. BVerfGE 1, 208
[247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366]; 95, 408 [417 ff.];
120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.]). Zuletzt habe das Gericht in seinem Urteil vom
9. Januar 2011 zur Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen entschieden, dass die Fünf-Prozent-
Sperrklausel bei der Wahl zum Deutschen Bundestag ihre Rechtfertigung im Wesentlichen darin finde, dass
die Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende
Unterstützung nötig sei und dieses Ziel durch die Zersplitterung des Parlaments in viele kleine Gruppen ge-
fährdet werde (BVerfGE 129, 300 [335 f.]). In der Entscheidung vom 26. Februar 2014 (2 BvE 2/13 u. a.) zur
Drei-Prozent-Sperrklausel im Europawahlrecht habe das Gericht erneut bestätigt, dass eine Sperrklausel ge-
rechtfertigt sein könne, wenn Verhältnisse wie auf nationaler Ebene gegeben sind, wo die Bildung einer
stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Unterstützung nötig
sei (ebd. Rn. 72).

Angesichts der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei der Wahlgesetzgeber verfas-
sungsrechtlich nicht daran gehindert, bei der Verteilung der zu vergebenden Sitze auf die Landeslisten bei der

Drucksache 18/1810 – 30 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Bundestagswahl grundsätzlich nur die Parteien zu berücksichtigen, die mindestens fünf Prozent der im Wahl-
gebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten haben (§ 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Ab-
satz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG). Es sei ihm mit anderen Worten von Verfassungs wegen unbenommen,
gültige Zweitstimmen, die auf Landeslisten von Parteien entfallen sind, die nicht die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben, zwar für die Ergebnisfeststellung als relevant zu werten (§ 42 BWG), nicht
aber für die Sitzverteilung. Der Wahlgesetzgeber dürfe also ohne Verstoß gegen Bundesverfassungsrecht alle
zu vergebenden Parlamentssitze auf die Landeslisten derjenigen Parteien verteilen, die die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben.

Im Interesse der Handlungsfähigkeit des Deutschen Bundestages habe der Wahlgesetzgeber bisher an der auf
das gesamte Wahlgebiet bezogenen Fünf-Prozent-Sperrklausel, die seit der Wahl zum 2. Deutschen Bundes-
tag 1953 gilt, festgehalten. Denn eine Wahl habe – wie das Bundesverfassungsgericht betone (vgl. BVerfGE
51, 222 [236]) – „nicht nur das Ziel, eine Volksvertretung zu schaffen, die ein Spiegelbild der in der Wähler-
schaft vorhandenen politischen Meinungen darstellt, sondern sie soll auch ein funktionsfähiges Organ her-
vorbringen.“ Hierfür seien „(k)lare und ihrer Verantwortung für das Gesamtwohl bewusste Mehrheiten in
einer Volksvertretung (…) für eine Bewältigung der ihr gestellten Aufgaben unentbehrlich“, die durch einen
unbegrenzten Proporz nicht gewährleistet sind.

2. Zwar könne nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die verfassungsrechtliche Rechtfer-
tigung einer die Wahlgleichheit berührenden Norm des Wahlrechts wie eine Sperrklauselregelung durch ver-
änderte Verhältnisse oder neue Entwicklungen – etwa durch eine Änderung der vom Gesetzgeber vorausge-
setzten tatsächlichen oder normativen Grundlagen oder wenn sich die beim Erlass der Norm hinsichtlich ihrer
Auswirkungen angestellte Prognose als irrig erwiesen habe – in Frage gestellt werden (BVerfGE 82, 322
[338 f.]; 120, 82 [108]; 129, 300 [321 f.]; Urteil vom 26. Februar 2014, Az. 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 56). Dies
sei im Hinblick auf die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen jedoch nicht der Fall.

Eine Änderung der normativen Grundlagen für die Beurteilung der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundes-
tagswahlen, die das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung als verfassungsgemäß angesehen
habe, sei nicht festzustellen. Insbesondere führten das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
9. November 2011 zur Verfassungswidrigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen (BVerfGE
129, 300) und sein Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Sperrklausel im
Europawahlgesetz (2 BvE 2/13 u. a.) nicht zu einer abweichenden Bewertung. Das Bundesverfassungsgericht
begründe die Verfassungswidrigkeit der Sperrklauseln bei Europawahlen in diesen Urteilen mit der besonde-
ren Stellung und Funktion des Europäischen Parlaments im Gefüge der Organe der Europäischen Union, wo
eine vergleichbare Interessenlage wie bei der Bundestagswahl nicht bestehe (BVerfGE 129, 300 [336]). Auch
in seinem Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Klausel im Europawahl-
gesetz halte das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich an der gefestigten Rechtsprechung zum verfassungs-
rechtlichen Maßstab für die Beurteilung wahlrechtlicher Sperrklauseln fest und lege – wie es mehrfach beto-
ne – seinem Urteil die gleichen Prüfungsmaßstäbe wie im Urteil vom 9. November 2011 zugrunde (Az. 2
BvE 2/13 u. a., Rn. 37, 45, 63). In beiden Urteilen weise das Gericht zudem darauf hin, dass bei der Bundes-
tagswahl – anders als bei der Europawahl – der Deutsche Bundestag im Falle einer eintretenden Funktionsbe-
einträchtigung aufgrund seiner veränderten strukturellen Zusammensetzung nicht mehr in der Lage wäre, die
gesetzlichen Regelungen zur Sicherung seiner Funktionsfähigkeit zu ändern, weil die erforderliche Mehrheit
nicht mehr zustande käme (BVerfGE 129, 300 [324]; Urteil vom 26. Februar 2014, 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 58).

3. Auch in tatsächlicher Hinsicht erfordere das Wahlergebnis der Bundestagswahl 2013, bei der zwei Parteien
mit einem Stimmenanteil von 4,8 Prozent bzw. 4,7 Prozent der Zweitstimmen vergleichsweise knapp an der
Fünf-Prozent-Klausel gescheitert seien, keine Neubewertung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der
Klausel. Der Gesetzgeber habe sich für die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen entschieden und
diese bis heute beibehalten, um in Konstellationen, in denen eine oder mehrere Parteien weniger als fünf
Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, die Funktionsfähigkeit des Bundestages sicherzustellen. Wenn eine
solche Konstellation bei einer Wahl – wie nun der Bundestagswahl 2013 – tatsächlich auftrete, liege gerade
nicht der Fall vor, dass sich eine Prognose des Gesetzgebers als irrig erwiesen habe oder dass eine Änderung
der vom Gesetzgeber vorausgesetzten tatsächlichen Verhältnisse eingetreten sei, sondern es habe sich ledig-
lich ein Szenario realisiert, das der Gesetzgeber mit seiner Regelung von vornherein habe erfassen wollen.
Auch das Bundesverfassungsgericht habe die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen in Kenntnis
des Umstands, dass an ihr nicht nur Parteien mit einem niedrigen Stimmenanteil zwischen null und zwei

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 31 – Drucksache 18/1810

Prozent der Zweitstimmen, sondern auch Parteien mit einem Stimmenanteil knapp unter fünf Prozent schei-
tern können, in ständiger Rechtsprechung als verfassungsmäßig angesehen (siehe die Nachweise unter 1.).

Die bei der Bundestagswahl 2013 aufgetretene hohe Gesamtzahl von abgegebenen gültigen Zweitstimmen
für Parteien, die die Fünf-Prozent-Sperrklausel nicht überwunden haben, sei kein Grund, das Vorliegen ver-
änderter Verhältnisse bzw. neuer Entwicklungen anzunehmen, die eine Neubewertung der verfassungsrecht-
lichen Zulässigkeit der Sperrklausel erforderten. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Sperrklausel sei
nicht von der Gesamtzahl der Stimmen für diejenigen Parteien abhängig, die die Sperrklausel bei einer ein-
zelnen Wahl nicht überwinden. Die Sperrklausel rechtfertige sich vielmehr durch den mit ihr verfolgten ver-
fassungsrechtlich legitimen Zweck, die Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages sicherzustellen (siehe
die Nachweise unter 1.). Sie erfülle ihren Zweck gerade dann, wenn viele an der Wahl teilnehmende Parteien
die Sperrklausel nicht überwinden, aber ohne Sperrklausel Sitze im Parlament erlangt hätten, da auf diese
Weise eine die stabile Mehrheitsbildung gefährdende Zersplitterung des Bundestages vermieden werde.

4. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel stehe nicht entgegen, dass eine
hohe Zahl von Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die aufgrund der Sperrklausel nicht an der Sitzvertei-
lung teilnehmen, eine absolute Mehrheit der Sitze für Parteien ermögliche, die bei der Wahl deutlich weniger
als der Hälfte der Stimmen erreicht haben. Das Erreichen einer Mehrheit der Sitze im Parlament sei immer
mit weniger als der Hälfte der gültigen Zweitstimmen möglich. Denn auch ohne Sperrklausel erhalte nicht
jede Partei, für die bei der Wahl gültige Stimmen abgegeben wurden, automatisch einen Sitz. Da für einen
Sitz auch ohne Sperrklausel stets eine bestimmte Zahl von Stimmen erforderlich sei, führten nicht alle Stim-
men zu einem Sitzerfolg und darum weniger als 50 Prozent der gültigen Zweitstimmen zu einer Mehrheit der
Sitze. Ein Verfassungsrechtssatz des Inhalts, dass einer Mehrheit der Mitglieder des Bundestages notwendi-
gerweise eine Mehrheit der Zweitstimmen in der Bundestagswahl entsprechen müsse, sei nicht feststellbar.
Wenn aber eine Partei in einer Wahl eine absolute Mehrheit der Zweitstimmen erhalte, sei gesichert, dass auf
sie mehr als die Hälfte der Sitze entfalle (§ 6 Absatz 7 BWG).

5. Gegen die Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht vorgebracht werden, sie verhindere bzw. erschwere
in übermäßiger Weise die Entstehung oder Etablierung neuer Parteien und schränke dadurch in unzulässiger
Weise die Chancengleichheit der Parteien ein. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Chancengleichheit
der Parteien verlange nicht, dass jeder Partei, die bei der Bundestagswahl Stimmen erhalte, Sitze im Bundes-
tag garantiert seien. Jede Partei habe rechtlich die gleiche Chance auf Teilnahme an der Sitzverteilung bei
Überwindung der Sperrklausel. Wenn eine Partei die für alle geltende Sperrklausel nicht überwinde, so sei
dies Resultat zu geringer Zustimmung in der Wählerschaft und gerade nicht ungleicher Chancen, denn die
unterschiedliche Gewichtung des Erfolgswerts von Wahlstimmen durch eine Sperrklausel treffe alle Parteien
gleichermaßen (vgl. BVerfGE 82, 322 [345]).

Dass die Fünf-Prozent-Sperrklausel die Entstehung und Etablierung neuer Parteien nicht verhindere oder
übermäßig erschwere, zeige der Einzug in die Parlamente auch neuer Parteien in den vergangenen Jahren bei
Bundestagswahlen und Landtagswahlen, bei denen nach Landesrecht ebenfalls Fünf-Prozent-Sperrklauseln
bestünden. Die Sperrklauseln trügen zu einem Mindestmaß an Konsolidierung neuer Parteien bei, indem sie
eine funktionierende Organisation und eine hinreichende Kampagnenfähigkeit der Partei erforderlich mach-
ten, um einen erfolgreichen Wahlkampf zu führen, der den Einzug ins Parlament ermögliche. Auch das Bun-
desverfassungsgericht sehe in ständiger Rechtsprechung in der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestags-
wahlen keinen verfassungswidrigen Eingriff in die Chancengleichheit der Parteien (siehe die Nachweise un-
ter 1.).

6. Die Fünf-Prozent-Sperrklausel habe nicht zur Folge, dass die Parteien, die die Sperrklausel überwunden
haben und deshalb an der Sitzverteilung teilnehmen, von den Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die an
der Sperrklausel gescheitert sind und somit nicht an der Sitzverteilung teilnehmen, profitierten und die Wäh-
ler bei der Stimmabgabe nicht erkennen könnten, welche Partei letztlich tatsächlich von ihrer Zweitstimme
profitiere. Von der Zweitstimme für eine Partei profitiere stets die Partei, für die die Stimme abgegeben wor-
den sei. Wenn eine Partei aufgrund eines zur Überwindung der Sperrklausel nicht ausreichenden Zuspruchs
in der Wählerschaft nicht an der Sitzverteilung teilnehme, würden die zu vergebenden Sitze auf die Parteien
verteilt, die die Sperrklausel überwunden haben. Diese Parteien profitierten bei dieser Verteilung von den für
sie abgegebenen Zweitstimmen, nicht von den Zweitstimmen für die an der Sperrklausel gescheiterten Partei-
en, die wegen Nichtteilnahme an der Sitzverteilung zu keinem Sitzerfolg führten.

Drucksache 18/1810 – 32 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

7. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht entgegengehalten
werden, der Umstand, dass aufgrund der Sperrklausel eine hohe Zahl von Stimmen bei der Sitzverteilung
unberücksichtigt bleibe, befördere die Politikverdrossenheit der Wahlberechtigten. Unabhängig davon, ob
dies tatsächlich der Fall sei, habe sich der Gesetzgeber dazu entschieden, der Sicherung der Funktionsfähig-
keit des Parlaments Vorrang vor derartigen Erwägungen einzuräumen. Das Bundesverfassungsgericht erachte
dies in ständiger Rechtsprechung für verfassungsrechtlich zulässig (siehe die Nachweise unter 1.). Ein wegen
Zersplitterung in kleine und kleinste Fraktionen nicht mehrheits- und handlungsfähiges Parlament, das zur
Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nicht in der Lage sei, wäre zudem in weit höherem Maße geeignet, Politikverdrossenheit zu för-
dern.

8. Aufgrund der verfassungskonformen Ausgestaltung der Fünf-Prozent-Sperrklausel im geltenden Bundes-
wahlgesetz sei der Wahlgesetzgeber auch nicht zur Einführung einer Alternativstimme („Eventualstimme“,
„Ersatzstimme“ bzw. „Stimmweitergabe-Option“) verpflichtet. Ergänzend sei darauf verwiesen, dass im
Schrifttum gegen die Einführung einer solchen Alternativstimme verfassungsrechtliche Bedenken geltend
gemacht würden: Eine Alternativstimme sei mit dem Charakter der Stimmabgabe als einer vorbehaltlosen
und bedingungsfeindlichen Willenserklärung nicht zu vereinbaren und verstoße daher gegen den Grundsatz
der Unmittelbarkeit der Wahl im Sinne des Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 GG und gegen das Demokratieprinzip
nach Artikel 20 Absatz 1 GG (so Strelen, in: Schreiber, Bundeswahlgesetz, 9. Auflage 2013, § 6 Rn. 37 so-
wie Schreiber, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: 43. Lfg. April 2014, Art. 38
Rn. 40, 132). Überdies wäre die Gewährung einer Alternativstimme auch keine verfassungspolitisch ange-
zeigte Fortentwicklung des Wahlrechts. Sie würde das Stimmabgabeverfahren verkomplizieren, die Ermitt-
lung des Wahlergebnisses wesentlich erschweren und verzögern und den Wähler von einer eindeutigen poli-
tischen Entscheidung ohne Vorbehalt und Rückfallposition entpflichten (vgl. im Einzelnen hierzu Strelen, in:
Schreiber, 9. Auflage 2013, § 6 Rn. 37).

9. Die Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Klausel sei schließlich auch nicht davon abhängig, dass Par-
teien, die jeweils mit einer eigenen Liste an der Bundestagswahl teilnehmen, ihre Landeslisten verbinden
dürften, um als Zählgemeinschaft die Sperrklausel zu überwinden. Derartige Listenverbindungen verschiede-
ner Parteien bei der Bundestagswahl seien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wegen
Verstoßes gegen den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit der Parteien verfas-
sungswidrig (BVerfGE 82, 322 [345 f.]). Eine derartige Listenverbindung würde allein dem Zweck dienen,
die verfassungslegitime Zielsetzung einer Fünf-Prozent-Sperrklausel, die Verhinderung einer Zersplitterung
des Parlaments, zu umgehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet. Dem Vortrag des Einspruchsführers lässt sich kein Verstoß
gegen Wahlrechtsvorschriften und damit kein Wahlfehler entnehmen.

Der Einspruchsführer bestreitet nicht, dass das Verfahren zur Auszählung der Stimmen und zur Verteilung
der Sitze auf die Landeslisten der Parteien bei der Bundestagswahl 2013 den Vorgaben des Bundeswahlge-
setzes entsprach. Dieses regelt in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1,
dass bei der Verteilung der Sitze auf die Landeslisten nur Parteien berücksichtigt werden, die mindestens fünf
Prozent der im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten oder in mindestens drei Wahlkrei-
sen einen Sitz errungen haben. Soweit der Einspruchsführer geltend macht, die Sperrklausel verletze das in
Artikel 38 GG verankerte Wahlrecht, ist darauf hinzuweisen, dass der Wahlprüfungsausschuss und der Deut-
sche Bundestag in ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens die Verfassungsmäßigkeit der
für die Wahl geltenden Rechtsvorschriften nicht überprüfen. Eine derartige Kontrolle ist stets dem Bundes-
verfassungsgericht vorbehalten worden (vgl. etwa Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlagen 26 bis 28 mit
weiteren Nachweisen; 17/1000, Anlagen 5 und 11; 17/2200, Anlagen 1, 13 bis 15, 17 bis 20, 23 und 24;
17/3100, Anlagen 15, 19, 20, 22 bis 30, 32, 34 bis 36; 17/4600, Anlagen 10, 12, 13, 32, 38, 40 bis 43 mit
weiteren Nachweisen; 17/6300, Anlage 19). Allerdings hat der Wahlprüfungsausschuss schon in zahlreichen
Wahlprüfungsentscheidungen früherer Wahlperioden keinen Anlass für Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit
der Regelung gesehen (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen 15/1850, Anlagen 9 und 47; 16/900, Anlage 14),
zumal das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit der Sperrklausel in ihrer Ausgestaltung durch
das Bundeswahlgesetz in ständiger Rechtsprechung bestätigt hat (vgl. BVerfGE 1, 208 [247 ff.]; 4, 31

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 33 – Drucksache 18/1810

[39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366]; 95, 408 [417 ff.]; 120, 82 [109 ff.];
122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.], siehe auch Bundestagsdrucksache 16/900, Anlage 14). Es ist folglich
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass alle Parlamentssitze auf diejenigen Parteien verteilt werden,
welche die Fünf-Prozent-Hürde überwunden haben. Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfas-
sungsgerichts die Sperrklausel durch veränderte Verhältnisse infrage gestellt werden. Dies ist bezüglich der
Bundestagswahl 2013 aber nicht der Fall, wie das Bundesministerium des Innern – auch unter Bezugnahme
auf die Urteile vom 9. November 2011 und 26. Februar 2014 – in seiner Stellungnahme zutreffend feststellt:
Dass nach dem amtlichen Endergebnis der Bundestagswahl 2013 insgesamt 15,7 Prozent der gültigen Zweit-
stimmen nicht in die Mandatsverteilung eingeflossen sind, weil sie für insgesamt 25 Parteien abgegeben wur-
den, die bundesweit weniger als fünf Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, ändert nichts an der vom
Bundesverfassungsgericht festgestellten Verfassungskonformität der Fünf-Prozent-Hürde. Zwar war der An-
teil der gültigen, aber wegen der Sperrklausel nicht in die Sitzverteilung eingeflossenen Zweitstimmen bei
der Bundestagswahl 2013 höher als bei früheren Bundestagswahlen, da – anders als bei vorhergehenden
Wahlen – zwei Parteien jeweils fast fünf Prozent und zudem 23 weitere Parteien insgesamt 6,2 Prozent (für
sich genommen aber teilweise weniger als 0,1 Prozent) erreicht haben. Jedoch ist dieser Umstand nicht aty-
pisch oder zuvor unbekannt gewesen. Es ist zudem durchaus möglich, dass er bei kommenden Bundestags-
wahlen mit anderen Wahlergebnissen nicht (mehr) auftritt. Der Einzug neuer Parteien in den Deutschen Bun-
destag wird, wie Beispiele aus der Geschichte der Bundesrepublik zeigen, ohnehin nicht durch die Sperrklau-
sel verhindert. Außerdem ist die Fünf-Prozent-Hürde auf das jeweilige Ergebnis einer jeden Partei bezogen.
Nur die konkrete Stimmenzahl jeder Partei kann der Ausgangspunkt der Sitzverteilung auf die Landeslisten
sein (vgl. § 6 Absatz 1 BWG) – übrigens auch dann, wenn man gedanklich die Sperrklausel streicht oder eine
niedrigere Sperrklausel ansetzt –; erst im zweiten Schritt ist die Stimmenzahl einer jeden Partei in Relation zu
den Stimmenanteilen der anderen Parteien zu setzen (vgl. § 6 Absätze 2 bis 7 BWG). Die gedankliche Addi-
tion von Zweitstimmenanteilen kann folglich für die Fünf-Prozent-Hürde keine Aussagekraft beanspruchen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 35 – Drucksache 18/1810

Anlage 5

Beschlussempfehlung

ZumWahleinspruch

des Herrn D. R., 48147 Münster,

– Az.: WP 24/13 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag
am 22. September 2013

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 26. Juni 2014 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit einem Schreiben vom 23. September 2013 hat der Einspruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit der
Wahl zum 18. Deutschen Bundestag am 22. September 2013 eingelegt.

Er meint, die Anwendung des § 6 des Bundeswahlgesetzes (BWG) auf das amtliche Endergebnis verletze den
in Artikel 38 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) niedergelegten Grundsatz der Gleichheit der Wahl. Die Funk-
tionsfähigkeit des Parlaments vermöge nicht zu rechtfertigen, dass über 15 Prozent der Wählerstimmen nicht
im Deutschen Bundestag vertreten seien.

Das Bundesministerium des Innern hat zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-
Sperrklausel am 16. Juni 2014 wie folgt Stellung genommen:

1. Das Bundesverfassungsgericht erachte in ständiger Rechtsprechung bei Wahlen zum Deutschen Bundestag
die heute in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG vorgesehene, auf
das gesamte Wahlgebiet bezogene Fünf-Prozent-Sperrklausel für verfassungsgemäß (vgl. BVerfGE 1, 208
[247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366]; 95, 408 [417 ff.];
120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.]). Zuletzt habe das Gericht in seinem Urteil vom
9. Januar 2011 zur Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen entschieden, dass die Fünf-Prozent-
Sperrklausel bei der Wahl zum Deutschen Bundestag ihre Rechtfertigung im Wesentlichen darin finde, dass
die Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende
Unterstützung nötig sei und dieses Ziel durch die Zersplitterung des Parlaments in viele kleine Gruppen ge-
fährdet werde (BVerfGE 129, 300 [335 f.]). In der Entscheidung vom 26. Februar 2014 (2 BvE 2/13 u. a.) zur
Drei-Prozent-Sperrklausel im Europawahlrecht habe das Gericht erneut bestätigt, dass eine Sperrklausel ge-
rechtfertigt sein könne, wenn Verhältnisse wie auf nationaler Ebene gegeben sind, wo die Bildung einer
stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Unterstützung nötig
sei (ebd. Rn. 72).

Angesichts der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei der Wahlgesetzgeber verfas-
sungsrechtlich nicht daran gehindert, bei der Verteilung der zu vergebenden Sitze auf die Landeslisten bei der
Bundestagswahl grundsätzlich nur die Parteien zu berücksichtigen, die mindestens fünf Prozent der im Wahl-
gebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten haben (§ 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Ab-
satz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG). Es sei ihm mit anderen Worten von Verfassungs wegen unbenommen,
gültige Zweitstimmen, die auf Landeslisten von Parteien entfallen sind, die nicht die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben, zwar für die Ergebnisfeststellung als relevant zu werten (§ 42 BWG), nicht
aber für die Sitzverteilung. Der Wahlgesetzgeber dürfe also ohne Verstoß gegen Bundesverfassungsrecht alle
zu vergebenden Parlamentssitze auf die Landeslisten derjenigen Parteien verteilen, die die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben.

Im Interesse der Handlungsfähigkeit des Deutschen Bundestages habe der Wahlgesetzgeber bisher an der auf
das gesamte Wahlgebiet bezogenen Fünf-Prozent-Sperrklausel, die seit der Wahl zum 2. Deutschen Bundes-

Drucksache 18/1810 – 36 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

tag 1953 gilt, festgehalten. Denn eine Wahl habe – wie das Bundesverfassungsgericht betone (vgl. BVerfGE
51, 222 [236]) – „nicht nur das Ziel, eine Volksvertretung zu schaffen, die ein Spiegelbild der in der Wähler-
schaft vorhandenen politischen Meinungen darstellt, sondern sie soll auch ein funktionsfähiges Organ her-
vorbringen.“ Hierfür seien „(k)lare und ihrer Verantwortung für das Gesamtwohl bewusste Mehrheiten in
einer Volksvertretung (…) für eine Bewältigung der ihr gestellten Aufgaben unentbehrlich“, die durch einen
unbegrenzten Proporz nicht gewährleistet sind.

2. Zwar könne nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die verfassungsrechtliche Rechtfer-
tigung einer die Wahlgleichheit berührenden Norm des Wahlrechts wie eine Sperrklauselregelung durch ver-
änderte Verhältnisse oder neue Entwicklungen – etwa durch eine Änderung der vom Gesetzgeber vorausge-
setzten tatsächlichen oder normativen Grundlagen oder wenn sich die beim Erlass der Norm hinsichtlich ihrer
Auswirkungen angestellte Prognose als irrig erwiesen habe – in Frage gestellt werden (BVerfGE 82, 322
[338 f.]; 120, 82 [108]; 129, 300 [321 f.]; Urteil vom 26. Februar 2014, Az. 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 56). Dies
sei im Hinblick auf die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen jedoch nicht der Fall.

Eine Änderung der normativen Grundlagen für die Beurteilung der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundes-
tagswahlen, die das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung als verfassungsgemäß angesehen
habe, sei nicht festzustellen. Insbesondere führten das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
9. November 2011 zur Verfassungswidrigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen (BVerfGE
129, 300) und sein Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Sperrklausel im
Europawahlgesetz (2 BvE 2/13 u. a.) nicht zu einer abweichenden Bewertung. Das Bundesverfassungsgericht
begründe die Verfassungswidrigkeit der Sperrklauseln bei Europawahlen in diesen Urteilen mit der besonde-
ren Stellung und Funktion des Europäischen Parlaments im Gefüge der Organe der Europäischen Union, wo
eine vergleichbare Interessenlage wie bei der Bundestagswahl nicht bestehe (BVerfGE 129, 300 [336]). Auch
in seinem Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Klausel im Europawahl-
gesetz halte das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich an der gefestigten Rechtsprechung zum verfassungs-
rechtlichen Maßstab für die Beurteilung wahlrechtlicher Sperrklauseln fest und lege – wie es mehrfach beto-
ne – seinem Urteil die gleichen Prüfungsmaßstäbe wie im Urteil vom 9. November 2011 zugrunde (Az. 2
BvE 2/13 u. a., Rn. 37, 45, 63). In beiden Urteilen weise das Gericht zudem darauf hin, dass bei der Bundes-
tagswahl – anders als bei der Europawahl – der Deutsche Bundestag im Falle einer eintretenden Funktionsbe-
einträchtigung aufgrund seiner veränderten strukturellen Zusammensetzung nicht mehr in der Lage wäre, die
gesetzlichen Regelungen zur Sicherung seiner Funktionsfähigkeit zu ändern, weil die erforderliche Mehrheit
nicht mehr zustande käme (BVerfGE 129, 300 [324]; Urteil vom 26. Februar 2014, 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 58).

3. Auch in tatsächlicher Hinsicht erfordere das Wahlergebnis der Bundestagswahl 2013, bei der zwei Parteien
mit einem Stimmenanteil von 4,8 Prozent bzw. 4,7 Prozent der Zweitstimmen vergleichsweise knapp an der
Fünf-Prozent-Klausel gescheitert seien, keine Neubewertung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der
Klausel. Der Gesetzgeber habe sich für die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen entschieden und
diese bis heute beibehalten, um in Konstellationen, in denen eine oder mehrere Parteien weniger als fünf
Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, die Funktionsfähigkeit des Bundestages sicherzustellen. Wenn eine
solche Konstellation bei einer Wahl – wie nun der Bundestagswahl 2013 – tatsächlich auftrete, liege gerade
nicht der Fall vor, dass sich eine Prognose des Gesetzgebers als irrig erwiesen habe oder dass eine Änderung
der vom Gesetzgeber vorausgesetzten tatsächlichen Verhältnisse eingetreten sei, sondern es habe sich ledig-
lich ein Szenario realisiert, das der Gesetzgeber mit seiner Regelung von vornherein habe erfassen wollen.
Auch das Bundesverfassungsgericht habe die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen in Kenntnis
des Umstands, dass an ihr nicht nur Parteien mit einem niedrigen Stimmenanteil zwischen null und zwei
Prozent der Zweitstimmen, sondern auch Parteien mit einem Stimmenanteil knapp unter fünf Prozent schei-
tern können, in ständiger Rechtsprechung als verfassungsmäßig angesehen (siehe die Nachweise unter 1.).

Die bei der Bundestagswahl 2013 aufgetretene hohe Gesamtzahl von abgegebenen gültigen Zweitstimmen
für Parteien, die die Fünf-Prozent-Sperrklausel nicht überwunden haben, sei kein Grund, das Vorliegen ver-
änderter Verhältnisse bzw. neuer Entwicklungen anzunehmen, die eine Neubewertung der verfassungsrecht-
lichen Zulässigkeit der Sperrklausel erforderten. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Sperrklausel sei
nicht von der Gesamtzahl der Stimmen für diejenigen Parteien abhängig, die die Sperrklausel bei einer ein-
zelnen Wahl nicht überwinden. Die Sperrklausel rechtfertige sich vielmehr durch den mit ihr verfolgten ver-
fassungsrechtlich legitimen Zweck, die Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages sicherzustellen (siehe
die Nachweise unter 1.). Sie erfülle ihren Zweck gerade dann, wenn viele an der Wahl teilnehmende Parteien

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 37 – Drucksache 18/1810

die Sperrklausel nicht überwinden, aber ohne Sperrklausel Sitze im Parlament erlangt hätten, da auf diese
Weise eine die stabile Mehrheitsbildung gefährdende Zersplitterung des Bundestages vermieden werde.

4. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel stehe nicht entgegen, dass eine
hohe Zahl von Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die aufgrund der Sperrklausel nicht an der Sitzvertei-
lung teilnehmen, eine absolute Mehrheit der Sitze für Parteien ermögliche, die bei der Wahl deutlich weniger
als der Hälfte der Stimmen erreicht haben. Das Erreichen einer Mehrheit der Sitze im Parlament sei immer
mit weniger als der Hälfte der gültigen Zweitstimmen möglich. Denn auch ohne Sperrklausel erhalte nicht
jede Partei, für die bei der Wahl gültige Stimmen abgegeben wurden, automatisch einen Sitz. Da für einen
Sitz auch ohne Sperrklausel stets eine bestimmte Zahl von Stimmen erforderlich sei, führten nicht alle Stim-
men zu einem Sitzerfolg und darum weniger als 50 Prozent der gültigen Zweitstimmen zu einer Mehrheit der
Sitze. Ein Verfassungsrechtssatz des Inhalts, dass einer Mehrheit der Mitglieder des Bundestages notwendi-
gerweise eine Mehrheit der Zweitstimmen in der Bundestagswahl entsprechen müsse, sei nicht feststellbar.
Wenn aber eine Partei in einer Wahl eine absolute Mehrheit der Zweitstimmen erhalte, sei gesichert, dass auf
sie mehr als die Hälfte der Sitze entfalle (§ 6 Absatz 7 BWG).

5. Gegen die Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht vorgebracht werden, sie verhindere bzw. erschwere
in übermäßiger Weise die Entstehung oder Etablierung neuer Parteien und schränke dadurch in unzulässiger
Weise die Chancengleichheit der Parteien ein. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Chancengleichheit
der Parteien verlange nicht, dass jeder Partei, die bei der Bundestagswahl Stimmen erhalte, Sitze im Bundes-
tag garantiert seien. Jede Partei habe rechtlich die gleiche Chance auf Teilnahme an der Sitzverteilung bei
Überwindung der Sperrklausel. Wenn eine Partei die für alle geltende Sperrklausel nicht überwinde, so sei
dies Resultat zu geringer Zustimmung in der Wählerschaft und gerade nicht ungleicher Chancen, denn die
unterschiedliche Gewichtung des Erfolgswerts von Wahlstimmen durch eine Sperrklausel treffe alle Parteien
gleichermaßen (vgl. BVerfGE 82, 322 [345]).

Dass die Fünf-Prozent-Sperrklausel die Entstehung und Etablierung neuer Parteien nicht verhindere oder
übermäßig erschwere, zeige der Einzug in die Parlamente auch neuer Parteien in den vergangenen Jahren bei
Bundestagswahlen und Landtagswahlen, bei denen nach Landesrecht ebenfalls Fünf-Prozent-Sperrklauseln
bestünden. Die Sperrklauseln trügen zu einem Mindestmaß an Konsolidierung neuer Parteien bei, indem sie
eine funktionierende Organisation und eine hinreichende Kampagnenfähigkeit der Partei erforderlich mach-
ten, um einen erfolgreichen Wahlkampf zu führen, der den Einzug ins Parlament ermögliche. Auch das Bun-
desverfassungsgericht sehe in ständiger Rechtsprechung in der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestags-
wahlen keinen verfassungswidrigen Eingriff in die Chancengleichheit der Parteien (siehe die Nachweise un-
ter 1.).

6. Die Fünf-Prozent-Sperrklausel habe nicht zur Folge, dass die Parteien, die die Sperrklausel überwunden
haben und deshalb an der Sitzverteilung teilnehmen, von den Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die an
der Sperrklausel gescheitert sind und somit nicht an der Sitzverteilung teilnehmen, profitierten und die Wäh-
ler bei der Stimmabgabe nicht erkennen könnten, welche Partei letztlich tatsächlich von ihrer Zweitstimme
profitiere. Von der Zweitstimme für eine Partei profitiere stets die Partei, für die die Stimme abgegeben wor-
den sei. Wenn eine Partei aufgrund eines zur Überwindung der Sperrklausel nicht ausreichenden Zuspruchs
in der Wählerschaft nicht an der Sitzverteilung teilnehme, würden die zu vergebenden Sitze auf die Parteien
verteilt, die die Sperrklausel überwunden haben. Diese Parteien profitierten bei dieser Verteilung von den für
sie abgegebenen Zweitstimmen, nicht von den Zweitstimmen für die an der Sperrklausel gescheiterten Partei-
en, die wegen Nichtteilnahme an der Sitzverteilung zu keinem Sitzerfolg führten.

7. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht entgegengehalten
werden, der Umstand, dass aufgrund der Sperrklausel eine hohe Zahl von Stimmen bei der Sitzverteilung
unberücksichtigt bleibe, befördere die Politikverdrossenheit der Wahlberechtigten. Unabhängig davon, ob
dies tatsächlich der Fall sei, habe sich der Gesetzgeber dazu entschieden, der Sicherung der Funktionsfähig-
keit des Parlaments Vorrang vor derartigen Erwägungen einzuräumen. Das Bundesverfassungsgericht erachte
dies in ständiger Rechtsprechung für verfassungsrechtlich zulässig (siehe die Nachweise unter 1.). Ein wegen
Zersplitterung in kleine und kleinste Fraktionen nicht mehrheits- und handlungsfähiges Parlament, das zur
Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nicht in der Lage sei, wäre zudem in weit höherem Maße geeignet, Politikverdrossenheit zu för-
dern.

Drucksache 18/1810 – 38 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

8. Aufgrund der verfassungskonformen Ausgestaltung der Fünf-Prozent-Sperrklausel im geltenden Bundes-
wahlgesetz sei der Wahlgesetzgeber auch nicht zur Einführung einer Alternativstimme („Eventualstimme“,
„Ersatzstimme“ bzw. „Stimmweitergabe-Option“) verpflichtet. Ergänzend sei darauf verwiesen, dass im
Schrifttum gegen die Einführung einer solchen Alternativstimme verfassungsrechtliche Bedenken geltend
gemacht würden: Eine Alternativstimme sei mit dem Charakter der Stimmabgabe als einer vorbehaltlosen
und bedingungsfeindlichen Willenserklärung nicht zu vereinbaren und verstoße daher gegen den Grundsatz
der Unmittelbarkeit der Wahl im Sinne des Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 GG und gegen das Demokratieprinzip
nach Artikel 20 Absatz 1 GG (so Strelen, in: Schreiber, Bundeswahlgesetz, 9. Auflage 2013, § 6 Rn. 37 so-
wie Schreiber, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: 43. Lfg. April 2014, Art. 38
Rn. 40, 132). Überdies wäre die Gewährung einer Alternativstimme auch keine verfassungspolitisch ange-
zeigte Fortentwicklung des Wahlrechts. Sie würde das Stimmabgabeverfahren verkomplizieren, die Ermitt-
lung des Wahlergebnisses wesentlich erschweren und verzögern und den Wähler von einer eindeutigen poli-
tischen Entscheidung ohne Vorbehalt und Rückfallposition entpflichten (vgl. im Einzelnen hierzu Strelen, in:
Schreiber, § 6 Rn. 37).

9. Die Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Klausel sei schließlich auch nicht davon abhängig, dass Par-
teien, die jeweils mit einer eigenen Liste an der Bundestagswahl teilnehmen, ihre Landeslisten verbinden
dürften, um als Zählgemeinschaft die Sperrklausel zu überwinden. Derartige Listenverbindungen verschiede-
ner Parteien bei der Bundestagswahl seien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wegen
Verstoßes gegen den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit der Parteien verfas-
sungswidrig (BVerfGE 82, 322 [345 f.]). Eine derartige Listenverbindung würde allein dem Zweck dienen,
die verfassungslegitime Zielsetzung einer Fünf-Prozent-Sperrklausel, die Verhinderung einer Zersplitterung
des Parlaments, zu umgehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet. Dem Vortrag des Einspruchsführers lässt sich kein Verstoß
gegen Wahlrechtsvorschriften und damit kein Wahlfehler entnehmen.

Der Einspruchsführer bestreitet nicht, dass das Verfahren zur Auszählung der Stimmen und zur Verteilung
der Sitze auf die Landeslisten der Parteien bei der Bundestagswahl 2013 den Vorgaben des Bundeswahlge-
setzes entsprach. Dieses regelt in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1,
dass bei der Verteilung der Sitze auf die Landeslisten nur Parteien berücksichtigt werden, die mindestens fünf
Prozent der im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten oder in mindestens drei Wahlkrei-
sen einen Sitz errungen haben. Soweit der Einspruchsführer geltend macht, die Sperrklausel verletze den
Grundsatz der Wahlgleichheit, ist darauf hinzuweisen, dass der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche
Bundestag in ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens die Verfassungsmäßigkeit der für
die Wahl geltenden Rechtsvorschriften nicht überprüfen. Eine derartige Kontrolle ist stets dem Bundesverfas-
sungsgericht vorbehalten worden (vgl. etwa Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlagen 26 bis 28 mit weiteren
Nachweisen; 17/1000, Anlagen 5 und 11; 17/2200, Anlagen 1, 13 bis 15, 17 bis 20, 23 und 24; 17/3100, An-
lagen 15, 19, 20, 22 bis 30, 32, 34 bis 36; 17/4600, Anlagen 10, 12, 13, 32, 38, 40 bis 43 mit weiteren Nach-
weisen; 17/6300, Anlage 19). Allerdings hat der Wahlprüfungsausschuss schon in zahlreichen Wahlprü-
fungsentscheidungen früherer Wahlperioden keinen Anlass für Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der
Regelung gesehen (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen 15/1850, Anlagen 9 und 47; 16/900, Anlage 14),
zumal das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit der Sperrklausel in ihrer Ausgestaltung durch
das Bundeswahlgesetz in ständiger Rechtsprechung bestätigt hat (vgl. BVerfGE 1, 208 [247 ff.]; 4, 31
[39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366]; 95, 408 [417 ff.]; 120, 82 [109 ff.];
122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.], siehe auch Bundestagsdrucksache 16/900, Anlage 14). Es ist folglich
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass alle Parlamentssitze auf diejenigen Parteien verteilt werden,
welche die Fünf-Prozent-Hürde überwunden haben. Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfas-
sungsgerichts die Sperrklausel durch veränderte Verhältnisse infrage gestellt werden. Dies ist bezüglich der
Bundestagswahl 2013 aber nicht der Fall, wie das Bundesministerium des Innern – auch unter Bezugnahme
auf die Urteile vom 9. November 2011 und 26. Februar 2014 – in seiner Stellungnahme zutreffend feststellt:
Dass nach dem amtlichen Endergebnis der Bundestagswahl 2013 insgesamt 15,7 Prozent der gültigen Zweit-
stimmen nicht in die Mandatsverteilung eingeflossen sind, weil sie für insgesamt 25 Parteien abgegeben wur-
den, die bundesweit weniger als fünf Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, ändert nichts an der vom

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 39 – Drucksache 18/1810

Bundesverfassungsgericht festgestellten Verfassungskonformität der Fünf-Prozent-Hürde. Zwar war der An-
teil der gültigen, aber wegen der Sperrklausel nicht in die Sitzverteilung eingeflossenen Zweitstimmen bei
der Bundestagswahl 2013 höher als bei früheren Bundestagswahlen, da – anders als bei vorhergehenden
Wahlen – zwei Parteien jeweils fast fünf Prozent und zudem 23 weitere Parteien insgesamt 6,2 Prozent (für
sich genommen aber teilweise weniger als 0,1 Prozent) erreicht haben. Jedoch ist dieser Umstand nicht aty-
pisch oder zuvor unbekannt gewesen. Es ist zudem durchaus möglich, dass er bei kommenden Bundestags-
wahlen mit anderen Wahlergebnissen nicht (mehr) auftritt. Der Einzug neuer Parteien in den Deutschen Bun-
destag wird, wie Beispiele aus der Geschichte der Bundesrepublik zeigen, ohnehin nicht durch die Sperrklau-
sel verhindert. Außerdem ist die Fünf-Prozent-Hürde auf das jeweilige Ergebnis einer jeden Partei bezogen.
Nur die konkrete Stimmenzahl jeder Partei kann der Ausgangspunkt der Sitzverteilung auf die Landeslisten
sein (vgl. § 6 Absatz 1 BWG) – übrigens auch dann, wenn man gedanklich die Sperrklausel streicht oder eine
niedrigere Sperrklausel ansetzt –; erst im zweiten Schritt ist die Stimmenzahl einer jeden Partei in Relation zu
den Stimmenanteilen der anderen Parteien zu setzen (vgl. § 6 Absätze 2 bis 7 BWG). Die gedankliche Addi-
tion von Zweitstimmenanteilen kann folglich für die Fünf-Prozent-Hürde keine Aussagekraft beanspruchen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 41 – Drucksache 18/1810

Anlage 6

Beschlussempfehlung

ZumWahleinspruch

des Herrn V. S., 30455 Hannover,

– Az.: WP 39/13 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag
am 22. September 2013

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 26. Juni 2014 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit einem Schreiben vom 30. September 2013 Einspruch gegen die Gültigkeit der
Wahl zum 18. Deutschen Bundestag am 22. September 2013 eingelegt.

Der Einspruchsführer wendet sich gegen die Fünf-Prozent-Klausel. Diese verstoße jedenfalls für die Wahl
zum 18. Deutschen Bundestag gegen das Demokratieprinzip, den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit der
Bürger sowie, im engen Zusammenhang damit, den Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien. Sie sei
verfassungswidrig. Die Sperrklausel bedeute einen Eingriff in die genannten beiden Gleichheitsrechte. Dies
zeige insbesondere die Ungleichgewichtung der Wählerstimmen. Denn 15,7 Prozent der gültigen Stimmen
hätten aufgrund der Klausel keinen Erfolgswert gehabt. Die für einen solchen Eingriff erforderliche besonde-
re Rechtfertigung sei nicht gegeben. Das Bundesverfassungsgericht habe in seinem Urteil vom 13. Februar
2008 ausgeführt, dass eine Sperrklausel nach den aktuellen Verhältnissen beurteilt werden müsse. Aus dieser
„Realanalyse“ müsse sich mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine ernsthafte Gefährdung der Funktionsfä-
higkeit der Volksvertretung ohne Sperrklausel ergeben. Diesen Nachweis habe der deutsche Gesetzgeber
bezüglich der angegriffenen Bundestagswahl nicht erbracht: Die Fünf-Prozent-Hürde sei willkürlich und
untergrabe die Legitimität der Wahlentscheidung. Für eine solche absolute Sperrklausel gebe es keine Be-
gründung außer den „Lehren aus Weimar“. Bislang seien nur „Randparteien“ an der Sperrklausel gescheitert.
So seien z. B. bei der Bundestagswahl 2009 nur sechs Prozent der Stimmen auf die „Sonstigen“ entfallen. Die
Sperrklausel habe also eine Zersplitterung des Parlaments verhindert. Bei der Bundestagswahl 2013 seien
wegen der Fünf-Prozent-Hürde aber rund sieben Millionen gültige Stimmen für die Sitzverteilung nicht be-
rücksichtigt worden. Somit habe sich eine relevante tatsächliche Änderung im Vergleich zu früheren Wahlen
ergeben. CDU und CSU, die fast eine absolute Mehrheit erreicht hätten, kämen auf nur 23 Prozent der Wäh-
lerstimmen. Das sei keine Mehrheit, die dem Verfassungsgrundsatz, wonach alle Staatsgewalt vom Volke
ausgehe, genüge. Außerdem fielen nicht nur die Stimmen für die Parteien unterhalb von fünf Prozent „unter
den Tisch“. Zugleich führe die Fünf-Prozent-Klausel zu deutlich veränderten Mehrheitsverhältnissen im Par-
lament. Verfassungskonform sei nur eine „dynamische Sperrklausel“, die sich am Prozentsatz der unberück-
sichtigten Stimmen orientiere. Dieser dürfe seinerseits nicht größer als 4,99 Prozent sein. Die Verfassungs-
widrigkeit der Fünf-Prozent-Hürde (als Wahlfehler) habe auch Auswirkungen auf die Mandatsverteilung.
Denn ohne die verfassungswidrige Sperrklausel ergebe sich eine andere Verteilung von insgesamt acht Man-
daten, die auf Kandidaten von sieben (an anderer Stelle spricht der Einspruchsführer von fünfzehn) bislang
unberücksichtigten Parteien entfallen wären.

Wegen der Einzelheiten des Vortrages des Einspruchsführers wird auf den Inhalt der Akten Bezug genom-
men.

Das Bundesministerium des Innern hat zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-
Sperrklausel am 16. Juni 2014 wie folgt Stellung genommen:

Drucksache 18/1810 – 42 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

1. Das Bundesverfassungsgericht erachte in ständiger Rechtsprechung bei Wahlen zum Deutschen Bundestag
die heute in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1 des Bundeswahlgesetzes
(BWG) vorgesehene, auf das gesamte Wahlgebiet bezogene Fünf-Prozent-Sperrklausel für verfassungsgemäß
(vgl. BVerfGE 1, 208 [247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366];
95, 408 [417 ff.]; 120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.]). Zuletzt habe das Gericht in seinem
Urteil vom 9. Januar 2011 zur Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen entschieden, dass die Fünf-
Prozent-Sperrklausel bei der Wahl zum Deutschen Bundestag ihre Rechtfertigung im Wesentlichen darin
finde, dass die Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren
fortlaufende Unterstützung nötig sei und dieses Ziel durch die Zersplitterung des Parlaments in viele kleine
Gruppen gefährdet werde (BVerfGE 129, 300 [335 f.]). In der Entscheidung vom 26. Februar 2014 (2 BvE
2/13 u. a.) zur Drei-Prozent-Sperrklausel im Europawahlrecht habe das Gericht erneut bestätigt, dass eine
Sperrklausel gerechtfertigt sein könne, wenn Verhältnisse wie auf nationaler Ebene gegeben sind, wo die
Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nötig sei (ebd. Rn. 72).

Angesichts der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei der Wahlgesetzgeber verfas-
sungsrechtlich nicht daran gehindert, bei der Verteilung der zu vergebenden Sitze auf die Landeslisten bei der
Bundestagswahl grundsätzlich nur die Parteien zu berücksichtigen, die mindestens fünf Prozent der im Wahl-
gebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten haben (§ 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Ab-
satz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG). Es sei ihm mit anderen Worten von Verfassungs wegen unbenommen,
gültige Zweitstimmen, die auf Landeslisten von Parteien entfallen sind, die nicht die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben, zwar für die Ergebnisfeststellung als relevant zu werten (§ 42 BWG), nicht
aber für die Sitzverteilung. Der Wahlgesetzgeber dürfe also ohne Verstoß gegen Bundesverfassungsrecht alle
zu vergebenden Parlamentssitze auf die Landeslisten derjenigen Parteien verteilen, die die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben.

Im Interesse der Handlungsfähigkeit des Deutschen Bundestages habe der Wahlgesetzgeber bisher an der auf
das gesamte Wahlgebiet bezogenen Fünf-Prozent-Sperrklausel, die seit der Wahl zum 2. Deutschen Bundes-
tag 1953 gilt, festgehalten. Denn eine Wahl habe – wie das Bundesverfassungsgericht betone (vgl. BVerfGE
51, 222 [236]) – „nicht nur das Ziel, eine Volksvertretung zu schaffen, die ein Spiegelbild der in der Wähler-
schaft vorhandenen politischen Meinungen darstellt, sondern sie soll auch ein funktionsfähiges Organ her-
vorbringen.“ Hierfür seien „(k)lare und ihrer Verantwortung für das Gesamtwohl bewusste Mehrheiten in
einer Volksvertretung (…) für eine Bewältigung der ihr gestellten Aufgaben unentbehrlich“, die durch einen
unbegrenzten Proporz nicht gewährleistet sind.

2. Zwar könne nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die verfassungsrechtliche Rechtfer-
tigung einer die Wahlgleichheit berührenden Norm des Wahlrechts wie eine Sperrklauselregelung durch ver-
änderte Verhältnisse oder neue Entwicklungen – etwa durch eine Änderung der vom Gesetzgeber vorausge-
setzten tatsächlichen oder normativen Grundlagen oder wenn sich die beim Erlass der Norm hinsichtlich ihrer
Auswirkungen angestellte Prognose als irrig erwiesen habe – in Frage gestellt werden (BVerfGE 82, 322
[338 f.]; 120, 82 [108]; 129, 300 [321 f.]; Urteil vom 26. Februar 2014, Az. 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 56). Dies
sei im Hinblick auf die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen jedoch nicht der Fall.

Eine Änderung der normativen Grundlagen für die Beurteilung der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundes-
tagswahlen, die das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung als verfassungsgemäß angesehen
habe, sei nicht festzustellen. Insbesondere führten das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
9. November 2011 zur Verfassungswidrigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen (BVerfGE
129, 300) und sein Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Sperrklausel im
Europawahlgesetz (2 BvE 2/13 u. a.) nicht zu einer abweichenden Bewertung. Das Bundesverfassungsgericht
begründe die Verfassungswidrigkeit der Sperrklauseln bei Europawahlen in diesen Urteilen mit der besonde-
ren Stellung und Funktion des Europäischen Parlaments im Gefüge der Organe der Europäischen Union, wo
eine vergleichbare Interessenlage wie bei der Bundestagswahl nicht bestehe (BVerfGE 129, 300 [336]). Auch
in seinem Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Klausel im Europawahl-
gesetz halte das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich an der gefestigten Rechtsprechung zum verfassungs-
rechtlichen Maßstab für die Beurteilung wahlrechtlicher Sperrklauseln fest und lege – wie es mehrfach beto-
ne – seinem Urteil die gleichen Prüfungsmaßstäbe wie im Urteil vom 9. November 2011 zugrunde (Az. 2
BvE 2/13 u. a., Rn. 37, 45, 63). In beiden Urteilen weise das Gericht zudem darauf hin, dass bei der Bundes-
tagswahl – anders als bei der Europawahl – der Deutsche Bundestag im Falle einer eintretenden Funktionsbe-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 43 – Drucksache 18/1810

einträchtigung aufgrund seiner veränderten strukturellen Zusammensetzung nicht mehr in der Lage wäre, die
gesetzlichen Regelungen zur Sicherung seiner Funktionsfähigkeit zu ändern, weil die erforderliche Mehrheit
nicht mehr zustande käme (BVerfGE 129, 300 [324]; Urteil vom 26. Februar 2014, 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 58).

3. Auch in tatsächlicher Hinsicht erfordere das Wahlergebnis der Bundestagswahl 2013, bei der zwei Parteien
mit einem Stimmenanteil von 4,8 Prozent bzw. 4,7 Prozent der Zweitstimmen vergleichsweise knapp an der
Fünf-Prozent-Klausel gescheitert seien, keine Neubewertung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der
Klausel. Der Gesetzgeber habe sich für die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen entschieden und
diese bis heute beibehalten, um in Konstellationen, in denen eine oder mehrere Parteien weniger als fünf
Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, die Funktionsfähigkeit des Bundestages sicherzustellen. Wenn eine
solche Konstellation bei einer Wahl – wie nun der Bundestagswahl 2013 – tatsächlich auftrete, liege gerade
nicht der Fall vor, dass sich eine Prognose des Gesetzgebers als irrig erwiesen habe oder dass eine Änderung
der vom Gesetzgeber vorausgesetzten tatsächlichen Verhältnisse eingetreten sei, sondern es habe sich ledig-
lich ein Szenario realisiert, das der Gesetzgeber mit seiner Regelung von vornherein habe erfassen wollen.
Auch das Bundesverfassungsgericht habe die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen in Kenntnis
des Umstands, dass an ihr nicht nur Parteien mit einem niedrigen Stimmenanteil zwischen null und zwei
Prozent der Zweitstimmen, sondern auch Parteien mit einem Stimmenanteil knapp unter fünf Prozent schei-
tern können, in ständiger Rechtsprechung als verfassungsmäßig angesehen (siehe die Nachweise unter 1.).

Die bei der Bundestagswahl 2013 aufgetretene hohe Gesamtzahl von abgegebenen gültigen Zweitstimmen
für Parteien, die die Fünf-Prozent-Sperrklausel nicht überwunden haben, sei kein Grund, das Vorliegen ver-
änderter Verhältnisse bzw. neuer Entwicklungen anzunehmen, die eine Neubewertung der verfassungsrecht-
lichen Zulässigkeit der Sperrklausel erforderten. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Sperrklausel sei
nicht von der Gesamtzahl der Stimmen für diejenigen Parteien abhängig, die die Sperrklausel bei einer ein-
zelnen Wahl nicht überwinden. Die Sperrklausel rechtfertige sich vielmehr durch den mit ihr verfolgten ver-
fassungsrechtlich legitimen Zweck, die Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages sicherzustellen (siehe
die Nachweise unter 1.). Sie erfülle ihren Zweck gerade dann, wenn viele an der Wahl teilnehmende Parteien
die Sperrklausel nicht überwinden, aber ohne Sperrklausel Sitze im Parlament erlangt hätten, da auf diese
Weise eine die stabile Mehrheitsbildung gefährdende Zersplitterung des Bundestages vermieden werde.

4. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel stehe nicht entgegen, dass eine
hohe Zahl von Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die aufgrund der Sperrklausel nicht an der Sitzvertei-
lung teilnehmen, eine absolute Mehrheit der Sitze für Parteien ermögliche, die bei der Wahl deutlich weniger
als der Hälfte der Stimmen erreicht haben. Das Erreichen einer Mehrheit der Sitze im Parlament sei immer
mit weniger als der Hälfte der gültigen Zweitstimmen möglich. Denn auch ohne Sperrklausel erhalte nicht
jede Partei, für die bei der Wahl gültige Stimmen abgegeben wurden, automatisch einen Sitz. Da für einen
Sitz auch ohne Sperrklausel stets eine bestimmte Zahl von Stimmen erforderlich sei, führten nicht alle Stim-
men zu einem Sitzerfolg und darum weniger als 50 Prozent der gültigen Zweitstimmen zu einer Mehrheit der
Sitze. Ein Verfassungsrechtssatz des Inhalts, dass einer Mehrheit der Mitglieder des Bundestages notwendi-
gerweise eine Mehrheit der Zweitstimmen in der Bundestagswahl entsprechen müsse, sei nicht feststellbar.
Wenn aber eine Partei in einer Wahl eine absolute Mehrheit der Zweitstimmen erhalte, sei gesichert, dass auf
sie mehr als die Hälfte der Sitze entfalle (§ 6 Absatz 7 BWG).

5. Gegen die Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht vorgebracht werden, sie verhindere bzw. erschwere
in übermäßiger Weise die Entstehung oder Etablierung neuer Parteien und schränke dadurch in unzulässiger
Weise die Chancengleichheit der Parteien ein. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Chancengleichheit
der Parteien verlange nicht, dass jeder Partei, die bei der Bundestagswahl Stimmen erhalte, Sitze im Bundes-
tag garantiert seien. Jede Partei habe rechtlich die gleiche Chance auf Teilnahme an der Sitzverteilung bei
Überwindung der Sperrklausel. Wenn eine Partei die für alle geltende Sperrklausel nicht überwinde, so sei
dies Resultat zu geringer Zustimmung in der Wählerschaft und gerade nicht ungleicher Chancen, denn die
unterschiedliche Gewichtung des Erfolgswerts von Wahlstimmen durch eine Sperrklausel treffe alle Parteien
gleichermaßen (vgl. BVerfGE 82, 322 [345]).

Dass die Fünf-Prozent-Sperrklausel die Entstehung und Etablierung neuer Parteien nicht verhindere oder
übermäßig erschwere, zeige der Einzug in die Parlamente auch neuer Parteien in den vergangenen Jahren bei
Bundestagswahlen und Landtagswahlen, bei denen nach Landesrecht ebenfalls Fünf-Prozent-Sperrklauseln
bestünden. Die Sperrklauseln trügen zu einem Mindestmaß an Konsolidierung neuer Parteien bei, indem sie
eine funktionierende Organisation und eine hinreichende Kampagnenfähigkeit der Partei erforderlich mach-

Drucksache 18/1810 – 44 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

ten, um einen erfolgreichen Wahlkampf zu führen, der den Einzug ins Parlament ermögliche. Auch das Bun-
desverfassungsgericht sehe in ständiger Rechtsprechung in der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestags-
wahlen keinen verfassungswidrigen Eingriff in die Chancengleichheit der Parteien (siehe die Nachweise un-
ter 1.).

6. Die Fünf-Prozent-Sperrklausel habe nicht zur Folge, dass die Parteien, die die Sperrklausel überwunden
haben und deshalb an der Sitzverteilung teilnehmen, von den Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die an
der Sperrklausel gescheitert sind und somit nicht an der Sitzverteilung teilnehmen, profitierten und die Wäh-
ler bei der Stimmabgabe nicht erkennen könnten, welche Partei letztlich tatsächlich von ihrer Zweitstimme
profitiere. Von der Zweitstimme für eine Partei profitiere stets die Partei, für die die Stimme abgegeben wor-
den sei. Wenn eine Partei aufgrund eines zur Überwindung der Sperrklausel nicht ausreichenden Zuspruchs
in der Wählerschaft nicht an der Sitzverteilung teilnehme, würden die zu vergebenden Sitze auf die Parteien
verteilt, die die Sperrklausel überwunden haben. Diese Parteien profitierten bei dieser Verteilung von den für
sie abgegebenen Zweitstimmen, nicht von den Zweitstimmen für die an der Sperrklausel gescheiterten Partei-
en, die wegen Nichtteilnahme an der Sitzverteilung zu keinem Sitzerfolg führten.

7. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht entgegengehalten
werden, der Umstand, dass aufgrund der Sperrklausel eine hohe Zahl von Stimmen bei der Sitzverteilung
unberücksichtigt bleibe, befördere die Politikverdrossenheit der Wahlberechtigten. Unabhängig davon, ob
dies tatsächlich der Fall sei, habe sich der Gesetzgeber dazu entschieden, der Sicherung der Funktionsfähig-
keit des Parlaments Vorrang vor derartigen Erwägungen einzuräumen. Das Bundesverfassungsgericht erachte
dies in ständiger Rechtsprechung für verfassungsrechtlich zulässig (siehe die Nachweise unter 1.). Ein wegen
Zersplitterung in kleine und kleinste Fraktionen nicht mehrheits- und handlungsfähiges Parlament, das zur
Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nicht in der Lage sei, wäre zudem in weit höherem Maße geeignet, Politikverdrossenheit zu för-
dern.

8. Aufgrund der verfassungskonformen Ausgestaltung der Fünf-Prozent-Sperrklausel im geltenden Bundes-
wahlgesetz sei der Wahlgesetzgeber auch nicht zur Einführung einer Alternativstimme („Eventualstimme“,
„Ersatzstimme“ bzw. „Stimmweitergabe-Option“) verpflichtet. Ergänzend sei darauf verwiesen, dass im
Schrifttum gegen die Einführung einer solchen Alternativstimme verfassungsrechtliche Bedenken geltend
gemacht würden: Eine Alternativstimme sei mit dem Charakter der Stimmabgabe als einer vorbehaltlosen
und bedingungsfeindlichen Willenserklärung nicht zu vereinbaren und verstoße daher gegen den Grundsatz
der Unmittelbarkeit der Wahl im Sinne des Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) und gegen
das Demokratieprinzip nach Artikel 20 Absatz 1 GG (so Strelen, in: Schreiber, Bundeswahlgesetz, 9. Auflage
2013, § 6 Rn. 37 sowie Schreiber, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: 43. Lfg.
April 2014, Art. 38 Rn. 40, 132). Überdies wäre die Gewährung einer Alternativstimme auch keine verfas-
sungspolitisch angezeigte Fortentwicklung des Wahlrechts. Sie würde das Stimmabgabeverfahren verkompli-
zieren, die Ermittlung des Wahlergebnisses wesentlich erschweren und verzögern und den Wähler von einer
eindeutigen politischen Entscheidung ohne Vorbehalt und Rückfallposition entpflichten (vgl. im Einzelnen
hierzu Strelen, in: Schreiber, § 6 Rn. 37).

9. Die Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Klausel sei schließlich auch nicht davon abhängig, dass Par-
teien, die jeweils mit einer eigenen Liste an der Bundestagswahl teilnehmen, ihre Landeslisten verbinden
dürften, um als Zählgemeinschaft die Sperrklausel zu überwinden. Derartige Listenverbindungen verschiede-
ner Parteien bei der Bundestagswahl seien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wegen
Verstoßes gegen den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit der Parteien verfas-
sungswidrig (BVerfGE 82, 322 [345 f.]). Eine derartige Listenverbindung würde allein dem Zweck dienen,
die verfassungslegitime Zielsetzung einer Fünf-Prozent-Sperrklausel, die Verhinderung einer Zersplitterung
des Parlaments, zu umgehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet. Dem Vortrag des Einspruchsführers lässt sich kein Verstoß
gegen Wahlrechtsvorschriften und damit kein Wahlfehler entnehmen.

Der Einspruchsführer bestreitet nicht, dass das Verfahren zur Auszählung der Stimmen und zur Verteilung
der Sitze auf die Landeslisten der Parteien bei der Bundestagswahl 2013 den Vorgaben des Bundeswahlge-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 45 – Drucksache 18/1810

setzes entsprach. Dieses regelt in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1,
dass bei der Verteilung der Sitze auf die Landeslisten nur Parteien berücksichtigt werden, die mindestens fünf
Prozent der im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten oder in mindestens drei Wahlkrei-
sen einen Sitz errungen haben. Soweit der Einspruchsführer geltend macht, die Sperrklausel verstoße – jeden-
falls für die Wahl zum 18. Deutschen Bundestag – gegen das Demokratieprinzip, den Grundsatz der Wahl-
rechtsgleichheit der Bürger sowie, im engen Zusammenhang damit, den Grundsatz der Chancengleichheit der
Parteien und sei verfassungswidrig, ist darauf hinzuweisen, dass der Wahlprüfungsausschuss und der Deut-
sche Bundestag in ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens die Verfassungsmäßigkeit der
für die Wahl geltenden Rechtsvorschriften nicht überprüfen. Eine derartige Kontrolle ist stets dem Bundes-
verfassungsgericht vorbehalten worden (vgl. etwa Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlagen 26 bis 28 mit
weiteren Nachweisen; 17/1000, Anlagen 5 und 11; 17/2200, Anlagen 1, 13 bis 15, 17 bis 20, 23 und 24;
17/3100, Anlagen 15, 19, 20, 22 bis 30, 32, 34 bis 36; 17/4600, Anlagen 10, 12, 13, 32, 38, 40 bis 43 mit
weiteren Nachweisen; 17/6300, Anlage 19). Allerdings hat der Wahlprüfungsausschuss schon in zahlreichen
Wahlprüfungsentscheidungen früherer Wahlperioden keinen Anlass für Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit
der Regelung gesehen (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen 15/1850, Anlagen 9 und 47; 16/900, Anlage 14),
zumal das Bundesverfassungsgericht, wie der Einspruchsführer selbst ausführt, die Verfassungsmäßigkeit der
Sperrklausel in ihrer Ausgestaltung durch das Bundeswahlgesetz in ständiger Rechtsprechung bestätigt hat
(vgl. BVerfGE 1, 208 [247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366];
95, 408 [417 ff.]; 120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.], siehe auch Bundestagsdrucksache
16/900, Anlage 14). Es ist folglich verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass alle Parlamentssitze auf
diejenigen Parteien verteilt werden, welche die Fünf-Prozent-Hürde überwunden haben. Zwar kann nach der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Sperrklausel durch veränderte Verhältnisse infrage ge-
stellt werden. Dies ist bezüglich der Bundestagswahl 2013 aber nicht der Fall, wie das Bundesministerium
des Innern – auch unter Bezugnahme auf die Urteile vom 9. November 2011 und 26. Februar 2014 – in seiner
Stellungnahme zutreffend feststellt: Dass nach dem amtlichen Endergebnis der Bundestagswahl 2013 insge-
samt 15,7 Prozent der gültigen Zweitstimmen nicht in die Mandatsverteilung eingeflossen sind, weil sie für
insgesamt 25 Parteien abgegeben wurden, die bundesweit weniger als fünf Prozent der Zweitstimmen erreicht
haben, ändert nichts an der vom Bundesverfassungsgericht festgestellten Verfassungskonformität der Fünf-
Prozent-Hürde. Zwar war der Anteil der gültigen, aber wegen der Sperrklausel nicht in die Sitzverteilung
eingeflossenen Zweitstimmen bei der Bundestagswahl 2013 höher als bei früheren Bundestagswahlen, da –
anders als bei vorhergehenden Wahlen – zwei Parteien jeweils fast fünf Prozent und zudem 23 weitere Par-
teien insgesamt 6,2 Prozent (für sich genommen aber teilweise weniger als 0,1 Prozent) erreicht haben. Je-
doch ist dieser Umstand nicht atypisch oder zuvor unbekannt gewesen. Es ist zudem durchaus möglich, dass
er bei kommenden Bundestagswahlen mit anderen Wahlergebnissen nicht (mehr) auftritt. Der Einzug neuer
Parteien in den Deutschen Bundestag wird, wie Beispiele aus der Geschichte der Bundesrepublik zeigen,
ohnehin nicht durch die Sperrklausel verhindert. Außerdem ist die Fünf-Prozent-Hürde auf das jeweilige
Ergebnis einer jeden Partei bezogen. Nur die konkrete Stimmenzahl jeder Partei kann der Ausgangspunkt der
Sitzverteilung auf die Landeslisten sein (vgl. § 6 Absatz 1 BWG) – übrigens auch dann, wenn man gedank-
lich die Sperrklausel streicht oder eine niedrigere Sperrklausel ansetzt –; erst im zweiten Schritt ist die Stim-
menzahl einer jeden Partei in Relation zu den Stimmenanteilen der anderen Parteien zu setzen (vgl. § 6 Ab-
sätze 2 bis 7 BWG). Die gedankliche Addition von Zweitstimmenanteilen kann folglich für die Fünf-Prozent-
Hürde keine Aussagekraft beanspruchen.

Warum allein eine „dynamische Sperrklausel“, die sich am Prozentsatz der unberücksichtigten Stimmen ori-
entiert und nicht größer als 4,99 Prozent ist, verfassungskonform sein soll, wie der Einspruchsführer meint,
erschließt sich demWahlprüfungsausschuss und dem Deutschen Bundestag nicht.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 47 – Drucksache 18/1810

Anlage 7

Beschlussempfehlung

ZumWahleinspruch

des Herrn I. B., 25746 Ostrohe,

– Az.: WP 53/13 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag
am 22. September 2013

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 26. Juni 2014 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit einem Schreiben vom 6. Oktober 2013 Einspruch gegen die Gültigkeit der
Wahl zum 18. Deutschen Bundestag am 22. September 2013 eingelegt. Er hat seinen Vortrag durch Schrei-
ben vom 7. und 9. Oktober 2013 ergänzt.

Der Einspruchsführer meint, die Fünf-Prozent-Klausel und die Grundmandatsklausel verstießen gegen die in
Artikel 38 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) verankerten Prinzipien der Unmittelbarkeit, der Freiheit und der
Gleichheit der Wahl. Mit von ihm selbst erstellten Rechnungen möchte der Einspruchsführer nachweisen,
dass die Fünf-Prozent-Klausel zu widersinnigen Ergebnissen führt. Die Sperrklausel habe zur Folge, dass die
Wahl mittelbar, ungleich und unfrei sei. Der Gesetzgeber habe sich mit seiner Variante der Sperrklausel die
Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit des Parlaments zu teuer erkauft. Die Grundmandatsklausel verursa-
che, so der Einspruchsführer, ein negatives Stimmgewicht und ein übermäßiges Losgewicht. Die unrechtmä-
ßige Anwendung des § 6 Absatz 3 Satz 1 des Bundeswahlgesetzes (BWG) habe erhebliche Relevanz für die
Sitzverteilung, denn die vielen kleinen Parteien, die insgesamt mehr als 15 Prozent der gültigen Zweitstim-
men ausmachten, seien zu Unrecht aus dem Parlament verbannt worden.

Wegen der Einzelheiten des Vortrages des Einspruchsführers wird auf den Inhalt der Akten Bezug genom-
men.

Das Bundesministerium des Innern hat zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-
Sperrklausel am 16. Juni 2014 wie folgt Stellung genommen:

1. Das Bundesverfassungsgericht erachte in ständiger Rechtsprechung bei Wahlen zum Deutschen Bundestag
die heute in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG vorgesehene, auf
das gesamte Wahlgebiet bezogene Fünf-Prozent-Sperrklausel für verfassungsgemäß (vgl. BVerfGE 1, 208
[247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366]; 95, 408 [417 ff.];
120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.]). Zuletzt habe das Gericht in seinem Urteil vom
9. Januar 2011 zur Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen entschieden, dass die Fünf-Prozent-
Sperrklausel bei der Wahl zum Deutschen Bundestag ihre Rechtfertigung im Wesentlichen darin finde, dass
die Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende
Unterstützung nötig sei und dieses Ziel durch die Zersplitterung des Parlaments in viele kleine Gruppen ge-
fährdet werde (BVerfGE 129, 300 [335 f.]). In der Entscheidung vom 26. Februar 2014 (2 BvE 2/13 u. a.) zur
Drei-Prozent-Sperrklausel im Europawahlrecht habe das Gericht erneut bestätigt, dass eine Sperrklausel ge-
rechtfertigt sein könne, wenn Verhältnisse wie auf nationaler Ebene gegeben sind, wo die Bildung einer
stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Unterstützung nötig
sei (ebd. Rn. 72).

Angesichts der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei der Wahlgesetzgeber verfas-
sungsrechtlich nicht daran gehindert, bei der Verteilung der zu vergebenden Sitze auf die Landeslisten bei der
Bundestagswahl grundsätzlich nur die Parteien zu berücksichtigen, die mindestens fünf Prozent der im Wahl-

Drucksache 18/1810 – 48 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

gebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten haben (§ 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Ab-
satz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG). Es sei ihm mit anderen Worten von Verfassungs wegen unbenommen,
gültige Zweitstimmen, die auf Landeslisten von Parteien entfallen sind, die nicht die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben, zwar für die Ergebnisfeststellung als relevant zu werten (§ 42 BWG), nicht
aber für die Sitzverteilung. Der Wahlgesetzgeber dürfe also ohne Verstoß gegen Bundesverfassungsrecht alle
zu vergebenden Parlamentssitze auf die Landeslisten derjenigen Parteien verteilen, die die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben.

Im Interesse der Handlungsfähigkeit des Deutschen Bundestages habe der Wahlgesetzgeber bisher an der auf
das gesamte Wahlgebiet bezogenen Fünf-Prozent-Sperrklausel, die seit der Wahl zum 2. Deutschen Bundes-
tag 1953 gilt, festgehalten. Denn eine Wahl habe – wie das Bundesverfassungsgericht betone (vgl. BVerfGE
51, 222 [236]) – „nicht nur das Ziel, eine Volksvertretung zu schaffen, die ein Spiegelbild der in der Wähler-
schaft vorhandenen politischen Meinungen darstellt, sondern sie soll auch ein funktionsfähiges Organ her-
vorbringen.“ Hierfür seien „(k)lare und ihrer Verantwortung für das Gesamtwohl bewusste Mehrheiten in
einer Volksvertretung (…) für eine Bewältigung der ihr gestellten Aufgaben unentbehrlich“, die durch einen
unbegrenzten Proporz nicht gewährleistet sind.

2. Zwar könne nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die verfassungsrechtliche Rechtfer-
tigung einer die Wahlgleichheit berührenden Norm des Wahlrechts wie eine Sperrklauselregelung durch ver-
änderte Verhältnisse oder neue Entwicklungen – etwa durch eine Änderung der vom Gesetzgeber vorausge-
setzten tatsächlichen oder normativen Grundlagen oder wenn sich die beim Erlass der Norm hinsichtlich ihrer
Auswirkungen angestellte Prognose als irrig erwiesen habe – in Frage gestellt werden (BVerfGE 82, 322
[338 f.]; 120, 82 [108]; 129, 300 [321 f.]; Urteil vom 26. Februar 2014, Az. 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 56). Dies
sei im Hinblick auf die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen jedoch nicht der Fall.

Eine Änderung der normativen Grundlagen für die Beurteilung der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundes-
tagswahlen, die das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung als verfassungsgemäß angesehen
habe, sei nicht festzustellen. Insbesondere führten das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
9. November 2011 zur Verfassungswidrigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen (BVerfGE
129, 300) und sein Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Sperrklausel im
Europawahlgesetz (2 BvE 2/13 u. a.) nicht zu einer abweichenden Bewertung. Das Bundesverfassungsgericht
begründe die Verfassungswidrigkeit der Sperrklauseln bei Europawahlen in diesen Urteilen mit der besonde-
ren Stellung und Funktion des Europäischen Parlaments im Gefüge der Organe der Europäischen Union, wo
eine vergleichbare Interessenlage wie bei der Bundestagswahl nicht bestehe (BVerfGE 129, 300 [336]). Auch
in seinem Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Klausel im Europawahl-
gesetz halte das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich an der gefestigten Rechtsprechung zum verfassungs-
rechtlichen Maßstab für die Beurteilung wahlrechtlicher Sperrklauseln fest und lege – wie es mehrfach beto-
ne – seinem Urteil die gleichen Prüfungsmaßstäbe wie im Urteil vom 9. November 2011 zugrunde (Az. 2
BvE 2/13 u. a., Rn. 37, 45, 63). In beiden Urteilen weise das Gericht zudem darauf hin, dass bei der Bundes-
tagswahl – anders als bei der Europawahl – der Deutsche Bundestag im Falle einer eintretenden Funktionsbe-
einträchtigung aufgrund seiner veränderten strukturellen Zusammensetzung nicht mehr in der Lage wäre, die
gesetzlichen Regelungen zur Sicherung seiner Funktionsfähigkeit zu ändern, weil die erforderliche Mehrheit
nicht mehr zustande käme (BVerfGE 129, 300 [324]; Urteil vom 26. Februar 2014, 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 58).

3. Auch in tatsächlicher Hinsicht erfordere das Wahlergebnis der Bundestagswahl 2013, bei der zwei Parteien
mit einem Stimmenanteil von 4,8 Prozent bzw. 4,7 Prozent der Zweitstimmen vergleichsweise knapp an der
Fünf-Prozent-Klausel gescheitert seien, keine Neubewertung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der
Klausel. Der Gesetzgeber habe sich für die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen entschieden und
diese bis heute beibehalten, um in Konstellationen, in denen eine oder mehrere Parteien weniger als fünf
Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, die Funktionsfähigkeit des Bundestages sicherzustellen. Wenn eine
solche Konstellation bei einer Wahl – wie nun der Bundestagswahl 2013 – tatsächlich auftrete, liege gerade
nicht der Fall vor, dass sich eine Prognose des Gesetzgebers als irrig erwiesen habe oder dass eine Änderung
der vom Gesetzgeber vorausgesetzten tatsächlichen Verhältnisse eingetreten sei, sondern es habe sich ledig-
lich ein Szenario realisiert, das der Gesetzgeber mit seiner Regelung von vornherein habe erfassen wollen.
Auch das Bundesverfassungsgericht habe die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen in Kenntnis
des Umstands, dass an ihr nicht nur Parteien mit einem niedrigen Stimmenanteil zwischen null und zwei
Prozent der Zweitstimmen, sondern auch Parteien mit einem Stimmenanteil knapp unter fünf Prozent schei-
tern können, in ständiger Rechtsprechung als verfassungsmäßig angesehen (siehe die Nachweise unter 1.).

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 49 – Drucksache 18/1810

Die bei der Bundestagswahl 2013 aufgetretene hohe Gesamtzahl von abgegebenen gültigen Zweitstimmen
für Parteien, die die Fünf-Prozent-Sperrklausel nicht überwunden haben, sei kein Grund, das Vorliegen ver-
änderter Verhältnisse bzw. neuer Entwicklungen anzunehmen, die eine Neubewertung der verfassungsrecht-
lichen Zulässigkeit der Sperrklausel erforderten. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Sperrklausel sei
nicht von der Gesamtzahl der Stimmen für diejenigen Parteien abhängig, die die Sperrklausel bei einer ein-
zelnen Wahl nicht überwinden. Die Sperrklausel rechtfertige sich vielmehr durch den mit ihr verfolgten ver-
fassungsrechtlich legitimen Zweck, die Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages sicherzustellen (siehe
die Nachweise unter 1.). Sie erfülle ihren Zweck gerade dann, wenn viele an der Wahl teilnehmende Parteien
die Sperrklausel nicht überwinden, aber ohne Sperrklausel Sitze im Parlament erlangt hätten, da auf diese
Weise eine die stabile Mehrheitsbildung gefährdende Zersplitterung des Bundestages vermieden werde.

4. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel stehe nicht entgegen, dass eine
hohe Zahl von Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die aufgrund der Sperrklausel nicht an der Sitzvertei-
lung teilnehmen, eine absolute Mehrheit der Sitze für Parteien ermögliche, die bei der Wahl deutlich weniger
als der Hälfte der Stimmen erreicht haben. Das Erreichen einer Mehrheit der Sitze im Parlament sei immer
mit weniger als der Hälfte der gültigen Zweitstimmen möglich. Denn auch ohne Sperrklausel erhalte nicht
jede Partei, für die bei der Wahl gültige Stimmen abgegeben wurden, automatisch einen Sitz. Da für einen
Sitz auch ohne Sperrklausel stets eine bestimmte Zahl von Stimmen erforderlich sei, führten nicht alle Stim-
men zu einem Sitzerfolg und darum weniger als 50 Prozent der gültigen Zweitstimmen zu einer Mehrheit der
Sitze. Ein Verfassungsrechtssatz des Inhalts, dass einer Mehrheit der Mitglieder des Bundestages notwendi-
gerweise eine Mehrheit der Zweitstimmen in der Bundestagswahl entsprechen müsse, sei nicht feststellbar.
Wenn aber eine Partei in einer Wahl eine absolute Mehrheit der Zweitstimmen erhalte, sei gesichert, dass auf
sie mehr als die Hälfte der Sitze entfalle (§ 6 Absatz 7 BWG).

5. Gegen die Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht vorgebracht werden, sie verhindere bzw. erschwere
in übermäßiger Weise die Entstehung oder Etablierung neuer Parteien und schränke dadurch in unzulässiger
Weise die Chancengleichheit der Parteien ein. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Chancengleichheit
der Parteien verlange nicht, dass jeder Partei, die bei der Bundestagswahl Stimmen erhalte, Sitze im Bundes-
tag garantiert seien. Jede Partei habe rechtlich die gleiche Chance auf Teilnahme an der Sitzverteilung bei
Überwindung der Sperrklausel. Wenn eine Partei die für alle geltende Sperrklausel nicht überwinde, so sei
dies Resultat zu geringer Zustimmung in der Wählerschaft und gerade nicht ungleicher Chancen, denn die
unterschiedliche Gewichtung des Erfolgswerts von Wahlstimmen durch eine Sperrklausel treffe alle Parteien
gleichermaßen (vgl. BVerfGE 82, 322 [345]).

Dass die Fünf-Prozent-Sperrklausel die Entstehung und Etablierung neuer Parteien nicht verhindere oder
übermäßig erschwere, zeige der Einzug in die Parlamente auch neuer Parteien in den vergangenen Jahren bei
Bundestagswahlen und Landtagswahlen, bei denen nach Landesrecht ebenfalls Fünf-Prozent-Sperrklauseln
bestünden. Die Sperrklauseln trügen zu einem Mindestmaß an Konsolidierung neuer Parteien bei, indem sie
eine funktionierende Organisation und eine hinreichende Kampagnenfähigkeit der Partei erforderlich mach-
ten, um einen erfolgreichen Wahlkampf zu führen, der den Einzug ins Parlament ermögliche. Auch das Bun-
desverfassungsgericht sehe in ständiger Rechtsprechung in der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestags-
wahlen keinen verfassungswidrigen Eingriff in die Chancengleichheit der Parteien (siehe die Nachweise un-
ter 1.).

6. Die Fünf-Prozent-Sperrklausel habe nicht zur Folge, dass die Parteien, die die Sperrklausel überwunden
haben und deshalb an der Sitzverteilung teilnehmen, von den Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die an
der Sperrklausel gescheitert sind und somit nicht an der Sitzverteilung teilnehmen, profitierten und die Wäh-
ler bei der Stimmabgabe nicht erkennen könnten, welche Partei letztlich tatsächlich von ihrer Zweitstimme
profitiere. Von der Zweitstimme für eine Partei profitiere stets die Partei, für die die Stimme abgegeben wor-
den sei. Wenn eine Partei aufgrund eines zur Überwindung der Sperrklausel nicht ausreichenden Zuspruchs
in der Wählerschaft nicht an der Sitzverteilung teilnehme, würden die zu vergebenden Sitze auf die Parteien
verteilt, die die Sperrklausel überwunden haben. Diese Parteien profitierten bei dieser Verteilung von den für
sie abgegebenen Zweitstimmen, nicht von den Zweitstimmen für die an der Sperrklausel gescheiterten Partei-
en, die wegen Nichtteilnahme an der Sitzverteilung zu keinem Sitzerfolg führten.

7. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht entgegengehalten
werden, der Umstand, dass aufgrund der Sperrklausel eine hohe Zahl von Stimmen bei der Sitzverteilung
unberücksichtigt bleibe, befördere die Politikverdrossenheit der Wahlberechtigten. Unabhängig davon, ob

Drucksache 18/1810 – 50 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

dies tatsächlich der Fall sei, habe sich der Gesetzgeber dazu entschieden, der Sicherung der Funktionsfähig-
keit des Parlaments Vorrang vor derartigen Erwägungen einzuräumen. Das Bundesverfassungsgericht erachte
dies in ständiger Rechtsprechung für verfassungsrechtlich zulässig (siehe die Nachweise unter 1.). Ein wegen
Zersplitterung in kleine und kleinste Fraktionen nicht mehrheits- und handlungsfähiges Parlament, das zur
Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nicht in der Lage sei, wäre zudem in weit höherem Maße geeignet, Politikverdrossenheit zu för-
dern.

8. Aufgrund der verfassungskonformen Ausgestaltung der Fünf-Prozent-Sperrklausel im geltenden Bundes-
wahlgesetz sei der Wahlgesetzgeber auch nicht zur Einführung einer Alternativstimme („Eventualstimme“,
„Ersatzstimme“ bzw. „Stimmweitergabe-Option“) verpflichtet. Ergänzend sei darauf verwiesen, dass im
Schrifttum gegen die Einführung einer solchen Alternativstimme verfassungsrechtliche Bedenken geltend
gemacht würden: Eine Alternativstimme sei mit dem Charakter der Stimmabgabe als einer vorbehaltlosen
und bedingungsfeindlichen Willenserklärung nicht zu vereinbaren und verstoße daher gegen den Grundsatz
der Unmittelbarkeit der Wahl im Sinne des Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 GG und gegen das Demokratieprinzip
nach Artikel 20 Absatz 1 GG (so Strelen, in: Schreiber, Bundeswahlgesetz, 9. Auflage 2013, § 6 Rn. 37 so-
wie Schreiber, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: 43. Lfg. April 2014, Art. 38
Rn. 40, 132). Überdies wäre die Gewährung einer Alternativstimme auch keine verfassungspolitisch ange-
zeigte Fortentwicklung des Wahlrechts. Sie würde das Stimmabgabeverfahren verkomplizieren, die Ermitt-
lung des Wahlergebnisses wesentlich erschweren und verzögern und den Wähler von einer eindeutigen poli-
tischen Entscheidung ohne Vorbehalt und Rückfallposition entpflichten (vgl. im Einzelnen hierzu Strelen, in:
Schreiber, § 6 Rn. 37).

9. Die Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Klausel sei schließlich auch nicht davon abhängig, dass Par-
teien, die jeweils mit einer eigenen Liste an der Bundestagswahl teilnehmen, ihre Landeslisten verbinden
dürften, um als Zählgemeinschaft die Sperrklausel zu überwinden. Derartige Listenverbindungen verschiede-
ner Parteien bei der Bundestagswahl seien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wegen
Verstoßes gegen den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit der Parteien verfas-
sungswidrig (BVerfGE 82, 322 [345 f.]). Eine derartige Listenverbindung würde allein dem Zweck dienen,
die verfassungslegitime Zielsetzung einer Fünf-Prozent-Sperrklausel, die Verhinderung einer Zersplitterung
des Parlaments, zu umgehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet. Dem Vortrag des Einspruchsführers lässt sich kein Verstoß
gegen Wahlrechtsvorschriften und damit kein Wahlfehler entnehmen.

Soweit der Einspruchsführer die Verfassungswidrigkeit von Wahlrechtsvorschriften rügt, ist zu beachten,
dass der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprü-
fungsverfahrens die Verfassungsmäßigkeit von Wahlrechtsvorschriften nicht überprüfen. Eine derartige Kon-
trolle ist stets dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten worden (vgl. zuletzt etwa Bundestagsdrucksachen
16/1800, Anlagen 26 bis 28 mit weiteren Nachweisen; 17/1000, Anlagen 5 und 11; 17/2200, Anlagen 1, 13
bis 15, 17 bis 20, 23 und 24; 17/3100, Anlagen 15, 19, 20, 22 bis 30, 32, 34 bis 36; 17/4600, Anlagen 10, 12,
13, 32, 38, 40 bis 43 mit weiteren Nachweisen; 17/6300, Anlage 19). Abgesehen davon sind die Bedenken
des Einspruchsführers unbegründet.

1. Der Einspruchsführer bestreitet nicht, dass das Verfahren zur Auszählung der Stimmen und zur Verteilung
der Sitze auf die Landeslisten der Parteien bei der Bundestagswahl 2013 den Vorgaben des Bundeswahlge-
setzes entsprach. Dieses regelt in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1,
dass bei der Verteilung der Sitze auf die Landeslisten nur Parteien berücksichtigt werden, die mindestens fünf
Prozent der im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten oder in mindestens drei Wahlkrei-
sen einen Sitz errungen haben. Soweit der Einspruchsführer geltend macht, die Sperrklausel verstoße gegen
die in Artikel 38 Absatz 1 GG verankerten Prinzipien der Unmittelbarkeit, der Freiheit und der Gleichheit der
Wahl, sind seine Bedenken unbegründet. Der Wahlprüfungsausschuss hat schon in zahlreichen Wahlprü-
fungsentscheidungen früherer Wahlperioden keinen Anlass für Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der
Regelung gesehen (vgl. BVerfGE 1, 208 [247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322
[337 ff.]; 95, 335 [366]; 95, 408 [417 ff.]; 120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.], siehe auch

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 51 – Drucksache 18/1810

Bundestagsdrucksache 16/900, Anlage 14). Es ist folglich verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass
alle Parlamentssitze auf diejenigen Parteien verteilt werden, welche die Fünf-Prozent-Hürde überwunden
haben. Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Sperrklausel durch veränderte
Verhältnisse infrage gestellt werden. Dies ist bezüglich der Bundestagswahl 2013 aber nicht der Fall, wie das
Bundesministerium des Innern – auch unter Bezugnahme auf die Urteile vom 9. November 2011 und
26. Februar 2014 – in seiner Stellungnahme zutreffend feststellt: Dass nach dem amtlichen Endergebnis der
Bundestagswahl 2013 insgesamt 15,7 Prozent der gültigen Zweitstimmen nicht in die Mandatsverteilung
eingeflossen sind, weil sie für insgesamt 25 Parteien abgegeben wurden, die bundesweit weniger als fünf
Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, ändert nichts an der vom Bundesverfassungsgericht festgestellten
Verfassungskonformität der Fünf-Prozent-Hürde. Zwar war der Anteil der gültigen, aber wegen der Sperr-
klausel nicht in die Sitzverteilung eingeflossenen Zweitstimmen bei der Bundestagswahl 2013 höher als bei
früheren Bundestagswahlen, da – anders als bei vorhergehenden Wahlen – zwei Parteien jeweils fast fünf
Prozent und zudem 23 weitere Parteien insgesamt 6,2 Prozent (für sich genommen aber teilweise weniger als
0,1 Prozent) erreicht haben. Jedoch ist dieser Umstand nicht atypisch oder zuvor unbekannt gewesen. Es ist
zudem durchaus möglich, dass er bei kommenden Bundestagswahlen mit anderen Wahlergebnissen nicht
(mehr) auftritt. Der Einzug neuer Parteien in den Deutschen Bundestag wird, wie Beispiele aus der Geschich-
te der Bundesrepublik zeigen, ohnehin nicht durch die Sperrklausel verhindert. Außerdem ist die Fünf-
Prozent-Hürde auf das jeweilige Ergebnis einer jeden Partei bezogen. Nur die konkrete Stimmenzahl jeder
Partei kann der Ausgangspunkt der Sitzverteilung auf die Landeslisten sein (vgl. § 6 Absatz 1 BWG) – übri-
gens auch dann, wenn man gedanklich die Sperrklausel streicht oder eine niedrigere Sperrklausel ansetzt –;
erst im zweiten Schritt ist die Stimmenzahl einer jeden Partei in Relation zu den Stimmenanteilen der anderen
Parteien zu setzen (vgl. § 6 Absätze 2 bis 7 BWG). Die gedankliche Addition von Zweitstimmenanteilen
kann folglich für die Fünf-Prozent-Hürde keine Aussagekraft beanspruchen.

2. Auch die Grundmandatsklausel – die bei der angegriffenen Wahl keine Rolle gespielt hat – ist verfas-
sungskonform, wie der Wahlprüfungsausschuss bereits festgestellt hat (vgl. etwa Bundestagsdrucksachen
13/2800, Anlagen 14 und 19; 13/3531, Anlagen 3 und 27; 13/3928, Anlage 35). Das Bundesverfassungsge-
richt hat diese Regelung ebenfalls als verfassungsgemäß erachtet (vgl. BVerfGE 1, 208 [258 f.]; 4, 31 [40], 5,
77 [83]; 6, 84 [95]; 95, 408 [420 ff.]). Sie ist mit dem Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit vereinbar. Zwar
verursacht sie eine Abweichung vom Grundsatz der Erfolgswertgleichheit aller gültigen Stimmen. Es steht
dem Gesetzgeber aber frei, von einem zulässigen Quorum – wie der Fünf-Prozent-Klausel – Ausnahmen zu
gestatten und Parteien, die das Quorum nicht erreichen, zur Mandatsverteilung zuzulassen, wenn ein zurei-
chender Grund für diese Sonderbehandlung gegeben ist. Zu solchen Gründen zählt die Erringung eines Di-
rektmandats bei der Kombination von Mehrheits- und Verhältniswahl (vgl. § 1 Absatz 1 Satz 2 BWG) sowie
größere Stimmenzahl in Teilen des Wahlgebiets. Es unterliegt der Gestaltungsfreiheit des für die Verhältnis-
wahl oder den Verhältnisausgleich ein Quorum vorsehenden Gesetzgebers, ob er zugunsten von Parteien mit
regionalen Schwerpunkten eine Ausnahme zulassen will. Die Modifizierung der Erfolgswertgleichheit der
Stimmen findet ihre Rechtfertigung darin, dass sie als eine notwendige Folge des besonderen Charakters der
personalisierten Verhältniswahl erscheint. Die Beimischung von Elementen des Mehrheitswahlrechts recht-
fertigt es, Parteien, die sich in lokalen Schwerpunkten als politisch bedeutsam erwiesen haben, in gewisser
Weise zu bevorzugen. Außerdem sorgt die Grundmandatsklausel für einen Ausgleich zwischen der mit der
Sperrklausel angestrebten Sicherung der Funktionsfähigkeit des Parlaments und einer effektiven parlamenta-
rischen Repräsentation des Wählerwillens (vgl. BVerfGE 95, 408 [420 ff.]).

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 53 – Drucksache 18/1810

Anlage 8

Beschlussempfehlung

ZumWahleinspruch

des Herrn Dr. B. S.-H., 40101 Düsseldorf,

– Az.: WP 56/13 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag
am 22. September 2013

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 26. Juni 2014 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit einem Schreiben vom 4. Oktober 2013 Einspruch gegen die Gültigkeit der
Wahl zum 18. Deutschen Bundestag am 22. September 2013 eingelegt. Mit einem Schreiben vom 23. Okto-
ber 2013 hat er seinen Vortrag erweitert.

Der Einspruchsführer hält die Fünf-Prozent-Klausel für unwirksam. Sie greife gravierend in die
Wahl(rechts)gleichheit und in die Chancengleichheit der Parteien ein. In seiner Entscheidung zum Europa-
wahlrecht vom 9. November 2011 habe das Bundesverfassungsgericht im Wesentlichen Folgendes ausge-
führt: Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl gebiete, dass alle Wahlberechtigten das aktive und passive
Wahlrecht möglichst in formal gleicher Weise ausüben können müssten. Die Stimme eines jeden Wahlbe-
rechtigten müsse grundsätzlich den gleichen Zählwert und die gleiche rechtliche Erfolgschance haben. Bei
der Verhältniswahl müsse jeder Wähler mit seiner Stimme auch den gleichen Einfluss auf die Zusammenset-
zung der zu wählenden Vertretung haben. Der aus Artikel 21 Absatz 1, Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes
(GG) abzuleitende Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien verlange, dass jeder Partei und ihren Wahl-
bewerbern grundsätzlich die gleichen Möglichkeiten im gesamten Wahlverfahren und damit gleiche Chancen
bei der Verteilung der Sitze eingeräumt werden. Die Vereinbarkeit einer Sperrklausel im Verhältniswahlrecht
mit dem Grundsatz der Wahlgleichheit und der Chancengleichheit der politischen Parteien könne nicht ein
für allemal abstrakt beurteilt werden. Eine einmal als zulässig angesehene Sperrklausel dürfe daher nicht als
für alle Zeiten verfassungsrechtlich unbedenklich eingeschätzt werden. Für Differenzierungen im Rahmen
der Wahlrechtsgleichheit verbleibe dem Gesetzgeber nur ein eng bemessener Spielraum. Allein die mit eini-
ger Wahrscheinlichkeit zu erwartende Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Vertretungsorgane könne
die Fünf-Prozent-Klausel rechtfertigen.

Bei der Wahl seien insgesamt ca. 47,7 Millionen Stimmen abgegeben worden, von denen 6,85 Millionen
bzw. 15,7 Prozent wegen der Sperrklausel unberücksichtigt geblieben seien, also keinen Erfolgswert gehabt
hätten. Es sei vollkommen unangemessen, missachte den Wählerwillen, sei in der Geschichte der Bundesre-
publik Deutschland noch nie vorgekommen und sei durch höherrangige Interessen nicht gerechtfertigt, einen
so hohen Prozentsatz an Stimmen letztlich für unwirksam zu erklären. Gerade bei der FDP – hier komme
zusätzlich ihre geschichtlichen Bedeutung ins Spiel – und der Partei „Alternative für Deutschland“ mit je
etwa 2,1 Millionen Stimmen könne man nicht von einer „Splitterpartei“ sprechen. Die Funktionsfähigkeit des
Deutschen Bundestages bleibe auch bei einer niedrigeren Sperrklausel erhalten.

Das Bundesministerium des Innern hat zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-
Sperrklausel am 16. Juni 2014 wie folgt Stellung genommen:

1. Das Bundesverfassungsgericht erachte in ständiger Rechtsprechung bei Wahlen zum Deutschen Bundestag
die heute in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1 des Bundeswahlgesetzes
(BWG) vorgesehene, auf das gesamte Wahlgebiet bezogene Fünf-Prozent-Sperrklausel für verfassungsgemäß
(vgl. BVerfGE 1, 208 [247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366];

Drucksache 18/1810 – 54 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

95, 408 [417 ff.]; 120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.]). Zuletzt habe das Gericht in seinem
Urteil vom 9. Januar 2011 zur Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen entschieden, dass die Fünf-
Prozent-Sperrklausel bei der Wahl zum Deutschen Bundestag ihre Rechtfertigung im Wesentlichen darin
finde, dass die Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren
fortlaufende Unterstützung nötig sei und dieses Ziel durch die Zersplitterung des Parlaments in viele kleine
Gruppen gefährdet werde (BVerfGE 129, 300 [335 f.]). In der Entscheidung vom 26. Februar 2014 (2 BvE
2/13 u. a.) zur Drei-Prozent-Sperrklausel im Europawahlrecht habe das Gericht erneut bestätigt, dass eine
Sperrklausel gerechtfertigt sein könne, wenn Verhältnisse wie auf nationaler Ebene gegeben sind, wo die
Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nötig sei (ebd. Rn. 72).

Angesichts der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei der Wahlgesetzgeber verfas-
sungsrechtlich nicht daran gehindert, bei der Verteilung der zu vergebenden Sitze auf die Landeslisten bei der
Bundestagswahl grundsätzlich nur die Parteien zu berücksichtigen, die mindestens fünf Prozent der im Wahl-
gebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten haben (§ 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Ab-
satz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG). Es sei ihm mit anderen Worten von Verfassungs wegen unbenommen,
gültige Zweitstimmen, die auf Landeslisten von Parteien entfallen sind, die nicht die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben, zwar für die Ergebnisfeststellung als relevant zu werten (§ 42 BWG), nicht
aber für die Sitzverteilung. Der Wahlgesetzgeber dürfe also ohne Verstoß gegen Bundesverfassungsrecht alle
zu vergebenden Parlamentssitze auf die Landeslisten derjenigen Parteien verteilen, die die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben.

Im Interesse der Handlungsfähigkeit des Deutschen Bundestages habe der Wahlgesetzgeber bisher an der auf
das gesamte Wahlgebiet bezogenen Fünf-Prozent-Sperrklausel, die seit der Wahl zum 2. Deutschen Bundes-
tag 1953 gilt, festgehalten. Denn eine Wahl habe – wie das Bundesverfassungsgericht betone (vgl. BVerfGE
51, 222 [236]) – „nicht nur das Ziel, eine Volksvertretung zu schaffen, die ein Spiegelbild der in der Wähler-
schaft vorhandenen politischen Meinungen darstellt, sondern sie soll auch ein funktionsfähiges Organ her-
vorbringen.“ Hierfür seien „(k)lare und ihrer Verantwortung für das Gesamtwohl bewusste Mehrheiten in
einer Volksvertretung (…) für eine Bewältigung der ihr gestellten Aufgaben unentbehrlich“, die durch einen
unbegrenzten Proporz nicht gewährleistet sind.

2. Zwar könne nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die verfassungsrechtliche Rechtfer-
tigung einer die Wahlgleichheit berührenden Norm des Wahlrechts wie eine Sperrklauselregelung durch ver-
änderte Verhältnisse oder neue Entwicklungen – etwa durch eine Änderung der vom Gesetzgeber vorausge-
setzten tatsächlichen oder normativen Grundlagen oder wenn sich die beim Erlass der Norm hinsichtlich ihrer
Auswirkungen angestellte Prognose als irrig erwiesen habe – in Frage gestellt werden (BVerfGE 82, 322
[338 f.]; 120, 82 [108]; 129, 300 [321 f.]; Urteil vom 26. Februar 2014, Az. 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 56). Dies
sei im Hinblick auf die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen jedoch nicht der Fall.

Eine Änderung der normativen Grundlagen für die Beurteilung der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundes-
tagswahlen, die das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung als verfassungsgemäß angesehen
habe, sei nicht festzustellen. Insbesondere führten das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
9. November 2011 zur Verfassungswidrigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen (BVerfGE
129, 300) und sein Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Sperrklausel im
Europawahlgesetz (2 BvE 2/13 u. a.) nicht zu einer abweichenden Bewertung. Das Bundesverfassungsgericht
begründe die Verfassungswidrigkeit der Sperrklauseln bei Europawahlen in diesen Urteilen mit der besonde-
ren Stellung und Funktion des Europäischen Parlaments im Gefüge der Organe der Europäischen Union, wo
eine vergleichbare Interessenlage wie bei der Bundestagswahl nicht bestehe (BVerfGE 129, 300 [336]). Auch
in seinem Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Klausel im Europawahl-
gesetz halte das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich an der gefestigten Rechtsprechung zum verfassungs-
rechtlichen Maßstab für die Beurteilung wahlrechtlicher Sperrklauseln fest und lege – wie es mehrfach beto-
ne – seinem Urteil die gleichen Prüfungsmaßstäbe wie im Urteil vom 9. November 2011 zugrunde (Az. 2
BvE 2/13 u. a., Rn. 37, 45, 63). In beiden Urteilen weise das Gericht zudem darauf hin, dass bei der Bundes-
tagswahl – anders als bei der Europawahl – der Deutsche Bundestag im Falle einer eintretenden Funktionsbe-
einträchtigung aufgrund seiner veränderten strukturellen Zusammensetzung nicht mehr in der Lage wäre, die
gesetzlichen Regelungen zur Sicherung seiner Funktionsfähigkeit zu ändern, weil die erforderliche Mehrheit
nicht mehr zustande käme (BVerfGE 129, 300 [324]; Urteil vom 26. Februar 2014, 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 58).

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 55 – Drucksache 18/1810

3. Auch in tatsächlicher Hinsicht erfordere das Wahlergebnis der Bundestagswahl 2013, bei der zwei Parteien
mit einem Stimmenanteil von 4,8 Prozent bzw. 4,7 Prozent der Zweitstimmen vergleichsweise knapp an der
Fünf-Prozent-Klausel gescheitert seien, keine Neubewertung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der
Klausel. Der Gesetzgeber habe sich für die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen entschieden und
diese bis heute beibehalten, um in Konstellationen, in denen eine oder mehrere Parteien weniger als fünf
Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, die Funktionsfähigkeit des Bundestages sicherzustellen. Wenn eine
solche Konstellation bei einer Wahl – wie nun der Bundestagswahl 2013 – tatsächlich auftrete, liege gerade
nicht der Fall vor, dass sich eine Prognose des Gesetzgebers als irrig erwiesen habe oder dass eine Änderung
der vom Gesetzgeber vorausgesetzten tatsächlichen Verhältnisse eingetreten sei, sondern es habe sich ledig-
lich ein Szenario realisiert, das der Gesetzgeber mit seiner Regelung von vornherein habe erfassen wollen.
Auch das Bundesverfassungsgericht habe die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen in Kenntnis
des Umstands, dass an ihr nicht nur Parteien mit einem niedrigen Stimmenanteil zwischen null und zwei
Prozent der Zweitstimmen, sondern auch Parteien mit einem Stimmenanteil knapp unter fünf Prozent schei-
tern können, in ständiger Rechtsprechung als verfassungsmäßig angesehen (siehe die Nachweise unter 1.).

Die bei der Bundestagswahl 2013 aufgetretene hohe Gesamtzahl von abgegebenen gültigen Zweitstimmen
für Parteien, die die Fünf-Prozent-Sperrklausel nicht überwunden haben, sei kein Grund, das Vorliegen ver-
änderter Verhältnisse bzw. neuer Entwicklungen anzunehmen, die eine Neubewertung der verfassungsrecht-
lichen Zulässigkeit der Sperrklausel erforderten. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Sperrklausel sei
nicht von der Gesamtzahl der Stimmen für diejenigen Parteien abhängig, die die Sperrklausel bei einer ein-
zelnen Wahl nicht überwinden. Die Sperrklausel rechtfertige sich vielmehr durch den mit ihr verfolgten ver-
fassungsrechtlich legitimen Zweck, die Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages sicherzustellen (siehe
die Nachweise unter 1.). Sie erfülle ihren Zweck gerade dann, wenn viele an der Wahl teilnehmende Parteien
die Sperrklausel nicht überwinden, aber ohne Sperrklausel Sitze im Parlament erlangt hätten, da auf diese
Weise eine die stabile Mehrheitsbildung gefährdende Zersplitterung des Bundestages vermieden werde.

4. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel stehe nicht entgegen, dass eine
hohe Zahl von Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die aufgrund der Sperrklausel nicht an der Sitzvertei-
lung teilnehmen, eine absolute Mehrheit der Sitze für Parteien ermögliche, die bei der Wahl deutlich weniger
als der Hälfte der Stimmen erreicht haben. Das Erreichen einer Mehrheit der Sitze im Parlament sei immer
mit weniger als der Hälfte der gültigen Zweitstimmen möglich. Denn auch ohne Sperrklausel erhalte nicht
jede Partei, für die bei der Wahl gültige Stimmen abgegeben wurden, automatisch einen Sitz. Da für einen
Sitz auch ohne Sperrklausel stets eine bestimmte Zahl von Stimmen erforderlich sei, führten nicht alle Stim-
men zu einem Sitzerfolg und darum weniger als 50 Prozent der gültigen Zweitstimmen zu einer Mehrheit der
Sitze. Ein Verfassungsrechtssatz des Inhalts, dass einer Mehrheit der Mitglieder des Bundestages notwendi-
gerweise eine Mehrheit der Zweitstimmen in der Bundestagswahl entsprechen müsse, sei nicht feststellbar.
Wenn aber eine Partei in einer Wahl eine absolute Mehrheit der Zweitstimmen erhalte, sei gesichert, dass auf
sie mehr als die Hälfte der Sitze entfalle (§ 6 Absatz 7 BWG).

5. Gegen die Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht vorgebracht werden, sie verhindere bzw. erschwere
in übermäßiger Weise die Entstehung oder Etablierung neuer Parteien und schränke dadurch in unzulässiger
Weise die Chancengleichheit der Parteien ein. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Chancengleichheit
der Parteien verlange nicht, dass jeder Partei, die bei der Bundestagswahl Stimmen erhalte, Sitze im Bundes-
tag garantiert seien. Jede Partei habe rechtlich die gleiche Chance auf Teilnahme an der Sitzverteilung bei
Überwindung der Sperrklausel. Wenn eine Partei die für alle geltende Sperrklausel nicht überwinde, so sei
dies Resultat zu geringer Zustimmung in der Wählerschaft und gerade nicht ungleicher Chancen, denn die
unterschiedliche Gewichtung des Erfolgswerts von Wahlstimmen durch eine Sperrklausel treffe alle Parteien
gleichermaßen (vgl. BVerfGE 82, 322 [345]).

Dass die Fünf-Prozent-Sperrklausel die Entstehung und Etablierung neuer Parteien nicht verhindere oder
übermäßig erschwere, zeige der Einzug in die Parlamente auch neuer Parteien in den vergangenen Jahren bei
Bundestagswahlen und Landtagswahlen, bei denen nach Landesrecht ebenfalls Fünf-Prozent-Sperrklauseln
bestünden. Die Sperrklauseln trügen zu einem Mindestmaß an Konsolidierung neuer Parteien bei, indem sie
eine funktionierende Organisation und eine hinreichende Kampagnenfähigkeit der Partei erforderlich mach-
ten, um einen erfolgreichen Wahlkampf zu führen, der den Einzug ins Parlament ermögliche. Auch das Bun-
desverfassungsgericht sehe in ständiger Rechtsprechung in der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestags-
wahlen keinen verfassungswidrigen Eingriff in die Chancengleichheit der Parteien (siehe die Nachweise un-
ter 1.).

Drucksache 18/1810 – 56 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

6. Die Fünf-Prozent-Sperrklausel habe nicht zur Folge, dass die Parteien, die die Sperrklausel überwunden
haben und deshalb an der Sitzverteilung teilnehmen, von den Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die an
der Sperrklausel gescheitert sind und somit nicht an der Sitzverteilung teilnehmen, profitierten und die Wäh-
ler bei der Stimmabgabe nicht erkennen könnten, welche Partei letztlich tatsächlich von ihrer Zweitstimme
profitiere. Von der Zweitstimme für eine Partei profitiere stets die Partei, für die die Stimme abgegeben wor-
den sei. Wenn eine Partei aufgrund eines zur Überwindung der Sperrklausel nicht ausreichenden Zuspruchs
in der Wählerschaft nicht an der Sitzverteilung teilnehme, würden die zu vergebenden Sitze auf die Parteien
verteilt, die die Sperrklausel überwunden haben. Diese Parteien profitierten bei dieser Verteilung von den für
sie abgegebenen Zweitstimmen, nicht von den Zweitstimmen für die an der Sperrklausel gescheiterten Partei-
en, die wegen Nichtteilnahme an der Sitzverteilung zu keinem Sitzerfolg führten.

7. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht entgegengehalten
werden, der Umstand, dass aufgrund der Sperrklausel eine hohe Zahl von Stimmen bei der Sitzverteilung
unberücksichtigt bleibe, befördere die Politikverdrossenheit der Wahlberechtigten. Unabhängig davon, ob
dies tatsächlich der Fall sei, habe sich der Gesetzgeber dazu entschieden, der Sicherung der Funktionsfähig-
keit des Parlaments Vorrang vor derartigen Erwägungen einzuräumen. Das Bundesverfassungsgericht erachte
dies in ständiger Rechtsprechung für verfassungsrechtlich zulässig (siehe die Nachweise unter 1.). Ein wegen
Zersplitterung in kleine und kleinste Fraktionen nicht mehrheits- und handlungsfähiges Parlament, das zur
Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nicht in der Lage sei, wäre zudem in weit höherem Maße geeignet, Politikverdrossenheit zu för-
dern.

8. Aufgrund der verfassungskonformen Ausgestaltung der Fünf-Prozent-Sperrklausel im geltenden Bundes-
wahlgesetz sei der Wahlgesetzgeber auch nicht zur Einführung einer Alternativstimme („Eventualstimme“,
„Ersatzstimme“ bzw. „Stimmweitergabe-Option“) verpflichtet. Ergänzend sei darauf verwiesen, dass im
Schrifttum gegen die Einführung einer solchen Alternativstimme verfassungsrechtliche Bedenken geltend
gemacht würden: Eine Alternativstimme sei mit dem Charakter der Stimmabgabe als einer vorbehaltlosen
und bedingungsfeindlichen Willenserklärung nicht zu vereinbaren und verstoße daher gegen den Grundsatz
der Unmittelbarkeit der Wahl im Sinne des Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 GG und gegen das Demokratieprinzip
nach Artikel 20 Absatz 1 GG (so Strelen, in: Schreiber, Bundeswahlgesetz, 9. Auflage 2013, § 6 Rn. 37 so-
wie Schreiber, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: 43. Lfg. April 2014, Art. 38
Rn. 40, 132). Überdies wäre die Gewährung einer Alternativstimme auch keine verfassungspolitisch ange-
zeigte Fortentwicklung des Wahlrechts. Sie würde das Stimmabgabeverfahren verkomplizieren, die Ermitt-
lung des Wahlergebnisses wesentlich erschweren und verzögern und den Wähler von einer eindeutigen poli-
tischen Entscheidung ohne Vorbehalt und Rückfallposition entpflichten (vgl. im Einzelnen hierzu Strelen, in:
Schreiber, § 6 Rn. 37).

9. Die Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Klausel sei schließlich auch nicht davon abhängig, dass Par-
teien, die jeweils mit einer eigenen Liste an der Bundestagswahl teilnehmen, ihre Landeslisten verbinden
dürften, um als Zählgemeinschaft die Sperrklausel zu überwinden. Derartige Listenverbindungen verschiede-
ner Parteien bei der Bundestagswahl seien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wegen
Verstoßes gegen den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit der Parteien verfas-
sungswidrig (BVerfGE 82, 322 [345 f.]). Eine derartige Listenverbindung würde allein dem Zweck dienen,
die verfassungslegitime Zielsetzung einer Fünf-Prozent-Sperrklausel, die Verhinderung einer Zersplitterung
des Parlaments, zu umgehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet. Dem Vortrag des Einspruchsführers lässt sich kein Verstoß
gegen Wahlrechtsvorschriften und damit kein Wahlfehler entnehmen.

Der Einspruchsführer bestreitet nicht, dass das Verfahren zur Auszählung der Stimmen und zur Verteilung
der Sitze auf die Landeslisten der Parteien bei der Bundestagswahl 2013 den Vorgaben des Bundeswahlge-
setzes entsprach. Dieses regelt in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1,
dass bei der Verteilung der Sitze auf die Landeslisten nur Parteien berücksichtigt werden, die mindestens fünf
Prozent der im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten oder in mindestens drei Wahlkrei-
sen einen Sitz errungen haben. Soweit der Einspruchsführer geltend macht, die Sperrklausel greife gravierend

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 57 – Drucksache 18/1810

in die Wahl(rechts)gleichheit und in die Chancengleichheit der Parteien ein, ist darauf hinzuweisen, dass der
Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsver-
fahrens die Verfassungsmäßigkeit der für die Wahl geltenden Rechtsvorschriften nicht überprüfen. Eine der-
artige Kontrolle ist stets dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten worden (vgl. etwa Bundestagsdrucksa-
chen 16/1800, Anlagen 26 bis 28 mit weiteren Nachweisen; 17/1000, Anlagen 5 und 11; 17/2200, Anlagen 1,
13 bis 15, 17 bis 20, 23 und 24; 17/3100, Anlagen 15, 19, 20, 22 bis 30, 32, 34 bis 36; 17/4600, Anlagen 10,
12, 13, 32, 38, 40 bis 43 mit weiteren Nachweisen; 17/6300, Anlage 19). Allerdings hat der Wahlprüfungs-
ausschuss schon in zahlreichen Wahlprüfungsentscheidungen früherer Wahlperioden keinen Anlass für Zwei-
fel an der Verfassungsmäßigkeit der Regelung gesehen (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen 15/1850, Anla-
gen 9 und 47; 16/900, Anlage 14), zumal das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit der Sperr-
klausel in ihrer Ausgestaltung durch das Bundeswahlgesetz in ständiger Rechtsprechung bestätigt hat (vgl.
BVerfGE 1, 208 [247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366]; 95,
408 [417 ff.]; 120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.], siehe auch Bundestagsdrucksache
16/900, Anlage 14). Es ist folglich verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass alle Parlamentssitze auf
diejenigen Parteien verteilt werden, welche die Fünf-Prozent-Hürde überwunden haben. Zwar kann nach der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Sperrklausel durch veränderte Verhältnisse infrage ge-
stellt werden. Dies ist bezüglich der Bundestagswahl 2013 aber nicht der Fall, wie das Bundesministerium
des Innern – auch unter Bezugnahme auf die Urteile vom 9. November 2011 und 26. Februar 2014 – in seiner
Stellungnahme zutreffend feststellt: Dass nach dem amtlichen Endergebnis der Bundestagswahl 2013 insge-
samt 15,7 Prozent der gültigen Zweitstimmen nicht in die Mandatsverteilung eingeflossen sind, weil sie für
insgesamt 25 Parteien abgegeben wurden, die bundesweit weniger als fünf Prozent der Zweitstimmen erreicht
haben, ändert nichts an der vom Bundesverfassungsgericht festgestellten Verfassungskonformität der Fünf-
Prozent-Hürde. Zwar war der Anteil der gültigen, aber wegen der Sperrklausel nicht in die Sitzverteilung
eingeflossenen Zweitstimmen bei der Bundestagswahl 2013 höher als bei früheren Bundestagswahlen, da –
anders als bei vorhergehenden Wahlen – zwei Parteien jeweils fast fünf Prozent und zudem 23 weitere Par-
teien insgesamt 6,2 Prozent (für sich genommen aber teilweise weniger als 0,1 Prozent) erreicht haben. Je-
doch ist dieser Umstand nicht atypisch oder zuvor unbekannt gewesen. Es ist zudem durchaus möglich, dass
er bei kommenden Bundestagswahlen mit anderen Wahlergebnissen nicht (mehr) auftritt. Der Einzug neuer
Parteien in den Deutschen Bundestag wird, wie Beispiele aus der Geschichte der Bundesrepublik zeigen,
ohnehin nicht durch die Sperrklausel verhindert. Außerdem ist die Fünf-Prozent-Hürde auf das jeweilige
Ergebnis einer jeden Partei bezogen. Nur die konkrete Stimmenzahl jeder Partei kann der Ausgangspunkt der
Sitzverteilung auf die Landeslisten sein (vgl. § 6 Absatz 1 BWG) – übrigens auch dann, wenn man gedank-
lich die Sperrklausel streicht oder eine niedrigere Sperrklausel ansetzt –; erst im zweiten Schritt ist die Stim-
menzahl einer jeden Partei in Relation zu den Stimmenanteilen der anderen Parteien zu setzen (vgl. § 6 Ab-
sätze 2 bis 7 BWG). Die gedankliche Addition von Zweitstimmenanteilen kann folglich für die Fünf-Prozent-
Hürde keine Aussagekraft beanspruchen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 59 – Drucksache 18/1810

Anlage 9

Beschlussempfehlung

ZumWahleinspruch

des Herrn M. G., 53070 Bonn,

– Az.: WP 57/13 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag
am 22. September 2013

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 26. Juni 2014 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit einem Fax vom 8. Oktober 2013 Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum
18. Deutschen Bundestag am 22. September 2013 eingelegt. Er hat seinen Vortrag mit weiteren Telefaxen
vom 9., 14., 19. und 21. Oktober sowie vom 3., 4., 14., 18., 21. und 22. November 2013 erweitert.

Der Einspruchsführer rügt die Sitzverteilung bzw. das vom Bundeswahlausschuss am 9. Oktober 2013 fest-
gestellte amtliche Endergebnis der Bundestagswahl, vornehmlich wegen der von ihm für verfassungswidrig
gehaltene Fünf-Prozent-Klausel in § 6 Absatz 3 des Bundeswahlgesetzes (BWG). Diese habe zu einer
„Nullierung“ von rund 15,7 Prozent der Zweitstimmen geführt.

Wegen der Einzelheiten des Vortrages des Einspruchsführers wird auf den Inhalt der Akten Bezug genom-
men.

Das Bundesministerium des Innern hat zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-
Sperrklausel am 16. Juni 2014 wie folgt Stellung genommen:

1. Das Bundesverfassungsgericht erachte in ständiger Rechtsprechung bei Wahlen zum Deutschen Bundestag
die heute in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1 des Bundeswahlgesetzes
(BWG) vorgesehene, auf das gesamte Wahlgebiet bezogene Fünf-Prozent-Sperrklausel für verfassungsgemäß
(vgl. BVerfGE 1, 208 [247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366];
95, 408 [417 ff.]; 120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.]). Zuletzt habe das Gericht in seinem
Urteil vom 9. Januar 2011 zur Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen entschieden, dass die Fünf-
Prozent-Sperrklausel bei der Wahl zum Deutschen Bundestag ihre Rechtfertigung im Wesentlichen darin
finde, dass die Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren
fortlaufende Unterstützung nötig sei und dieses Ziel durch die Zersplitterung des Parlaments in viele kleine
Gruppen gefährdet werde (BVerfGE 129, 300 [335 f.]). In der Entscheidung vom 26. Februar 2014 (2 BvE
2/13 u. a.) zur Drei-Prozent-Sperrklausel im Europawahlrecht habe das Gericht erneut bestätigt, dass eine
Sperrklausel gerechtfertigt sein könne, wenn Verhältnisse wie auf nationaler Ebene gegeben sind, wo die
Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nötig sei (ebd. Rn. 72).

Angesichts der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei der Wahlgesetzgeber verfas-
sungsrechtlich nicht daran gehindert, bei der Verteilung der zu vergebenden Sitze auf die Landeslisten bei der
Bundestagswahl grundsätzlich nur die Parteien zu berücksichtigen, die mindestens fünf Prozent der im Wahl-
gebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten haben (§ 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Ab-
satz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG). Es sei ihm mit anderen Worten von Verfassungs wegen unbenommen,
gültige Zweitstimmen, die auf Landeslisten von Parteien entfallen sind, die nicht die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben, zwar für die Ergebnisfeststellung als relevant zu werten (§ 42 BWG), nicht
aber für die Sitzverteilung. Der Wahlgesetzgeber dürfe also ohne Verstoß gegen Bundesverfassungsrecht alle

Drucksache 18/1810 – 60 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

zu vergebenden Parlamentssitze auf die Landeslisten derjenigen Parteien verteilen, die die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben.

Im Interesse der Handlungsfähigkeit des Deutschen Bundestages habe der Wahlgesetzgeber bisher an der auf
das gesamte Wahlgebiet bezogenen Fünf-Prozent-Sperrklausel, die seit der Wahl zum 2. Deutschen Bundes-
tag 1953 gilt, festgehalten. Denn eine Wahl habe – wie das Bundesverfassungsgericht betone (vgl. BVerfGE
51, 222 [236]) – „nicht nur das Ziel, eine Volksvertretung zu schaffen, die ein Spiegelbild der in der Wähler-
schaft vorhandenen politischen Meinungen darstellt, sondern sie soll auch ein funktionsfähiges Organ her-
vorbringen.“ Hierfür seien „(k)lare und ihrer Verantwortung für das Gesamtwohl bewusste Mehrheiten in
einer Volksvertretung (…) für eine Bewältigung der ihr gestellten Aufgaben unentbehrlich“, die durch einen
unbegrenzten Proporz nicht gewährleistet sind.

2. Zwar könne nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die verfassungsrechtliche Rechtfer-
tigung einer die Wahlgleichheit berührenden Norm des Wahlrechts wie eine Sperrklauselregelung durch ver-
änderte Verhältnisse oder neue Entwicklungen – etwa durch eine Änderung der vom Gesetzgeber vorausge-
setzten tatsächlichen oder normativen Grundlagen oder wenn sich die beim Erlass der Norm hinsichtlich ihrer
Auswirkungen angestellte Prognose als irrig erwiesen habe – in Frage gestellt werden (BVerfGE 82, 322
[338 f.]; 120, 82 [108]; 129, 300 [321 f.]; Urteil vom 26. Februar 2014, Az. 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 56). Dies
sei im Hinblick auf die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen jedoch nicht der Fall.

Eine Änderung der normativen Grundlagen für die Beurteilung der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundes-
tagswahlen, die das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung als verfassungsgemäß angesehen
habe, sei nicht festzustellen. Insbesondere führten das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
9. November 2011 zur Verfassungswidrigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen (BVerfGE
129, 300) und sein Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Sperrklausel im
Europawahlgesetz (2 BvE 2/13 u. a.) nicht zu einer abweichenden Bewertung. Das Bundesverfassungsgericht
begründe die Verfassungswidrigkeit der Sperrklauseln bei Europawahlen in diesen Urteilen mit der besonde-
ren Stellung und Funktion des Europäischen Parlaments im Gefüge der Organe der Europäischen Union, wo
eine vergleichbare Interessenlage wie bei der Bundestagswahl nicht bestehe (BVerfGE 129, 300 [336]). Auch
in seinem Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Klausel im Europawahl-
gesetz halte das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich an der gefestigten Rechtsprechung zum verfassungs-
rechtlichen Maßstab für die Beurteilung wahlrechtlicher Sperrklauseln fest und lege – wie es mehrfach beto-
ne – seinem Urteil die gleichen Prüfungsmaßstäbe wie im Urteil vom 9. November 2011 zugrunde (Az. 2
BvE 2/13 u. a., Rn. 37, 45, 63). In beiden Urteilen weise das Gericht zudem darauf hin, dass bei der Bundes-
tagswahl – anders als bei der Europawahl – der Deutsche Bundestag im Falle einer eintretenden Funktionsbe-
einträchtigung aufgrund seiner veränderten strukturellen Zusammensetzung nicht mehr in der Lage wäre, die
gesetzlichen Regelungen zur Sicherung seiner Funktionsfähigkeit zu ändern, weil die erforderliche Mehrheit
nicht mehr zustande käme (BVerfGE 129, 300 [324]; Urteil vom 26. Februar 2014, 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 58).

3. Auch in tatsächlicher Hinsicht erfordere das Wahlergebnis der Bundestagswahl 2013, bei der zwei Parteien
mit einem Stimmenanteil von 4,8 Prozent bzw. 4,7 Prozent der Zweitstimmen vergleichsweise knapp an der
Fünf-Prozent-Klausel gescheitert seien, keine Neubewertung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der
Klausel. Der Gesetzgeber habe sich für die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen entschieden und
diese bis heute beibehalten, um in Konstellationen, in denen eine oder mehrere Parteien weniger als fünf
Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, die Funktionsfähigkeit des Bundestages sicherzustellen. Wenn eine
solche Konstellation bei einer Wahl – wie nun der Bundestagswahl 2013 – tatsächlich auftrete, liege gerade
nicht der Fall vor, dass sich eine Prognose des Gesetzgebers als irrig erwiesen habe oder dass eine Änderung
der vom Gesetzgeber vorausgesetzten tatsächlichen Verhältnisse eingetreten sei, sondern es habe sich ledig-
lich ein Szenario realisiert, das der Gesetzgeber mit seiner Regelung von vornherein habe erfassen wollen.
Auch das Bundesverfassungsgericht habe die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen in Kenntnis
des Umstands, dass an ihr nicht nur Parteien mit einem niedrigen Stimmenanteil zwischen null und zwei
Prozent der Zweitstimmen, sondern auch Parteien mit einem Stimmenanteil knapp unter fünf Prozent schei-
tern können, in ständiger Rechtsprechung als verfassungsmäßig angesehen (siehe die Nachweise unter 1.).

Die bei der Bundestagswahl 2013 aufgetretene hohe Gesamtzahl von abgegebenen gültigen Zweitstimmen
für Parteien, die die Fünf-Prozent-Sperrklausel nicht überwunden haben, sei kein Grund, das Vorliegen ver-
änderter Verhältnisse bzw. neuer Entwicklungen anzunehmen, die eine Neubewertung der verfassungsrecht-
lichen Zulässigkeit der Sperrklausel erforderten. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Sperrklausel sei

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 61 – Drucksache 18/1810

nicht von der Gesamtzahl der Stimmen für diejenigen Parteien abhängig, die die Sperrklausel bei einer ein-
zelnen Wahl nicht überwinden. Die Sperrklausel rechtfertige sich vielmehr durch den mit ihr verfolgten ver-
fassungsrechtlich legitimen Zweck, die Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages sicherzustellen (siehe
die Nachweise unter 1.). Sie erfülle ihren Zweck gerade dann, wenn viele an der Wahl teilnehmende Parteien
die Sperrklausel nicht überwinden, aber ohne Sperrklausel Sitze im Parlament erlangt hätten, da auf diese
Weise eine die stabile Mehrheitsbildung gefährdende Zersplitterung des Bundestages vermieden werde.

4. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel stehe nicht entgegen, dass eine
hohe Zahl von Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die aufgrund der Sperrklausel nicht an der Sitzvertei-
lung teilnehmen, eine absolute Mehrheit der Sitze für Parteien ermögliche, die bei der Wahl deutlich weniger
als der Hälfte der Stimmen erreicht haben. Das Erreichen einer Mehrheit der Sitze im Parlament sei immer
mit weniger als der Hälfte der gültigen Zweitstimmen möglich. Denn auch ohne Sperrklausel erhalte nicht
jede Partei, für die bei der Wahl gültige Stimmen abgegeben wurden, automatisch einen Sitz. Da für einen
Sitz auch ohne Sperrklausel stets eine bestimmte Zahl von Stimmen erforderlich sei, führten nicht alle Stim-
men zu einem Sitzerfolg und darum weniger als 50 Prozent der gültigen Zweitstimmen zu einer Mehrheit der
Sitze. Ein Verfassungsrechtssatz des Inhalts, dass einer Mehrheit der Mitglieder des Bundestages notwendi-
gerweise eine Mehrheit der Zweitstimmen in der Bundestagswahl entsprechen müsse, sei nicht feststellbar.
Wenn aber eine Partei in einer Wahl eine absolute Mehrheit der Zweitstimmen erhalte, sei gesichert, dass auf
sie mehr als die Hälfte der Sitze entfalle (§ 6 Absatz 7 BWG).

5. Gegen die Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht vorgebracht werden, sie verhindere bzw. erschwere
in übermäßiger Weise die Entstehung oder Etablierung neuer Parteien und schränke dadurch in unzulässiger
Weise die Chancengleichheit der Parteien ein. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Chancengleichheit
der Parteien verlange nicht, dass jeder Partei, die bei der Bundestagswahl Stimmen erhalte, Sitze im Bundes-
tag garantiert seien. Jede Partei habe rechtlich die gleiche Chance auf Teilnahme an der Sitzverteilung bei
Überwindung der Sperrklausel. Wenn eine Partei die für alle geltende Sperrklausel nicht überwinde, so sei
dies Resultat zu geringer Zustimmung in der Wählerschaft und gerade nicht ungleicher Chancen, denn die
unterschiedliche Gewichtung des Erfolgswerts von Wahlstimmen durch eine Sperrklausel treffe alle Parteien
gleichermaßen (vgl. BVerfGE 82, 322 [345]).

Dass die Fünf-Prozent-Sperrklausel die Entstehung und Etablierung neuer Parteien nicht verhindere oder
übermäßig erschwere, zeige der Einzug in die Parlamente auch neuer Parteien in den vergangenen Jahren bei
Bundestagswahlen und Landtagswahlen, bei denen nach Landesrecht ebenfalls Fünf-Prozent-Sperrklauseln
bestünden. Die Sperrklauseln trügen zu einem Mindestmaß an Konsolidierung neuer Parteien bei, indem sie
eine funktionierende Organisation und eine hinreichende Kampagnenfähigkeit der Partei erforderlich mach-
ten, um einen erfolgreichen Wahlkampf zu führen, der den Einzug ins Parlament ermögliche. Auch das Bun-
desverfassungsgericht sehe in ständiger Rechtsprechung in der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestags-
wahlen keinen verfassungswidrigen Eingriff in die Chancengleichheit der Parteien (siehe die Nachweise un-
ter 1.).

6. Die Fünf-Prozent-Sperrklausel habe nicht zur Folge, dass die Parteien, die die Sperrklausel überwunden
haben und deshalb an der Sitzverteilung teilnehmen, von den Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die an
der Sperrklausel gescheitert sind und somit nicht an der Sitzverteilung teilnehmen, profitierten und die Wäh-
ler bei der Stimmabgabe nicht erkennen könnten, welche Partei letztlich tatsächlich von ihrer Zweitstimme
profitiere. Von der Zweitstimme für eine Partei profitiere stets die Partei, für die die Stimme abgegeben wor-
den sei. Wenn eine Partei aufgrund eines zur Überwindung der Sperrklausel nicht ausreichenden Zuspruchs
in der Wählerschaft nicht an der Sitzverteilung teilnehme, würden die zu vergebenden Sitze auf die Parteien
verteilt, die die Sperrklausel überwunden haben. Diese Parteien profitierten bei dieser Verteilung von den für
sie abgegebenen Zweitstimmen, nicht von den Zweitstimmen für die an der Sperrklausel gescheiterten Partei-
en, die wegen Nichtteilnahme an der Sitzverteilung zu keinem Sitzerfolg führten.

7. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht entgegengehalten
werden, der Umstand, dass aufgrund der Sperrklausel eine hohe Zahl von Stimmen bei der Sitzverteilung
unberücksichtigt bleibe, befördere die Politikverdrossenheit der Wahlberechtigten. Unabhängig davon, ob
dies tatsächlich der Fall sei, habe sich der Gesetzgeber dazu entschieden, der Sicherung der Funktionsfähig-
keit des Parlaments Vorrang vor derartigen Erwägungen einzuräumen. Das Bundesverfassungsgericht erachte
dies in ständiger Rechtsprechung für verfassungsrechtlich zulässig (siehe die Nachweise unter 1.). Ein wegen
Zersplitterung in kleine und kleinste Fraktionen nicht mehrheits- und handlungsfähiges Parlament, das zur

Drucksache 18/1810 – 62 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nicht in der Lage sei, wäre zudem in weit höherem Maße geeignet, Politikverdrossenheit zu för-
dern.

8. Aufgrund der verfassungskonformen Ausgestaltung der Fünf-Prozent-Sperrklausel im geltenden Bundes-
wahlgesetz sei der Wahlgesetzgeber auch nicht zur Einführung einer Alternativstimme („Eventualstimme“,
„Ersatzstimme“ bzw. „Stimmweitergabe-Option“) verpflichtet. Ergänzend sei darauf verwiesen, dass im
Schrifttum gegen die Einführung einer solchen Alternativstimme verfassungsrechtliche Bedenken geltend
gemacht würden: Eine Alternativstimme sei mit dem Charakter der Stimmabgabe als einer vorbehaltlosen
und bedingungsfeindlichen Willenserklärung nicht zu vereinbaren und verstoße daher gegen den Grundsatz
der Unmittelbarkeit der Wahl im Sinne des Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) und gegen
das Demokratieprinzip nach Artikel 20 Absatz 1 GG (so Strelen, in: Schreiber, Bundeswahlgesetz, 9. Auflage
2013, § 6 Rn. 37 sowie Schreiber, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: 43. Lfg.
April 2014, Art. 38 Rn. 40, 132). Überdies wäre die Gewährung einer Alternativstimme auch keine verfas-
sungspolitisch angezeigte Fortentwicklung des Wahlrechts. Sie würde das Stimmabgabeverfahren verkompli-
zieren, die Ermittlung des Wahlergebnisses wesentlich erschweren und verzögern und den Wähler von einer
eindeutigen politischen Entscheidung ohne Vorbehalt und Rückfallposition entpflichten (vgl. im Einzelnen
hierzu Strelen, in: Schreiber, § 6 Rn. 37).

9. Die Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Klausel sei schließlich auch nicht davon abhängig, dass Par-
teien, die jeweils mit einer eigenen Liste an der Bundestagswahl teilnehmen, ihre Landeslisten verbinden
dürften, um als Zählgemeinschaft die Sperrklausel zu überwinden. Derartige Listenverbindungen verschiede-
ner Parteien bei der Bundestagswahl seien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wegen
Verstoßes gegen den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit der Parteien verfas-
sungswidrig (BVerfGE 82, 322 [345 f.]). Eine derartige Listenverbindung würde allein dem Zweck dienen,
die verfassungslegitime Zielsetzung einer Fünf-Prozent-Sperrklausel, die Verhinderung einer Zersplitterung
des Parlaments, zu umgehen.

Entscheidungsgründe

I.

Es bestehen bereits Bedenken gegen die Zulässigkeit des Einspruchs. Der Einspruchsführer hat keine Woh-
nungsanschrift angegeben, unter der er tatsächlich zu erreichen ist, sondern lediglich ein Postfach. Zwar wird
die Angabe einer sog. ladungsfähigen Anschrift nach dem Wortlaut des Wahlprüfungsgesetzes nicht aus-
drücklich verlangt. Dies ist jedoch auch im Falle der Zivilprozess- und der Verwaltungsgerichtsordnung nicht
anders. Gleichwohl ist für beide Prozessarten anerkannt, dass eine ordnungsgemäße Klageerhebung zumin-
dest im Regelfall die Angabe einer ladungsfähigen Anschrift voraussetzt (vgl. Bundestagsdrucksache
16/1800, Anlage 57 und die dort angeführten Nachweise; 16/3600, Anlage 27; 17/1000, Anlage 5) und dass
die Angabe eines Postfachs diesem Erfordernis grundsätzlich nicht genügt (vgl. BVerwG, NJW 1999, S.
2608 [2609]; Greger, in: Zöller, Zivilprozessordnung, 30. Auflage 2013, § 253 Rn. 8; Geisler, in: Prüt-
ting/Gehrlein [Hrsg.], ZPO, 5. Auflage 2013, § 253 Rn. 11; Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung,
19. Auflage 2013, § 82 Rn. 4). Wahlprüfungsausschuss und Deutscher Bundestag haben die Frage, ob diese
Grundsätze auch im Wahlprüfungsverfahren gelten, bislang offengelassen (vgl. Bundestagsdrucksachen
16/1800, Anlage 58; 17/1000, Anlage 5). Beide Zweifelsfragen können auch im vorliegenden Verfahren
unbeantwortet bleiben, da der Einspruch jedenfalls unbegründet ist.

II.

Der Einspruch ist unbegründet, da sich dem Vortrag des Einspruchsführers kein Verstoß gegen Wahlrechts-
vorschriften und damit kein Wahlfehler entnehmen lässt.

1. Anders als der Einspruchsführer meint, entsprach das Verfahren zur Auszählung der Stimmen und zur
Verteilung der Sitze auf die Landeslisten der Parteien bei der Bundestagswahl 2013 den gesetzlichen Vorga-
ben. Die Sitzverteilung folgte den Maßgaben des § 6 BWG.

Soweit der Einspruchsführer die in § 6 Absatz 3 Satz 1 BWG verankerte Sperrklausel für verfassungswidrig
hält, ist darauf hinzuweisen, dass der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in ständiger Pra-
xis im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens die Verfassungsmäßigkeit der für die Wahl geltenden Rechts-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 63 – Drucksache 18/1810

vorschriften nicht überprüfen. Eine derartige Kontrolle ist stets dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten
worden (vgl. etwa Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlagen 26 bis 28 mit weiteren Nachweisen; 17/1000,
Anlagen 5 und 11; 17/2200, Anlagen 1, 13 bis 15, 17 bis 20, 23 und 24; 17/3100, Anlagen 15, 19, 20, 22 bis
30, 32, 34 bis 36; 17/4600, Anlagen 10, 12, 13, 32, 38, 40 bis 43 mit weiteren Nachweisen; 17/6300, Anlage
19). Allerdings hat der Wahlprüfungsausschuss schon in zahlreichen Wahlprüfungsentscheidungen früherer
Wahlperioden keinen Anlass für Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Regelung gesehen (vgl. zuletzt
Bundestagsdrucksachen 15/1850, Anlagen 9 und 47; 16/900, Anlage 14), zumal das Bundesverfassungsge-
richt die Verfassungsmäßigkeit der Sperrklausel in ihrer Ausgestaltung durch das Bundeswahlgesetz in stän-
diger Rechtsprechung bestätigt hat (vgl. BVerfGE 1, 208 [247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222
[235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366]; 95, 408 [417 ff.]; 120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300
[335 f.], siehe auch Bundestagsdrucksache 16/900, Anlage 14). Es ist folglich verfassungsrechtlich nicht zu
beanstanden, dass alle Parlamentssitze auf diejenigen Parteien verteilt werden, welche die Fünf-Prozent-
Hürde überwunden haben. Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Sperr-
klausel durch veränderte Verhältnisse infrage gestellt werden. Dies ist bezüglich der Bundestagswahl 2013
aber nicht der Fall, wie das Bundesministerium des Innern – auch unter Bezugnahme auf die Urteile vom 9.
November 2011 und 26. Februar 2014 – in seiner Stellungnahme zutreffend feststellt: Dass nach dem amtli-
chen Endergebnis der Bundestagswahl 2013 insgesamt 15,7 Prozent der gültigen Zweitstimmen nicht in die
Mandatsverteilung eingeflossen sind, weil sie für insgesamt 25 Parteien abgegeben wurden, die bundesweit
weniger als fünf Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, ändert nichts an der vom Bundesverfassungsge-
richt festgestellten Verfassungskonformität der Fünf-Prozent-Hürde. Zwar war der Anteil der gültigen, aber
wegen der Sperrklausel nicht in die Sitzverteilung eingeflossenen Zweitstimmen bei der Bundestagswahl
2013 höher als bei früheren Bundestagswahlen, da – anders als bei vorhergehenden Wahlen – zwei Parteien
jeweils fast fünf Prozent und zudem 23 weitere Parteien insgesamt 6,2 Prozent (für sich genommen aber teil-
weise weniger als 0,1 Prozent) erreicht haben. Jedoch ist dieser Umstand nicht atypisch oder zuvor unbekannt
gewesen. Es ist zudem durchaus möglich, dass er bei kommenden Bundestagswahlen mit anderen Wahler-
gebnissen nicht (mehr) auftritt. Der Einzug neuer Parteien in den Deutschen Bundestag wird, wie Beispiele
aus der Geschichte der Bundesrepublik zeigen, ohnehin nicht durch die Sperrklausel verhindert. Außerdem
ist die Fünf-Prozent-Hürde auf das jeweilige Ergebnis einer jeden Partei bezogen. Nur die konkrete Stim-
menzahl jeder Partei kann der Ausgangspunkt der Sitzverteilung auf die Landeslisten sein (vgl. § 6 Absatz 1
BWG) – übrigens auch dann, wenn man gedanklich die Sperrklausel streicht oder eine niedrigere Sperrklau-
sel ansetzt –; erst im zweiten Schritt ist die Stimmenzahl einer jeden Partei in Relation zu den Stimmenantei-
len der anderen Parteien zu setzen (vgl. § 6 Absätze 2 bis 7 BWG). Die gedankliche Addition von Zweit-
stimmenanteilen kann folglich für die Fünf-Prozent-Hürde keine Aussagekraft beanspruchen.

Im Übrigen führt die Fünf-Prozent-Klausel nicht zu einer Annulierung oder Ungültigkeit von Zweitstimmen.
Diese fließen vielmehr in das Endergebnis ein. Sie sind zwar für die Sitzverteilung nicht relevant, wohl aber
in anderem Zusammenhang, insbesondere bei der Parteienfinanzierung (vgl. § 18 des Parteiengesetzes).

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 65 – Drucksache 18/1810

Anlage 10

Beschlussempfehlung

ZumWahleinspruch

des Herrn A. K., 75203 Königsbach-Stein,

– Az.: WP 72/13 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag
am 22. September 2013

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 26. Juni 2014 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit einem Schreiben vom 11. Oktober 2013 Einspruch gegen die Gültigkeit der
Wahl zum 18. Deutschen Bundestag am 22. September 2013 eingelegt.

Er sieht die Wahlgleichheit durch die Fünf-Prozent-Klausel verletzt. Nach dem amtlichen Endergebnis seien
6 859 439 und damit ca. 15,7 Prozent aller 43 726 857 gültigen Zweitstimmen nicht berücksichtigt worden.
Bei einer Absenkung der Sperrklausel auf drei Prozent, wie nunmehr für die Europawahl, wären 4 140 580
Stimmen mehr berücksichtigen gewesen und hätte der Anteil der unberücksichtigten Zweitstimmen bei nur
ca. 6,2 Prozent gelegen.

Wegen der Einzelheiten des Vortrages des Einspruchsführers wird auf den Inhalt der Akten Bezug genom-
men.

Das Bundesministerium des Innern hat zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-
Sperrklausel am 16. Juni 2014 wie folgt Stellung genommen:

1. Das Bundesverfassungsgericht erachte in ständiger Rechtsprechung bei Wahlen zum Deutschen Bundestag
die heute in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1 des Bundeswahlgesetzes
(BWG) vorgesehene, auf das gesamte Wahlgebiet bezogene Fünf-Prozent-Sperrklausel für verfassungsgemäß
(vgl. BVerfGE 1, 208 [247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366];
95, 408 [417 ff.]; 120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.]). Zuletzt habe das Gericht in seinem
Urteil vom 9. Januar 2011 zur Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen entschieden, dass die Fünf-
Prozent-Sperrklausel bei der Wahl zum Deutschen Bundestag ihre Rechtfertigung im Wesentlichen darin
finde, dass die Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren
fortlaufende Unterstützung nötig sei und dieses Ziel durch die Zersplitterung des Parlaments in viele kleine
Gruppen gefährdet werde (BVerfGE 129, 300 [335 f.]). In der Entscheidung vom 26. Februar 2014 (2 BvE
2/13 u. a.) zur Drei-Prozent-Sperrklausel im Europawahlrecht habe das Gericht erneut bestätigt, dass eine
Sperrklausel gerechtfertigt sein könne, wenn Verhältnisse wie auf nationaler Ebene gegeben sind, wo die
Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nötig sei (ebd. Rn. 72).

Angesichts der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei der Wahlgesetzgeber verfas-
sungsrechtlich nicht daran gehindert, bei der Verteilung der zu vergebenden Sitze auf die Landeslisten bei der
Bundestagswahl grundsätzlich nur die Parteien zu berücksichtigen, die mindestens fünf Prozent der im Wahl-
gebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten haben (§ 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Ab-
satz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG). Es sei ihm mit anderen Worten von Verfassungs wegen unbenommen,
gültige Zweitstimmen, die auf Landeslisten von Parteien entfallen sind, die nicht die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben, zwar für die Ergebnisfeststellung als relevant zu werten (§ 42 BWG), nicht
aber für die Sitzverteilung. Der Wahlgesetzgeber dürfe also ohne Verstoß gegen Bundesverfassungsrecht alle

Drucksache 18/1810 – 66 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

zu vergebenden Parlamentssitze auf die Landeslisten derjenigen Parteien verteilen, die die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben.

Im Interesse der Handlungsfähigkeit des Deutschen Bundestages habe der Wahlgesetzgeber bisher an der auf
das gesamte Wahlgebiet bezogenen Fünf-Prozent-Sperrklausel, die seit der Wahl zum 2. Deutschen Bundes-
tag 1953 gilt, festgehalten. Denn eine Wahl habe – wie das Bundesverfassungsgericht betone (vgl. BVerfGE
51, 222 [236]) – „nicht nur das Ziel, eine Volksvertretung zu schaffen, die ein Spiegelbild der in der Wähler-
schaft vorhandenen politischen Meinungen darstellt, sondern sie soll auch ein funktionsfähiges Organ her-
vorbringen.“ Hierfür seien „(k)lare und ihrer Verantwortung für das Gesamtwohl bewusste Mehrheiten in
einer Volksvertretung (…) für eine Bewältigung der ihr gestellten Aufgaben unentbehrlich“, die durch einen
unbegrenzten Proporz nicht gewährleistet sind.

2. Zwar könne nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die verfassungsrechtliche Rechtfer-
tigung einer die Wahlgleichheit berührenden Norm des Wahlrechts wie eine Sperrklauselregelung durch ver-
änderte Verhältnisse oder neue Entwicklungen – etwa durch eine Änderung der vom Gesetzgeber vorausge-
setzten tatsächlichen oder normativen Grundlagen oder wenn sich die beim Erlass der Norm hinsichtlich ihrer
Auswirkungen angestellte Prognose als irrig erwiesen habe – in Frage gestellt werden (BVerfGE 82, 322
[338 f.]; 120, 82 [108]; 129, 300 [321 f.]; Urteil vom 26. Februar 2014, Az. 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 56). Dies
sei im Hinblick auf die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen jedoch nicht der Fall.

Eine Änderung der normativen Grundlagen für die Beurteilung der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundes-
tagswahlen, die das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung als verfassungsgemäß angesehen
habe, sei nicht festzustellen. Insbesondere führten das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
9. November 2011 zur Verfassungswidrigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen (BVerfGE
129, 300) und sein Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Sperrklausel im
Europawahlgesetz (2 BvE 2/13 u. a.) nicht zu einer abweichenden Bewertung. Das Bundesverfassungsgericht
begründe die Verfassungswidrigkeit der Sperrklauseln bei Europawahlen in diesen Urteilen mit der besonde-
ren Stellung und Funktion des Europäischen Parlaments im Gefüge der Organe der Europäischen Union, wo
eine vergleichbare Interessenlage wie bei der Bundestagswahl nicht bestehe (BVerfGE 129, 300 [336]). Auch
in seinem Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Klausel im Europawahl-
gesetz halte das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich an der gefestigten Rechtsprechung zum verfassungs-
rechtlichen Maßstab für die Beurteilung wahlrechtlicher Sperrklauseln fest und lege – wie es mehrfach beto-
ne – seinem Urteil die gleichen Prüfungsmaßstäbe wie im Urteil vom 9. November 2011 zugrunde (Az. 2
BvE 2/13 u. a., Rn. 37, 45, 63). In beiden Urteilen weise das Gericht zudem darauf hin, dass bei der Bundes-
tagswahl – anders als bei der Europawahl – der Deutsche Bundestag im Falle einer eintretenden Funktionsbe-
einträchtigung aufgrund seiner veränderten strukturellen Zusammensetzung nicht mehr in der Lage wäre, die
gesetzlichen Regelungen zur Sicherung seiner Funktionsfähigkeit zu ändern, weil die erforderliche Mehrheit
nicht mehr zustande käme (BVerfGE 129, 300 [324]; Urteil vom 26. Februar 2014, 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 58).

3. Auch in tatsächlicher Hinsicht erfordere das Wahlergebnis der Bundestagswahl 2013, bei der zwei Parteien
mit einem Stimmenanteil von 4,8 Prozent bzw. 4,7 Prozent der Zweitstimmen vergleichsweise knapp an der
Fünf-Prozent-Klausel gescheitert seien, keine Neubewertung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der
Klausel. Der Gesetzgeber habe sich für die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen entschieden und
diese bis heute beibehalten, um in Konstellationen, in denen eine oder mehrere Parteien weniger als fünf
Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, die Funktionsfähigkeit des Bundestages sicherzustellen. Wenn eine
solche Konstellation bei einer Wahl – wie nun der Bundestagswahl 2013 – tatsächlich auftrete, liege gerade
nicht der Fall vor, dass sich eine Prognose des Gesetzgebers als irrig erwiesen habe oder dass eine Änderung
der vom Gesetzgeber vorausgesetzten tatsächlichen Verhältnisse eingetreten sei, sondern es habe sich ledig-
lich ein Szenario realisiert, das der Gesetzgeber mit seiner Regelung von vornherein habe erfassen wollen.
Auch das Bundesverfassungsgericht habe die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen in Kenntnis
des Umstands, dass an ihr nicht nur Parteien mit einem niedrigen Stimmenanteil zwischen null und zwei
Prozent der Zweitstimmen, sondern auch Parteien mit einem Stimmenanteil knapp unter fünf Prozent schei-
tern können, in ständiger Rechtsprechung als verfassungsmäßig angesehen (siehe die Nachweise unter 1.).

Die bei der Bundestagswahl 2013 aufgetretene hohe Gesamtzahl von abgegebenen gültigen Zweitstimmen
für Parteien, die die Fünf-Prozent-Sperrklausel nicht überwunden haben, sei kein Grund, das Vorliegen ver-
änderter Verhältnisse bzw. neuer Entwicklungen anzunehmen, die eine Neubewertung der verfassungsrecht-
lichen Zulässigkeit der Sperrklausel erforderten. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Sperrklausel sei

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 67 – Drucksache 18/1810

nicht von der Gesamtzahl der Stimmen für diejenigen Parteien abhängig, die die Sperrklausel bei einer ein-
zelnen Wahl nicht überwinden. Die Sperrklausel rechtfertige sich vielmehr durch den mit ihr verfolgten ver-
fassungsrechtlich legitimen Zweck, die Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages sicherzustellen (siehe
die Nachweise unter 1.). Sie erfülle ihren Zweck gerade dann, wenn viele an der Wahl teilnehmende Parteien
die Sperrklausel nicht überwinden, aber ohne Sperrklausel Sitze im Parlament erlangt hätten, da auf diese
Weise eine die stabile Mehrheitsbildung gefährdende Zersplitterung des Bundestages vermieden werde.

4. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel stehe nicht entgegen, dass eine
hohe Zahl von Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die aufgrund der Sperrklausel nicht an der Sitzvertei-
lung teilnehmen, eine absolute Mehrheit der Sitze für Parteien ermögliche, die bei der Wahl deutlich weniger
als der Hälfte der Stimmen erreicht haben. Das Erreichen einer Mehrheit der Sitze im Parlament sei immer
mit weniger als der Hälfte der gültigen Zweitstimmen möglich. Denn auch ohne Sperrklausel erhalte nicht
jede Partei, für die bei der Wahl gültige Stimmen abgegeben wurden, automatisch einen Sitz. Da für einen
Sitz auch ohne Sperrklausel stets eine bestimmte Zahl von Stimmen erforderlich sei, führten nicht alle Stim-
men zu einem Sitzerfolg und darum weniger als 50 Prozent der gültigen Zweitstimmen zu einer Mehrheit der
Sitze. Ein Verfassungsrechtssatz des Inhalts, dass einer Mehrheit der Mitglieder des Bundestages notwendi-
gerweise eine Mehrheit der Zweitstimmen in der Bundestagswahl entsprechen müsse, sei nicht feststellbar.
Wenn aber eine Partei in einer Wahl eine absolute Mehrheit der Zweitstimmen erhalte, sei gesichert, dass auf
sie mehr als die Hälfte der Sitze entfalle (§ 6 Absatz 7 BWG).

5. Gegen die Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht vorgebracht werden, sie verhindere bzw. erschwere
in übermäßiger Weise die Entstehung oder Etablierung neuer Parteien und schränke dadurch in unzulässiger
Weise die Chancengleichheit der Parteien ein. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Chancengleichheit
der Parteien verlange nicht, dass jeder Partei, die bei der Bundestagswahl Stimmen erhalte, Sitze im Bundes-
tag garantiert seien. Jede Partei habe rechtlich die gleiche Chance auf Teilnahme an der Sitzverteilung bei
Überwindung der Sperrklausel. Wenn eine Partei die für alle geltende Sperrklausel nicht überwinde, so sei
dies Resultat zu geringer Zustimmung in der Wählerschaft und gerade nicht ungleicher Chancen, denn die
unterschiedliche Gewichtung des Erfolgswerts von Wahlstimmen durch eine Sperrklausel treffe alle Parteien
gleichermaßen (vgl. BVerfGE 82, 322 [345]).

Dass die Fünf-Prozent-Sperrklausel die Entstehung und Etablierung neuer Parteien nicht verhindere oder
übermäßig erschwere, zeige der Einzug in die Parlamente auch neuer Parteien in den vergangenen Jahren bei
Bundestagswahlen und Landtagswahlen, bei denen nach Landesrecht ebenfalls Fünf-Prozent-Sperrklauseln
bestünden. Die Sperrklauseln trügen zu einem Mindestmaß an Konsolidierung neuer Parteien bei, indem sie
eine funktionierende Organisation und eine hinreichende Kampagnenfähigkeit der Partei erforderlich mach-
ten, um einen erfolgreichen Wahlkampf zu führen, der den Einzug ins Parlament ermögliche. Auch das Bun-
desverfassungsgericht sehe in ständiger Rechtsprechung in der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestags-
wahlen keinen verfassungswidrigen Eingriff in die Chancengleichheit der Parteien (siehe die Nachweise un-
ter 1.).

6. Die Fünf-Prozent-Sperrklausel habe nicht zur Folge, dass die Parteien, die die Sperrklausel überwunden
haben und deshalb an der Sitzverteilung teilnehmen, von den Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die an
der Sperrklausel gescheitert sind und somit nicht an der Sitzverteilung teilnehmen, profitierten und die Wäh-
ler bei der Stimmabgabe nicht erkennen könnten, welche Partei letztlich tatsächlich von ihrer Zweitstimme
profitiere. Von der Zweitstimme für eine Partei profitiere stets die Partei, für die die Stimme abgegeben wor-
den sei. Wenn eine Partei aufgrund eines zur Überwindung der Sperrklausel nicht ausreichenden Zuspruchs
in der Wählerschaft nicht an der Sitzverteilung teilnehme, würden die zu vergebenden Sitze auf die Parteien
verteilt, die die Sperrklausel überwunden haben. Diese Parteien profitierten bei dieser Verteilung von den für
sie abgegebenen Zweitstimmen, nicht von den Zweitstimmen für die an der Sperrklausel gescheiterten Partei-
en, die wegen Nichtteilnahme an der Sitzverteilung zu keinem Sitzerfolg führten.

7. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht entgegengehalten
werden, der Umstand, dass aufgrund der Sperrklausel eine hohe Zahl von Stimmen bei der Sitzverteilung
unberücksichtigt bleibe, befördere die Politikverdrossenheit der Wahlberechtigten. Unabhängig davon, ob
dies tatsächlich der Fall sei, habe sich der Gesetzgeber dazu entschieden, der Sicherung der Funktionsfähig-
keit des Parlaments Vorrang vor derartigen Erwägungen einzuräumen. Das Bundesverfassungsgericht erachte
dies in ständiger Rechtsprechung für verfassungsrechtlich zulässig (siehe die Nachweise unter 1.). Ein wegen
Zersplitterung in kleine und kleinste Fraktionen nicht mehrheits- und handlungsfähiges Parlament, das zur

Drucksache 18/1810 – 68 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nicht in der Lage sei, wäre zudem in weit höherem Maße geeignet, Politikverdrossenheit zu för-
dern.

8. Aufgrund der verfassungskonformen Ausgestaltung der Fünf-Prozent-Sperrklausel im geltenden Bundes-
wahlgesetz sei der Wahlgesetzgeber auch nicht zur Einführung einer Alternativstimme („Eventualstimme“,
„Ersatzstimme“ bzw. „Stimmweitergabe-Option“) verpflichtet. Ergänzend sei darauf verwiesen, dass im
Schrifttum gegen die Einführung einer solchen Alternativstimme verfassungsrechtliche Bedenken geltend
gemacht würden: Eine Alternativstimme sei mit dem Charakter der Stimmabgabe als einer vorbehaltlosen
und bedingungsfeindlichen Willenserklärung nicht zu vereinbaren und verstoße daher gegen den Grundsatz
der Unmittelbarkeit der Wahl im Sinne des Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) und gegen
das Demokratieprinzip nach Artikel 20 Absatz 1 GG (so Strelen, in: Schreiber, Bundeswahlgesetz, 9. Auflage
2013, § 6 Rn. 37 sowie Schreiber, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: 43. Lfg.
April 2014, Art. 38 Rn. 40, 132). Überdies wäre die Gewährung einer Alternativstimme auch keine verfas-
sungspolitisch angezeigte Fortentwicklung des Wahlrechts. Sie würde das Stimmabgabeverfahren verkompli-
zieren, die Ermittlung des Wahlergebnisses wesentlich erschweren und verzögern und den Wähler von einer
eindeutigen politischen Entscheidung ohne Vorbehalt und Rückfallposition entpflichten (vgl. im Einzelnen
hierzu Strelen, in: Schreiber, § 6 Rn. 37).

9. Die Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Klausel sei schließlich auch nicht davon abhängig, dass Par-
teien, die jeweils mit einer eigenen Liste an der Bundestagswahl teilnehmen, ihre Landeslisten verbinden
dürften, um als Zählgemeinschaft die Sperrklausel zu überwinden. Derartige Listenverbindungen verschiede-
ner Parteien bei der Bundestagswahl seien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wegen
Verstoßes gegen den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit der Parteien verfas-
sungswidrig (BVerfGE 82, 322 [345 f.]). Eine derartige Listenverbindung würde allein dem Zweck dienen,
die verfassungslegitime Zielsetzung einer Fünf-Prozent-Sperrklausel, die Verhinderung einer Zersplitterung
des Parlaments, zu umgehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet. Dem Vortrag des Einspruchsführers lässt sich kein Verstoß
gegen Wahlrechtsvorschriften und damit kein Wahlfehler entnehmen.

Das Verfahren zur Auszählung der Stimmen und zur Verteilung der Sitze auf die Landeslisten der Parteien
bei der Bundestagswahl 2013 entsprach den Vorgaben des Bundeswahlgesetzes (BWG). Dieses regelt in § 6
Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1, dass bei der Verteilung der Sitze auf die
Landeslisten nur Parteien berücksichtigt werden, die mindestens fünf Prozent der im Wahlgebiet abgegebe-
nen gültigen Zweitstimmen erhalten oder in mindestens drei Wahlkreisen einen Sitz errungen haben. Soweit
der Einspruchsführer geltend macht, die Sperrklausel verstoße – jedenfalls für die Wahl zum 18. Deutschen
Bundestag – gegen das Demokratieprinzip, den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit der Bürger sowie, im
engen Zusammenhang damit, den Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien und sei verfassungswidrig,
ist darauf hinzuweisen, dass der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in ständiger Praxis im
Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens die Verfassungsmäßigkeit der für die Wahl geltenden Rechtsvor-
schriften nicht überprüfen. Eine derartige Kontrolle ist stets dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten wor-
den (vgl. etwa Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlagen 26 bis 28 mit weiteren Nachweisen; 17/1000, An-
lagen 5 und 11; 17/2200, Anlagen 1, 13 bis 15, 17 bis 20, 23 und 24; 17/3100, Anlagen 15, 19, 20, 22 bis 30,
32, 34 bis 36; 17/4600, Anlagen 10, 12, 13, 32, 38, 40 bis 43 mit weiteren Nachweisen; 17/6300, Anlage 19).
Allerdings hat der Wahlprüfungsausschuss schon in zahlreichen Wahlprüfungsentscheidungen früherer
Wahlperioden keinen Anlass für Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Regelung gesehen (vgl. zuletzt
Bundestagsdrucksachen 15/1850, Anlagen 9 und 47; 16/900, Anlage 14), zumal das Bundesverfassungsge-
richt die Verfassungsmäßigkeit der Sperrklausel in ihrer Ausgestaltung durch das Bundeswahlgesetz in stän-
diger Rechtsprechung bestätigt hat (vgl. BVerfGE 1, 208 [247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222
[235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366]; 95, 408 [417 ff.]; 120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300
[335 f.], siehe auch Bundestagsdrucksache 16/900, Anlage 14). Es ist folglich verfassungsrechtlich nicht zu
beanstanden, dass alle Parlamentssitze auf diejenigen Parteien verteilt werden, welche die Fünf-Prozent-
Hürde überwunden haben. Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Sperr-
klausel durch veränderte Verhältnisse infrage gestellt werden. Dies ist bezüglich der Bundestagswahl 2013

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 69 – Drucksache 18/1810

aber nicht der Fall, wie das Bundesministerium des Innern – auch unter Bezugnahme auf die Urteile vom 9.
November 2011 und 26. Februar 2014 – in seiner Stellungnahme zutreffend feststellt: Dass nach dem amtli-
chen Endergebnis der Bundestagswahl 2013 insgesamt 15,7 Prozent der gültigen Zweitstimmen nicht in die
Mandatsverteilung eingeflossen sind, weil sie für insgesamt 25 Parteien abgegeben wurden, die bundesweit
weniger als fünf Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, ändert nichts an der vom Bundesverfassungsge-
richt festgestellten Verfassungskonformität der Fünf-Prozent-Hürde. Zwar war der Anteil der gültigen, aber
wegen der Sperrklausel nicht in die Sitzverteilung eingeflossenen Zweitstimmen bei der Bundestagswahl
2013 höher als bei früheren Bundestagswahlen, da – anders als bei vorhergehenden Wahlen – zwei Parteien
jeweils fast fünf Prozent und zudem 23 weitere Parteien insgesamt 6,2 Prozent (für sich genommen aber teil-
weise weniger als 0,1 Prozent) erreicht haben. Jedoch ist dieser Umstand nicht atypisch oder zuvor unbekannt
gewesen. Es ist zudem durchaus möglich, dass er bei kommenden Bundestagswahlen mit anderen Wahler-
gebnissen nicht (mehr) auftritt. Der Einzug neuer Parteien in den Deutschen Bundestag wird, wie Beispiele
aus der Geschichte der Bundesrepublik zeigen, ohnehin nicht durch die Sperrklausel verhindert. Außerdem
ist die Fünf-Prozent-Hürde auf das jeweilige Ergebnis einer jeden Partei bezogen. Nur die konkrete Stim-
menzahl jeder Partei kann der Ausgangspunkt der Sitzverteilung auf die Landeslisten sein (vgl. § 6 Absatz 1
BWG) – übrigens auch dann, wenn man gedanklich die Sperrklausel streicht oder eine niedrigere Sperrklau-
sel ansetzt –; erst im zweiten Schritt ist die Stimmenzahl einer jeden Partei in Relation zu den Stimmenantei-
len der anderen Parteien zu setzen (vgl. § 6 Absätze 2 bis 7 BWG). Die gedankliche Addition von Zweit-
stimmenanteilen kann folglich für die Fünf-Prozent-Hürde keine Aussagekraft beanspruchen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 71 – Drucksache 18/1810

Anlage 11

Beschlussempfehlung

ZumWahleinspruch

des Herrn F. I., 72666 Neckartailfingen,

– Az.: WP 75/13 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag
am 22. September 2013

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 26. Juni 2014 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit einem Schreiben vom 11. Oktober 2013 Einspruch gegen die Gültigkeit der
Wahl zum 18. Deutschen Bundestag am 22. September 2013 eingelegt.

Er wendet sich gegen die Fünf-Prozent-Klausel. Sie verstoße gegen die in Artikel 38 Absatz 1 des Grundge-
setzes verankerte Wahlgleichheit. Während einerseits für die Überhangmandate jede einzelne Wählerstimme
gezählt werde, würden andererseits mehr als sechs Millionen Stimmen, also ca. 15 Prozent der Stimmen,
„unterschlagen“. Davon profitierten vor allem die großen Parteien. Die Sperrklausel verfälsche nicht nur die
Sitzverteilung, sondern beeinflusse auch das Wahlverhalten. Viele Wähler gäben ihre Stimme den großen
Parteien, da sie befürchteten, eine Stimme für eine der kleinen Parteien könne wegen der Fünf-Prozent-
Klausel verschenkt sein.

Wegen der Einzelheiten des Vortrages des Einspruchsführers wird auf den Inhalt der Akten Bezug genom-
men.

Das Bundesministerium des Innern hat zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-
Sperrklausel am 16. Juni 2014 wie folgt Stellung genommen:

1. Das Bundesverfassungsgericht erachte in ständiger Rechtsprechung bei Wahlen zum Deutschen Bundestag
die heute in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1 des Bundeswahlgesetzes
(BWG) vorgesehene, auf das gesamte Wahlgebiet bezogene Fünf-Prozent-Sperrklausel für verfassungsgemäß
(vgl. BVerfGE 1, 208 [247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366];
95, 408 [417 ff.]; 120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.]). Zuletzt habe das Gericht in seinem
Urteil vom 9. Januar 2011 zur Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen entschieden, dass die Fünf-
Prozent-Sperrklausel bei der Wahl zum Deutschen Bundestag ihre Rechtfertigung im Wesentlichen darin
finde, dass die Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren
fortlaufende Unterstützung nötig sei und dieses Ziel durch die Zersplitterung des Parlaments in viele kleine
Gruppen gefährdet werde (BVerfGE 129, 300 [335 f.]). In der Entscheidung vom 26. Februar 2014 (2 BvE
2/13 u. a.) zur Drei-Prozent-Sperrklausel im Europawahlrecht habe das Gericht erneut bestätigt, dass eine
Sperrklausel gerechtfertigt sein könne, wenn Verhältnisse wie auf nationaler Ebene gegeben sind, wo die
Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nötig sei (ebd. Rn. 72).

Angesichts der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei der Wahlgesetzgeber verfas-
sungsrechtlich nicht daran gehindert, bei der Verteilung der zu vergebenden Sitze auf die Landeslisten bei der
Bundestagswahl grundsätzlich nur die Parteien zu berücksichtigen, die mindestens fünf Prozent der im Wahl-
gebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten haben (§ 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Ab-
satz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG). Es sei ihm mit anderen Worten von Verfassungs wegen unbenommen,
gültige Zweitstimmen, die auf Landeslisten von Parteien entfallen sind, die nicht die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben, zwar für die Ergebnisfeststellung als relevant zu werten (§ 42 BWG), nicht

Drucksache 18/1810 – 72 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

aber für die Sitzverteilung. Der Wahlgesetzgeber dürfe also ohne Verstoß gegen Bundesverfassungsrecht alle
zu vergebenden Parlamentssitze auf die Landeslisten derjenigen Parteien verteilen, die die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben.

Im Interesse der Handlungsfähigkeit des Deutschen Bundestages habe der Wahlgesetzgeber bisher an der auf
das gesamte Wahlgebiet bezogenen Fünf-Prozent-Sperrklausel, die seit der Wahl zum 2. Deutschen Bundes-
tag 1953 gilt, festgehalten. Denn eine Wahl habe – wie das Bundesverfassungsgericht betone (vgl. BVerfGE
51, 222 [236]) – „nicht nur das Ziel, eine Volksvertretung zu schaffen, die ein Spiegelbild der in der Wähler-
schaft vorhandenen politischen Meinungen darstellt, sondern sie soll auch ein funktionsfähiges Organ her-
vorbringen.“ Hierfür seien „(k)lare und ihrer Verantwortung für das Gesamtwohl bewusste Mehrheiten in
einer Volksvertretung (…) für eine Bewältigung der ihr gestellten Aufgaben unentbehrlich“, die durch einen
unbegrenzten Proporz nicht gewährleistet sind.

2. Zwar könne nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die verfassungsrechtliche Rechtfer-
tigung einer die Wahlgleichheit berührenden Norm des Wahlrechts wie eine Sperrklauselregelung durch ver-
änderte Verhältnisse oder neue Entwicklungen – etwa durch eine Änderung der vom Gesetzgeber vorausge-
setzten tatsächlichen oder normativen Grundlagen oder wenn sich die beim Erlass der Norm hinsichtlich ihrer
Auswirkungen angestellte Prognose als irrig erwiesen habe – in Frage gestellt werden (BVerfGE 82, 322
[338 f.]; 120, 82 [108]; 129, 300 [321 f.]; Urteil vom 26. Februar 2014, Az. 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 56). Dies
sei im Hinblick auf die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen jedoch nicht der Fall.

Eine Änderung der normativen Grundlagen für die Beurteilung der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundes-
tagswahlen, die das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung als verfassungsgemäß angesehen
habe, sei nicht festzustellen. Insbesondere führten das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
9. November 2011 zur Verfassungswidrigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen (BVerfGE
129, 300) und sein Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Sperrklausel im
Europawahlgesetz (2 BvE 2/13 u. a.) nicht zu einer abweichenden Bewertung. Das Bundesverfassungsgericht
begründe die Verfassungswidrigkeit der Sperrklauseln bei Europawahlen in diesen Urteilen mit der besonde-
ren Stellung und Funktion des Europäischen Parlaments im Gefüge der Organe der Europäischen Union, wo
eine vergleichbare Interessenlage wie bei der Bundestagswahl nicht bestehe (BVerfGE 129, 300 [336]). Auch
in seinem Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Klausel im Europawahl-
gesetz halte das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich an der gefestigten Rechtsprechung zum verfassungs-
rechtlichen Maßstab für die Beurteilung wahlrechtlicher Sperrklauseln fest und lege – wie es mehrfach beto-
ne – seinem Urteil die gleichen Prüfungsmaßstäbe wie im Urteil vom 9. November 2011 zugrunde (Az. 2
BvE 2/13 u. a., Rn. 37, 45, 63). In beiden Urteilen weise das Gericht zudem darauf hin, dass bei der Bundes-
tagswahl – anders als bei der Europawahl – der Deutsche Bundestag im Falle einer eintretenden Funktionsbe-
einträchtigung aufgrund seiner veränderten strukturellen Zusammensetzung nicht mehr in der Lage wäre, die
gesetzlichen Regelungen zur Sicherung seiner Funktionsfähigkeit zu ändern, weil die erforderliche Mehrheit
nicht mehr zustande käme (BVerfGE 129, 300 [324]; Urteil vom 26. Februar 2014, 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 58).

3. Auch in tatsächlicher Hinsicht erfordere das Wahlergebnis der Bundestagswahl 2013, bei der zwei Parteien
mit einem Stimmenanteil von 4,8 Prozent bzw. 4,7 Prozent der Zweitstimmen vergleichsweise knapp an der
Fünf-Prozent-Klausel gescheitert seien, keine Neubewertung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der
Klausel. Der Gesetzgeber habe sich für die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen entschieden und
diese bis heute beibehalten, um in Konstellationen, in denen eine oder mehrere Parteien weniger als fünf
Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, die Funktionsfähigkeit des Bundestages sicherzustellen. Wenn eine
solche Konstellation bei einer Wahl – wie nun der Bundestagswahl 2013 – tatsächlich auftrete, liege gerade
nicht der Fall vor, dass sich eine Prognose des Gesetzgebers als irrig erwiesen habe oder dass eine Änderung
der vom Gesetzgeber vorausgesetzten tatsächlichen Verhältnisse eingetreten sei, sondern es habe sich ledig-
lich ein Szenario realisiert, das der Gesetzgeber mit seiner Regelung von vornherein habe erfassen wollen.
Auch das Bundesverfassungsgericht habe die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen in Kenntnis
des Umstands, dass an ihr nicht nur Parteien mit einem niedrigen Stimmenanteil zwischen null und zwei
Prozent der Zweitstimmen, sondern auch Parteien mit einem Stimmenanteil knapp unter fünf Prozent schei-
tern können, in ständiger Rechtsprechung als verfassungsmäßig angesehen (siehe die Nachweise unter 1.).

Die bei der Bundestagswahl 2013 aufgetretene hohe Gesamtzahl von abgegebenen gültigen Zweitstimmen
für Parteien, die die Fünf-Prozent-Sperrklausel nicht überwunden haben, sei kein Grund, das Vorliegen ver-
änderter Verhältnisse bzw. neuer Entwicklungen anzunehmen, die eine Neubewertung der verfassungsrecht-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 73 – Drucksache 18/1810

lichen Zulässigkeit der Sperrklausel erforderten. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Sperrklausel sei
nicht von der Gesamtzahl der Stimmen für diejenigen Parteien abhängig, die die Sperrklausel bei einer ein-
zelnen Wahl nicht überwinden. Die Sperrklausel rechtfertige sich vielmehr durch den mit ihr verfolgten ver-
fassungsrechtlich legitimen Zweck, die Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages sicherzustellen (siehe
die Nachweise unter 1.). Sie erfülle ihren Zweck gerade dann, wenn viele an der Wahl teilnehmende Parteien
die Sperrklausel nicht überwinden, aber ohne Sperrklausel Sitze im Parlament erlangt hätten, da auf diese
Weise eine die stabile Mehrheitsbildung gefährdende Zersplitterung des Bundestages vermieden werde.

4. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel stehe nicht entgegen, dass eine
hohe Zahl von Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die aufgrund der Sperrklausel nicht an der Sitzvertei-
lung teilnehmen, eine absolute Mehrheit der Sitze für Parteien ermögliche, die bei der Wahl deutlich weniger
als der Hälfte der Stimmen erreicht haben. Das Erreichen einer Mehrheit der Sitze im Parlament sei immer
mit weniger als der Hälfte der gültigen Zweitstimmen möglich. Denn auch ohne Sperrklausel erhalte nicht
jede Partei, für die bei der Wahl gültige Stimmen abgegeben wurden, automatisch einen Sitz. Da für einen
Sitz auch ohne Sperrklausel stets eine bestimmte Zahl von Stimmen erforderlich sei, führten nicht alle Stim-
men zu einem Sitzerfolg und darum weniger als 50 Prozent der gültigen Zweitstimmen zu einer Mehrheit der
Sitze. Ein Verfassungsrechtssatz des Inhalts, dass einer Mehrheit der Mitglieder des Bundestages notwendi-
gerweise eine Mehrheit der Zweitstimmen in der Bundestagswahl entsprechen müsse, sei nicht feststellbar.
Wenn aber eine Partei in einer Wahl eine absolute Mehrheit der Zweitstimmen erhalte, sei gesichert, dass auf
sie mehr als die Hälfte der Sitze entfalle (§ 6 Absatz 7 BWG).

5. Gegen die Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht vorgebracht werden, sie verhindere bzw. erschwere
in übermäßiger Weise die Entstehung oder Etablierung neuer Parteien und schränke dadurch in unzulässiger
Weise die Chancengleichheit der Parteien ein. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Chancengleichheit
der Parteien verlange nicht, dass jeder Partei, die bei der Bundestagswahl Stimmen erhalte, Sitze im Bundes-
tag garantiert seien. Jede Partei habe rechtlich die gleiche Chance auf Teilnahme an der Sitzverteilung bei
Überwindung der Sperrklausel. Wenn eine Partei die für alle geltende Sperrklausel nicht überwinde, so sei
dies Resultat zu geringer Zustimmung in der Wählerschaft und gerade nicht ungleicher Chancen, denn die
unterschiedliche Gewichtung des Erfolgswerts von Wahlstimmen durch eine Sperrklausel treffe alle Parteien
gleichermaßen (vgl. BVerfGE 82, 322 [345]).

Dass die Fünf-Prozent-Sperrklausel die Entstehung und Etablierung neuer Parteien nicht verhindere oder
übermäßig erschwere, zeige der Einzug in die Parlamente auch neuer Parteien in den vergangenen Jahren bei
Bundestagswahlen und Landtagswahlen, bei denen nach Landesrecht ebenfalls Fünf-Prozent-Sperrklauseln
bestünden. Die Sperrklauseln trügen zu einem Mindestmaß an Konsolidierung neuer Parteien bei, indem sie
eine funktionierende Organisation und eine hinreichende Kampagnenfähigkeit der Partei erforderlich mach-
ten, um einen erfolgreichen Wahlkampf zu führen, der den Einzug ins Parlament ermögliche. Auch das Bun-
desverfassungsgericht sehe in ständiger Rechtsprechung in der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestags-
wahlen keinen verfassungswidrigen Eingriff in die Chancengleichheit der Parteien (siehe die Nachweise un-
ter 1.).

6. Die Fünf-Prozent-Sperrklausel habe nicht zur Folge, dass die Parteien, die die Sperrklausel überwunden
haben und deshalb an der Sitzverteilung teilnehmen, von den Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die an
der Sperrklausel gescheitert sind und somit nicht an der Sitzverteilung teilnehmen, profitierten und die Wäh-
ler bei der Stimmabgabe nicht erkennen könnten, welche Partei letztlich tatsächlich von ihrer Zweitstimme
profitiere. Von der Zweitstimme für eine Partei profitiere stets die Partei, für die die Stimme abgegeben wor-
den sei. Wenn eine Partei aufgrund eines zur Überwindung der Sperrklausel nicht ausreichenden Zuspruchs
in der Wählerschaft nicht an der Sitzverteilung teilnehme, würden die zu vergebenden Sitze auf die Parteien
verteilt, die die Sperrklausel überwunden haben. Diese Parteien profitierten bei dieser Verteilung von den für
sie abgegebenen Zweitstimmen, nicht von den Zweitstimmen für die an der Sperrklausel gescheiterten Partei-
en, die wegen Nichtteilnahme an der Sitzverteilung zu keinem Sitzerfolg führten.

7. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht entgegengehalten
werden, der Umstand, dass aufgrund der Sperrklausel eine hohe Zahl von Stimmen bei der Sitzverteilung
unberücksichtigt bleibe, befördere die Politikverdrossenheit der Wahlberechtigten. Unabhängig davon, ob
dies tatsächlich der Fall sei, habe sich der Gesetzgeber dazu entschieden, der Sicherung der Funktionsfähig-
keit des Parlaments Vorrang vor derartigen Erwägungen einzuräumen. Das Bundesverfassungsgericht erachte
dies in ständiger Rechtsprechung für verfassungsrechtlich zulässig (siehe die Nachweise unter 1.). Ein wegen

Drucksache 18/1810 – 74 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Zersplitterung in kleine und kleinste Fraktionen nicht mehrheits- und handlungsfähiges Parlament, das zur
Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nicht in der Lage sei, wäre zudem in weit höherem Maße geeignet, Politikverdrossenheit zu för-
dern.

8. Aufgrund der verfassungskonformen Ausgestaltung der Fünf-Prozent-Sperrklausel im geltenden Bundes-
wahlgesetz sei der Wahlgesetzgeber auch nicht zur Einführung einer Alternativstimme („Eventualstimme“,
„Ersatzstimme“ bzw. „Stimmweitergabe-Option“) verpflichtet. Ergänzend sei darauf verwiesen, dass im
Schrifttum gegen die Einführung einer solchen Alternativstimme verfassungsrechtliche Bedenken geltend
gemacht würden: Eine Alternativstimme sei mit dem Charakter der Stimmabgabe als einer vorbehaltlosen
und bedingungsfeindlichen Willenserklärung nicht zu vereinbaren und verstoße daher gegen den Grundsatz
der Unmittelbarkeit der Wahl im Sinne des Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) und gegen
das Demokratieprinzip nach Artikel 20 Absatz 1 GG (so Strelen, in: Schreiber, Bundeswahlgesetz, 9. Auflage
2013, § 6 Rn. 37 sowie Schreiber, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: 43. Lfg.
April 2014, Art. 38 Rn. 40, 132). Überdies wäre die Gewährung einer Alternativstimme auch keine verfas-
sungspolitisch angezeigte Fortentwicklung des Wahlrechts. Sie würde das Stimmabgabeverfahren verkompli-
zieren, die Ermittlung des Wahlergebnisses wesentlich erschweren und verzögern und den Wähler von einer
eindeutigen politischen Entscheidung ohne Vorbehalt und Rückfallposition entpflichten (vgl. im Einzelnen
hierzu Strelen, in: Schreiber, § 6 Rn. 37).

9. Die Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Klausel sei schließlich auch nicht davon abhängig, dass Par-
teien, die jeweils mit einer eigenen Liste an der Bundestagswahl teilnehmen, ihre Landeslisten verbinden
dürften, um als Zählgemeinschaft die Sperrklausel zu überwinden. Derartige Listenverbindungen verschiede-
ner Parteien bei der Bundestagswahl seien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wegen
Verstoßes gegen den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit der Parteien verfas-
sungswidrig (BVerfGE 82, 322 [345 f.]). Eine derartige Listenverbindung würde allein dem Zweck dienen,
die verfassungslegitime Zielsetzung einer Fünf-Prozent-Sperrklausel, die Verhinderung einer Zersplitterung
des Parlaments, zu umgehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet. Dem Vortrag des Einspruchsführers lässt sich kein Verstoß
gegen Wahlrechtsvorschriften und damit kein Wahlfehler entnehmen.

Der Einspruchsführer bestreitet nicht, dass das Verfahren zur Auszählung der Stimmen und zur Verteilung
der Sitze auf die Landeslisten der Parteien bei der Bundestagswahl 2013 den Vorgaben des Bundeswahlge-
setzes entsprach. Dieses regelt in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1,
dass bei der Verteilung der Sitze auf die Landeslisten nur Parteien berücksichtigt werden, die mindestens fünf
Prozent der im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten oder in mindestens drei Wahlkrei-
sen einen Sitz errungen haben. Soweit der Einspruchsführer geltend macht, die Sperrklausel verstoße gegen
die Wahlgleichheit, ist darauf hinzuweisen, dass der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in
ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens die Verfassungsmäßigkeit der für die Wahl gel-
tenden Rechtsvorschriften nicht überprüfen. Eine derartige Kontrolle ist stets dem Bundesverfassungsgericht
vorbehalten worden (vgl. etwa Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlagen 26 bis 28 mit weiteren Nachwei-
sen; 17/1000, Anlagen 5 und 11; 17/2200, Anlagen 1, 13 bis 15, 17 bis 20, 23 und 24; 17/3100, Anlagen 15,
19, 20, 22 bis 30, 32, 34 bis 36; 17/4600, Anlagen 10, 12, 13, 32, 38, 40 bis 43 mit weiteren Nachweisen;
17/6300, Anlage 19). Allerdings hat der Wahlprüfungsausschuss schon in zahlreichen Wahlprüfungsent-
scheidungen früherer Wahlperioden keinen Anlass für Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Regelung
gesehen (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen 15/1850, Anlagen 9 und 47; 16/900, Anlage 14), zumal das
Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit der Sperrklausel in ihrer Ausgestaltung durch das Bun-
deswahlgesetz in ständiger Rechtsprechung bestätigt hat (vgl. BVerfGE 1, 208 [247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84
[92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366]; 95, 408 [417 ff.]; 120, 82 [109 ff.]; 122, 304
[314 f.]; 129, 300 [335 f.], siehe auch Bundestagsdrucksache 16/900, Anlage 14). Es ist folglich verfassungs-
rechtlich nicht zu beanstanden, dass alle Parlamentssitze auf diejenigen Parteien verteilt werden, welche die
Fünf-Prozent-Hürde überwunden haben. Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
die Sperrklausel durch veränderte Verhältnisse infrage gestellt werden. Dies ist bezüglich der Bundestags-
wahl 2013 aber nicht der Fall, wie das Bundesministerium des Innern – auch unter Bezugnahme auf die Ur-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 75 – Drucksache 18/1810

teile vom 9. November 2011 und 26. Februar 2014 – in seiner Stellungnahme zutreffend feststellt: Dass nach
dem amtlichen Endergebnis der Bundestagswahl 2013 insgesamt 15,7 Prozent der gültigen Zweitstimmen
nicht in die Mandatsverteilung eingeflossen sind, weil sie für insgesamt 25 Parteien abgegeben wurden, die
bundesweit weniger als fünf Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, ändert nichts an der vom Bundesver-
fassungsgericht festgestellten Verfassungskonformität der Fünf-Prozent-Hürde. Zwar war der Anteil der gül-
tigen, aber wegen der Sperrklausel nicht in die Sitzverteilung eingeflossenen Zweitstimmen bei der Bundes-
tagswahl 2013 höher als bei früheren Bundestagswahlen, da – anders als bei vorhergehenden Wahlen – zwei
Parteien jeweils fast fünf Prozent und zudem 23 weitere Parteien insgesamt 6,2 Prozent (für sich genommen
aber teilweise weniger als 0,1 Prozent) erreicht haben. Jedoch ist dieser Umstand nicht atypisch oder zuvor
unbekannt gewesen. Es ist zudem durchaus möglich, dass er bei kommenden Bundestagswahlen mit anderen
Wahlergebnissen nicht (mehr) auftritt. Der Einzug neuer Parteien in den Deutschen Bundestag wird, wie
Beispiele aus der Geschichte der Bundesrepublik zeigen, ohnehin nicht durch die Sperrklausel verhindert.
Außerdem ist die Fünf-Prozent-Hürde auf das jeweilige Ergebnis einer jeden Partei bezogen. Nur die konkre-
te Stimmenzahl jeder Partei kann der Ausgangspunkt der Sitzverteilung auf die Landeslisten sein (vgl. § 6
Absatz 1 BWG) – übrigens auch dann, wenn man gedanklich die Sperrklausel streicht oder eine niedrigere
Sperrklausel ansetzt –; erst im zweiten Schritt ist die Stimmenzahl einer jeden Partei in Relation zu den
Stimmenanteilen der anderen Parteien zu setzen (vgl. § 6 Absätze 2 bis 7 BWG). Die gedankliche Addition
von Zweitstimmenanteilen kann folglich für die Fünf-Prozent-Hürde keine Aussagekraft beanspruchen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 77 – Drucksache 18/1810

Anlage 12

Beschlussempfehlung

ZumWahleinspruch

des Herrn J. W., 79618 Rheinfelden,

– Az.: WP 81/13 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag
am 22. September 2013

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 26. Juni 2014 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit einem Fax vom 18. Oktober 2013 Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl
zum 18. Deutschen Bundestag am 22. September 2013 eingelegt.

Er wendet sich gegen die Listenwahl, die Fünf-Prozent-Klausel und Ausgleichsmandate.

1. Die Verhältniswahl sei eine Parteienwahl. Sie verstoße gegen die Verfassungsvorgabe der Unmittelbarkeit
der Wahl. Parteien dürften nicht als „Sitzverteilerorgan“ zwischen Wähler und Mandat treten. Der Bürger
wisse nicht, welcher natürlichen Person von den vielen auf der Landesliste stehenden Kandidaten er seine
Stimme gebe. Die Annahme, die „Staatsgewaltübertragung“ eines Bürgers durch die Wahl einer Partei bzw.
Landesliste richte sich auf die auf der Liste aufgeführten Personen, sei aus den vorgenannten Gründen eine
irrationale und verfassungswidrige Fiktion. Zudem seien Parteien bzw. Landeslisten „selbst nach dem verfas-
sungswidrigen Wahlgesetz“ nicht wählbar, da § 15 Absatz 1 des Bundeswahlgesetzes (BWG) die Wählbar-
keit nur Deutschen zuspreche, die das 18. Lebensjahr vollendet haben.

2. Die Fünf-Prozent-Klausel verstoße gegen das Verfassungsgebot der Wahlgleichheit. Bei der angegriffenen
Bundestagswahl seien über 6,8 Millionen Stimmen, also 15,7 Prozent der abgegebenen Stimmen, nicht ge-
wertet worden. Der politische Gestaltungswille immerhin etwa jedes sechsten Wählers finde in dem neuen
Deutschen Bundestag keine Vertretung und kein Sprachrohr, das bei Debatten und Gesetzesberatungen ge-
hört würde. Es sei mit dem Grundgesetz nicht zu rechtfertigen, dass bei der Sitzverteilung willkürlich nur
Stimmen für die Parteien berücksichtigt würden, die einen vorher festgelegten Stimmenanteil erhielten. Die
Wählerstimmen für „Schwarz, Rot, Grün“ erlangten einen Bonus, den sich diese politischen Parteien vorher
mit dem Bundeswahlgesetz selbst zugesprochen hätten. Das sei ungerecht und verstoße auch gegen das Dis-
kriminierungsverbot, das Minderheiten schützen solle. Es wirke aber auch demokratiezerstörend, da ausge-
rechnet die Kleinparteien, die als einzige neue Gedanken und einen bislang nicht vertretenen Wählerwillen
zum Ausdruck bringen könnten, durch den reinen Machtspruch der Etablierten von der Gesetzgebung für das
Volk ausgeschlossen würden. Eine Absenkung der Fünf-Prozent-Klausel auf eine geringere Prozentzahl helfe
nicht. Es gebe keine Sperrklausel, die nicht verfassungswidrig sei.

3. Mit dem vollständigen Ausgleich aller Überhangmandate sei die Alleinherrschaft legitimationsloser, belie-
big austauschbarer „Parteifunktionäre“ ohne Persönlichkeit, Grundsätze und Kenntnisse zementiert. Zugleich
werde das einzig verfassungsgemäße Element der Bundestagswahl, die Direktwahl der Wahlkreisabgeordne-
ten, in die Bedeutungslosigkeit „hinabreglementiert“. Die Direktmandatsinhaber könnten die über die Liste
gewählten Abgeordneten wegen deren großer Zahl nicht überstimmen.

Wegen der Einzelheiten des Vortrages des Einspruchsführers wird auf den Inhalt der Akten Bezug genom-
men.

Das Bundesministerium des Innern hat zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-
Sperrklausel am 16. Juni 2014 wie folgt Stellung genommen:

Drucksache 18/1810 – 78 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

1. Das Bundesverfassungsgericht erachte in ständiger Rechtsprechung bei Wahlen zum Deutschen Bundestag
die heute in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG vorgesehene, auf
das gesamte Wahlgebiet bezogene Fünf-Prozent-Sperrklausel für verfassungsgemäß (vgl. BVerfGE 1, 208
[247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366]; 95, 408 [417 ff.];
120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.]). Zuletzt habe das Gericht in seinem Urteil vom
9. Januar 2011 zur Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen entschieden, dass die Fünf-Prozent-
Sperrklausel bei der Wahl zum Deutschen Bundestag ihre Rechtfertigung im Wesentlichen darin finde, dass
die Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende
Unterstützung nötig sei und dieses Ziel durch die Zersplitterung des Parlaments in viele kleine Gruppen ge-
fährdet werde (BVerfGE 129, 300 [335 f.]). In der Entscheidung vom 26. Februar 2014 (2 BvE 2/13 u. a.) zur
Drei-Prozent-Sperrklausel im Europawahlrecht habe das Gericht erneut bestätigt, dass eine Sperrklausel ge-
rechtfertigt sein könne, wenn Verhältnisse wie auf nationaler Ebene gegeben sind, wo die Bildung einer
stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Unterstützung nötig
sei (ebd. Rn. 72).

Angesichts der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei der Wahlgesetzgeber verfas-
sungsrechtlich nicht daran gehindert, bei der Verteilung der zu vergebenden Sitze auf die Landeslisten bei der
Bundestagswahl grundsätzlich nur die Parteien zu berücksichtigen, die mindestens fünf Prozent der im Wahl-
gebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten haben (§ 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Ab-
satz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG). Es sei ihm mit anderen Worten von Verfassungs wegen unbenommen,
gültige Zweitstimmen, die auf Landeslisten von Parteien entfallen sind, die nicht die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben, zwar für die Ergebnisfeststellung als relevant zu werten (§ 42 BWG), nicht
aber für die Sitzverteilung. Der Wahlgesetzgeber dürfe also ohne Verstoß gegen Bundesverfassungsrecht alle
zu vergebenden Parlamentssitze auf die Landeslisten derjenigen Parteien verteilen, die die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben.

Im Interesse der Handlungsfähigkeit des Deutschen Bundestages habe der Wahlgesetzgeber bisher an der auf
das gesamte Wahlgebiet bezogenen Fünf-Prozent-Sperrklausel, die seit der Wahl zum 2. Deutschen Bundes-
tag 1953 gilt, festgehalten. Denn eine Wahl habe – wie das Bundesverfassungsgericht betone (vgl. BVerfGE
51, 222 [236]) – „nicht nur das Ziel, eine Volksvertretung zu schaffen, die ein Spiegelbild der in der Wähler-
schaft vorhandenen politischen Meinungen darstellt, sondern sie soll auch ein funktionsfähiges Organ her-
vorbringen.“ Hierfür seien „(k)lare und ihrer Verantwortung für das Gesamtwohl bewusste Mehrheiten in
einer Volksvertretung (…) für eine Bewältigung der ihr gestellten Aufgaben unentbehrlich“, die durch einen
unbegrenzten Proporz nicht gewährleistet sind.

2. Zwar könne nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die verfassungsrechtliche Rechtfer-
tigung einer die Wahlgleichheit berührenden Norm des Wahlrechts wie eine Sperrklauselregelung durch ver-
änderte Verhältnisse oder neue Entwicklungen – etwa durch eine Änderung der vom Gesetzgeber vorausge-
setzten tatsächlichen oder normativen Grundlagen oder wenn sich die beim Erlass der Norm hinsichtlich ihrer
Auswirkungen angestellte Prognose als irrig erwiesen habe – in Frage gestellt werden (BVerfGE 82, 322
[338 f.]; 120, 82 [108]; 129, 300 [321 f.]; Urteil vom 26. Februar 2014, Az. 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 56). Dies
sei im Hinblick auf die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen jedoch nicht der Fall.

Eine Änderung der normativen Grundlagen für die Beurteilung der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundes-
tagswahlen, die das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung als verfassungsgemäß angesehen
habe, sei nicht festzustellen. Insbesondere führten das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
9. November 2011 zur Verfassungswidrigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen (BVerfGE
129, 300) und sein Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Sperrklausel im
Europawahlgesetz (2 BvE 2/13 u. a.) nicht zu einer abweichenden Bewertung. Das Bundesverfassungsgericht
begründe die Verfassungswidrigkeit der Sperrklauseln bei Europawahlen in diesen Urteilen mit der besonde-
ren Stellung und Funktion des Europäischen Parlaments im Gefüge der Organe der Europäischen Union, wo
eine vergleichbare Interessenlage wie bei der Bundestagswahl nicht bestehe (BVerfGE 129, 300 [336]). Auch
in seinem Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Klausel im Europawahl-
gesetz halte das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich an der gefestigten Rechtsprechung zum verfassungs-
rechtlichen Maßstab für die Beurteilung wahlrechtlicher Sperrklauseln fest und lege – wie es mehrfach beto-
ne – seinem Urteil die gleichen Prüfungsmaßstäbe wie im Urteil vom 9. November 2011 zugrunde (Az. 2
BvE 2/13 u. a., Rn. 37, 45, 63). In beiden Urteilen weise das Gericht zudem darauf hin, dass bei der Bundes-
tagswahl – anders als bei der Europawahl – der Deutsche Bundestag im Falle einer eintretenden Funktionsbe-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 79 – Drucksache 18/1810

einträchtigung aufgrund seiner veränderten strukturellen Zusammensetzung nicht mehr in der Lage wäre, die
gesetzlichen Regelungen zur Sicherung seiner Funktionsfähigkeit zu ändern, weil die erforderliche Mehrheit
nicht mehr zustande käme (BVerfGE 129, 300 [324]; Urteil vom 26. Februar 2014, 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 58).

3. Auch in tatsächlicher Hinsicht erfordere das Wahlergebnis der Bundestagswahl 2013, bei der zwei Parteien
mit einem Stimmenanteil von 4,8 Prozent bzw. 4,7 Prozent der Zweitstimmen vergleichsweise knapp an der
Fünf-Prozent-Klausel gescheitert seien, keine Neubewertung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der
Klausel. Der Gesetzgeber habe sich für die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen entschieden und
diese bis heute beibehalten, um in Konstellationen, in denen eine oder mehrere Parteien weniger als fünf
Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, die Funktionsfähigkeit des Bundestages sicherzustellen. Wenn eine
solche Konstellation bei einer Wahl – wie nun der Bundestagswahl 2013 – tatsächlich auftrete, liege gerade
nicht der Fall vor, dass sich eine Prognose des Gesetzgebers als irrig erwiesen habe oder dass eine Änderung
der vom Gesetzgeber vorausgesetzten tatsächlichen Verhältnisse eingetreten sei, sondern es habe sich ledig-
lich ein Szenario realisiert, das der Gesetzgeber mit seiner Regelung von vornherein habe erfassen wollen.
Auch das Bundesverfassungsgericht habe die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen in Kenntnis
des Umstands, dass an ihr nicht nur Parteien mit einem niedrigen Stimmenanteil zwischen null und zwei
Prozent der Zweitstimmen, sondern auch Parteien mit einem Stimmenanteil knapp unter fünf Prozent schei-
tern können, in ständiger Rechtsprechung als verfassungsmäßig angesehen (siehe die Nachweise unter 1.).

Die bei der Bundestagswahl 2013 aufgetretene hohe Gesamtzahl von abgegebenen gültigen Zweitstimmen
für Parteien, die die Fünf-Prozent-Sperrklausel nicht überwunden haben, sei kein Grund, das Vorliegen ver-
änderter Verhältnisse bzw. neuer Entwicklungen anzunehmen, die eine Neubewertung der verfassungsrecht-
lichen Zulässigkeit der Sperrklausel erforderten. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Sperrklausel sei
nicht von der Gesamtzahl der Stimmen für diejenigen Parteien abhängig, die die Sperrklausel bei einer ein-
zelnen Wahl nicht überwinden. Die Sperrklausel rechtfertige sich vielmehr durch den mit ihr verfolgten ver-
fassungsrechtlich legitimen Zweck, die Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages sicherzustellen (siehe
die Nachweise unter 1.). Sie erfülle ihren Zweck gerade dann, wenn viele an der Wahl teilnehmende Parteien
die Sperrklausel nicht überwinden, aber ohne Sperrklausel Sitze im Parlament erlangt hätten, da auf diese
Weise eine die stabile Mehrheitsbildung gefährdende Zersplitterung des Bundestages vermieden werde.

4. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel stehe nicht entgegen, dass eine
hohe Zahl von Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die aufgrund der Sperrklausel nicht an der Sitzvertei-
lung teilnehmen, eine absolute Mehrheit der Sitze für Parteien ermögliche, die bei der Wahl deutlich weniger
als der Hälfte der Stimmen erreicht haben. Das Erreichen einer Mehrheit der Sitze im Parlament sei immer
mit weniger als der Hälfte der gültigen Zweitstimmen möglich. Denn auch ohne Sperrklausel erhalte nicht
jede Partei, für die bei der Wahl gültige Stimmen abgegeben wurden, automatisch einen Sitz. Da für einen
Sitz auch ohne Sperrklausel stets eine bestimmte Zahl von Stimmen erforderlich sei, führten nicht alle Stim-
men zu einem Sitzerfolg und darum weniger als 50 Prozent der gültigen Zweitstimmen zu einer Mehrheit der
Sitze. Ein Verfassungsrechtssatz des Inhalts, dass einer Mehrheit der Mitglieder des Bundestages notwendi-
gerweise eine Mehrheit der Zweitstimmen in der Bundestagswahl entsprechen müsse, sei nicht feststellbar.
Wenn aber eine Partei in einer Wahl eine absolute Mehrheit der Zweitstimmen erhalte, sei gesichert, dass auf
sie mehr als die Hälfte der Sitze entfalle (§ 6 Absatz 7 BWG).

5. Gegen die Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht vorgebracht werden, sie verhindere bzw. erschwere
in übermäßiger Weise die Entstehung oder Etablierung neuer Parteien und schränke dadurch in unzulässiger
Weise die Chancengleichheit der Parteien ein. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Chancengleichheit
der Parteien verlange nicht, dass jeder Partei, die bei der Bundestagswahl Stimmen erhalte, Sitze im Bundes-
tag garantiert seien. Jede Partei habe rechtlich die gleiche Chance auf Teilnahme an der Sitzverteilung bei
Überwindung der Sperrklausel. Wenn eine Partei die für alle geltende Sperrklausel nicht überwinde, so sei
dies Resultat zu geringer Zustimmung in der Wählerschaft und gerade nicht ungleicher Chancen, denn die
unterschiedliche Gewichtung des Erfolgswerts von Wahlstimmen durch eine Sperrklausel treffe alle Parteien
gleichermaßen (vgl. BVerfGE 82, 322 [345]).

Dass die Fünf-Prozent-Sperrklausel die Entstehung und Etablierung neuer Parteien nicht verhindere oder
übermäßig erschwere, zeige der Einzug in die Parlamente auch neuer Parteien in den vergangenen Jahren bei
Bundestagswahlen und Landtagswahlen, bei denen nach Landesrecht ebenfalls Fünf-Prozent-Sperrklauseln
bestünden. Die Sperrklauseln trügen zu einem Mindestmaß an Konsolidierung neuer Parteien bei, indem sie
eine funktionierende Organisation und eine hinreichende Kampagnenfähigkeit der Partei erforderlich mach-

Drucksache 18/1810 – 80 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

ten, um einen erfolgreichen Wahlkampf zu führen, der den Einzug ins Parlament ermögliche. Auch das Bun-
desverfassungsgericht sehe in ständiger Rechtsprechung in der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestags-
wahlen keinen verfassungswidrigen Eingriff in die Chancengleichheit der Parteien (siehe die Nachweise un-
ter 1.).

6. Die Fünf-Prozent-Sperrklausel habe nicht zur Folge, dass die Parteien, die die Sperrklausel überwunden
haben und deshalb an der Sitzverteilung teilnehmen, von den Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die an
der Sperrklausel gescheitert sind und somit nicht an der Sitzverteilung teilnehmen, profitierten und die Wäh-
ler bei der Stimmabgabe nicht erkennen könnten, welche Partei letztlich tatsächlich von ihrer Zweitstimme
profitiere. Von der Zweitstimme für eine Partei profitiere stets die Partei, für die die Stimme abgegeben wor-
den sei. Wenn eine Partei aufgrund eines zur Überwindung der Sperrklausel nicht ausreichenden Zuspruchs
in der Wählerschaft nicht an der Sitzverteilung teilnehme, würden die zu vergebenden Sitze auf die Parteien
verteilt, die die Sperrklausel überwunden haben. Diese Parteien profitierten bei dieser Verteilung von den für
sie abgegebenen Zweitstimmen, nicht von den Zweitstimmen für die an der Sperrklausel gescheiterten Partei-
en, die wegen Nichtteilnahme an der Sitzverteilung zu keinem Sitzerfolg führten.

7. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht entgegengehalten
werden, der Umstand, dass aufgrund der Sperrklausel eine hohe Zahl von Stimmen bei der Sitzverteilung
unberücksichtigt bleibe, befördere die Politikverdrossenheit der Wahlberechtigten. Unabhängig davon, ob
dies tatsächlich der Fall sei, habe sich der Gesetzgeber dazu entschieden, der Sicherung der Funktionsfähig-
keit des Parlaments Vorrang vor derartigen Erwägungen einzuräumen. Das Bundesverfassungsgericht erachte
dies in ständiger Rechtsprechung für verfassungsrechtlich zulässig (siehe die Nachweise unter 1.). Ein wegen
Zersplitterung in kleine und kleinste Fraktionen nicht mehrheits- und handlungsfähiges Parlament, das zur
Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nicht in der Lage sei, wäre zudem in weit höherem Maße geeignet, Politikverdrossenheit zu för-
dern.

8. Aufgrund der verfassungskonformen Ausgestaltung der Fünf-Prozent-Sperrklausel im geltenden Bundes-
wahlgesetz sei der Wahlgesetzgeber auch nicht zur Einführung einer Alternativstimme („Eventualstimme“,
„Ersatzstimme“ bzw. „Stimmweitergabe-Option“) verpflichtet. Ergänzend sei darauf verwiesen, dass im
Schrifttum gegen die Einführung einer solchen Alternativstimme verfassungsrechtliche Bedenken geltend
gemacht würden: Eine Alternativstimme sei mit dem Charakter der Stimmabgabe als einer vorbehaltlosen
und bedingungsfeindlichen Willenserklärung nicht zu vereinbaren und verstoße daher gegen den Grundsatz
der Unmittelbarkeit der Wahl im Sinne des Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) und gegen
das Demokratieprinzip nach Artikel 20 Absatz 1 GG (so Strelen, in: Schreiber, Bundeswahlgesetz, 9. Auflage
2013, § 6 Rn. 37 sowie Schreiber, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: 43. Lfg.
April 2014, Art. 38 Rn. 40, 132). Überdies wäre die Gewährung einer Alternativstimme auch keine verfas-
sungspolitisch angezeigte Fortentwicklung des Wahlrechts. Sie würde das Stimmabgabeverfahren verkompli-
zieren, die Ermittlung des Wahlergebnisses wesentlich erschweren und verzögern und den Wähler von einer
eindeutigen politischen Entscheidung ohne Vorbehalt und Rückfallposition entpflichten (vgl. im Einzelnen
hierzu Strelen, in: Schreiber, § 6 Rn. 37).

9. Die Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Klausel sei schließlich auch nicht davon abhängig, dass Par-
teien, die jeweils mit einer eigenen Liste an der Bundestagswahl teilnehmen, ihre Landeslisten verbinden
dürften, um als Zählgemeinschaft die Sperrklausel zu überwinden. Derartige Listenverbindungen verschiede-
ner Parteien bei der Bundestagswahl seien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wegen
Verstoßes gegen den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit der Parteien verfas-
sungswidrig (BVerfGE 82, 322 [345 f.]). Eine derartige Listenverbindung würde allein dem Zweck dienen,
die verfassungslegitime Zielsetzung einer Fünf-Prozent-Sperrklausel, die Verhinderung einer Zersplitterung
des Parlaments, zu umgehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet. Dem Vortrag des Einspruchsführers lässt sich kein Verstoß
gegen Wahlrechtsvorschriften und damit kein Wahlfehler entnehmen.

1. Soweit der Einspruchsführer kritisiert, dass die (in § 1 Absatz 1 Satz 2, § 4 und § 6 BWG vorgesehene)
Verhältniswahl eine Parteien- bzw. Listenwahl ist, und er dies für verfassungswidrig hält, ist darauf hinzu-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 81 – Drucksache 18/1810

weisen, dass der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in ständiger Praxis im Rahmen eines
Wahlprüfungsverfahrens die Verfassungsmäßigkeit der für die Wahl geltenden Rechtsvorschriften nicht
überprüfen. Eine derartige Kontrolle ist stets dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten worden (vgl. etwa
Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlagen 26 bis 28 mit weiteren Nachweisen; 17/1000, Anlagen 5 und 11;
17/2200, Anlagen 1, 13 bis 15, 17 bis 20, 23 und 24; 17/3100, Anlagen 15, 19, 20, 22 bis 30, 32, 34 bis 36;
17/4600, Anlagen 10, 12, 13, 32, 38, 40 bis 43 mit weiteren Nachweisen; 17/6300, Anlage 19). Unabhängig
davon sind die Bedenken des Einspruchsführers unbegründet. Davon abgesehen, dass Artikel 21 Absatz 1 des
Grundgesetzes (GG) den Parteien eine Mitwirkung bei der politischen Willensbildung des Volkes zuschreibt
– was offenbar auch der Einspruchsführer nicht in Gänze ablehnt –, ist die Listenwahl verfassungsrechtlich
zulässig. Dies gilt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und ebenso ständiger
Spruchpraxis des Wahlprüfungsausschusses auch für die Wahl der Listenbewerber nach sog. starren Listen
gemäß § 27 Absatz 3 BWG (vgl. vgl. BVerfGE 3, 45 [50 f.]; 7, 63 [67 ff.]; 21, 355 [355 f.]; 47, 253 [283];
122, 304 [314]; Bundestagsdrucksachen 15/1850, Anlagen 9, 16, 31 und 34; 17/3100, Anlage 34; 17/6300,
Anlage 35). Diese Regelung verstößt nicht gegen die in Artikel 38 Absatz 1 GG niedergelegten Wahlgrund-
sätze, namentlich nicht gegen den Grundsatz der unmittelbaren oder der gleichen Wahl. Denn die Zurech-
nung der abgegebenen Wählerstimmen auf die einzelnen Wahlvorschläge vollzieht sich von der Stimmabga-
be an ohne Zwischenschaltung eines von dem der Wähler abweichenden Willens (vgl. Hahlen, in: Schreiber,
§ 27 Rn. 4). Auch lässt sich dem Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit nicht entnehmen, dass einem Wähler,
der eine Präferenz für einen bestimmten Kandidaten hat, die Möglichkeit eröffnet werden müsste, die Zweit-
stimme (nur) für diesen Listenbewerber abzugeben (Hahlen, in: Schreiber, § 27 Rn. 12). Dies ist sachgerecht,
denn im Gegensatz zur Erststimmenwahl, bei der die Wahlkreisbewerber im Vordergrund der Wahlentschei-
dung stehen, kommt es bei der Landeslistenwahl nach dem gesetzgeberischen Grundgedanken für den Wäh-
ler entscheidend auf die von ihm favorisierte – durch eine bestimmte Partei vertretene – politische Program-
matik an, für deren Repräsentation die auf der Liste nominierten Bewerber ein Wählermandat anstreben (vgl.
Strelen, in: Schreiber, § 4 Rn. 3).

Überdies sind die Vorstellungen des Einspruchsführers zur Wahlteilnahme von Parteien unzutreffend. Natur-
gemäß können nur natürliche Personen Abgeordnete sein. Nur sie sind daher gemäß Artikel 38 Absatz 2 GG
und § 15 BWG wählbar. Nicht die Parteien, sondern die von ihnen vorgeschlagenen Kandidaten können ge-
wählt werden. Dies ergibt sich prinzipiell aus § 18 BWG. Während Landeslisten gemäß § 27 BWG nur von
Parteien eingereicht werden können, können Kreiswahlvorschläge (für das Direktmandat) gemäß § 20 Absatz
3 BWG auch von parteiunabhängigen Einzelbewerbern eingereicht werden, sofern sie 200 Unterstützungsun-
terschriften einreichen. Die hohe Bedeutung der Parteien für die Vorschläge ergibt sich aus Artikel 21 Absatz
1 Satz 1 GG, wonach die Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes mitwirken. Die Demokratie
des Grundgesetzes ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine Mehrparteiende-
mokratie (vgl. etwa BVerfGE 2, 1 [13]; 5, 85 [224]).

2. Der Einspruchsführer bestreitet nicht, dass das Verfahren zur Auszählung der Stimmen und zur Verteilung
der Sitze auf die Landeslisten der Parteien bei der Bundestagswahl 2013 den Vorgaben des Bundeswahlge-
setzes entsprach. Dieses regelt in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1,
dass bei der Verteilung der Sitze auf die Landeslisten nur Parteien berücksichtigt werden, die mindestens fünf
Prozent der im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten oder in mindestens drei Wahlkrei-
sen einen Sitz errungen haben. Soweit der Einspruchsführer geltend macht, die Sperrklausel verstoße gegen
den Grundsatz der Wahlgleichheit und sei daher verfassungswidrig, ist erneut darauf hinzuweisen, dass der
Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsver-
fahrens die Verfassungsmäßigkeit der für die Wahl geltenden Rechtsvorschriften nicht überprüfen und eine
derartige Kontrolle stets dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten wurde. Allerdings hat der Wahlprü-
fungsausschuss schon in zahlreichen Wahlprüfungsentscheidungen früherer Wahlperioden keinen Anlass für
Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Klausel gesehen (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen
15/1850, Anlagen 9 und 47; 16/900, Anlage 14), zumal das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmä-
ßigkeit der Sperrklausel in ihrer Ausgestaltung durch das Bundeswahlgesetz in ständiger Rechtsprechung
bestätigt hat (vgl. BVerfGE 1, 208 [247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.];
95, 335 [366]; 95, 408 [417 ff.]; 120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.], siehe auch Bundes-
tagsdrucksache 16/900, Anlage 14). Es ist folglich verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass alle Par-
lamentssitze auf diejenigen Parteien verteilt werden, welche die Fünf-Prozent-Hürde überwunden haben.
Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Sperrklausel durch veränderte Ver-
hältnisse infrage gestellt werden. Dies ist bezüglich der Bundestagswahl 2013 aber nicht der Fall, wie das

Drucksache 18/1810 – 82 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Bundesministerium des Innern – auch unter Bezugnahme auf die Urteile vom 9. November 2011 und
26. Februar 2014 – in seiner Stellungnahme zutreffend feststellt: Dass nach dem amtlichen Endergebnis der
Bundestagswahl 2013 insgesamt 15,7 Prozent der gültigen Zweitstimmen nicht in die Mandatsverteilung
eingeflossen sind, weil sie für insgesamt 25 Parteien abgegeben wurden, die bundesweit weniger als fünf
Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, ändert nichts an der vom Bundesverfassungsgericht festgestellten
Verfassungskonformität der Fünf-Prozent-Hürde. Zwar war der Anteil der gültigen, aber wegen der Sperr-
klausel nicht in die Sitzverteilung eingeflossenen Zweitstimmen bei der Bundestagswahl 2013 höher als bei
früheren Bundestagswahlen, da – anders als bei vorhergehenden Wahlen – zwei Parteien jeweils fast fünf
Prozent und zudem 23 weitere Parteien insgesamt 6,2 Prozent (für sich genommen aber teilweise weniger als
0,1 Prozent) erreicht haben. Jedoch ist dieser Umstand nicht atypisch oder zuvor unbekannt gewesen. Es ist
zudem durchaus möglich, dass er bei kommenden Bundestagswahlen mit anderen Wahlergebnissen nicht
(mehr) auftritt. Der Einzug neuer Parteien in den Deutschen Bundestag wird, wie Beispiele aus der Geschich-
te der Bundesrepublik zeigen, ohnehin nicht durch die Sperrklausel verhindert. Außerdem ist die Fünf-
Prozent-Hürde auf das jeweilige Ergebnis einer jeden Partei bezogen. Nur die konkrete Stimmenzahl jeder
Partei kann der Ausgangspunkt der Sitzverteilung auf die Landeslisten sein (vgl. § 6 Absatz 1 BWG) – übri-
gens auch dann, wenn man gedanklich die Sperrklausel streicht oder eine niedrigere Sperrklausel ansetzt –;
erst im zweiten Schritt ist die Stimmenzahl einer jeden Partei in Relation zu den Stimmenanteilen der anderen
Parteien zu setzen (vgl. § 6 Absätze 2 bis 7 BWG). Die gedankliche Addition von Zweitstimmenanteilen
kann folglich für die Fünf-Prozent-Hürde keine Aussagekraft beanspruchen.

3. Soweit der Einspruchsführer den vollständigen Ausgleich von Überhangmandaten kritisiert, ist zunächst
festzuhalten, dass Überhangmandate im früheren Rechtssinne seit dem Inkrafttreten des 22. Gesetzes zur
Änderung des Bundeswahlgesetzes vom 3. Mai 2013 (Bundesgesetzblatt I S. 1082) nicht mehr existieren.
Stattdessen sind nach § 6 BWG n. F. nur noch Ausgleichsmandate möglich. Die Kritik des Einspruchsführers
an den Ausgleichsmandaten bleibt pauschal. Gleichwohl ist festzuhalten, dass die Normen – eingedenk des
oben erwähnten Prüfungsumfanges des Deutschen Bundestages – verfassungskonform sind. Sie entsprechen
dem Gestaltungsspielraum, den Artikel 38 Absatz 3 GG demWahlgesetzgeber einräumt.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 83 – Drucksache 18/1810

Anlage 13

Beschlussempfehlung

ZumWahleinspruch

des Herrn C. P., 53123 Bonn,

– Az.: WP 82/13 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag
am 22. September 2013

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 26. Juni 2014 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit einem Fax vom 19. Oktober 2013 Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl
zum 18. Deutschen Bundestag am 22. September 2013 eingelegt.

Er wendet sich gegen die Listenwahl, die Fünf-Prozent-Klausel und Ausgleichsmandate.

1. Die Verhältniswahl sei eine Parteienwahl. Sie verstoße gegen die Verfassungsvorgabe der Unmittelbarkeit
der Wahl. Parteien dürften nicht als „Sitzverteilerorgan“ zwischen Wähler und Mandat treten. Der Bürger
wisse nicht, welcher natürlichen Person von den vielen auf der Landesliste stehenden Kandidaten er seine
Stimme gebe. Die Annahme, die „Staatsgewaltübertragung“ eines Bürgers durch die Wahl einer Partei bzw.
Landesliste richte sich auf die auf der Liste aufgeführten Personen, sei aus den vorgenannten Gründen eine
irrationale und verfassungswidrige Fiktion. Zudem seien Parteien bzw. Landeslisten „selbst nach dem verfas-
sungswidrigen Wahlgesetz“ nicht wählbar, da § 15 Absatz 1 des Bundeswahlgesetzes (BWG) die Wählbar-
keit nur Deutschen zuspreche, die das 18. Lebensjahr vollendet haben.

2. Die Fünf-Prozent-Klausel verstoße gegen das Verfassungsgebot der Wahlgleichheit. Bei der angegriffenen
Bundestagswahl seien über 6,8 Millionen Stimmen, also 15,7 Prozent der abgegebenen Stimmen, nicht ge-
wertet worden. Der politische Gestaltungswille immerhin etwa jedes sechsten Wählers finde in dem neuen
Deutschen Bundestag keine Vertretung und kein Sprachrohr, das bei Debatten und Gesetzesberatungen ge-
hört würde. Es sei mit dem Grundgesetz nicht zu rechtfertigen, dass bei der Sitzverteilung willkürlich nur
Stimmen für die Parteien berücksichtigt würden, die einen vorher festgelegten Stimmenanteil erhielten. Die
Wählerstimmen für „Schwarz, Rot, Grün“ erlangten einen Bonus, den sich diese politischen Parteien vorher
mit dem Bundeswahlgesetz selbst zugesprochen hätten. Das sei ungerecht und verstoße auch gegen das Dis-
kriminierungsverbot, das Minderheiten schützen solle. Es wirke aber auch demokratiezerstörend, da ausge-
rechnet die Kleinparteien, die als einzige neue Gedanken und einen bislang nicht vertretenen Wählerwillen
zum Ausdruck bringen könnten, durch den reinen Machtspruch der Etablierten von der Gesetzgebung für das
Volk ausgeschlossen würden. Eine Absenkung der Fünf-Prozent-Klausel auf eine geringere Prozentzahl helfe
nicht. Es gebe keine Sperrklausel, die nicht verfassungswidrig sei.

3. Mit dem vollständigen Ausgleich aller Überhangmandate sei die Alleinherrschaft legitimationsloser, belie-
big austauschbarer „Parteifunktionäre“ ohne Persönlichkeit, Grundsätze und Kenntnisse zementiert. Zugleich
werde das einzig verfassungsgemäße Element der Bundestagswahl, die Direktwahl der Wahlkreisabgeordne-
ten, in die Bedeutungslosigkeit „hinabreglementiert“. Die Direktmandatsinhaber könnten die über die Liste
gewählten Abgeordneten wegen deren großer Zahl nicht überstimmen.

Wegen der Einzelheiten des Vortrages des Einspruchsführers wird auf den Inhalt der Akten Bezug genom-
men.

Das Bundesministerium des Innern hat zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-
Sperrklausel am 16. Juni 2014 wie folgt Stellung genommen:

Drucksache 18/1810 – 84 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

1. Das Bundesverfassungsgericht erachte in ständiger Rechtsprechung bei Wahlen zum Deutschen Bundestag
die heute in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG vorgesehene, auf
das gesamte Wahlgebiet bezogene Fünf-Prozent-Sperrklausel für verfassungsgemäß (vgl. BVerfGE 1, 208
[247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366]; 95, 408 [417 ff.];
120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.]). Zuletzt habe das Gericht in seinem Urteil vom
9. Januar 2011 zur Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen entschieden, dass die Fünf-Prozent-
Sperrklausel bei der Wahl zum Deutschen Bundestag ihre Rechtfertigung im Wesentlichen darin finde, dass
die Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende
Unterstützung nötig sei und dieses Ziel durch die Zersplitterung des Parlaments in viele kleine Gruppen ge-
fährdet werde (BVerfGE 129, 300 [335 f.]). In der Entscheidung vom 26. Februar 2014 (2 BvE 2/13 u. a.) zur
Drei-Prozent-Sperrklausel im Europawahlrecht habe das Gericht erneut bestätigt, dass eine Sperrklausel ge-
rechtfertigt sein könne, wenn Verhältnisse wie auf nationaler Ebene gegeben sind, wo die Bildung einer
stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Unterstützung nötig
sei (ebd. Rn. 72).

Angesichts der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei der Wahlgesetzgeber verfas-
sungsrechtlich nicht daran gehindert, bei der Verteilung der zu vergebenden Sitze auf die Landeslisten bei der
Bundestagswahl grundsätzlich nur die Parteien zu berücksichtigen, die mindestens fünf Prozent der im Wahl-
gebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten haben (§ 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Ab-
satz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG). Es sei ihm mit anderen Worten von Verfassungs wegen unbenommen,
gültige Zweitstimmen, die auf Landeslisten von Parteien entfallen sind, die nicht die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben, zwar für die Ergebnisfeststellung als relevant zu werten (§ 42 BWG), nicht
aber für die Sitzverteilung. Der Wahlgesetzgeber dürfe also ohne Verstoß gegen Bundesverfassungsrecht alle
zu vergebenden Parlamentssitze auf die Landeslisten derjenigen Parteien verteilen, die die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben.

Im Interesse der Handlungsfähigkeit des Deutschen Bundestages habe der Wahlgesetzgeber bisher an der auf
das gesamte Wahlgebiet bezogenen Fünf-Prozent-Sperrklausel, die seit der Wahl zum 2. Deutschen Bundes-
tag 1953 gilt, festgehalten. Denn eine Wahl habe – wie das Bundesverfassungsgericht betone (vgl. BVerfGE
51, 222 [236]) – „nicht nur das Ziel, eine Volksvertretung zu schaffen, die ein Spiegelbild der in der Wähler-
schaft vorhandenen politischen Meinungen darstellt, sondern sie soll auch ein funktionsfähiges Organ her-
vorbringen.“ Hierfür seien „(k)lare und ihrer Verantwortung für das Gesamtwohl bewusste Mehrheiten in
einer Volksvertretung (…) für eine Bewältigung der ihr gestellten Aufgaben unentbehrlich“, die durch einen
unbegrenzten Proporz nicht gewährleistet sind.

2. Zwar könne nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die verfassungsrechtliche Rechtfer-
tigung einer die Wahlgleichheit berührenden Norm des Wahlrechts wie eine Sperrklauselregelung durch ver-
änderte Verhältnisse oder neue Entwicklungen – etwa durch eine Änderung der vom Gesetzgeber vorausge-
setzten tatsächlichen oder normativen Grundlagen oder wenn sich die beim Erlass der Norm hinsichtlich ihrer
Auswirkungen angestellte Prognose als irrig erwiesen habe – in Frage gestellt werden (BVerfGE 82, 322
[338 f.]; 120, 82 [108]; 129, 300 [321 f.]; Urteil vom 26. Februar 2014, Az. 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 56). Dies
sei im Hinblick auf die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen jedoch nicht der Fall.

Eine Änderung der normativen Grundlagen für die Beurteilung der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundes-
tagswahlen, die das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung als verfassungsgemäß angesehen
habe, sei nicht festzustellen. Insbesondere führten das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
9. November 2011 zur Verfassungswidrigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen (BVerfGE
129, 300) und sein Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Sperrklausel im
Europawahlgesetz (2 BvE 2/13 u. a.) nicht zu einer abweichenden Bewertung. Das Bundesverfassungsgericht
begründe die Verfassungswidrigkeit der Sperrklauseln bei Europawahlen in diesen Urteilen mit der besonde-
ren Stellung und Funktion des Europäischen Parlaments im Gefüge der Organe der Europäischen Union, wo
eine vergleichbare Interessenlage wie bei der Bundestagswahl nicht bestehe (BVerfGE 129, 300 [336]). Auch
in seinem Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Klausel im Europawahl-
gesetz halte das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich an der gefestigten Rechtsprechung zum verfassungs-
rechtlichen Maßstab für die Beurteilung wahlrechtlicher Sperrklauseln fest und lege – wie es mehrfach beto-
ne – seinem Urteil die gleichen Prüfungsmaßstäbe wie im Urteil vom 9. November 2011 zugrunde (Az. 2
BvE 2/13 u. a., Rn. 37, 45, 63). In beiden Urteilen weise das Gericht zudem darauf hin, dass bei der Bundes-
tagswahl – anders als bei der Europawahl – der Deutsche Bundestag im Falle einer eintretenden Funktionsbe-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 85 – Drucksache 18/1810

einträchtigung aufgrund seiner veränderten strukturellen Zusammensetzung nicht mehr in der Lage wäre, die
gesetzlichen Regelungen zur Sicherung seiner Funktionsfähigkeit zu ändern, weil die erforderliche Mehrheit
nicht mehr zustande käme (BVerfGE 129, 300 [324]; Urteil vom 26. Februar 2014, 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 58).

3. Auch in tatsächlicher Hinsicht erfordere das Wahlergebnis der Bundestagswahl 2013, bei der zwei Parteien
mit einem Stimmenanteil von 4,8 Prozent bzw. 4,7 Prozent der Zweitstimmen vergleichsweise knapp an der
Fünf-Prozent-Klausel gescheitert seien, keine Neubewertung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der
Klausel. Der Gesetzgeber habe sich für die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen entschieden und
diese bis heute beibehalten, um in Konstellationen, in denen eine oder mehrere Parteien weniger als fünf
Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, die Funktionsfähigkeit des Bundestages sicherzustellen. Wenn eine
solche Konstellation bei einer Wahl – wie nun der Bundestagswahl 2013 – tatsächlich auftrete, liege gerade
nicht der Fall vor, dass sich eine Prognose des Gesetzgebers als irrig erwiesen habe oder dass eine Änderung
der vom Gesetzgeber vorausgesetzten tatsächlichen Verhältnisse eingetreten sei, sondern es habe sich ledig-
lich ein Szenario realisiert, das der Gesetzgeber mit seiner Regelung von vornherein habe erfassen wollen.
Auch das Bundesverfassungsgericht habe die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen in Kenntnis
des Umstands, dass an ihr nicht nur Parteien mit einem niedrigen Stimmenanteil zwischen null und zwei
Prozent der Zweitstimmen, sondern auch Parteien mit einem Stimmenanteil knapp unter fünf Prozent schei-
tern können, in ständiger Rechtsprechung als verfassungsmäßig angesehen (siehe die Nachweise unter 1.).

Die bei der Bundestagswahl 2013 aufgetretene hohe Gesamtzahl von abgegebenen gültigen Zweitstimmen
für Parteien, die die Fünf-Prozent-Sperrklausel nicht überwunden haben, sei kein Grund, das Vorliegen ver-
änderter Verhältnisse bzw. neuer Entwicklungen anzunehmen, die eine Neubewertung der verfassungsrecht-
lichen Zulässigkeit der Sperrklausel erforderten. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Sperrklausel sei
nicht von der Gesamtzahl der Stimmen für diejenigen Parteien abhängig, die die Sperrklausel bei einer ein-
zelnen Wahl nicht überwinden. Die Sperrklausel rechtfertige sich vielmehr durch den mit ihr verfolgten ver-
fassungsrechtlich legitimen Zweck, die Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages sicherzustellen (siehe
die Nachweise unter 1.). Sie erfülle ihren Zweck gerade dann, wenn viele an der Wahl teilnehmende Parteien
die Sperrklausel nicht überwinden, aber ohne Sperrklausel Sitze im Parlament erlangt hätten, da auf diese
Weise eine die stabile Mehrheitsbildung gefährdende Zersplitterung des Bundestages vermieden werde.

4. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel stehe nicht entgegen, dass eine
hohe Zahl von Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die aufgrund der Sperrklausel nicht an der Sitzvertei-
lung teilnehmen, eine absolute Mehrheit der Sitze für Parteien ermögliche, die bei der Wahl deutlich weniger
als der Hälfte der Stimmen erreicht haben. Das Erreichen einer Mehrheit der Sitze im Parlament sei immer
mit weniger als der Hälfte der gültigen Zweitstimmen möglich. Denn auch ohne Sperrklausel erhalte nicht
jede Partei, für die bei der Wahl gültige Stimmen abgegeben wurden, automatisch einen Sitz. Da für einen
Sitz auch ohne Sperrklausel stets eine bestimmte Zahl von Stimmen erforderlich sei, führten nicht alle Stim-
men zu einem Sitzerfolg und darum weniger als 50 Prozent der gültigen Zweitstimmen zu einer Mehrheit der
Sitze. Ein Verfassungsrechtssatz des Inhalts, dass einer Mehrheit der Mitglieder des Bundestages notwendi-
gerweise eine Mehrheit der Zweitstimmen in der Bundestagswahl entsprechen müsse, sei nicht feststellbar.
Wenn aber eine Partei in einer Wahl eine absolute Mehrheit der Zweitstimmen erhalte, sei gesichert, dass auf
sie mehr als die Hälfte der Sitze entfalle (§ 6 Absatz 7 BWG).

5. Gegen die Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht vorgebracht werden, sie verhindere bzw. erschwere
in übermäßiger Weise die Entstehung oder Etablierung neuer Parteien und schränke dadurch in unzulässiger
Weise die Chancengleichheit der Parteien ein. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Chancengleichheit
der Parteien verlange nicht, dass jeder Partei, die bei der Bundestagswahl Stimmen erhalte, Sitze im Bundes-
tag garantiert seien. Jede Partei habe rechtlich die gleiche Chance auf Teilnahme an der Sitzverteilung bei
Überwindung der Sperrklausel. Wenn eine Partei die für alle geltende Sperrklausel nicht überwinde, so sei
dies Resultat zu geringer Zustimmung in der Wählerschaft und gerade nicht ungleicher Chancen, denn die
unterschiedliche Gewichtung des Erfolgswerts von Wahlstimmen durch eine Sperrklausel treffe alle Parteien
gleichermaßen (vgl. BVerfGE 82, 322 [345]).

Dass die Fünf-Prozent-Sperrklausel die Entstehung und Etablierung neuer Parteien nicht verhindere oder
übermäßig erschwere, zeige der Einzug in die Parlamente auch neuer Parteien in den vergangenen Jahren bei
Bundestagswahlen und Landtagswahlen, bei denen nach Landesrecht ebenfalls Fünf-Prozent-Sperrklauseln
bestünden. Die Sperrklauseln trügen zu einem Mindestmaß an Konsolidierung neuer Parteien bei, indem sie
eine funktionierende Organisation und eine hinreichende Kampagnenfähigkeit der Partei erforderlich mach-

Drucksache 18/1810 – 86 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

ten, um einen erfolgreichen Wahlkampf zu führen, der den Einzug ins Parlament ermögliche. Auch das Bun-
desverfassungsgericht sehe in ständiger Rechtsprechung in der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestags-
wahlen keinen verfassungswidrigen Eingriff in die Chancengleichheit der Parteien (siehe die Nachweise un-
ter 1.).

6. Die Fünf-Prozent-Sperrklausel habe nicht zur Folge, dass die Parteien, die die Sperrklausel überwunden
haben und deshalb an der Sitzverteilung teilnehmen, von den Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die an
der Sperrklausel gescheitert sind und somit nicht an der Sitzverteilung teilnehmen, profitierten und die Wäh-
ler bei der Stimmabgabe nicht erkennen könnten, welche Partei letztlich tatsächlich von ihrer Zweitstimme
profitiere. Von der Zweitstimme für eine Partei profitiere stets die Partei, für die die Stimme abgegeben wor-
den sei. Wenn eine Partei aufgrund eines zur Überwindung der Sperrklausel nicht ausreichenden Zuspruchs
in der Wählerschaft nicht an der Sitzverteilung teilnehme, würden die zu vergebenden Sitze auf die Parteien
verteilt, die die Sperrklausel überwunden haben. Diese Parteien profitierten bei dieser Verteilung von den für
sie abgegebenen Zweitstimmen, nicht von den Zweitstimmen für die an der Sperrklausel gescheiterten Partei-
en, die wegen Nichtteilnahme an der Sitzverteilung zu keinem Sitzerfolg führten.

7. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht entgegengehalten
werden, der Umstand, dass aufgrund der Sperrklausel eine hohe Zahl von Stimmen bei der Sitzverteilung
unberücksichtigt bleibe, befördere die Politikverdrossenheit der Wahlberechtigten. Unabhängig davon, ob
dies tatsächlich der Fall sei, habe sich der Gesetzgeber dazu entschieden, der Sicherung der Funktionsfähig-
keit des Parlaments Vorrang vor derartigen Erwägungen einzuräumen. Das Bundesverfassungsgericht erachte
dies in ständiger Rechtsprechung für verfassungsrechtlich zulässig (siehe die Nachweise unter 1.). Ein wegen
Zersplitterung in kleine und kleinste Fraktionen nicht mehrheits- und handlungsfähiges Parlament, das zur
Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nicht in der Lage sei, wäre zudem in weit höherem Maße geeignet, Politikverdrossenheit zu för-
dern.

8. Aufgrund der verfassungskonformen Ausgestaltung der Fünf-Prozent-Sperrklausel im geltenden Bundes-
wahlgesetz sei der Wahlgesetzgeber auch nicht zur Einführung einer Alternativstimme („Eventualstimme“,
„Ersatzstimme“ bzw. „Stimmweitergabe-Option“) verpflichtet. Ergänzend sei darauf verwiesen, dass im
Schrifttum gegen die Einführung einer solchen Alternativstimme verfassungsrechtliche Bedenken geltend
gemacht würden: Eine Alternativstimme sei mit dem Charakter der Stimmabgabe als einer vorbehaltlosen
und bedingungsfeindlichen Willenserklärung nicht zu vereinbaren und verstoße daher gegen den Grundsatz
der Unmittelbarkeit der Wahl im Sinne des Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) und gegen
das Demokratieprinzip nach Artikel 20 Absatz 1 GG (so Strelen, in: Schreiber, Bundeswahlgesetz, 9. Auflage
2013, § 6 Rn. 37 sowie Schreiber, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: 43. Lfg.
April 2014, Art. 38 Rn. 40, 132). Überdies wäre die Gewährung einer Alternativstimme auch keine verfas-
sungspolitisch angezeigte Fortentwicklung des Wahlrechts. Sie würde das Stimmabgabeverfahren verkompli-
zieren, die Ermittlung des Wahlergebnisses wesentlich erschweren und verzögern und den Wähler von einer
eindeutigen politischen Entscheidung ohne Vorbehalt und Rückfallposition entpflichten (vgl. im Einzelnen
hierzu Strelen, in: Schreiber, § 6 Rn. 37).

9. Die Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Klausel sei schließlich auch nicht davon abhängig, dass Par-
teien, die jeweils mit einer eigenen Liste an der Bundestagswahl teilnehmen, ihre Landeslisten verbinden
dürften, um als Zählgemeinschaft die Sperrklausel zu überwinden. Derartige Listenverbindungen verschiede-
ner Parteien bei der Bundestagswahl seien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wegen
Verstoßes gegen den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit der Parteien verfas-
sungswidrig (BVerfGE 82, 322 [345 f.]). Eine derartige Listenverbindung würde allein dem Zweck dienen,
die verfassungslegitime Zielsetzung einer Fünf-Prozent-Sperrklausel, die Verhinderung einer Zersplitterung
des Parlaments, zu umgehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet. Dem Vortrag des Einspruchsführers lässt sich kein Verstoß
gegen Wahlrechtsvorschriften und damit kein Wahlfehler entnehmen.

1. Soweit der Einspruchsführer kritisiert, dass die (in § 1 Absatz 1 Satz 2, § 4 und § 6 BWG vorgesehene)
Verhältniswahl eine Parteien- bzw. Listenwahl ist, und er dies für verfassungswidrig hält, ist darauf hinzu-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 87 – Drucksache 18/1810

weisen, dass der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in ständiger Praxis im Rahmen eines
Wahlprüfungsverfahrens die Verfassungsmäßigkeit der für die Wahl geltenden Rechtsvorschriften nicht
überprüfen. Eine derartige Kontrolle ist stets dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten worden (vgl. etwa
Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlagen 26 bis 28 mit weiteren Nachweisen; 17/1000, Anlagen 5 und 11;
17/2200, Anlagen 1, 13 bis 15, 17 bis 20, 23 und 24; 17/3100, Anlagen 15, 19, 20, 22 bis 30, 32, 34 bis 36;
17/4600, Anlagen 10, 12, 13, 32, 38, 40 bis 43 mit weiteren Nachweisen; 17/6300, Anlage 19). Unabhängig
davon sind die Bedenken des Einspruchsführers unbegründet. Davon abgesehen, dass Artikel 21 Absatz 1 des
Grundgesetzes (GG) den Parteien eine Mitwirkung bei der politischen Willensbildung des Volkes zuschreibt
– was offenbar auch der Einspruchsführer nicht in Gänze ablehnt –, ist die Listenwahl verfassungsrechtlich
zulässig. Dies gilt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und ebenso ständiger
Spruchpraxis des Wahlprüfungsausschusses auch für die Wahl der Listenbewerber nach sog. starren Listen
gemäß § 27 Absatz 3 BWG (vgl. vgl. BVerfGE 3, 45 [50 f.]; 7, 63 [67 ff.]; 21, 355 [355 f.]; 47, 253 [283];
122, 304 [314]; Bundestagsdrucksachen 15/1850, Anlagen 9, 16, 31 und 34; 17/3100, Anlage 34; 17/6300,
Anlage 35). Diese Regelung verstößt nicht gegen die in Artikel 38 Absatz 1 GG niedergelegten Wahlgrund-
sätze, namentlich nicht gegen den Grundsatz der unmittelbaren oder der gleichen Wahl. Denn die Zurech-
nung der abgegebenen Wählerstimmen auf die einzelnen Wahlvorschläge vollzieht sich von der Stimmabga-
be an ohne Zwischenschaltung eines von dem der Wähler abweichenden Willens (vgl. Hahlen, in: Schreiber,
§ 27 Rn. 4). Auch lässt sich dem Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit nicht entnehmen, dass einem Wähler,
der eine Präferenz für einen bestimmten Kandidaten hat, die Möglichkeit eröffnet werden müsste, die Zweit-
stimme (nur) für diesen Listenbewerber abzugeben (Hahlen, in: Schreiber, § 27 Rn. 12). Dies ist sachgerecht,
denn im Gegensatz zur Erststimmenwahl, bei der die Wahlkreisbewerber im Vordergrund der Wahlentschei-
dung stehen, kommt es bei der Landeslistenwahl nach dem gesetzgeberischen Grundgedanken für den Wäh-
ler entscheidend auf die von ihm favorisierte – durch eine bestimmte Partei vertretene – politische Program-
matik an, für deren Repräsentation die auf der Liste nominierten Bewerber ein Wählermandat anstreben (vgl.
Strelen, in: Schreiber, § 4 Rn. 3).

Überdies sind die Vorstellung des Einspruchsführers zur Wahlteilnahme von Parteien unzutreffend. Natur-
gemäß können nur natürliche Personen Abgeordnete sein. Nur sie sind daher gemäß Artikel 38 Absatz 2 GG
und § 15 BWG wählbar. Nicht die Parteien, sondern die von ihnen vorgeschlagenen Kandidaten können ge-
wählt werden. Dies ergibt sich prinzipiell aus § 18 BWG. Während Landeslisten gemäß § 27 BWG nur von
Parteien eingereicht werden können, können Kreiswahlvorschläge (für das Direktmandat) gemäß § 20 Absatz
3 BWG auch von parteiunabhängigen Einzelbewerbern eingereicht werden, sofern sie 200 Unterstützungsun-
terschriften einreichen. Die hohe Bedeutung der Parteien für die Vorschläge ergibt sich aus Artikel 21 Absatz
1 Satz 1 GG, wonach die Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes mitwirken. Die Demokratie
des Grundgesetzes ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine Mehrparteiende-
mokratie (vgl. etwa BVerfGE 2, 1 [13]; 5, 85 [224]).

2. Der Einspruchsführer bestreitet nicht, dass das Verfahren zur Auszählung der Stimmen und zur Verteilung
der Sitze auf die Landeslisten der Parteien bei der Bundestagswahl 2013 den Vorgaben des Bundeswahlge-
setzes entsprach. Dieses regelt in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1,
dass bei der Verteilung der Sitze auf die Landeslisten nur Parteien berücksichtigt werden, die mindestens fünf
Prozent der im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten oder in mindestens drei Wahlkrei-
sen einen Sitz errungen haben. Soweit der Einspruchsführer geltend macht, die Sperrklausel verstoße gegen
den Grundsatz der Wahlgleichheit und sei daher verfassungswidrig, ist erneut darauf hinzuweisen, dass der
Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsver-
fahrens die Verfassungsmäßigkeit der für die Wahl geltenden Rechtsvorschriften nicht überprüfen und eine
derartige Kontrolle stets dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten wurde. Allerdings hat der Wahlprü-
fungsausschuss schon in zahlreichen Wahlprüfungsentscheidungen früherer Wahlperioden keinen Anlass für
Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Klausel gesehen (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen
15/1850, Anlagen 9 und 47; 16/900, Anlage 14), zumal das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmä-
ßigkeit der Sperrklausel in ihrer Ausgestaltung durch das Bundeswahlgesetz in ständiger Rechtsprechung
bestätigt hat (vgl. BVerfGE 1, 208 [247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.];
95, 335 [366]; 95, 408 [417 ff.]; 120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.], siehe auch Bundes-
tagsdrucksache 16/900, Anlage 14). Es ist folglich verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass alle Par-
lamentssitze auf diejenigen Parteien verteilt werden, welche die Fünf-Prozent-Hürde überwunden haben.
Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Sperrklausel durch veränderte Ver-
hältnisse infrage gestellt werden. Dies ist bezüglich der Bundestagswahl 2013 aber nicht der Fall, wie das

Drucksache 18/1810 – 88 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Bundesministerium des Innern – auch unter Bezugnahme auf die Urteile vom 9. November 2011 und
26. Februar 2014 – in seiner Stellungnahme zutreffend feststellt: Dass nach dem amtlichen Endergebnis der
Bundestagswahl 2013 insgesamt 15,7 Prozent der gültigen Zweitstimmen nicht in die Mandatsverteilung
eingeflossen sind, weil sie für insgesamt 25 Parteien abgegeben wurden, die bundesweit weniger als fünf
Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, ändert nichts an der vom Bundesverfassungsgericht festgestellten
Verfassungskonformität der Fünf-Prozent-Hürde. Zwar war der Anteil der gültigen, aber wegen der Sperr-
klausel nicht in die Sitzverteilung eingeflossenen Zweitstimmen bei der Bundestagswahl 2013 höher als bei
früheren Bundestagswahlen, da – anders als bei vorhergehenden Wahlen – zwei Parteien jeweils fast fünf
Prozent und zudem 23 weitere Parteien insgesamt 6,2 Prozent (für sich genommen aber teilweise weniger als
0,1 Prozent) erreicht haben. Jedoch ist dieser Umstand nicht atypisch oder zuvor unbekannt gewesen. Es ist
zudem durchaus möglich, dass er bei kommenden Bundestagswahlen mit anderen Wahlergebnissen nicht
(mehr) auftritt. Der Einzug neuer Parteien in den Deutschen Bundestag wird, wie Beispiele aus der Geschich-
te der Bundesrepublik zeigen, ohnehin nicht durch die Sperrklausel verhindert. Außerdem ist die Fünf-
Prozent-Hürde auf das jeweilige Ergebnis einer jeden Partei bezogen. Nur die konkrete Stimmenzahl jeder
Partei kann der Ausgangspunkt der Sitzverteilung auf die Landeslisten sein (vgl. § 6 Absatz 1 BWG) – übri-
gens auch dann, wenn man gedanklich die Sperrklausel streicht oder eine niedrigere Sperrklausel ansetzt –;
erst im zweiten Schritt ist die Stimmenzahl einer jeden Partei in Relation zu den Stimmenanteilen der anderen
Parteien zu setzen (vgl. § 6 Absätze 2 bis 7 BWG). Die gedankliche Addition von Zweitstimmenanteilen
kann folglich für die Fünf-Prozent-Hürde keine Aussagekraft beanspruchen.

3. Soweit der Einspruchsführer den vollständigen Ausgleich von Überhangmandaten kritisiert, ist zunächst
festzuhalten, dass Überhangmandate im früheren Rechtssinne seit dem Inkrafttreten des 22. Gesetzes zur
Änderung des Bundeswahlgesetzes vom 3. Mai 2013 (Bundesgesetzblatt I S. 1082) nicht mehr existieren.
Stattdessen sind nach § 6 BWG n. F. nur noch Ausgleichsmandate möglich. Die Kritik des Einspruchsführers
an den Ausgleichsmandaten bleibt pauschal. Gleichwohl ist festzuhalten, dass die Normen – eingedenk des
oben erwähnten Prüfungsumfanges des Deutschen Bundestages – verfassungskonform sind. Sie entsprechen
dem Gestaltungsspielraum, den Artikel 38 Absatz 3 GG demWahlgesetzgeber einräumt.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 89 – Drucksache 18/1810

Anlage 14

Beschlussempfehlung

ZumWahleinspruch

1. des Herrn Dr. H. F., 53721 Siegburg,
2. des Herrn K. G., 53757 Sankt Augustin,

– Az.: WP 84/13 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag
am 22. September 2013

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 26. Juni 2014 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Die Einspruchsführer haben mit einem Fax vom 21. Oktober 2013 Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl
zum 18. Deutschen Bundestag am 22. September 2013 eingelegt.

Sie wenden sich gegen die Listenwahl, die Fünf-Prozent-Klausel, Ausgleichsmandate sowie (angebliche)
Verletzungen der Chancengleichheit der Parteien.

1. Die Verhältniswahl sei eine Parteienwahl. Sie verstoße gegen die Verfassungsvorgabe der Unmittelbarkeit
der Wahl. Parteien dürften nicht als „Sitzverteilerorgan“ zwischen Wähler und Mandat treten. Der Bürger
wisse nicht, welcher natürlichen Person von den vielen auf der Landesliste stehenden Kandidaten er seine
Stimme gebe. Die Annahme, die „Staatsgewaltübertragung“ eines Bürgers durch die Wahl einer Partei bzw.
Landesliste richte sich auf die auf der Liste aufgeführten Personen, sei aus den vorgenannten Gründen eine
irrationale und verfassungswidrige Fiktion. Zudem seien Parteien bzw. Landeslisten „selbst nach dem verfas-
sungswidrigen Wahlgesetz“ nicht wählbar, da § 15 Absatz 1 des Bundeswahlgesetzes (BWG) die Wählbar-
keit nur Deutschen zuspreche, die das 18. Lebensjahr vollendet haben.

2. Die Fünf-Prozent-Klausel verstoße gegen das Verfassungsgebot der Wahlgleichheit. Bei der angegriffenen
Bundestagswahl seien über 6,8 Millionen Stimmen, also 15,7 Prozent der abgegebenen Stimmen, nicht ge-
wertet worden. Der politische Gestaltungswille immerhin etwa jedes sechsten Wählers finde in dem neuen
Deutschen Bundestag keine Vertretung und kein Sprachrohr, das bei Debatten und Gesetzesberatungen ge-
hört würde. Es sei mit dem Grundgesetz nicht zu rechtfertigen, dass bei der Sitzverteilung willkürlich nur
Stimmen für die Parteien berücksichtigt würden, die einen vorher festgelegten Stimmenanteil erhielten. Die
Wählerstimmen für „Schwarz, Rot, Grün“ erlangten einen Bonus, den sich diese politischen Parteien vorher
mit dem Bundeswahlgesetz selbst zugesprochen hätten. Das sei ungerecht und verstoße auch gegen das Dis-
kriminierungsverbot, das Minderheiten schützen solle. Es wirke aber auch demokratiezerstörend, da ausge-
rechnet die Kleinparteien, die als einzige neue Gedanken und einen bislang nicht vertretenen Wählerwillen
zum Ausdruck bringen könnten, durch den reinen Machtspruch der Etablierten von der Gesetzgebung für das
Volk ausgeschlossen würden. Eine Absenkung der Fünf-Prozent-Klausel auf eine geringere Prozentzahl helfe
nicht. Es gebe keine Sperrklausel, die nicht verfassungswidrig sei.

3. Mit dem vollständigen Ausgleich aller Überhangmandate sei die Alleinherrschaft legitimationsloser, belie-
big austauschbarer „Parteifunktionäre“ ohne Persönlichkeit, Grundsätze und Kenntnisse zementiert. Zugleich
werde das einzig verfassungsgemäße Element der Bundestagswahl, die Direktwahl der Wahlkreisabgeordne-
ten, in die Bedeutungslosigkeit „hinabreglementiert“. Die Direktmandatsinhaber könnten die über die Liste
gewählten Abgeordneten wegen deren großer Zahl nicht überstimmen.

4. Es sei gravierend gegen den Grundsatz der Chancengleichheit verstoßen worden: Die fünf im Deutschen
Bundestag vertretenen Parteien erhielten über 80 Millionen Euro aus Steuermitteln als Parteienfinanzierung.
Während sie viele Millionen Euro für den Wahlkampf hätten einsetzen können, hätten die Wahlbewerber der

Drucksache 18/1810 – 90 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

kleinen Parteien den Wahlkampf aus ihrer eigenen Tasche finanzieren mussen. Die Medien hätten völlig
einseitig ausschließlich über die Wahlaussagen der im Deutschen bundestag vertretenen Parteien berichtet
und für ihre Wahlumfragen noch die Piratenpartei und die Partei „Alternative für Deutschland“ hinzuge-
nommen. Die übrigen fünfzehn Parteien seien in der Berichterstattung und in Meinungsumfragen nicht vor-
gekommen. In der Sonderausgabe der „BILD“-Zeitung zur Wahl seien nur die Wahlaussagen der in den Um-
fragen geführten Parteien dargestellt worden. Dies alles habe zur Verfälschung des Wahlergebnisses beige-
tragen.

Wegen der Einzelheiten des Vortrages der Einspruchsführer wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Das Bundesministerium des Innern hat zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-
Sperrklausel am 16. Juni 2014 wie folgt Stellung genommen:

1. Das Bundesverfassungsgericht erachte in ständiger Rechtsprechung bei Wahlen zum Deutschen Bundestag
die heute in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG vorgesehene, auf
das gesamte Wahlgebiet bezogene Fünf-Prozent-Sperrklausel für verfassungsgemäß (vgl. BVerfGE 1, 208
[247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366]; 95, 408 [417 ff.];
120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.]). Zuletzt habe das Gericht in seinem Urteil vom
9. Januar 2011 zur Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen entschieden, dass die Fünf-Prozent-
Sperrklausel bei der Wahl zum Deutschen Bundestag ihre Rechtfertigung im Wesentlichen darin finde, dass
die Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende
Unterstützung nötig sei und dieses Ziel durch die Zersplitterung des Parlaments in viele kleine Gruppen ge-
fährdet werde (BVerfGE 129, 300 [335 f.]). In der Entscheidung vom 26. Februar 2014 (2 BvE 2/13 u. a.) zur
Drei-Prozent-Sperrklausel im Europawahlrecht habe das Gericht erneut bestätigt, dass eine Sperrklausel ge-
rechtfertigt sein könne, wenn Verhältnisse wie auf nationaler Ebene gegeben sind, wo die Bildung einer
stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Unterstützung nötig
sei (ebd. Rn. 72).

Angesichts der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei der Wahlgesetzgeber verfas-
sungsrechtlich nicht daran gehindert, bei der Verteilung der zu vergebenden Sitze auf die Landeslisten bei der
Bundestagswahl grundsätzlich nur die Parteien zu berücksichtigen, die mindestens fünf Prozent der im Wahl-
gebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten haben (§ 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Ab-
satz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG). Es sei ihm mit anderen Worten von Verfassungs wegen unbenommen,
gültige Zweitstimmen, die auf Landeslisten von Parteien entfallen sind, die nicht die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben, zwar für die Ergebnisfeststellung als relevant zu werten (§ 42 BWG), nicht
aber für die Sitzverteilung. Der Wahlgesetzgeber dürfe also ohne Verstoß gegen Bundesverfassungsrecht alle
zu vergebenden Parlamentssitze auf die Landeslisten derjenigen Parteien verteilen, die die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben.

Im Interesse der Handlungsfähigkeit des Deutschen Bundestages habe der Wahlgesetzgeber bisher an der auf
das gesamte Wahlgebiet bezogenen Fünf-Prozent-Sperrklausel, die seit der Wahl zum 2. Deutschen Bundes-
tag 1953 gilt, festgehalten. Denn eine Wahl habe – wie das Bundesverfassungsgericht betone (vgl. BVerfGE
51, 222 [236]) – „nicht nur das Ziel, eine Volksvertretung zu schaffen, die ein Spiegelbild der in der Wähler-
schaft vorhandenen politischen Meinungen darstellt, sondern sie soll auch ein funktionsfähiges Organ her-
vorbringen.“ Hierfür seien „(k)lare und ihrer Verantwortung für das Gesamtwohl bewusste Mehrheiten in
einer Volksvertretung (…) für eine Bewältigung der ihr gestellten Aufgaben unentbehrlich“, die durch einen
unbegrenzten Proporz nicht gewährleistet sind.

2. Zwar könne nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die verfassungsrechtliche Rechtfer-
tigung einer die Wahlgleichheit berührenden Norm des Wahlrechts wie eine Sperrklauselregelung durch ver-
änderte Verhältnisse oder neue Entwicklungen – etwa durch eine Änderung der vom Gesetzgeber vorausge-
setzten tatsächlichen oder normativen Grundlagen oder wenn sich die beim Erlass der Norm hinsichtlich ihrer
Auswirkungen angestellte Prognose als irrig erwiesen habe – in Frage gestellt werden (BVerfGE 82, 322
[338 f.]; 120, 82 [108]; 129, 300 [321 f.]; Urteil vom 26. Februar 2014, Az. 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 56). Dies
sei im Hinblick auf die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen jedoch nicht der Fall.

Eine Änderung der normativen Grundlagen für die Beurteilung der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundes-
tagswahlen, die das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung als verfassungsgemäß angesehen
habe, sei nicht festzustellen. Insbesondere führten das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 91 – Drucksache 18/1810

9. November 2011 zur Verfassungswidrigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen (BVerfGE
129, 300) und sein Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Sperrklausel im
Europawahlgesetz (2 BvE 2/13 u. a.) nicht zu einer abweichenden Bewertung. Das Bundesverfassungsgericht
begründe die Verfassungswidrigkeit der Sperrklauseln bei Europawahlen in diesen Urteilen mit der besonde-
ren Stellung und Funktion des Europäischen Parlaments im Gefüge der Organe der Europäischen Union, wo
eine vergleichbare Interessenlage wie bei der Bundestagswahl nicht bestehe (BVerfGE 129, 300 [336]). Auch
in seinem Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Klausel im Europawahl-
gesetz halte das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich an der gefestigten Rechtsprechung zum verfassungs-
rechtlichen Maßstab für die Beurteilung wahlrechtlicher Sperrklauseln fest und lege – wie es mehrfach beto-
ne – seinem Urteil die gleichen Prüfungsmaßstäbe wie im Urteil vom 9. November 2011 zugrunde (Az. 2
BvE 2/13 u. a., Rn. 37, 45, 63). In beiden Urteilen weise das Gericht zudem darauf hin, dass bei der Bundes-
tagswahl – anders als bei der Europawahl – der Deutsche Bundestag im Falle einer eintretenden Funktionsbe-
einträchtigung aufgrund seiner veränderten strukturellen Zusammensetzung nicht mehr in der Lage wäre, die
gesetzlichen Regelungen zur Sicherung seiner Funktionsfähigkeit zu ändern, weil die erforderliche Mehrheit
nicht mehr zustande käme (BVerfGE 129, 300 [324]; Urteil vom 26. Februar 2014, 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 58).

3. Auch in tatsächlicher Hinsicht erfordere das Wahlergebnis der Bundestagswahl 2013, bei der zwei Parteien
mit einem Stimmenanteil von 4,8 Prozent bzw. 4,7 Prozent der Zweitstimmen vergleichsweise knapp an der
Fünf-Prozent-Klausel gescheitert seien, keine Neubewertung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der
Klausel. Der Gesetzgeber habe sich für die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen entschieden und
diese bis heute beibehalten, um in Konstellationen, in denen eine oder mehrere Parteien weniger als fünf
Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, die Funktionsfähigkeit des Bundestages sicherzustellen. Wenn eine
solche Konstellation bei einer Wahl – wie nun der Bundestagswahl 2013 – tatsächlich auftrete, liege gerade
nicht der Fall vor, dass sich eine Prognose des Gesetzgebers als irrig erwiesen habe oder dass eine Änderung
der vom Gesetzgeber vorausgesetzten tatsächlichen Verhältnisse eingetreten sei, sondern es habe sich ledig-
lich ein Szenario realisiert, das der Gesetzgeber mit seiner Regelung von vornherein habe erfassen wollen.
Auch das Bundesverfassungsgericht habe die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen in Kenntnis
des Umstands, dass an ihr nicht nur Parteien mit einem niedrigen Stimmenanteil zwischen null und zwei
Prozent der Zweitstimmen, sondern auch Parteien mit einem Stimmenanteil knapp unter fünf Prozent schei-
tern können, in ständiger Rechtsprechung als verfassungsmäßig angesehen (siehe die Nachweise unter 1.).

Die bei der Bundestagswahl 2013 aufgetretene hohe Gesamtzahl von abgegebenen gültigen Zweitstimmen
für Parteien, die die Fünf-Prozent-Sperrklausel nicht überwunden haben, sei kein Grund, das Vorliegen ver-
änderter Verhältnisse bzw. neuer Entwicklungen anzunehmen, die eine Neubewertung der verfassungsrecht-
lichen Zulässigkeit der Sperrklausel erforderten. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Sperrklausel sei
nicht von der Gesamtzahl der Stimmen für diejenigen Parteien abhängig, die die Sperrklausel bei einer ein-
zelnen Wahl nicht überwinden. Die Sperrklausel rechtfertige sich vielmehr durch den mit ihr verfolgten ver-
fassungsrechtlich legitimen Zweck, die Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages sicherzustellen (siehe
die Nachweise unter 1.). Sie erfülle ihren Zweck gerade dann, wenn viele an der Wahl teilnehmende Parteien
die Sperrklausel nicht überwinden, aber ohne Sperrklausel Sitze im Parlament erlangt hätten, da auf diese
Weise eine die stabile Mehrheitsbildung gefährdende Zersplitterung des Bundestages vermieden werde.

4. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel stehe nicht entgegen, dass eine
hohe Zahl von Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die aufgrund der Sperrklausel nicht an der Sitzvertei-
lung teilnehmen, eine absolute Mehrheit der Sitze für Parteien ermögliche, die bei der Wahl deutlich weniger
als der Hälfte der Stimmen erreicht haben. Das Erreichen einer Mehrheit der Sitze im Parlament sei immer
mit weniger als der Hälfte der gültigen Zweitstimmen möglich. Denn auch ohne Sperrklausel erhalte nicht
jede Partei, für die bei der Wahl gültige Stimmen abgegeben wurden, automatisch einen Sitz. Da für einen
Sitz auch ohne Sperrklausel stets eine bestimmte Zahl von Stimmen erforderlich sei, führten nicht alle Stim-
men zu einem Sitzerfolg und darum weniger als 50 Prozent der gültigen Zweitstimmen zu einer Mehrheit der
Sitze. Ein Verfassungsrechtssatz des Inhalts, dass einer Mehrheit der Mitglieder des Bundestages notwendi-
gerweise eine Mehrheit der Zweitstimmen in der Bundestagswahl entsprechen müsse, sei nicht feststellbar.
Wenn aber eine Partei in einer Wahl eine absolute Mehrheit der Zweitstimmen erhalte, sei gesichert, dass auf
sie mehr als die Hälfte der Sitze entfalle (§ 6 Absatz 7 BWG).

5. Gegen die Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht vorgebracht werden, sie verhindere bzw. erschwere
in übermäßiger Weise die Entstehung oder Etablierung neuer Parteien und schränke dadurch in unzulässiger
Weise die Chancengleichheit der Parteien ein. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Chancengleichheit

Drucksache 18/1810 – 92 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

der Parteien verlange nicht, dass jeder Partei, die bei der Bundestagswahl Stimmen erhalte, Sitze im Bundes-
tag garantiert seien. Jede Partei habe rechtlich die gleiche Chance auf Teilnahme an der Sitzverteilung bei
Überwindung der Sperrklausel. Wenn eine Partei die für alle geltende Sperrklausel nicht überwinde, so sei
dies Resultat zu geringer Zustimmung in der Wählerschaft und gerade nicht ungleicher Chancen, denn die
unterschiedliche Gewichtung des Erfolgswerts von Wahlstimmen durch eine Sperrklausel treffe alle Parteien
gleichermaßen (vgl. BVerfGE 82, 322 [345]).

Dass die Fünf-Prozent-Sperrklausel die Entstehung und Etablierung neuer Parteien nicht verhindere oder
übermäßig erschwere, zeige der Einzug in die Parlamente auch neuer Parteien in den vergangenen Jahren bei
Bundestagswahlen und Landtagswahlen, bei denen nach Landesrecht ebenfalls Fünf-Prozent-Sperrklauseln
bestünden. Die Sperrklauseln trügen zu einem Mindestmaß an Konsolidierung neuer Parteien bei, indem sie
eine funktionierende Organisation und eine hinreichende Kampagnenfähigkeit der Partei erforderlich mach-
ten, um einen erfolgreichen Wahlkampf zu führen, der den Einzug ins Parlament ermögliche. Auch das Bun-
desverfassungsgericht sehe in ständiger Rechtsprechung in der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestags-
wahlen keinen verfassungswidrigen Eingriff in die Chancengleichheit der Parteien (siehe die Nachweise un-
ter 1.).

6. Die Fünf-Prozent-Sperrklausel habe nicht zur Folge, dass die Parteien, die die Sperrklausel überwunden
haben und deshalb an der Sitzverteilung teilnehmen, von den Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die an
der Sperrklausel gescheitert sind und somit nicht an der Sitzverteilung teilnehmen, profitierten und die Wäh-
ler bei der Stimmabgabe nicht erkennen könnten, welche Partei letztlich tatsächlich von ihrer Zweitstimme
profitiere. Von der Zweitstimme für eine Partei profitiere stets die Partei, für die die Stimme abgegeben wor-
den sei. Wenn eine Partei aufgrund eines zur Überwindung der Sperrklausel nicht ausreichenden Zuspruchs
in der Wählerschaft nicht an der Sitzverteilung teilnehme, würden die zu vergebenden Sitze auf die Parteien
verteilt, die die Sperrklausel überwunden haben. Diese Parteien profitierten bei dieser Verteilung von den für
sie abgegebenen Zweitstimmen, nicht von den Zweitstimmen für die an der Sperrklausel gescheiterten Partei-
en, die wegen Nichtteilnahme an der Sitzverteilung zu keinem Sitzerfolg führten.

7. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht entgegengehalten
werden, der Umstand, dass aufgrund der Sperrklausel eine hohe Zahl von Stimmen bei der Sitzverteilung
unberücksichtigt bleibe, befördere die Politikverdrossenheit der Wahlberechtigten. Unabhängig davon, ob
dies tatsächlich der Fall sei, habe sich der Gesetzgeber dazu entschieden, der Sicherung der Funktionsfähig-
keit des Parlaments Vorrang vor derartigen Erwägungen einzuräumen. Das Bundesverfassungsgericht erachte
dies in ständiger Rechtsprechung für verfassungsrechtlich zulässig (siehe die Nachweise unter 1.). Ein wegen
Zersplitterung in kleine und kleinste Fraktionen nicht mehrheits- und handlungsfähiges Parlament, das zur
Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nicht in der Lage sei, wäre zudem in weit höherem Maße geeignet, Politikverdrossenheit zu för-
dern.

8. Aufgrund der verfassungskonformen Ausgestaltung der Fünf-Prozent-Sperrklausel im geltenden Bundes-
wahlgesetz sei der Wahlgesetzgeber auch nicht zur Einführung einer Alternativstimme („Eventualstimme“,
„Ersatzstimme“ bzw. „Stimmweitergabe-Option“) verpflichtet. Ergänzend sei darauf verwiesen, dass im
Schrifttum gegen die Einführung einer solchen Alternativstimme verfassungsrechtliche Bedenken geltend
gemacht würden: Eine Alternativstimme sei mit dem Charakter der Stimmabgabe als einer vorbehaltlosen
und bedingungsfeindlichen Willenserklärung nicht zu vereinbaren und verstoße daher gegen den Grundsatz
der Unmittelbarkeit der Wahl im Sinne des Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) und gegen
das Demokratieprinzip nach Artikel 20 Absatz 1 GG (so Strelen, in: Schreiber, Bundeswahlgesetz, 9. Auflage
2013, § 6 Rn. 37 sowie Schreiber, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: 43. Lfg.
April 2014, Art. 38 Rn. 40, 132). Überdies wäre die Gewährung einer Alternativstimme auch keine verfas-
sungspolitisch angezeigte Fortentwicklung des Wahlrechts. Sie würde das Stimmabgabeverfahren verkompli-
zieren, die Ermittlung des Wahlergebnisses wesentlich erschweren und verzögern und den Wähler von einer
eindeutigen politischen Entscheidung ohne Vorbehalt und Rückfallposition entpflichten (vgl. im Einzelnen
hierzu Strelen, in: Schreiber, § 6 Rn. 37).

9. Die Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Klausel sei schließlich auch nicht davon abhängig, dass Par-
teien, die jeweils mit einer eigenen Liste an der Bundestagswahl teilnehmen, ihre Landeslisten verbinden
dürften, um als Zählgemeinschaft die Sperrklausel zu überwinden. Derartige Listenverbindungen verschiede-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 93 – Drucksache 18/1810

ner Parteien bei der Bundestagswahl seien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wegen
Verstoßes gegen den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit der Parteien verfas-
sungswidrig (BVerfGE 82, 322 [345 f.]). Eine derartige Listenverbindung würde allein dem Zweck dienen,
die verfassungslegitime Zielsetzung einer Fünf-Prozent-Sperrklausel, die Verhinderung einer Zersplitterung
des Parlaments, zu umgehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet. Dem Vortrag der Einspruchsführer lässt sich kein Verstoß ge-
gen Wahlrechtsvorschriften und damit kein Wahlfehler entnehmen.

1. Soweit die Einspruchsführer kritisieren, dass die (in § 1 Absatz 1 Satz 2, § 4 und § 6 BWG vorgesehene)
Verhältniswahl eine Parteien- bzw. Listenwahl ist, und sie dies für verfassungswidrig halten, ist darauf hin-
zuweisen, dass der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in ständiger Praxis im Rahmen eines
Wahlprüfungsverfahrens die Verfassungsmäßigkeit der für die Wahl geltenden Rechtsvorschriften nicht
überprüfen. Eine derartige Kontrolle ist stets dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten worden (vgl. etwa
Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlagen 26 bis 28 mit weiteren Nachweisen; 17/1000, Anlagen 5 und 11;
17/2200, Anlagen 1, 13 bis 15, 17 bis 20, 23 und 24; 17/3100, Anlagen 15, 19, 20, 22 bis 30, 32, 34 bis 36;
17/4600, Anlagen 10, 12, 13, 32, 38, 40 bis 43 mit weiteren Nachweisen; 17/6300, Anlage 19). Unabhängig
davon sind die Bedenken der Einspruchsführer unbegründet. Davon abgesehen, dass Artikel 21 Absatz 1 des
Grundgesetzes (GG) den Parteien eine Mitwirkung bei der politischen Willensbildung des Volkes zuschreibt
– was offenbar auch die Einspruchsführer nicht in Gänze ablehnen –, ist die Listenwahl verfassungsrechtlich
zulässig. Dies gilt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und ebenso ständiger
Spruchpraxis des Wahlprüfungsausschusses auch für die Wahl der Listenbewerber nach sog. starren Listen
gemäß § 27 Absatz 3 BWG (vgl. vgl. BVerfGE 3, 45 [50 f.]; 7, 63 [67 ff.]; 21, 355 [355 f.]; 47, 253 [283];
122, 304 [314]; Bundestagsdrucksachen 15/1850, Anlagen 9, 16, 31 und 34; 17/3100, Anlage 34; 17/6300,
Anlage 35). Diese Regelung verstößt nicht gegen die in Artikel 38 Absatz 1 GG niedergelegten Wahlgrund-
sätze, namentlich nicht gegen den Grundsatz der unmittelbaren oder der gleichen Wahl. Denn die Zurech-
nung der abgegebenen Wählerstimmen auf die einzelnen Wahlvorschläge vollzieht sich von der Stimmabga-
be an ohne Zwischenschaltung eines von dem der Wähler abweichenden Willens (vgl. Hahlen, in: Schreiber,
§ 27 Rn. 4). Auch lässt sich dem Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit nicht entnehmen, dass einem Wähler,
der eine Präferenz für einen bestimmten Kandidaten hat, die Möglichkeit eröffnet werden müsste, die Zweit-
stimme (nur) für diesen Listenbewerber abzugeben (Hahlen, in: Schreiber, § 27 Rn. 12). Dies ist sachgerecht,
denn im Gegensatz zur Erststimmenwahl, bei der die Wahlkreisbewerber im Vordergrund der Wahlentschei-
dung stehen, kommt es bei der Landeslistenwahl nach dem gesetzgeberischen Grundgedanken für den Wäh-
ler entscheidend auf die von ihm favorisierte – durch eine bestimmte Partei vertretene – politische Program-
matik an, für deren Repräsentation die auf der Liste nominierten Bewerber ein Wählermandat anstreben (vgl.
Strelen, in: Schreiber, § 4 Rn. 3).

Überdies sind die Vorstellung der Einspruchsführer zur Wahlteilnahme von Parteien unzutreffend. Naturge-
mäß können nur natürliche Personen Abgeordnete sein. Nur sie sind daher gemäß Artikel 38 Absatz 2 GG
und § 15 BWG wählbar. Nicht die Parteien, sondern die von ihnen vorgeschlagenen Kandidaten können ge-
wählt werden. Dies ergibt sich prinzipiell aus § 18 BWG. Während Landeslisten gemäß § 27 BWG nur von
Parteien eingereicht werden können, können Kreiswahlvorschläge (für das Direktmandat) gemäß § 20 Absatz
3 BWG auch von parteiunabhängigen Einzelbewerbern eingereicht werden, sofern sie 200 Unterstützungsun-
terschriften einreichen. Die hohe Bedeutung der Parteien für die Vorschläge ergibt sich aus Artikel 21 Absatz
1 Satz 1 GG, wonach die Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes mitwirken. Die Demokratie
des Grundgesetzes ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine Mehrparteiende-
mokratie (vgl. etwa BVerfGE 2, 1 [13]; 5, 85 [224]).

2. Die Einspruchsführer bestreiten nicht, dass das Verfahren zur Auszählung der Stimmen und zur Verteilung
der Sitze auf die Landeslisten der Parteien bei der Bundestagswahl 2013 den Vorgaben des Bundeswahlge-
setzes entsprach. Dieses regelt in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1,
dass bei der Verteilung der Sitze auf die Landeslisten nur Parteien berücksichtigt werden, die mindestens fünf
Prozent der im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten oder in mindestens drei Wahlkrei-
sen einen Sitz errungen haben. Soweit die Einspruchsführer geltend machen, die Sperrklausel verstoße gegen
den Grundsatz der Wahlgleichheit und sei daher verfassungswidrig, ist erneut darauf hinzuweisen, dass der

Drucksache 18/1810 – 94 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsver-
fahrens die Verfassungsmäßigkeit der für die Wahl geltenden Rechtsvorschriften nicht überprüfen und eine
derartige Kontrolle stets dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten wurde. Allerdings hat der Wahlprü-
fungsausschuss schon in zahlreichen Wahlprüfungsentscheidungen früherer Wahlperioden keinen Anlass für
Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Klausel gesehen (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen
15/1850, Anlagen 9 und 47; 16/900, Anlage 14), zumal das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmä-
ßigkeit der Sperrklausel in ihrer Ausgestaltung durch das Bundeswahlgesetz in ständiger Rechtsprechung
bestätigt hat (vgl. BVerfGE 1, 208 [247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.];
95, 335 [366]; 95, 408 [417 ff.]; 120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.], siehe auch Bundes-
tagsdrucksache 16/900, Anlage 14). Es ist folglich verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass alle Par-
lamentssitze auf diejenigen Parteien verteilt werden, welche die Fünf-Prozent-Hürde überwunden haben.
Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Sperrklausel durch veränderte Ver-
hältnisse infrage gestellt werden. Dies ist bezüglich der Bundestagswahl 2013 aber nicht der Fall, wie das
Bundesministerium des Innern – auch unter Bezugnahme auf die Urteile vom 9. November 2011 und
26. Februar 2014 – in seiner Stellungnahme zutreffend feststellt: Dass nach dem amtlichen Endergebnis der
Bundestagswahl 2013 insgesamt 15,7 Prozent der gültigen Zweitstimmen nicht in die Mandatsverteilung
eingeflossen sind, weil sie für insgesamt 25 Parteien abgegeben wurden, die bundesweit weniger als fünf
Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, ändert nichts an der vom Bundesverfassungsgericht festgestellten
Verfassungskonformität der Fünf-Prozent-Hürde. Zwar war der Anteil der gültigen, aber wegen der Sperr-
klausel nicht in die Sitzverteilung eingeflossenen Zweitstimmen bei der Bundestagswahl 2013 höher als bei
früheren Bundestagswahlen, da – anders als bei vorhergehenden Wahlen – zwei Parteien jeweils fast fünf
Prozent und zudem 23 weitere Parteien insgesamt 6,2 Prozent (für sich genommen aber teilweise weniger als
0,1 Prozent) erreicht haben. Jedoch ist dieser Umstand nicht atypisch oder zuvor unbekannt gewesen. Es ist
zudem durchaus möglich, dass er bei kommenden Bundestagswahlen mit anderen Wahlergebnissen nicht
(mehr) auftritt. Der Einzug neuer Parteien in den Deutschen Bundestag wird, wie Beispiele aus der Geschich-
te der Bundesrepublik zeigen, ohnehin nicht durch die Sperrklausel verhindert. Außerdem ist die Fünf-
Prozent-Hürde auf das jeweilige Ergebnis einer jeden Partei bezogen. Nur die konkrete Stimmenzahl jeder
Partei kann der Ausgangspunkt der Sitzverteilung auf die Landeslisten sein (vgl. § 6 Absatz 1 BWG) – übri-
gens auch dann, wenn man gedanklich die Sperrklausel streicht oder eine niedrigere Sperrklausel ansetzt –;
erst im zweiten Schritt ist die Stimmenzahl einer jeden Partei in Relation zu den Stimmenanteilen der anderen
Parteien zu setzen (vgl. § 6 Absätze 2 bis 7 BWG). Die gedankliche Addition von Zweitstimmenanteilen
kann folglich für die Fünf-Prozent-Hürde keine Aussagekraft beanspruchen.

3. Soweit die Einspruchsführer den vollständigen Ausgleich von Überhangmandaten kritisieren, ist zunächst
festzuhalten, dass Überhangmandate im früheren Rechtssinne seit dem Inkrafttreten des 22. Gesetzes zur
Änderung des Bundeswahlgesetzes vom 3. Mai 2013 (Bundesgesetzblatt I S. 1082) nicht mehr existieren.
Stattdessen sind nach § 6 BWG n. F. nur noch Ausgleichsmandate möglich. Die Kritik der Einspruchsführer
an den Ausgleichsmandaten bleibt pauschal. Gleichwohl ist festzuhalten, dass die Normen – eingedenk des
oben erwähnten Prüfungsumfanges des Deutschen Bundestages – verfassungskonform sind. Sie entsprechen
dem Gestaltungsspielraum, den Artikel 38 Absatz 3 GG demWahlgesetzgeber einräumt.

4. Soweit die Einspruchsführer meinen, die Chancengleichheit der Parteien sei nicht gewahrt gewesen, ist
ebenfalls kein Wahlfehler erkennbar.

a) Dem Vorbringen der Einspruchsführer, die Chancengleichheit der Parteien sei verletzt worden, weil die
Wahlkampfkostenerstattung nicht für alle zur Wahl angetretenen Parteien gleich hoch sei, lässt sich kein
Wahlfehler entnehmen. Vorab ist erneut darauf hinzuweisen, dass der Wahlprüfungsausschuss und der Deut-
sche Bundestag in ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens die Verfassungsmäßigkeit von
Wahlrechtsvorschriften nicht überprüfen und eine derartige Kontrolle stets dem Bundesverfassungsgericht
vorbehalten wurde. Außerdem ist bereits fraglich, ob der der Finanzierung zugrunde liegende § 18 des Partei-
engesetzes (PartG) zu den Wahlrechtsvorschriften im weiteren Sinne zählt; denn die Wahlprüfung bezieht
sich, wie sich aus § 1 Absatz 1 des Wahlprüfungsgesetzes ergibt, nur auf Fehler bei der Vorbereitung und
Durchführung der Wahl. Davon abgesehen begründet der Vortrag des Einspruchsführers keinen Verstoß
gegen den mit Verfassungsrang ausgestatteten Grundsatz der Chancengleichheit aller Wahlvorschlagsträger,
der eine Differenzierung nur aus zwingenden Gründen zulässt (BVerfGE 41, 399 [413]; 78, 350 [358]).

Die Regelungen zur Parteienfinanzierung in § 18 PartG verstoßen nicht gegen diesen Grundsatz. Nach der
oben erwähnten ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts rechtfertigt es die Sicherung des

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 95 – Drucksache 18/1810

Charakters der Wahl als eines entscheidenden Integrationsvorganges, in einem bestimmten Umfang bei der
Verhältniswahl den Erfolgswert der Wählerstimmen zu dfferenzieren. Auch bei der staatlichen Parteienfinan-
zierung kann der Gesetzgeber der Stimmenzersplitterung schon im Vorfeld der Wahl durch eine angemessene
Beschränkung der Zuweisung staatlicher Mittel entgegentreten. Dadurch wird die Funktionsfähigkeit der
Volksvertetung gesichert (vgl. BVerfGE 111, 382 [399]; 121, 108 [123]). Indem der Gesetzgeber die Gefahr
bekämpft, dass sich kleine Splittergruppen nur deshalb an Wahlen beteiligen, um an der staatlichen Parteien-
finanzierung teilzuhaben, wirkt er zugleich der Gefahr einer übermäßigen Aufsplitterung der Stimmen und
der Parteien entgegen (Hahlen, in: Schreiber, § 50 Rn. 17). Die in § 18 Absatz 4 PartG festgelegten Mindest-
stimmenanteile von 0,5, 1,0 und 10 Prozent entsprechen den verfassungsrechtlichen Anforderungen an den
Nachweis der Ernsthaftigkeit der Wahlkampfbemühungen (Hahlen, in: Schreiber, a. a. O.).

b) Ihre Anwürfe, die Chancengleichheit der Parteien sei durch die unterschiedliche Präsenz in den öffentli-
chen und privaten Medien verletzt worden, untermauern die Einspruchsführer nicht. Sie bleiben im Ungefäh-
ren. Wahlbeanstandungen, die über nicht belegte Vermutungen oder die bloße Andeutung der Möglichkeit
von Wahlfehlern nicht hinausgehen und einen konkreten, der Überprüfung zugänglichen Tatsachenvortrag
nicht enthalten, müssen aber als unsubstantiiert zurückgewiesen werden (Bundestagsdrucksachen 15/1150,
Anlagen 283 bis 285; 15/1850, Anlage 25; 15/2400, Anlage 9; 17/1000, Anlagen 13 und 19; 18/1160, Anla-
gen 3, 6 und 83; BVerfGE 48, 271 [276]; 66, 369 [379]; 85, 148 [159]; 122, 304 [309]; Hahlen, in: Schreiber,
§ 49 Rn. 25).

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 97 – Drucksache 18/1810

Anlage 15

Beschlussempfehlung

ZumWahleinspruch

der Frau M. N.-K., 74223 Flein,

– Az.: WP 92/13 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag
am 22. September 2013

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 26. Juni 2014 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Die Einspruchsführerin hat mit einem Schreiben vom 17. Oktober 2013 Einspruch gegen die Gültigkeit der
Wahl zum 18. Deutschen Bundestag am 22. September 2013 eingelegt.

Sie meint, 6,8 Millionen Stimmen, fast 16 Prozent, seien nicht mitgezählt worden. Etliche Unterlagen seien
verschwunden. Briefwähler hätten trotz Antrages keine Wahlunterlagen erhalten.

Mit Schreiben des Ausschusssekretariats vom 23. Oktober 2013 ist die Einspruchsführerin gebeten worden,
ihren Vortrag insbesondere hinsichtlich nicht erhaltener Briefwahlunterlagen und verschwundener anderer
Unterlagen zu konkretisieren. Sie hat darauf nicht reagiert.

Das Bundesministerium des Innern hat zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-
Sperrklausel am 16. Juni 2014 wie folgt Stellung genommen:

1. Das Bundesverfassungsgericht erachte in ständiger Rechtsprechung bei Wahlen zum Deutschen Bundestag
die heute in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1 des Bundeswahlgesetzes
(BWG) vorgesehene, auf das gesamte Wahlgebiet bezogene Fünf-Prozent-Sperrklausel für verfassungsgemäß
(vgl. BVerfGE 1, 208 [247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366];
95, 408 [417 ff.]; 120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.]). Zuletzt habe das Gericht in seinem
Urteil vom 9. Januar 2011 zur Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen entschieden, dass die Fünf-
Prozent-Sperrklausel bei der Wahl zum Deutschen Bundestag ihre Rechtfertigung im Wesentlichen darin
finde, dass die Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren
fortlaufende Unterstützung nötig sei und dieses Ziel durch die Zersplitterung des Parlaments in viele kleine
Gruppen gefährdet werde (BVerfGE 129, 300 [335 f.]). In der Entscheidung vom 26. Februar 2014 (2 BvE
2/13 u. a.) zur Drei-Prozent-Sperrklausel im Europawahlrecht habe das Gericht erneut bestätigt, dass eine
Sperrklausel gerechtfertigt sein könne, wenn Verhältnisse wie auf nationaler Ebene gegeben sind, wo die
Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nötig sei (ebd. Rn. 72).

Angesichts der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei der Wahlgesetzgeber verfas-
sungsrechtlich nicht daran gehindert, bei der Verteilung der zu vergebenden Sitze auf die Landeslisten bei der
Bundestagswahl grundsätzlich nur die Parteien zu berücksichtigen, die mindestens fünf Prozent der im Wahl-
gebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten haben (§ 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Ab-
satz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG). Es sei ihm mit anderen Worten von Verfassungs wegen unbenommen,
gültige Zweitstimmen, die auf Landeslisten von Parteien entfallen sind, die nicht die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben, zwar für die Ergebnisfeststellung als relevant zu werten (§ 42 BWG), nicht
aber für die Sitzverteilung. Der Wahlgesetzgeber dürfe also ohne Verstoß gegen Bundesverfassungsrecht alle
zu vergebenden Parlamentssitze auf die Landeslisten derjenigen Parteien verteilen, die die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben.

Drucksache 18/1810 – 98 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Im Interesse der Handlungsfähigkeit des Deutschen Bundestages habe der Wahlgesetzgeber bisher an der auf
das gesamte Wahlgebiet bezogenen Fünf-Prozent-Sperrklausel, die seit der Wahl zum 2. Deutschen Bundes-
tag 1953 gilt, festgehalten. Denn eine Wahl habe – wie das Bundesverfassungsgericht betone (vgl. BVerfGE
51, 222 [236]) – „nicht nur das Ziel, eine Volksvertretung zu schaffen, die ein Spiegelbild der in der Wähler-
schaft vorhandenen politischen Meinungen darstellt, sondern sie soll auch ein funktionsfähiges Organ her-
vorbringen.“ Hierfür seien „(k)lare und ihrer Verantwortung für das Gesamtwohl bewusste Mehrheiten in
einer Volksvertretung (…) für eine Bewältigung der ihr gestellten Aufgaben unentbehrlich“, die durch einen
unbegrenzten Proporz nicht gewährleistet sind.

2. Zwar könne nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die verfassungsrechtliche Rechtfer-
tigung einer die Wahlgleichheit berührenden Norm des Wahlrechts wie eine Sperrklauselregelung durch ver-
änderte Verhältnisse oder neue Entwicklungen – etwa durch eine Änderung der vom Gesetzgeber vorausge-
setzten tatsächlichen oder normativen Grundlagen oder wenn sich die beim Erlass der Norm hinsichtlich ihrer
Auswirkungen angestellte Prognose als irrig erwiesen habe – in Frage gestellt werden (BVerfGE 82, 322
[338 f.]; 120, 82 [108]; 129, 300 [321 f.]; Urteil vom 26. Februar 2014, Az. 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 56). Dies
sei im Hinblick auf die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen jedoch nicht der Fall.

Eine Änderung der normativen Grundlagen für die Beurteilung der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundes-
tagswahlen, die das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung als verfassungsgemäß angesehen
habe, sei nicht festzustellen. Insbesondere führten das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
9. November 2011 zur Verfassungswidrigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen (BVerfGE
129, 300) und sein Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Sperrklausel im
Europawahlgesetz (2 BvE 2/13 u. a.) nicht zu einer abweichenden Bewertung. Das Bundesverfassungsgericht
begründe die Verfassungswidrigkeit der Sperrklauseln bei Europawahlen in diesen Urteilen mit der besonde-
ren Stellung und Funktion des Europäischen Parlaments im Gefüge der Organe der Europäischen Union, wo
eine vergleichbare Interessenlage wie bei der Bundestagswahl nicht bestehe (BVerfGE 129, 300 [336]). Auch
in seinem Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Klausel im Europawahl-
gesetz halte das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich an der gefestigten Rechtsprechung zum verfassungs-
rechtlichen Maßstab für die Beurteilung wahlrechtlicher Sperrklauseln fest und lege – wie es mehrfach beto-
ne – seinem Urteil die gleichen Prüfungsmaßstäbe wie im Urteil vom 9. November 2011 zugrunde (Az. 2
BvE 2/13 u. a., Rn. 37, 45, 63). In beiden Urteilen weise das Gericht zudem darauf hin, dass bei der Bundes-
tagswahl – anders als bei der Europawahl – der Deutsche Bundestag im Falle einer eintretenden Funktionsbe-
einträchtigung aufgrund seiner veränderten strukturellen Zusammensetzung nicht mehr in der Lage wäre, die
gesetzlichen Regelungen zur Sicherung seiner Funktionsfähigkeit zu ändern, weil die erforderliche Mehrheit
nicht mehr zustande käme (BVerfGE 129, 300 [324]; Urteil vom 26. Februar 2014, 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 58).

3. Auch in tatsächlicher Hinsicht erfordere das Wahlergebnis der Bundestagswahl 2013, bei der zwei Parteien
mit einem Stimmenanteil von 4,8 Prozent bzw. 4,7 Prozent der Zweitstimmen vergleichsweise knapp an der
Fünf-Prozent-Klausel gescheitert seien, keine Neubewertung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der
Klausel. Der Gesetzgeber habe sich für die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen entschieden und
diese bis heute beibehalten, um in Konstellationen, in denen eine oder mehrere Parteien weniger als fünf
Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, die Funktionsfähigkeit des Bundestages sicherzustellen. Wenn eine
solche Konstellation bei einer Wahl – wie nun der Bundestagswahl 2013 – tatsächlich auftrete, liege gerade
nicht der Fall vor, dass sich eine Prognose des Gesetzgebers als irrig erwiesen habe oder dass eine Änderung
der vom Gesetzgeber vorausgesetzten tatsächlichen Verhältnisse eingetreten sei, sondern es habe sich ledig-
lich ein Szenario realisiert, das der Gesetzgeber mit seiner Regelung von vornherein habe erfassen wollen.
Auch das Bundesverfassungsgericht habe die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen in Kenntnis
des Umstands, dass an ihr nicht nur Parteien mit einem niedrigen Stimmenanteil zwischen null und zwei
Prozent der Zweitstimmen, sondern auch Parteien mit einem Stimmenanteil knapp unter fünf Prozent schei-
tern können, in ständiger Rechtsprechung als verfassungsmäßig angesehen (siehe die Nachweise unter 1.).

Die bei der Bundestagswahl 2013 aufgetretene hohe Gesamtzahl von abgegebenen gültigen Zweitstimmen
für Parteien, die die Fünf-Prozent-Sperrklausel nicht überwunden haben, sei kein Grund, das Vorliegen ver-
änderter Verhältnisse bzw. neuer Entwicklungen anzunehmen, die eine Neubewertung der verfassungsrecht-
lichen Zulässigkeit der Sperrklausel erforderten. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Sperrklausel sei
nicht von der Gesamtzahl der Stimmen für diejenigen Parteien abhängig, die die Sperrklausel bei einer ein-
zelnen Wahl nicht überwinden. Die Sperrklausel rechtfertige sich vielmehr durch den mit ihr verfolgten ver-
fassungsrechtlich legitimen Zweck, die Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages sicherzustellen (siehe

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 99 – Drucksache 18/1810

die Nachweise unter 1.). Sie erfülle ihren Zweck gerade dann, wenn viele an der Wahl teilnehmende Parteien
die Sperrklausel nicht überwinden, aber ohne Sperrklausel Sitze im Parlament erlangt hätten, da auf diese
Weise eine die stabile Mehrheitsbildung gefährdende Zersplitterung des Bundestages vermieden werde.

4. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel stehe nicht entgegen, dass eine
hohe Zahl von Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die aufgrund der Sperrklausel nicht an der Sitzvertei-
lung teilnehmen, eine absolute Mehrheit der Sitze für Parteien ermögliche, die bei der Wahl deutlich weniger
als der Hälfte der Stimmen erreicht haben. Das Erreichen einer Mehrheit der Sitze im Parlament sei immer
mit weniger als der Hälfte der gültigen Zweitstimmen möglich. Denn auch ohne Sperrklausel erhalte nicht
jede Partei, für die bei der Wahl gültige Stimmen abgegeben wurden, automatisch einen Sitz. Da für einen
Sitz auch ohne Sperrklausel stets eine bestimmte Zahl von Stimmen erforderlich sei, führten nicht alle Stim-
men zu einem Sitzerfolg und darum weniger als 50 Prozent der gültigen Zweitstimmen zu einer Mehrheit der
Sitze. Ein Verfassungsrechtssatz des Inhalts, dass einer Mehrheit der Mitglieder des Bundestages notwendi-
gerweise eine Mehrheit der Zweitstimmen in der Bundestagswahl entsprechen müsse, sei nicht feststellbar.
Wenn aber eine Partei in einer Wahl eine absolute Mehrheit der Zweitstimmen erhalte, sei gesichert, dass auf
sie mehr als die Hälfte der Sitze entfalle (§ 6 Absatz 7 BWG).

5. Gegen die Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht vorgebracht werden, sie verhindere bzw. erschwere
in übermäßiger Weise die Entstehung oder Etablierung neuer Parteien und schränke dadurch in unzulässiger
Weise die Chancengleichheit der Parteien ein. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Chancengleichheit
der Parteien verlange nicht, dass jeder Partei, die bei der Bundestagswahl Stimmen erhalte, Sitze im Bundes-
tag garantiert seien. Jede Partei habe rechtlich die gleiche Chance auf Teilnahme an der Sitzverteilung bei
Überwindung der Sperrklausel. Wenn eine Partei die für alle geltende Sperrklausel nicht überwinde, so sei
dies Resultat zu geringer Zustimmung in der Wählerschaft und gerade nicht ungleicher Chancen, denn die
unterschiedliche Gewichtung des Erfolgswerts von Wahlstimmen durch eine Sperrklausel treffe alle Parteien
gleichermaßen (vgl. BVerfGE 82, 322 [345]).

Dass die Fünf-Prozent-Sperrklausel die Entstehung und Etablierung neuer Parteien nicht verhindere oder
übermäßig erschwere, zeige der Einzug in die Parlamente auch neuer Parteien in den vergangenen Jahren bei
Bundestagswahlen und Landtagswahlen, bei denen nach Landesrecht ebenfalls Fünf-Prozent-Sperrklauseln
bestünden. Die Sperrklauseln trügen zu einem Mindestmaß an Konsolidierung neuer Parteien bei, indem sie
eine funktionierende Organisation und eine hinreichende Kampagnenfähigkeit der Partei erforderlich mach-
ten, um einen erfolgreichen Wahlkampf zu führen, der den Einzug ins Parlament ermögliche. Auch das Bun-
desverfassungsgericht sehe in ständiger Rechtsprechung in der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestags-
wahlen keinen verfassungswidrigen Eingriff in die Chancengleichheit der Parteien (siehe die Nachweise un-
ter 1.).

6. Die Fünf-Prozent-Sperrklausel habe nicht zur Folge, dass die Parteien, die die Sperrklausel überwunden
haben und deshalb an der Sitzverteilung teilnehmen, von den Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die an
der Sperrklausel gescheitert sind und somit nicht an der Sitzverteilung teilnehmen, profitierten und die Wäh-
ler bei der Stimmabgabe nicht erkennen könnten, welche Partei letztlich tatsächlich von ihrer Zweitstimme
profitiere. Von der Zweitstimme für eine Partei profitiere stets die Partei, für die die Stimme abgegeben wor-
den sei. Wenn eine Partei aufgrund eines zur Überwindung der Sperrklausel nicht ausreichenden Zuspruchs
in der Wählerschaft nicht an der Sitzverteilung teilnehme, würden die zu vergebenden Sitze auf die Parteien
verteilt, die die Sperrklausel überwunden haben. Diese Parteien profitierten bei dieser Verteilung von den für
sie abgegebenen Zweitstimmen, nicht von den Zweitstimmen für die an der Sperrklausel gescheiterten Partei-
en, die wegen Nichtteilnahme an der Sitzverteilung zu keinem Sitzerfolg führten.

7. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht entgegengehalten
werden, der Umstand, dass aufgrund der Sperrklausel eine hohe Zahl von Stimmen bei der Sitzverteilung
unberücksichtigt bleibe, befördere die Politikverdrossenheit der Wahlberechtigten. Unabhängig davon, ob
dies tatsächlich der Fall sei, habe sich der Gesetzgeber dazu entschieden, der Sicherung der Funktionsfähig-
keit des Parlaments Vorrang vor derartigen Erwägungen einzuräumen. Das Bundesverfassungsgericht erachte
dies in ständiger Rechtsprechung für verfassungsrechtlich zulässig (siehe die Nachweise unter 1.). Ein wegen
Zersplitterung in kleine und kleinste Fraktionen nicht mehrheits- und handlungsfähiges Parlament, das zur
Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nicht in der Lage sei, wäre zudem in weit höherem Maße geeignet, Politikverdrossenheit zu för-
dern.

Drucksache 18/1810 – 100 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

8. Aufgrund der verfassungskonformen Ausgestaltung der Fünf-Prozent-Sperrklausel im geltenden Bundes-
wahlgesetz sei der Wahlgesetzgeber auch nicht zur Einführung einer Alternativstimme („Eventualstimme“,
„Ersatzstimme“ bzw. „Stimmweitergabe-Option“) verpflichtet. Ergänzend sei darauf verwiesen, dass im
Schrifttum gegen die Einführung einer solchen Alternativstimme verfassungsrechtliche Bedenken geltend
gemacht würden: Eine Alternativstimme sei mit dem Charakter der Stimmabgabe als einer vorbehaltlosen
und bedingungsfeindlichen Willenserklärung nicht zu vereinbaren und verstoße daher gegen den Grundsatz
der Unmittelbarkeit der Wahl im Sinne des Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) und gegen
das Demokratieprinzip nach Artikel 20 Absatz 1 GG (so Strelen, in: Schreiber, Bundeswahlgesetz, 9. Auflage
2013, § 6 Rn. 37 sowie Schreiber, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: 43. Lfg.
April 2014, Art. 38 Rn. 40, 132). Überdies wäre die Gewährung einer Alternativstimme auch keine verfas-
sungspolitisch angezeigte Fortentwicklung des Wahlrechts. Sie würde das Stimmabgabeverfahren verkompli-
zieren, die Ermittlung des Wahlergebnisses wesentlich erschweren und verzögern und den Wähler von einer
eindeutigen politischen Entscheidung ohne Vorbehalt und Rückfallposition entpflichten (vgl. im Einzelnen
hierzu Strelen, in: Schreiber, § 6 Rn. 37).

9. Die Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Klausel sei schließlich auch nicht davon abhängig, dass Par-
teien, die jeweils mit einer eigenen Liste an der Bundestagswahl teilnehmen, ihre Landeslisten verbinden
dürften, um als Zählgemeinschaft die Sperrklausel zu überwinden. Derartige Listenverbindungen verschiede-
ner Parteien bei der Bundestagswahl seien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wegen
Verstoßes gegen den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit der Parteien verfas-
sungswidrig (BVerfGE 82, 322 [345 f.]). Eine derartige Listenverbindung würde allein dem Zweck dienen,
die verfassungslegitime Zielsetzung einer Fünf-Prozent-Sperrklausel, die Verhinderung einer Zersplitterung
des Parlaments, zu umgehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet. Dem Vortrag der Einspruchsführerin lässt sich kein Verstoß
gegen Wahlrechtsvorschriften und damit kein Wahlfehler entnehmen.

1. Es trifft nicht zu, dass 6,8 Millionen Stimmen nicht mitgezählt worden sind. Allerdings sind, worauf die
Einspruchsführerin offenbar anspielt, 15,7 Prozent der gültigen Zweitstimmen nicht in die Mandatsverteilung
eingeflossen, weil sie für insgesamt 25 Parteien abgegeben wurden, die bundesweit weniger als fünf Prozent
der Zweitstimmen erreicht haben. Dies entsprach der sog. Fünf-Prozent-Klausel in § 6 Absatz 6 Satz 1 in
Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG. Diese regelt, dass bei der Verteilung der Sitze auf
die Landeslisten nur Parteien berücksichtigt werden, die mindestens fünf Prozent der im Wahlgebiet abgege-
benen gültigen Zweitstimmen erhalten oder in mindestens drei Wahlkreisen einen Sitz errungen haben. Der
Wahlprüfungsausschuss hat schon in zahlreichen Wahlprüfungsentscheidungen früherer Wahlperioden kei-
nen Anlass für Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Regelung gesehen (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksa-
chen 15/1850, Anlagen 9 und 47; 16/900, Anlage 14), zumal das Bundesverfassungsgericht die Verfas-
sungsmäßigkeit der Sperrklausel in ihrer Ausgestaltung durch das Bundeswahlgesetz in ständiger Recht-
sprechung bestätigt hat (vgl. BVerfGE 1, 208 [247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322
[337 ff.]; 95, 335 [366]; 95, 408 [417 ff.]; 120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.], siehe auch
Bundestagsdrucksache 16/900, Anlage 14). Es ist folglich verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass
alle Parlamentssitze auf diejenigen Parteien verteilt werden, welche die Fünf-Prozent-Hürde überwunden
haben. Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Sperrklausel durch veränderte
Verhältnisse infrage gestellt werden. Dies ist bezüglich der Bundestagswahl 2013 aber nicht der Fall, wie das
Bundesministerium des Innern – auch unter Bezugnahme auf die Urteile vom 9. November 2011 und
26. Februar 2014 – in seiner Stellungnahme zutreffend feststellt: Dass nach dem amtlichen Endergebnis der
Bundestagswahl 2013 insgesamt 15,7 Prozent der gültigen Zweitstimmen nicht in die Mandatsverteilung
eingeflossen sind, weil sie für insgesamt 25 Parteien abgegeben wurden, die bundesweit weniger als fünf
Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, ändert nichts an der vom Bundesverfassungsgericht festgestellten
Verfassungskonformität der Fünf-Prozent-Hürde. Zwar war der Anteil der gültigen, aber wegen der Sperr-
klausel nicht in die Sitzverteilung eingeflossenen Zweitstimmen bei der Bundestagswahl 2013 höher als bei
früheren Bundestagswahlen, da – anders als bei vorhergehenden Wahlen – zwei Parteien jeweils fast fünf
Prozent und zudem 23 weitere Parteien insgesamt 6,2 Prozent (für sich genommen aber teilweise weniger als
0,1 Prozent) erreicht haben. Jedoch ist dieser Umstand nicht atypisch oder zuvor unbekannt gewesen. Es ist

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 101 – Drucksache 18/1810

zudem durchaus möglich, dass er bei kommenden Bundestagswahlen mit anderen Wahlergebnissen nicht
(mehr) auftritt. Der Einzug neuer Parteien in den Deutschen Bundestag wird, wie Beispiele aus der Geschich-
te der Bundesrepublik zeigen, ohnehin nicht durch die Sperrklausel verhindert. Außerdem ist die Fünf-
Prozent-Hürde auf das jeweilige Ergebnis einer jeden Partei bezogen. Nur die konkrete Stimmenzahl jeder
Partei kann der Ausgangspunkt der Sitzverteilung auf die Landeslisten sein (vgl. § 6 Absatz 1 BWG) – übri-
gens auch dann, wenn man gedanklich die Sperrklausel streicht oder eine niedrigere Sperrklausel ansetzt –;
erst im zweiten Schritt ist die Stimmenzahl einer jeden Partei in Relation zu den Stimmenanteilen der anderen
Parteien zu setzen (vgl. § 6 Absätze 2 bis 7 BWG). Die gedankliche Addition von Zweitstimmenanteilen
kann folglich für die Fünf-Prozent-Hürde keine Aussagekraft beanspruchen.

2. Hinsichtlich angeblich verschwundener „Unterlagen“ oder nicht erhaltener Briefwahlunterlagen bleibt die
Einspruchsführerin im Ungefähren. Sie hätte nachvollziehbar darlegen müssen, aus welchem Geschehen sich
seiner Ansicht nach ein die Gültigkeit der Wahl berührender Wahlfehler ergibt (vgl. etwa Bundestagsdruck-
sachen 15/1150, Anlage 5; 17/1000, Anlagen 13 und 19; 17/2250, Anlage 11; BVerfGE 40, 11 [30]). Dies hat
sie unterlassen und stattdessen bloße Vermutungen geäußert. Wahlbeanstandungen, die über nicht belegte
Vermutungen oder die bloße Andeutung der Möglichkeit von Wahlfehlern nicht hinausgehen und einen kon-
kreten, der Überprüfung zugänglichen Tatsachenvortrag nicht enthalten, müssen als unsubstantiiert zurück-
gewiesen werden (Bundestagsdrucksachen 15/1150, Anlagen 283 bis 285; 15/1850, Anlage 25; 15/2400,
Anlage 9; 17/1000, Anlagen 13 und 19; 18/1160, Anlagen 3, 6 und 83; BVerfGE 48, 271 [276]; 66, 369
[379]; 85, 148 [159]; 122, 304 [309]; Hahlen, in: Schreiber, § 49 Rn. 25).

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 103 – Drucksache 18/1810

Anlage 16

Beschlussempfehlung

ZumWahleinspruch

des Herrn C. R., 06308 Benndorf,

– Az.: WP 96/13 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag
am 22. September 2013

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 26. Juni 2014 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit einem Fax vom 21. Oktober 2013 Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl
zum 18. Deutschen Bundestag am 22. September 2013 eingelegt. Er hat seinen Vortrag mit einem Schreiben
vom 13. November 2013 erweitert.

Der Einspruchsführer trägt mehrere Einspruchsgründe vor:

1. Er wendet sich gegen Frauen-, Geschlechter- und sonstige Quotenregelungen in den Satzungen und Statu-
ten von Bundes-, Landes- und Kreisverbänden der Parteien CDU, CSU, SPD, Die Linke und Bündnis 90/Die
Grünen. Jede Quotenregelung bewirke eine Ungleichbehandlung und stelle damit einen Verstoß gegen das
Gleichbehandlungsgebot dar.

a) Das Argument, Frauenquoten sollten Frauen und Männern gleiche Zugangschancen zum Deutschen Bun-
destag ermöglichen, übersehe, dass dem oder der Einzelnen wegen der Geschlechtszugehörigkeit bestimmte
Listenplätze versagt blieben und dass die Frauenquote über dem Frauenanteil an der Parteimitgliedschaft
liege. Zudem sorge die Quotierung dafür, dass die Kandidaten nominierenden Parteimitglieder in ihrer Aus-
wahlfreiheit eingeschränkt seien. Zwar seien Parteien in ihrer Willensbildung frei, doch seien Frauenquoten
ein massiver Eingriff in die innerparteiliche Demokratie. Sie hätten sich auf die Sitzverteilung im 18. Deut-
schen Bundestag ausgewirkt und seien also mandatsrelevant.

b) Andere Quoten wie die „Jugendquote“ (etwa in § 11 der Satzung des SPD-Kreisverbandes Stormarn), die
„Migrantenquote“ (in der SPD), die „Ostdeutschenquote“ (in § 11 Absatz 6 der Satzung des Bundesverban-
des der Partei Bündnis 90/Die Grünen) oder die „Neuenquote“ (in § 14 der Satzung des Landesverbandes
Niedersachsen der Partei Bündnis 90/ Die Grünen und in § 22 der Satzung des Landesverbandes Berlin der-
selben Partei) verstießen gegen die Allgemeinheit, Gleichheit und Freiheit der Wahl sowie die „Treuepflicht
auf Gleichbehandlung“ und die Gleichheit des Zugangs zu jedem Wahlamt. Ein Fördergebot zur Beseitigung
faktischer Nachteile, die typischerweise Migranten, Jugendliche oder Politikneulinge träfen, sehe das Grund-
gesetz nicht vor. Insoweit bestehe hoher Klärungsbedarf, inwieweit derartige Quoten noch den gesetzlichen
Normen entsprächen. Hinsichtlich der „Migranten-“ und „Jugendquoten“ müsse davon ausgegangen werden,
dass sich die Rechtsverstöße nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf die Mandatsvertei-
lung ausgewirkt hätten. Bezüglich der Neuenquote sei die Mandatsrelevanz aber zu bejahen.

2. Außerdem bemängelt der Einspruchsführer Stimmenquoren für die Gültigkeit von Stimmzetteln (bei inter-
nen Wahlen) in Landes- und Kreisverbandssatzungen der CDU und „Unterschriftenquoren“ (Antragsquoren)
in der Satzung des hessischen Landesverbandes dieser Partei.

a) Die Stimmenquoren verpflichteten die wählenden Mitglieder in unzulässiger Weise dazu, jedenfalls einen
bestimmten Teil ihres Stimmenkontingents immer zu vergeben. Sie könnten dadurch gezwungen sein, bei
parteiinternen Wahlen nicht nur für ihre Favoriten, sondern auch für Kandidaten zu stimmen, die sie eigent-

Drucksache 18/1810 – 104 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

lich nicht unterstützen wollten, nur um dem Stimmenquorum gerecht zu werden. Außerdem würden Einzel-
bewerber in gewisser Weise privilegiert, da sie sich einem solchen Auswahlverfahren nicht stellen müssten.

b) § 63 Absatz 3 der Satzung des CDU-Landesverbands Hessen sehe für die Vorlage einer – nicht vom je-
weils zuständigen Wahlvorbereitungsausschuss der Partei vorgeschlagenen – Kandidatenliste für Parlaments-
oder Kommunalwahlen ein Unterschriftenquorum von 15 Prozent der stimmberechtigten ordentlichen Dele-
gierten bzw. 15 Prozent der stimmberechtigten Mitglieder einer Mitgliederversammlung vor. Dies sei unzu-
lässig, denn nach § 21 Abs. 3 und § 27 Abs. 5 des Bundeswahlgesetzes (BWG) habe jeder Delegierte das
Wahlvorschlagsrecht. Durch Satzungsrecht könnten diese Vorschriften nicht außer Kraft gesetzt werden.
Daher seien – mit dem Ziel der Verhinderung von Missbräuchen eingeführte – Antragsquoren für Wahlvor-
schläge einzelnen Parteimitglieder oder -delegierter in Parteistatuten ebenso wie satzungsmäßig verankerte
Antragsquoren für Alternativanträge und grundsätzlich unzulässige Beschneidungen des Vorschlags- Vorstel-
lungs- und Diskussionsrechts der stimmberechtigten Versammlungsteilnehmer. Sie degradierten letztlich die
Bewerberwahl weitgehend zu einem bloßen „Abnicken“ des Vorschlages von Parteigremien. Innerparteiliche
Antragsquoren könnten auch nicht in ein individuelles Antragsrecht und ein Unterstützungsquorum (nur) für
die sich anschließende Vorstellung, Diskussion und Abstimmung umgedeutet werden. Dadurch würden die
vornehmlich aus basisdemokratischen Erwägungen neu geschaffenen Vorschriften letztlich „leerlaufen“. Der
genannte Sachverhalt könne mandatsrelevant sein, da ohne die Satzungsvorschrift einzelne Delegierte Vor-
schläge hätten machen können, die zur Änderung der Landesliste der hessischen CDU hätten führen können.

3. Des Weiteren beanstandet der Einspruchsführer dynamische Verweisungen in mehreren Landes- und
Kreisverbandssatzungen der Parteien CDU, SPD, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen. Die dynamischen
Verweisungen beschränkten die Satzungsautonomie nachgeordneter Verbände in unzulässiger Weise. Grund-
sätzlich besäßen die Gebietsverbände (Untergliederungen) Satzungsautonomie. Jedoch könne die Satzung der
nächsthöheren Ebene die Satzungsautonomie der nachgeordneten Verbände beschränken oder vollständig
ausschließen. Dies könne dazu führen, dass die nachgeordneten Verbände die Satzungsautonomie der ihnen
wiederum nachgeordneten Verbände nicht mehr ausschließen oder beschränken könnten. Während die mittle-
re Ebene also unter Umständen keine Satzungsautonomie mehr besitzen könne, besäße die unterste Ebene
eine solche gerade deswegen in vollem Umfang. Dies verstoße aber gegen § 6 Absatz 1 Satz 2 des Parteien-
gesetzes (PartG), der den Geltungsvorrang des jeweils höherrangigen Satzungsrechts anordne.

4. Ferner trägt der Einspruchsführer vor, die Satzung des Kreisverbandes Fulda der Partei Bündnis 90/Die
Grünen sehe die Möglichkeit vor, dass die Mitgliederversammlung ihren Delegierten (zu Parteitagen) ein
imperatives Mandat erteile. Dies könne auf einem Listenparteitag relevant gewesen sein. Imperative Mandate
verstießen gegen § 15 Absatz 3 Satz 3 PartG.

5. Überdies beanstandet er, einige in den Satzungen der Landesverbände Thüringen und Sachsen-Anhalt der
Partei Bündnis 90/Die Grünen festgelegte Wahlverfahrensvorschriften seien rechtswidrig.

a) Der Einspruchsführer hält die in § 14 Absatz 2, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 6 Satz 2 der Satzung des Lan-
desverbandes Thüringen verankerten Wahlvorgaben für rechtswidrig.

Gemäß § 14 Absatz 2 der Satzung des Landesverbandes Thüringen dürfen höchstens so viele Bewerber eine
Ja-Stimme erhalten, wie Plätze zu besetzen sind; zu allen anderen Bewerbern können Enthaltungen oder
Nein-Stimmen abgegeben werden. Wenn auf einem ansonsten gültigen Wahlzettel zu einzelnen Bewerbern
keine Stimme abgegeben wurde, gilt dies als Enthaltung zu diesen Bewerbern. Nach § 14 Absatz 3 Satz 1
kann die Versammlung, wenn mehrere Plätze gleichzeitig besetzt werden sollen, die Zahl der zulässigen Ja-
Stimmen beschränken, jedoch muss die Zahl der zulässigen Ja-Stimmen größer sein als die Hälfte der Zahl
der zu besetzenden Plätze. Gemäß § 14 Absatz 6 findet im dritten Wahlgang eine Stichwahl statt, sofern die
Summe der Ja-Stimmen das Quorum erreicht, wenn im zweiten Wahlgang unter mehreren Bewerbern weni-
ger Bewerber, als Plätze besetzt werden sollen, oder es durch Stimmengleichheit keine eindeutige Wahlent-
scheidung gibt. Eine Stichwahl aufgrund Verfehlens des Quorums findet unter den Bestplatzierten statt, wo-
bei ein Bewerber mehr als zu besetzende Plätze einbezogen werden. Gewählt ist, wer im ersten oder, falls
erforderlich, zweiten Wahlgang die absolute Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen erhält. Für einen
eventuell notwendigen dritten Wahlgang wird eine Kandidatur mehr zugelassen, als noch Plätze zu vergeben
sind. Entscheidend ist hierbei die Anzahl der im zweiten Wahlgang erhaltenen Stimmen. Bei Stimmengleich-
heit entscheidet die Wahlversammlung über das weitere Verfahren.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 105 – Drucksache 18/1810

Der Einspruchsführer meint, nach § 14 würden die Ja-Stimmen an die Zahl der zu besetzenden freien Stellen
und die Nein-Stimmen an die Zahl der Bewerber/-innen gekoppelt. Je mehr Bewerber/-innen sich pro zu
besetzender Stelle zur Wahl stellten und je uneiniger sich die Delegierten seien, umso niedriger sei die
„Sperrhürde“, d. h. umso weniger „Ablehner/-innen“ aller Kandidaten/Kandidatinnen genügten, um die Wahl
insgesamt zum Scheitern zu bringen. Die Delegierten, die für einzelnen Bewerber/-innen stimmen wollten,
müssten sich für eine Person entscheiden und hätten daher nur eine Stimme, während die Gegner/-innen ge-
gen alle Bewerber/-innen stimmen könnten. Damit hätten Letztere größere Einflussmöglichkeiten als Erstere.
Auch in weiteren Fällen führe § 14 zu widersinnigen Ergebnissen. Man könne nicht erkennen, wie sich das
eigene Abstimmungsverhalten auf das Wahlergebnis auswirken werde.

b) Der Einspruchsführer hält die Wahlvorschriften in § 16 Absätze 2 und 3 der Satzung des Landesverbandes
Sachsen-Anhalt für rechtswidrig.

Gemäß § 16 Absatz 2 ist gewählt, wer im ersten oder falls erforderlich zweiten Wahlgang die absolute Mehr-
heit der abgegebenen gültigen Stimmen erhält. Für einen eventuell notwendigen dritten Wahlgang wird eine
Kandidatur mehr zugelassen, als noch Plätze zu vergeben sind. Entscheidend ist hierbei die Anzahl der im
zweiten Wahlgang erhaltenen Stimmen. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Wahlversammlung über das
weitere Verfahren. Nach § 16 Absatz 3 ist jede/r Kandidat/-in einzeln zu wählen, wenn nicht mehr Kandidat/-
innen als freie Stellen vorhanden sind; bei Einzelwahl ist nur ein Wahlgang möglich.

Der Einspruchsführer meint, die genannten Regelungen der Satzung des Landesverbandes Sachsen-Anhalt
führten zu einer Ungleichbehandlung, je nach Anzahl der Bewerber/-innen. Die Ungleichbehandlung betreffe
die Wahlchancen der Bewerber/-innen und die Einflussmöglichkeiten der wahlberechtigten Delegierten. Ob
eine bestimmte Stimmenzahl zur Wahl ausreiche, könne davon abhängen, ob es eine Einzelbewerbung oder
eine „Kampfkandidatur“ gebe. So könnten beispielsweise zwei Stimmen bei einer Gegenstimme und 20 Ent-
haltungen für den Erfolg einer Einzelbewerbung nicht genügen, während ein Bewerber in einer Kampfkandi-
datur nach drei Wahlgängen mit zwei Ja-Stimmen und einer Nein-Stimme bei 20 Enthaltungen gewählt sei,
sofern der Gegenkandidat keine Stimme erhalte. Während dem § 16 Absatz 2 der Gedanke des Auswahlver-
fahrens zugrunde liege, könne dieser in den Fällen des § 16 Absatz 3 nicht mehr verwirklicht werden. Folg-
lich könne man annehmen, dass Einzelbewerber/-innen in gewisser Weise privilegiert seien, da sie sich einem
Auswahlverfahren nicht stellen müssten.

6. Daneben bemängelt er Vorkommnisse im Kreiswahlausschuss des Wahlkreises 74 (Mansfeld). Am 26. Juli
2013 habe die erste Sitzung des Kreiswahlausschusses unter dem Vorsitz der stellvertretenden Kreiswahllei-
terin stattgefunden. Diese habe den Beisitzern und auch den Vertrauenspersonen der Wahlvorschläge nicht
das Wort erteilt sowie streng nach einer vorgefertigten Niederschrift die Sitzung abgehalten. Die Nieder-
schrift hätte gemäß § 5 der Bundeswahlordnung (BWO) erst während der Sitzung erstellt werden dürfen.
Auch sei für kritische Rückfragen kein Raum gewesen. Der Kreiswahlausschuss sei zum reinen Akklamati-
onsorgan degradiert worden. In einer folgenden Sitzung am 26. September 2013 habe er, der Einspruchsfüh-
rer, sich das Wort regelrecht erkämpfen müssen. Überdies sei in einem Wahllokal im Wahlkreis 74 ein „aus
ein[er] Briefwahl stammender [,] mit Nr. 1 bezeichneter Stimmzettel aus der Niederschrift ‚Vorstand: Nr. 02
Arnstein‘“ durch den Wahlvorstand für ungültig erklärt worden. Auf diesem Stimmzettel sei der Name des
Wahlkreisbewerbers der NPD durchgestrichen und der Zettel handschriftlich mit dem Zusatz „Gehört verbo-
ten!“ versehen gewesen. Er, der Einspruchsführer, habe die Entscheidung des Wahlvorstandes gerügt und
begehrt, zumindest die Zweitstimme für gültig zu erklären. Der Kreiswahlausschuss habe die Ablehnung
durch den Wahlvorstand in seiner Sitzung am 26. September 2013 bestätigt.

7. Der Einspruchsführer rügt die Erhebung von Sondernutzungsgebühren für das Aufhängen von Wahlplaka-
ten im öffentlichen Raum durch die Gemeinden Gerbstedt, Allstedt und Südharz. Sondernutzungsgebühren
für Wahlwerbung beeinträchtigten in erheblichem Maße die Chancengleichheit der Parteien. Weniger finanz-
kräftige Parteien bzw. Einzelbewerber würden benachteiligt. Der Einspruchsführer trägt zudem vor, die Ge-
meinden Bad Dürrenberg und Gelsenkirchen hätten abgestufte Sondernutzungsgenehmigungen für das Auf-
hängen von Wahlplakaten erteilt. Die den Parteien erlaubten Kontingente hätten sich in Bad Dürrenberg am
„Kräfteverhältnis“ der Parteien bzw. in Gelsenkirchen an der Fraktionsstärke der Parteien im Deutschen
Bundestag orientiert. Eine „Abstufung der Chancengleichheit“ bei der Wahlsichtwerbung sei unzulässig.

8. Zudem beanstandet der Einspruchsführer, der Landeswahlleiter des Landes Sachsen-Anhalt und der Bun-
deswahlleiter seien seinen vorrangig die Frauenquoten betreffenden Beschwerden im Vorfeld der Wahl allen-
falls unzureichend nachgegangen.

Drucksache 18/1810 – 106 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

9. Sodann wendet er sich gegen § 49 BWG. Im Grundgesetz stehe nicht, dass der Rechtsweg gegen Entschei-
dungen der Wahlorgane während der Wahlvorbereitungsphase ausgeschlossen sei und dass alle Fälle von
Beanstandungen, die sich unmittelbar auf die Bundestagswahl beziehen, zunächst dem Deutschen Bundestag
zur Prüfung vorzulegen seien. Fristen von vier Tagen für die Einreichung von Widersprüchen und für die
Bearbeitung derselben seien zu kurz. Zwar habe das Bundesverfassungsgericht Artikel 41 des Grundgesetzes
(GG) in Verbindung mit § 48 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (BVerfGG) als lex specialis
zu Artikel 19 Absatz 4 GG angesehen und erklärt, dass die Korrektur etwaiger Wahlfehler einschließlich
solcher, die Verletzungen subjektiver Rechte enthalten, dem Rechtsweg nach Artikel 19 Absatz 4 GG entzo-
gen sei. Daraus könne aber nicht der Schluss gezogen werden, dass es verfassungsrechtlich nicht zu bean-
standen sei, effektiven Rechtsschutz zu versagen und den Teilnehmern am demokratischen Wettbewerb jed-
wede Möglichkeit zu versagen, bestimmte belastende Entscheidungen überprüfen und so eine Korrektur et-
waiger Wahlfehler vornehmen zu lassen. In vielen Fällen sei eine Korrektur von Wahlfehlern, etwa eine feh-
lerhafte Kandidatenaufstellung oder die unrechtmäßige Nichtzulassung eines Wahlvorschlags, nach der Wahl
nicht mehr möglich. Insoweit seien die Bürger in den Fällen des Artikel 19 Absatz 4 und Artikel 93 Absatz 1
Nr. 4a GG besser gestellt als in den Fällen des Artikel 41 GG, da jene zumindest vorläufigen Rechtsschutz in
Anspruch nehmen könnten. Das Bundesverfassungsgericht entziehe den Betroffenen für die Phase der Wahl-
vorbereitung ihr Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz. Dazu sei es nicht befugt. Dass subjektive Rechts-
verletzungen nach der Wahl festgestellt würden, genüge nicht. Jeder vermeidbare Wahlfehler müsse – vor der
Wahl – auch vermieden werden können. Auch während der Phase der Wahlvorbereitung müsse den Bürgern,
Parteien, Parteimitgliedern und Einzelbewerbern ein Rechtsschutz möglich sein. Dies gelte insbesondere bei
rechtswidriger Zulassung oder Nichtzulassung von Wahlvorschlägen, bei Nichteintragung in Wählerver-
zeichnis oder bei unvorhergesehenen Ereignissen, die möglicherweise einer gerichtlichen Klärung bedürften.
Im Falle einer unrechtmäßigen Zulassung eines Wahlvorschlags stehe nur den Wahlleitern ein Beschwerde-
recht zu, obwohl in einem solchen Fall die Wahlrechtsgleichheit und das Demokratieprinzip sowie die Bürger
und die Allgemeinheit beschwert seien.

10. Der Einspruchsführer beanstandet auch die Fünf-Prozent-Klausel des § 6 Absatz 3 Satz 1 BWG. Bei den
bisherigen Bundestagswahlen habe der Anteil der (für die Sitzverteilung) nicht berücksichtigten Stimmen –
mit wenigen Ausnahmen in den Anfangsjahren der Bundesrepublik und in den Jahren kurz nach der deut-
schen Einheit – unter zwei Prozent gelegen. Bei der angegriffenen Wahl seien aber knapp vierzehn Prozent
der Stimmen bei der Mandatszuteilung, nicht aber bei der Parteienfinanzierung, unberücksichtigt geblieben.
Mehrere europäische Staaten besäßen niedrigere Sperrklauseln. Die Mehrheit davon sei nicht für politische
Instabilität und Handlungsunfähigkeit bekannt. Ein Rechtfertigungsgrund für die Fünf-Prozent-Klausel sei
nicht gegeben. Es sei kaum erklärbar, warum eine drastische Absenkung der Sperrklausel zur Zersplitterung
der Parteienlandschaft und einer Funktionsuntüchtigkeit des Parlaments führen solle. Vielmehr habe sich die
Demokratie sich seit der Gründung der Bundesrepublik verfestigt. Das Bundesverfassungsgericht habe die
Fünf-Prozent-Klausel für gerade noch mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt. Es habe sie aber nicht für alle
Zeiten gebilligt, sondern einer regelmäßigen Prognose unterworfen. Das Gericht habe die Beurteilung der
Zulässigkeit der Sperrklausel an aktuelle Gegebenheiten geknüpft. Der Wille der Wahlberechtigten könne
sich nicht im Wahlergebnis widerspiegeln, wenn viele gültige Stimmen bei der Mandatszuteilung nicht be-
rücksichtigt würden und Parteien, die mit vergleichsweise wenigen Stimmen die Hürde übersprungen hätten,
überproportional viele Mandaten erhielten. In diesem Falle könne die Sicherung eines stabilen Parlaments
nicht mehr als Argument zur Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Klausel herhalten. Die Gewährleistung einer
unverfälschten Wiedergabe des Wählerwillens auch bei der Mandatszuteilung müsse dann ein deutlich höhe-
res Gewicht haben als die Funktionsfähigkeit des Parlaments.

11. Außerdem wendet sich der Einspruchsführer gegen Frauenquoten im Personalratswahlrecht des Bundes
und der Länder sowie im Betriebsverfassungsgesetz.

12. Schließlich regt er mehrere Wahlrechtsänderungen an.

13. Der Einspruchsführer stellt mehrere Anträge. Die meisten davon sind Feststellungsanträge, von denen
einige die (vermeintliche) Nichtigkeit gesetzlicher oder satzungsrechtlicher Regelungen zum Gegenstand
haben. Beispielsweise strebt der Einspruchsführer die Feststellung an, Frauenquoten verankernde Vorschrif-
ten im Personalratswahlrecht des Bundes und der Länder sowie im Betriebsverfassungsgesetz seien mit dem
Grundgesetz unvereinbar und nichtig. Eine ähnliche Feststellung begehrt er auch für andere Quotenregelun-
gen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 107 – Drucksache 18/1810

Außerdem beantragt der Einspruchsführer die Aushändigung eines Gutachtens des Wissenschaftlichen Diens-
tes des Deutschen Bundestages, die Einsicht in „sämtliche relevante[n] Wahlunterlagen, insbesondere bezüg-
lich der Wahl der Landeslisten“, die Heranziehung einer ganzen Reihe von Sachverständigen und die Einho-
lung von Rechtsgutachten und Stellungnahmen.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Vortrages des Einspruchsführers – seiner rechtlichen und tatsächlichen
Ausführungen sowie seiner Anträge – wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Der Landeswahlleiter des Freistaates Thüringen hat zu dem Vorbringen des Einspruchsführers am 6. Feb-
ruar 2014 wie folgt Stellung genommen:

Bei den für die Bundestagswahl 2013 eingereichten Unterlagen der Partei Bündnis 90/Die Grünen seien keine
Unregelmäßigkeiten bei der Wahl der Vertreter für die Vertreterversammlungen sowie die Wahl der Bewer-
ber feststellbar gewesen. Sämtliche gesetzlich geforderten Unterlagen hätten bei der Prüfung durch den Lan-
deswahlleiter keine Mängel ergeben. Die vom Einspruchsführer bemängelte „Quotenregelung“ sei in der
Satzung der Partei verankert und widerspreche nicht den allgemeinen Wahlrechtsgrundsätzen, so dass eine
entsprechende Überprüfung der Landesliste durch den Landeswahlausschuss nicht angezeigt gewesen sei.

Der Einspruchsführer hat sich zu der ihm übersandten Stellungnahme am 21. März 2014 im Wesentlichen
wie folgt geäußert:

Sein Wahleinspruch richte sich nicht gegen mögliche formelle Mängel bei der Zulassung von Landeslisten.
Er widerspreche der Ansicht des Landeswahlleiters, dass Satzungsbestimmungen kein Prüfungsgegenstand
seien. Der Landeswahlleiter und der Landeswahlausschuss hätten in der Pflicht gestanden, Anhaltspunkten
für mögliche Rechtsverstöße bei der parteiinternen Kandidatenaufstellung nachzugehen. Ferner habe der
Landeswahlleiter seine Behauptung, dass die Quotenregelung nicht gegen Wahlgrundsätze verstoße, nicht
belegt, während er, der Einspruchsführer, ausführlich das Gegenteil dargelegt habe. Damit hätten der Lan-
deswahlleiter und der Landeswahlausschuss klar gegen ihre Pflichten verstoßen. Das Bundesverfassungsge-
richt stelle klar, dass die Wahlorgane verpflichtet seien, im Maße des ihnen praktisch Möglichen Feststellun-
gen darüber zu treffen, ob die eingereichten Wahlvorschläge den Anforderungen des Wahlrechts genügen,
um so Gefahren für den Bestand der Wahl rechtzeitig zu begegnen. Das hätten sie im Hinblick auf die mate-
riellen Anforderungen und die Einhaltung eines „Kernbestands der demokratischen Kandidatenaufstellung“
nicht getan. Ferner seien Fakten bekannt, wonach die Rechtsauffassung des Wahlprüfungsausschusses un-
möglich haltbar sei, dass (nämlich) diese Praktiken durch das Gleichbehandlungsgebot nach Artikels 3 Ab-
satz 2 Satz 1 GG, das Fördergebot nach Artikel 3 Absatz 2 Satz 2 GG und das Sozialstaatsgebot nach Artikel
20 Absatz 1 GG legitimiert seien. Jedem müsse einleuchten, dass Verfahren unmöglich noch mit den hier
bezeichneten verfassungsmäßigen Bestimmungen legitimiert werden könnten, die wie im Falle des Landes-
verbands Thüringen der Partei Bündnis 90/Die Grünen zur Folge hätten, dass seit über 20 Jahren kein Mann
in den Deutschen Bundestag eingezogen sei. Selbst diesen Sachverhalt hätten der Landeswahlleiter und der
Landeswahlausschuss keiner weiteren Würdigung unterzogen.

Das Bundesministerium des Innern hat zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-
Sperrklausel am 16. Juni 2014 wie folgt Stellung genommen:

1. Das Bundesverfassungsgericht erachte in ständiger Rechtsprechung bei Wahlen zum Deutschen Bundestag
die heute in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG vorgesehene, auf
das gesamte Wahlgebiet bezogene Fünf-Prozent-Sperrklausel für verfassungsgemäß (vgl. BVerfGE 1, 208
[247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366]; 95, 408 [417 ff.];
120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.]). Zuletzt habe das Gericht in seinem Urteil vom
9. Januar 2011 zur Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen entschieden, dass die Fünf-Prozent-
Sperrklausel bei der Wahl zum Deutschen Bundestag ihre Rechtfertigung im Wesentlichen darin finde, dass
die Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende
Unterstützung nötig sei und dieses Ziel durch die Zersplitterung des Parlaments in viele kleine Gruppen ge-
fährdet werde (BVerfGE 129, 300 [335 f.]). In der Entscheidung vom 26. Februar 2014 (2 BvE 2/13 u. a.) zur
Drei-Prozent-Sperrklausel im Europawahlrecht habe das Gericht erneut bestätigt, dass eine Sperrklausel ge-
rechtfertigt sein könne, wenn Verhältnisse wie auf nationaler Ebene gegeben sind, wo die Bildung einer
stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Unterstützung nötig
sei (ebd. Rn. 72).

Drucksache 18/1810 – 108 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Angesichts der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei der Wahlgesetzgeber verfas-
sungsrechtlich nicht daran gehindert, bei der Verteilung der zu vergebenden Sitze auf die Landeslisten bei der
Bundestagswahl grundsätzlich nur die Parteien zu berücksichtigen, die mindestens fünf Prozent der im Wahl-
gebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten haben (§ 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Ab-
satz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG). Es sei ihm mit anderen Worten von Verfassungs wegen unbenommen,
gültige Zweitstimmen, die auf Landeslisten von Parteien entfallen sind, die nicht die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben, zwar für die Ergebnisfeststellung als relevant zu werten (§ 42 BWG), nicht
aber für die Sitzverteilung. Der Wahlgesetzgeber dürfe also ohne Verstoß gegen Bundesverfassungsrecht alle
zu vergebenden Parlamentssitze auf die Landeslisten derjenigen Parteien verteilen, die die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben.

Im Interesse der Handlungsfähigkeit des Deutschen Bundestages habe der Wahlgesetzgeber bisher an der auf
das gesamte Wahlgebiet bezogenen Fünf-Prozent-Sperrklausel, die seit der Wahl zum 2. Deutschen Bundes-
tag 1953 gilt, festgehalten. Denn eine Wahl habe – wie das Bundesverfassungsgericht betone (vgl. BVerfGE
51, 222 [236]) – „nicht nur das Ziel, eine Volksvertretung zu schaffen, die ein Spiegelbild der in der Wähler-
schaft vorhandenen politischen Meinungen darstellt, sondern sie soll auch ein funktionsfähiges Organ her-
vorbringen.“ Hierfür seien „(k)lare und ihrer Verantwortung für das Gesamtwohl bewusste Mehrheiten in
einer Volksvertretung (…) für eine Bewältigung der ihr gestellten Aufgaben unentbehrlich“, die durch einen
unbegrenzten Proporz nicht gewährleistet sind.

2. Zwar könne nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die verfassungsrechtliche Rechtfer-
tigung einer die Wahlgleichheit berührenden Norm des Wahlrechts wie eine Sperrklauselregelung durch ver-
änderte Verhältnisse oder neue Entwicklungen – etwa durch eine Änderung der vom Gesetzgeber vorausge-
setzten tatsächlichen oder normativen Grundlagen oder wenn sich die beim Erlass der Norm hinsichtlich ihrer
Auswirkungen angestellte Prognose als irrig erwiesen habe – in Frage gestellt werden (BVerfGE 82, 322
[338 f.]; 120, 82 [108]; 129, 300 [321 f.]; Urteil vom 26. Februar 2014, Az. 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 56). Dies
sei im Hinblick auf die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen jedoch nicht der Fall.

Eine Änderung der normativen Grundlagen für die Beurteilung der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundes-
tagswahlen, die das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung als verfassungsgemäß angesehen
habe, sei nicht festzustellen. Insbesondere führten das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
9. November 2011 zur Verfassungswidrigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen (BVerfGE
129, 300) und sein Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Sperrklausel im
Europawahlgesetz (2 BvE 2/13 u. a.) nicht zu einer abweichenden Bewertung. Das Bundesverfassungsgericht
begründe die Verfassungswidrigkeit der Sperrklauseln bei Europawahlen in diesen Urteilen mit der besonde-
ren Stellung und Funktion des Europäischen Parlaments im Gefüge der Organe der Europäischen Union, wo
eine vergleichbare Interessenlage wie bei der Bundestagswahl nicht bestehe (BVerfGE 129, 300 [336]). Auch
in seinem Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Klausel im Europawahl-
gesetz halte das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich an der gefestigten Rechtsprechung zum verfassungs-
rechtlichen Maßstab für die Beurteilung wahlrechtlicher Sperrklauseln fest und lege – wie es mehrfach beto-
ne – seinem Urteil die gleichen Prüfungsmaßstäbe wie im Urteil vom 9. November 2011 zugrunde (Az. 2
BvE 2/13 u. a., Rn. 37, 45, 63). In beiden Urteilen weise das Gericht zudem darauf hin, dass bei der Bundes-
tagswahl – anders als bei der Europawahl – der Deutsche Bundestag im Falle einer eintretenden Funktionsbe-
einträchtigung aufgrund seiner veränderten strukturellen Zusammensetzung nicht mehr in der Lage wäre, die
gesetzlichen Regelungen zur Sicherung seiner Funktionsfähigkeit zu ändern, weil die erforderliche Mehrheit
nicht mehr zustande käme (BVerfGE 129, 300 [324]; Urteil vom 26. Februar 2014, 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 58).

3. Auch in tatsächlicher Hinsicht erfordere das Wahlergebnis der Bundestagswahl 2013, bei der zwei Parteien
mit einem Stimmenanteil von 4,8 Prozent bzw. 4,7 Prozent der Zweitstimmen vergleichsweise knapp an der
Fünf-Prozent-Klausel gescheitert seien, keine Neubewertung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der
Klausel. Der Gesetzgeber habe sich für die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen entschieden und
diese bis heute beibehalten, um in Konstellationen, in denen eine oder mehrere Parteien weniger als fünf
Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, die Funktionsfähigkeit des Bundestages sicherzustellen. Wenn eine
solche Konstellation bei einer Wahl – wie nun der Bundestagswahl 2013 – tatsächlich auftrete, liege gerade
nicht der Fall vor, dass sich eine Prognose des Gesetzgebers als irrig erwiesen habe oder dass eine Änderung
der vom Gesetzgeber vorausgesetzten tatsächlichen Verhältnisse eingetreten sei, sondern es habe sich ledig-
lich ein Szenario realisiert, das der Gesetzgeber mit seiner Regelung von vornherein habe erfassen wollen.
Auch das Bundesverfassungsgericht habe die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen in Kenntnis

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 109 – Drucksache 18/1810

des Umstands, dass an ihr nicht nur Parteien mit einem niedrigen Stimmenanteil zwischen null und zwei
Prozent der Zweitstimmen, sondern auch Parteien mit einem Stimmenanteil knapp unter fünf Prozent schei-
tern können, in ständiger Rechtsprechung als verfassungsmäßig angesehen (siehe die Nachweise unter 1.).

Die bei der Bundestagswahl 2013 aufgetretene hohe Gesamtzahl von abgegebenen gültigen Zweitstimmen
für Parteien, die die Fünf-Prozent-Sperrklausel nicht überwunden haben, sei kein Grund, das Vorliegen ver-
änderter Verhältnisse bzw. neuer Entwicklungen anzunehmen, die eine Neubewertung der verfassungsrecht-
lichen Zulässigkeit der Sperrklausel erforderten. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Sperrklausel sei
nicht von der Gesamtzahl der Stimmen für diejenigen Parteien abhängig, die die Sperrklausel bei einer ein-
zelnen Wahl nicht überwinden. Die Sperrklausel rechtfertige sich vielmehr durch den mit ihr verfolgten ver-
fassungsrechtlich legitimen Zweck, die Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages sicherzustellen (siehe
die Nachweise unter 1.). Sie erfülle ihren Zweck gerade dann, wenn viele an der Wahl teilnehmende Parteien
die Sperrklausel nicht überwinden, aber ohne Sperrklausel Sitze im Parlament erlangt hätten, da auf diese
Weise eine die stabile Mehrheitsbildung gefährdende Zersplitterung des Bundestages vermieden werde.

4. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel stehe nicht entgegen, dass eine
hohe Zahl von Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die aufgrund der Sperrklausel nicht an der Sitzvertei-
lung teilnehmen, eine absolute Mehrheit der Sitze für Parteien ermögliche, die bei der Wahl deutlich weniger
als der Hälfte der Stimmen erreicht haben. Das Erreichen einer Mehrheit der Sitze im Parlament sei immer
mit weniger als der Hälfte der gültigen Zweitstimmen möglich. Denn auch ohne Sperrklausel erhalte nicht
jede Partei, für die bei der Wahl gültige Stimmen abgegeben wurden, automatisch einen Sitz. Da für einen
Sitz auch ohne Sperrklausel stets eine bestimmte Zahl von Stimmen erforderlich sei, führten nicht alle Stim-
men zu einem Sitzerfolg und darum weniger als 50 Prozent der gültigen Zweitstimmen zu einer Mehrheit der
Sitze. Ein Verfassungsrechtssatz des Inhalts, dass einer Mehrheit der Mitglieder des Bundestages notwendi-
gerweise eine Mehrheit der Zweitstimmen in der Bundestagswahl entsprechen müsse, sei nicht feststellbar.
Wenn aber eine Partei in einer Wahl eine absolute Mehrheit der Zweitstimmen erhalte, sei gesichert, dass auf
sie mehr als die Hälfte der Sitze entfalle (§ 6 Absatz 7 BWG).

5. Gegen die Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht vorgebracht werden, sie verhindere bzw. erschwere
in übermäßiger Weise die Entstehung oder Etablierung neuer Parteien und schränke dadurch in unzulässiger
Weise die Chancengleichheit der Parteien ein. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Chancengleichheit
der Parteien verlange nicht, dass jeder Partei, die bei der Bundestagswahl Stimmen erhalte, Sitze im Bundes-
tag garantiert seien. Jede Partei habe rechtlich die gleiche Chance auf Teilnahme an der Sitzverteilung bei
Überwindung der Sperrklausel. Wenn eine Partei die für alle geltende Sperrklausel nicht überwinde, so sei
dies Resultat zu geringer Zustimmung in der Wählerschaft und gerade nicht ungleicher Chancen, denn die
unterschiedliche Gewichtung des Erfolgswerts von Wahlstimmen durch eine Sperrklausel treffe alle Parteien
gleichermaßen (vgl. BVerfGE 82, 322 [345]).

Dass die Fünf-Prozent-Sperrklausel die Entstehung und Etablierung neuer Parteien nicht verhindere oder
übermäßig erschwere, zeige der Einzug in die Parlamente auch neuer Parteien in den vergangenen Jahren bei
Bundestagswahlen und Landtagswahlen, bei denen nach Landesrecht ebenfalls Fünf-Prozent-Sperrklauseln
bestünden. Die Sperrklauseln trügen zu einem Mindestmaß an Konsolidierung neuer Parteien bei, indem sie
eine funktionierende Organisation und eine hinreichende Kampagnenfähigkeit der Partei erforderlich mach-
ten, um einen erfolgreichen Wahlkampf zu führen, der den Einzug ins Parlament ermögliche. Auch das Bun-
desverfassungsgericht sehe in ständiger Rechtsprechung in der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestags-
wahlen keinen verfassungswidrigen Eingriff in die Chancengleichheit der Parteien (siehe die Nachweise un-
ter 1.).

6. Die Fünf-Prozent-Sperrklausel habe nicht zur Folge, dass die Parteien, die die Sperrklausel überwunden
haben und deshalb an der Sitzverteilung teilnehmen, von den Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die an
der Sperrklausel gescheitert sind und somit nicht an der Sitzverteilung teilnehmen, profitierten und die Wäh-
ler bei der Stimmabgabe nicht erkennen könnten, welche Partei letztlich tatsächlich von ihrer Zweitstimme
profitiere. Von der Zweitstimme für eine Partei profitiere stets die Partei, für die die Stimme abgegeben wor-
den sei. Wenn eine Partei aufgrund eines zur Überwindung der Sperrklausel nicht ausreichenden Zuspruchs
in der Wählerschaft nicht an der Sitzverteilung teilnehme, würden die zu vergebenden Sitze auf die Parteien
verteilt, die die Sperrklausel überwunden haben. Diese Parteien profitierten bei dieser Verteilung von den für
sie abgegebenen Zweitstimmen, nicht von den Zweitstimmen für die an der Sperrklausel gescheiterten Partei-
en, die wegen Nichtteilnahme an der Sitzverteilung zu keinem Sitzerfolg führten.

Drucksache 18/1810 – 110 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

7. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht entgegengehalten
werden, der Umstand, dass aufgrund der Sperrklausel eine hohe Zahl von Stimmen bei der Sitzverteilung
unberücksichtigt bleibe, befördere die Politikverdrossenheit der Wahlberechtigten. Unabhängig davon, ob
dies tatsächlich der Fall sei, habe sich der Gesetzgeber dazu entschieden, der Sicherung der Funktionsfähig-
keit des Parlaments Vorrang vor derartigen Erwägungen einzuräumen. Das Bundesverfassungsgericht erachte
dies in ständiger Rechtsprechung für verfassungsrechtlich zulässig (siehe die Nachweise unter 1.). Ein wegen
Zersplitterung in kleine und kleinste Fraktionen nicht mehrheits- und handlungsfähiges Parlament, das zur
Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nicht in der Lage sei, wäre zudem in weit höherem Maße geeignet, Politikverdrossenheit zu för-
dern.

8. Aufgrund der verfassungskonformen Ausgestaltung der Fünf-Prozent-Sperrklausel im geltenden Bundes-
wahlgesetz sei der Wahlgesetzgeber auch nicht zur Einführung einer Alternativstimme („Eventualstimme“,
„Ersatzstimme“ bzw. „Stimmweitergabe-Option“) verpflichtet. Ergänzend sei darauf verwiesen, dass im
Schrifttum gegen die Einführung einer solchen Alternativstimme verfassungsrechtliche Bedenken geltend
gemacht würden: Eine Alternativstimme sei mit dem Charakter der Stimmabgabe als einer vorbehaltlosen
und bedingungsfeindlichen Willenserklärung nicht zu vereinbaren und verstoße daher gegen den Grundsatz
der Unmittelbarkeit der Wahl im Sinne des Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 GG und gegen das Demokratieprinzip
nach Artikel 20 Absatz 1 GG (so Strelen, in: Schreiber, Bundeswahlgesetz, 9. Auflage 2013, § 6 Rn. 37 so-
wie Schreiber, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: 43. Lfg. April 2014, Art. 38
Rn. 40, 132). Überdies wäre die Gewährung einer Alternativstimme auch keine verfassungspolitisch ange-
zeigte Fortentwicklung des Wahlrechts. Sie würde das Stimmabgabeverfahren verkomplizieren, die Ermitt-
lung des Wahlergebnisses wesentlich erschweren und verzögern und den Wähler von einer eindeutigen poli-
tischen Entscheidung ohne Vorbehalt und Rückfallposition entpflichten (vgl. im Einzelnen hierzu Strelen, in:
Schreiber, § 6 Rn. 37).

9. Die Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Klausel sei schließlich auch nicht davon abhängig, dass Par-
teien, die jeweils mit einer eigenen Liste an der Bundestagswahl teilnehmen, ihre Landeslisten verbinden
dürften, um als Zählgemeinschaft die Sperrklausel zu überwinden. Derartige Listenverbindungen verschiede-
ner Parteien bei der Bundestagswahl seien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wegen
Verstoßes gegen den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit der Parteien verfas-
sungswidrig (BVerfGE 82, 322 [345 f.]). Eine derartige Listenverbindung würde allein dem Zweck dienen,
die verfassungslegitime Zielsetzung einer Fünf-Prozent-Sperrklausel, die Verhinderung einer Zersplitterung
des Parlaments, zu umgehen.

Entscheidungsgründe

I.

Der Einspruch ist aus mehreren Gründen teilweise unzulässig. Er ist unzulässig, soweit sich der Einspruchs-
führer gegen bundes- und landesrechtliche Regelungen für Personal- und Betriebsratswahlen wendet. Ein
Einspruch ist gemäß § 1 Absatz 1 des Wahlprüfungsgesetzes nämlich nur statthaft, wenn er die Gültigkeit der
Wahlen zum Deutschen Bundestag und die Verletzung von Rechten bei der Vorbereitung oder Durchführung
der Wahl, soweit sie der Wahlprüfung nach Artikel 41 des Grundgesetzes unterliegen, zum Gegenstand hat.
Personal- bzw. Betriebsratswahlen betreffen allein die öffentliche Verwaltung bzw. private Unternehmen.
Der Einspruch ist ferner unzulässig, soweit der Einspruchsführer Wahlrechtsänderungen anregt. Auch inso-
weit fehlt der Bezug zur Gültigkeit der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag oder einer möglichen Rechtsver-
letzung bei der Vorbereitung und Durchführung dieser Wahl. Aus diesem Grund ist der Einspruch außerdem
unzulässig, soweit der Einspruchsführer die Feststellung begehrt, dass Normen mit dem Grundgesetz unver-
einbar und nichtig seien. Ohnehin sind derartige Feststellungen dem Bundesverfassungsgericht bzw. – bei
Landesrecht – dem jeweils zuständigen Landesverfassungsgericht vorbehalten und können nicht Gegenstand
eines Wahlprüfungsverfahrens sein. Der Bezug zur Wahl zum 18. Deutschen Bundestag oder einer mögli-
chen Rechtsverletzung bei der Vorbereitung und Durchführung dieser Wahl fehlt auch den weiteren Anträgen
des Einspruchsführers, etwa auf Herausgabe eines Gutachtens des Wissenschaftlichen Dienstes des Deut-
schen Bundestages, auf Akteneinsicht, auf die Heranziehung von Sachverständigen und die Einholung von
Rechtsgutachten und Stellungnahmen. Auch diesbezüglich ist der Einspruch unzulässig.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 111 – Drucksache 18/1810

II.

Soweit er zulässig ist, ist der Einspruch unbegründet. Dem Vortrag des Einspruchsführers lässt sich kein
Verstoß gegen Wahlrechtsvorschriften und damit kein Wahlfehler entnehmen.

1. Die vom Einspruchsführer beanstandeten Quotenregelungen haben zu keinem Wahlfehler geführt.

a) Nach inzwischen ständiger Spruchpraxis des Deutschen Bundestages in Wahlprüfungsangelegenheiten gilt
für Frauenquoten in Parteisatzungen Folgendes: Zwar bestehen gegen solche Quoten insbesondere im Hin-
blick auf die Wahlgleichheit aus Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 GG und das Gleichbehandlungsgebot des Arti-
kels 3 Absatz 2 Satz 1 GG verfassungsrechtliche Bedenken, die nicht ohne Weiteres von der Hand zu weisen
sind. Im Ergebnis ist aber wegen der Regelung des Artikels 3 Absatz 2 Satz 2 GG nicht von der wahlrechtli-
chen Unzulässigkeit der Frauenquoten auszugehen (hierzu näher Bundestagsdrucksachen 13/3927, Anlagen
15 und 21; 14/1560, Anlage 82; 15/2400, Anlage 14; 16/3600, Anlage 6; für eine Zulässigkeit auch Hahlen,
in: Schreiber, § 37 Rn. 15).

b) Soweit der Einspruchsführer Quotenregelungen für Migranten, Jüngere, Ostdeutsche und „Politikneulinge“
beanstandet, liegt ebenfalls kein Wahlfehler vor. (Auf Satzungsrecht beruhende) Maßnahmen der Parteien,
vor allem im Rahmen der Aufstellung ihrer Bewerber, können zwar die Gültigkeit der Bundestagswahl be-
rühren (BVerfGE 89, 243, [251 f.]). Der Einspruchsführer stellt aber keinen Zusammenhang der von ihm
kritisierten Quotenregelungen in Parteisatzungen mit der Kandidatenaufstellung für die Wahl zum 18. Deut-
schen Bundestag her. Er belässt es dabei, Satzungsnormen aufzuführen und sie als rechtswidrig zu beanstan-
den. Hinsichtlich der Quoten, die sich auf Migranten und Jüngere beziehen, räumt er selbst ein, dass ein Be-
zug zur Mandatsverteilung fehlt. Dies ergibt sich bei näherer Betrachtung für alle Quotenregelungen in Par-
teisatzungen, die sich auf Migranten, Jüngere, Ostdeutsche und „Politikneulinge“ (oder eher:
„Kandidaturneulinge“) beziehen. Die genannten Quotenregelungen weisen keinen Bezug zu konkreten Lis-
tenplätze auf und „reservieren“ solche auch nicht für bestimmte Bewerber/-innen. Vielmehr gelten sie – wenn
sie überhaupt verbindlich und nicht reine „Soll“-Vorschriften sind – nur verbandsintern oder allenfalls für
Kommunalwahlvorschläge.

So gibt es bislang keine Migranten zugute kommende Quote in der Satzung der SPD, sondern nur einen Vor-
schlag des SPD-Vorsitzenden aus dem Jahr 2011, der überdies nur eine Quote in den Führungsgremien der
SPD zum Inhalt hatte. Die „Jugendquote“, von der § 11 Absatz 2 Satz 2 der Satzung des SPD-Kreisverbandes
Stormarn spricht, ist eine nicht zwingende „Soll“-Vorschrift und bezieht sich – wie die Gesamtschau der
Satzung zeigt – nur auf kreisverbandsinterne Wahlen. Dasselbe gilt für ähnliche „Jugendquoten“ in anderen
Verbänden der SPD. Wenngleich diese zum Teil auch für Kommunalwahllisten gelten (sollen), beziehen sie
sich in keinem Fall (auch) auf die Listenaufstellung für Bundestagswahlen. Die in § 11 Absatz 6 der Satzung
der Partei Bündnis 90/Die Grünen enthaltene Vorgabe, dass alle Bundesgremien „gesamtdeutsch“ besetzt und
Ostdeutsche wenigstens entsprechend ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung in allen Gremien auf Bundes-
ebene vertreten sein müssen, betrifft nur parteiinterne Wahlen, nicht aber die Bundestagswahl. Der vom Ein-
spruchsführer erwähnte § 22 der Satzung des Landesverbandes Berlin der Partei Bündnis 90/Die Grünen
regelt, dass bei der Aufstellung der Listen für die Abgeordnetenhauswahlen durch den Landesverband das
Wahlverfahren so zu gestalten ist, dass mindestens jeder dritte Listenplatz mit einem Kandidaten oder einer
Kandidatin zu besetzen ist, der oder die noch nie einem Parlament angehört hat. Die Vorschrift betrifft also
ausdrücklich nur die Wahlen zum Abgeordnetenhaus von Berlin und ist damit für die Bundestagswahl uner-
heblich. § 14 der Satzung des Landesverbandes Niedersachsen der Partei Bündnis 90/Die Grünen regelt, dass
bei der Aufstellung der Listen für die Landtags- und Bundestagswahlen das Wahlverfahren so zu gestalten
ist, dass mindestens jeder dritte Listenplatz mit einem Kandidaten oder einer Kandidatin zu besetzen ist, der
oder die noch nie dem zu wählenden Parlament angehört hat. Aus dem bloßen Bestehen dieser Regelung –
die grundsätzliche Bedenken hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit dem freien Vorschlagsrecht jedes Delegier-
ten gemäß § 21 Absatz 3 Satz 2 BWG aufwirft – folgt nicht, dass die niedersächsische Landesdelegiertenkon-
ferenz der Partei Bündnis 90/Die Grünen bei der Listenaufstellung die Satzungsbestimmung auch beachtet
hat oder dass die Quote wegen umstrittener Kandidaturen überhaupt zum Tragen kam.

2. Auch die vom Einspruchsführer kritisierten Quoren haben keinen Wahlfehler zur Folge.

a) Stimmenquoren in Landes- und Kreisverbandssatzungen der CDU, nach denen Stimmzettel in dem Fall,
dass in einem Wahlgang zwei oder mehr Kandidaten oder Kandidatinnen gewählt werden, nur gültig sind,
wenn eine bestimmte Mindestzahl (zwischen 50 Prozent und 70 Prozent) von Kandidaten auf dem Stimmzet-

Drucksache 18/1810 – 112 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

tel angekreuzt wurde, stoßen auf keine rechtliche Bedenken. Ein solches sog. gemäßigtes Blockwahlsystem
hält sich innerhalb des Gestaltungsrahmens, den § 27 Absatz 5 BWG den Parteien und ihren Satzungen für
das Wahlverfahren einräumt. Weder verstößt es gegen den Grundsatz innerparteilicher Demokratie gemäß §
21 Absatz 3 Satz 1 BWG, noch verletzt es die Verfassungsgrundsätze der Freiheit und der Gleichheit der
Wahl gemäß Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 GG (vgl. Hahlen, in: Schreiber, § 27 Rn. 21).

b) Aus dem Umstand, dass nach § 63 Absatz 3 Satz 1 der Satzung des CDU-Landesverbandes Hessen min-
destens 15 Prozent der stimmberechtigten ordentlichen Delegierten bzw. 15 Prozent der stimmberechtigten
Mitglieder einer Mitgliederversammlung erforderlich sind, um eine Kandidatenliste zu Parlaments- oder
Kommunalwahlen – also auch für Bundestagswahlen – vorzulegen, lässt sich noch nicht auf einen Wahlfeh-
ler schließen. Zwar verstößt ein solches Antragsquorum im Rahmen einer Kandidatenaufstellung gegen § 27
Absatz 5 in Verbindung mit § 21 Absatz 3 Satz 2 BWG (vgl. Hahlen, in: Schreiber, § 21 Rn. 29). Denn es
beschränkt das Recht jeder Delegierten bzw. jedes Versammlungsmitglieds, „Vorschläge zur Gestaltung der
Landesliste ungehindert und mit jedenfalls abstrakter Erfolgsaussicht in dem Entscheidungsgremium zur
Abstimmung zu bringen“ (Hahlen, in: Schreiber, § 27 Rn. 22). Indessen kann allein aus dem Vorhandensein
einer rechtswidrigen Satzungsnorm nicht auf ein der Satzung entsprechendes – wahlrechtswidriges – Verhal-
ten geschlossen werden. Die Wahlprüfung hat allein auf die tatsächlichen Vorgänge im Vorfeld der Bundes-
tagswahl und deren Vereinbarkeit mit dem Wahlrecht abzustellen (BVerfGE 89, 243 [252 f.]). Zu Vorgängen
innerhalb des CDU-Landesverbandes Hessen trägt der Einspruchsführer aber nichts vor, zumal unklar ist, ob
§ 63 Absatz 3 Satz 1 der Satzung des CDU-Landesverbandes Hessen überhaupt abschließender Charakter
beigemessen wird.

3. Warum die in einigen Parteisatzungen in Verbänden der Parteien CDU, SPD, Die Linke und Bündnis
90/Die Grünen zu findenden dynamischen Verweisungen einen Wahlfehler darstellen sollten, lässt sich dem
Vortrag des Einspruchsführers nicht entnehmen und ist auch ansonsten nicht erkennbar. Die Argumentation
des Einspruchsführers ist im Übrigen auch parteienrechtlich unzutreffend. Die Gebietsverbände der Parteien
regeln gemäß § 6 Absatz 1 Satz 2 PartG ihre Angelegenheiten durch eigene Satzungen, soweit die Satzung
des jeweils nächsthöheren Gebietsverbandes hierüber keine Vorschriften enthält. Höhere Parteiebenen kön-
nen also Teile der Satzung der nachrangigen inhaltlich determinieren – oder aber auch die Freiheit zur eige-
nen Gestaltung geben (vgl. Morlok, PartG, 2. Auflage 2013, § 6 Rn. 5). Die niederrangigen Verbände können
im Rahmen ihrer Satzungsautonomie auf höherrangiges Satzungsrecht (dynamisch) verweisen.

4. Die Rüge des Einspruchsführers hinsichtlich des § 6 Nr. 12 der Satzung des Kreisverbandes Fulda der
Partei Bündnis 90/Die Grünen weist keinen Bezug zur Bundestagswahl auf. Zwar widerspricht das imperati-
ve Mandat für Delegierte des Kreisverbandes, die zu Parteitagen (Delegiertenkonferenzen) auf überregionaler
Ebene gesandt werden, demokratischen Grundsätzen. Gleichwohl begründet der bloße Verweis auf (rechts-
widriges) Satzungsrecht keinen Wahlfehler (s. o.). Davon abgesehen, dass das imperative Mandat nach der
Satzung nur auf Antrag beschlossen wird, hat der Einspruchsführer nicht dargetan, dass die vom Kreisver-
band Fulda zur Aufstellung der Landesliste entsandten Delegierten ein imperatives Mandat erhielten und
diesem folgten.

5. Soweit der Einspruchsführer § 14 der Satzung des Landesverbandes Thüringen und § 16 der Satzung des
Landesverbandes Sachsen-Anhalt der Partei Bündnis 90/Die Grünen rügt, ist das Vorbringen des Einspruchs-
führers nicht geeignet, einen Wahlfehler zu begründen. Im Wahleinspruchsverfahren sind – wie oben darge-
legt – allein die wahlrechtlichen Vorschriften maßgeblich. Ob ein Wahlfehler vorliegt, richtet sich danach, ob
die Vorgänge während oder vor der Wahl den wahlrechtlichen Vorschriften entsprachen; entgegenstehendes
Satzungsrecht der Parteien ist hierbei unerheblich. Das Vorbringen des Einspruchsführers beschränkt sich auf
die Nennung der beiden Vorschriften sowie abstrakter Beispielsfälle, unter welchen Bedingungen welche
Wahlergebnisse möglich seien. Völlig unklar bleibt, ob oder wann überhaupt Abstimmungen nach welcher
Vorschrift wie stattgefunden haben. Erst recht fehlt ein Bezug zur Kandidatenaufstellung für die Wahl zum
18. Deutschen Bundestag.

6. Soweit der Einspruchsführer das Verhalten der stellvertretenden Kreiswahlleiterin im Wahlausschuss des
Wahlkreises 74 rügt, ist das Vorbringen bereits unsubstantiiert. Der Einspruchsführer beanstandet lediglich
die Art und Weise der Sitzungsleitung, ohne irgendeinen Bezug zur Bundestagswahl herzustellen. Die
Ungültigerklärung des Stimmzettels bezüglich beider Stimmen stößt hingegen auf keine rechtlichen Beden-
ken. In den Fällen des § 39 Absatz 1 Satz 1 Nr. 5 BWG führt ein Zusatz in der Regel zur Unwirksamkeit
beider Stimmen, es sei denn, der Zusatz bezieht sich erkennbar nur auf eine Stimme (Hahlen, in: Schreiber, §

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 113 – Drucksache 18/1810

39 Rn. 13). Der Zusatz „gehört verboten“ bezieht sich jedoch erkennbar nicht nur auf eine Stimme. Auch
wenn der Wähler den Direktkandidaten durchgestrichen hat bezieht sich „gehört verboten“ offensichtlich
nicht auf den Kandidaten, da dieser nicht verboten werden kann, sondern auf eine Partei. Die Entscheidung
ist daher nicht zu beanstanden.

7. Der Vortrag des Einspruchsführers sowohl hinsichtlich der Erhebung von Sondernutzungsgebühren für
Plakatwerbung durch die Gemeinden Gerbstedt, Allstedt und Südharz als auch hinsichtlich der abgestuften
Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen für Plakatwerbung durch die Gemeinden Bad Dürrenberg und
Gelsenkirchen trägt die Annahme eines Wahlfehlers nicht.

a) Die Erhebung von Sondernutzungsgebühren für Plakatwerbung durch die Gemeinden Gerbstedt, Allstedt
und Südharz war – wenn man den Sachvortrag des Einspruchsführers zugrunde legt – rechtmäßig. Nach der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist für Wahlwerbung mit Plakaten eine Sondernutzungser-
laubnis erforderlich, deren Erteilung im – freilich durch den Gleichbehandlungsgrundsatz gebundenen – be-
hördlichen Ermessen liegt (vgl. BVerwGE 47, 280 [282]; 56, 63 ff.; Strelen, in: Schreiber, § 1 Rn. 79). Ge-
meinden können für die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis eine Gebühr erheben (vgl. etwa Hagmann,
DÖV 2006, 323 [330]). Die Erhebung einer Sondernutzungsgebühr verletzt – entgegen der Ansicht des Ein-
spruchsführers – den Grundsatz der Chancengleichheit nicht. Sie geht nicht zulasten kleinerer Parteien oder
von Einzelbewerbern. Der Umfang der Sondernutzungserlaubnis ist vom Vermögen der Parteien unabhängig.
Die Frage, ob und in welcher Höhe Gebühren erhoben werden, ist nämlich von der Frage, wie viele Plakate
im öffentlichen Straßenraum aufgestellt bzw. aufgehängt werden dürfen, zu unterscheiden. Dass die Sonder-
nutzungsgebühren im Einzelfall innerhalb einer Gemeinde unterschiedlich hoch oder unangemessen gewesen
seien, trägt der Einspruchsführer indessen nicht vor.

b) Auch die Erteilung abgestufter Sondernutzungserlaubnisse für Plakatwerbung durch die Gemeinden Bad
Dürrenberg und Gelsenkirchen stößt auf keine rechtlichen Bedenken. Eine Gemeinde darf als Träger öffentli-
cher Gewalt gemäß § 5 Absatz 1 Satz 2 PartG den Umfang der Gewährung öffentlicher Einrichtungen oder
anderer öffentlicher Leistungen nach der Bedeutung der Parteien bis zu dem für die Erreichung ihres Zwe-
ckes erforderlichen Mindestmaß abstufen. Die Bedeutung der Parteien bemisst sich gemäß § 5 Absatz 1 Satz
3 PartG insbesondere auch nach den Ergebnissen vorausgegangener Wahlen zu Volksvertretungen. Würden
alle Parteien, die sich an einer Wahl beteiligen, ohne Rücksicht auf ihre politische Bedeutung und ihr eigenes
personelles, ideelles und materielles Potenzial in den Stand gesetzt, den gleichen Aufwand zu treiben, so
würde die vom Staat vorgefundene tatsächliche Wettbewerbslage verfälscht werden. Das Wahlergebnis, zu
dem jeder Aktivbürger beigetragen hat, liefert immer noch den genauesten Maßstab für die politische Bedeu-
tung einer Partei, d. h. für den Anteil, den sie an der politischen Willensbildung des Volkes hat (BVerfGE 24,
300 [354]) – und nach dem Willen des Volkes einnehmen soll. Eine Abweichung kann verfassungsrechtlich
geboten sein, um neue oder sehr kleine Parteien nicht von dem Wahlwettbewerb auszuschließen. Dass Anträ-
ge solcher Parteien bei den jeweiligen Gemeinden eingegangen sind und/oder die Gemeinden in solchen
Einzelfällen nicht demgemäß entschieden hätten, trägt der Einspruchsführer aber nicht vor. Er wendet sich
lediglich gegen die Abstufung an sich.

8. Aus dem Vortrag des Einspruchsführers zu seinen angeblich nicht in der gebotenen Form behandelten
Beschwerden beim Landeswahlleiter des Landes Thüringen und beim Bundeswahlleiter folgt kein Wahlfeh-
ler. Ein Fehlverhalten ist beiden Wahlorganen nicht vorzuhalten. Insbesondere ist – gerade angesichts der
obigen Ausführungen unter 1. bis 6. – nicht ersichtlich, warum die Wahlbehörden Landeslisten (oder Kreis-
wahlvorschläge) nicht hätten zulassen dürfen. Auch andere Zulassungshindernisse sind nicht ersichtlich.

9. Soweit der Einspruchsführer § 49 BWG für verfassungswidrig hält, ist zu beachten, dass der Wahlprü-
fungsausschuss und der Deutsche Bundestag in ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens
die Verfassungsmäßigkeit von Wahlrechtsvorschriften nicht überprüfen. Eine derartige Kontrolle ist stets
dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten worden (vgl. zuletzt etwa Bundestagsdrucksachen 16/1800, An
lagen 26 bis 28 mit weiteren Nachweisen; 17/1000, Anlagen 5 und 11; 17/2200, Anlagen 1, 13 bis 15, 17 bis
20, 23 und 24; 17/3100, Anlagen 15, 19, 20, 22 bis 30, 32, 34 bis 36; 17/4600, Anlagen 10, 12, 13, 32, 38, 40
bis 43 mit weiteren Nachweisen; 17/6300, Anlage 19). Abgesehen davon sind die Bedenken des Einspruchs-
führers unbegründet. Die Gültigkeit einer Bundestagswahl kann gemäß Artikel 41 GG nur in dem dort ge-
nannten zweistufigen Rechtsweg überprüft werden. Zunächst entscheidet der Deutsche Bundestag, dann –
sofern der Einspruchsführer Wahlprüfungsbeschwerde einlegt – das Bundesverfassungsgericht. Durch Artikel
41 GG ist die Wahlprüfung Rechtsweggarantie des Artikels 19 Absatz 4 GG entzogen (vgl. BVerfGE 22, 275

Drucksache 18/1810 – 114 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

[281]; 46, 196 [198]; 66, 232 [234]; Brocker, in: Epping/Hillgruber [Hrsg.], GG, 2. Auflage 2013, Artikel 41
Rn. 11). Nur in Fällen, in denen ein möglicher Fehler vor der Wahl geheilt werden kann, lassen das Bundes-
wahlgesetz und die Bundeswahlordnung bestimmte Rechtsbehelfe zu. Dazu gehören etwa die Beschwerde
gegen die Nichtzulassung einer Partei zur Bundestagswahl (§ 18 Absatz 4a BWG) oder der Einspruch gegen
das Wählerverzeichnis (§ 22 BWO).

10. Auch hinsichtlich der Kritik des Einspruchsführers an der in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6
Absatz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG verankerten Fünf-Prozent-Hürde gilt der soeben erwähnte beschränkte
Prüfungsmaßstab des Deutschen Bundestages. Unabhängig davon sind die verfassungsrechtlichen Bedenken
des Einspruchsführers unbegründet. Der Wahlprüfungsausschuss hat schon in zahlreichen Wahlprüfungsent-
scheidungen früherer Wahlperioden keinen Anlass für Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Regelung
gesehen (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen 15/1850, Anlagen 9 und 47; 16/900, Anlage 14), zumal das
Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit der Sperrklausel in ihrer Ausgestaltung durch das Bun-
deswahlgesetz in ständiger Rechtsprechung bestätigt hat (vgl. BVerfGE 1, 208 [247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84
[92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366]; 95, 408 [417 ff.]; 120, 82 [109 ff.]; 122, 304
[314 f.]; 129, 300 [335 f.], siehe auch Bundestagsdrucksache 16/900, Anlage 14). Es ist folglich verfassungs-
rechtlich nicht zu beanstanden, dass alle Parlamentssitze auf diejenigen Parteien verteilt werden, welche die
Fünf-Prozent-Hürde überwunden haben. Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
die Sperrklausel durch veränderte Verhältnisse infrage gestellt werden. Dies ist bezüglich der Bundestags-
wahl 2013 aber nicht der Fall, wie das Bundesministerium des Innern – auch unter Bezugnahme auf die Ur-
teile vom 9. November 2011 und 26. Februar 2014 – in seiner Stellungnahme zutreffend feststellt: Dass nach
dem amtlichen Endergebnis der Bundestagswahl 2013 insgesamt 15,7 Prozent der gültigen Zweitstimmen
nicht in die Mandatsverteilung eingeflossen sind, weil sie für insgesamt 25 Parteien abgegeben wurden, die
bundesweit weniger als fünf Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, ändert nichts an der vom Bundesver-
fassungsgericht festgestellten Verfassungskonformität der Fünf-Prozent-Hürde. Zwar war der Anteil der gül-
tigen, aber wegen der Sperrklausel nicht in die Sitzverteilung eingeflossenen Zweitstimmen bei der Bundes-
tagswahl 2013 höher als bei früheren Bundestagswahlen, da – anders als bei vorhergehenden Wahlen – zwei
Parteien jeweils fast fünf Prozent und zudem 23 weitere Parteien insgesamt 6,2 Prozent (für sich genommen
aber teilweise weniger als 0,1 Prozent) erreicht haben. Jedoch ist dieser Umstand nicht atypisch oder zuvor
unbekannt gewesen. Es ist zudem durchaus möglich, dass er bei kommenden Bundestagswahlen mit anderen
Wahlergebnissen nicht (mehr) auftritt. Der Einzug neuer Parteien in den Deutschen Bundestag wird, wie
Beispiele aus der Geschichte der Bundesrepublik zeigen, ohnehin nicht durch die Sperrklausel verhindert.
Außerdem ist die Fünf-Prozent-Hürde auf das jeweilige Ergebnis einer jeden Partei bezogen. Nur die konkre-
te Stimmenzahl jeder Partei kann der Ausgangspunkt der Sitzverteilung auf die Landeslisten sein (vgl. § 6
Absatz 1 BWG) – übrigens auch dann, wenn man gedanklich die Sperrklausel streicht oder eine niedrigere
Sperrklausel ansetzt –; erst im zweiten Schritt ist die Stimmenzahl einer jeden Partei in Relation zu den
Stimmenanteilen der anderen Parteien zu setzen (vgl. § 6 Absätze 2 bis 7 BWG). Die gedankliche Addition
von Zweitstimmenanteilen kann folglich für die Fünf-Prozent-Hürde keine Aussagekraft beanspruchen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 115 – Drucksache 18/1810

Anlage 17

Beschlussempfehlung

ZumWahleinspruch

des Herrn F. B., 30171 Hannover,

– Az.: WP 100/13 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag
am 22. September 2013

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 26. Juni 2014 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit einem Schreiben vom 22. Oktober 2013 Einspruch gegen die Gültigkeit der
Wahl zum 18. Deutschen Bundestag am 22. September 2013 eingelegt.

Er wendet sich gegen die Fünf-Prozent-Klausel. Diese verstoße gegen die Wahlrechtsgleichheit aus Artikel
38 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) sowie gegen den Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien
aus Artikel 21 Absatz 1 GG und das Recht auf allgemeine Gleichbehandlung aus Artikel 3 Absatz 1 GG.
Dies sei mandatsrelevant.

Die Fünf-Prozent-Klausel greife tief in die Wahlrechtsgleichheit ein: Alle Bürger müssten ihr Wahlrecht in
formal gleicher Weise ausüben können, und jede gültige Stimme müsse in einem Verhältniswahlsystem den
gleichen Erfolgswert besitzen. Die Fünf-Prozent-Sperrklausel führe aber dazu, dass die Stimmen für Parteien
unterhalb des Quorums hinsichtlich des Wahlergebnisses wegfielen und die parteipolitische Zusammenset-
zung des Gesetzgebungsorgans nicht dem exakten Wahlergebnis entspreche. Dieser Eingriff sei vor dem
Hintergrund der tatsächlichen Entwicklung bei der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag als besonders tiefge-
hend zu werten, da 6 859 439 Stimmen, gerundet 15,7 Prozent aller gültigen Stimmen, bei der Sitzverteilung
nicht berücksichtigt worden seien. Dies sei historisch ohne Beispiel. Es bestehe eine massive Disproportiona-
lität zwischen dem Wahlergebnis und der Sitzverteilung, die besonders rechtfertigungsbedürftig sei. In das
Recht jeder Partei auf Chancengleichheit und auf allgemeine Gleichbehandlung werde ebenfalls eingegriffen.
Den an der Fünf-Prozent-Hürde scheiternden Parteien werde die Mitwirkung am parlamentarischen Willens-
bildungsprozess versagt. Die in den Deutschen Bundestag eingezogenen Parteien verfügten über mehr Sitze,
als es ihrem Zweitstimmenanteil entspräche. Zwischen der Wahlrechtsgleichheit und der Chancengleichheit
der Parteien bestehe ein enger Zusammenhang. Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung von Einschränkun-
gen folge den gleichen Maßstäben.

Die Eingriffe bzw. Ungleichbehandlungen seien verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt. Ohnehin stehe die
Fünf-Prozent-Hürde historisch auf unsicheren Beinen. So habe der Parlamentarische Rat die Einführung einer
Sperrklausel debattiert, wegen des Widerspruchs zur Wahlgleichheit aber verworfen. Die auf die Landeslisten
bezogene Fünf-Prozent-Hürde sei erst nachträglich auf Betreiben der von den Alliierten dazu ermächtigten
Ministerpräsidenten in das erste Bundeswahlgesetz aufgenommen worden. Die Verfassungswidrigkeit der
Sperrklausel folge aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die Abweichungen in Gestalt des
Wahlrechts nur in engen Grenzen zulasse und zwingende Gründe verlange. Letztere müssten einen gleichen
verfassungsrechtlichen Wert (wie die Wahlrechtsgleichheit) besitzen und dürften nur in engen Grenzen Gel-
tung beanspruchen. Für die Fünf-Prozent-Hürde bestünden solche zwingenden Gründe nicht. Auch die vom
Bundesverfassungsgericht zur Rechtfertigung der Sperrklausel in der Vergangenheit herangezogene Funkti-
onsfähigkeit des Parlaments sei (mittlerweile) kein zwingender Grund (mehr). Das Gericht habe klargestellt,
dass eine große Zahl kleinerer Parteien in einer Volksvertretung zu ernsthaften Beeinträchtigungen ihrer
Handlungsfähigkeit führen könne (aber eben nicht müsse). Ein Zustrom einer großen Zahl kleiner Parteien
sei nicht zu befürchten, so der Einspruchsführer. Wenn man die Sperrklausel hypothetisch streiche, wären

Drucksache 18/1810 – 116 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

fünfzehn Parteien, also keine allzu große Zahl, im Deutschen Bundestag vertreten. Des Weiteren wäre über
ein Drittel dieser Parteien nur mit jeweils sechs bis dreizehn Sitzen vertreten. Die Arbeitsfähigkeit des Parla-
ments würde angesichts dieser als marginal zu bezeichnenden Sitzzahlen keinen Schaden nehmen. Im Gegen-
teil wären die kleineren Parteien zur Zusammenarbeit mit den größeren sogar gezwungen. Es sei nicht vor-
stellbar, wie die Funktionsfähigkeit des Parlaments von den zusätzlich in den Deutschen Bundestag einzie-
henden Parteien eingeschränkt werden sollte. Eine wohl von manchen befürchtete „,Flut‘ von Anträgen etc.“
könne in der heutigen Zeit keine Rolle mehr spielen; es sei auch kein Grund ersichtlich, warum ein Abgeord-
neter einer kleineren Partei mehr „produzieren“ sollte als einer Mandatsträger einer größeren Partei und vor
allem, was daran in einem demokratischen Sinn schlecht sein sollte. Die Arbeitsfähigkeit und Belastbarkeit
des Deutschen Bundestages habe sich in jüngster Vergangenheit gerade in EU-Angelegenheiten, aber auch
auf vielen weiteren Feldern bewiesen. Über mehr als 60 Jahre weise die Bundesrepublik eine kontinuierliche
Regierungsstabilität auf. Die Arbeits- und Funktionsfähigkeit könnte – im Sinne eines milderen Mittels im
Vergleich zur Sperrklausel – auch bei mehr Parteien im Parlament durch entsprechende Geschäftsordnungs-
regeln sichergestellt werden. Die zwangsläufige Bildung einer großen Koalition(smehrheit) aufgrund des
Fehlens mehrerer kleinerer Fraktionen trage zudem dazu bei, dass das Prinzip von Rede und Gegenrede als
Lebenselixier der Demokratie verstumme. Überdies seien die kleineren, sich immer wieder an Bundestags-
wahlen beteiligenden Parteien weder Splitter- noch Interessenparteien, wie die vergangenen Wahlen deutlich
gezeigt hätten. Die Notwendigkeit einer Sperrklausel folge auch nicht aus historischen Erfahrungen aus der
Weimarer Zeit. Die Regierungsbildung sei damals nicht an den Splitterparteien gescheitert, sondern an der
Unfähigkeit der großen und mittleren Parteien, Kompromisse einzugehen.

Die Verfassungswidrigkeit der Fünf-Prozent-Klausel werde des Weiteren durch einen prozeduralen Aspekt
begründet und verstärkt. Dem Gesetzgeber obliege bei der Ausgestaltung des Wahlrechtssystems eine Beo-
bachtungspflicht. Diese zwinge ihn gegebenenfalls zu einer Korrektur oder Abschaffung bisheriger Regeln.
Eine Regelung könne nämlich vor dem Hintergrund ihrer faktischen Entwicklung verfassungswidrig werden.
Das Bundesverfassungsgericht habe bereits in einer Entscheidung aus dem Jahr 1952 ausgeführt, dass neue
Umstände und die tatsächliche Entwicklung die Sperrklausel und das damit verbundene Quorum unzulässig
machen könnten. Es habe zudem einen historischen Bezug zur frühen Nachkriegszeit hergestellt und vom
lediglich „gegenwärtigen Zeitpunkt“ einer Zulässigkeit gesprochen. Einen „Persilschein“ habe das Gericht
der Sperrklausel niemals erteilt, vielmehr im Gegenteil in zwei Entscheidungen aus dem Jahr 1990 und dem
Jahr 2011 diesbezügliche Beobachtungspflichten statuiert. Die Verhältnisse hätten sich spätestens mit den
Wahlen zum 18. Deutschen Bundestag entscheidend verändert. Das drastische Auseinanderdriften von Wahl-
ergebnis und Sitzverteilung und die hierdurch bedingte erhebliche Verletzung der Erfolgswertgleichheit der
Zweitstimmen seien nicht hinnehmbar. Gerade weil die Sperrklausel ursprünglich auf die Vermeidung von
Splitter-, also Kleinstparteien gerichtet gewesen sei, sei es verfassungsrechtlich unzulässig, den politischen
Repräsentanten von knapp sieben Millionen Wählern den Zugang zum Parlament zu verwehren und stattdes-
sen deren Stimmen anderen, größeren Parteien zuzuschlagen.

Der Einspruchsführer beantragt hilfsweise, die Sitzverteilung des 18. Deutschen Bundestages auf der Grund-
lage des Wahlergebnisses vom 22. September 2013 unter Weglassung der Fünf-Prozent-Klausel neu zu er-
mitteln. Auf dieser Grundlage müsse der Deutsche Bundestag sich dann neu konstituieren. Ein solches Vor-
gehen folge dem Gebot des geringstmöglichen Eingriffs in die Rechtsbeständigkeit der Wahl.

Wegen der Einzelheiten des Vortrages des Einspruchsführers wird auf den Inhalt der Akten Bezug genom-
men.

Das Bundesministerium des Innern hat zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-
Sperrklausel am 16. Juni 2014 wie folgt Stellung genommen:

1. Das Bundesverfassungsgericht erachte in ständiger Rechtsprechung bei Wahlen zum Deutschen Bundestag
die heute in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1 des Bundeswahlgesetzes
(BWG) vorgesehene, auf das gesamte Wahlgebiet bezogene Fünf-Prozent-Sperrklausel für verfassungsgemäß
(vgl. BVerfGE 1, 208 [247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366];
95, 408 [417 ff.]; 120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.]). Zuletzt habe das Gericht in seinem
Urteil vom 9. Januar 2011 zur Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen entschieden, dass die Fünf-
Prozent-Sperrklausel bei der Wahl zum Deutschen Bundestag ihre Rechtfertigung im Wesentlichen darin
finde, dass die Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren
fortlaufende Unterstützung nötig sei und dieses Ziel durch die Zersplitterung des Parlaments in viele kleine

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 117 – Drucksache 18/1810

Gruppen gefährdet werde (BVerfGE 129, 300 [335 f.]). In der Entscheidung vom 26. Februar 2014 (2 BvE
2/13 u. a.) zur Drei-Prozent-Sperrklausel im Europawahlrecht habe das Gericht erneut bestätigt, dass eine
Sperrklausel gerechtfertigt sein könne, wenn Verhältnisse wie auf nationaler Ebene gegeben sind, wo die
Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nötig sei (ebd. Rn. 72).

Angesichts der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei der Wahlgesetzgeber verfas-
sungsrechtlich nicht daran gehindert, bei der Verteilung der zu vergebenden Sitze auf die Landeslisten bei der
Bundestagswahl grundsätzlich nur die Parteien zu berücksichtigen, die mindestens fünf Prozent der im Wahl-
gebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten haben (§ 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Ab-
satz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG). Es sei ihm mit anderen Worten von Verfassungs wegen unbenommen,
gültige Zweitstimmen, die auf Landeslisten von Parteien entfallen sind, die nicht die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben, zwar für die Ergebnisfeststellung als relevant zu werten (§ 42 BWG), nicht
aber für die Sitzverteilung. Der Wahlgesetzgeber dürfe also ohne Verstoß gegen Bundesverfassungsrecht alle
zu vergebenden Parlamentssitze auf die Landeslisten derjenigen Parteien verteilen, die die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben.

Im Interesse der Handlungsfähigkeit des Deutschen Bundestages habe der Wahlgesetzgeber bisher an der auf
das gesamte Wahlgebiet bezogenen Fünf-Prozent-Sperrklausel, die seit der Wahl zum 2. Deutschen Bundes-
tag 1953 gilt, festgehalten. Denn eine Wahl habe – wie das Bundesverfassungsgericht betone (vgl. BVerfGE
51, 222 [236]) – „nicht nur das Ziel, eine Volksvertretung zu schaffen, die ein Spiegelbild der in der Wähler-
schaft vorhandenen politischen Meinungen darstellt, sondern sie soll auch ein funktionsfähiges Organ her-
vorbringen.“ Hierfür seien „(k)lare und ihrer Verantwortung für das Gesamtwohl bewusste Mehrheiten in
einer Volksvertretung (…) für eine Bewältigung der ihr gestellten Aufgaben unentbehrlich“, die durch einen
unbegrenzten Proporz nicht gewährleistet sind.

2. Zwar könne nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die verfassungsrechtliche Rechtfer-
tigung einer die Wahlgleichheit berührenden Norm des Wahlrechts wie eine Sperrklauselregelung durch ver-
änderte Verhältnisse oder neue Entwicklungen – etwa durch eine Änderung der vom Gesetzgeber vorausge-
setzten tatsächlichen oder normativen Grundlagen oder wenn sich die beim Erlass der Norm hinsichtlich ihrer
Auswirkungen angestellte Prognose als irrig erwiesen habe – in Frage gestellt werden (BVerfGE 82, 322
[338 f.]; 120, 82 [108]; 129, 300 [321 f.]; Urteil vom 26. Februar 2014, Az. 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 56). Dies
sei im Hinblick auf die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen jedoch nicht der Fall.

Eine Änderung der normativen Grundlagen für die Beurteilung der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundes-
tagswahlen, die das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung als verfassungsgemäß angesehen
habe, sei nicht festzustellen. Insbesondere führten das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
9. November 2011 zur Verfassungswidrigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen (BVerfGE
129, 300) und sein Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Sperrklausel im
Europawahlgesetz (2 BvE 2/13 u. a.) nicht zu einer abweichenden Bewertung. Das Bundesverfassungsgericht
begründe die Verfassungswidrigkeit der Sperrklauseln bei Europawahlen in diesen Urteilen mit der besonde-
ren Stellung und Funktion des Europäischen Parlaments im Gefüge der Organe der Europäischen Union, wo
eine vergleichbare Interessenlage wie bei der Bundestagswahl nicht bestehe (BVerfGE 129, 300 [336]). Auch
in seinem Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Klausel im Europawahl-
gesetz halte das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich an der gefestigten Rechtsprechung zum verfassungs-
rechtlichen Maßstab für die Beurteilung wahlrechtlicher Sperrklauseln fest und lege – wie es mehrfach beto-
ne – seinem Urteil die gleichen Prüfungsmaßstäbe wie im Urteil vom 9. November 2011 zugrunde (Az. 2
BvE 2/13 u. a., Rn. 37, 45, 63). In beiden Urteilen weise das Gericht zudem darauf hin, dass bei der Bundes-
tagswahl – anders als bei der Europawahl – der Deutsche Bundestag im Falle einer eintretenden Funktionsbe-
einträchtigung aufgrund seiner veränderten strukturellen Zusammensetzung nicht mehr in der Lage wäre, die
gesetzlichen Regelungen zur Sicherung seiner Funktionsfähigkeit zu ändern, weil die erforderliche Mehrheit
nicht mehr zustande käme (BVerfGE 129, 300 [324]; Urteil vom 26. Februar 2014, 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 58).

3. Auch in tatsächlicher Hinsicht erfordere das Wahlergebnis der Bundestagswahl 2013, bei der zwei Parteien
mit einem Stimmenanteil von 4,8 Prozent bzw. 4,7 Prozent der Zweitstimmen vergleichsweise knapp an der
Fünf-Prozent-Klausel gescheitert seien, keine Neubewertung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der
Klausel. Der Gesetzgeber habe sich für die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen entschieden und
diese bis heute beibehalten, um in Konstellationen, in denen eine oder mehrere Parteien weniger als fünf

Drucksache 18/1810 – 118 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, die Funktionsfähigkeit des Bundestages sicherzustellen. Wenn eine
solche Konstellation bei einer Wahl – wie nun der Bundestagswahl 2013 – tatsächlich auftrete, liege gerade
nicht der Fall vor, dass sich eine Prognose des Gesetzgebers als irrig erwiesen habe oder dass eine Änderung
der vom Gesetzgeber vorausgesetzten tatsächlichen Verhältnisse eingetreten sei, sondern es habe sich ledig-
lich ein Szenario realisiert, das der Gesetzgeber mit seiner Regelung von vornherein habe erfassen wollen.
Auch das Bundesverfassungsgericht habe die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen in Kenntnis
des Umstands, dass an ihr nicht nur Parteien mit einem niedrigen Stimmenanteil zwischen null und zwei
Prozent der Zweitstimmen, sondern auch Parteien mit einem Stimmenanteil knapp unter fünf Prozent schei-
tern können, in ständiger Rechtsprechung als verfassungsmäßig angesehen (siehe die Nachweise unter 1.).

Die bei der Bundestagswahl 2013 aufgetretene hohe Gesamtzahl von abgegebenen gültigen Zweitstimmen
für Parteien, die die Fünf-Prozent-Sperrklausel nicht überwunden haben, sei kein Grund, das Vorliegen ver-
änderter Verhältnisse bzw. neuer Entwicklungen anzunehmen, die eine Neubewertung der verfassungsrecht-
lichen Zulässigkeit der Sperrklausel erforderten. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Sperrklausel sei
nicht von der Gesamtzahl der Stimmen für diejenigen Parteien abhängig, die die Sperrklausel bei einer ein-
zelnen Wahl nicht überwinden. Die Sperrklausel rechtfertige sich vielmehr durch den mit ihr verfolgten ver-
fassungsrechtlich legitimen Zweck, die Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages sicherzustellen (siehe
die Nachweise unter 1.). Sie erfülle ihren Zweck gerade dann, wenn viele an der Wahl teilnehmende Parteien
die Sperrklausel nicht überwinden, aber ohne Sperrklausel Sitze im Parlament erlangt hätten, da auf diese
Weise eine die stabile Mehrheitsbildung gefährdende Zersplitterung des Bundestages vermieden werde.

4. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel stehe nicht entgegen, dass eine
hohe Zahl von Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die aufgrund der Sperrklausel nicht an der Sitzvertei-
lung teilnehmen, eine absolute Mehrheit der Sitze für Parteien ermögliche, die bei der Wahl deutlich weniger
als der Hälfte der Stimmen erreicht haben. Das Erreichen einer Mehrheit der Sitze im Parlament sei immer
mit weniger als der Hälfte der gültigen Zweitstimmen möglich. Denn auch ohne Sperrklausel erhalte nicht
jede Partei, für die bei der Wahl gültige Stimmen abgegeben wurden, automatisch einen Sitz. Da für einen
Sitz auch ohne Sperrklausel stets eine bestimmte Zahl von Stimmen erforderlich sei, führten nicht alle Stim-
men zu einem Sitzerfolg und darum weniger als 50 Prozent der gültigen Zweitstimmen zu einer Mehrheit der
Sitze. Ein Verfassungsrechtssatz des Inhalts, dass einer Mehrheit der Mitglieder des Bundestages notwendi-
gerweise eine Mehrheit der Zweitstimmen in der Bundestagswahl entsprechen müsse, sei nicht feststellbar.
Wenn aber eine Partei in einer Wahl eine absolute Mehrheit der Zweitstimmen erhalte, sei gesichert, dass auf
sie mehr als die Hälfte der Sitze entfalle (§ 6 Absatz 7 BWG).

5. Gegen die Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht vorgebracht werden, sie verhindere bzw. erschwere
in übermäßiger Weise die Entstehung oder Etablierung neuer Parteien und schränke dadurch in unzulässiger
Weise die Chancengleichheit der Parteien ein. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Chancengleichheit
der Parteien verlange nicht, dass jeder Partei, die bei der Bundestagswahl Stimmen erhalte, Sitze im Bundes-
tag garantiert seien. Jede Partei habe rechtlich die gleiche Chance auf Teilnahme an der Sitzverteilung bei
Überwindung der Sperrklausel. Wenn eine Partei die für alle geltende Sperrklausel nicht überwinde, so sei
dies Resultat zu geringer Zustimmung in der Wählerschaft und gerade nicht ungleicher Chancen, denn die
unterschiedliche Gewichtung des Erfolgswerts von Wahlstimmen durch eine Sperrklausel treffe alle Parteien
gleichermaßen (vgl. BVerfGE 82, 322 [345]).

Dass die Fünf-Prozent-Sperrklausel die Entstehung und Etablierung neuer Parteien nicht verhindere oder
übermäßig erschwere, zeige der Einzug in die Parlamente auch neuer Parteien in den vergangenen Jahren bei
Bundestagswahlen und Landtagswahlen, bei denen nach Landesrecht ebenfalls Fünf-Prozent-Sperrklauseln
bestünden. Die Sperrklauseln trügen zu einem Mindestmaß an Konsolidierung neuer Parteien bei, indem sie
eine funktionierende Organisation und eine hinreichende Kampagnenfähigkeit der Partei erforderlich mach-
ten, um einen erfolgreichen Wahlkampf zu führen, der den Einzug ins Parlament ermögliche. Auch das Bun-
desverfassungsgericht sehe in ständiger Rechtsprechung in der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestags-
wahlen keinen verfassungswidrigen Eingriff in die Chancengleichheit der Parteien (siehe die Nachweise un-
ter 1.).

6. Die Fünf-Prozent-Sperrklausel habe nicht zur Folge, dass die Parteien, die die Sperrklausel überwunden
haben und deshalb an der Sitzverteilung teilnehmen, von den Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die an
der Sperrklausel gescheitert sind und somit nicht an der Sitzverteilung teilnehmen, profitierten und die Wäh-
ler bei der Stimmabgabe nicht erkennen könnten, welche Partei letztlich tatsächlich von ihrer Zweitstimme

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 119 – Drucksache 18/1810

profitiere. Von der Zweitstimme für eine Partei profitiere stets die Partei, für die die Stimme abgegeben wor-
den sei. Wenn eine Partei aufgrund eines zur Überwindung der Sperrklausel nicht ausreichenden Zuspruchs
in der Wählerschaft nicht an der Sitzverteilung teilnehme, würden die zu vergebenden Sitze auf die Parteien
verteilt, die die Sperrklausel überwunden haben. Diese Parteien profitierten bei dieser Verteilung von den für
sie abgegebenen Zweitstimmen, nicht von den Zweitstimmen für die an der Sperrklausel gescheiterten Partei-
en, die wegen Nichtteilnahme an der Sitzverteilung zu keinem Sitzerfolg führten.

7. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht entgegengehalten
werden, der Umstand, dass aufgrund der Sperrklausel eine hohe Zahl von Stimmen bei der Sitzverteilung
unberücksichtigt bleibe, befördere die Politikverdrossenheit der Wahlberechtigten. Unabhängig davon, ob
dies tatsächlich der Fall sei, habe sich der Gesetzgeber dazu entschieden, der Sicherung der Funktionsfähig-
keit des Parlaments Vorrang vor derartigen Erwägungen einzuräumen. Das Bundesverfassungsgericht erachte
dies in ständiger Rechtsprechung für verfassungsrechtlich zulässig (siehe die Nachweise unter 1.). Ein wegen
Zersplitterung in kleine und kleinste Fraktionen nicht mehrheits- und handlungsfähiges Parlament, das zur
Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nicht in der Lage sei, wäre zudem in weit höherem Maße geeignet, Politikverdrossenheit zu för-
dern.

8. Aufgrund der verfassungskonformen Ausgestaltung der Fünf-Prozent-Sperrklausel im geltenden Bundes-
wahlgesetz sei der Wahlgesetzgeber auch nicht zur Einführung einer Alternativstimme („Eventualstimme“,
„Ersatzstimme“ bzw. „Stimmweitergabe-Option“) verpflichtet. Ergänzend sei darauf verwiesen, dass im
Schrifttum gegen die Einführung einer solchen Alternativstimme verfassungsrechtliche Bedenken geltend
gemacht würden: Eine Alternativstimme sei mit dem Charakter der Stimmabgabe als einer vorbehaltlosen
und bedingungsfeindlichen Willenserklärung nicht zu vereinbaren und verstoße daher gegen den Grundsatz
der Unmittelbarkeit der Wahl im Sinne des Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 GG und gegen das Demokratieprinzip
nach Artikel 20 Absatz 1 GG (so Strelen, in: Schreiber, Bundeswahlgesetz, 9. Auflage 2013, § 6 Rn. 37 so-
wie Schreiber, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: 43. Lfg. April 2014, Art. 38
Rn. 40, 132). Überdies wäre die Gewährung einer Alternativstimme auch keine verfassungspolitisch ange-
zeigte Fortentwicklung des Wahlrechts. Sie würde das Stimmabgabeverfahren verkomplizieren, die Ermitt-
lung des Wahlergebnisses wesentlich erschweren und verzögern und den Wähler von einer eindeutigen poli-
tischen Entscheidung ohne Vorbehalt und Rückfallposition entpflichten (vgl. im Einzelnen hierzu Strelen, in:
Schreiber, § 6 Rn. 37).

9. Die Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Klausel sei schließlich auch nicht davon abhängig, dass Par-
teien, die jeweils mit einer eigenen Liste an der Bundestagswahl teilnehmen, ihre Landeslisten verbinden
dürften, um als Zählgemeinschaft die Sperrklausel zu überwinden. Derartige Listenverbindungen verschiede-
ner Parteien bei der Bundestagswahl seien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wegen
Verstoßes gegen den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit der Parteien verfas-
sungswidrig (BVerfGE 82, 322 [345 f.]). Eine derartige Listenverbindung würde allein dem Zweck dienen,
die verfassungslegitime Zielsetzung einer Fünf-Prozent-Sperrklausel, die Verhinderung einer Zersplitterung
des Parlaments, zu umgehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber – auch hinsichtlich des Hilfsantrages – unbegründet. Dem Vortrag des Ein-
spruchsführers lässt sich kein Verstoß gegen Wahlrechtsvorschriften und damit kein Wahlfehler entnehmen.

Der Einspruchsführer bestreitet nicht, dass das Verfahren zur Auszählung der Stimmen und zur Verteilung
der Sitze auf die Landeslisten der Parteien bei der Bundestagswahl 2013 den Vorgaben des Bundeswahlge-
setzes entsprach. Dieses regelt in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1,
dass bei der Verteilung der Sitze auf die Landeslisten nur Parteien berücksichtigt werden, die mindestens fünf
Prozent der im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten oder in mindestens drei Wahlkrei-
sen einen Sitz errungen haben. Soweit der Einspruchsführer geltend macht, die Sperrklausel verstoße gegen
den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit sowie eine Beobachtungspflicht des Gesetzgebers und sei daher
verfassungswidrig, ist darauf hinzuweisen, dass der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in
ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens die Verfassungsmäßigkeit der für die Wahl gel-
tenden Rechtsvorschriften nicht überprüfen. Eine derartige Kontrolle ist stets dem Bundesverfassungsgericht

Drucksache 18/1810 – 120 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

vorbehalten worden (vgl. etwa Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlagen 26 bis 28 mit weiteren Nachwei-
sen; 17/1000, Anlagen 5 und 11; 17/2200, Anlagen 1, 13 bis 15, 17 bis 20, 23 und 24; 17/3100, Anlagen 15,
19, 20, 22 bis 30, 32, 34 bis 36; 17/4600, Anlagen 10, 12, 13, 32, 38, 40 bis 43 mit weiteren Nachweisen;
17/6300, Anlage 19). Allerdings hat der Wahlprüfungsausschuss schon in zahlreichen Wahlprüfungsent-
scheidungen früherer Wahlperioden keinen Anlass für Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Regelung
gesehen (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen 15/1850, Anlagen 9 und 47; 16/900, Anlage 14), zumal das
Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit der Sperrklausel in ihrer Ausgestaltung durch das Bun-
deswahlgesetz in ständiger Rechtsprechung bestätigt hat (vgl. BVerfGE 1, 208 [247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84
[92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366]; 95, 408 [417 ff.]; 120, 82 [109 ff.]; 122, 304
[314 f.]; 129, 300 [335 f.], siehe auch Bundestagsdrucksache 16/900, Anlage 14). Es ist folglich verfassungs-
rechtlich nicht zu beanstanden, dass alle Parlamentssitze auf diejenigen Parteien verteilt werden, welche die
Fünf-Prozent-Hürde überwunden haben. Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
die Sperrklausel durch veränderte Verhältnisse infrage gestellt werden. Dies ist bezüglich der Bundestags-
wahl 2013 aber nicht der Fall, wie das Bundesministerium des Innern – auch unter Bezugnahme auf die Ur-
teile vom 9. November 2011 und 26. Februar 2014 – in seiner Stellungnahme zutreffend feststellt: Dass nach
dem amtlichen Endergebnis der Bundestagswahl 2013 insgesamt 15,7 Prozent der gültigen Zweitstimmen
nicht in die Mandatsverteilung eingeflossen sind, weil sie für insgesamt 25 Parteien abgegeben wurden, die
bundesweit weniger als fünf Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, ändert nichts an der vom Bundesver-
fassungsgericht festgestellten Verfassungskonformität der Fünf-Prozent-Hürde. Zwar war der Anteil der gül-
tigen, aber wegen der Sperrklausel nicht in die Sitzverteilung eingeflossenen Zweitstimmen bei der Bundes-
tagswahl 2013 höher als bei früheren Bundestagswahlen, da – anders als bei vorhergehenden Wahlen – zwei
Parteien jeweils fast fünf Prozent und zudem 23 weitere Parteien insgesamt 6,2 Prozent (für sich genommen
aber teilweise weniger als 0,1 Prozent) erreicht haben. Jedoch ist dieser Umstand nicht atypisch oder zuvor
unbekannt gewesen. Es ist zudem durchaus möglich, dass er bei kommenden Bundestagswahlen mit anderen
Wahlergebnissen nicht (mehr) auftritt. Der Einzug neuer Parteien in den Deutschen Bundestag wird, wie
Beispiele aus der Geschichte der Bundesrepublik zeigen, ohnehin nicht durch die Sperrklausel verhindert.
Außerdem ist die Fünf-Prozent-Hürde auf das jeweilige Ergebnis einer jeden Partei bezogen. Nur die konkre-
te Stimmenzahl jeder Partei kann der Ausgangspunkt der Sitzverteilung auf die Landeslisten sein (vgl. § 6
Absatz 1 BWG) – übrigens auch dann, wenn man gedanklich die Sperrklausel streicht oder eine niedrigere
Sperrklausel ansetzt –; erst im zweiten Schritt ist die Stimmenzahl einer jeden Partei in Relation zu den
Stimmenanteilen der anderen Parteien zu setzen (vgl. § 6 Absätze 2 bis 7 BWG). Die gedankliche Addition
von Zweitstimmenanteilen kann folglich für die Fünf-Prozent-Hürde keine Aussagekraft beanspruchen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 121 – Drucksache 18/1810

Anlage 18

Beschlussempfehlung

ZumWahleinspruch

1. des Herrn R. G., 91154 Roth,
2. des Herrn T. M., 72401 Haigerloch,
3. des Herrn H. E. O., 12105 Berlin,
4. des Herrn H. O., 32429 Minden,

5. des Herrn Dr. G. S., 16225 Eberswalde,
vertreten durch Herrn C. P., 53123 Bonn,

– Az.: WP 102/13 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag
am 22. September 2013

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 26. Juni 2014 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Die Einspruchsführer haben durch ein Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 26. Oktober 2013 Einspruch
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag am 22. September 2013 eingelegt.

Sie wenden sich gegen die Listenwahl, die Fünf-Prozent-Klausel und Ausgleichsmandate.

1. Die Verhältniswahl sei eine Parteienwahl. Sie verstoße gegen die Verfassungsvorgabe der Unmittelbarkeit
der Wahl. Parteien dürften nicht als „Sitzverteilerorgan“ zwischen Wähler und Mandat treten. Der Bürger
wisse nicht, welcher natürlichen Person von den vielen auf der Landesliste stehenden Kandidaten er seine
Stimme gebe. Die Annahme, die „Staatsgewaltübertragung“ eines Bürgers durch die Wahl einer Partei bzw.
Landesliste richte sich auf die auf der Liste aufgeführten Personen, sei aus den vorgenannten Gründen eine
irrationale und verfassungswidrige Fiktion. Zudem seien Parteien bzw. Landeslisten „selbst nach dem verfas-
sungswidrigen Wahlgesetz“ nicht wählbar, da § 15 Absatz 1 des Bundeswahlgesetzes (BWG) die Wählbar-
keit nur Deutschen zuspreche, die das 18. Lebensjahr vollendet haben.

2. Die Fünf-Prozent-Klausel verstoße gegen das Verfassungsgebot der Wahlgleichheit. Bei der angegriffenen
Bundestagswahl seien über 6,8 Millionen Stimmen, also 15,7 Prozent der abgegebenen Stimmen, nicht ge-
wertet worden. Der politische Gestaltungswille immerhin etwa jedes sechsten Wählers finde in dem neuen
Deutschen Bundestag keine Vertretung und kein Sprachrohr, das bei Debatten und Gesetzesberatungen ge-
hört würde. Es sei mit dem Grundgesetz nicht zu rechtfertigen, dass bei der Sitzverteilung willkürlich nur
Stimmen für die Parteien berücksichtigt würden, die einen vorher festgelegten Stimmenanteil erhielten. Die
Wählerstimmen für „Schwarz, Rot, Grün“ erlangten einen Bonus, den sich diese politischen Parteien vorher
mit dem Bundeswahlgesetz selbst zugesprochen hätten. Das sei ungerecht und verstoße auch gegen das Dis-
kriminierungsverbot, das Minderheiten schützen solle. Es wirke aber auch demokratiezerstörend, da ausge-
rechnet die Kleinparteien, die als einzige neue Gedanken und einen bislang nicht vertretenen Wählerwillen
zum Ausdruck bringen könnten, durch den reinen Machtspruch der Etablierten von der Gesetzgebung für das
Volk ausgeschlossen würden. Eine Absenkung der Fünf-Prozent-Klausel auf eine geringere Prozentzahl helfe
nicht. Es gebe keine Sperrklausel, die nicht verfassungswidrig sei.

3. Mit dem vollständigen Ausgleich aller Überhangmandate sei die Alleinherrschaft legitimationsloser, belie-
big austauschbarer „Parteifunktionäre“ ohne Persönlichkeit, Grundsätze und Kenntnisse zementiert. Zugleich
werde das einzig verfassungsgemäße Element der Bundestagswahl, die Direktwahl der Wahlkreisabgeordne-

Drucksache 18/1810 – 122 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

ten, in die Bedeutungslosigkeit „hinabreglementiert“. Die Direktmandatsinhaber könnten die über die Liste
gewählten Abgeordneten wegen deren großer Zahl nicht überstimmen.

Wegen der Einzelheiten des Vortrages der Einspruchsführer wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Das Bundesministerium des Innern hat zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-
Sperrklausel am 16. Juni 2014 wie folgt Stellung genommen:

1. Das Bundesverfassungsgericht erachte in ständiger Rechtsprechung bei Wahlen zum Deutschen Bundestag
die heute in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG vorgesehene, auf
das gesamte Wahlgebiet bezogene Fünf-Prozent-Sperrklausel für verfassungsgemäß (vgl. BVerfGE 1, 208
[247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366]; 95, 408 [417 ff.];
120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.]). Zuletzt habe das Gericht in seinem Urteil vom
9. Januar 2011 zur Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen entschieden, dass die Fünf-Prozent-
Sperrklausel bei der Wahl zum Deutschen Bundestag ihre Rechtfertigung im Wesentlichen darin finde, dass
die Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende
Unterstützung nötig sei und dieses Ziel durch die Zersplitterung des Parlaments in viele kleine Gruppen ge-
fährdet werde (BVerfGE 129, 300 [335 f.]). In der Entscheidung vom 26. Februar 2014 (2 BvE 2/13 u. a.) zur
Drei-Prozent-Sperrklausel im Europawahlrecht habe das Gericht erneut bestätigt, dass eine Sperrklausel ge-
rechtfertigt sein könne, wenn Verhältnisse wie auf nationaler Ebene gegeben sind, wo die Bildung einer
stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Unterstützung nötig
sei (ebd. Rn. 72).

Angesichts der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei der Wahlgesetzgeber verfas-
sungsrechtlich nicht daran gehindert, bei der Verteilung der zu vergebenden Sitze auf die Landeslisten bei der
Bundestagswahl grundsätzlich nur die Parteien zu berücksichtigen, die mindestens fünf Prozent der im Wahl-
gebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten haben (§ 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Ab-
satz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG). Es sei ihm mit anderen Worten von Verfassungs wegen unbenommen,
gültige Zweitstimmen, die auf Landeslisten von Parteien entfallen sind, die nicht die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben, zwar für die Ergebnisfeststellung als relevant zu werten (§ 42 BWG), nicht
aber für die Sitzverteilung. Der Wahlgesetzgeber dürfe also ohne Verstoß gegen Bundesverfassungsrecht alle
zu vergebenden Parlamentssitze auf die Landeslisten derjenigen Parteien verteilen, die die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben.

Im Interesse der Handlungsfähigkeit des Deutschen Bundestages habe der Wahlgesetzgeber bisher an der auf
das gesamte Wahlgebiet bezogenen Fünf-Prozent-Sperrklausel, die seit der Wahl zum 2. Deutschen Bundes-
tag 1953 gilt, festgehalten. Denn eine Wahl habe – wie das Bundesverfassungsgericht betone (vgl. BVerfGE
51, 222 [236]) – „nicht nur das Ziel, eine Volksvertretung zu schaffen, die ein Spiegelbild der in der Wähler-
schaft vorhandenen politischen Meinungen darstellt, sondern sie soll auch ein funktionsfähiges Organ her-
vorbringen.“ Hierfür seien „(k)lare und ihrer Verantwortung für das Gesamtwohl bewusste Mehrheiten in
einer Volksvertretung (…) für eine Bewältigung der ihr gestellten Aufgaben unentbehrlich“, die durch einen
unbegrenzten Proporz nicht gewährleistet sind.

2. Zwar könne nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die verfassungsrechtliche Rechtfer-
tigung einer die Wahlgleichheit berührenden Norm des Wahlrechts wie eine Sperrklauselregelung durch ver-
änderte Verhältnisse oder neue Entwicklungen – etwa durch eine Änderung der vom Gesetzgeber vorausge-
setzten tatsächlichen oder normativen Grundlagen oder wenn sich die beim Erlass der Norm hinsichtlich ihrer
Auswirkungen angestellte Prognose als irrig erwiesen habe – in Frage gestellt werden (BVerfGE 82, 322
[338 f.]; 120, 82 [108]; 129, 300 [321 f.]; Urteil vom 26. Februar 2014, Az. 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 56). Dies
sei im Hinblick auf die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen jedoch nicht der Fall.

Eine Änderung der normativen Grundlagen für die Beurteilung der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundes-
tagswahlen, die das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung als verfassungsgemäß angesehen
habe, sei nicht festzustellen. Insbesondere führten das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
9. November 2011 zur Verfassungswidrigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen (BVerfGE
129, 300) und sein Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Sperrklausel im
Europawahlgesetz (2 BvE 2/13 u. a.) nicht zu einer abweichenden Bewertung. Das Bundesverfassungsgericht
begründe die Verfassungswidrigkeit der Sperrklauseln bei Europawahlen in diesen Urteilen mit der besonde-
ren Stellung und Funktion des Europäischen Parlaments im Gefüge der Organe der Europäischen Union, wo

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 123 – Drucksache 18/1810

eine vergleichbare Interessenlage wie bei der Bundestagswahl nicht bestehe (BVerfGE 129, 300 [336]). Auch
in seinem Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Klausel im Europawahl-
gesetz halte das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich an der gefestigten Rechtsprechung zum verfassungs-
rechtlichen Maßstab für die Beurteilung wahlrechtlicher Sperrklauseln fest und lege – wie es mehrfach beto-
ne – seinem Urteil die gleichen Prüfungsmaßstäbe wie im Urteil vom 9. November 2011 zugrunde (Az. 2
BvE 2/13 u. a., Rn. 37, 45, 63). In beiden Urteilen weise das Gericht zudem darauf hin, dass bei der Bundes-
tagswahl – anders als bei der Europawahl – der Deutsche Bundestag im Falle einer eintretenden Funktionsbe-
einträchtigung aufgrund seiner veränderten strukturellen Zusammensetzung nicht mehr in der Lage wäre, die
gesetzlichen Regelungen zur Sicherung seiner Funktionsfähigkeit zu ändern, weil die erforderliche Mehrheit
nicht mehr zustande käme (BVerfGE 129, 300 [324]; Urteil vom 26. Februar 2014, 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 58).

3. Auch in tatsächlicher Hinsicht erfordere das Wahlergebnis der Bundestagswahl 2013, bei der zwei Parteien
mit einem Stimmenanteil von 4,8 Prozent bzw. 4,7 Prozent der Zweitstimmen vergleichsweise knapp an der
Fünf-Prozent-Klausel gescheitert seien, keine Neubewertung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der
Klausel. Der Gesetzgeber habe sich für die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen entschieden und
diese bis heute beibehalten, um in Konstellationen, in denen eine oder mehrere Parteien weniger als fünf
Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, die Funktionsfähigkeit des Bundestages sicherzustellen. Wenn eine
solche Konstellation bei einer Wahl – wie nun der Bundestagswahl 2013 – tatsächlich auftrete, liege gerade
nicht der Fall vor, dass sich eine Prognose des Gesetzgebers als irrig erwiesen habe oder dass eine Änderung
der vom Gesetzgeber vorausgesetzten tatsächlichen Verhältnisse eingetreten sei, sondern es habe sich ledig-
lich ein Szenario realisiert, das der Gesetzgeber mit seiner Regelung von vornherein habe erfassen wollen.
Auch das Bundesverfassungsgericht habe die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen in Kenntnis
des Umstands, dass an ihr nicht nur Parteien mit einem niedrigen Stimmenanteil zwischen null und zwei
Prozent der Zweitstimmen, sondern auch Parteien mit einem Stimmenanteil knapp unter fünf Prozent schei-
tern können, in ständiger Rechtsprechung als verfassungsmäßig angesehen (siehe die Nachweise unter 1.).

Die bei der Bundestagswahl 2013 aufgetretene hohe Gesamtzahl von abgegebenen gültigen Zweitstimmen
für Parteien, die die Fünf-Prozent-Sperrklausel nicht überwunden haben, sei kein Grund, das Vorliegen ver-
änderter Verhältnisse bzw. neuer Entwicklungen anzunehmen, die eine Neubewertung der verfassungsrecht-
lichen Zulässigkeit der Sperrklausel erforderten. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Sperrklausel sei
nicht von der Gesamtzahl der Stimmen für diejenigen Parteien abhängig, die die Sperrklausel bei einer ein-
zelnen Wahl nicht überwinden. Die Sperrklausel rechtfertige sich vielmehr durch den mit ihr verfolgten ver-
fassungsrechtlich legitimen Zweck, die Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages sicherzustellen (siehe
die Nachweise unter 1.). Sie erfülle ihren Zweck gerade dann, wenn viele an der Wahl teilnehmende Parteien
die Sperrklausel nicht überwinden, aber ohne Sperrklausel Sitze im Parlament erlangt hätten, da auf diese
Weise eine die stabile Mehrheitsbildung gefährdende Zersplitterung des Bundestages vermieden werde.

4. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel stehe nicht entgegen, dass eine
hohe Zahl von Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die aufgrund der Sperrklausel nicht an der Sitzvertei-
lung teilnehmen, eine absolute Mehrheit der Sitze für Parteien ermögliche, die bei der Wahl deutlich weniger
als der Hälfte der Stimmen erreicht haben. Das Erreichen einer Mehrheit der Sitze im Parlament sei immer
mit weniger als der Hälfte der gültigen Zweitstimmen möglich. Denn auch ohne Sperrklausel erhalte nicht
jede Partei, für die bei der Wahl gültige Stimmen abgegeben wurden, automatisch einen Sitz. Da für einen
Sitz auch ohne Sperrklausel stets eine bestimmte Zahl von Stimmen erforderlich sei, führten nicht alle Stim-
men zu einem Sitzerfolg und darum weniger als 50 Prozent der gültigen Zweitstimmen zu einer Mehrheit der
Sitze. Ein Verfassungsrechtssatz des Inhalts, dass einer Mehrheit der Mitglieder des Bundestages notwendi-
gerweise eine Mehrheit der Zweitstimmen in der Bundestagswahl entsprechen müsse, sei nicht feststellbar.
Wenn aber eine Partei in einer Wahl eine absolute Mehrheit der Zweitstimmen erhalte, sei gesichert, dass auf
sie mehr als die Hälfte der Sitze entfalle (§ 6 Absatz 7 BWG).

5. Gegen die Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht vorgebracht werden, sie verhindere bzw. erschwere
in übermäßiger Weise die Entstehung oder Etablierung neuer Parteien und schränke dadurch in unzulässiger
Weise die Chancengleichheit der Parteien ein. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Chancengleichheit
der Parteien verlange nicht, dass jeder Partei, die bei der Bundestagswahl Stimmen erhalte, Sitze im Bundes-
tag garantiert seien. Jede Partei habe rechtlich die gleiche Chance auf Teilnahme an der Sitzverteilung bei
Überwindung der Sperrklausel. Wenn eine Partei die für alle geltende Sperrklausel nicht überwinde, so sei
dies Resultat zu geringer Zustimmung in der Wählerschaft und gerade nicht ungleicher Chancen, denn die

Drucksache 18/1810 – 124 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

unterschiedliche Gewichtung des Erfolgswerts von Wahlstimmen durch eine Sperrklausel treffe alle Parteien
gleichermaßen (vgl. BVerfGE 82, 322 [345]).

Dass die Fünf-Prozent-Sperrklausel die Entstehung und Etablierung neuer Parteien nicht verhindere oder
übermäßig erschwere, zeige der Einzug in die Parlamente auch neuer Parteien in den vergangenen Jahren bei
Bundestagswahlen und Landtagswahlen, bei denen nach Landesrecht ebenfalls Fünf-Prozent-Sperrklauseln
bestünden. Die Sperrklauseln trügen zu einem Mindestmaß an Konsolidierung neuer Parteien bei, indem sie
eine funktionierende Organisation und eine hinreichende Kampagnenfähigkeit der Partei erforderlich mach-
ten, um einen erfolgreichen Wahlkampf zu führen, der den Einzug ins Parlament ermögliche. Auch das Bun-
desverfassungsgericht sehe in ständiger Rechtsprechung in der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestags-
wahlen keinen verfassungswidrigen Eingriff in die Chancengleichheit der Parteien (siehe die Nachweise un-
ter 1.).

6. Die Fünf-Prozent-Sperrklausel habe nicht zur Folge, dass die Parteien, die die Sperrklausel überwunden
haben und deshalb an der Sitzverteilung teilnehmen, von den Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die an
der Sperrklausel gescheitert sind und somit nicht an der Sitzverteilung teilnehmen, profitierten und die Wäh-
ler bei der Stimmabgabe nicht erkennen könnten, welche Partei letztlich tatsächlich von ihrer Zweitstimme
profitiere. Von der Zweitstimme für eine Partei profitiere stets die Partei, für die die Stimme abgegeben wor-
den sei. Wenn eine Partei aufgrund eines zur Überwindung der Sperrklausel nicht ausreichenden Zuspruchs
in der Wählerschaft nicht an der Sitzverteilung teilnehme, würden die zu vergebenden Sitze auf die Parteien
verteilt, die die Sperrklausel überwunden haben. Diese Parteien profitierten bei dieser Verteilung von den für
sie abgegebenen Zweitstimmen, nicht von den Zweitstimmen für die an der Sperrklausel gescheiterten Partei-
en, die wegen Nichtteilnahme an der Sitzverteilung zu keinem Sitzerfolg führten.

7. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht entgegengehalten
werden, der Umstand, dass aufgrund der Sperrklausel eine hohe Zahl von Stimmen bei der Sitzverteilung
unberücksichtigt bleibe, befördere die Politikverdrossenheit der Wahlberechtigten. Unabhängig davon, ob
dies tatsächlich der Fall sei, habe sich der Gesetzgeber dazu entschieden, der Sicherung der Funktionsfähig-
keit des Parlaments Vorrang vor derartigen Erwägungen einzuräumen. Das Bundesverfassungsgericht erachte
dies in ständiger Rechtsprechung für verfassungsrechtlich zulässig (siehe die Nachweise unter 1.). Ein wegen
Zersplitterung in kleine und kleinste Fraktionen nicht mehrheits- und handlungsfähiges Parlament, das zur
Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nicht in der Lage sei, wäre zudem in weit höherem Maße geeignet, Politikverdrossenheit zu för-
dern.

8. Aufgrund der verfassungskonformen Ausgestaltung der Fünf-Prozent-Sperrklausel im geltenden Bundes-
wahlgesetz sei der Wahlgesetzgeber auch nicht zur Einführung einer Alternativstimme („Eventualstimme“,
„Ersatzstimme“ bzw. „Stimmweitergabe-Option“) verpflichtet. Ergänzend sei darauf verwiesen, dass im
Schrifttum gegen die Einführung einer solchen Alternativstimme verfassungsrechtliche Bedenken geltend
gemacht würden: Eine Alternativstimme sei mit dem Charakter der Stimmabgabe als einer vorbehaltlosen
und bedingungsfeindlichen Willenserklärung nicht zu vereinbaren und verstoße daher gegen den Grundsatz
der Unmittelbarkeit der Wahl im Sinne des Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) und gegen
das Demokratieprinzip nach Artikel 20 Absatz 1 GG (so Strelen, in: Schreiber, Bundeswahlgesetz, 9. Auflage
2013, § 6 Rn. 37 sowie Schreiber, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: 43. Lfg.
April 2014, Art. 38 Rn. 40, 132). Überdies wäre die Gewährung einer Alternativstimme auch keine verfas-
sungspolitisch angezeigte Fortentwicklung des Wahlrechts. Sie würde das Stimmabgabeverfahren verkompli-
zieren, die Ermittlung des Wahlergebnisses wesentlich erschweren und verzögern und den Wähler von einer
eindeutigen politischen Entscheidung ohne Vorbehalt und Rückfallposition entpflichten (vgl. im Einzelnen
hierzu Strelen, in: Schreiber, § 6 Rn. 37).

9. Die Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Klausel sei schließlich auch nicht davon abhängig, dass Par-
teien, die jeweils mit einer eigenen Liste an der Bundestagswahl teilnehmen, ihre Landeslisten verbinden
dürften, um als Zählgemeinschaft die Sperrklausel zu überwinden. Derartige Listenverbindungen verschiede-
ner Parteien bei der Bundestagswahl seien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wegen
Verstoßes gegen den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit der Parteien verfas-
sungswidrig (BVerfGE 82, 322 [345 f.]). Eine derartige Listenverbindung würde allein dem Zweck dienen,
die verfassungslegitime Zielsetzung einer Fünf-Prozent-Sperrklausel, die Verhinderung einer Zersplitterung
des Parlaments, zu umgehen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 125 – Drucksache 18/1810

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet. Dem Vortrag der Einspruchsführer lässt sich kein Verstoß ge-
gen Wahlrechtsvorschriften und damit kein Wahlfehler entnehmen.

1. Soweit die Einspruchsführer kritisieren, dass die (in § 1 Absatz 1 Satz 2, § 4 und § 6 BWG vorgesehene)
Verhältniswahl eine Parteien- bzw. Listenwahl ist, und sie dies für verfassungswidrig halten, ist darauf hin-
zuweisen, dass der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in ständiger Praxis im Rahmen eines
Wahlprüfungsverfahrens die Verfassungsmäßigkeit der für die Wahl geltenden Rechtsvorschriften nicht
überprüfen. Eine derartige Kontrolle ist stets dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten worden (vgl. etwa
Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlagen 26 bis 28 mit weiteren Nachweisen; 17/1000, Anlagen 5 und 11;
17/2200, Anlagen 1, 13 bis 15, 17 bis 20, 23 und 24; 17/3100, Anlagen 15, 19, 20, 22 bis 30, 32, 34 bis 36;
17/4600, Anlagen 10, 12, 13, 32, 38, 40 bis 43 mit weiteren Nachweisen; 17/6300, Anlage 19). Unabhängig
davon sind die Bedenken der Einspruchsführer unbegründet. Davon abgesehen, dass Artikel 21 Absatz 1 GG
den Parteien eine Mitwirkung bei der politischen Willensbildung des Volkes zuschreibt – was offenbar auch
die Einspruchsführer nicht in Gänze ablehnen –, ist die Listenwahl verfassungsrechtlich zulässig. Dies gilt
nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und ebenso ständiger Spruchpraxis des Wahl-
prüfungsausschusses auch für die Wahl der Listenbewerber nach sog. starren Listen gemäß § 27 Absatz 3
BWG (vgl. vgl. BVerfGE 3, 45 [50 f.]; 7, 63 [67 ff.]; 21, 355 [355 f.]; 47, 253 [283]; 122, 304 [314]; Bundes-
tagsdrucksachen 15/1850, Anlagen 9, 16, 31 und 34; 17/3100, Anlage 34; 17/6300, Anlage 35). Diese Rege-
lung verstößt nicht gegen die in Artikel 38 Absatz 1 GG niedergelegten Wahlgrundsätze, namentlich nicht
gegen den Grundsatz der unmittelbaren oder der gleichen Wahl. Denn die Zurechnung der abgegebenen
Wählerstimmen auf die einzelnen Wahlvorschläge vollzieht sich von der Stimmabgabe an ohne Zwischen-
schaltung eines von dem der Wähler abweichenden Willens (vgl. Hahlen, in: Schreiber, § 27 Rn. 4). Auch
lässt sich dem Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit nicht entnehmen, dass einem Wähler, der eine Präferenz
für einen bestimmten Kandidaten hat, die Möglichkeit eröffnet werden müsste, die Zweitstimme (nur) für
diesen Listenbewerber abzugeben (Hahlen, in: Schreiber, § 27 Rn. 12). Dies ist sachgerecht, denn im Gegen-
satz zur Erststimmenwahl, bei der die Wahlkreisbewerber im Vordergrund der Wahlentscheidung stehen,
kommt es bei der Landeslistenwahl nach dem gesetzgeberischen Grundgedanken für den Wähler entschei-
dend auf die von ihm favorisierte – durch eine bestimmte Partei vertretene – politische Programmatik an, für
deren Repräsentation die auf der Liste nominierten Bewerber ein Wählermandat anstreben (vgl. Strelen, in:
Schreiber, § 4 Rn. 3).

Überdies sind die Vorstellung der Einspruchsführer zur Wahlteilnahme von Parteien unzutreffend. Naturge-
mäß können nur natürliche Personen Abgeordnete sein. Nur sie sind daher gemäß Artikel 38 Absatz 2 GG
und § 15 BWG wählbar. Nicht die Parteien, sondern die von ihnen vorgeschlagenen Kandidaten können ge-
wählt werden. Dies ergibt sich prinzipiell aus § 18 BWG. Während Landeslisten gemäß § 27 BWG nur von
Parteien eingereicht werden können, können Kreiswahlvorschläge (für das Direktmandat) gemäß § 20 Absatz
3 BWG auch von parteiunabhängigen Einzelbewerbern eingereicht werden, sofern sie 200 Unterstützungsun-
terschriften einreichen. Die hohe Bedeutung der Parteien für die Vorschläge ergibt sich aus Artikel 21 Absatz
1 Satz 1 GG, wonach die Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes mitwirken. Die Demokratie
des Grundgesetzes ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine Mehrparteiende-
mokratie (vgl. etwa BVerfGE 2, 1 [13]; 5, 85 [224]).

2. Die Einspruchsführer bestreiten nicht, dass das Verfahren zur Auszählung der Stimmen und zur Verteilung
der Sitze auf die Landeslisten der Parteien bei der Bundestagswahl 2013 den Vorgaben des Bundeswahlge-
setzes entsprach. Dieses regelt in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1,
dass bei der Verteilung der Sitze auf die Landeslisten nur Parteien berücksichtigt werden, die mindestens fünf
Prozent der im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten oder in mindestens drei Wahlkrei-
sen einen Sitz errungen haben. Soweit die Einspruchsführer geltend machen, die Sperrklausel verstoße gegen
den Grundsatz der Wahlgleichheit und sei daher verfassungswidrig, ist erneut darauf hinzuweisen, dass der
Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsver-
fahrens die Verfassungsmäßigkeit der für die Wahl geltenden Rechtsvorschriften nicht überprüfen und eine
derartige Kontrolle stets dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten wurde. Allerdings hat der Wahlprü-
fungsausschuss schon in zahlreichen Wahlprüfungsentscheidungen früherer Wahlperioden keinen Anlass für
Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Klausel gesehen (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen
15/1850, Anlagen 9 und 47; 16/900, Anlage 14), zumal das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmä-

Drucksache 18/1810 – 126 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

ßigkeit der Sperrklausel in ihrer Ausgestaltung durch das Bundeswahlgesetz in ständiger Rechtsprechung
bestätigt hat (vgl. BVerfGE 1, 208 [247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.];
95, 335 [366]; 95, 408 [417 ff.]; 120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.], siehe auch Bundes-
tagsdrucksache 16/900, Anlage 14). Es ist folglich verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass alle Par-
lamentssitze auf diejenigen Parteien verteilt werden, welche die Fünf-Prozent-Hürde überwunden haben.
Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Sperrklausel durch veränderte Ver-
hältnisse infrage gestellt werden. Dies ist bezüglich der Bundestagswahl 2013 aber nicht der Fall, wie das
Bundesministerium des Innern – auch unter Bezugnahme auf die Urteile vom 9. November 2011 und
26. Februar 2014 – in seiner Stellungnahme zutreffend feststellt: Dass nach dem amtlichen Endergebnis der
Bundestagswahl 2013 insgesamt 15,7 Prozent der gültigen Zweitstimmen nicht in die Mandatsverteilung
eingeflossen sind, weil sie für insgesamt 25 Parteien abgegeben wurden, die bundesweit weniger als fünf
Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, ändert nichts an der vom Bundesverfassungsgericht festgestellten
Verfassungskonformität der Fünf-Prozent-Hürde. Zwar war der Anteil der gültigen, aber wegen der Sperr-
klausel nicht in die Sitzverteilung eingeflossenen Zweitstimmen bei der Bundestagswahl 2013 höher als bei
früheren Bundestagswahlen, da – anders als bei vorhergehenden Wahlen – zwei Parteien jeweils fast fünf
Prozent und zudem 23 weitere Parteien insgesamt 6,2 Prozent (für sich genommen aber teilweise weniger als
0,1 Prozent) erreicht haben. Jedoch ist dieser Umstand nicht atypisch oder zuvor unbekannt gewesen. Es ist
zudem durchaus möglich, dass er bei kommenden Bundestagswahlen mit anderen Wahlergebnissen nicht
(mehr) auftritt. Der Einzug neuer Parteien in den Deutschen Bundestag wird, wie Beispiele aus der Geschich-
te der Bundesrepublik zeigen, ohnehin nicht durch die Sperrklausel verhindert. Außerdem ist die Fünf-
Prozent-Hürde auf das jeweilige Ergebnis einer jeden Partei bezogen. Nur die konkrete Stimmenzahl jeder
Partei kann der Ausgangspunkt der Sitzverteilung auf die Landeslisten sein (vgl. § 6 Absatz 1 BWG) – übri-
gens auch dann, wenn man gedanklich die Sperrklausel streicht oder eine niedrigere Sperrklausel ansetzt –;
erst im zweiten Schritt ist die Stimmenzahl einer jeden Partei in Relation zu den Stimmenanteilen der anderen
Parteien zu setzen (vgl. § 6 Absätze 2 bis 7 BWG). Die gedankliche Addition von Zweitstimmenanteilen
kann folglich für die Fünf-Prozent-Hürde keine Aussagekraft beanspruchen.

3. Soweit die Einspruchsführer den vollständigen Ausgleich von Überhangmandaten kritisieren, ist zunächst
festzuhalten, dass Überhangmandate im früheren Rechtssinne seit dem Inkrafttreten des 22. Gesetzes zur
Änderung des Bundeswahlgesetzes vom 3. Mai 2013 (Bundesgesetzblatt I S. 1082) nicht mehr existieren.
Stattdessen sind nach § 6 BWG n. F. nur noch Ausgleichsmandate möglich. Die Kritik der Einspruchsführer
an den Ausgleichsmandaten bleibt pauschal. Gleichwohl ist festzuhalten, dass die Normen – eingedenk des
oben erwähnten Prüfungsumfanges des Deutschen Bundestages – verfassungskonform sind. Sie entsprechen
dem Gestaltungsspielraum, den Artikel 38 Absatz 3 GG demWahlgesetzgeber einräumt.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 127 – Drucksache 18/1810

Anlage 19

Beschlussempfehlung

ZumWahleinspruch

des Herrn Dr. H. G., 40670 Meerbusch,

– Az.: WP 111/13 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag
am 22. September 2013

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 26. Juni 2014 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit einem Schreiben vom 30. Oktober 2013 Einspruch gegen die Gültigkeit der
Wahl zum 18. Deutschen Bundestag am 22. September 2013 eingelegt.

1. Er wendet sich gegen die in § 6 Absatz 3 Satz 1 Halbsatz 1 des Bundeswahlgesetzes (BWG) niedergelegte
Fünf-Prozent-Klausel. Diese verletze die Wahlrechtsgleichheit der Wähler und die Erfolgswertgleichheit der
Stimmen sowie die Chancengleichheit der Parteien und außerdem das Demokratieprinzip. Sie widerspreche
der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Wahlrecht, insbesondere den entsprechenden Aus-
führungen in den Entscheidungen vom 9. November 2011 und vom 25. Juli 2012. Sie sei verfassungswidrig
und nichtig. Dem 17. Deutschen Bundestag sei angesichts der Rechtsprechung zum Wahlrecht die Verfas-
sungswidrigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel bekannt gewesen. Gleichwohl habe er diese unverändert bei-
behalten.

Die vom Bundeswahlleiter gemäß dem amtlichen Endergebnis festgestellte Höhe von 6.859.439 gültigen, für
die Sitzverteilung wegen der Fünf-Prozent-Klausel jedoch erfolglosen Stimmen, die 15,69 Prozent der
43.726.856 gültigen Wählerstimmen ausmachten, verletzte in einem nicht hinnehmbaren Umfang den im
Grundgesetz bestimmten Charakter der Verhältniswahl. 99 von insgesamt 631 Abgeordneten könnten ihr
Mandat nicht aus Wählerstimmen für ihre Partei ableiten. Ihr Mandat sei ihnen zugesprochen worden durch
in Folge der Sperrklausel entstandene fiktive Wählerstimmen, die in Wahrheit gültig für kleinere Parteien
abgegeben worden seien. Der tatsächliche Wählerwillen werde durch die Fünf-Prozent-Klausel massiv ver-
fälscht. Jedem sechsten Abgeordneten fehle die demokratische Legitimation. Seit der ersten Bundestagswahl
am 14. August 1949 seien gültige, jedoch erfolglose Stimmen noch nie in einem solchen Umfang als fiktiv
wirksame Stimmen den erfolgreichen (über der Sperrklausel liegenden) Parteien zugeschlagen worden. Im
Durchschnitt der acht Bundestagswahlen von 1961 bis 1987 habe der Anteil der gültigen, aber erfolglosen
Stimmen bei 2,45 Prozent und Durchschnitt der fünf Bundestagswahlen von 1994 bis 2009 bei 4,49 Prozent
gelegen. Bei der Wahl am 22. September 2013 sei der Anteil auf 15,69 Prozent gestiegen, weshalb der Er-
folgswertfaktor der erfolgreichen Stimmen bei 1,186057 liege. Die Fünf-Prozent-Klausel bewirke entgegen
der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine Ungleichgewichtung der Wählerstimmen. Rund
15,69 Prozent der gültigen Stimmen hätten keinen Erfolgswert besessen. Fast jedem sechsten Wähler sei so
sein demokratisches Grundrecht genommen worden. Zugleich verletze die Fünf-Prozent-Klausel die Chan-
cengleichheit der Parteien, da vier Parteien (CDU/CSU, SPD, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen) die
Bundestagsmandate unter sich verteilten. Die Ansprüche der 25 weiteren bei der Wahl angetretenen Parteien
„gingen unter“. Unter einer Ein-Prozent-Sperrklausel hätten hingegen vier weitere Parteien (FDP, „Alternati-
ve für Deutschland“, „Piraten“ und NPD) einen Anspruch auf Zuteilung von Bundestagsmandaten erworben.
Die erfolglosen gültigen Stimmen wären auf 1.198.916 gefallen. Das „Bundestagsmandatszählgewicht“ der
in diesem Fall acht erfolgreichen Parteien wäre auf den Faktor 1,028191 gesunken und damit in der Größen-
ordnung der Bundestagswahlen von 1961 bis 1987 liegen. Die Mindestzahl an gültigen Stimmen für die Teil-
nahme am Sitzzuteilungsverfahren hätte bei 437.259 Stimmen gelegen. Parteien mit weniger als einem Pro-

Drucksache 18/1810 – 128 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

zent Anteil an den gültigen Stimmen ließen sich mit guten Gründen als Splitterparteien definieren und könn-
ten daher einer Sperrklausel unterfallen. Bislang werde, neben der Vermeidung von Sitzen für Splitterpartei-
en, die Funktionsfähigkeit des Parlaments herangezogen, um die Fünf-Prozent-Sperrklausel zu begründen.
Dieses Kriterium sei schwer nachprüfbar und durch den Gesetzgeber bis heute nicht definiert worden. Das
Bundesverfassungsgericht habe insoweit mit seiner Entscheidung vom 25. Juli 2012 abgeholfen, indem es
den Begriff der Funktionsfähigkeit eng an den in § 10 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages
definierten Begriff der Fraktionen angelehnt habe. Das Gericht habe bestimmt, dass höchstens 15 Bundes-
tagssitze als Beschränkung der Wahlgleichheit, der Erfolgswertgleichheit und der Chancengleichheit der
Parteien noch hingenommen werden könnten. Nichts anderes müsse für die Begrenzung der genannten
Grundrechte durch eine Sperrklausel gelten: Jede Sperrklausel sei grundgesetzwidrig, und nichtig, die eine
Partei am Einzug in den Deutschen Bundestag hindere, die beim Sitzzuteilungsverfahren 16 Bundestagsman-
date errungen hätte. Dies führe zu einer gerade noch zulässigen Sperrklausel von 2,5 Prozent.

2. Der Einspruchsführer beantragt, der Deutsche Bundestag möge unverzüglich eine grundgesetzkonforme
Sperrklausel von maximal 2,5 Prozent und zudem eine Vorschrift im Bundeswahlgesetz verankern, nach
welcher der Erfolgswert der erfolgreichen Parteien auf den Faktor 1,05 begrenzt wird. Der Faktor 1,0 bedeute
die strikte Erfolgswertgleichheit und jede Abweichung hiervon eine Erfolgswertungleichheit. Das zulässige
Maß der Abweichung liege bei maximal 5 Prozent der eigenen, tatsächlich erworbenen Wählerstimmen. Auf
diese Weise werde verhindert, dass sich die erfolgreichen in Bezug auf die mandatszuteilungsrelevante
Stimmenzahl auf Kosten der erfolglosen Parteien „bereicherten“. Die Funktionsfähigkeit des Parlaments
würde dadurch nicht beeinträchtigt und Splitterparteien wie bisher vermieden. Ein Erfolgswertfaktor von 1,05
sei nur bei den Bundestagswahlen 1961, 1969, 1990, 1998, 2009 und – in außergewöhnlichem Maße – 2013
überschritten worden.

3. Der Einspruchsführer beantragt gemäß § 19 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) eine angemessene Kos-
tenerstattung.

Wegen der Einzelheiten des Vortrages des Einspruchsführers wird auf den Inhalt der Akten Bezug genom-
men.

Das Bundesministerium des Innern hat zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-
Sperrklausel am 16. Juni 2014 wie folgt Stellung genommen:

1. Das Bundesverfassungsgericht erachte in ständiger Rechtsprechung bei Wahlen zum Deutschen Bundestag
die heute in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG vorgesehene, auf
das gesamte Wahlgebiet bezogene Fünf-Prozent-Sperrklausel für verfassungsgemäß (vgl. BVerfGE 1, 208
[247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366]; 95, 408 [417 ff.];
120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.]). Zuletzt habe das Gericht in seinem Urteil vom
9. Januar 2011 zur Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen entschieden, dass die Fünf-Prozent-
Sperrklausel bei der Wahl zum Deutschen Bundestag ihre Rechtfertigung im Wesentlichen darin finde, dass
die Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende
Unterstützung nötig sei und dieses Ziel durch die Zersplitterung des Parlaments in viele kleine Gruppen ge-
fährdet werde (BVerfGE 129, 300 [335 f.]). In der Entscheidung vom 26. Februar 2014 (2 BvE 2/13 u. a.) zur
Drei-Prozent-Sperrklausel im Europawahlrecht habe das Gericht erneut bestätigt, dass eine Sperrklausel ge-
rechtfertigt sein könne, wenn Verhältnisse wie auf nationaler Ebene gegeben sind, wo die Bildung einer
stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Unterstützung nötig
sei (ebd. Rn. 72).

Angesichts der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei der Wahlgesetzgeber verfas-
sungsrechtlich nicht daran gehindert, bei der Verteilung der zu vergebenden Sitze auf die Landeslisten bei der
Bundestagswahl grundsätzlich nur die Parteien zu berücksichtigen, die mindestens fünf Prozent der im Wahl-
gebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten haben (§ 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Ab-
satz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG). Es sei ihm mit anderen Worten von Verfassungs wegen unbenommen,
gültige Zweitstimmen, die auf Landeslisten von Parteien entfallen sind, die nicht die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben, zwar für die Ergebnisfeststellung als relevant zu werten (§ 42 BWG), nicht
aber für die Sitzverteilung. Der Wahlgesetzgeber dürfe also ohne Verstoß gegen Bundesverfassungsrecht alle
zu vergebenden Parlamentssitze auf die Landeslisten derjenigen Parteien verteilen, die die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 129 – Drucksache 18/1810

Im Interesse der Handlungsfähigkeit des Deutschen Bundestages habe der Wahlgesetzgeber bisher an der auf
das gesamte Wahlgebiet bezogenen Fünf-Prozent-Sperrklausel, die seit der Wahl zum 2. Deutschen Bundes-
tag 1953 gilt, festgehalten. Denn eine Wahl habe – wie das Bundesverfassungsgericht betone (vgl. BVerfGE
51, 222 [236]) – „nicht nur das Ziel, eine Volksvertretung zu schaffen, die ein Spiegelbild der in der Wähler-
schaft vorhandenen politischen Meinungen darstellt, sondern sie soll auch ein funktionsfähiges Organ her-
vorbringen.“ Hierfür seien „(k)lare und ihrer Verantwortung für das Gesamtwohl bewusste Mehrheiten in
einer Volksvertretung (…) für eine Bewältigung der ihr gestellten Aufgaben unentbehrlich“, die durch einen
unbegrenzten Proporz nicht gewährleistet sind.

2. Zwar könne nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die verfassungsrechtliche Rechtfer-
tigung einer die Wahlgleichheit berührenden Norm des Wahlrechts wie eine Sperrklauselregelung durch ver-
änderte Verhältnisse oder neue Entwicklungen – etwa durch eine Änderung der vom Gesetzgeber vorausge-
setzten tatsächlichen oder normativen Grundlagen oder wenn sich die beim Erlass der Norm hinsichtlich ihrer
Auswirkungen angestellte Prognose als irrig erwiesen habe – in Frage gestellt werden (BVerfGE 82, 322
[338 f.]; 120, 82 [108]; 129, 300 [321 f.]; Urteil vom 26. Februar 2014, Az. 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 56). Dies
sei im Hinblick auf die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen jedoch nicht der Fall.

Eine Änderung der normativen Grundlagen für die Beurteilung der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundes-
tagswahlen, die das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung als verfassungsgemäß angesehen
habe, sei nicht festzustellen. Insbesondere führten das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
9. November 2011 zur Verfassungswidrigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen (BVerfGE
129, 300) und sein Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Sperrklausel im
Europawahlgesetz (2 BvE 2/13 u. a.) nicht zu einer abweichenden Bewertung. Das Bundesverfassungsgericht
begründe die Verfassungswidrigkeit der Sperrklauseln bei Europawahlen in diesen Urteilen mit der besonde-
ren Stellung und Funktion des Europäischen Parlaments im Gefüge der Organe der Europäischen Union, wo
eine vergleichbare Interessenlage wie bei der Bundestagswahl nicht bestehe (BVerfGE 129, 300 [336]). Auch
in seinem Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Klausel im Europawahl-
gesetz halte das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich an der gefestigten Rechtsprechung zum verfassungs-
rechtlichen Maßstab für die Beurteilung wahlrechtlicher Sperrklauseln fest und lege – wie es mehrfach beto-
ne – seinem Urteil die gleichen Prüfungsmaßstäbe wie im Urteil vom 9. November 2011 zugrunde (Az. 2
BvE 2/13 u. a., Rn. 37, 45, 63). In beiden Urteilen weise das Gericht zudem darauf hin, dass bei der Bundes-
tagswahl – anders als bei der Europawahl – der Deutsche Bundestag im Falle einer eintretenden Funktionsbe-
einträchtigung aufgrund seiner veränderten strukturellen Zusammensetzung nicht mehr in der Lage wäre, die
gesetzlichen Regelungen zur Sicherung seiner Funktionsfähigkeit zu ändern, weil die erforderliche Mehrheit
nicht mehr zustande käme (BVerfGE 129, 300 [324]; Urteil vom 26. Februar 2014, 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 58).

3. Auch in tatsächlicher Hinsicht erfordere das Wahlergebnis der Bundestagswahl 2013, bei der zwei Parteien
mit einem Stimmenanteil von 4,8 Prozent bzw. 4,7 Prozent der Zweitstimmen vergleichsweise knapp an der
Fünf-Prozent-Klausel gescheitert seien, keine Neubewertung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der
Klausel. Der Gesetzgeber habe sich für die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen entschieden und
diese bis heute beibehalten, um in Konstellationen, in denen eine oder mehrere Parteien weniger als fünf
Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, die Funktionsfähigkeit des Bundestages sicherzustellen. Wenn eine
solche Konstellation bei einer Wahl – wie nun der Bundestagswahl 2013 – tatsächlich auftrete, liege gerade
nicht der Fall vor, dass sich eine Prognose des Gesetzgebers als irrig erwiesen habe oder dass eine Änderung
der vom Gesetzgeber vorausgesetzten tatsächlichen Verhältnisse eingetreten sei, sondern es habe sich ledig-
lich ein Szenario realisiert, das der Gesetzgeber mit seiner Regelung von vornherein habe erfassen wollen.
Auch das Bundesverfassungsgericht habe die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen in Kenntnis
des Umstands, dass an ihr nicht nur Parteien mit einem niedrigen Stimmenanteil zwischen null und zwei
Prozent der Zweitstimmen, sondern auch Parteien mit einem Stimmenanteil knapp unter fünf Prozent schei-
tern können, in ständiger Rechtsprechung als verfassungsmäßig angesehen (siehe die Nachweise unter 1.).

Die bei der Bundestagswahl 2013 aufgetretene hohe Gesamtzahl von abgegebenen gültigen Zweitstimmen
für Parteien, die die Fünf-Prozent-Sperrklausel nicht überwunden haben, sei kein Grund, das Vorliegen ver-
änderter Verhältnisse bzw. neuer Entwicklungen anzunehmen, die eine Neubewertung der verfassungsrecht-
lichen Zulässigkeit der Sperrklausel erforderten. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Sperrklausel sei
nicht von der Gesamtzahl der Stimmen für diejenigen Parteien abhängig, die die Sperrklausel bei einer ein-
zelnen Wahl nicht überwinden. Die Sperrklausel rechtfertige sich vielmehr durch den mit ihr verfolgten ver-
fassungsrechtlich legitimen Zweck, die Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages sicherzustellen (siehe

Drucksache 18/1810 – 130 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

die Nachweise unter 1.). Sie erfülle ihren Zweck gerade dann, wenn viele an der Wahl teilnehmende Parteien
die Sperrklausel nicht überwinden, aber ohne Sperrklausel Sitze im Parlament erlangt hätten, da auf diese
Weise eine die stabile Mehrheitsbildung gefährdende Zersplitterung des Bundestages vermieden werde.

4. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel stehe nicht entgegen, dass eine
hohe Zahl von Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die aufgrund der Sperrklausel nicht an der Sitzvertei-
lung teilnehmen, eine absolute Mehrheit der Sitze für Parteien ermögliche, die bei der Wahl deutlich weniger
als der Hälfte der Stimmen erreicht haben. Das Erreichen einer Mehrheit der Sitze im Parlament sei immer
mit weniger als der Hälfte der gültigen Zweitstimmen möglich. Denn auch ohne Sperrklausel erhalte nicht
jede Partei, für die bei der Wahl gültige Stimmen abgegeben wurden, automatisch einen Sitz. Da für einen
Sitz auch ohne Sperrklausel stets eine bestimmte Zahl von Stimmen erforderlich sei, führten nicht alle Stim-
men zu einem Sitzerfolg und darum weniger als 50 Prozent der gültigen Zweitstimmen zu einer Mehrheit der
Sitze. Ein Verfassungsrechtssatz des Inhalts, dass einer Mehrheit der Mitglieder des Bundestages notwendi-
gerweise eine Mehrheit der Zweitstimmen in der Bundestagswahl entsprechen müsse, sei nicht feststellbar.
Wenn aber eine Partei in einer Wahl eine absolute Mehrheit der Zweitstimmen erhalte, sei gesichert, dass auf
sie mehr als die Hälfte der Sitze entfalle (§ 6 Absatz 7 BWG).

5. Gegen die Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht vorgebracht werden, sie verhindere bzw. erschwere
in übermäßiger Weise die Entstehung oder Etablierung neuer Parteien und schränke dadurch in unzulässiger
Weise die Chancengleichheit der Parteien ein. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Chancengleichheit
der Parteien verlange nicht, dass jeder Partei, die bei der Bundestagswahl Stimmen erhalte, Sitze im Bundes-
tag garantiert seien. Jede Partei habe rechtlich die gleiche Chance auf Teilnahme an der Sitzverteilung bei
Überwindung der Sperrklausel. Wenn eine Partei die für alle geltende Sperrklausel nicht überwinde, so sei
dies Resultat zu geringer Zustimmung in der Wählerschaft und gerade nicht ungleicher Chancen, denn die
unterschiedliche Gewichtung des Erfolgswerts von Wahlstimmen durch eine Sperrklausel treffe alle Parteien
gleichermaßen (vgl. BVerfGE 82, 322 [345]).

Dass die Fünf-Prozent-Sperrklausel die Entstehung und Etablierung neuer Parteien nicht verhindere oder
übermäßig erschwere, zeige der Einzug in die Parlamente auch neuer Parteien in den vergangenen Jahren bei
Bundestagswahlen und Landtagswahlen, bei denen nach Landesrecht ebenfalls Fünf-Prozent-Sperrklauseln
bestünden. Die Sperrklauseln trügen zu einem Mindestmaß an Konsolidierung neuer Parteien bei, indem sie
eine funktionierende Organisation und eine hinreichende Kampagnenfähigkeit der Partei erforderlich mach-
ten, um einen erfolgreichen Wahlkampf zu führen, der den Einzug ins Parlament ermögliche. Auch das Bun-
desverfassungsgericht sehe in ständiger Rechtsprechung in der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestags-
wahlen keinen verfassungswidrigen Eingriff in die Chancengleichheit der Parteien (siehe die Nachweise un-
ter 1.).

6. Die Fünf-Prozent-Sperrklausel habe nicht zur Folge, dass die Parteien, die die Sperrklausel überwunden
haben und deshalb an der Sitzverteilung teilnehmen, von den Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die an
der Sperrklausel gescheitert sind und somit nicht an der Sitzverteilung teilnehmen, profitierten und die Wäh-
ler bei der Stimmabgabe nicht erkennen könnten, welche Partei letztlich tatsächlich von ihrer Zweitstimme
profitiere. Von der Zweitstimme für eine Partei profitiere stets die Partei, für die die Stimme abgegeben wor-
den sei. Wenn eine Partei aufgrund eines zur Überwindung der Sperrklausel nicht ausreichenden Zuspruchs
in der Wählerschaft nicht an der Sitzverteilung teilnehme, würden die zu vergebenden Sitze auf die Parteien
verteilt, die die Sperrklausel überwunden haben. Diese Parteien profitierten bei dieser Verteilung von den für
sie abgegebenen Zweitstimmen, nicht von den Zweitstimmen für die an der Sperrklausel gescheiterten Partei-
en, die wegen Nichtteilnahme an der Sitzverteilung zu keinem Sitzerfolg führten.

7. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht entgegengehalten
werden, der Umstand, dass aufgrund der Sperrklausel eine hohe Zahl von Stimmen bei der Sitzverteilung
unberücksichtigt bleibe, befördere die Politikverdrossenheit der Wahlberechtigten. Unabhängig davon, ob
dies tatsächlich der Fall sei, habe sich der Gesetzgeber dazu entschieden, der Sicherung der Funktionsfähig-
keit des Parlaments Vorrang vor derartigen Erwägungen einzuräumen. Das Bundesverfassungsgericht erachte
dies in ständiger Rechtsprechung für verfassungsrechtlich zulässig (siehe die Nachweise unter 1.). Ein wegen
Zersplitterung in kleine und kleinste Fraktionen nicht mehrheits- und handlungsfähiges Parlament, das zur
Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nicht in der Lage sei, wäre zudem in weit höherem Maße geeignet, Politikverdrossenheit zu för-
dern.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 131 – Drucksache 18/1810

8. Aufgrund der verfassungskonformen Ausgestaltung der Fünf-Prozent-Sperrklausel im geltenden Bundes-
wahlgesetz sei der Wahlgesetzgeber auch nicht zur Einführung einer Alternativstimme („Eventualstimme“,
„Ersatzstimme“ bzw. „Stimmweitergabe-Option“) verpflichtet. Ergänzend sei darauf verwiesen, dass im
Schrifttum gegen die Einführung einer solchen Alternativstimme verfassungsrechtliche Bedenken geltend
gemacht würden: Eine Alternativstimme sei mit dem Charakter der Stimmabgabe als einer vorbehaltlosen
und bedingungsfeindlichen Willenserklärung nicht zu vereinbaren und verstoße daher gegen den Grundsatz
der Unmittelbarkeit der Wahl im Sinne des Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) und gegen
das Demokratieprinzip nach Artikel 20 Absatz 1 GG (so Strelen, in: Schreiber, Bundeswahlgesetz, 9. Auflage
2013, § 6 Rn. 37 sowie Schreiber, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: 43. Lfg.
April 2014, Art. 38 Rn. 40, 132). Überdies wäre die Gewährung einer Alternativstimme auch keine verfas-
sungspolitisch angezeigte Fortentwicklung des Wahlrechts. Sie würde das Stimmabgabeverfahren verkompli-
zieren, die Ermittlung des Wahlergebnisses wesentlich erschweren und verzögern und den Wähler von einer
eindeutigen politischen Entscheidung ohne Vorbehalt und Rückfallposition entpflichten (vgl. im Einzelnen
hierzu Strelen, in: Schreiber, § 6 Rn. 37).

9. Die Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Klausel sei schließlich auch nicht davon abhängig, dass Par-
teien, die jeweils mit einer eigenen Liste an der Bundestagswahl teilnehmen, ihre Landeslisten verbinden
dürften, um als Zählgemeinschaft die Sperrklausel zu überwinden. Derartige Listenverbindungen verschiede-
ner Parteien bei der Bundestagswahl seien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wegen
Verstoßes gegen den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit der Parteien verfas-
sungswidrig (BVerfGE 82, 322 [345 f.]). Eine derartige Listenverbindung würde allein dem Zweck dienen,
die verfassungslegitime Zielsetzung einer Fünf-Prozent-Sperrklausel, die Verhinderung einer Zersplitterung
des Parlaments, zu umgehen.

Entscheidungsgründe

I.

Der Einspruch ist unzulässig, soweit der Einspruchsführer Rechtsänderungen begehrt. Denn ein Einspruch ist
gemäß § 1 Absatz 1 WPrüfG nur statthaft, wenn er die Gültigkeit der Wahlen zum Deutschen Bundestag und
die Verletzung von Rechten bei der Vorbereitung oder Durchführung der Wahl, soweit sie der Wahlprüfung
nach Artikel 41 des Grundgesetzes unterliegen, zum Gegenstand hat. Die für die Zukunft begehrten Rechts-
änderungen weisen keinen Bezug zur Gültigkeit der in der Vergangenheit liegenden Wahl zum 18. Deutschen
Bundestag oder einer möglichen Rechtsverletzung bei der Vorbereitung und Durchführung dieser Wahl auf.

II.

Soweit der Einspruch zulässig ist, ist er unbegründet. Dem Vortrag des Einspruchsführers lässt sich kein
Verstoß gegen Wahlrechtsvorschriften und damit kein Wahlfehler entnehmen.

Der Einspruchsführer bestreitet nicht, dass das Verfahren zur Auszählung der Stimmen und zur Verteilung
der Sitze auf die Landeslisten der Parteien bei der Bundestagswahl 2013 den Vorgaben des Bundeswahlge-
setzes entsprach. Dieses regelt in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1,
dass bei der Verteilung der Sitze auf die Landeslisten nur Parteien berücksichtigt werden, die mindestens fünf
Prozent der im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten oder in mindestens drei Wahlkrei-
sen einen Sitz errungen haben. Soweit der Einspruchsführer geltend macht, die Sperrklausel verstoße gegen
die Wahlrechtsgleichheit (und die Erfolgswertgleichheit der Stimmen) und die Chancengleichheit der Partei-
en sowie außerdem gegen das Demokratieprinzip und sie sei daher verfassungswidrig, ist darauf hinzuwei-
sen, dass der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in ständiger Praxis im Rahmen eines
Wahlprüfungsverfahrens die Verfassungsmäßigkeit der für die Wahl geltenden Rechtsvorschriften nicht
überprüfen. Eine derartige Kontrolle ist stets dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten worden (vgl. etwa
Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlagen 26 bis 28 mit weiteren Nachweisen; 17/1000, Anlagen 5 und 11;
17/2200, Anlagen 1, 13 bis 15, 17 bis 20, 23 und 24; 17/3100, Anlagen 15, 19, 20, 22 bis 30, 32, 34 bis 36;
17/4600, Anlagen 10, 12, 13, 32, 38, 40 bis 43 mit weiteren Nachweisen; 17/6300, Anlage 19). Allerdings hat
der Wahlprüfungsausschuss schon in zahlreichen Wahlprüfungsentscheidungen früherer Wahlperioden kei-
nen Anlass für Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Regelung gesehen (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksa-
chen 15/1850, Anlagen 9 und 47; 16/900, Anlage 14), zumal das Bundesverfassungsgericht die Verfas-
sungsmäßigkeit der Sperrklausel in ihrer Ausgestaltung durch das Bundeswahlgesetz in ständiger Recht-

Drucksache 18/1810 – 132 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

sprechung bestätigt hat (vgl. BVerfGE 1, 208 [247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322
[337 ff.]; 95, 335 [366]; 95, 408 [417 ff.]; 120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.], siehe auch
Bundestagsdrucksache 16/900, Anlage 14). Es ist folglich verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass
alle Parlamentssitze auf diejenigen Parteien verteilt werden, welche die Fünf-Prozent-Hürde überwunden
haben. Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Sperrklausel durch veränderte
Verhältnisse infrage gestellt werden. Dies ist bezüglich der Bundestagswahl 2013 aber nicht der Fall, wie das
Bundesministerium des Innern – auch unter Bezugnahme auf die Urteile vom 9. November 2011 und
26. Februar 2014 – in seiner Stellungnahme zutreffend feststellt: Dass nach dem amtlichen Endergebnis der
Bundestagswahl 2013 insgesamt 15,7 Prozent der gültigen Zweitstimmen nicht in die Mandatsverteilung
eingeflossen sind, weil sie für insgesamt 25 Parteien abgegeben wurden, die bundesweit weniger als fünf
Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, ändert nichts an der vom Bundesverfassungsgericht festgestellten
Verfassungskonformität der Fünf-Prozent-Hürde. Zwar war der Anteil der gültigen, aber wegen der Sperr-
klausel nicht in die Sitzverteilung eingeflossenen Zweitstimmen bei der Bundestagswahl 2013 höher als bei
früheren Bundestagswahlen, da – anders als bei vorhergehenden Wahlen – zwei Parteien jeweils fast fünf
Prozent und zudem 23 weitere Parteien insgesamt 6,2 Prozent (für sich genommen aber teilweise weniger als
0,1 Prozent) erreicht haben. Jedoch ist dieser Umstand nicht atypisch oder zuvor unbekannt gewesen. Es ist
zudem durchaus möglich, dass er bei kommenden Bundestagswahlen mit anderen Wahlergebnissen nicht
(mehr) auftritt. Der Einzug neuer Parteien in den Deutschen Bundestag wird, wie Beispiele aus der Geschich-
te der Bundesrepublik zeigen, ohnehin nicht durch die Sperrklausel verhindert. Außerdem ist die Fünf-
Prozent-Hürde auf das jeweilige Ergebnis einer jeden Partei bezogen. Nur die konkrete Stimmenzahl jeder
Partei kann der Ausgangspunkt der Sitzverteilung auf die Landeslisten sein (vgl. § 6 Absatz 1 BWG) – übri-
gens auch dann, wenn man gedanklich die Sperrklausel streicht oder eine niedrigere Sperrklausel ansetzt –;
erst im zweiten Schritt ist die Stimmenzahl einer jeden Partei in Relation zu den Stimmenanteilen der anderen
Parteien zu setzen (vgl. § 6 Absätze 2 bis 7 BWG). Die gedankliche Addition von Zweitstimmenanteilen
kann folglich für die Fünf-Prozent-Hürde keine Aussagekraft beanspruchen.

III.

Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 19 Absatz 1 Satz 2 WPrüfG für eine Auslagenerstattung liegen nicht
vor. Nach dieser Vorschrift können dem in nicht amtlicher Eigenschaft Einsprechenden notwendige Auslagen
erstattet werden, wenn dem Einspruch stattgegeben oder der Einspruch nur deshalb zurückgewiesen wurde,
weil der geltend gemachte Mangel keinen Einfluss auf das Wahlergebnis gehabt hat. Im vorliegenden Fall
wird der Einspruch zurückgewiesen und dies nicht etwa, weil ein Wahlfehler vorläge, der keinen Einfluss auf
das Wahlergebnis hatte. Vielmehr geht es allein um eine nicht durchgreifende Rüge des materiellen Wahl-
rechts.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 133 – Drucksache 18/1810

Anlage 20

Beschlussempfehlung

ZumWahleinspruch

des Herrn F. S., 40589 Düsseldorf,

– Az.: WP 113/13 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag
am 22. September 2013

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 26. Juni 2014 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit einem Schreiben vom 1. November 2013 Einspruch gegen die Gültigkeit der
Wahl zum 18. Deutschen Bundestag am 22. September 2013 eingelegt. Er hat seinen Vortrag mit einem
Schreiben vom 11. November 2013 ergänzt.

Der Einspruchsführer wendet sich gegen die Fünf-Prozent-Klausel. Diese habe den Einzug der Parteien FDP
und „Alternative für Deutschland“, die zusammen 4,1 Millionen Stimmen erhalten hätten, in den Deutschen
Bundestag verhindert. Um Splitterparteien auszuschließen, genüge bereits eine Zwei-Prozent-Klausel. Bei
der Sitzverteilung sei das Repräsentationsprinzip der Verhältniswahl, die Übereinstimmung von Stimmen-
und Mandatsanteil, völlig außer Acht gelassen worden. 85 Prozent Stimmen stünden 105 Prozent Sitze ge-
genüber. Das „Splittingverfahren“, das den Wählerwillen konterkariere, führe zu Überhangmandaten. Er
frage, warum nicht das für jedermann verständliche „Divisorverfahren“ angewandt werde.

Auf ein Schreiben des Ausschusssekretariats vom 6. November 2013 mit der Bitte, seinen Vortrag zu konkre-
tisieren, hat der Einspruchsführer mit einem Schreiben vom 11. November 2013 sein Vorbringen dahinge-
hend ergänzt, dass mit dem „Divisorverfahren“ die Grundrechenart „Teilen“ gemeint sei. Er hat daneben
unter anderem mehrere Rechenbeispiele unter Zugrundelegung einer Zwei-Prozent-Klausel übersandt.

Wegen der Einzelheiten des Vortrages des Einspruchsführers wird auf den Inhalt der Akten Bezug genom-
men.

Das Bundesministerium des Innern hat zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-
Sperrklausel am 16. Juni 2014 wie folgt Stellung genommen:

1. Das Bundesverfassungsgericht erachte in ständiger Rechtsprechung bei Wahlen zum Deutschen Bundestag
die heute in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1 des Bundeswahlgesetzes
(BWG) vorgesehene, auf das gesamte Wahlgebiet bezogene Fünf-Prozent-Sperrklausel für verfassungsgemäß
(vgl. BVerfGE 1, 208 [247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366];
95, 408 [417 ff.]; 120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.]). Zuletzt habe das Gericht in seinem
Urteil vom 9. Januar 2011 zur Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen entschieden, dass die Fünf-
Prozent-Sperrklausel bei der Wahl zum Deutschen Bundestag ihre Rechtfertigung im Wesentlichen darin
finde, dass die Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren
fortlaufende Unterstützung nötig sei und dieses Ziel durch die Zersplitterung des Parlaments in viele kleine
Gruppen gefährdet werde (BVerfGE 129, 300 [335 f.]). In der Entscheidung vom 26. Februar 2014 (2 BvE
2/13 u. a.) zur Drei-Prozent-Sperrklausel im Europawahlrecht habe das Gericht erneut bestätigt, dass eine
Sperrklausel gerechtfertigt sein könne, wenn Verhältnisse wie auf nationaler Ebene gegeben sind, wo die
Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nötig sei (ebd. Rn. 72).

Drucksache 18/1810 – 134 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Angesichts der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei der Wahlgesetzgeber verfas-
sungsrechtlich nicht daran gehindert, bei der Verteilung der zu vergebenden Sitze auf die Landeslisten bei der
Bundestagswahl grundsätzlich nur die Parteien zu berücksichtigen, die mindestens fünf Prozent der im Wahl-
gebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten haben (§ 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Ab-
satz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG). Es sei ihm mit anderen Worten von Verfassungs wegen unbenommen,
gültige Zweitstimmen, die auf Landeslisten von Parteien entfallen sind, die nicht die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben, zwar für die Ergebnisfeststellung als relevant zu werten (§ 42 BWG), nicht
aber für die Sitzverteilung. Der Wahlgesetzgeber dürfe also ohne Verstoß gegen Bundesverfassungsrecht alle
zu vergebenden Parlamentssitze auf die Landeslisten derjenigen Parteien verteilen, die die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben.

Im Interesse der Handlungsfähigkeit des Deutschen Bundestages habe der Wahlgesetzgeber bisher an der auf
das gesamte Wahlgebiet bezogenen Fünf-Prozent-Sperrklausel, die seit der Wahl zum 2. Deutschen Bundes-
tag 1953 gilt, festgehalten. Denn eine Wahl habe – wie das Bundesverfassungsgericht betone (vgl. BVerfGE
51, 222 [236]) – „nicht nur das Ziel, eine Volksvertretung zu schaffen, die ein Spiegelbild der in der Wähler-
schaft vorhandenen politischen Meinungen darstellt, sondern sie soll auch ein funktionsfähiges Organ her-
vorbringen.“ Hierfür seien „(k)lare und ihrer Verantwortung für das Gesamtwohl bewusste Mehrheiten in
einer Volksvertretung (…) für eine Bewältigung der ihr gestellten Aufgaben unentbehrlich“, die durch einen
unbegrenzten Proporz nicht gewährleistet sind.

2. Zwar könne nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die verfassungsrechtliche Rechtfer-
tigung einer die Wahlgleichheit berührenden Norm des Wahlrechts wie eine Sperrklauselregelung durch ver-
änderte Verhältnisse oder neue Entwicklungen – etwa durch eine Änderung der vom Gesetzgeber vorausge-
setzten tatsächlichen oder normativen Grundlagen oder wenn sich die beim Erlass der Norm hinsichtlich ihrer
Auswirkungen angestellte Prognose als irrig erwiesen habe – in Frage gestellt werden (BVerfGE 82, 322
[338 f.]; 120, 82 [108]; 129, 300 [321 f.]; Urteil vom 26. Februar 2014, Az. 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 56). Dies
sei im Hinblick auf die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen jedoch nicht der Fall.

Eine Änderung der normativen Grundlagen für die Beurteilung der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundes-
tagswahlen, die das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung als verfassungsgemäß angesehen
habe, sei nicht festzustellen. Insbesondere führten das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
9. November 2011 zur Verfassungswidrigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen (BVerfGE
129, 300) und sein Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Sperrklausel im
Europawahlgesetz (2 BvE 2/13 u. a.) nicht zu einer abweichenden Bewertung. Das Bundesverfassungsgericht
begründe die Verfassungswidrigkeit der Sperrklauseln bei Europawahlen in diesen Urteilen mit der besonde-
ren Stellung und Funktion des Europäischen Parlaments im Gefüge der Organe der Europäischen Union, wo
eine vergleichbare Interessenlage wie bei der Bundestagswahl nicht bestehe (BVerfGE 129, 300 [336]). Auch
in seinem Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Klausel im Europawahl-
gesetz halte das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich an der gefestigten Rechtsprechung zum verfassungs-
rechtlichen Maßstab für die Beurteilung wahlrechtlicher Sperrklauseln fest und lege – wie es mehrfach beto-
ne – seinem Urteil die gleichen Prüfungsmaßstäbe wie im Urteil vom 9. November 2011 zugrunde (Az. 2
BvE 2/13 u. a., Rn. 37, 45, 63). In beiden Urteilen weise das Gericht zudem darauf hin, dass bei der Bundes-
tagswahl – anders als bei der Europawahl – der Deutsche Bundestag im Falle einer eintretenden Funktionsbe-
einträchtigung aufgrund seiner veränderten strukturellen Zusammensetzung nicht mehr in der Lage wäre, die
gesetzlichen Regelungen zur Sicherung seiner Funktionsfähigkeit zu ändern, weil die erforderliche Mehrheit
nicht mehr zustande käme (BVerfGE 129, 300 [324]; Urteil vom 26. Februar 2014, 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 58).

3. Auch in tatsächlicher Hinsicht erfordere das Wahlergebnis der Bundestagswahl 2013, bei der zwei Parteien
mit einem Stimmenanteil von 4,8 Prozent bzw. 4,7 Prozent der Zweitstimmen vergleichsweise knapp an der
Fünf-Prozent-Klausel gescheitert seien, keine Neubewertung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der
Klausel. Der Gesetzgeber habe sich für die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen entschieden und
diese bis heute beibehalten, um in Konstellationen, in denen eine oder mehrere Parteien weniger als fünf
Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, die Funktionsfähigkeit des Bundestages sicherzustellen. Wenn eine
solche Konstellation bei einer Wahl – wie nun der Bundestagswahl 2013 – tatsächlich auftrete, liege gerade
nicht der Fall vor, dass sich eine Prognose des Gesetzgebers als irrig erwiesen habe oder dass eine Änderung
der vom Gesetzgeber vorausgesetzten tatsächlichen Verhältnisse eingetreten sei, sondern es habe sich ledig-
lich ein Szenario realisiert, das der Gesetzgeber mit seiner Regelung von vornherein habe erfassen wollen.
Auch das Bundesverfassungsgericht habe die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen in Kenntnis

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 135 – Drucksache 18/1810

des Umstands, dass an ihr nicht nur Parteien mit einem niedrigen Stimmenanteil zwischen null und zwei
Prozent der Zweitstimmen, sondern auch Parteien mit einem Stimmenanteil knapp unter fünf Prozent schei-
tern können, in ständiger Rechtsprechung als verfassungsmäßig angesehen (siehe die Nachweise unter 1.).

Die bei der Bundestagswahl 2013 aufgetretene hohe Gesamtzahl von abgegebenen gültigen Zweitstimmen
für Parteien, die die Fünf-Prozent-Sperrklausel nicht überwunden haben, sei kein Grund, das Vorliegen ver-
änderter Verhältnisse bzw. neuer Entwicklungen anzunehmen, die eine Neubewertung der verfassungsrecht-
lichen Zulässigkeit der Sperrklausel erforderten. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Sperrklausel sei
nicht von der Gesamtzahl der Stimmen für diejenigen Parteien abhängig, die die Sperrklausel bei einer ein-
zelnen Wahl nicht überwinden. Die Sperrklausel rechtfertige sich vielmehr durch den mit ihr verfolgten ver-
fassungsrechtlich legitimen Zweck, die Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages sicherzustellen (siehe
die Nachweise unter 1.). Sie erfülle ihren Zweck gerade dann, wenn viele an der Wahl teilnehmende Parteien
die Sperrklausel nicht überwinden, aber ohne Sperrklausel Sitze im Parlament erlangt hätten, da auf diese
Weise eine die stabile Mehrheitsbildung gefährdende Zersplitterung des Bundestages vermieden werde.

4. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel stehe nicht entgegen, dass eine
hohe Zahl von Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die aufgrund der Sperrklausel nicht an der Sitzvertei-
lung teilnehmen, eine absolute Mehrheit der Sitze für Parteien ermögliche, die bei der Wahl deutlich weniger
als der Hälfte der Stimmen erreicht haben. Das Erreichen einer Mehrheit der Sitze im Parlament sei immer
mit weniger als der Hälfte der gültigen Zweitstimmen möglich. Denn auch ohne Sperrklausel erhalte nicht
jede Partei, für die bei der Wahl gültige Stimmen abgegeben wurden, automatisch einen Sitz. Da für einen
Sitz auch ohne Sperrklausel stets eine bestimmte Zahl von Stimmen erforderlich sei, führten nicht alle Stim-
men zu einem Sitzerfolg und darum weniger als 50 Prozent der gültigen Zweitstimmen zu einer Mehrheit der
Sitze. Ein Verfassungsrechtssatz des Inhalts, dass einer Mehrheit der Mitglieder des Bundestages notwendi-
gerweise eine Mehrheit der Zweitstimmen in der Bundestagswahl entsprechen müsse, sei nicht feststellbar.
Wenn aber eine Partei in einer Wahl eine absolute Mehrheit der Zweitstimmen erhalte, sei gesichert, dass auf
sie mehr als die Hälfte der Sitze entfalle (§ 6 Absatz 7 BWG).

5. Gegen die Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht vorgebracht werden, sie verhindere bzw. erschwere
in übermäßiger Weise die Entstehung oder Etablierung neuer Parteien und schränke dadurch in unzulässiger
Weise die Chancengleichheit der Parteien ein. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Chancengleichheit
der Parteien verlange nicht, dass jeder Partei, die bei der Bundestagswahl Stimmen erhalte, Sitze im Bundes-
tag garantiert seien. Jede Partei habe rechtlich die gleiche Chance auf Teilnahme an der Sitzverteilung bei
Überwindung der Sperrklausel. Wenn eine Partei die für alle geltende Sperrklausel nicht überwinde, so sei
dies Resultat zu geringer Zustimmung in der Wählerschaft und gerade nicht ungleicher Chancen, denn die
unterschiedliche Gewichtung des Erfolgswerts von Wahlstimmen durch eine Sperrklausel treffe alle Parteien
gleichermaßen (vgl. BVerfGE 82, 322 [345]).

Dass die Fünf-Prozent-Sperrklausel die Entstehung und Etablierung neuer Parteien nicht verhindere oder
übermäßig erschwere, zeige der Einzug in die Parlamente auch neuer Parteien in den vergangenen Jahren bei
Bundestagswahlen und Landtagswahlen, bei denen nach Landesrecht ebenfalls Fünf-Prozent-Sperrklauseln
bestünden. Die Sperrklauseln trügen zu einem Mindestmaß an Konsolidierung neuer Parteien bei, indem sie
eine funktionierende Organisation und eine hinreichende Kampagnenfähigkeit der Partei erforderlich mach-
ten, um einen erfolgreichen Wahlkampf zu führen, der den Einzug ins Parlament ermögliche. Auch das Bun-
desverfassungsgericht sehe in ständiger Rechtsprechung in der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestags-
wahlen keinen verfassungswidrigen Eingriff in die Chancengleichheit der Parteien (siehe die Nachweise un-
ter 1.).

6. Die Fünf-Prozent-Sperrklausel habe nicht zur Folge, dass die Parteien, die die Sperrklausel überwunden
haben und deshalb an der Sitzverteilung teilnehmen, von den Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die an
der Sperrklausel gescheitert sind und somit nicht an der Sitzverteilung teilnehmen, profitierten und die Wäh-
ler bei der Stimmabgabe nicht erkennen könnten, welche Partei letztlich tatsächlich von ihrer Zweitstimme
profitiere. Von der Zweitstimme für eine Partei profitiere stets die Partei, für die die Stimme abgegeben wor-
den sei. Wenn eine Partei aufgrund eines zur Überwindung der Sperrklausel nicht ausreichenden Zuspruchs
in der Wählerschaft nicht an der Sitzverteilung teilnehme, würden die zu vergebenden Sitze auf die Parteien
verteilt, die die Sperrklausel überwunden haben. Diese Parteien profitierten bei dieser Verteilung von den für
sie abgegebenen Zweitstimmen, nicht von den Zweitstimmen für die an der Sperrklausel gescheiterten Partei-
en, die wegen Nichtteilnahme an der Sitzverteilung zu keinem Sitzerfolg führten.

Drucksache 18/1810 – 136 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

7. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht entgegengehalten
werden, der Umstand, dass aufgrund der Sperrklausel eine hohe Zahl von Stimmen bei der Sitzverteilung
unberücksichtigt bleibe, befördere die Politikverdrossenheit der Wahlberechtigten. Unabhängig davon, ob
dies tatsächlich der Fall sei, habe sich der Gesetzgeber dazu entschieden, der Sicherung der Funktionsfähig-
keit des Parlaments Vorrang vor derartigen Erwägungen einzuräumen. Das Bundesverfassungsgericht erachte
dies in ständiger Rechtsprechung für verfassungsrechtlich zulässig (siehe die Nachweise unter 1.). Ein wegen
Zersplitterung in kleine und kleinste Fraktionen nicht mehrheits- und handlungsfähiges Parlament, das zur
Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nicht in der Lage sei, wäre zudem in weit höherem Maße geeignet, Politikverdrossenheit zu för-
dern.

8. Aufgrund der verfassungskonformen Ausgestaltung der Fünf-Prozent-Sperrklausel im geltenden Bundes-
wahlgesetz sei der Wahlgesetzgeber auch nicht zur Einführung einer Alternativstimme („Eventualstimme“,
„Ersatzstimme“ bzw. „Stimmweitergabe-Option“) verpflichtet. Ergänzend sei darauf verwiesen, dass im
Schrifttum gegen die Einführung einer solchen Alternativstimme verfassungsrechtliche Bedenken geltend
gemacht würden: Eine Alternativstimme sei mit dem Charakter der Stimmabgabe als einer vorbehaltlosen
und bedingungsfeindlichen Willenserklärung nicht zu vereinbaren und verstoße daher gegen den Grundsatz
der Unmittelbarkeit der Wahl im Sinne des Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) und gegen
das Demokratieprinzip nach Artikel 20 Absatz 1 GG (so Strelen, in: Schreiber, Bundeswahlgesetz, 9. Auflage
2013, § 6 Rn. 37 sowie Schreiber, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: 43. Lfg.
April 2014, Art. 38 Rn. 40, 132). Überdies wäre die Gewährung einer Alternativstimme auch keine verfas-
sungspolitisch angezeigte Fortentwicklung des Wahlrechts. Sie würde das Stimmabgabeverfahren verkompli-
zieren, die Ermittlung des Wahlergebnisses wesentlich erschweren und verzögern und den Wähler von einer
eindeutigen politischen Entscheidung ohne Vorbehalt und Rückfallposition entpflichten (vgl. im Einzelnen
hierzu Strelen, in: Schreiber, § 6 Rn. 37).

9. Die Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Klausel sei schließlich auch nicht davon abhängig, dass Par-
teien, die jeweils mit einer eigenen Liste an der Bundestagswahl teilnehmen, ihre Landeslisten verbinden
dürften, um als Zählgemeinschaft die Sperrklausel zu überwinden. Derartige Listenverbindungen verschiede-
ner Parteien bei der Bundestagswahl seien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wegen
Verstoßes gegen den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit der Parteien verfas-
sungswidrig (BVerfGE 82, 322 [345 f.]). Eine derartige Listenverbindung würde allein dem Zweck dienen,
die verfassungslegitime Zielsetzung einer Fünf-Prozent-Sperrklausel, die Verhinderung einer Zersplitterung
des Parlaments, zu umgehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet. Dem Vortrag des Einspruchsführers lässt sich kein Verstoß
gegen Wahlrechtsvorschriften und damit kein Wahlfehler entnehmen.

1. Die Sitzverteilung war gesetzeskonform. Sie folgte dem im Bundeswahlgesetz (BWG) vorgesehenen Ver-
fahren, welches durch das 22. Gesetz zur Änderung des Bundeswahlgesetzes vom 3. Mai 2013 (Bundesge-
setzblatt I S. 1082) geändert worden ist und sich im Einzelnen wie folgt darstellt:

Der Deutsche Bundestag besteht gemäß § 1 Absatz 1 Satz 1 BWG vorbehaltlich der sich aus diesem Gesetz
ergebenden (und sogleich darzustellenden) Abweichungen aus 598 Abgeordneten. Gemäß § 1 Absatz 2 BWG
werden davon 299 nach Kreiswahlvorschlägen in den Wahlkreisen (sog. Direktmandate) und die übrigen
nach Landeswahlvorschlägen (Landeslisten) gewählt. Das Direktmandat in jedem Wahlkreis gewinnt jeweils
der Bewerber bzw. die Bewerberin mit den meisten gültigen Erststimmen (vgl. § 5 BWG). Die Zahl der Lis-
tenmandate pro Partei (oberhalb der Fünf-Prozent-Hürde des § 6 Absatz 3 BWG) werden gemäß § 6 BWG in
vier Schritten ermittelt (vgl. die Erläuterungen des Bundeswahlleiters, www.bundeswahlleiter.de/de/ aktuel-
le_mitteilungen/downloads/20131009_Erl_Sitzzuteilung.pdf).

Im ersten Schritt wird ermittelt, wie viele Sitze einem Bundesland zustehen, wobei die deutsche Bevölkerung
des Bundeslandes maßgebend ist. Hierfür verwendet man das Verfahren nach Sainte-Laguë/Schepers. Man
teilt die Anzahl der Deutschen durch einen geeigneten Wert (sog. Divisor), so dass in der Summe die Sitz-
kontingente der Bundesländer genau 598 Sitze ergeben.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 137 – Drucksache 18/1810

Im zweiten Schritt ist zu errechnen, wie sich das Sitzkontingent eines Bundeslandes auf die zu berücksichti-
genden Parteien verteilt, die in diesem Bundesland mit einer Landesliste angetreten sind. Ausschlaggebend
sind die Zweitstimmen der Landeslisten. In der Summe müssen genau so viele Sitze verteilt werden, wie dem
Bundesland zustehen. Um die Anzahl der Sitze einer Landesliste zu ermitteln, teilt man die Zweitstimmen
dieser Landesliste durch einen geeigneten Divisor. Dieser Divisor wird auch hier nach dem Verfahren von
Sainte-Laguë/Schepers ermittelt und – gesondert für jedes Bundesland – so bestimmt, dass sich in Summe
über alle Landeslisten genau das im ersten Schritt ermittelte Sitzkontingent ergibt.

Für jede Partei wird (in einem gedanklichen Zwischenschritt) die bundesweite Mindestsitzzahl ermittelt, d. h.
am Ende des Sitzzuteilungsverfahrens darf eine Partei bundesweit nicht weniger Sitze erhalten als ihr die
Mindestsitzzahl garantiert. Für die Bestimmung der Mindestsitzzahl wird für jede Landesliste einer Partei das
Maximum aus den im zweiten Schritt ermittelten Sitzen nach Zweitstimmen und den gewonnenen Wahl-
kreissitzen festgestellt; das heißt der jeweils größere der beiden Werte wird berücksichtigt. Die so ermittelten
Sitze pro Land werden summiert und ergeben die garantierte Mindestsitzzahl der jeweiligen Partei auf Bun-
desebene.

Im dritten Schritt ist zu ermitteln, wie viele Sitze der Deutsche Bundestag insgesamt haben müsste, damit alle
Parteien auch die für sie ermittelte Mindestsitzzahl erhalten, und wie viele Sitze dann auf jede Partei entfal-
len. Ausschlaggebend ist das Verhältnis der Zweitstimmen der Parteien. Jede Partei soll pro Sitz in etwa die
gleiche Anzahl Stimmen benötigen. Zunächst muss in der Regel die Bundestagsgröße erhöht werden, damit
jede Partei bei der Verteilung der Sitze nach dem Verfahren Sainte-Laguë/Schepers ihre garantierte Mindest-
sitzzahl erhält. Erhöht wird so lange bis jede Partei genau ihre garantierte Mindestsitzzahl erhält. Gleichzeitig
werden die Sitze im Verhältnis der bundesweit errungenen Zweitstimmen der Parteien verteilt.

Im vierten Schritt wird errechnet, wie viele Sitze einer Partei auf ihre Landeslisten entfallen. Ausschlagge-
bend ist die Anzahl der Zweitstimmen. Aber es dürfen nicht weniger Sitze auf die jeweilige Landesliste ent-
fallen, als die Partei Wahlkreise gewonnen hat. Nachdem für jede Partei die ihr bundesweit zustehende An-
zahl Sitze bekannt ist, werden diese auf die jeweiligen Landeslisten verteilt. Dies erfolgt abermals durch Tei-
lung der Zweitstimmen durch einen geeigneten Divisor. Für jede Partei wird ein eigener Divisor ermittelt.
Man könnte den Divisor analog zu den in den vier Schritten durchgeführten Berechnungen so bestimmen,
dass sich in der Summe genau die geforderte Sitzzahl einer Partei ergibt. Jedoch ist zusätzlich die Bedingung
einzuhalten, dass am Ende des Sitzzuteilungsverfahrens jede Landesliste mindestens so viele Sitze erhält, wie
sie Wahlkreise gewonnen hat. Das heißt der Divisor ist so zu bestimmen, dass auch bei Einhaltung dieser
Bedingung sich in Summe genau die geforderte Sitzzahl einer Partei ergibt. Diese Bedingung führt dazu, dass
die Anzahl der Zweitstimmen, die pro Sitz benötigt werden, sich zwischen den Landeslisten einer Partei stär-
ker unterscheiden können als dies ohne Einhaltung dieser Bedingung der Fall wäre.

2. Die Kritik des Einspruchsführers, bei der Sitzverteilung sei das Repräsentationsprinzip der Verhältniswahl,
d. h. die Übereinstimmung von Stimmen- und Mandatsanteil außer Acht gelassen worden, trifft nicht zu.

a) Der Anlass für die Neuregelung der Sitzverteilung durch das eingangs erwähnte 22. Gesetz zur Änderung
des Bundeswahlgesetzes war das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 25. Juli 2012 (BVerfGE 131,
316). Nach Ansicht des Gerichts verstieß § 6 Absatz 5 BWG in seiner damaligen Fassung insoweit gegen die
Grundsätze der Wahlrechtsgleichheit und Chancengleichheit der Parteien, als er das ausgleichslose Anfallen
von Überhangmandaten in einem Umfang zulasse, der den Charakter der Bundestagswahl als Verhältniswahl
aufheben könne. Dies sei der Fall, wenn die Zahl der Überhangmandate etwa die Hälfte der für die Bildung
einer Fraktion erforderlichen Zahl von Abgeordneten überschreite (BVerfGE 131, 316 [357]), also ungefähr
15 Mandate beträgt (vgl. BVerfGE 131, 316 [369 f.]). Zwar hielt das Gericht an der Rechtsprechung fest,
wonach die mit der ausgleichslosen Zuteilung von Überhangmandaten verbundene Differenzierung des Er-
folgswerts der Wählerstimmen in begrenztem Umfang durch das besondere Anliegen einer mit der Perso-
nenwahl verbundenen Verhältniswahl gerechtfertigt werden könne, dem Wähler die Möglichkeit zu geben,
im Rahmen der Verhältniswahl Persönlichkeiten zu wählen, die eine enge persönliche Bindung zu ihrem
Wahlkreis haben (BVerfGE 131, 316 [363, 365]; mit Verweis auf BVerfGE 7, 63 [74 f.]; 16, 130 [140]; 95,
335 [360 f.]). Das dürfe aber nicht dazu führen, dass der Grundcharakter der Wahl als einer am Ergebnis der
für die Parteien abgegebenen Stimmen orientierten Verhältniswahl aufgehoben werde (BVerfGE 131, 316
[367]; mit Verweis auf BVerfGE 95, 335 [361, 365 f.]). Überhangmandate seien nur in eng begrenztem Um-
fang mit dem Charakter der Wahl als Verhältniswahl vereinbar. Fielen sie regelmäßig und in größerer Zahl
an, widerspreche dies der Grundentscheidung des Gesetzgebers (BVerfGE 131, 316 [368], unter Hinweis auf

Drucksache 18/1810 – 138 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

BVerfGE 95, 335 [365 f.]). Seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 10. April 1997
(BVerfGE 95, 335) hätten sich Verhältnisse eingestellt, unter denen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit
davon auszugehen sei, dass Überhangmandate regelmäßig in größerer Zahl anfielen, so dass das Wahlrecht
zur Wahrung der Wahlrechtsgleichheit um Vorkehrungen gegen ein den Grundcharakter der Wahl als Ver-
hältniswahl verfälschendes Überhandnehmen ausgleichsloser Überhangmandate ergänzt werden müsse. Da-
raus folge nunmehr eine Handlungspflicht des Gesetzgebers (BVerfGE 131, 316 [370, 372]). Der Gesetzge-
ber habe im Hinblick auf die genannten Umstände von Verfassungs wegen Vorkehrungen zur Wahrung der
Wahlrechts- und der Chancengleichheit in Bezug auf den Anfall von Überhangmandaten zu treffen (BVerf-
GE 131, 316 [372]).

b) Dieser Handlungspflicht ist der Gesetzgeber mit dem 22. Gesetz zur Änderung des Bundeswahlgesetzes
und der damit verbundenen Neuregelung des Sitzzuteilungsverfahrens (§ 6 BWG in seiner jetzigen Fassung)
in verfassungskonformer Weise nachgekommen. Die Erhöhung der Sitzzahl bis zur Anrechenbarkeit aller
Überhangmandate sorgt dafür, dass die Verteilung der Mandate auf die Parteien vollständig der Summe der
Wählerstimmen entspricht und nicht erwartungswidrig im Sinne der Entscheidung des Bundesverfassungsge-
richts vom 25. Juli 2012 mit der auf diese oder eine konkurrierende Partei entfallenden Stimmenzahl korre-
liert (so der Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen, Bundestags-
drucksache 17/11819, S. 6). Durch die Vergabe zusätzlicher (Ausgleichs-)Mandate erhalten zwar auch andere
Parteien mehr Sitze, wenn Wahlbewerber einer Partei mehr Stimmen und infolgedessen mehr Wahlkreis-
mandate erzielen, die in der ersten Stufe der Sitzverteilung nicht anrechenbar sind und darum zu einer Sitz-
zahlerhöhung nach § 6 Absatz 5 BWG (derzeitige Fassung) führen. Die Vergabe weiterer Sitze auch an ande-
re Parteien entsprechend dem Zweitstimmenergebnis der Verhältniswahl nach einer Sitzzahlvergrößerung
zum Verhältnisausgleich stellt aber keine für den Wähler nicht erkennbare Auswirkung seiner Stimmabgabe
auf den Erfolg oder Misserfolg der Wahlbewerber im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsge-
richts dar. Denn der vom Wähler gewählte Wahlkreisbewerber zieht aufgrund seiner direkten Wahl nach § 5
BWG in den Bundestag ein. Der Einzug weiterer Abgeordneter anderer Parteien bei der Sitzverteilung nach §
6 Absatz 6 BWG (derzeitige Fassung) entspricht dem Ergebnis der Verhältniswahl nach Zweitstimmen. Das
Bundesverfassungsgericht hat im erwähnten Urteil vom 25. Juli 2012 ausdrücklich festgestellt, dass der we-
gen eines unvollständig durchgeführten Verhältnisausgleichs gestörte Proporz durch die Zuteilung von Aus-
gleichsmandaten wiederhergestellt werden kann (BVerfGE 131, 316 [366]; Bundestagsdrucksache 17/11819,
S. 6). Die Mandate werden entsprechend dem Zweitstimmenanteil der Parteien, die die Fünf-Prozent-Hürde
überwunden haben, verteilt. Ein unter Umständen durch ausgleichslose Überhangmandate bedingtes Un-
gleichgewicht der Zweitstimmen wird so vermieden.

3. Die Fünf-Prozent-Klausel ist geltendes Recht (vgl. § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3
Satz 1 Alternative 1 BWG). Ob der Einspruchsführer die Klausel für verfassungswidrig hält, wird aus seinem
Vortrag nicht hinreichend deutlich. Ohnehin überprüfen der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bun-
destag in ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens die Verfassungsmäßigkeit der für die
Wahl geltenden Rechtsvorschriften nicht. Eine derartige Kontrolle ist stets dem Bundesverfassungsgericht
vorbehalten worden (vgl. etwa Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlagen 26 bis 28 mit weiteren Nachwei-
sen; 17/1000, Anlagen 5 und 11; 17/2200, Anlagen 1, 13 bis 15, 17 bis 20, 23 und 24; 17/3100, Anlagen 15,
19, 20, 22 bis 30, 32, 34 bis 36; 17/4600, Anlagen 10, 12, 13, 32, 38, 40 bis 43 mit weiteren Nachweisen;
17/6300, Anlage 19). Allerdings hat der Wahlprüfungsausschuss schon in zahlreichen Wahlprüfungsent-
scheidungen früherer Wahlperioden keinen Anlass für Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Regelung
gesehen (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen 15/1850, Anlagen 9 und 47; 16/900, Anlage 14), zumal das
Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit der Sperrklausel in ihrer Ausgestaltung durch das Bun-
deswahlgesetz in ständiger Rechtsprechung bestätigt hat (vgl. BVerfGE 1, 208 [247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84
[92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366]; 95, 408 [417 ff.]; 120, 82 [109 ff.]; 122, 304
[314 f.]; 129, 300 [335 f.], siehe auch Bundestagsdrucksache 16/900, Anlage 14). Es ist folglich verfassungs-
rechtlich nicht zu beanstanden, dass alle Parlamentssitze auf diejenigen Parteien verteilt werden, welche die
Fünf-Prozent-Hürde überwunden haben. Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
die Sperrklausel durch veränderte Verhältnisse infrage gestellt werden. Dies ist bezüglich der Bundestags-
wahl 2013 aber nicht der Fall, wie das Bundesministerium des Innern – auch unter Bezugnahme auf die Ur-
teile vom 9. November 2011 und 26. Februar 2014 – in seiner Stellungnahme zutreffend feststellt: Dass nach
dem amtlichen Endergebnis der Bundestagswahl 2013 insgesamt 15,7 Prozent der gültigen Zweitstimmen
nicht in die Mandatsverteilung eingeflossen sind, weil sie für insgesamt 25 Parteien abgegeben wurden, die
bundesweit weniger als fünf Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, ändert nichts an der vom Bundesver-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 139 – Drucksache 18/1810

fassungsgericht festgestellten Verfassungskonformität der Fünf-Prozent-Hürde. Zwar war der Anteil der gül-
tigen, aber wegen der Sperrklausel nicht in die Sitzverteilung eingeflossenen Zweitstimmen bei der Bundes-
tagswahl 2013 höher als bei früheren Bundestagswahlen, da – anders als bei vorhergehenden Wahlen – zwei
Parteien jeweils fast fünf Prozent und zudem 23 weitere Parteien insgesamt 6,2 Prozent (für sich genommen
aber teilweise weniger als 0,1 Prozent) erreicht haben. Jedoch ist dieser Umstand nicht atypisch oder zuvor
unbekannt gewesen. Es ist zudem durchaus möglich, dass er bei kommenden Bundestagswahlen mit anderen
Wahlergebnissen nicht (mehr) auftritt. Der Einzug neuer Parteien in den Deutschen Bundestag wird, wie
Beispiele aus der Geschichte der Bundesrepublik zeigen, ohnehin nicht durch die Sperrklausel verhindert.
Außerdem ist die Fünf-Prozent-Hürde auf das jeweilige Ergebnis einer jeden Partei bezogen. Nur die konkre-
te Stimmenzahl jeder Partei kann der Ausgangspunkt der Sitzverteilung auf die Landeslisten sein (vgl. § 6
Absatz 1 BWG) – übrigens auch dann, wenn man gedanklich die Sperrklausel streicht oder eine niedrigere
Sperrklausel ansetzt –; erst im zweiten Schritt ist die Stimmenzahl einer jeden Partei in Relation zu den
Stimmenanteilen der anderen Parteien zu setzen (vgl. § 6 Absätze 2 bis 7 BWG). Die gedankliche Addition
von Zweitstimmenanteilen kann folglich für die Fünf-Prozent-Hürde keine Aussagekraft beanspruchen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 141 – Drucksache 18/1810

Anlage 21

Beschlussempfehlung

ZumWahleinspruch

des Herrn P. S., 16230 Britz,

– Az.: WP 121/13 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag
am 22. September 2013

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 26. Juni 2014 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit einem Schreiben vom 1. November 2013 Einspruch gegen die Gültigkeit der
Wahl zum 18. Deutschen Bundestag am 22. September 2013 eingelegt.

Er wendet sich gegen die Listenwahl, die Fünf-Prozent-Klausel und Ausgleichsmandate.

1. Die Verhältniswahl sei eine Parteienwahl. Sie verstoße gegen die Verfassungsvorgabe der Unmittelbarkeit
der Wahl. Parteien dürften nicht als „Sitzverteilerorgan“ zwischen Wähler und Mandat treten. Der Bürger
wisse nicht, welcher natürlichen Person von den vielen auf der Landesliste stehenden Kandidaten er seine
Stimme gebe. Die Annahme, die „Staatsgewaltübertragung“ eines Bürgers durch die Wahl einer Partei bzw.
Landesliste richte sich auf die auf der Liste aufgeführten Personen, sei aus den vorgenannten Gründen eine
irrationale und verfassungswidrige Fiktion. Zudem seien Parteien bzw. Landeslisten „selbst nach dem verfas-
sungswidrigen Wahlgesetz“ nicht wählbar, da § 15 Absatz 1 des Bundeswahlgesetzes (BWG) die Wählbar-
keit nur Deutschen zuspreche, die das 18. Lebensjahr vollendet haben.

2. Die Fünf-Prozent-Klausel verstoße gegen das Verfassungsgebot der Wahlgleichheit. Bei der angegriffenen
Bundestagswahl seien über 6,8 Millionen Stimmen, also 15,7 Prozent der abgegebenen Stimmen, nicht ge-
wertet worden. Der politische Gestaltungswille immerhin etwa jedes sechsten Wählers finde in dem neuen
Deutschen Bundestag keine Vertretung und kein Sprachrohr, das bei Debatten und Gesetzesberatungen ge-
hört würde. Es sei mit dem Grundgesetz nicht zu rechtfertigen, dass bei der Sitzverteilung willkürlich nur
Stimmen für die Parteien berücksichtigt würden, die einen vorher festgelegten Stimmenanteil erhielten. Die
Wählerstimmen für „Schwarz, Rot, Grün“ erlangten einen Bonus, den sich diese politischen Parteien vorher
mit dem Bundeswahlgesetz selbst zugesprochen hätten. Das sei ungerecht und verstoße auch gegen das Dis-
kriminierungsverbot, das Minderheiten schützen solle. Es wirke aber auch demokratiezerstörend, da ausge-
rechnet die Kleinparteien, die als einzige neue Gedanken und einen bislang nicht vertretenen Wählerwillen
zum Ausdruck bringen könnten, durch den reinen Machtspruch der Etablierten von der Gesetzgebung für das
Volk ausgeschlossen würden. Eine Absenkung der Fünf-Prozent-Klausel auf eine geringere Prozentzahl helfe
nicht. Es gebe keine Sperrklausel, die nicht verfassungswidrig sei.

3. Mit dem vollständigen Ausgleich aller Überhangmandate sei die Alleinherrschaft legitimationsloser, belie-
big austauschbarer „Parteifunktionäre“ ohne Persönlichkeit, Grundsätze und Kenntnisse zementiert. Zugleich
werde das einzig verfassungsgemäße Element der Bundestagswahl, die Direktwahl der Wahlkreisabgeordne-
ten, in die Bedeutungslosigkeit „hinabreglementiert“. Die Direktmandatsinhaber könnten die über die Liste
gewählten Abgeordneten wegen deren großer Zahl nicht überstimmen.

Wegen der Einzelheiten des Vortrages des Einspruchsführers wird auf den Inhalt der Akten Bezug genom-
men.

Das Bundesministerium des Innern hat zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-
Sperrklausel am 16. Juni 2014 wie folgt Stellung genommen:

Drucksache 18/1810 – 142 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

1. Das Bundesverfassungsgericht erachte in ständiger Rechtsprechung bei Wahlen zum Deutschen Bundestag
die heute in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG vorgesehene, auf
das gesamte Wahlgebiet bezogene Fünf-Prozent-Sperrklausel für verfassungsgemäß (vgl. BVerfGE 1, 208
[247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366]; 95, 408 [417 ff.];
120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.]). Zuletzt habe das Gericht in seinem Urteil vom
9. Januar 2011 zur Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen entschieden, dass die Fünf-Prozent-
Sperrklausel bei der Wahl zum Deutschen Bundestag ihre Rechtfertigung im Wesentlichen darin finde, dass
die Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende
Unterstützung nötig sei und dieses Ziel durch die Zersplitterung des Parlaments in viele kleine Gruppen ge-
fährdet werde (BVerfGE 129, 300 [335 f.]). In der Entscheidung vom 26. Februar 2014 (2 BvE 2/13 u. a.) zur
Drei-Prozent-Sperrklausel im Europawahlrecht habe das Gericht erneut bestätigt, dass eine Sperrklausel ge-
rechtfertigt sein könne, wenn Verhältnisse wie auf nationaler Ebene gegeben sind, wo die Bildung einer
stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Unterstützung nötig
sei (ebd. Rn. 72).

Angesichts der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei der Wahlgesetzgeber verfas-
sungsrechtlich nicht daran gehindert, bei der Verteilung der zu vergebenden Sitze auf die Landeslisten bei der
Bundestagswahl grundsätzlich nur die Parteien zu berücksichtigen, die mindestens fünf Prozent der im Wahl-
gebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten haben (§ 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Ab-
satz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG). Es sei ihm mit anderen Worten von Verfassungs wegen unbenommen,
gültige Zweitstimmen, die auf Landeslisten von Parteien entfallen sind, die nicht die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben, zwar für die Ergebnisfeststellung als relevant zu werten (§ 42 BWG), nicht
aber für die Sitzverteilung. Der Wahlgesetzgeber dürfe also ohne Verstoß gegen Bundesverfassungsrecht alle
zu vergebenden Parlamentssitze auf die Landeslisten derjenigen Parteien verteilen, die die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben.

Im Interesse der Handlungsfähigkeit des Deutschen Bundestages habe der Wahlgesetzgeber bisher an der auf
das gesamte Wahlgebiet bezogenen Fünf-Prozent-Sperrklausel, die seit der Wahl zum 2. Deutschen Bundes-
tag 1953 gilt, festgehalten. Denn eine Wahl habe – wie das Bundesverfassungsgericht betone (vgl. BVerfGE
51, 222 [236]) – „nicht nur das Ziel, eine Volksvertretung zu schaffen, die ein Spiegelbild der in der Wähler-
schaft vorhandenen politischen Meinungen darstellt, sondern sie soll auch ein funktionsfähiges Organ her-
vorbringen.“ Hierfür seien „(k)lare und ihrer Verantwortung für das Gesamtwohl bewusste Mehrheiten in
einer Volksvertretung (…) für eine Bewältigung der ihr gestellten Aufgaben unentbehrlich“, die durch einen
unbegrenzten Proporz nicht gewährleistet sind.

2. Zwar könne nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die verfassungsrechtliche Rechtfer-
tigung einer die Wahlgleichheit berührenden Norm des Wahlrechts wie eine Sperrklauselregelung durch ver-
änderte Verhältnisse oder neue Entwicklungen – etwa durch eine Änderung der vom Gesetzgeber vorausge-
setzten tatsächlichen oder normativen Grundlagen oder wenn sich die beim Erlass der Norm hinsichtlich ihrer
Auswirkungen angestellte Prognose als irrig erwiesen habe – in Frage gestellt werden (BVerfGE 82, 322
[338 f.]; 120, 82 [108]; 129, 300 [321 f.]; Urteil vom 26. Februar 2014, Az. 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 56). Dies
sei im Hinblick auf die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen jedoch nicht der Fall.

Eine Änderung der normativen Grundlagen für die Beurteilung der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundes-
tagswahlen, die das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung als verfassungsgemäß angesehen
habe, sei nicht festzustellen. Insbesondere führten das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
9. November 2011 zur Verfassungswidrigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen (BVerfGE
129, 300) und sein Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Sperrklausel im
Europawahlgesetz (2 BvE 2/13 u. a.) nicht zu einer abweichenden Bewertung. Das Bundesverfassungsgericht
begründe die Verfassungswidrigkeit der Sperrklauseln bei Europawahlen in diesen Urteilen mit der besonde-
ren Stellung und Funktion des Europäischen Parlaments im Gefüge der Organe der Europäischen Union, wo
eine vergleichbare Interessenlage wie bei der Bundestagswahl nicht bestehe (BVerfGE 129, 300 [336]). Auch
in seinem Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Klausel im Europawahl-
gesetz halte das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich an der gefestigten Rechtsprechung zum verfassungs-
rechtlichen Maßstab für die Beurteilung wahlrechtlicher Sperrklauseln fest und lege – wie es mehrfach beto-
ne – seinem Urteil die gleichen Prüfungsmaßstäbe wie im Urteil vom 9. November 2011 zugrunde (Az. 2
BvE 2/13 u. a., Rn. 37, 45, 63). In beiden Urteilen weise das Gericht zudem darauf hin, dass bei der Bundes-
tagswahl – anders als bei der Europawahl – der Deutsche Bundestag im Falle einer eintretenden Funktionsbe-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 143 – Drucksache 18/1810

einträchtigung aufgrund seiner veränderten strukturellen Zusammensetzung nicht mehr in der Lage wäre, die
gesetzlichen Regelungen zur Sicherung seiner Funktionsfähigkeit zu ändern, weil die erforderliche Mehrheit
nicht mehr zustande käme (BVerfGE 129, 300 [324]; Urteil vom 26. Februar 2014, 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 58).

3. Auch in tatsächlicher Hinsicht erfordere das Wahlergebnis der Bundestagswahl 2013, bei der zwei Parteien
mit einem Stimmenanteil von 4,8 Prozent bzw. 4,7 Prozent der Zweitstimmen vergleichsweise knapp an der
Fünf-Prozent-Klausel gescheitert seien, keine Neubewertung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der
Klausel. Der Gesetzgeber habe sich für die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen entschieden und
diese bis heute beibehalten, um in Konstellationen, in denen eine oder mehrere Parteien weniger als fünf
Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, die Funktionsfähigkeit des Bundestages sicherzustellen. Wenn eine
solche Konstellation bei einer Wahl – wie nun der Bundestagswahl 2013 – tatsächlich auftrete, liege gerade
nicht der Fall vor, dass sich eine Prognose des Gesetzgebers als irrig erwiesen habe oder dass eine Änderung
der vom Gesetzgeber vorausgesetzten tatsächlichen Verhältnisse eingetreten sei, sondern es habe sich ledig-
lich ein Szenario realisiert, das der Gesetzgeber mit seiner Regelung von vornherein habe erfassen wollen.
Auch das Bundesverfassungsgericht habe die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen in Kenntnis
des Umstands, dass an ihr nicht nur Parteien mit einem niedrigen Stimmenanteil zwischen null und zwei
Prozent der Zweitstimmen, sondern auch Parteien mit einem Stimmenanteil knapp unter fünf Prozent schei-
tern können, in ständiger Rechtsprechung als verfassungsmäßig angesehen (siehe die Nachweise unter 1.).

Die bei der Bundestagswahl 2013 aufgetretene hohe Gesamtzahl von abgegebenen gültigen Zweitstimmen
für Parteien, die die Fünf-Prozent-Sperrklausel nicht überwunden haben, sei kein Grund, das Vorliegen ver-
änderter Verhältnisse bzw. neuer Entwicklungen anzunehmen, die eine Neubewertung der verfassungsrecht-
lichen Zulässigkeit der Sperrklausel erforderten. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Sperrklausel sei
nicht von der Gesamtzahl der Stimmen für diejenigen Parteien abhängig, die die Sperrklausel bei einer ein-
zelnen Wahl nicht überwinden. Die Sperrklausel rechtfertige sich vielmehr durch den mit ihr verfolgten ver-
fassungsrechtlich legitimen Zweck, die Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages sicherzustellen (siehe
die Nachweise unter 1.). Sie erfülle ihren Zweck gerade dann, wenn viele an der Wahl teilnehmende Parteien
die Sperrklausel nicht überwinden, aber ohne Sperrklausel Sitze im Parlament erlangt hätten, da auf diese
Weise eine die stabile Mehrheitsbildung gefährdende Zersplitterung des Bundestages vermieden werde.

4. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel stehe nicht entgegen, dass eine
hohe Zahl von Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die aufgrund der Sperrklausel nicht an der Sitzvertei-
lung teilnehmen, eine absolute Mehrheit der Sitze für Parteien ermögliche, die bei der Wahl deutlich weniger
als der Hälfte der Stimmen erreicht haben. Das Erreichen einer Mehrheit der Sitze im Parlament sei immer
mit weniger als der Hälfte der gültigen Zweitstimmen möglich. Denn auch ohne Sperrklausel erhalte nicht
jede Partei, für die bei der Wahl gültige Stimmen abgegeben wurden, automatisch einen Sitz. Da für einen
Sitz auch ohne Sperrklausel stets eine bestimmte Zahl von Stimmen erforderlich sei, führten nicht alle Stim-
men zu einem Sitzerfolg und darum weniger als 50 Prozent der gültigen Zweitstimmen zu einer Mehrheit der
Sitze. Ein Verfassungsrechtssatz des Inhalts, dass einer Mehrheit der Mitglieder des Bundestages notwendi-
gerweise eine Mehrheit der Zweitstimmen in der Bundestagswahl entsprechen müsse, sei nicht feststellbar.
Wenn aber eine Partei in einer Wahl eine absolute Mehrheit der Zweitstimmen erhalte, sei gesichert, dass auf
sie mehr als die Hälfte der Sitze entfalle (§ 6 Absatz 7 BWG).

5. Gegen die Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht vorgebracht werden, sie verhindere bzw. erschwere
in übermäßiger Weise die Entstehung oder Etablierung neuer Parteien und schränke dadurch in unzulässiger
Weise die Chancengleichheit der Parteien ein. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Chancengleichheit
der Parteien verlange nicht, dass jeder Partei, die bei der Bundestagswahl Stimmen erhalte, Sitze im Bundes-
tag garantiert seien. Jede Partei habe rechtlich die gleiche Chance auf Teilnahme an der Sitzverteilung bei
Überwindung der Sperrklausel. Wenn eine Partei die für alle geltende Sperrklausel nicht überwinde, so sei
dies Resultat zu geringer Zustimmung in der Wählerschaft und gerade nicht ungleicher Chancen, denn die
unterschiedliche Gewichtung des Erfolgswerts von Wahlstimmen durch eine Sperrklausel treffe alle Parteien
gleichermaßen (vgl. BVerfGE 82, 322 [345]).

Dass die Fünf-Prozent-Sperrklausel die Entstehung und Etablierung neuer Parteien nicht verhindere oder
übermäßig erschwere, zeige der Einzug in die Parlamente auch neuer Parteien in den vergangenen Jahren bei
Bundestagswahlen und Landtagswahlen, bei denen nach Landesrecht ebenfalls Fünf-Prozent-Sperrklauseln
bestünden. Die Sperrklauseln trügen zu einem Mindestmaß an Konsolidierung neuer Parteien bei, indem sie
eine funktionierende Organisation und eine hinreichende Kampagnenfähigkeit der Partei erforderlich mach-

Drucksache 18/1810 – 144 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

ten, um einen erfolgreichen Wahlkampf zu führen, der den Einzug ins Parlament ermögliche. Auch das Bun-
desverfassungsgericht sehe in ständiger Rechtsprechung in der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestags-
wahlen keinen verfassungswidrigen Eingriff in die Chancengleichheit der Parteien (siehe die Nachweise un-
ter 1.).

6. Die Fünf-Prozent-Sperrklausel habe nicht zur Folge, dass die Parteien, die die Sperrklausel überwunden
haben und deshalb an der Sitzverteilung teilnehmen, von den Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die an
der Sperrklausel gescheitert sind und somit nicht an der Sitzverteilung teilnehmen, profitierten und die Wäh-
ler bei der Stimmabgabe nicht erkennen könnten, welche Partei letztlich tatsächlich von ihrer Zweitstimme
profitiere. Von der Zweitstimme für eine Partei profitiere stets die Partei, für die die Stimme abgegeben wor-
den sei. Wenn eine Partei aufgrund eines zur Überwindung der Sperrklausel nicht ausreichenden Zuspruchs
in der Wählerschaft nicht an der Sitzverteilung teilnehme, würden die zu vergebenden Sitze auf die Parteien
verteilt, die die Sperrklausel überwunden haben. Diese Parteien profitierten bei dieser Verteilung von den für
sie abgegebenen Zweitstimmen, nicht von den Zweitstimmen für die an der Sperrklausel gescheiterten Partei-
en, die wegen Nichtteilnahme an der Sitzverteilung zu keinem Sitzerfolg führten.

7. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht entgegengehalten
werden, der Umstand, dass aufgrund der Sperrklausel eine hohe Zahl von Stimmen bei der Sitzverteilung
unberücksichtigt bleibe, befördere die Politikverdrossenheit der Wahlberechtigten. Unabhängig davon, ob
dies tatsächlich der Fall sei, habe sich der Gesetzgeber dazu entschieden, der Sicherung der Funktionsfähig-
keit des Parlaments Vorrang vor derartigen Erwägungen einzuräumen. Das Bundesverfassungsgericht erachte
dies in ständiger Rechtsprechung für verfassungsrechtlich zulässig (siehe die Nachweise unter 1.). Ein wegen
Zersplitterung in kleine und kleinste Fraktionen nicht mehrheits- und handlungsfähiges Parlament, das zur
Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nicht in der Lage sei, wäre zudem in weit höherem Maße geeignet, Politikverdrossenheit zu för-
dern.

8. Aufgrund der verfassungskonformen Ausgestaltung der Fünf-Prozent-Sperrklausel im geltenden Bundes-
wahlgesetz sei der Wahlgesetzgeber auch nicht zur Einführung einer Alternativstimme („Eventualstimme“,
„Ersatzstimme“ bzw. „Stimmweitergabe-Option“) verpflichtet. Ergänzend sei darauf verwiesen, dass im
Schrifttum gegen die Einführung einer solchen Alternativstimme verfassungsrechtliche Bedenken geltend
gemacht würden: Eine Alternativstimme sei mit dem Charakter der Stimmabgabe als einer vorbehaltlosen
und bedingungsfeindlichen Willenserklärung nicht zu vereinbaren und verstoße daher gegen den Grundsatz
der Unmittelbarkeit der Wahl im Sinne des Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) und gegen
das Demokratieprinzip nach Artikel 20 Absatz 1 GG (so Strelen, in: Schreiber, Bundeswahlgesetz, 9. Auflage
2013, § 6 Rn. 37 sowie Schreiber, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: 43. Lfg.
April 2014, Art. 38 Rn. 40, 132). Überdies wäre die Gewährung einer Alternativstimme auch keine verfas-
sungspolitisch angezeigte Fortentwicklung des Wahlrechts. Sie würde das Stimmabgabeverfahren verkompli-
zieren, die Ermittlung des Wahlergebnisses wesentlich erschweren und verzögern und den Wähler von einer
eindeutigen politischen Entscheidung ohne Vorbehalt und Rückfallposition entpflichten (vgl. im Einzelnen
hierzu Strelen, in: Schreiber, § 6 Rn. 37).

9. Die Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Klausel sei schließlich auch nicht davon abhängig, dass Par-
teien, die jeweils mit einer eigenen Liste an der Bundestagswahl teilnehmen, ihre Landeslisten verbinden
dürften, um als Zählgemeinschaft die Sperrklausel zu überwinden. Derartige Listenverbindungen verschiede-
ner Parteien bei der Bundestagswahl seien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wegen
Verstoßes gegen den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit der Parteien verfas-
sungswidrig (BVerfGE 82, 322 [345 f.]). Eine derartige Listenverbindung würde allein dem Zweck dienen,
die verfassungslegitime Zielsetzung einer Fünf-Prozent-Sperrklausel, die Verhinderung einer Zersplitterung
des Parlaments, zu umgehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet. Dem Vortrag des Einspruchsführers lässt sich kein Verstoß
gegen Wahlrechtsvorschriften und damit kein Wahlfehler entnehmen.

1. Soweit der Einspruchsführer kritisiert, dass die (in § 1 Absatz 1 Satz 2, § 4 und § 6 BWG vorgesehene)
Verhältniswahl eine Parteien- bzw. Listenwahl ist, und er dies für verfassungswidrig hält, ist darauf hinzu-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 145 – Drucksache 18/1810

weisen, dass der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in ständiger Praxis im Rahmen eines
Wahlprüfungsverfahrens die Verfassungsmäßigkeit der für die Wahl geltenden Rechtsvorschriften nicht
überprüfen. Eine derartige Kontrolle ist stets dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten worden (vgl. etwa
Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlagen 26 bis 28 mit weiteren Nachweisen; 17/1000, Anlagen 5 und 11;
17/2200, Anlagen 1, 13 bis 15, 17 bis 20, 23 und 24; 17/3100, Anlagen 15, 19, 20, 22 bis 30, 32, 34 bis 36;
17/4600, Anlagen 10, 12, 13, 32, 38, 40 bis 43 mit weiteren Nachweisen; 17/6300, Anlage 19). Unabhängig
davon sind die Bedenken des Einspruchsführers unbegründet. Davon abgesehen, dass Artikel 21 Absatz 1
GG den Parteien eine Mitwirkung bei der politischen Willensbildung des Volkes zuschreibt – was offenbar
auch der Einspruchsführer nicht in Gänze ablehnt –, ist die Listenwahl verfassungsrechtlich zulässig. Dies
gilt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und ebenso ständiger Spruchpraxis des
Wahlprüfungsausschusses auch für die Wahl der Listenbewerber nach sog. starren Listen gemäß § 27 Absatz
3 BWG (vgl. vgl. BVerfGE 3, 45 [50 f.]; 7, 63 [67 ff.]; 21, 355 [355 f.]; 47, 253 [283]; 122, 304 [314]; Bun-
destagsdrucksachen 15/1850, Anlagen 9, 16, 31 und 34; 17/3100, Anlage 34; 17/6300, Anlage 35). Diese
Regelung verstößt nicht gegen die in Artikel 38 Absatz 1 GG niedergelegten Wahlgrundsätze, namentlich
nicht gegen den Grundsatz der unmittelbaren oder der gleichen Wahl. Denn die Zurechnung der abgegebenen
Wählerstimmen auf die einzelnen Wahlvorschläge vollzieht sich von der Stimmabgabe an ohne Zwischen-
schaltung eines von dem der Wähler abweichenden Willens (vgl. Hahlen, in: Schreiber, § 27 Rn. 4). Auch
lässt sich dem Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit nicht entnehmen, dass einem Wähler, der eine Präferenz
für einen bestimmten Kandidaten hat, die Möglichkeit eröffnet werden müsste, die Zweitstimme (nur) für
diesen Listenbewerber abzugeben (Hahlen, in: Schreiber, § 27 Rn. 12). Dies ist sachgerecht, denn im Gegen-
satz zur Erststimmenwahl, bei der die Wahlkreisbewerber im Vordergrund der Wahlentscheidung stehen,
kommt es bei der Landeslistenwahl nach dem gesetzgeberischen Grundgedanken für den Wähler entschei-
dend auf die von ihm favorisierte – durch eine bestimmte Partei vertretene – politische Programmatik an, für
deren Repräsentation die auf der Liste nominierten Bewerber ein Wählermandat anstreben (vgl. Strelen, in:
Schreiber, § 4 Rn. 3).

Überdies sind die Vorstellung des Einspruchsführers zur Wahlteilnahme von Parteien unzutreffend. Natur-
gemäß können nur natürliche Personen Abgeordnete sein. Nur sie sind daher gemäß Artikel 38 Absatz 2 GG
und § 15 BWG wählbar. Nicht die Parteien, sondern die von ihnen vorgeschlagenen Kandidaten können ge-
wählt werden. Dies ergibt sich prinzipiell aus § 18 BWG. Während Landeslisten gemäß § 27 BWG nur von
Parteien eingereicht werden können, können Kreiswahlvorschläge (für das Direktmandat) gemäß § 20 Absatz
3 BWG auch von parteiunabhängigen Einzelbewerbern eingereicht werden, sofern sie 200 Unterstützungsun-
terschriften einreichen. Die hohe Bedeutung der Parteien für die Vorschläge ergibt sich aus Artikel 21 Absatz
1 Satz 1 GG, wonach die Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes mitwirken. Die Demokratie
des Grundgesetzes ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine Mehrparteiende-
mokratie (vgl. etwa BVerfGE 2, 1 [13]; 5, 85 [224]).

2. Der Einspruchsführer bestreitet nicht, dass das Verfahren zur Auszählung der Stimmen und zur Verteilung
der Sitze auf die Landeslisten der Parteien bei der Bundestagswahl 2013 den Vorgaben des Bundeswahlge-
setzes entsprach. Dieses regelt in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1,
dass bei der Verteilung der Sitze auf die Landeslisten nur Parteien berücksichtigt werden, die mindestens fünf
Prozent der im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten oder in mindestens drei Wahlkrei-
sen einen Sitz errungen haben. Soweit der Einspruchsführer geltend macht, die Sperrklausel verstoße gegen
den Grundsatz der Wahlgleichheit und sei daher verfassungswidrig, ist erneut darauf hinzuweisen, dass der
Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsver-
fahrens die Verfassungsmäßigkeit der für die Wahl geltenden Rechtsvorschriften nicht überprüfen und eine
derartige Kontrolle stets dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten wurde. Allerdings hat der Wahlprü-
fungsausschuss schon in zahlreichen Wahlprüfungsentscheidungen früherer Wahlperioden keinen Anlass für
Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Klausel gesehen (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen
15/1850, Anlagen 9 und 47; 16/900, Anlage 14), zumal das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmä-
ßigkeit der Sperrklausel in ihrer Ausgestaltung durch das Bundeswahlgesetz in ständiger Rechtsprechung
bestätigt hat (vgl. BVerfGE 1, 208 [247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.];
95, 335 [366]; 95, 408 [417 ff.]; 120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.], siehe auch Bundes-
tagsdrucksache 16/900, Anlage 14). Es ist folglich verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass alle Par-
lamentssitze auf diejenigen Parteien verteilt werden, welche die Fünf-Prozent-Hürde überwunden haben.
Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Sperrklausel durch veränderte Ver-
hältnisse infrage gestellt werden. Dies ist bezüglich der Bundestagswahl 2013 aber nicht der Fall, wie das

Drucksache 18/1810 – 146 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Bundesministerium des Innern – auch unter Bezugnahme auf die Urteile vom 9. November 2011 und
26. Februar 2014 – in seiner Stellungnahme zutreffend feststellt: Dass nach dem amtlichen Endergebnis der
Bundestagswahl 2013 insgesamt 15,7 Prozent der gültigen Zweitstimmen nicht in die Mandatsverteilung
eingeflossen sind, weil sie für insgesamt 25 Parteien abgegeben wurden, die bundesweit weniger als fünf
Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, ändert nichts an der vom Bundesverfassungsgericht festgestellten
Verfassungskonformität der Fünf-Prozent-Hürde. Zwar war der Anteil der gültigen, aber wegen der Sperr-
klausel nicht in die Sitzverteilung eingeflossenen Zweitstimmen bei der Bundestagswahl 2013 höher als bei
früheren Bundestagswahlen, da – anders als bei vorhergehenden Wahlen – zwei Parteien jeweils fast fünf
Prozent und zudem 23 weitere Parteien insgesamt 6,2 Prozent (für sich genommen aber teilweise weniger als
0,1 Prozent) erreicht haben. Jedoch ist dieser Umstand nicht atypisch oder zuvor unbekannt gewesen. Es ist
zudem durchaus möglich, dass er bei kommenden Bundestagswahlen mit anderen Wahlergebnissen nicht
(mehr) auftritt. Der Einzug neuer Parteien in den Deutschen Bundestag wird, wie Beispiele aus der Geschich-
te der Bundesrepublik zeigen, ohnehin nicht durch die Sperrklausel verhindert. Außerdem ist die Fünf-
Prozent-Hürde auf das jeweilige Ergebnis einer jeden Partei bezogen. Nur die konkrete Stimmenzahl jeder
Partei kann der Ausgangspunkt der Sitzverteilung auf die Landeslisten sein (vgl. § 6 Absatz 1 BWG) – übri-
gens auch dann, wenn man gedanklich die Sperrklausel streicht oder eine niedrigere Sperrklausel ansetzt –;
erst im zweiten Schritt ist die Stimmenzahl einer jeden Partei in Relation zu den Stimmenanteilen der anderen
Parteien zu setzen (vgl. § 6 Absätze 2 bis 7 BWG). Die gedankliche Addition von Zweitstimmenanteilen
kann folglich für die Fünf-Prozent-Hürde keine Aussagekraft beanspruchen.

3. Soweit der Einspruchsführer den vollständigen Ausgleich von Überhangmandaten kritisiert, ist zunächst
festzuhalten, dass Überhangmandate im früheren Rechtssinne seit dem Inkrafttreten des 22. Gesetzes zur
Änderung des Bundeswahlgesetzes vom 3. Mai 2013 (Bundesgesetzblatt I S. 1082) nicht mehr existieren.
Stattdessen sind nach § 6 BWG n. F. nur noch Ausgleichsmandate möglich. Die Kritik des Einspruchsführers
an den Ausgleichsmandaten bleibt pauschal. Gleichwohl ist festzuhalten, dass die Normen – eingedenk des
oben erwähnten Prüfungsumfanges des Deutschen Bundestages – verfassungskonform sind. Sie entsprechen
dem Gestaltungsspielraum, den Artikel 38 Absatz 3 GG demWahlgesetzgeber einräumt.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 147 – Drucksache 18/1810

Anlage 22

Beschlussempfehlung

ZumWahleinspruch

des Herrn J. B., 01594 Riesa,

– Az.: WP 126/13 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag
am 22. September 2013

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 26. Juni 2014 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit einem Schreiben vom 5. November 2013 Einspruch gegen die Wahl zum
18. Deutschen Bundestag am 22. September 2013 eingelegt.

Er wendet sich gegen die Fünf-Prozent-Klausel. Nahezu 16 Prozent der Zweitstimmen seien bei der Wahl
wegen der Sperrklausel unberücksichtigt geblieben. Der Stimmenanteil sei „mandatsmäßig“ anderen Parteien
zugeordnet worden. Besonders schwer wiege, dass die von der „Umwidmung“ der Stimmen in unverhältnis-
mäßig hoher Weise profitierenden Parteien entgegen dem Wählerwillen in die Lage versetzt würden, mit
leicht zu erzielender Zwei-Drittel-Mehrheit nach Belieben das Grundgesetz zu ändern. Dies sei aus demokra-
tischer Sicht höchst bedenklich. Diese extreme Folgewirkung könne niemals Sinn und Zweck einer Fünf-
Prozent-Sperrklausel sein, die bei der letzten Wahl de facto als 15-Prozent-Sperrklausel gewirkt habe.

Das Bundesministerium des Innern hat zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-
Sperrklausel am 16. Juni 2014 wie folgt Stellung genommen:

1. Das Bundesverfassungsgericht erachte in ständiger Rechtsprechung bei Wahlen zum Deutschen Bundestag
die heute in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1 des Bundeswahlgesetzes
(BWG) vorgesehene, auf das gesamte Wahlgebiet bezogene Fünf-Prozent-Sperrklausel für verfassungsgemäß
(vgl. BVerfGE 1, 208 [247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366];
95, 408 [417 ff.]; 120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.]). Zuletzt habe das Gericht in seinem
Urteil vom 9. Januar 2011 zur Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen entschieden, dass die Fünf-
Prozent-Sperrklausel bei der Wahl zum Deutschen Bundestag ihre Rechtfertigung im Wesentlichen darin
finde, dass die Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren
fortlaufende Unterstützung nötig sei und dieses Ziel durch die Zersplitterung des Parlaments in viele kleine
Gruppen gefährdet werde (BVerfGE 129, 300 [335 f.]). In der Entscheidung vom 26. Februar 2014 (2 BvE
2/13 u. a.) zur Drei-Prozent-Sperrklausel im Europawahlrecht habe das Gericht erneut bestätigt, dass eine
Sperrklausel gerechtfertigt sein könne, wenn Verhältnisse wie auf nationaler Ebene gegeben sind, wo die
Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nötig sei (ebd. Rn. 72).

Angesichts der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei der Wahlgesetzgeber verfas-
sungsrechtlich nicht daran gehindert, bei der Verteilung der zu vergebenden Sitze auf die Landeslisten bei der
Bundestagswahl grundsätzlich nur die Parteien zu berücksichtigen, die mindestens fünf Prozent der im Wahl-
gebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten haben (§ 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Ab-
satz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG). Es sei ihm mit anderen Worten von Verfassungs wegen unbenommen,
gültige Zweitstimmen, die auf Landeslisten von Parteien entfallen sind, die nicht die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben, zwar für die Ergebnisfeststellung als relevant zu werten (§ 42 BWG), nicht
aber für die Sitzverteilung. Der Wahlgesetzgeber dürfe also ohne Verstoß gegen Bundesverfassungsrecht alle

Drucksache 18/1810 – 148 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

zu vergebenden Parlamentssitze auf die Landeslisten derjenigen Parteien verteilen, die die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben.

Im Interesse der Handlungsfähigkeit des Deutschen Bundestages habe der Wahlgesetzgeber bisher an der auf
das gesamte Wahlgebiet bezogenen Fünf-Prozent-Sperrklausel, die seit der Wahl zum 2. Deutschen Bundes-
tag 1953 gilt, festgehalten. Denn eine Wahl habe – wie das Bundesverfassungsgericht betone (vgl. BVerfGE
51, 222 [236]) – „nicht nur das Ziel, eine Volksvertretung zu schaffen, die ein Spiegelbild der in der Wähler-
schaft vorhandenen politischen Meinungen darstellt, sondern sie soll auch ein funktionsfähiges Organ her-
vorbringen.“ Hierfür seien „(k)lare und ihrer Verantwortung für das Gesamtwohl bewusste Mehrheiten in
einer Volksvertretung (…) für eine Bewältigung der ihr gestellten Aufgaben unentbehrlich“, die durch einen
unbegrenzten Proporz nicht gewährleistet sind.

2. Zwar könne nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die verfassungsrechtliche Rechtfer-
tigung einer die Wahlgleichheit berührenden Norm des Wahlrechts wie eine Sperrklauselregelung durch ver-
änderte Verhältnisse oder neue Entwicklungen – etwa durch eine Änderung der vom Gesetzgeber vorausge-
setzten tatsächlichen oder normativen Grundlagen oder wenn sich die beim Erlass der Norm hinsichtlich ihrer
Auswirkungen angestellte Prognose als irrig erwiesen habe – in Frage gestellt werden (BVerfGE 82, 322
[338 f.]; 120, 82 [108]; 129, 300 [321 f.]; Urteil vom 26. Februar 2014, Az. 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 56). Dies
sei im Hinblick auf die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen jedoch nicht der Fall.

Eine Änderung der normativen Grundlagen für die Beurteilung der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundes-
tagswahlen, die das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung als verfassungsgemäß angesehen
habe, sei nicht festzustellen. Insbesondere führten das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
9. November 2011 zur Verfassungswidrigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen (BVerfGE
129, 300) und sein Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Sperrklausel im
Europawahlgesetz (2 BvE 2/13 u. a.) nicht zu einer abweichenden Bewertung. Das Bundesverfassungsgericht
begründe die Verfassungswidrigkeit der Sperrklauseln bei Europawahlen in diesen Urteilen mit der besonde-
ren Stellung und Funktion des Europäischen Parlaments im Gefüge der Organe der Europäischen Union, wo
eine vergleichbare Interessenlage wie bei der Bundestagswahl nicht bestehe (BVerfGE 129, 300 [336]). Auch
in seinem Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Klausel im Europawahl-
gesetz halte das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich an der gefestigten Rechtsprechung zum verfassungs-
rechtlichen Maßstab für die Beurteilung wahlrechtlicher Sperrklauseln fest und lege – wie es mehrfach beto-
ne – seinem Urteil die gleichen Prüfungsmaßstäbe wie im Urteil vom 9. November 2011 zugrunde (Az. 2
BvE 2/13 u. a., Rn. 37, 45, 63). In beiden Urteilen weise das Gericht zudem darauf hin, dass bei der Bundes-
tagswahl – anders als bei der Europawahl – der Deutsche Bundestag im Falle einer eintretenden Funktionsbe-
einträchtigung aufgrund seiner veränderten strukturellen Zusammensetzung nicht mehr in der Lage wäre, die
gesetzlichen Regelungen zur Sicherung seiner Funktionsfähigkeit zu ändern, weil die erforderliche Mehrheit
nicht mehr zustande käme (BVerfGE 129, 300 [324]; Urteil vom 26. Februar 2014, 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 58).

3. Auch in tatsächlicher Hinsicht erfordere das Wahlergebnis der Bundestagswahl 2013, bei der zwei Parteien
mit einem Stimmenanteil von 4,8 Prozent bzw. 4,7 Prozent der Zweitstimmen vergleichsweise knapp an der
Fünf-Prozent-Klausel gescheitert seien, keine Neubewertung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der
Klausel. Der Gesetzgeber habe sich für die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen entschieden und
diese bis heute beibehalten, um in Konstellationen, in denen eine oder mehrere Parteien weniger als fünf
Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, die Funktionsfähigkeit des Bundestages sicherzustellen. Wenn eine
solche Konstellation bei einer Wahl – wie nun der Bundestagswahl 2013 – tatsächlich auftrete, liege gerade
nicht der Fall vor, dass sich eine Prognose des Gesetzgebers als irrig erwiesen habe oder dass eine Änderung
der vom Gesetzgeber vorausgesetzten tatsächlichen Verhältnisse eingetreten sei, sondern es habe sich ledig-
lich ein Szenario realisiert, das der Gesetzgeber mit seiner Regelung von vornherein habe erfassen wollen.
Auch das Bundesverfassungsgericht habe die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen in Kenntnis
des Umstands, dass an ihr nicht nur Parteien mit einem niedrigen Stimmenanteil zwischen null und zwei
Prozent der Zweitstimmen, sondern auch Parteien mit einem Stimmenanteil knapp unter fünf Prozent schei-
tern können, in ständiger Rechtsprechung als verfassungsmäßig angesehen (siehe die Nachweise unter 1.).

Die bei der Bundestagswahl 2013 aufgetretene hohe Gesamtzahl von abgegebenen gültigen Zweitstimmen
für Parteien, die die Fünf-Prozent-Sperrklausel nicht überwunden haben, sei kein Grund, das Vorliegen ver-
änderter Verhältnisse bzw. neuer Entwicklungen anzunehmen, die eine Neubewertung der verfassungsrecht-
lichen Zulässigkeit der Sperrklausel erforderten. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Sperrklausel sei

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 149 – Drucksache 18/1810

nicht von der Gesamtzahl der Stimmen für diejenigen Parteien abhängig, die die Sperrklausel bei einer ein-
zelnen Wahl nicht überwinden. Die Sperrklausel rechtfertige sich vielmehr durch den mit ihr verfolgten ver-
fassungsrechtlich legitimen Zweck, die Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages sicherzustellen (siehe
die Nachweise unter 1.). Sie erfülle ihren Zweck gerade dann, wenn viele an der Wahl teilnehmende Parteien
die Sperrklausel nicht überwinden, aber ohne Sperrklausel Sitze im Parlament erlangt hätten, da auf diese
Weise eine die stabile Mehrheitsbildung gefährdende Zersplitterung des Bundestages vermieden werde.

4. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel stehe nicht entgegen, dass eine
hohe Zahl von Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die aufgrund der Sperrklausel nicht an der Sitzvertei-
lung teilnehmen, eine absolute Mehrheit der Sitze für Parteien ermögliche, die bei der Wahl deutlich weniger
als der Hälfte der Stimmen erreicht haben. Das Erreichen einer Mehrheit der Sitze im Parlament sei immer
mit weniger als der Hälfte der gültigen Zweitstimmen möglich. Denn auch ohne Sperrklausel erhalte nicht
jede Partei, für die bei der Wahl gültige Stimmen abgegeben wurden, automatisch einen Sitz. Da für einen
Sitz auch ohne Sperrklausel stets eine bestimmte Zahl von Stimmen erforderlich sei, führten nicht alle Stim-
men zu einem Sitzerfolg und darum weniger als 50 Prozent der gültigen Zweitstimmen zu einer Mehrheit der
Sitze. Ein Verfassungsrechtssatz des Inhalts, dass einer Mehrheit der Mitglieder des Bundestages notwendi-
gerweise eine Mehrheit der Zweitstimmen in der Bundestagswahl entsprechen müsse, sei nicht feststellbar.
Wenn aber eine Partei in einer Wahl eine absolute Mehrheit der Zweitstimmen erhalte, sei gesichert, dass auf
sie mehr als die Hälfte der Sitze entfalle (§ 6 Absatz 7 BWG).

5. Gegen die Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht vorgebracht werden, sie verhindere bzw. erschwere
in übermäßiger Weise die Entstehung oder Etablierung neuer Parteien und schränke dadurch in unzulässiger
Weise die Chancengleichheit der Parteien ein. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Chancengleichheit
der Parteien verlange nicht, dass jeder Partei, die bei der Bundestagswahl Stimmen erhalte, Sitze im Bundes-
tag garantiert seien. Jede Partei habe rechtlich die gleiche Chance auf Teilnahme an der Sitzverteilung bei
Überwindung der Sperrklausel. Wenn eine Partei die für alle geltende Sperrklausel nicht überwinde, so sei
dies Resultat zu geringer Zustimmung in der Wählerschaft und gerade nicht ungleicher Chancen, denn die
unterschiedliche Gewichtung des Erfolgswerts von Wahlstimmen durch eine Sperrklausel treffe alle Parteien
gleichermaßen (vgl. BVerfGE 82, 322 [345]).

Dass die Fünf-Prozent-Sperrklausel die Entstehung und Etablierung neuer Parteien nicht verhindere oder
übermäßig erschwere, zeige der Einzug in die Parlamente auch neuer Parteien in den vergangenen Jahren bei
Bundestagswahlen und Landtagswahlen, bei denen nach Landesrecht ebenfalls Fünf-Prozent-Sperrklauseln
bestünden. Die Sperrklauseln trügen zu einem Mindestmaß an Konsolidierung neuer Parteien bei, indem sie
eine funktionierende Organisation und eine hinreichende Kampagnenfähigkeit der Partei erforderlich mach-
ten, um einen erfolgreichen Wahlkampf zu führen, der den Einzug ins Parlament ermögliche. Auch das Bun-
desverfassungsgericht sehe in ständiger Rechtsprechung in der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestags-
wahlen keinen verfassungswidrigen Eingriff in die Chancengleichheit der Parteien (siehe die Nachweise un-
ter 1.).

6. Die Fünf-Prozent-Sperrklausel habe nicht zur Folge, dass die Parteien, die die Sperrklausel überwunden
haben und deshalb an der Sitzverteilung teilnehmen, von den Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die an
der Sperrklausel gescheitert sind und somit nicht an der Sitzverteilung teilnehmen, profitierten und die Wäh-
ler bei der Stimmabgabe nicht erkennen könnten, welche Partei letztlich tatsächlich von ihrer Zweitstimme
profitiere. Von der Zweitstimme für eine Partei profitiere stets die Partei, für die die Stimme abgegeben wor-
den sei. Wenn eine Partei aufgrund eines zur Überwindung der Sperrklausel nicht ausreichenden Zuspruchs
in der Wählerschaft nicht an der Sitzverteilung teilnehme, würden die zu vergebenden Sitze auf die Parteien
verteilt, die die Sperrklausel überwunden haben. Diese Parteien profitierten bei dieser Verteilung von den für
sie abgegebenen Zweitstimmen, nicht von den Zweitstimmen für die an der Sperrklausel gescheiterten Partei-
en, die wegen Nichtteilnahme an der Sitzverteilung zu keinem Sitzerfolg führten.

7. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht entgegengehalten
werden, der Umstand, dass aufgrund der Sperrklausel eine hohe Zahl von Stimmen bei der Sitzverteilung
unberücksichtigt bleibe, befördere die Politikverdrossenheit der Wahlberechtigten. Unabhängig davon, ob
dies tatsächlich der Fall sei, habe sich der Gesetzgeber dazu entschieden, der Sicherung der Funktionsfähig-
keit des Parlaments Vorrang vor derartigen Erwägungen einzuräumen. Das Bundesverfassungsgericht erachte
dies in ständiger Rechtsprechung für verfassungsrechtlich zulässig (siehe die Nachweise unter 1.). Ein wegen
Zersplitterung in kleine und kleinste Fraktionen nicht mehrheits- und handlungsfähiges Parlament, das zur

Drucksache 18/1810 – 150 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nicht in der Lage sei, wäre zudem in weit höherem Maße geeignet, Politikverdrossenheit zu för-
dern.

8. Aufgrund der verfassungskonformen Ausgestaltung der Fünf-Prozent-Sperrklausel im geltenden Bundes-
wahlgesetz sei der Wahlgesetzgeber auch nicht zur Einführung einer Alternativstimme („Eventualstimme“,
„Ersatzstimme“ bzw. „Stimmweitergabe-Option“) verpflichtet. Ergänzend sei darauf verwiesen, dass im
Schrifttum gegen die Einführung einer solchen Alternativstimme verfassungsrechtliche Bedenken geltend
gemacht würden: Eine Alternativstimme sei mit dem Charakter der Stimmabgabe als einer vorbehaltlosen
und bedingungsfeindlichen Willenserklärung nicht zu vereinbaren und verstoße daher gegen den Grundsatz
der Unmittelbarkeit der Wahl im Sinne des Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) und gegen
das Demokratieprinzip nach Artikel 20 Absatz 1 GG (so Strelen, in: Schreiber, Bundeswahlgesetz, 9. Auflage
2013, § 6 Rn. 37 sowie Schreiber, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: 43. Lfg.
April 2014, Art. 38 Rn. 40, 132). Überdies wäre die Gewährung einer Alternativstimme auch keine verfas-
sungspolitisch angezeigte Fortentwicklung des Wahlrechts. Sie würde das Stimmabgabeverfahren verkompli-
zieren, die Ermittlung des Wahlergebnisses wesentlich erschweren und verzögern und den Wähler von einer
eindeutigen politischen Entscheidung ohne Vorbehalt und Rückfallposition entpflichten (vgl. im Einzelnen
hierzu Strelen, in: Schreiber, § 6 Rn. 37).

9. Die Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Klausel sei schließlich auch nicht davon abhängig, dass Par-
teien, die jeweils mit einer eigenen Liste an der Bundestagswahl teilnehmen, ihre Landeslisten verbinden
dürften, um als Zählgemeinschaft die Sperrklausel zu überwinden. Derartige Listenverbindungen verschiede-
ner Parteien bei der Bundestagswahl seien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wegen
Verstoßes gegen den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit der Parteien verfas-
sungswidrig (BVerfGE 82, 322 [345 f.]). Eine derartige Listenverbindung würde allein dem Zweck dienen,
die verfassungslegitime Zielsetzung einer Fünf-Prozent-Sperrklausel, die Verhinderung einer Zersplitterung
des Parlaments, zu umgehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet. Dem Vortrag des Einspruchsführers lässt sich kein Verstoß
gegen Wahlrechtsvorschriften und damit kein Wahlfehler entnehmen.

Der Einspruchsführer bestreitet nicht, dass das Verfahren zur Auszählung der Stimmen und zur Verteilung
der Sitze auf die Landeslisten der Parteien bei der Bundestagswahl 2013 den Vorgaben des Bundeswahlge-
setzes entsprach. Dieses regelt in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1,
dass bei der Verteilung der Sitze auf die Landeslisten nur Parteien berücksichtigt werden, die mindestens fünf
Prozent der im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten oder in mindestens drei Wahlkrei-
sen einen Sitz errungen haben. Unabhängig davon, dass der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bun-
destag in ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens die Verfassungsmäßigkeit der für die
Wahl geltenden Rechtsvorschriften nicht überprüfen und eine derartige Kontrolle stets dem Bundesverfas-
sungsgericht vorbehalten bleibt (vgl. etwa Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlagen 26 bis 28 mit weiteren
Nachweisen; 17/1000, Anlagen 5 und 11; 17/2200, Anlagen 1, 13 bis 15, 17 bis 20, 23 und 24; 17/3100, An-
lagen 15, 19, 20, 22 bis 30, 32, 34 bis 36; 17/4600, Anlagen 10, 12, 13, 32, 38, 40 bis 43 mit weiteren Nach-
weisen; 17/6300, Anlage 19), bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Fünf-Prozent-
Hürde. Der Wahlprüfungsausschuss hat schon in zahlreichen Wahlprüfungsentscheidungen früherer Wahlpe-
rioden keinen Anlass für Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Regelung gesehen (vgl. zuletzt Bundes-
tagsdrucksachen 15/1850, Anlagen 9 und 47; 16/900, Anlage 14), zumal das Bundesverfassungsgericht die
Verfassungsmäßigkeit der Sperrklausel in ihrer Ausgestaltung durch das Bundeswahlgesetz in ständiger
Rechtsprechung bestätigt hat (vgl. BVerfGE 1, 208 [247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.];
82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366]; 95, 408 [417 ff.]; 120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.], siehe
auch Bundestagsdrucksache 16/900, Anlage 14). Es ist folglich verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden,
dass alle Parlamentssitze auf diejenigen Parteien verteilt werden, welche die Fünf-Prozent-Hürde überwun-
den haben. Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Sperrklausel durch ver-
änderte Verhältnisse infrage gestellt werden. Dies ist bezüglich der Bundestagswahl 2013 aber nicht der Fall,
wie das Bundesministerium des Innern – auch unter Bezugnahme auf die Urteile vom 9. November 2011 und
26. Februar 2014 – in seiner Stellungnahme zutreffend feststellt: Dass nach dem amtlichen Endergebnis der

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 151 – Drucksache 18/1810

Bundestagswahl 2013 insgesamt 15,7 Prozent der gültigen Zweitstimmen nicht in die Mandatsverteilung
eingeflossen sind, weil sie für insgesamt 25 Parteien abgegeben wurden, die bundesweit weniger als fünf
Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, ändert nichts an der vom Bundesverfassungsgericht festgestellten
Verfassungskonformität der Fünf-Prozent-Hürde. Zwar war der Anteil der gültigen, aber wegen der Sperr-
klausel nicht in die Sitzverteilung eingeflossenen Zweitstimmen bei der Bundestagswahl 2013 höher als bei
früheren Bundestagswahlen, da – anders als bei vorhergehenden Wahlen – zwei Parteien jeweils fast fünf
Prozent und zudem 23 weitere Parteien insgesamt 6,2 Prozent (für sich genommen aber teilweise weniger als
0,1 Prozent) erreicht haben. Jedoch ist dieser Umstand nicht atypisch oder zuvor unbekannt gewesen. Es ist
zudem durchaus möglich, dass er bei kommenden Bundestagswahlen mit anderen Wahlergebnissen nicht
(mehr) auftritt. Der Einzug neuer Parteien in den Deutschen Bundestag wird, wie Beispiele aus der Geschich-
te der Bundesrepublik zeigen, ohnehin nicht durch die Sperrklausel verhindert. Außerdem ist die Fünf-
Prozent-Hürde auf das jeweilige Ergebnis einer jeden Partei bezogen. Nur die konkrete Stimmenzahl jeder
Partei kann der Ausgangspunkt der Sitzverteilung auf die Landeslisten sein (vgl. § 6 Absatz 1 BWG) – übri-
gens auch dann, wenn man gedanklich die Sperrklausel streicht oder eine niedrigere Sperrklausel ansetzt –;
erst im zweiten Schritt ist die Stimmenzahl einer jeden Partei in Relation zu den Stimmenanteilen der anderen
Parteien zu setzen (vgl. § 6 Absätze 2 bis 7 BWG). Die gedankliche Addition von Zweitstimmenanteilen
kann folglich für die Fünf-Prozent-Hürde keine Aussagekraft beanspruchen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 153 – Drucksache 18/1810

Anlage 23

Beschlussempfehlung

ZumWahleinspruch

des Herrn T. T., 16225 Eberswalde,

– Az.: WP 129/13 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag
am 22. September 2013

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 26. Juni 2014 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit Schreiben vom 28. Oktober 2013 Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum
18. Deutschen Bundestag am 22. September 2013 eingelegt.

Er wendet sich gegen die Listenwahl, die Fünf-Prozent-Klausel und Ausgleichsmandate.

1. Die Verhältniswahl sei eine Parteienwahl. Sie verstoße gegen die Verfassungsvorgabe der Unmittelbarkeit
der Wahl. Parteien dürften nicht als „Sitzverteilerorgan“ zwischen Wähler und Mandat treten. Der Bürger
wisse nicht, welcher natürlichen Person von den vielen auf der Landesliste stehenden Kandidaten er seine
Stimme gebe. Die Annahme, die „Staatsgewaltübertragung“ eines Bürgers durch die Wahl einer Partei bzw.
Landesliste richte sich auf die auf der Liste aufgeführten Personen, sei aus den vorgenannten Gründen eine
irrationale und verfassungswidrige Fiktion. Zudem seien Parteien bzw. Landeslisten „selbst nach dem verfas-
sungswidrigen Wahlgesetz“ nicht wählbar, da § 15 Absatz 1 des Bundeswahlgesetzes (BWG) die Wählbar-
keit nur Deutschen zuspreche, die das 18. Lebensjahr vollendet haben.

2. Die Fünf-Prozent-Klausel verstoße gegen das Verfassungsgebot der Wahlgleichheit. Bei der angegriffenen
Bundestagswahl seien über 6,8 Millionen Stimmen, also 15,7 Prozent der abgegebenen Stimmen, nicht ge-
wertet worden. Der politische Gestaltungswille immerhin etwa jedes sechsten Wählers finde in dem neuen
Deutschen Bundestag keine Vertretung und kein Sprachrohr, das bei Debatten und Gesetzesberatungen ge-
hört würde. Es sei mit dem Grundgesetz nicht zu rechtfertigen, dass bei der Sitzverteilung willkürlich nur
Stimmen für die Parteien berücksichtigt würden, die einen vorher festgelegten Stimmenanteil erhielten. Die
Wählerstimmen für „Schwarz, Rot, Grün“ erlangten einen Bonus, den sich diese politischen Parteien vorher
mit dem Bundeswahlgesetz selbst zugesprochen hätten. Das sei ungerecht und verstoße auch gegen das Dis-
kriminierungsverbot, das Minderheiten schützen solle. Es wirke aber auch demokratiezerstörend, da ausge-
rechnet die Kleinparteien, die als einzige neue Gedanken und einen bislang nicht vertretenen Wählerwillen
zum Ausdruck bringen könnten, durch den reinen Machtspruch der Etablierten von der Gesetzgebung für das
Volk ausgeschlossen würden. Eine Absenkung der Fünf-Prozent-Klausel auf eine geringere Prozentzahl helfe
nicht. Es gebe keine Sperrklausel, die nicht verfassungswidrig sei.

3. Mit dem vollständigen Ausgleich aller Überhangmandate sei die Alleinherrschaft legitimationsloser, belie-
big austauschbarer „Parteifunktionäre“ ohne Persönlichkeit, Grundsätze und Kenntnisse zementiert. Zugleich
werde das einzig verfassungsgemäße Element der Bundestagswahl, die Direktwahl der Wahlkreisabgeordne-
ten, in die Bedeutungslosigkeit „hinabreglementiert“. Die Direktmandatsinhaber könnten die über die Liste
gewählten Abgeordneten wegen deren großer Zahl nicht überstimmen.

Wegen der Einzelheiten des Vortrages des Einspruchsführers wird auf den Inhalt der Akten Bezug genom-
men.

Das Bundesministerium des Innern hat zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-
Sperrklausel am 16. Juni 2014 wie folgt Stellung genommen:

Drucksache 18/1810 – 154 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

1. Das Bundesverfassungsgericht erachte in ständiger Rechtsprechung bei Wahlen zum Deutschen Bundestag
die heute in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG vorgesehene, auf
das gesamte Wahlgebiet bezogene Fünf-Prozent-Sperrklausel für verfassungsgemäß (vgl. BVerfGE 1, 208
[247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366]; 95, 408 [417 ff.];
120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.]). Zuletzt habe das Gericht in seinem Urteil vom
9. Januar 2011 zur Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen entschieden, dass die Fünf-Prozent-
Sperrklausel bei der Wahl zum Deutschen Bundestag ihre Rechtfertigung im Wesentlichen darin finde, dass
die Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende
Unterstützung nötig sei und dieses Ziel durch die Zersplitterung des Parlaments in viele kleine Gruppen ge-
fährdet werde (BVerfGE 129, 300 [335 f.]). In der Entscheidung vom 26. Februar 2014 (2 BvE 2/13 u. a.) zur
Drei-Prozent-Sperrklausel im Europawahlrecht habe das Gericht erneut bestätigt, dass eine Sperrklausel ge-
rechtfertigt sein könne, wenn Verhältnisse wie auf nationaler Ebene gegeben sind, wo die Bildung einer
stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Unterstützung nötig
sei (ebd. Rn. 72).

Angesichts der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei der Wahlgesetzgeber verfas-
sungsrechtlich nicht daran gehindert, bei der Verteilung der zu vergebenden Sitze auf die Landeslisten bei der
Bundestagswahl grundsätzlich nur die Parteien zu berücksichtigen, die mindestens fünf Prozent der im Wahl-
gebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten haben (§ 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Ab-
satz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG). Es sei ihm mit anderen Worten von Verfassungs wegen unbenommen,
gültige Zweitstimmen, die auf Landeslisten von Parteien entfallen sind, die nicht die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben, zwar für die Ergebnisfeststellung als relevant zu werten (§ 42 BWG), nicht
aber für die Sitzverteilung. Der Wahlgesetzgeber dürfe also ohne Verstoß gegen Bundesverfassungsrecht alle
zu vergebenden Parlamentssitze auf die Landeslisten derjenigen Parteien verteilen, die die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben.

Im Interesse der Handlungsfähigkeit des Deutschen Bundestages habe der Wahlgesetzgeber bisher an der auf
das gesamte Wahlgebiet bezogenen Fünf-Prozent-Sperrklausel, die seit der Wahl zum 2. Deutschen Bundes-
tag 1953 gilt, festgehalten. Denn eine Wahl habe – wie das Bundesverfassungsgericht betone (vgl. BVerfGE
51, 222 [236]) – „nicht nur das Ziel, eine Volksvertretung zu schaffen, die ein Spiegelbild der in der Wähler-
schaft vorhandenen politischen Meinungen darstellt, sondern sie soll auch ein funktionsfähiges Organ her-
vorbringen.“ Hierfür seien „(k)lare und ihrer Verantwortung für das Gesamtwohl bewusste Mehrheiten in
einer Volksvertretung (…) für eine Bewältigung der ihr gestellten Aufgaben unentbehrlich“, die durch einen
unbegrenzten Proporz nicht gewährleistet sind.

2. Zwar könne nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die verfassungsrechtliche Rechtfer-
tigung einer die Wahlgleichheit berührenden Norm des Wahlrechts wie eine Sperrklauselregelung durch ver-
änderte Verhältnisse oder neue Entwicklungen – etwa durch eine Änderung der vom Gesetzgeber vorausge-
setzten tatsächlichen oder normativen Grundlagen oder wenn sich die beim Erlass der Norm hinsichtlich ihrer
Auswirkungen angestellte Prognose als irrig erwiesen habe – in Frage gestellt werden (BVerfGE 82, 322
[338 f.]; 120, 82 [108]; 129, 300 [321 f.]; Urteil vom 26. Februar 2014, Az. 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 56). Dies
sei im Hinblick auf die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen jedoch nicht der Fall.

Eine Änderung der normativen Grundlagen für die Beurteilung der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundes-
tagswahlen, die das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung als verfassungsgemäß angesehen
habe, sei nicht festzustellen. Insbesondere führten das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
9. November 2011 zur Verfassungswidrigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen (BVerfGE
129, 300) und sein Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Sperrklausel im
Europawahlgesetz (2 BvE 2/13 u. a.) nicht zu einer abweichenden Bewertung. Das Bundesverfassungsgericht
begründe die Verfassungswidrigkeit der Sperrklauseln bei Europawahlen in diesen Urteilen mit der besonde-
ren Stellung und Funktion des Europäischen Parlaments im Gefüge der Organe der Europäischen Union, wo
eine vergleichbare Interessenlage wie bei der Bundestagswahl nicht bestehe (BVerfGE 129, 300 [336]). Auch
in seinem Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Klausel im Europawahl-
gesetz halte das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich an der gefestigten Rechtsprechung zum verfassungs-
rechtlichen Maßstab für die Beurteilung wahlrechtlicher Sperrklauseln fest und lege – wie es mehrfach beto-
ne – seinem Urteil die gleichen Prüfungsmaßstäbe wie im Urteil vom 9. November 2011 zugrunde (Az. 2
BvE 2/13 u. a., Rn. 37, 45, 63). In beiden Urteilen weise das Gericht zudem darauf hin, dass bei der Bundes-
tagswahl – anders als bei der Europawahl – der Deutsche Bundestag im Falle einer eintretenden Funktionsbe-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 155 – Drucksache 18/1810

einträchtigung aufgrund seiner veränderten strukturellen Zusammensetzung nicht mehr in der Lage wäre, die
gesetzlichen Regelungen zur Sicherung seiner Funktionsfähigkeit zu ändern, weil die erforderliche Mehrheit
nicht mehr zustande käme (BVerfGE 129, 300 [324]; Urteil vom 26. Februar 2014, 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 58).

3. Auch in tatsächlicher Hinsicht erfordere das Wahlergebnis der Bundestagswahl 2013, bei der zwei Parteien
mit einem Stimmenanteil von 4,8 Prozent bzw. 4,7 Prozent der Zweitstimmen vergleichsweise knapp an der
Fünf-Prozent-Klausel gescheitert seien, keine Neubewertung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der
Klausel. Der Gesetzgeber habe sich für die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen entschieden und
diese bis heute beibehalten, um in Konstellationen, in denen eine oder mehrere Parteien weniger als fünf
Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, die Funktionsfähigkeit des Bundestages sicherzustellen. Wenn eine
solche Konstellation bei einer Wahl – wie nun der Bundestagswahl 2013 – tatsächlich auftrete, liege gerade
nicht der Fall vor, dass sich eine Prognose des Gesetzgebers als irrig erwiesen habe oder dass eine Änderung
der vom Gesetzgeber vorausgesetzten tatsächlichen Verhältnisse eingetreten sei, sondern es habe sich ledig-
lich ein Szenario realisiert, das der Gesetzgeber mit seiner Regelung von vornherein habe erfassen wollen.
Auch das Bundesverfassungsgericht habe die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen in Kenntnis
des Umstands, dass an ihr nicht nur Parteien mit einem niedrigen Stimmenanteil zwischen null und zwei
Prozent der Zweitstimmen, sondern auch Parteien mit einem Stimmenanteil knapp unter fünf Prozent schei-
tern können, in ständiger Rechtsprechung als verfassungsmäßig angesehen (siehe die Nachweise unter 1.).

Die bei der Bundestagswahl 2013 aufgetretene hohe Gesamtzahl von abgegebenen gültigen Zweitstimmen
für Parteien, die die Fünf-Prozent-Sperrklausel nicht überwunden haben, sei kein Grund, das Vorliegen ver-
änderter Verhältnisse bzw. neuer Entwicklungen anzunehmen, die eine Neubewertung der verfassungsrecht-
lichen Zulässigkeit der Sperrklausel erforderten. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Sperrklausel sei
nicht von der Gesamtzahl der Stimmen für diejenigen Parteien abhängig, die die Sperrklausel bei einer ein-
zelnen Wahl nicht überwinden. Die Sperrklausel rechtfertige sich vielmehr durch den mit ihr verfolgten ver-
fassungsrechtlich legitimen Zweck, die Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages sicherzustellen (siehe
die Nachweise unter 1.). Sie erfülle ihren Zweck gerade dann, wenn viele an der Wahl teilnehmende Parteien
die Sperrklausel nicht überwinden, aber ohne Sperrklausel Sitze im Parlament erlangt hätten, da auf diese
Weise eine die stabile Mehrheitsbildung gefährdende Zersplitterung des Bundestages vermieden werde.

4. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel stehe nicht entgegen, dass eine
hohe Zahl von Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die aufgrund der Sperrklausel nicht an der Sitzvertei-
lung teilnehmen, eine absolute Mehrheit der Sitze für Parteien ermögliche, die bei der Wahl deutlich weniger
als der Hälfte der Stimmen erreicht haben. Das Erreichen einer Mehrheit der Sitze im Parlament sei immer
mit weniger als der Hälfte der gültigen Zweitstimmen möglich. Denn auch ohne Sperrklausel erhalte nicht
jede Partei, für die bei der Wahl gültige Stimmen abgegeben wurden, automatisch einen Sitz. Da für einen
Sitz auch ohne Sperrklausel stets eine bestimmte Zahl von Stimmen erforderlich sei, führten nicht alle Stim-
men zu einem Sitzerfolg und darum weniger als 50 Prozent der gültigen Zweitstimmen zu einer Mehrheit der
Sitze. Ein Verfassungsrechtssatz des Inhalts, dass einer Mehrheit der Mitglieder des Bundestages notwendi-
gerweise eine Mehrheit der Zweitstimmen in der Bundestagswahl entsprechen müsse, sei nicht feststellbar.
Wenn aber eine Partei in einer Wahl eine absolute Mehrheit der Zweitstimmen erhalte, sei gesichert, dass auf
sie mehr als die Hälfte der Sitze entfalle (§ 6 Absatz 7 BWG).

5. Gegen die Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht vorgebracht werden, sie verhindere bzw. erschwere
in übermäßiger Weise die Entstehung oder Etablierung neuer Parteien und schränke dadurch in unzulässiger
Weise die Chancengleichheit der Parteien ein. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Chancengleichheit
der Parteien verlange nicht, dass jeder Partei, die bei der Bundestagswahl Stimmen erhalte, Sitze im Bundes-
tag garantiert seien. Jede Partei habe rechtlich die gleiche Chance auf Teilnahme an der Sitzverteilung bei
Überwindung der Sperrklausel. Wenn eine Partei die für alle geltende Sperrklausel nicht überwinde, so sei
dies Resultat zu geringer Zustimmung in der Wählerschaft und gerade nicht ungleicher Chancen, denn die
unterschiedliche Gewichtung des Erfolgswerts von Wahlstimmen durch eine Sperrklausel treffe alle Parteien
gleichermaßen (vgl. BVerfGE 82, 322 [345]).

Dass die Fünf-Prozent-Sperrklausel die Entstehung und Etablierung neuer Parteien nicht verhindere oder
übermäßig erschwere, zeige der Einzug in die Parlamente auch neuer Parteien in den vergangenen Jahren bei
Bundestagswahlen und Landtagswahlen, bei denen nach Landesrecht ebenfalls Fünf-Prozent-Sperrklauseln
bestünden. Die Sperrklauseln trügen zu einem Mindestmaß an Konsolidierung neuer Parteien bei, indem sie
eine funktionierende Organisation und eine hinreichende Kampagnenfähigkeit der Partei erforderlich mach-

Drucksache 18/1810 – 156 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

ten, um einen erfolgreichen Wahlkampf zu führen, der den Einzug ins Parlament ermögliche. Auch das Bun-
desverfassungsgericht sehe in ständiger Rechtsprechung in der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestags-
wahlen keinen verfassungswidrigen Eingriff in die Chancengleichheit der Parteien (siehe die Nachweise un-
ter 1.).

6. Die Fünf-Prozent-Sperrklausel habe nicht zur Folge, dass die Parteien, die die Sperrklausel überwunden
haben und deshalb an der Sitzverteilung teilnehmen, von den Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die an
der Sperrklausel gescheitert sind und somit nicht an der Sitzverteilung teilnehmen, profitierten und die Wäh-
ler bei der Stimmabgabe nicht erkennen könnten, welche Partei letztlich tatsächlich von ihrer Zweitstimme
profitiere. Von der Zweitstimme für eine Partei profitiere stets die Partei, für die die Stimme abgegeben wor-
den sei. Wenn eine Partei aufgrund eines zur Überwindung der Sperrklausel nicht ausreichenden Zuspruchs
in der Wählerschaft nicht an der Sitzverteilung teilnehme, würden die zu vergebenden Sitze auf die Parteien
verteilt, die die Sperrklausel überwunden haben. Diese Parteien profitierten bei dieser Verteilung von den für
sie abgegebenen Zweitstimmen, nicht von den Zweitstimmen für die an der Sperrklausel gescheiterten Partei-
en, die wegen Nichtteilnahme an der Sitzverteilung zu keinem Sitzerfolg führten.

7. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht entgegengehalten
werden, der Umstand, dass aufgrund der Sperrklausel eine hohe Zahl von Stimmen bei der Sitzverteilung
unberücksichtigt bleibe, befördere die Politikverdrossenheit der Wahlberechtigten. Unabhängig davon, ob
dies tatsächlich der Fall sei, habe sich der Gesetzgeber dazu entschieden, der Sicherung der Funktionsfähig-
keit des Parlaments Vorrang vor derartigen Erwägungen einzuräumen. Das Bundesverfassungsgericht erachte
dies in ständiger Rechtsprechung für verfassungsrechtlich zulässig (siehe die Nachweise unter 1.). Ein wegen
Zersplitterung in kleine und kleinste Fraktionen nicht mehrheits- und handlungsfähiges Parlament, das zur
Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nicht in der Lage sei, wäre zudem in weit höherem Maße geeignet, Politikverdrossenheit zu för-
dern.

8. Aufgrund der verfassungskonformen Ausgestaltung der Fünf-Prozent-Sperrklausel im geltenden Bundes-
wahlgesetz sei der Wahlgesetzgeber auch nicht zur Einführung einer Alternativstimme („Eventualstimme“,
„Ersatzstimme“ bzw. „Stimmweitergabe-Option“) verpflichtet. Ergänzend sei darauf verwiesen, dass im
Schrifttum gegen die Einführung einer solchen Alternativstimme verfassungsrechtliche Bedenken geltend
gemacht würden: Eine Alternativstimme sei mit dem Charakter der Stimmabgabe als einer vorbehaltlosen
und bedingungsfeindlichen Willenserklärung nicht zu vereinbaren und verstoße daher gegen den Grundsatz
der Unmittelbarkeit der Wahl im Sinne des Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) und gegen
das Demokratieprinzip nach Artikel 20 Absatz 1 GG (so Strelen, in: Schreiber, Bundeswahlgesetz, 9. Auflage
2013, § 6 Rn. 37 sowie Schreiber, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: 43. Lfg.
April 2014, Art. 38 Rn. 40, 132). Überdies wäre die Gewährung einer Alternativstimme auch keine verfas-
sungspolitisch angezeigte Fortentwicklung des Wahlrechts. Sie würde das Stimmabgabeverfahren verkompli-
zieren, die Ermittlung des Wahlergebnisses wesentlich erschweren und verzögern und den Wähler von einer
eindeutigen politischen Entscheidung ohne Vorbehalt und Rückfallposition entpflichten (vgl. im Einzelnen
hierzu Strelen, in: Schreiber, § 6 Rn. 37).

9. Die Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Klausel sei schließlich auch nicht davon abhängig, dass Par-
teien, die jeweils mit einer eigenen Liste an der Bundestagswahl teilnehmen, ihre Landeslisten verbinden
dürften, um als Zählgemeinschaft die Sperrklausel zu überwinden. Derartige Listenverbindungen verschiede-
ner Parteien bei der Bundestagswahl seien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wegen
Verstoßes gegen den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit der Parteien verfas-
sungswidrig (BVerfGE 82, 322 [345 f.]). Eine derartige Listenverbindung würde allein dem Zweck dienen,
die verfassungslegitime Zielsetzung einer Fünf-Prozent-Sperrklausel, die Verhinderung einer Zersplitterung
des Parlaments, zu umgehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet. Dem Vortrag des Einspruchsführers lässt sich kein Verstoß
gegen Wahlrechtsvorschriften und damit kein Wahlfehler entnehmen.

1. Soweit der Einspruchsführer kritisiert, dass die (in § 1 Absatz 1 Satz 2, § 4 und § 6 BWG vorgesehene)
Verhältniswahl eine Parteien- bzw. Listenwahl ist, und er dies für verfassungswidrig hält, ist darauf hinzu-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 157 – Drucksache 18/1810

weisen, dass der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in ständiger Praxis im Rahmen eines
Wahlprüfungsverfahrens die Verfassungsmäßigkeit der für die Wahl geltenden Rechtsvorschriften nicht
überprüfen. Eine derartige Kontrolle ist stets dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten worden (vgl. etwa
Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlagen 26 bis 28 mit weiteren Nachweisen; 17/1000, Anlagen 5 und 11;
17/2200, Anlagen 1, 13 bis 15, 17 bis 20, 23 und 24; 17/3100, Anlagen 15, 19, 20, 22 bis 30, 32, 34 bis 36;
17/4600, Anlagen 10, 12, 13, 32, 38, 40 bis 43 mit weiteren Nachweisen; 17/6300, Anlage 19). Unabhängig
davon sind die Bedenken des Einspruchsführers unbegründet. Davon abgesehen, dass Artikel 21 Absatz 1
GG den Parteien eine Mitwirkung bei der politischen Willensbildung des Volkes zuschreibt – was offenbar
auch der Einspruchsführer nicht in Gänze ablehnt –, ist die Listenwahl verfassungsrechtlich zulässig. Dies
gilt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und ebenso ständiger Spruchpraxis des
Wahlprüfungsausschusses auch für die Wahl der Listenbewerber nach sog. starren Listen gemäß § 27 Absatz
3 BWG (vgl. vgl. BVerfGE 3, 45 [50 f.]; 7, 63 [67 ff.]; 21, 355 [355 f.]; 47, 253 [283]; 122, 304 [314]; Bun-
destagsdrucksachen 15/1850, Anlagen 9, 16, 31 und 34; 17/3100, Anlage 34; 17/6300, Anlage 35). Diese
Regelung verstößt nicht gegen die in Artikel 38 Absatz 1 GG niedergelegten Wahlgrundsätze, namentlich
nicht gegen den Grundsatz der unmittelbaren oder der gleichen Wahl. Denn die Zurechnung der abgegebenen
Wählerstimmen auf die einzelnen Wahlvorschläge vollzieht sich von der Stimmabgabe an ohne Zwischen-
schaltung eines von dem der Wähler abweichenden Willens (vgl. Hahlen, in: Schreiber, § 27 Rn. 4). Auch
lässt sich dem Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit nicht entnehmen, dass einem Wähler, der eine Präferenz
für einen bestimmten Kandidaten hat, die Möglichkeit eröffnet werden müsste, die Zweitstimme (nur) für
diesen Listenbewerber abzugeben (Hahlen, in: Schreiber, § 27 Rn. 12). Dies ist sachgerecht, denn im Gegen-
satz zur Erststimmenwahl, bei der die Wahlkreisbewerber im Vordergrund der Wahlentscheidung stehen,
kommt es bei der Landeslistenwahl nach dem gesetzgeberischen Grundgedanken für den Wähler entschei-
dend auf die von ihm favorisierte – durch eine bestimmte Partei vertretene – politische Programmatik an, für
deren Repräsentation die auf der Liste nominierten Bewerber ein Wählermandat anstreben (vgl. Strelen, in:
Schreiber, § 4 Rn. 3).

Überdies sind die Vorstellung des Einspruchsführers zur Wahlteilnahme von Parteien unzutreffend. Natur-
gemäß können nur natürliche Personen Abgeordnete sein. Nur sie sind daher gemäß Artikel 38 Absatz 2 GG
und § 15 BWG wählbar. Nicht die Parteien, sondern die von ihnen vorgeschlagenen Kandidaten können ge-
wählt werden. Dies ergibt sich prinzipiell aus § 18 BWG. Während Landeslisten gemäß § 27 BWG nur von
Parteien eingereicht werden können, können Kreiswahlvorschläge (für das Direktmandat) gemäß § 20 Absatz
3 BWG auch von parteiunabhängigen Einzelbewerbern eingereicht werden, sofern sie 200 Unterstützungsun-
terschriften einreichen. Die hohe Bedeutung der Parteien für die Vorschläge ergibt sich aus Artikel 21 Absatz
1 Satz 1 GG, wonach die Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes mitwirken. Die Demokratie
des Grundgesetzes ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine Mehrparteiende-
mokratie (vgl. etwa BVerfGE 2, 1 [13]; 5, 85 [224]).

2. Der Einspruchsführer bestreitet nicht, dass das Verfahren zur Auszählung der Stimmen und zur Verteilung
der Sitze auf die Landeslisten der Parteien bei der Bundestagswahl 2013 den Vorgaben des Bundeswahlge-
setzes entsprach. Dieses regelt in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1,
dass bei der Verteilung der Sitze auf die Landeslisten nur Parteien berücksichtigt werden, die mindestens fünf
Prozent der im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten oder in mindestens drei Wahlkrei-
sen einen Sitz errungen haben. Soweit der Einspruchsführer geltend macht, die Sperrklausel verstoße gegen
den Grundsatz der Wahlgleichheit und sei daher verfassungswidrig, ist erneut darauf hinzuweisen, dass der
Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsver-
fahrens die Verfassungsmäßigkeit der für die Wahl geltenden Rechtsvorschriften nicht überprüfen und eine
derartige Kontrolle stets dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten wurde. Allerdings hat der Wahlprü-
fungsausschuss schon in zahlreichen Wahlprüfungsentscheidungen früherer Wahlperioden keinen Anlass für
Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Klausel gesehen (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen
15/1850, Anlagen 9 und 47; 16/900, Anlage 14), zumal das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmä-
ßigkeit der Sperrklausel in ihrer Ausgestaltung durch das Bundeswahlgesetz in ständiger Rechtsprechung
bestätigt hat (vgl. BVerfGE 1, 208 [247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.];
95, 335 [366]; 95, 408 [417 ff.]; 120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.], siehe auch Bundes-
tagsdrucksache 16/900, Anlage 14). Es ist folglich verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass alle Par-
lamentssitze auf diejenigen Parteien verteilt werden, welche die Fünf-Prozent-Hürde überwunden haben.
Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Sperrklausel durch veränderte Ver-
hältnisse infrage gestellt werden. Dies ist bezüglich der Bundestagswahl 2013 aber nicht der Fall, wie das

Drucksache 18/1810 – 158 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Bundesministerium des Innern – auch unter Bezugnahme auf die Urteile vom 9. November 2011 und
26. Februar 2014 – in seiner Stellungnahme zutreffend feststellt: Dass nach dem amtlichen Endergebnis der
Bundestagswahl 2013 insgesamt 15,7 Prozent der gültigen Zweitstimmen nicht in die Mandatsverteilung
eingeflossen sind, weil sie für insgesamt 25 Parteien abgegeben wurden, die bundesweit weniger als fünf
Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, ändert nichts an der vom Bundesverfassungsgericht festgestellten
Verfassungskonformität der Fünf-Prozent-Hürde. Zwar war der Anteil der gültigen, aber wegen der Sperr-
klausel nicht in die Sitzverteilung eingeflossenen Zweitstimmen bei der Bundestagswahl 2013 höher als bei
früheren Bundestagswahlen, da – anders als bei vorhergehenden Wahlen – zwei Parteien jeweils fast fünf
Prozent und zudem 23 weitere Parteien insgesamt 6,2 Prozent (für sich genommen aber teilweise weniger als
0,1 Prozent) erreicht haben. Jedoch ist dieser Umstand nicht atypisch oder zuvor unbekannt gewesen. Es ist
zudem durchaus möglich, dass er bei kommenden Bundestagswahlen mit anderen Wahlergebnissen nicht
(mehr) auftritt. Der Einzug neuer Parteien in den Deutschen Bundestag wird, wie Beispiele aus der Geschich-
te der Bundesrepublik zeigen, ohnehin nicht durch die Sperrklausel verhindert. Außerdem ist die Fünf-
Prozent-Hürde auf das jeweilige Ergebnis einer jeden Partei bezogen. Nur die konkrete Stimmenzahl jeder
Partei kann der Ausgangspunkt der Sitzverteilung auf die Landeslisten sein (vgl. § 6 Absatz 1 BWG) – übri-
gens auch dann, wenn man gedanklich die Sperrklausel streicht oder eine niedrigere Sperrklausel ansetzt –;
erst im zweiten Schritt ist die Stimmenzahl einer jeden Partei in Relation zu den Stimmenanteilen der anderen
Parteien zu setzen (vgl. § 6 Absätze 2 bis 7 BWG). Die gedankliche Addition von Zweitstimmenanteilen
kann folglich für die Fünf-Prozent-Hürde keine Aussagekraft beanspruchen.

3. Soweit der Einspruchsführer den vollständigen Ausgleich von Überhangmandaten kritisiert, ist zunächst
festzuhalten, dass Überhangmandate im früheren Rechtssinne seit dem Inkrafttreten des 22. Gesetzes zur
Änderung des Bundeswahlgesetzes vom 3. Mai 2013 (Bundesgesetzblatt I S. 1082) nicht mehr existieren.
Stattdessen sind nach § 6 BWG n. F. nur noch Ausgleichsmandate möglich. Die Kritik des Einspruchsführers
an den Ausgleichsmandaten bleibt pauschal. Gleichwohl ist festzuhalten, dass die Normen – eingedenk des
oben erwähnten Prüfungsumfanges des Deutschen Bundestages – verfassungskonform sind. Sie entsprechen
dem Gestaltungsspielraum, den Artikel 38 Absatz 3 GG demWahlgesetzgeber einräumt.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 159 – Drucksache 18/1810

Anlage 24

Beschlussempfehlung

ZumWahleinspruch

des Herrn R. Z., 16225 Eberswalde,

– Az.: WP 130/13 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag
am 22. September 2013

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 26. Juni 2014 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit einem Schreiben vom 5. November 2013 Einspruch gegen die Gültigkeit der
Wahl zum 18. Deutschen Bundestag am 22. September 2013 eingelegt.

Er wendet sich gegen die Listenwahl, die Fünf-Prozent-Klausel und Ausgleichsmandate.

1. Die Verhältniswahl sei eine Parteienwahl. Sie verstoße gegen die Verfassungsvorgabe der Unmittelbarkeit
der Wahl. Parteien dürften nicht als „Sitzverteilerorgan“ zwischen Wähler und Mandat treten. Der Bürger
wisse nicht, welcher natürlichen Person von den vielen auf der Landesliste stehenden Kandidaten er seine
Stimme gebe. Die Annahme, die „Staatsgewaltübertragung“ eines Bürgers durch die Wahl einer Partei bzw.
Landesliste richte sich auf die auf der Liste aufgeführten Personen, sei aus den vorgenannten Gründen eine
irrationale und verfassungswidrige Fiktion. Zudem seien Parteien bzw. Landeslisten „selbst nach dem verfas-
sungswidrigen Wahlgesetz“ nicht wählbar, da § 15 Absatz 1 des Bundeswahlgesetzes (BWG) die Wählbar-
keit nur Deutschen zuspreche, die das 18. Lebensjahr vollendet haben.

2. Die Fünf-Prozent-Klausel verstoße gegen das Verfassungsgebot der Wahlgleichheit. Bei der angegriffenen
Bundestagswahl seien über 6,8 Millionen Stimmen, also 15,7 Prozent der abgegebenen Stimmen, nicht ge-
wertet worden. Der politische Gestaltungswille immerhin etwa jedes sechsten Wählers finde in dem neuen
Deutschen Bundestag keine Vertretung und kein Sprachrohr, das bei Debatten und Gesetzesberatungen ge-
hört würde. Es sei mit dem Grundgesetz nicht zu rechtfertigen, dass bei der Sitzverteilung willkürlich nur
Stimmen für die Parteien berücksichtigt würden, die einen vorher festgelegten Stimmenanteil erhielten. Die
Wählerstimmen für „Schwarz, Rot, Grün“ erlangten einen Bonus, den sich diese politischen Parteien vorher
mit dem Bundeswahlgesetz selbst zugesprochen hätten. Das sei ungerecht und verstoße auch gegen das Dis-
kriminierungsverbot, das Minderheiten schützen solle. Es wirke aber auch demokratiezerstörend, da ausge-
rechnet die Kleinparteien, die als einzige neue Gedanken und einen bislang nicht vertretenen Wählerwillen
zum Ausdruck bringen könnten, durch den reinen Machtspruch der Etablierten von der Gesetzgebung für das
Volk ausgeschlossen würden. Eine Absenkung der Fünf-Prozent-Klausel auf eine geringere Prozentzahl helfe
nicht. Es gebe keine Sperrklausel, die nicht verfassungswidrig sei.

3. Mit dem vollständigen Ausgleich aller Überhangmandate sei die Alleinherrschaft legitimationsloser, belie-
big austauschbarer „Parteifunktionäre“ ohne Persönlichkeit, Grundsätze und Kenntnisse zementiert. Zugleich
werde das einzig verfassungsgemäße Element der Bundestagswahl, die Direktwahl der Wahlkreisabgeordne-
ten, in die Bedeutungslosigkeit „hinabreglementiert“. Die Direktmandatsinhaber könnten die über die Liste
gewählten Abgeordneten wegen deren großer Zahl nicht überstimmen.

Wegen der Einzelheiten des Vortrages des Einspruchsführers wird auf den Inhalt der Akten Bezug genom-
men.

Das Bundesministerium des Innern hat zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-
Sperrklausel am 16. Juni 2014 wie folgt Stellung genommen:

Drucksache 18/1810 – 160 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

1. Das Bundesverfassungsgericht erachte in ständiger Rechtsprechung bei Wahlen zum Deutschen Bundestag
die heute in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG vorgesehene, auf
das gesamte Wahlgebiet bezogene Fünf-Prozent-Sperrklausel für verfassungsgemäß (vgl. BVerfGE 1, 208
[247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366]; 95, 408 [417 ff.];
120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.]). Zuletzt habe das Gericht in seinem Urteil vom
9. Januar 2011 zur Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen entschieden, dass die Fünf-Prozent-
Sperrklausel bei der Wahl zum Deutschen Bundestag ihre Rechtfertigung im Wesentlichen darin finde, dass
die Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende
Unterstützung nötig sei und dieses Ziel durch die Zersplitterung des Parlaments in viele kleine Gruppen ge-
fährdet werde (BVerfGE 129, 300 [335 f.]). In der Entscheidung vom 26. Februar 2014 (2 BvE 2/13 u. a.) zur
Drei-Prozent-Sperrklausel im Europawahlrecht habe das Gericht erneut bestätigt, dass eine Sperrklausel ge-
rechtfertigt sein könne, wenn Verhältnisse wie auf nationaler Ebene gegeben sind, wo die Bildung einer
stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Unterstützung nötig
sei (ebd. Rn. 72).

Angesichts der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei der Wahlgesetzgeber verfas-
sungsrechtlich nicht daran gehindert, bei der Verteilung der zu vergebenden Sitze auf die Landeslisten bei der
Bundestagswahl grundsätzlich nur die Parteien zu berücksichtigen, die mindestens fünf Prozent der im Wahl-
gebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten haben (§ 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Ab-
satz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG). Es sei ihm mit anderen Worten von Verfassungs wegen unbenommen,
gültige Zweitstimmen, die auf Landeslisten von Parteien entfallen sind, die nicht die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben, zwar für die Ergebnisfeststellung als relevant zu werten (§ 42 BWG), nicht
aber für die Sitzverteilung. Der Wahlgesetzgeber dürfe also ohne Verstoß gegen Bundesverfassungsrecht alle
zu vergebenden Parlamentssitze auf die Landeslisten derjenigen Parteien verteilen, die die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben.

Im Interesse der Handlungsfähigkeit des Deutschen Bundestages habe der Wahlgesetzgeber bisher an der auf
das gesamte Wahlgebiet bezogenen Fünf-Prozent-Sperrklausel, die seit der Wahl zum 2. Deutschen Bundes-
tag 1953 gilt, festgehalten. Denn eine Wahl habe – wie das Bundesverfassungsgericht betone (vgl. BVerfGE
51, 222 [236]) – „nicht nur das Ziel, eine Volksvertretung zu schaffen, die ein Spiegelbild der in der Wähler-
schaft vorhandenen politischen Meinungen darstellt, sondern sie soll auch ein funktionsfähiges Organ her-
vorbringen.“ Hierfür seien „(k)lare und ihrer Verantwortung für das Gesamtwohl bewusste Mehrheiten in
einer Volksvertretung (…) für eine Bewältigung der ihr gestellten Aufgaben unentbehrlich“, die durch einen
unbegrenzten Proporz nicht gewährleistet sind.

2. Zwar könne nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die verfassungsrechtliche Rechtfer-
tigung einer die Wahlgleichheit berührenden Norm des Wahlrechts wie eine Sperrklauselregelung durch ver-
änderte Verhältnisse oder neue Entwicklungen – etwa durch eine Änderung der vom Gesetzgeber vorausge-
setzten tatsächlichen oder normativen Grundlagen oder wenn sich die beim Erlass der Norm hinsichtlich ihrer
Auswirkungen angestellte Prognose als irrig erwiesen habe – in Frage gestellt werden (BVerfGE 82, 322
[338 f.]; 120, 82 [108]; 129, 300 [321 f.]; Urteil vom 26. Februar 2014, Az. 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 56). Dies
sei im Hinblick auf die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen jedoch nicht der Fall.

Eine Änderung der normativen Grundlagen für die Beurteilung der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundes-
tagswahlen, die das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung als verfassungsgemäß angesehen
habe, sei nicht festzustellen. Insbesondere führten das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
9. November 2011 zur Verfassungswidrigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen (BVerfGE
129, 300) und sein Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Sperrklausel im
Europawahlgesetz (2 BvE 2/13 u. a.) nicht zu einer abweichenden Bewertung. Das Bundesverfassungsgericht
begründe die Verfassungswidrigkeit der Sperrklauseln bei Europawahlen in diesen Urteilen mit der besonde-
ren Stellung und Funktion des Europäischen Parlaments im Gefüge der Organe der Europäischen Union, wo
eine vergleichbare Interessenlage wie bei der Bundestagswahl nicht bestehe (BVerfGE 129, 300 [336]). Auch
in seinem Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Klausel im Europawahl-
gesetz halte das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich an der gefestigten Rechtsprechung zum verfassungs-
rechtlichen Maßstab für die Beurteilung wahlrechtlicher Sperrklauseln fest und lege – wie es mehrfach beto-
ne – seinem Urteil die gleichen Prüfungsmaßstäbe wie im Urteil vom 9. November 2011 zugrunde (Az. 2
BvE 2/13 u. a., Rn. 37, 45, 63). In beiden Urteilen weise das Gericht zudem darauf hin, dass bei der Bundes-
tagswahl – anders als bei der Europawahl – der Deutsche Bundestag im Falle einer eintretenden Funktionsbe-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 161 – Drucksache 18/1810

einträchtigung aufgrund seiner veränderten strukturellen Zusammensetzung nicht mehr in der Lage wäre, die
gesetzlichen Regelungen zur Sicherung seiner Funktionsfähigkeit zu ändern, weil die erforderliche Mehrheit
nicht mehr zustande käme (BVerfGE 129, 300 [324]; Urteil vom 26. Februar 2014, 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 58).

3. Auch in tatsächlicher Hinsicht erfordere das Wahlergebnis der Bundestagswahl 2013, bei der zwei Parteien
mit einem Stimmenanteil von 4,8 Prozent bzw. 4,7 Prozent der Zweitstimmen vergleichsweise knapp an der
Fünf-Prozent-Klausel gescheitert seien, keine Neubewertung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der
Klausel. Der Gesetzgeber habe sich für die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen entschieden und
diese bis heute beibehalten, um in Konstellationen, in denen eine oder mehrere Parteien weniger als fünf
Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, die Funktionsfähigkeit des Bundestages sicherzustellen. Wenn eine
solche Konstellation bei einer Wahl – wie nun der Bundestagswahl 2013 – tatsächlich auftrete, liege gerade
nicht der Fall vor, dass sich eine Prognose des Gesetzgebers als irrig erwiesen habe oder dass eine Änderung
der vom Gesetzgeber vorausgesetzten tatsächlichen Verhältnisse eingetreten sei, sondern es habe sich ledig-
lich ein Szenario realisiert, das der Gesetzgeber mit seiner Regelung von vornherein habe erfassen wollen.
Auch das Bundesverfassungsgericht habe die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen in Kenntnis
des Umstands, dass an ihr nicht nur Parteien mit einem niedrigen Stimmenanteil zwischen null und zwei
Prozent der Zweitstimmen, sondern auch Parteien mit einem Stimmenanteil knapp unter fünf Prozent schei-
tern können, in ständiger Rechtsprechung als verfassungsmäßig angesehen (siehe die Nachweise unter 1.).

Die bei der Bundestagswahl 2013 aufgetretene hohe Gesamtzahl von abgegebenen gültigen Zweitstimmen
für Parteien, die die Fünf-Prozent-Sperrklausel nicht überwunden haben, sei kein Grund, das Vorliegen ver-
änderter Verhältnisse bzw. neuer Entwicklungen anzunehmen, die eine Neubewertung der verfassungsrecht-
lichen Zulässigkeit der Sperrklausel erforderten. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Sperrklausel sei
nicht von der Gesamtzahl der Stimmen für diejenigen Parteien abhängig, die die Sperrklausel bei einer ein-
zelnen Wahl nicht überwinden. Die Sperrklausel rechtfertige sich vielmehr durch den mit ihr verfolgten ver-
fassungsrechtlich legitimen Zweck, die Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages sicherzustellen (siehe
die Nachweise unter 1.). Sie erfülle ihren Zweck gerade dann, wenn viele an der Wahl teilnehmende Parteien
die Sperrklausel nicht überwinden, aber ohne Sperrklausel Sitze im Parlament erlangt hätten, da auf diese
Weise eine die stabile Mehrheitsbildung gefährdende Zersplitterung des Bundestages vermieden werde.

4. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel stehe nicht entgegen, dass eine
hohe Zahl von Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die aufgrund der Sperrklausel nicht an der Sitzvertei-
lung teilnehmen, eine absolute Mehrheit der Sitze für Parteien ermögliche, die bei der Wahl deutlich weniger
als der Hälfte der Stimmen erreicht haben. Das Erreichen einer Mehrheit der Sitze im Parlament sei immer
mit weniger als der Hälfte der gültigen Zweitstimmen möglich. Denn auch ohne Sperrklausel erhalte nicht
jede Partei, für die bei der Wahl gültige Stimmen abgegeben wurden, automatisch einen Sitz. Da für einen
Sitz auch ohne Sperrklausel stets eine bestimmte Zahl von Stimmen erforderlich sei, führten nicht alle Stim-
men zu einem Sitzerfolg und darum weniger als 50 Prozent der gültigen Zweitstimmen zu einer Mehrheit der
Sitze. Ein Verfassungsrechtssatz des Inhalts, dass einer Mehrheit der Mitglieder des Bundestages notwendi-
gerweise eine Mehrheit der Zweitstimmen in der Bundestagswahl entsprechen müsse, sei nicht feststellbar.
Wenn aber eine Partei in einer Wahl eine absolute Mehrheit der Zweitstimmen erhalte, sei gesichert, dass auf
sie mehr als die Hälfte der Sitze entfalle (§ 6 Absatz 7 BWG).

5. Gegen die Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht vorgebracht werden, sie verhindere bzw. erschwere
in übermäßiger Weise die Entstehung oder Etablierung neuer Parteien und schränke dadurch in unzulässiger
Weise die Chancengleichheit der Parteien ein. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Chancengleichheit
der Parteien verlange nicht, dass jeder Partei, die bei der Bundestagswahl Stimmen erhalte, Sitze im Bundes-
tag garantiert seien. Jede Partei habe rechtlich die gleiche Chance auf Teilnahme an der Sitzverteilung bei
Überwindung der Sperrklausel. Wenn eine Partei die für alle geltende Sperrklausel nicht überwinde, so sei
dies Resultat zu geringer Zustimmung in der Wählerschaft und gerade nicht ungleicher Chancen, denn die
unterschiedliche Gewichtung des Erfolgswerts von Wahlstimmen durch eine Sperrklausel treffe alle Parteien
gleichermaßen (vgl. BVerfGE 82, 322 [345]).

Dass die Fünf-Prozent-Sperrklausel die Entstehung und Etablierung neuer Parteien nicht verhindere oder
übermäßig erschwere, zeige der Einzug in die Parlamente auch neuer Parteien in den vergangenen Jahren bei
Bundestagswahlen und Landtagswahlen, bei denen nach Landesrecht ebenfalls Fünf-Prozent-Sperrklauseln
bestünden. Die Sperrklauseln trügen zu einem Mindestmaß an Konsolidierung neuer Parteien bei, indem sie
eine funktionierende Organisation und eine hinreichende Kampagnenfähigkeit der Partei erforderlich mach-

Drucksache 18/1810 – 162 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

ten, um einen erfolgreichen Wahlkampf zu führen, der den Einzug ins Parlament ermögliche. Auch das Bun-
desverfassungsgericht sehe in ständiger Rechtsprechung in der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestags-
wahlen keinen verfassungswidrigen Eingriff in die Chancengleichheit der Parteien (siehe die Nachweise un-
ter 1.).

6. Die Fünf-Prozent-Sperrklausel habe nicht zur Folge, dass die Parteien, die die Sperrklausel überwunden
haben und deshalb an der Sitzverteilung teilnehmen, von den Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die an
der Sperrklausel gescheitert sind und somit nicht an der Sitzverteilung teilnehmen, profitierten und die Wäh-
ler bei der Stimmabgabe nicht erkennen könnten, welche Partei letztlich tatsächlich von ihrer Zweitstimme
profitiere. Von der Zweitstimme für eine Partei profitiere stets die Partei, für die die Stimme abgegeben wor-
den sei. Wenn eine Partei aufgrund eines zur Überwindung der Sperrklausel nicht ausreichenden Zuspruchs
in der Wählerschaft nicht an der Sitzverteilung teilnehme, würden die zu vergebenden Sitze auf die Parteien
verteilt, die die Sperrklausel überwunden haben. Diese Parteien profitierten bei dieser Verteilung von den für
sie abgegebenen Zweitstimmen, nicht von den Zweitstimmen für die an der Sperrklausel gescheiterten Partei-
en, die wegen Nichtteilnahme an der Sitzverteilung zu keinem Sitzerfolg führten.

7. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht entgegengehalten
werden, der Umstand, dass aufgrund der Sperrklausel eine hohe Zahl von Stimmen bei der Sitzverteilung
unberücksichtigt bleibe, befördere die Politikverdrossenheit der Wahlberechtigten. Unabhängig davon, ob
dies tatsächlich der Fall sei, habe sich der Gesetzgeber dazu entschieden, der Sicherung der Funktionsfähig-
keit des Parlaments Vorrang vor derartigen Erwägungen einzuräumen. Das Bundesverfassungsgericht erachte
dies in ständiger Rechtsprechung für verfassungsrechtlich zulässig (siehe die Nachweise unter 1.). Ein wegen
Zersplitterung in kleine und kleinste Fraktionen nicht mehrheits- und handlungsfähiges Parlament, das zur
Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nicht in der Lage sei, wäre zudem in weit höherem Maße geeignet, Politikverdrossenheit zu för-
dern.

8. Aufgrund der verfassungskonformen Ausgestaltung der Fünf-Prozent-Sperrklausel im geltenden Bundes-
wahlgesetz sei der Wahlgesetzgeber auch nicht zur Einführung einer Alternativstimme („Eventualstimme“,
„Ersatzstimme“ bzw. „Stimmweitergabe-Option“) verpflichtet. Ergänzend sei darauf verwiesen, dass im
Schrifttum gegen die Einführung einer solchen Alternativstimme verfassungsrechtliche Bedenken geltend
gemacht würden: Eine Alternativstimme sei mit dem Charakter der Stimmabgabe als einer vorbehaltlosen
und bedingungsfeindlichen Willenserklärung nicht zu vereinbaren und verstoße daher gegen den Grundsatz
der Unmittelbarkeit der Wahl im Sinne des Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) und gegen
das Demokratieprinzip nach Artikel 20 Absatz 1 GG (so Strelen, in: Schreiber, Bundeswahlgesetz, 9. Auflage
2013, § 6 Rn. 37 sowie Schreiber, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: 43. Lfg.
April 2014, Art. 38 Rn. 40, 132). Überdies wäre die Gewährung einer Alternativstimme auch keine verfas-
sungspolitisch angezeigte Fortentwicklung des Wahlrechts. Sie würde das Stimmabgabeverfahren verkompli-
zieren, die Ermittlung des Wahlergebnisses wesentlich erschweren und verzögern und den Wähler von einer
eindeutigen politischen Entscheidung ohne Vorbehalt und Rückfallposition entpflichten (vgl. im Einzelnen
hierzu Strelen, in: Schreiber, § 6 Rn. 37).

9. Die Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Klausel sei schließlich auch nicht davon abhängig, dass Par-
teien, die jeweils mit einer eigenen Liste an der Bundestagswahl teilnehmen, ihre Landeslisten verbinden
dürften, um als Zählgemeinschaft die Sperrklausel zu überwinden. Derartige Listenverbindungen verschiede-
ner Parteien bei der Bundestagswahl seien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wegen
Verstoßes gegen den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit der Parteien verfas-
sungswidrig (BVerfGE 82, 322 [345 f.]). Eine derartige Listenverbindung würde allein dem Zweck dienen,
die verfassungslegitime Zielsetzung einer Fünf-Prozent-Sperrklausel, die Verhinderung einer Zersplitterung
des Parlaments, zu umgehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet. Dem Vortrag des Einspruchsführers lässt sich kein Verstoß
gegen Wahlrechtsvorschriften und damit kein Wahlfehler entnehmen.

1. Soweit der Einspruchsführer kritisiert, dass die (in § 1 Absatz 1 Satz 2, § 4 und § 6 BWG vorgesehene)
Verhältniswahl eine Parteien- bzw. Listenwahl ist, und er dies für verfassungswidrig hält, ist darauf hinzu-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 163 – Drucksache 18/1810

weisen, dass der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in ständiger Praxis im Rahmen eines
Wahlprüfungsverfahrens die Verfassungsmäßigkeit der für die Wahl geltenden Rechtsvorschriften nicht
überprüfen. Eine derartige Kontrolle ist stets dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten worden (vgl. etwa
Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlagen 26 bis 28 mit weiteren Nachweisen; 17/1000, Anlagen 5 und 11;
17/2200, Anlagen 1, 13 bis 15, 17 bis 20, 23 und 24; 17/3100, Anlagen 15, 19, 20, 22 bis 30, 32, 34 bis 36;
17/4600, Anlagen 10, 12, 13, 32, 38, 40 bis 43 mit weiteren Nachweisen; 17/6300, Anlage 19). Unabhängig
davon sind die Bedenken des Einspruchsführers unbegründet. Davon abgesehen, dass Artikel 21 Absatz 1
GG den Parteien eine Mitwirkung bei der politischen Willensbildung des Volkes zuschreibt – was offenbar
auch der Einspruchsführer nicht in Gänze ablehnt –, ist die Listenwahl verfassungsrechtlich zulässig. Dies
gilt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und ebenso ständiger Spruchpraxis des
Wahlprüfungsausschusses auch für die Wahl der Listenbewerber nach sog. starren Listen gemäß § 27 Absatz
3 BWG (vgl. vgl. BVerfGE 3, 45 [50 f.]; 7, 63 [67 ff.]; 21, 355 [355 f.]; 47, 253 [283]; 122, 304 [314]; Bun-
destagsdrucksachen 15/1850, Anlagen 9, 16, 31 und 34; 17/3100, Anlage 34; 17/6300, Anlage 35). Diese
Regelung verstößt nicht gegen die in Artikel 38 Absatz 1 GG niedergelegten Wahlgrundsätze, namentlich
nicht gegen den Grundsatz der unmittelbaren oder der gleichen Wahl. Denn die Zurechnung der abgegebenen
Wählerstimmen auf die einzelnen Wahlvorschläge vollzieht sich von der Stimmabgabe an ohne Zwischen-
schaltung eines von dem der Wähler abweichenden Willens (vgl. Hahlen, in: Schreiber, § 27 Rn. 4). Auch
lässt sich dem Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit nicht entnehmen, dass einem Wähler, der eine Präferenz
für einen bestimmten Kandidaten hat, die Möglichkeit eröffnet werden müsste, die Zweitstimme (nur) für
diesen Listenbewerber abzugeben (Hahlen, in: Schreiber, § 27 Rn. 12). Dies ist sachgerecht, denn im Gegen-
satz zur Erststimmenwahl, bei der die Wahlkreisbewerber im Vordergrund der Wahlentscheidung stehen,
kommt es bei der Landeslistenwahl nach dem gesetzgeberischen Grundgedanken für den Wähler entschei-
dend auf die von ihm favorisierte – durch eine bestimmte Partei vertretene – politische Programmatik an, für
deren Repräsentation die auf der Liste nominierten Bewerber ein Wählermandat anstreben (vgl. Strelen, in:
Schreiber, § 4 Rn. 3).

Überdies sind die Vorstellung des Einspruchsführers zur Wahlteilnahme von Parteien unzutreffend. Natur-
gemäß können nur natürliche Personen Abgeordnete sein. Nur sie sind daher gemäß Artikel 38 Absatz 2 GG
und § 15 BWG wählbar. Nicht die Parteien, sondern die von ihnen vorgeschlagenen Kandidaten können ge-
wählt werden. Dies ergibt sich prinzipiell aus § 18 BWG. Während Landeslisten gemäß § 27 BWG nur von
Parteien eingereicht werden können, können Kreiswahlvorschläge (für das Direktmandat) gemäß § 20 Absatz
3 BWG auch von parteiunabhängigen Einzelbewerbern eingereicht werden, sofern sie 200 Unterstützungsun-
terschriften einreichen. Die hohe Bedeutung der Parteien für die Vorschläge ergibt sich aus Artikel 21 Absatz
1 Satz 1 GG, wonach die Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes mitwirken. Die Demokratie
des Grundgesetzes ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine Mehrparteiende-
mokratie (vgl. etwa BVerfGE 2, 1 [13]; 5, 85 [224]).

2. Der Einspruchsführer bestreitet nicht, dass das Verfahren zur Auszählung der Stimmen und zur Verteilung
der Sitze auf die Landeslisten der Parteien bei der Bundestagswahl 2013 den Vorgaben des Bundeswahlge-
setzes entsprach. Dieses regelt in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1,
dass bei der Verteilung der Sitze auf die Landeslisten nur Parteien berücksichtigt werden, die mindestens fünf
Prozent der im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten oder in mindestens drei Wahlkrei-
sen einen Sitz errungen haben. Soweit der Einspruchsführer geltend macht, die Sperrklausel verstoße gegen
den Grundsatz der Wahlgleichheit und sei daher verfassungswidrig, ist erneut darauf hinzuweisen, dass der
Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsver-
fahrens die Verfassungsmäßigkeit der für die Wahl geltenden Rechtsvorschriften nicht überprüfen und eine
derartige Kontrolle stets dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten wurde. Allerdings hat der Wahlprü-
fungsausschuss schon in zahlreichen Wahlprüfungsentscheidungen früherer Wahlperioden keinen Anlass für
Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Klausel gesehen (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen
15/1850, Anlagen 9 und 47; 16/900, Anlage 14), zumal das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmä-
ßigkeit der Sperrklausel in ihrer Ausgestaltung durch das Bundeswahlgesetz in ständiger Rechtsprechung
bestätigt hat (vgl. BVerfGE 1, 208 [247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.];
95, 335 [366]; 95, 408 [417 ff.]; 120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.], siehe auch Bundes-
tagsdrucksache 16/900, Anlage 14). Es ist folglich verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass alle Par-
lamentssitze auf diejenigen Parteien verteilt werden, welche die Fünf-Prozent-Hürde überwunden haben.
Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Sperrklausel durch veränderte Ver-
hältnisse infrage gestellt werden. Dies ist bezüglich der Bundestagswahl 2013 aber nicht der Fall, wie das

Drucksache 18/1810 – 164 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Bundesministerium des Innern – auch unter Bezugnahme auf die Urteile vom 9. November 2011 und
26. Februar 2014 – in seiner Stellungnahme zutreffend feststellt: Dass nach dem amtlichen Endergebnis der
Bundestagswahl 2013 insgesamt 15,7 Prozent der gültigen Zweitstimmen nicht in die Mandatsverteilung
eingeflossen sind, weil sie für insgesamt 25 Parteien abgegeben wurden, die bundesweit weniger als fünf
Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, ändert nichts an der vom Bundesverfassungsgericht festgestellten
Verfassungskonformität der Fünf-Prozent-Hürde. Zwar war der Anteil der gültigen, aber wegen der Sperr-
klausel nicht in die Sitzverteilung eingeflossenen Zweitstimmen bei der Bundestagswahl 2013 höher als bei
früheren Bundestagswahlen, da – anders als bei vorhergehenden Wahlen – zwei Parteien jeweils fast fünf
Prozent und zudem 23 weitere Parteien insgesamt 6,2 Prozent (für sich genommen aber teilweise weniger als
0,1 Prozent) erreicht haben. Jedoch ist dieser Umstand nicht atypisch oder zuvor unbekannt gewesen. Es ist
zudem durchaus möglich, dass er bei kommenden Bundestagswahlen mit anderen Wahlergebnissen nicht
(mehr) auftritt. Der Einzug neuer Parteien in den Deutschen Bundestag wird, wie Beispiele aus der Geschich-
te der Bundesrepublik zeigen, ohnehin nicht durch die Sperrklausel verhindert. Außerdem ist die Fünf-
Prozent-Hürde auf das jeweilige Ergebnis einer jeden Partei bezogen. Nur die konkrete Stimmenzahl jeder
Partei kann der Ausgangspunkt der Sitzverteilung auf die Landeslisten sein (vgl. § 6 Absatz 1 BWG) – übri-
gens auch dann, wenn man gedanklich die Sperrklausel streicht oder eine niedrigere Sperrklausel ansetzt –;
erst im zweiten Schritt ist die Stimmenzahl einer jeden Partei in Relation zu den Stimmenanteilen der anderen
Parteien zu setzen (vgl. § 6 Absätze 2 bis 7 BWG). Die gedankliche Addition von Zweitstimmenanteilen
kann folglich für die Fünf-Prozent-Hürde keine Aussagekraft beanspruchen.

3. Soweit der Einspruchsführer den vollständigen Ausgleich von Überhangmandaten kritisiert, ist zunächst
festzuhalten, dass Überhangmandate im früheren Rechtssinne seit dem Inkrafttreten des 22. Gesetzes zur
Änderung des Bundeswahlgesetzes vom 3. Mai 2013 (Bundesgesetzblatt I S. 1082) nicht mehr existieren.
Stattdessen sind nach § 6 BWG n. F. nur noch Ausgleichsmandate möglich. Die Kritik des Einspruchsführers
an den Ausgleichsmandaten bleibt pauschal. Gleichwohl ist festzuhalten, dass die Normen – eingedenk des
oben erwähnten Prüfungsumfanges des Deutschen Bundestages – verfassungskonform sind. Sie entsprechen
dem Gestaltungsspielraum, den Artikel 38 Absatz 3 GG demWahlgesetzgeber einräumt.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 165 – Drucksache 18/1810

Anlage 25

Beschlussempfehlung

ZumWahleinspruch

des Herrn H. W., 77815 Bühl,

– Az.: WP 135/13 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag
am 22. September 2013

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 26. Juni 2014 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit einem Schreiben vom 9. November 2013 Einspruch gegen die Wahl zum
18. Deutschen Bundestag am 22. September 2013 eingelegt.

Er wendet sich gegen die „Auswertung“ des Wahlergebnisses und die Sitzverteilung, insbesondere die Aus-
wirkungen der Fünf-Prozent-Klausel. Die Zusammensetzung des Deutschen Bundestages stimme nicht mit
dem Wählerwillen überein. Obwohl über 50 Prozent der Wähler Parteien der konservativen Mitte gewählt
hätten, hätten die „links“ ausgerichteten Parteien über 50 Prozent der Sitze im Deutschen Bundestag erhalten.
Speziell die Partei Die Linke dürfte von der aktuellen Vorgehensweise zur Sitzverteilung profitiert haben. Es
sei davon auszugehen, dass nur sehr wenige Wähler der FDP oder der Partei „Alternative für Deutschland“
(AfD) alternativ Die Linke gewählt hätten. Dennoch hätten die Stimmen für die FDP und für die AfD die
Partei Die Linke mit ca. fünf bis sechs Sitzen im Deutschen Bundestag unterstützt. Dieser Einfluss auf die
Sitzverhältnisse sei deutlich stärker als das vom Bundesverfassungsgericht als nicht grundgesetzkonform
angemahnte negative Stimmengewicht und daher ebenfalls verfassungswidrig. Ferner sei der Umgang mit
den Stimmen für Parteien, die nicht die Fünf-Prozent-Hürde überwunden hätten, nicht mit Artikel 38 Absatz
1 des Grundgesetzes (GG) vereinbar, da die Wahlfreiheit für eine spezielle Partei mit Rücksicht auf eine
gewollte gesamtpolitische Richtung eingeschränkt werde, eine gleiche Gewichtung der einzelnen Stimmen
für die Zusammensetzung des Parlaments nicht gegeben sei und keine Chancengleichheit für kleine Parteien
(mit einem zu erwartenden Stimmenanteil von fünf Prozent oder weniger) und große Parteien bestehe. Die
Einschränkung der Wahlfreiheit und der Chancengleichheit ergebe sich aus Folgendem: Wenn die Gefahr
bestehe, dass die von einem Wähler eigentlich favorisierte Partei die Sperrklausel nicht überwinde, sei dieser
Wähler gezwungen, eine andere Partei mit ähnlichen politischen Grundsätzen zu wählen, um wenigstens die
von ihm gewünschte generelle politische Richtung zu unterstützen. Unter Umständen gehe er gar nicht wäh-
len. Im Ergebnis fehlten bestimmten kleineren Parteien Stimmen. Aufgrund der Fünf-Prozent-Hürde würden
die Stimmen auch unterschiedlich gewichtet: Die Stimmen für die Parteien unterhalb der Sperrklausel wür-
den mit „Null“ gewertet, die für die Parteien oberhalb der Sperrklausel mit einem höheren Faktor, als ihnen
eigentlich zukäme. Ziel des Einspruchs sei nicht die Änderung oder Abschaffung der Fünf-Prozent-Hürde,
sondern sicherzustellen, dass der Wähler seinen Willen frei zum Ausdruck bringen könne, ohne befürchten zu
müssen, dass nach der Wahl Dritte über seine Stimme verfügten und sich seine Stimme entgegen seinem
Willen auf die Zusammensetzung des Deutschen Bundestages auswirke. Gemäß der Auswertung des Wahl-
ergebnisses würden Wähler kleiner Parteien mit Nichtwählern und „Ungültig-Wählern“ gleichgestellt. Jene
zeigten durch die Abgabe eines gültigen Stimmzettels, dass sie eine bestimmte politische Richtung verträten
und sich nicht einfach demWillen der restlichen Mehrheit beugen wollten. Wenn dann ihre favorisierte Partei
an der Fünf-Prozent-Klausel scheitere, verlören sie die Kontrolle über ihre Stimme, die unter den Parteien,
welche über der Sperrklausel lägen, verteilt werde.

Der Einspruchsführer stellt außerdem ein der Eventualstimmenidee ähnelndes Konzept mit Rangstufen bei
der Stimmabgabe vor, dass die von ihm bemängelten Folgen vermeiden soll.

Drucksache 18/1810 – 166 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Wegen der Einzelheiten des Vortrages des Einspruchsführers wird auf den Inhalt der Akten Bezug genom-
men.

Das Bundesministerium des Innern hat zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-
Sperrklausel am 16. Juni 2014 wie folgt Stellung genommen:

1. Das Bundesverfassungsgericht erachte in ständiger Rechtsprechung bei Wahlen zum Deutschen Bundestag
die heute in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1 des Bundeswahlgesetzes
(BWG) vorgesehene, auf das gesamte Wahlgebiet bezogene Fünf-Prozent-Sperrklausel für verfassungsgemäß
(vgl. BVerfGE 1, 208 [247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366];
95, 408 [417 ff.]; 120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.]). Zuletzt habe das Gericht in seinem
Urteil vom 9. Januar 2011 zur Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen entschieden, dass die Fünf-
Prozent-Sperrklausel bei der Wahl zum Deutschen Bundestag ihre Rechtfertigung im Wesentlichen darin
finde, dass die Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren
fortlaufende Unterstützung nötig sei und dieses Ziel durch die Zersplitterung des Parlaments in viele kleine
Gruppen gefährdet werde (BVerfGE 129, 300 [335 f.]). In der Entscheidung vom 26. Februar 2014 (2 BvE
2/13 u. a.) zur Drei-Prozent-Sperrklausel im Europawahlrecht habe das Gericht erneut bestätigt, dass eine
Sperrklausel gerechtfertigt sein könne, wenn Verhältnisse wie auf nationaler Ebene gegeben sind, wo die
Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nötig sei (ebd. Rn. 72).

Angesichts der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei der Wahlgesetzgeber verfas-
sungsrechtlich nicht daran gehindert, bei der Verteilung der zu vergebenden Sitze auf die Landeslisten bei der
Bundestagswahl grundsätzlich nur die Parteien zu berücksichtigen, die mindestens fünf Prozent der im Wahl-
gebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten haben (§ 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Ab-
satz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG). Es sei ihm mit anderen Worten von Verfassungs wegen unbenommen,
gültige Zweitstimmen, die auf Landeslisten von Parteien entfallen sind, die nicht die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben, zwar für die Ergebnisfeststellung als relevant zu werten (§ 42 BWG), nicht
aber für die Sitzverteilung. Der Wahlgesetzgeber dürfe also ohne Verstoß gegen Bundesverfassungsrecht alle
zu vergebenden Parlamentssitze auf die Landeslisten derjenigen Parteien verteilen, die die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben.

Im Interesse der Handlungsfähigkeit des Deutschen Bundestages habe der Wahlgesetzgeber bisher an der auf
das gesamte Wahlgebiet bezogenen Fünf-Prozent-Sperrklausel, die seit der Wahl zum 2. Deutschen Bundes-
tag 1953 gilt, festgehalten. Denn eine Wahl habe – wie das Bundesverfassungsgericht betone (vgl. BVerfGE
51, 222 [236]) – „nicht nur das Ziel, eine Volksvertretung zu schaffen, die ein Spiegelbild der in der Wähler-
schaft vorhandenen politischen Meinungen darstellt, sondern sie soll auch ein funktionsfähiges Organ her-
vorbringen.“ Hierfür seien „(k)lare und ihrer Verantwortung für das Gesamtwohl bewusste Mehrheiten in
einer Volksvertretung (…) für eine Bewältigung der ihr gestellten Aufgaben unentbehrlich“, die durch einen
unbegrenzten Proporz nicht gewährleistet sind.

2. Zwar könne nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die verfassungsrechtliche Rechtfer-
tigung einer die Wahlgleichheit berührenden Norm des Wahlrechts wie eine Sperrklauselregelung durch ver-
änderte Verhältnisse oder neue Entwicklungen – etwa durch eine Änderung der vom Gesetzgeber vorausge-
setzten tatsächlichen oder normativen Grundlagen oder wenn sich die beim Erlass der Norm hinsichtlich ihrer
Auswirkungen angestellte Prognose als irrig erwiesen habe – in Frage gestellt werden (BVerfGE 82, 322
[338 f.]; 120, 82 [108]; 129, 300 [321 f.]; Urteil vom 26. Februar 2014, Az. 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 56). Dies
sei im Hinblick auf die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen jedoch nicht der Fall.

Eine Änderung der normativen Grundlagen für die Beurteilung der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundes-
tagswahlen, die das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung als verfassungsgemäß angesehen
habe, sei nicht festzustellen. Insbesondere führten das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
9. November 2011 zur Verfassungswidrigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen (BVerfGE
129, 300) und sein Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Sperrklausel im
Europawahlgesetz (2 BvE 2/13 u. a.) nicht zu einer abweichenden Bewertung. Das Bundesverfassungsgericht
begründe die Verfassungswidrigkeit der Sperrklauseln bei Europawahlen in diesen Urteilen mit der besonde-
ren Stellung und Funktion des Europäischen Parlaments im Gefüge der Organe der Europäischen Union, wo
eine vergleichbare Interessenlage wie bei der Bundestagswahl nicht bestehe (BVerfGE 129, 300 [336]). Auch
in seinem Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Klausel im Europawahl-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 167 – Drucksache 18/1810

gesetz halte das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich an der gefestigten Rechtsprechung zum verfassungs-
rechtlichen Maßstab für die Beurteilung wahlrechtlicher Sperrklauseln fest und lege – wie es mehrfach beto-
ne – seinem Urteil die gleichen Prüfungsmaßstäbe wie im Urteil vom 9. November 2011 zugrunde (Az. 2
BvE 2/13 u. a., Rn. 37, 45, 63). In beiden Urteilen weise das Gericht zudem darauf hin, dass bei der Bundes-
tagswahl – anders als bei der Europawahl – der Deutsche Bundestag im Falle einer eintretenden Funktionsbe-
einträchtigung aufgrund seiner veränderten strukturellen Zusammensetzung nicht mehr in der Lage wäre, die
gesetzlichen Regelungen zur Sicherung seiner Funktionsfähigkeit zu ändern, weil die erforderliche Mehrheit
nicht mehr zustande käme (BVerfGE 129, 300 [324]; Urteil vom 26. Februar 2014, 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 58).

3. Auch in tatsächlicher Hinsicht erfordere das Wahlergebnis der Bundestagswahl 2013, bei der zwei Parteien
mit einem Stimmenanteil von 4,8 Prozent bzw. 4,7 Prozent der Zweitstimmen vergleichsweise knapp an der
Fünf-Prozent-Klausel gescheitert seien, keine Neubewertung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der
Klausel. Der Gesetzgeber habe sich für die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen entschieden und
diese bis heute beibehalten, um in Konstellationen, in denen eine oder mehrere Parteien weniger als fünf
Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, die Funktionsfähigkeit des Bundestages sicherzustellen. Wenn eine
solche Konstellation bei einer Wahl – wie nun der Bundestagswahl 2013 – tatsächlich auftrete, liege gerade
nicht der Fall vor, dass sich eine Prognose des Gesetzgebers als irrig erwiesen habe oder dass eine Änderung
der vom Gesetzgeber vorausgesetzten tatsächlichen Verhältnisse eingetreten sei, sondern es habe sich ledig-
lich ein Szenario realisiert, das der Gesetzgeber mit seiner Regelung von vornherein habe erfassen wollen.
Auch das Bundesverfassungsgericht habe die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen in Kenntnis
des Umstands, dass an ihr nicht nur Parteien mit einem niedrigen Stimmenanteil zwischen null und zwei
Prozent der Zweitstimmen, sondern auch Parteien mit einem Stimmenanteil knapp unter fünf Prozent schei-
tern können, in ständiger Rechtsprechung als verfassungsmäßig angesehen (siehe die Nachweise unter 1.).

Die bei der Bundestagswahl 2013 aufgetretene hohe Gesamtzahl von abgegebenen gültigen Zweitstimmen
für Parteien, die die Fünf-Prozent-Sperrklausel nicht überwunden haben, sei kein Grund, das Vorliegen ver-
änderter Verhältnisse bzw. neuer Entwicklungen anzunehmen, die eine Neubewertung der verfassungsrecht-
lichen Zulässigkeit der Sperrklausel erforderten. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Sperrklausel sei
nicht von der Gesamtzahl der Stimmen für diejenigen Parteien abhängig, die die Sperrklausel bei einer ein-
zelnen Wahl nicht überwinden. Die Sperrklausel rechtfertige sich vielmehr durch den mit ihr verfolgten ver-
fassungsrechtlich legitimen Zweck, die Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages sicherzustellen (siehe
die Nachweise unter 1.). Sie erfülle ihren Zweck gerade dann, wenn viele an der Wahl teilnehmende Parteien
die Sperrklausel nicht überwinden, aber ohne Sperrklausel Sitze im Parlament erlangt hätten, da auf diese
Weise eine die stabile Mehrheitsbildung gefährdende Zersplitterung des Bundestages vermieden werde.

4. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel stehe nicht entgegen, dass eine
hohe Zahl von Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die aufgrund der Sperrklausel nicht an der Sitzvertei-
lung teilnehmen, eine absolute Mehrheit der Sitze für Parteien ermögliche, die bei der Wahl deutlich weniger
als der Hälfte der Stimmen erreicht haben. Das Erreichen einer Mehrheit der Sitze im Parlament sei immer
mit weniger als der Hälfte der gültigen Zweitstimmen möglich. Denn auch ohne Sperrklausel erhalte nicht
jede Partei, für die bei der Wahl gültige Stimmen abgegeben wurden, automatisch einen Sitz. Da für einen
Sitz auch ohne Sperrklausel stets eine bestimmte Zahl von Stimmen erforderlich sei, führten nicht alle Stim-
men zu einem Sitzerfolg und darum weniger als 50 Prozent der gültigen Zweitstimmen zu einer Mehrheit der
Sitze. Ein Verfassungsrechtssatz des Inhalts, dass einer Mehrheit der Mitglieder des Bundestages notwendi-
gerweise eine Mehrheit der Zweitstimmen in der Bundestagswahl entsprechen müsse, sei nicht feststellbar.
Wenn aber eine Partei in einer Wahl eine absolute Mehrheit der Zweitstimmen erhalte, sei gesichert, dass auf
sie mehr als die Hälfte der Sitze entfalle (§ 6 Absatz 7 BWG).

5. Gegen die Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht vorgebracht werden, sie verhindere bzw. erschwere
in übermäßiger Weise die Entstehung oder Etablierung neuer Parteien und schränke dadurch in unzulässiger
Weise die Chancengleichheit der Parteien ein. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Chancengleichheit
der Parteien verlange nicht, dass jeder Partei, die bei der Bundestagswahl Stimmen erhalte, Sitze im Bundes-
tag garantiert seien. Jede Partei habe rechtlich die gleiche Chance auf Teilnahme an der Sitzverteilung bei
Überwindung der Sperrklausel. Wenn eine Partei die für alle geltende Sperrklausel nicht überwinde, so sei
dies Resultat zu geringer Zustimmung in der Wählerschaft und gerade nicht ungleicher Chancen, denn die
unterschiedliche Gewichtung des Erfolgswerts von Wahlstimmen durch eine Sperrklausel treffe alle Parteien
gleichermaßen (vgl. BVerfGE 82, 322 [345]).

Drucksache 18/1810 – 168 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Dass die Fünf-Prozent-Sperrklausel die Entstehung und Etablierung neuer Parteien nicht verhindere oder
übermäßig erschwere, zeige der Einzug in die Parlamente auch neuer Parteien in den vergangenen Jahren bei
Bundestagswahlen und Landtagswahlen, bei denen nach Landesrecht ebenfalls Fünf-Prozent-Sperrklauseln
bestünden. Die Sperrklauseln trügen zu einem Mindestmaß an Konsolidierung neuer Parteien bei, indem sie
eine funktionierende Organisation und eine hinreichende Kampagnenfähigkeit der Partei erforderlich mach-
ten, um einen erfolgreichen Wahlkampf zu führen, der den Einzug ins Parlament ermögliche. Auch das Bun-
desverfassungsgericht sehe in ständiger Rechtsprechung in der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestags-
wahlen keinen verfassungswidrigen Eingriff in die Chancengleichheit der Parteien (siehe die Nachweise un-
ter 1.).

6. Die Fünf-Prozent-Sperrklausel habe nicht zur Folge, dass die Parteien, die die Sperrklausel überwunden
haben und deshalb an der Sitzverteilung teilnehmen, von den Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die an
der Sperrklausel gescheitert sind und somit nicht an der Sitzverteilung teilnehmen, profitierten und die Wäh-
ler bei der Stimmabgabe nicht erkennen könnten, welche Partei letztlich tatsächlich von ihrer Zweitstimme
profitiere. Von der Zweitstimme für eine Partei profitiere stets die Partei, für die die Stimme abgegeben wor-
den sei. Wenn eine Partei aufgrund eines zur Überwindung der Sperrklausel nicht ausreichenden Zuspruchs
in der Wählerschaft nicht an der Sitzverteilung teilnehme, würden die zu vergebenden Sitze auf die Parteien
verteilt, die die Sperrklausel überwunden haben. Diese Parteien profitierten bei dieser Verteilung von den für
sie abgegebenen Zweitstimmen, nicht von den Zweitstimmen für die an der Sperrklausel gescheiterten Partei-
en, die wegen Nichtteilnahme an der Sitzverteilung zu keinem Sitzerfolg führten.

7. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht entgegengehalten
werden, der Umstand, dass aufgrund der Sperrklausel eine hohe Zahl von Stimmen bei der Sitzverteilung
unberücksichtigt bleibe, befördere die Politikverdrossenheit der Wahlberechtigten. Unabhängig davon, ob
dies tatsächlich der Fall sei, habe sich der Gesetzgeber dazu entschieden, der Sicherung der Funktionsfähig-
keit des Parlaments Vorrang vor derartigen Erwägungen einzuräumen. Das Bundesverfassungsgericht erachte
dies in ständiger Rechtsprechung für verfassungsrechtlich zulässig (siehe die Nachweise unter 1.). Ein wegen
Zersplitterung in kleine und kleinste Fraktionen nicht mehrheits- und handlungsfähiges Parlament, das zur
Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nicht in der Lage sei, wäre zudem in weit höherem Maße geeignet, Politikverdrossenheit zu för-
dern.

8. Aufgrund der verfassungskonformen Ausgestaltung der Fünf-Prozent-Sperrklausel im geltenden Bundes-
wahlgesetz sei der Wahlgesetzgeber auch nicht zur Einführung einer Alternativstimme („Eventualstimme“,
„Ersatzstimme“ bzw. „Stimmweitergabe-Option“) verpflichtet. Ergänzend sei darauf verwiesen, dass im
Schrifttum gegen die Einführung einer solchen Alternativstimme verfassungsrechtliche Bedenken geltend
gemacht würden: Eine Alternativstimme sei mit dem Charakter der Stimmabgabe als einer vorbehaltlosen
und bedingungsfeindlichen Willenserklärung nicht zu vereinbaren und verstoße daher gegen den Grundsatz
der Unmittelbarkeit der Wahl im Sinne des Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 GG und gegen das Demokratieprinzip
nach Artikel 20 Absatz 1 GG (so Strelen, in: Schreiber, Bundeswahlgesetz, 9. Auflage 2013, § 6 Rn. 37 so-
wie Schreiber, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: 43. Lfg. April 2014, Art. 38
Rn. 40, 132). Überdies wäre die Gewährung einer Alternativstimme auch keine verfassungspolitisch ange-
zeigte Fortentwicklung des Wahlrechts. Sie würde das Stimmabgabeverfahren verkomplizieren, die Ermitt-
lung des Wahlergebnisses wesentlich erschweren und verzögern und den Wähler von einer eindeutigen poli-
tischen Entscheidung ohne Vorbehalt und Rückfallposition entpflichten (vgl. im Einzelnen hierzu Strelen, in:
Schreiber, § 6 Rn. 37).

9. Die Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Klausel sei schließlich auch nicht davon abhängig, dass Par-
teien, die jeweils mit einer eigenen Liste an der Bundestagswahl teilnehmen, ihre Landeslisten verbinden
dürften, um als Zählgemeinschaft die Sperrklausel zu überwinden. Derartige Listenverbindungen verschiede-
ner Parteien bei der Bundestagswahl seien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wegen
Verstoßes gegen den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit der Parteien verfas-
sungswidrig (BVerfGE 82, 322 [345 f.]). Eine derartige Listenverbindung würde allein dem Zweck dienen,
die verfassungslegitime Zielsetzung einer Fünf-Prozent-Sperrklausel, die Verhinderung einer Zersplitterung
des Parlaments, zu umgehen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 169 – Drucksache 18/1810

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet. Dem Vortrag des Einspruchsführers lässt sich kein Verstoß
gegen Wahlrechtsvorschriften und damit kein Wahlfehler entnehmen.

Der Einspruchsführer bestreitet nicht, dass das Verfahren zur Auszählung der Stimmen und zur Verteilung
der Sitze auf die Landeslisten der Parteien bei der Bundestagswahl 2013 den Vorgaben des Bundeswahlge-
setzes entsprach. Dieses regelt in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1,
dass bei der Verteilung der Sitze auf die Landeslisten nur Parteien berücksichtigt werden, die mindestens fünf
Prozent der im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten oder in mindestens drei Wahlkrei-
sen einen Sitz errungen haben. Soweit der Einspruchsführer geltend macht, die Sitzverteilung und die Aus-
wirkungen der Sperrklausel – deren Änderung oder Abschaffung er mit seinem Einspruch nicht anstrebt –
seien verfassungswidrig, ist darauf hinzuweisen, dass der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundes-
tag in ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens die Verfassungsmäßigkeit der für die Wahl
geltenden Rechtsvorschriften nicht überprüfen. Eine derartige Kontrolle ist stets dem Bundesverfassungsge-
richt vorbehalten worden (vgl. etwa Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlagen 26 bis 28 mit weiteren Nach-
weisen; 17/1000, Anlagen 5 und 11; 17/2200, Anlagen 1, 13 bis 15, 17 bis 20, 23 und 24; 17/3100, Anlagen
15, 19, 20, 22 bis 30, 32, 34 bis 36; 17/4600, Anlagen 10, 12, 13, 32, 38, 40 bis 43 mit weiteren Nachweisen;
17/6300, Anlage 19). Allerdings hat der Wahlprüfungsausschuss schon in zahlreichen Wahlprüfungsent-
scheidungen früherer Wahlperioden keinen Anlass für Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Sperrklausel
und an ihren Auswirkungen gesehen (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen 15/1850, Anlagen 9 und 47;
16/900, Anlage 14), zumal das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit der Sperrklausel in ihrer
Ausgestaltung durch das Bundeswahlgesetz in ständiger Rechtsprechung bestätigt hat (vgl. BVerfGE 1, 208
[247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366]; 95, 408 [417 ff.];
120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.], siehe auch Bundestagsdrucksache 16/900, Anlage 14).
Es ist folglich verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass alle Parlamentssitze auf diejenigen Parteien
verteilt werden, welche die Fünf-Prozent-Hürde überwunden haben. Zwar kann nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts die Sperrklausel durch veränderte Verhältnisse infrage gestellt werden. Dies ist
bezüglich der Bundestagswahl 2013 aber nicht der Fall, wie das Bundesministerium des Innern – auch unter
Bezugnahme auf die Urteile vom 9. November 2011 und 26. Februar 2014 – in seiner Stellungnahme zutref-
fend feststellt: Dass nach dem amtlichen Endergebnis der Bundestagswahl 2013 insgesamt 15,7 Prozent der
gültigen Zweitstimmen nicht in die Mandatsverteilung eingeflossen sind, weil sie für insgesamt 25 Parteien
abgegeben wurden, die bundesweit weniger als fünf Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, ändert nichts
an der vom Bundesverfassungsgericht festgestellten Verfassungskonformität der Fünf-Prozent-Hürde. Zwar
war der Anteil der gültigen, aber wegen der Sperrklausel nicht in die Sitzverteilung eingeflossenen Zweit-
stimmen bei der Bundestagswahl 2013 höher als bei früheren Bundestagswahlen, da – anders als bei vorher-
gehenden Wahlen – zwei Parteien jeweils fast fünf Prozent und zudem 23 weitere Parteien insgesamt 6,2
Prozent (für sich genommen aber teilweise weniger als 0,1 Prozent) erreicht haben. Jedoch ist dieser Um-
stand nicht atypisch oder zuvor unbekannt gewesen. Es ist zudem durchaus möglich, dass er bei kommenden
Bundestagswahlen mit anderen Wahlergebnissen nicht (mehr) auftritt. Der Einzug neuer Parteien in den
Deutschen Bundestag wird, wie Beispiele aus der Geschichte der Bundesrepublik zeigen, ohnehin nicht durch
die Sperrklausel verhindert. Außerdem ist die Fünf-Prozent-Hürde auf das jeweilige Ergebnis einer jeden
Partei bezogen. Nur die konkrete Stimmenzahl jeder Partei kann der Ausgangspunkt der Sitzverteilung auf
die Landeslisten sein (vgl. § 6 Absatz 1 BWG) – übrigens auch dann, wenn man gedanklich die Sperrklausel
streicht oder eine niedrigere Sperrklausel ansetzt –; erst im zweiten Schritt ist die Stimmenzahl einer jeden
Partei in Relation zu den Stimmenanteilen der anderen Parteien zu setzen (vgl. § 6 Absätze 2 bis 7 BWG).
Die gedankliche Addition von Zweitstimmenanteilen kann folglich für die Fünf-Prozent-Hürde keine Aussa-
gekraft beanspruchen.

Die übrigen Vorschriften zur Sitzverteilung (in § 6 BWG) sind ebenfalls verfassungskonform. Das Verfahren
ist durch das 22. Gesetz zur Änderung des Bundeswahlgesetzes vom 3. Mai 2013 (Bundesgesetzblatt I S.
1082) geändert worden – als Folge des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 25. Juli 2012 (BVerfGE
131, 316). Die Erhöhung der Sitzzahl bis zur Anrechenbarkeit aller Überhangmandate sorgt dafür, dass die
Verteilung der Mandate auf die Parteien vollständig der Summe der Wählerstimmen entspricht und nicht
erwartungswidrig im Sinne der genannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts mit der auf diese
oder eine konkurrierende Partei entfallenden Stimmenzahl korreliert (so der Gesetzentwurf der Fraktionen
CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen, Bundestagsdrucksache 17/11819, S. 6). Durch die Ver-

Drucksache 18/1810 – 170 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

gabe zusätzlicher (Ausgleichs-)Mandate erhalten zwar auch andere Parteien mehr Sitze, wenn Wahlbewerber
einer Partei mehr Stimmen und infolgedessen mehr Wahlkreismandate erzielen, die in der ersten Stufe der
Sitzverteilung nicht anrechenbar sind und darum zu einer Sitzzahlerhöhung nach § 6 Absatz 5 BWG (derzei-
tige Fassung) führen. Die Vergabe weiterer Sitze auch an andere Parteien entsprechend dem Zweitstimmen-
ergebnis der Verhältniswahl nach einer Sitzzahlvergrößerung zum Verhältnisausgleich stellt aber keine für
den Wähler nicht erkennbare Auswirkung seiner Stimmabgabe auf den Erfolg oder Misserfolg der Wahlbe-
werber im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dar. Denn der vom Wähler gewählte
Wahlkreisbewerber zieht aufgrund seiner direkten Wahl nach § 5 BWG in den Bundestag ein. Der Einzug
weiterer Abgeordneter anderer Parteien bei der Sitzverteilung nach § 6 Absatz 6 BWG (derzeitige Fassung)
entspricht dem Ergebnis der Verhältniswahl nach Zweitstimmen. Das Bundesverfassungsgericht hat im er-
wähnten Urteil vom 25. Juli 2012 ausdrücklich festgestellt, dass der wegen eines unvollständig durchgeführ-
ten Verhältnisausgleichs gestörte Proporz durch die Zuteilung von Ausgleichsmandaten wiederhergestellt
werden kann (BVerfGE 131, 316 [366]; Bundestagsdrucksache 17/11819, S. 6). Die Mandate werden ent-
sprechend dem Zweitstimmenanteil der Parteien, die die Fünf-Prozent-Hürde überwunden haben, verteilt. Ein
unter Umständen durch ausgleichslose Überhangmandate bedingtes Ungleichgewicht der Zweitstimmen wird
so vermieden.

Das vom Einspruchsführer befürwortete Konzept einer Rangfolge der Stimmen, das der Idee der Eventual-
stimme (Alternativstimme, Ersatzstimme) ähnelt, wäre – wenn es Gesetz würde – verfassungwidrig. Die
Einführung einer Eventualstimme verstieße gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl im Sinne des
Artikels 38 Absatz 1 Satz 1 GG und gegen das Demokratieprinzip in Art. 20 Absatz 1 GG (vgl. nur Strelen,
in: Schreiber, § 6 Rn. 37).

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 171 – Drucksache 18/1810

Anlage 26

Beschlussempfehlung

ZumWahleinspruch

des Herrn A. H., 81247 München,

– Az.: WP 140/13 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag
am 22. September 2013

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 26. Juni 2014 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit einem Fax vom 15. November 2013 Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl
zum 18. Deutschen Bundestag am 22. September 2013 eingelegt. Er hat seinen Vortrag mit einem Fax vom
20. November 2013 erweitert.

Der Einspruchsführer wendet sich gegen die Fünf-Prozent-Klausel. Für Bundestagswahlen gelte das Verhält-
niswahlrecht. Dies bedeute, dass die einer Partei zugewiesene Anzahl von Parlamentssitzen ihrem Anteil an
der Gesamtstimmenzahl entsprechen müsse. Auf „wundersame“, aber verfassungswidrige Weise hätten sich
die Stimmenanteile, bezogen auf die Sitzverteilung, jedoch vermehrt: Der Stimmenanteil der CDU von 34,1
Prozent habe zu einem Sitzanteil von 40,4 Prozent geführt, der Stimmenanteil der SPD von 25,7 Prozent zu
einem Sitzanteil von 30,6 Prozent, der Stimmenanteil der Partei Die Linke von 8,6 Prozent Prozent zu einem
Sitzanteil von 10,1 Prozent, der Stimmenanteil der Partei Bündnis 90/Die Grünen von 8,4 Prozent zu einem
Sitzanteil von 10 Prozent und der Stimmenanteil der CSU von 7,4 Prozent zu einem Sitzanteil von 8,9 Pro-
zent. Den fünf im 18. Deutschen Bundestag vertretenen Parteien seien insgesamt 99 Sitze zugeteilt worden,
die ihnen nach dem Wahlergebnis nicht zustünden, da sie nicht vom Wählerwillen gedeckt seien. Die CDU
habe 40 Sitze „zu viel“ erhalten, die SPD 31, Die Linke 10, Bündnis 90/Die Grünen 10 und die CSU acht.
Diese „Fremdsitze“ beruhten auf der Fünf-Prozent-Klausel in § 6 Abs. 6 Satz 1, 1. Alternative des Bundes-
wahlgesetzes (BWG). Wähler, die gültige Stimmen abgäben, würden dadurch um ihr Wahlrecht gebracht. Sie
entschieden nur bei der Beantwortung der Vorfrage mit, welche Parteien die Fünf-Prozent-Hürde überschrit-
ten. Vom entscheidenden Teil der Wahl, bei dem die Stärkeverhältnisse der Parteien im Parlament festgelegt
würden, seien sie ausgeschlossen. Die für Parteien, die weniger als fünf Prozent der Zweitstimmen erreichten,
abgegebenen Stimmen würden vom Gesetzgeber in voller Absicht vernichtet. Sie kämen den großen Parteien,
welche die Fünf-Prozent-Hürde übersprängen, zugute. Die Fünf-Prozent-Klausel verletzte nicht nur das
Grundrecht auf Gleichheit und freie Ausübung des Wahlrechts, sondern auch den Grundsatz der Chancen-
gleichheit für alle Parteien. Denn wegen der Befürchtung, sie könne die Fünf-Prozent-Hürde nicht überwin-
den, wähle so mancher die eigene „Wunschpartei“ nicht. Die kleineren Parteien würden benachteiligt. Abhil-
fe sei nicht nur verfassungsrechtlich geboten, sondern auch ohne allzu großen Mehraufwand möglich. Es
genüge die Einführung einer „Ersatz- oder Eventualstimme“, die dann zum Tragen komme, wenn die vorran-
gig angekreuzte Partei die Fünf-Prozent-Hürde nicht überwinde. Das Bundesverfassungsgericht habe jeden-
falls die angegriffene Regelung noch nicht eingehend untersucht. Die Frage, ob Wähler vom entscheidenden
Teil einer Wahl ausgeschlossen werden dürften, sei vom Gericht noch nicht beantwortet worden.

Wegen der Einzelheiten des Vortrages des Einspruchsführers wird auf den Inhalt der Akten Bezug genom-
men.

Das Bundesministerium des Innern hat zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-
Sperrklausel am 16. Juni 2014 wie folgt Stellung genommen:

Drucksache 18/1810 – 172 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

1. Das Bundesverfassungsgericht erachte in ständiger Rechtsprechung bei Wahlen zum Deutschen Bundestag
die heute in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG vorgesehene, auf
das gesamte Wahlgebiet bezogene Fünf-Prozent-Sperrklausel für verfassungsgemäß (vgl. BVerfGE 1, 208
[247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366]; 95, 408 [417 ff.];
120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.]). Zuletzt habe das Gericht in seinem Urteil vom
9. Januar 2011 zur Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen entschieden, dass die Fünf-Prozent-
Sperrklausel bei der Wahl zum Deutschen Bundestag ihre Rechtfertigung im Wesentlichen darin finde, dass
die Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende
Unterstützung nötig sei und dieses Ziel durch die Zersplitterung des Parlaments in viele kleine Gruppen ge-
fährdet werde (BVerfGE 129, 300 [335 f.]). In der Entscheidung vom 26. Februar 2014 (2 BvE 2/13 u. a.) zur
Drei-Prozent-Sperrklausel im Europawahlrecht habe das Gericht erneut bestätigt, dass eine Sperrklausel ge-
rechtfertigt sein könne, wenn Verhältnisse wie auf nationaler Ebene gegeben sind, wo die Bildung einer
stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Unterstützung nötig
sei (ebd. Rn. 72).

Angesichts der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei der Wahlgesetzgeber verfas-
sungsrechtlich nicht daran gehindert, bei der Verteilung der zu vergebenden Sitze auf die Landeslisten bei der
Bundestagswahl grundsätzlich nur die Parteien zu berücksichtigen, die mindestens fünf Prozent der im Wahl-
gebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten haben (§ 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Ab-
satz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG). Es sei ihm mit anderen Worten von Verfassungs wegen unbenommen,
gültige Zweitstimmen, die auf Landeslisten von Parteien entfallen sind, die nicht die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben, zwar für die Ergebnisfeststellung als relevant zu werten (§ 42 BWG), nicht
aber für die Sitzverteilung. Der Wahlgesetzgeber dürfe also ohne Verstoß gegen Bundesverfassungsrecht alle
zu vergebenden Parlamentssitze auf die Landeslisten derjenigen Parteien verteilen, die die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben.

Im Interesse der Handlungsfähigkeit des Deutschen Bundestages habe der Wahlgesetzgeber bisher an der auf
das gesamte Wahlgebiet bezogenen Fünf-Prozent-Sperrklausel, die seit der Wahl zum 2. Deutschen Bundes-
tag 1953 gilt, festgehalten. Denn eine Wahl habe – wie das Bundesverfassungsgericht betone (vgl. BVerfGE
51, 222 [236]) – „nicht nur das Ziel, eine Volksvertretung zu schaffen, die ein Spiegelbild der in der Wähler-
schaft vorhandenen politischen Meinungen darstellt, sondern sie soll auch ein funktionsfähiges Organ her-
vorbringen.“ Hierfür seien „(k)lare und ihrer Verantwortung für das Gesamtwohl bewusste Mehrheiten in
einer Volksvertretung (…) für eine Bewältigung der ihr gestellten Aufgaben unentbehrlich“, die durch einen
unbegrenzten Proporz nicht gewährleistet sind.

2. Zwar könne nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die verfassungsrechtliche Rechtfer-
tigung einer die Wahlgleichheit berührenden Norm des Wahlrechts wie eine Sperrklauselregelung durch ver-
änderte Verhältnisse oder neue Entwicklungen – etwa durch eine Änderung der vom Gesetzgeber vorausge-
setzten tatsächlichen oder normativen Grundlagen oder wenn sich die beim Erlass der Norm hinsichtlich ihrer
Auswirkungen angestellte Prognose als irrig erwiesen habe – in Frage gestellt werden (BVerfGE 82, 322
[338 f.]; 120, 82 [108]; 129, 300 [321 f.]; Urteil vom 26. Februar 2014, Az. 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 56). Dies
sei im Hinblick auf die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen jedoch nicht der Fall.

Eine Änderung der normativen Grundlagen für die Beurteilung der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundes-
tagswahlen, die das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung als verfassungsgemäß angesehen
habe, sei nicht festzustellen. Insbesondere führten das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
9. November 2011 zur Verfassungswidrigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen (BVerfGE
129, 300) und sein Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Sperrklausel im
Europawahlgesetz (2 BvE 2/13 u. a.) nicht zu einer abweichenden Bewertung. Das Bundesverfassungsgericht
begründe die Verfassungswidrigkeit der Sperrklauseln bei Europawahlen in diesen Urteilen mit der besonde-
ren Stellung und Funktion des Europäischen Parlaments im Gefüge der Organe der Europäischen Union, wo
eine vergleichbare Interessenlage wie bei der Bundestagswahl nicht bestehe (BVerfGE 129, 300 [336]). Auch
in seinem Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Klausel im Europawahl-
gesetz halte das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich an der gefestigten Rechtsprechung zum verfassungs-
rechtlichen Maßstab für die Beurteilung wahlrechtlicher Sperrklauseln fest und lege – wie es mehrfach beto-
ne – seinem Urteil die gleichen Prüfungsmaßstäbe wie im Urteil vom 9. November 2011 zugrunde (Az. 2
BvE 2/13 u. a., Rn. 37, 45, 63). In beiden Urteilen weise das Gericht zudem darauf hin, dass bei der Bundes-
tagswahl – anders als bei der Europawahl – der Deutsche Bundestag im Falle einer eintretenden Funktionsbe-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 173 – Drucksache 18/1810

einträchtigung aufgrund seiner veränderten strukturellen Zusammensetzung nicht mehr in der Lage wäre, die
gesetzlichen Regelungen zur Sicherung seiner Funktionsfähigkeit zu ändern, weil die erforderliche Mehrheit
nicht mehr zustande käme (BVerfGE 129, 300 [324]; Urteil vom 26. Februar 2014, 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 58).

3. Auch in tatsächlicher Hinsicht erfordere das Wahlergebnis der Bundestagswahl 2013, bei der zwei Parteien
mit einem Stimmenanteil von 4,8 Prozent bzw. 4,7 Prozent der Zweitstimmen vergleichsweise knapp an der
Fünf-Prozent-Klausel gescheitert seien, keine Neubewertung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der
Klausel. Der Gesetzgeber habe sich für die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen entschieden und
diese bis heute beibehalten, um in Konstellationen, in denen eine oder mehrere Parteien weniger als fünf
Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, die Funktionsfähigkeit des Bundestages sicherzustellen. Wenn eine
solche Konstellation bei einer Wahl – wie nun der Bundestagswahl 2013 – tatsächlich auftrete, liege gerade
nicht der Fall vor, dass sich eine Prognose des Gesetzgebers als irrig erwiesen habe oder dass eine Änderung
der vom Gesetzgeber vorausgesetzten tatsächlichen Verhältnisse eingetreten sei, sondern es habe sich ledig-
lich ein Szenario realisiert, das der Gesetzgeber mit seiner Regelung von vornherein habe erfassen wollen.
Auch das Bundesverfassungsgericht habe die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen in Kenntnis
des Umstands, dass an ihr nicht nur Parteien mit einem niedrigen Stimmenanteil zwischen null und zwei
Prozent der Zweitstimmen, sondern auch Parteien mit einem Stimmenanteil knapp unter fünf Prozent schei-
tern können, in ständiger Rechtsprechung als verfassungsmäßig angesehen (siehe die Nachweise unter 1.).

Die bei der Bundestagswahl 2013 aufgetretene hohe Gesamtzahl von abgegebenen gültigen Zweitstimmen
für Parteien, die die Fünf-Prozent-Sperrklausel nicht überwunden haben, sei kein Grund, das Vorliegen ver-
änderter Verhältnisse bzw. neuer Entwicklungen anzunehmen, die eine Neubewertung der verfassungsrecht-
lichen Zulässigkeit der Sperrklausel erforderten. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Sperrklausel sei
nicht von der Gesamtzahl der Stimmen für diejenigen Parteien abhängig, die die Sperrklausel bei einer ein-
zelnen Wahl nicht überwinden. Die Sperrklausel rechtfertige sich vielmehr durch den mit ihr verfolgten ver-
fassungsrechtlich legitimen Zweck, die Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages sicherzustellen (siehe
die Nachweise unter 1.). Sie erfülle ihren Zweck gerade dann, wenn viele an der Wahl teilnehmende Parteien
die Sperrklausel nicht überwinden, aber ohne Sperrklausel Sitze im Parlament erlangt hätten, da auf diese
Weise eine die stabile Mehrheitsbildung gefährdende Zersplitterung des Bundestages vermieden werde.

4. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel stehe nicht entgegen, dass eine
hohe Zahl von Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die aufgrund der Sperrklausel nicht an der Sitzvertei-
lung teilnehmen, eine absolute Mehrheit der Sitze für Parteien ermögliche, die bei der Wahl deutlich weniger
als der Hälfte der Stimmen erreicht haben. Das Erreichen einer Mehrheit der Sitze im Parlament sei immer
mit weniger als der Hälfte der gültigen Zweitstimmen möglich. Denn auch ohne Sperrklausel erhalte nicht
jede Partei, für die bei der Wahl gültige Stimmen abgegeben wurden, automatisch einen Sitz. Da für einen
Sitz auch ohne Sperrklausel stets eine bestimmte Zahl von Stimmen erforderlich sei, führten nicht alle Stim-
men zu einem Sitzerfolg und darum weniger als 50 Prozent der gültigen Zweitstimmen zu einer Mehrheit der
Sitze. Ein Verfassungsrechtssatz des Inhalts, dass einer Mehrheit der Mitglieder des Bundestages notwendi-
gerweise eine Mehrheit der Zweitstimmen in der Bundestagswahl entsprechen müsse, sei nicht feststellbar.
Wenn aber eine Partei in einer Wahl eine absolute Mehrheit der Zweitstimmen erhalte, sei gesichert, dass auf
sie mehr als die Hälfte der Sitze entfalle (§ 6 Absatz 7 BWG).

5. Gegen die Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht vorgebracht werden, sie verhindere bzw. erschwere
in übermäßiger Weise die Entstehung oder Etablierung neuer Parteien und schränke dadurch in unzulässiger
Weise die Chancengleichheit der Parteien ein. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Chancengleichheit
der Parteien verlange nicht, dass jeder Partei, die bei der Bundestagswahl Stimmen erhalte, Sitze im Bundes-
tag garantiert seien. Jede Partei habe rechtlich die gleiche Chance auf Teilnahme an der Sitzverteilung bei
Überwindung der Sperrklausel. Wenn eine Partei die für alle geltende Sperrklausel nicht überwinde, so sei
dies Resultat zu geringer Zustimmung in der Wählerschaft und gerade nicht ungleicher Chancen, denn die
unterschiedliche Gewichtung des Erfolgswerts von Wahlstimmen durch eine Sperrklausel treffe alle Parteien
gleichermaßen (vgl. BVerfGE 82, 322 [345]).

Dass die Fünf-Prozent-Sperrklausel die Entstehung und Etablierung neuer Parteien nicht verhindere oder
übermäßig erschwere, zeige der Einzug in die Parlamente auch neuer Parteien in den vergangenen Jahren bei
Bundestagswahlen und Landtagswahlen, bei denen nach Landesrecht ebenfalls Fünf-Prozent-Sperrklauseln
bestünden. Die Sperrklauseln trügen zu einem Mindestmaß an Konsolidierung neuer Parteien bei, indem sie
eine funktionierende Organisation und eine hinreichende Kampagnenfähigkeit der Partei erforderlich mach-

Drucksache 18/1810 – 174 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

ten, um einen erfolgreichen Wahlkampf zu führen, der den Einzug ins Parlament ermögliche. Auch das Bun-
desverfassungsgericht sehe in ständiger Rechtsprechung in der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestags-
wahlen keinen verfassungswidrigen Eingriff in die Chancengleichheit der Parteien (siehe die Nachweise un-
ter 1.).

6. Die Fünf-Prozent-Sperrklausel habe nicht zur Folge, dass die Parteien, die die Sperrklausel überwunden
haben und deshalb an der Sitzverteilung teilnehmen, von den Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die an
der Sperrklausel gescheitert sind und somit nicht an der Sitzverteilung teilnehmen, profitierten und die Wäh-
ler bei der Stimmabgabe nicht erkennen könnten, welche Partei letztlich tatsächlich von ihrer Zweitstimme
profitiere. Von der Zweitstimme für eine Partei profitiere stets die Partei, für die die Stimme abgegeben wor-
den sei. Wenn eine Partei aufgrund eines zur Überwindung der Sperrklausel nicht ausreichenden Zuspruchs
in der Wählerschaft nicht an der Sitzverteilung teilnehme, würden die zu vergebenden Sitze auf die Parteien
verteilt, die die Sperrklausel überwunden haben. Diese Parteien profitierten bei dieser Verteilung von den für
sie abgegebenen Zweitstimmen, nicht von den Zweitstimmen für die an der Sperrklausel gescheiterten Partei-
en, die wegen Nichtteilnahme an der Sitzverteilung zu keinem Sitzerfolg führten.

7. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht entgegengehalten
werden, der Umstand, dass aufgrund der Sperrklausel eine hohe Zahl von Stimmen bei der Sitzverteilung
unberücksichtigt bleibe, befördere die Politikverdrossenheit der Wahlberechtigten. Unabhängig davon, ob
dies tatsächlich der Fall sei, habe sich der Gesetzgeber dazu entschieden, der Sicherung der Funktionsfähig-
keit des Parlaments Vorrang vor derartigen Erwägungen einzuräumen. Das Bundesverfassungsgericht erachte
dies in ständiger Rechtsprechung für verfassungsrechtlich zulässig (siehe die Nachweise unter 1.). Ein wegen
Zersplitterung in kleine und kleinste Fraktionen nicht mehrheits- und handlungsfähiges Parlament, das zur
Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nicht in der Lage sei, wäre zudem in weit höherem Maße geeignet, Politikverdrossenheit zu för-
dern.

8. Aufgrund der verfassungskonformen Ausgestaltung der Fünf-Prozent-Sperrklausel im geltenden Bundes-
wahlgesetz sei der Wahlgesetzgeber auch nicht zur Einführung einer Alternativstimme („Eventualstimme“,
„Ersatzstimme“ bzw. „Stimmweitergabe-Option“) verpflichtet. Ergänzend sei darauf verwiesen, dass im
Schrifttum gegen die Einführung einer solchen Alternativstimme verfassungsrechtliche Bedenken geltend
gemacht würden: Eine Alternativstimme sei mit dem Charakter der Stimmabgabe als einer vorbehaltlosen
und bedingungsfeindlichen Willenserklärung nicht zu vereinbaren und verstoße daher gegen den Grundsatz
der Unmittelbarkeit der Wahl im Sinne des Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) und gegen
das Demokratieprinzip nach Artikel 20 Absatz 1 GG (so Strelen, in: Schreiber, Bundeswahlgesetz, 9. Auflage
2013, § 6 Rn. 37 sowie Schreiber, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: 43. Lfg.
April 2014, Art. 38 Rn. 40, 132). Überdies wäre die Gewährung einer Alternativstimme auch keine verfas-
sungspolitisch angezeigte Fortentwicklung des Wahlrechts. Sie würde das Stimmabgabeverfahren verkompli-
zieren, die Ermittlung des Wahlergebnisses wesentlich erschweren und verzögern und den Wähler von einer
eindeutigen politischen Entscheidung ohne Vorbehalt und Rückfallposition entpflichten (vgl. im Einzelnen
hierzu Strelen, in: Schreiber, § 6 Rn. 37).

9. Die Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Klausel sei schließlich auch nicht davon abhängig, dass Par-
teien, die jeweils mit einer eigenen Liste an der Bundestagswahl teilnehmen, ihre Landeslisten verbinden
dürften, um als Zählgemeinschaft die Sperrklausel zu überwinden. Derartige Listenverbindungen verschiede-
ner Parteien bei der Bundestagswahl seien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wegen
Verstoßes gegen den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit der Parteien verfas-
sungswidrig (BVerfGE 82, 322 [345 f.]). Eine derartige Listenverbindung würde allein dem Zweck dienen,
die verfassungslegitime Zielsetzung einer Fünf-Prozent-Sperrklausel, die Verhinderung einer Zersplitterung
des Parlaments, zu umgehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet. Dem Vortrag des Einspruchsführers lässt sich kein Verstoß
gegen Wahlrechtsvorschriften und damit kein Wahlfehler entnehmen.

Der Einspruchsführer bestreitet nicht, dass das Verfahren zur Auszählung der Stimmen und zur Verteilung
der Sitze auf die Landeslisten der Parteien bei der Bundestagswahl 2013 den Vorgaben des Bundeswahlge-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 175 – Drucksache 18/1810

setzes entsprach. Dieses regelt heute in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternati-
ve 1 BWG, dass bei der Verteilung der Sitze auf die Landeslisten nur Parteien berücksichtigt werden, die
mindestens fünf Prozent der im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten oder in mindestens
drei Wahlkreisen einen Sitz errungen haben. Die Sperrklausel führt – anders als der Einspruchsführer meint –
nicht zu „Fremdsitzen“, denn den Parteien, die unterhalb der Fünf-Prozent-Hürde bleiben, stehen aufgrund
ihres Wahlergebnisses keine Sitze zu. Soweit der Einspruchsführer geltend macht, die Sperrklausel verstoße
gegen die Grundsätze der Gleichheit und der Freiheit der Wahl sowie gegen den den Grundsatz der Chancen-
gleichheit der Parteien und sei daher verfassungswidrig, ist darauf hinzuweisen, dass der Wahlprüfungsaus-
schuss und der Deutsche Bundestag in ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens die Ver-
fassungsmäßigkeit der für die Wahl geltenden Rechtsvorschriften nicht überprüfen. Eine derartige Kontrolle
ist stets dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten worden (vgl. etwa Bundestagsdrucksachen 16/1800,
Anlagen 26 bis 28 mit weiteren Nachweisen; 17/1000, Anlagen 5 und 11; 17/2200, Anlagen 1, 13 bis 15, 17
bis 20, 23 und 24; 17/3100, Anlagen 15, 19, 20, 22 bis 30, 32, 34 bis 36; 17/4600, Anlagen 10, 12, 13, 32, 38,
40 bis 43 mit weiteren Nachweisen; 17/6300, Anlage 19). Allerdings hat der Wahlprüfungsausschuss schon
in zahlreichen Wahlprüfungsentscheidungen früherer Wahlperioden keinen Anlass für Zweifel an der Verfas-
sungsmäßigkeit der Regelung gesehen (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen 15/1850, Anlagen 9 und 47;
16/900, Anlage 14), zumal das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit der Sperrklausel in ihrer
Ausgestaltung durch das Bundeswahlgesetz in ständiger Rechtsprechung bestätigt hat (vgl. BVerfGE 1, 208
[247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366]; 95, 408 [417 ff.];
120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.], siehe auch Bundestagsdrucksache 16/900, Anlage 14).
Es ist folglich verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass alle Parlamentssitze auf diejenigen Parteien
verteilt werden, welche die Fünf-Prozent-Hürde überwunden haben. Zwar kann nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts die Sperrklausel durch veränderte Verhältnisse infrage gestellt werden. Dies ist
bezüglich der Bundestagswahl 2013 aber nicht der Fall, wie das Bundesministerium des Innern – auch unter
Bezugnahme auf die Urteile vom 9. November 2011 und 26. Februar 2014 – in seiner Stellungnahme zutref-
fend feststellt: Dass nach dem amtlichen Endergebnis der Bundestagswahl 2013 insgesamt 15,7 Prozent der
gültigen Zweitstimmen nicht in die Mandatsverteilung eingeflossen sind, weil sie für insgesamt 25 Parteien
abgegeben wurden, die bundesweit weniger als fünf Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, ändert nichts
an der vom Bundesverfassungsgericht festgestellten Verfassungskonformität der Fünf-Prozent-Hürde. Zwar
war der Anteil der gültigen, aber wegen der Sperrklausel nicht in die Sitzverteilung eingeflossenen Zweit-
stimmen bei der Bundestagswahl 2013 höher als bei früheren Bundestagswahlen, da – anders als bei vorher-
gehenden Wahlen – zwei Parteien jeweils fast fünf Prozent und zudem 23 weitere Parteien insgesamt 6,2
Prozent (für sich genommen aber teilweise weniger als 0,1 Prozent) erreicht haben. Jedoch ist dieser Um-
stand nicht atypisch oder zuvor unbekannt gewesen. Es ist zudem durchaus möglich, dass er bei kommenden
Bundestagswahlen mit anderen Wahlergebnissen nicht (mehr) auftritt. Der Einzug neuer Parteien in den
Deutschen Bundestag wird, wie Beispiele aus der Geschichte der Bundesrepublik zeigen, ohnehin nicht durch
die Sperrklausel verhindert. Außerdem ist die Fünf-Prozent-Hürde auf das jeweilige Ergebnis einer jeden
Partei bezogen. Nur die konkrete Stimmenzahl jeder Partei kann der Ausgangspunkt der Sitzverteilung auf
die Landeslisten sein (vgl. § 6 Absatz 1 BWG) – übrigens auch dann, wenn man gedanklich die Sperrklausel
streicht oder eine niedrigere Sperrklausel ansetzt –; erst im zweiten Schritt ist die Stimmenzahl einer jeden
Partei in Relation zu den Stimmenanteilen der anderen Parteien zu setzen (vgl. § 6 Absätze 2 bis 7 BWG).
Die gedankliche Addition von Zweitstimmenanteilen kann folglich für die Fünf-Prozent-Hürde keine Aussa-
gekraft beanspruchen.

Das vom Einspruchsführer befürwortete Konzept einer Eventualstimme (Alternativstimme, Ersatzstimme)
wäre – wenn es Gesetz würde – verfassungwidrig. Die Einführung einer Eventualstimme verstieße gegen den
Grundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl im Sinne des Artikels 38 Absatz 1 Satz 1 GG und gegen das Demo-
kratieprinzip in Art. 20 Absatz 1 GG (vgl. nur Strelen, in: Schreiber, § 6 Rn. 37).

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 177 – Drucksache 18/1810

Anlage 27

Beschlussempfehlung

ZumWahleinspruch

des Herrn A. M., 81827 München,

– Az.: WP 142/13 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag
am 22. September 2013

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 26. Juni 2014 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit einem Fax vom 18. November 2013 Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl
zum 18. Deutschen Bundestag am 22. September 2013 eingelegt.

Er schließt sich inhaltlich dem Wahleinspruch des Herrn A. H. aus München (WP 140/13) an, der sich gegen
die Fünf-Prozent-Klausel richtet. Darüber hinaus macht er weitere Umstände geltend, die aus seiner Sicht der
Gültigkeit der Wahl entgegenstehen:

1. Die Rechte der Wähler würden dadurch verletzt, dass die den unter fünf Prozent gebliebenen Parteien zu-
stehenden Sitze nicht unbesetzt geblieben, sondern Bewerbern „verschafft“ worden seien, die auf ihrer Liste
„gescheitert“ seien und eine ganz andere Politik verfolgten, als sie von den den betreffenden Sitzen zuzuord-
nenden Wählern erwartet werde. Die Fünf-Prozent-Klausel solle der Arbeitsfähigkeit des Parlaments dienen.
Leer bleibende Sitze dienten diesem Ziel mehr als die Besetzung mit „nicht wirklich gewählten“ Personen.

2. Die Chancengleichheit der Parteien sei nicht gewahrt gewesen, weil die Wahlkampfkostenerstattung nicht
für alle zur Wahl angetretenen Parteien gleich hoch sei, sondern sich gemäß § 18 des Parteiengesetzes
(PartG) nach der Stimmenzahl bemesse. Damit hätten die großen Parteien insbesondere im öffentlichen
Raum omnipräsent sein können. Sie hätten damit in das Bewusstsein der Wähler tief und ohne Abwehrmög-
lichkeit eindringen können, während die kleinen und kleineren Parteien für viele Wähler erstmals auf dem
Stimmzettel in Erscheinung hätten treten können. Die Mehrheit der im Deutschen Bundestag vertretenen
Parteien habe zwar in § 5 PartG festgelegt, dass die Parteien bei der Gewährung öffentlicher Leistungen
gleichbehandelt werden sollten, aber auch, dass der Umfang der Gewährung nach der Bedeutung der Parteien
bis zu dem für die Erreichung ihres Zwecks erforderlichen Mindestmaß abgestuft werde. Parteien unter 0,5
Prozent gingen bei der Wahlkampfkostenerstattung gingen leer aus, was ganz sicher verfassungswidrig sei.
Die Bundestagsmehrheit müsse herausgefunden haben, dass die Wahlkampfkostenerstattung für 0,5 Prozent
der Wählerstimmen „zur Erreichung ihres Zwecks“, also zur Führung eines die Chancengleichheit wahrenden
Wahlkampfes, ausreiche. Wenn an alle Parteien nur dieser nach Meinung der Bundestagsmehrheit voll aus-
reichende Mindestbetrag ausbezahlt werde, sei eine gleich hohe Wahlkampfkostenerstattung für alle Parteien
ohne Weiteres finanzierbar. Dann könnten sogar die Parteien einbezogen werden, die weniger als 0,5 Prozent
erreicht hätten, und eine dreistellige Millionen summe eingespart werden.

3. Die Chancengleichheit der Parteien sei darüber hinaus durch die unterschiedliche Präsenz in den öffentli-
chen und privaten Medien verletzt worden. Die gesetzliche Pflicht der Rundfunkanstalten, vor Wahlen die
Parteien zu Wort kommen zu lassen, bemesse sich aber nach dem Stimmenanteil. Auch insoweit würden die
Anstalten nicht überfordert, wenn alle Parteien die den kleinsten unter ihnen zugemessenen, und vom Ge-
setzgeber als ausreichend erachteten, Sendezeiten erhielten.

4. Bei der Aufstellung der Listenkandidaten aller erfolgreichen Parteien, z. B. bei der Aufstellungsversamm-
lung der Partei Bündnis 90/Die Grünen am 7./8. Dezember 2012 in Augsburg, sei die in allen Wahlgesetzen
und in § 17 PartG vorgeschriebene Pflicht zur geheimen Abstimmung missachtet worden. Wahlkabinen seien

Drucksache 18/1810 – 178 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

zwar in geringer Zahl vorhanden gewesen. Die Delegierten seien aber nicht gezwungen gewesen, diese auch
zu nutzen. So gut wie niemand habe von ihnen Gebrauch gemacht. Die Stimmzettel seien in enger Sitzord-
nung offen ausgefüllt und erst vor dem Einsammeln gefaltet worden. Daher seien die Delegierten in ihrem
Abstimmungsverhalten nicht frei gewesen. Um die Einhaltung von Absprachen und Empfehlungen des Par-
teivorstands und anderer Gremien unter Beweis zu stellen, seien die Delegierten sogar „psychologisch ge-
zwungen“ gewesen, auf eine verdeckte Abstimmung zu verzichten. Es handele sich nicht um eine Privatange-
legenheit einer Partei. Die geheime Abstimmung solle den Stimmberechtigten schützen und auch die Gesell-
schaft vor „undemokratisch zustande gekommenen“ Kandidaten und Mandaten. Jeder Bürger sei von den
Folgen einer undemokratischen Auswahl betroffen, zumal er als Nichtmitglied keinen Einfluss auf die Kan-
didatenaufstellung habe. Die geheime Abstimmung in Aufstellungsversammlungen sei leicht zu organisieren.
Die von den Parteien vorgelegte eidesstattliche Versicherung, dass die Abstimmungen in den Aufstellungs-
versammlungen geheim gewesen seien, gehe von dem seit Jahrzehnten gepflegten Verständnis aus, das
Wahlgeheimnis sei erst mit der Abgabe der (gefalteten) Stimmzettel zu beachten, und es sei freigestellt, sich
beim Ausfüllen des Stimmzettels beobachten zu lassen oder nicht.

Wegen der Einzelheiten des Vortrages des Einspruchsführers wird auf den Inhalt der Akten Bezug genom-
men.

Das Bundesministerium des Innern hat zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-
Sperrklausel am 16. Juni 2014 wie folgt Stellung genommen:

1. Das Bundesverfassungsgericht erachte in ständiger Rechtsprechung bei Wahlen zum Deutschen Bundestag
die heute in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1 des Bundeswahlgesetzes
(BWG) vorgesehene, auf das gesamte Wahlgebiet bezogene Fünf-Prozent-Sperrklausel für verfassungsgemäß
(vgl. BVerfGE 1, 208 [247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366];
95, 408 [417 ff.]; 120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.]). Zuletzt habe das Gericht in seinem
Urteil vom 9. Januar 2011 zur Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen entschieden, dass die Fünf-
Prozent-Sperrklausel bei der Wahl zum Deutschen Bundestag ihre Rechtfertigung im Wesentlichen darin
finde, dass die Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren
fortlaufende Unterstützung nötig sei und dieses Ziel durch die Zersplitterung des Parlaments in viele kleine
Gruppen gefährdet werde (BVerfGE 129, 300 [335 f.]). In der Entscheidung vom 26. Februar 2014 (2 BvE
2/13 u. a.) zur Drei-Prozent-Sperrklausel im Europawahlrecht habe das Gericht erneut bestätigt, dass eine
Sperrklausel gerechtfertigt sein könne, wenn Verhältnisse wie auf nationaler Ebene gegeben sind, wo die
Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nötig sei (ebd. Rn. 72).

Angesichts der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei der Wahlgesetzgeber verfas-
sungsrechtlich nicht daran gehindert, bei der Verteilung der zu vergebenden Sitze auf die Landeslisten bei der
Bundestagswahl grundsätzlich nur die Parteien zu berücksichtigen, die mindestens fünf Prozent der im Wahl-
gebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten haben (§ 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Ab-
satz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG). Es sei ihm mit anderen Worten von Verfassungs wegen unbenommen,
gültige Zweitstimmen, die auf Landeslisten von Parteien entfallen sind, die nicht die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben, zwar für die Ergebnisfeststellung als relevant zu werten (§ 42 BWG), nicht
aber für die Sitzverteilung. Der Wahlgesetzgeber dürfe also ohne Verstoß gegen Bundesverfassungsrecht alle
zu vergebenden Parlamentssitze auf die Landeslisten derjenigen Parteien verteilen, die die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben.

Im Interesse der Handlungsfähigkeit des Deutschen Bundestages habe der Wahlgesetzgeber bisher an der auf
das gesamte Wahlgebiet bezogenen Fünf-Prozent-Sperrklausel, die seit der Wahl zum 2. Deutschen Bundes-
tag 1953 gilt, festgehalten. Denn eine Wahl habe – wie das Bundesverfassungsgericht betone (vgl. BVerfGE
51, 222 [236]) – „nicht nur das Ziel, eine Volksvertretung zu schaffen, die ein Spiegelbild der in der Wähler-
schaft vorhandenen politischen Meinungen darstellt, sondern sie soll auch ein funktionsfähiges Organ her-
vorbringen.“ Hierfür seien „(k)lare und ihrer Verantwortung für das Gesamtwohl bewusste Mehrheiten in
einer Volksvertretung (…) für eine Bewältigung der ihr gestellten Aufgaben unentbehrlich“, die durch einen
unbegrenzten Proporz nicht gewährleistet sind.

2. Zwar könne nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die verfassungsrechtliche Rechtfer-
tigung einer die Wahlgleichheit berührenden Norm des Wahlrechts wie eine Sperrklauselregelung durch ver-
änderte Verhältnisse oder neue Entwicklungen – etwa durch eine Änderung der vom Gesetzgeber vorausge-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 179 – Drucksache 18/1810

setzten tatsächlichen oder normativen Grundlagen oder wenn sich die beim Erlass der Norm hinsichtlich ihrer
Auswirkungen angestellte Prognose als irrig erwiesen habe – in Frage gestellt werden (BVerfGE 82, 322
[338 f.]; 120, 82 [108]; 129, 300 [321 f.]; Urteil vom 26. Februar 2014, Az. 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 56). Dies
sei im Hinblick auf die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen jedoch nicht der Fall.

Eine Änderung der normativen Grundlagen für die Beurteilung der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundes-
tagswahlen, die das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung als verfassungsgemäß angesehen
habe, sei nicht festzustellen. Insbesondere führten das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
9. November 2011 zur Verfassungswidrigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen (BVerfGE
129, 300) und sein Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Sperrklausel im
Europawahlgesetz (2 BvE 2/13 u. a.) nicht zu einer abweichenden Bewertung. Das Bundesverfassungsgericht
begründe die Verfassungswidrigkeit der Sperrklauseln bei Europawahlen in diesen Urteilen mit der besonde-
ren Stellung und Funktion des Europäischen Parlaments im Gefüge der Organe der Europäischen Union, wo
eine vergleichbare Interessenlage wie bei der Bundestagswahl nicht bestehe (BVerfGE 129, 300 [336]). Auch
in seinem Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Klausel im Europawahl-
gesetz halte das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich an der gefestigten Rechtsprechung zum verfassungs-
rechtlichen Maßstab für die Beurteilung wahlrechtlicher Sperrklauseln fest und lege – wie es mehrfach beto-
ne – seinem Urteil die gleichen Prüfungsmaßstäbe wie im Urteil vom 9. November 2011 zugrunde (Az. 2
BvE 2/13 u. a., Rn. 37, 45, 63). In beiden Urteilen weise das Gericht zudem darauf hin, dass bei der Bundes-
tagswahl – anders als bei der Europawahl – der Deutsche Bundestag im Falle einer eintretenden Funktionsbe-
einträchtigung aufgrund seiner veränderten strukturellen Zusammensetzung nicht mehr in der Lage wäre, die
gesetzlichen Regelungen zur Sicherung seiner Funktionsfähigkeit zu ändern, weil die erforderliche Mehrheit
nicht mehr zustande käme (BVerfGE 129, 300 [324]; Urteil vom 26. Februar 2014, 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 58).

3. Auch in tatsächlicher Hinsicht erfordere das Wahlergebnis der Bundestagswahl 2013, bei der zwei Parteien
mit einem Stimmenanteil von 4,8 Prozent bzw. 4,7 Prozent der Zweitstimmen vergleichsweise knapp an der
Fünf-Prozent-Klausel gescheitert seien, keine Neubewertung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der
Klausel. Der Gesetzgeber habe sich für die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen entschieden und
diese bis heute beibehalten, um in Konstellationen, in denen eine oder mehrere Parteien weniger als fünf
Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, die Funktionsfähigkeit des Bundestages sicherzustellen. Wenn eine
solche Konstellation bei einer Wahl – wie nun der Bundestagswahl 2013 – tatsächlich auftrete, liege gerade
nicht der Fall vor, dass sich eine Prognose des Gesetzgebers als irrig erwiesen habe oder dass eine Änderung
der vom Gesetzgeber vorausgesetzten tatsächlichen Verhältnisse eingetreten sei, sondern es habe sich ledig-
lich ein Szenario realisiert, das der Gesetzgeber mit seiner Regelung von vornherein habe erfassen wollen.
Auch das Bundesverfassungsgericht habe die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen in Kenntnis
des Umstands, dass an ihr nicht nur Parteien mit einem niedrigen Stimmenanteil zwischen null und zwei
Prozent der Zweitstimmen, sondern auch Parteien mit einem Stimmenanteil knapp unter fünf Prozent schei-
tern können, in ständiger Rechtsprechung als verfassungsmäßig angesehen (siehe die Nachweise unter 1.).

Die bei der Bundestagswahl 2013 aufgetretene hohe Gesamtzahl von abgegebenen gültigen Zweitstimmen
für Parteien, die die Fünf-Prozent-Sperrklausel nicht überwunden haben, sei kein Grund, das Vorliegen ver-
änderter Verhältnisse bzw. neuer Entwicklungen anzunehmen, die eine Neubewertung der verfassungsrecht-
lichen Zulässigkeit der Sperrklausel erforderten. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Sperrklausel sei
nicht von der Gesamtzahl der Stimmen für diejenigen Parteien abhängig, die die Sperrklausel bei einer ein-
zelnen Wahl nicht überwinden. Die Sperrklausel rechtfertige sich vielmehr durch den mit ihr verfolgten ver-
fassungsrechtlich legitimen Zweck, die Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages sicherzustellen (siehe
die Nachweise unter 1.). Sie erfülle ihren Zweck gerade dann, wenn viele an der Wahl teilnehmende Parteien
die Sperrklausel nicht überwinden, aber ohne Sperrklausel Sitze im Parlament erlangt hätten, da auf diese
Weise eine die stabile Mehrheitsbildung gefährdende Zersplitterung des Bundestages vermieden werde.

4. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel stehe nicht entgegen, dass eine
hohe Zahl von Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die aufgrund der Sperrklausel nicht an der Sitzvertei-
lung teilnehmen, eine absolute Mehrheit der Sitze für Parteien ermögliche, die bei der Wahl deutlich weniger
als der Hälfte der Stimmen erreicht haben. Das Erreichen einer Mehrheit der Sitze im Parlament sei immer
mit weniger als der Hälfte der gültigen Zweitstimmen möglich. Denn auch ohne Sperrklausel erhalte nicht
jede Partei, für die bei der Wahl gültige Stimmen abgegeben wurden, automatisch einen Sitz. Da für einen
Sitz auch ohne Sperrklausel stets eine bestimmte Zahl von Stimmen erforderlich sei, führten nicht alle Stim-
men zu einem Sitzerfolg und darum weniger als 50 Prozent der gültigen Zweitstimmen zu einer Mehrheit der

Drucksache 18/1810 – 180 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Sitze. Ein Verfassungsrechtssatz des Inhalts, dass einer Mehrheit der Mitglieder des Bundestages notwendi-
gerweise eine Mehrheit der Zweitstimmen in der Bundestagswahl entsprechen müsse, sei nicht feststellbar.
Wenn aber eine Partei in einer Wahl eine absolute Mehrheit der Zweitstimmen erhalte, sei gesichert, dass auf
sie mehr als die Hälfte der Sitze entfalle (§ 6 Absatz 7 BWG).

5. Gegen die Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht vorgebracht werden, sie verhindere bzw. erschwere
in übermäßiger Weise die Entstehung oder Etablierung neuer Parteien und schränke dadurch in unzulässiger
Weise die Chancengleichheit der Parteien ein. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Chancengleichheit
der Parteien verlange nicht, dass jeder Partei, die bei der Bundestagswahl Stimmen erhalte, Sitze im Bundes-
tag garantiert seien. Jede Partei habe rechtlich die gleiche Chance auf Teilnahme an der Sitzverteilung bei
Überwindung der Sperrklausel. Wenn eine Partei die für alle geltende Sperrklausel nicht überwinde, so sei
dies Resultat zu geringer Zustimmung in der Wählerschaft und gerade nicht ungleicher Chancen, denn die
unterschiedliche Gewichtung des Erfolgswerts von Wahlstimmen durch eine Sperrklausel treffe alle Parteien
gleichermaßen (vgl. BVerfGE 82, 322 [345]).

Dass die Fünf-Prozent-Sperrklausel die Entstehung und Etablierung neuer Parteien nicht verhindere oder
übermäßig erschwere, zeige der Einzug in die Parlamente auch neuer Parteien in den vergangenen Jahren bei
Bundestagswahlen und Landtagswahlen, bei denen nach Landesrecht ebenfalls Fünf-Prozent-Sperrklauseln
bestünden. Die Sperrklauseln trügen zu einem Mindestmaß an Konsolidierung neuer Parteien bei, indem sie
eine funktionierende Organisation und eine hinreichende Kampagnenfähigkeit der Partei erforderlich mach-
ten, um einen erfolgreichen Wahlkampf zu führen, der den Einzug ins Parlament ermögliche. Auch das Bun-
desverfassungsgericht sehe in ständiger Rechtsprechung in der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestags-
wahlen keinen verfassungswidrigen Eingriff in die Chancengleichheit der Parteien (siehe die Nachweise un-
ter 1.).

6. Die Fünf-Prozent-Sperrklausel habe nicht zur Folge, dass die Parteien, die die Sperrklausel überwunden
haben und deshalb an der Sitzverteilung teilnehmen, von den Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die an
der Sperrklausel gescheitert sind und somit nicht an der Sitzverteilung teilnehmen, profitierten und die Wäh-
ler bei der Stimmabgabe nicht erkennen könnten, welche Partei letztlich tatsächlich von ihrer Zweitstimme
profitiere. Von der Zweitstimme für eine Partei profitiere stets die Partei, für die die Stimme abgegeben wor-
den sei. Wenn eine Partei aufgrund eines zur Überwindung der Sperrklausel nicht ausreichenden Zuspruchs
in der Wählerschaft nicht an der Sitzverteilung teilnehme, würden die zu vergebenden Sitze auf die Parteien
verteilt, die die Sperrklausel überwunden haben. Diese Parteien profitierten bei dieser Verteilung von den für
sie abgegebenen Zweitstimmen, nicht von den Zweitstimmen für die an der Sperrklausel gescheiterten Partei-
en, die wegen Nichtteilnahme an der Sitzverteilung zu keinem Sitzerfolg führten.

7. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht entgegengehalten
werden, der Umstand, dass aufgrund der Sperrklausel eine hohe Zahl von Stimmen bei der Sitzverteilung
unberücksichtigt bleibe, befördere die Politikverdrossenheit der Wahlberechtigten. Unabhängig davon, ob
dies tatsächlich der Fall sei, habe sich der Gesetzgeber dazu entschieden, der Sicherung der Funktionsfähig-
keit des Parlaments Vorrang vor derartigen Erwägungen einzuräumen. Das Bundesverfassungsgericht erachte
dies in ständiger Rechtsprechung für verfassungsrechtlich zulässig (siehe die Nachweise unter 1.). Ein wegen
Zersplitterung in kleine und kleinste Fraktionen nicht mehrheits- und handlungsfähiges Parlament, das zur
Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nicht in der Lage sei, wäre zudem in weit höherem Maße geeignet, Politikverdrossenheit zu för-
dern.

8. Aufgrund der verfassungskonformen Ausgestaltung der Fünf-Prozent-Sperrklausel im geltenden Bundes-
wahlgesetz sei der Wahlgesetzgeber auch nicht zur Einführung einer Alternativstimme („Eventualstimme“,
„Ersatzstimme“ bzw. „Stimmweitergabe-Option“) verpflichtet. Ergänzend sei darauf verwiesen, dass im
Schrifttum gegen die Einführung einer solchen Alternativstimme verfassungsrechtliche Bedenken geltend
gemacht würden: Eine Alternativstimme sei mit dem Charakter der Stimmabgabe als einer vorbehaltlosen
und bedingungsfeindlichen Willenserklärung nicht zu vereinbaren und verstoße daher gegen den Grundsatz
der Unmittelbarkeit der Wahl im Sinne des Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) und gegen
das Demokratieprinzip nach Artikel 20 Absatz 1 GG (so Strelen, in: Schreiber, Bundeswahlgesetz, 9. Auflage
2013, § 6 Rn. 37 sowie Schreiber, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: 43. Lfg.
April 2014, Art. 38 Rn. 40, 132). Überdies wäre die Gewährung einer Alternativstimme auch keine verfas-
sungspolitisch angezeigte Fortentwicklung des Wahlrechts. Sie würde das Stimmabgabeverfahren verkompli-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 181 – Drucksache 18/1810

zieren, die Ermittlung des Wahlergebnisses wesentlich erschweren und verzögern und den Wähler von einer
eindeutigen politischen Entscheidung ohne Vorbehalt und Rückfallposition entpflichten (vgl. im Einzelnen
hierzu Strelen, in: Schreiber, § 6 Rn. 37).

9. Die Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Klausel sei schließlich auch nicht davon abhängig, dass Par-
teien, die jeweils mit einer eigenen Liste an der Bundestagswahl teilnehmen, ihre Landeslisten verbinden
dürften, um als Zählgemeinschaft die Sperrklausel zu überwinden. Derartige Listenverbindungen verschiede-
ner Parteien bei der Bundestagswahl seien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wegen
Verstoßes gegen den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit der Parteien verfas-
sungswidrig (BVerfGE 82, 322 [345 f.]). Eine derartige Listenverbindung würde allein dem Zweck dienen,
die verfassungslegitime Zielsetzung einer Fünf-Prozent-Sperrklausel, die Verhinderung einer Zersplitterung
des Parlaments, zu umgehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet. Dem Vortrag des Einspruchsführers lässt sich kein Verstoß
gegen Wahlrechtsvorschriften und damit kein Wahlfehler entnehmen.

1. Der Einspruchsführer bestreitet nicht, dass das Verfahren zur Auszählung der Stimmen und zur Verteilung
der Sitze auf die Landeslisten der Parteien bei der Bundestagswahl 2013 den Vorgaben des Bundeswahlge-
setzes entsprach. Dieses regelt heute in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternati-
ve 1, dass bei der Verteilung der Sitze auf die Landeslisten nur Parteien berücksichtigt werden, die mindes-
tens fünf Prozent der im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten oder in mindestens drei
Wahlkreisen einen Sitz errungen haben. Die Sperrklausel führt – anders als der Einspruchsführer meint –
nicht zu „Fremdsitzen“, denn den Parteien, die unterhalb der Fünf-Prozent-Hürde bleiben, stehen aufgrund
ihres Wahlergebnisses keine Sitze zu. Soweit der Einspruchsführer geltend macht, die Sperrklausel verstoße
gegen die Grundsätze der Gleichheit und der Freiheit der Wahl sowie gegen den den Grundsatz der Chancen-
gleichheit der Parteien und sei daher verfassungswidrig, ist darauf hinzuweisen, dass der Wahlprüfungsaus-
schuss und der Deutsche Bundestag in ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens die Ver-
fassungsmäßigkeit der für die Wahl geltenden Rechtsvorschriften nicht überprüfen. Eine derartige Kontrolle
ist stets dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten worden (vgl. etwa Bundestagsdrucksachen 16/1800,
Anlagen 26 bis 28 mit weiteren Nachweisen; 17/1000, Anlagen 5 und 11; 17/2200, Anlagen 1, 13 bis 15, 17
bis 20, 23 und 24; 17/3100, Anlagen 15, 19, 20, 22 bis 30, 32, 34 bis 36; 17/4600, Anlagen 10, 12, 13, 32, 38,
40 bis 43 mit weiteren Nachweisen; 17/6300, Anlage 19). Allerdings hat der Wahlprüfungsausschuss schon
in zahlreichen Wahlprüfungsentscheidungen früherer Wahlperioden keinen Anlass für Zweifel an der Verfas-
sungsmäßigkeit der Regelung gesehen (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen 15/1850, Anlagen 9 und 47;
16/900, Anlage 14), zumal das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit der Sperrklausel in ihrer
Ausgestaltung durch das Bundeswahlgesetz in ständiger Rechtsprechung bestätigt hat (vgl. BVerfGE 1, 208
[247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366]; 95, 408 [417 ff.];
120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.], siehe auch Bundestagsdrucksache 16/900, Anlage 14).
Es ist folglich verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass alle Parlamentssitze auf diejenigen Parteien
verteilt werden, welche die Fünf-Prozent-Hürde überwunden haben. Zwar kann nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts die Sperrklausel durch veränderte Verhältnisse infrage gestellt werden. Dies ist
bezüglich der Bundestagswahl 2013 aber nicht der Fall, wie das Bundesministerium des Innern – auch unter
Bezugnahme auf die Urteile vom 9. November 2011 und 26. Februar 2014 – in seiner Stellungnahme zutref-
fend feststellt: Dass nach dem amtlichen Endergebnis der Bundestagswahl 2013 insgesamt 15,7 Prozent der
gültigen Zweitstimmen nicht in die Mandatsverteilung eingeflossen sind, weil sie für insgesamt 25 Parteien
abgegeben wurden, die bundesweit weniger als fünf Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, ändert nichts
an der vom Bundesverfassungsgericht festgestellten Verfassungskonformität der Fünf-Prozent-Hürde. Zwar
war der Anteil der gültigen, aber wegen der Sperrklausel nicht in die Sitzverteilung eingeflossenen Zweit-
stimmen bei der Bundestagswahl 2013 höher als bei früheren Bundestagswahlen, da – anders als bei vorher-
gehenden Wahlen – zwei Parteien jeweils fast fünf Prozent und zudem 23 weitere Parteien insgesamt 6,2
Prozent (für sich genommen aber teilweise weniger als 0,1 Prozent) erreicht haben. Jedoch ist dieser Um-
stand nicht atypisch oder zuvor unbekannt gewesen. Es ist zudem durchaus möglich, dass er bei kommenden
Bundestagswahlen mit anderen Wahlergebnissen nicht (mehr) auftritt. Der Einzug neuer Parteien in den
Deutschen Bundestag wird, wie Beispiele aus der Geschichte der Bundesrepublik zeigen, ohnehin nicht durch

Drucksache 18/1810 – 182 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

die Sperrklausel verhindert. Außerdem ist die Fünf-Prozent-Hürde auf das jeweilige Ergebnis einer jeden
Partei bezogen. Nur die konkrete Stimmenzahl jeder Partei kann der Ausgangspunkt der Sitzverteilung auf
die Landeslisten sein (vgl. § 6 Absatz 1 BWG) – übrigens auch dann, wenn man gedanklich die Sperrklausel
streicht oder eine niedrigere Sperrklausel ansetzt –; erst im zweiten Schritt ist die Stimmenzahl einer jeden
Partei in Relation zu den Stimmenanteilen der anderen Parteien zu setzen (vgl. § 6 Absätze 2 bis 7 BWG).
Die gedankliche Addition von Zweitstimmenanteilen kann folglich für die Fünf-Prozent-Hürde keine Aussa-
gekraft beanspruchen.

Das vom Einspruchsführer befürwortete Konzept einer Eventualstimme (Alternativstimme, Ersatzstimme)
wäre – wenn es Gesetz würde – verfassungwidrig. Die Einführung einer Eventualstimme verstieße gegen den
Grundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl im Sinne des Artikels 38 Absatz 1 Satz 1 GG und gegen das Demo-
kratieprinzip in Art. 20 Absatz 1 GG (vgl. nur Strelen, in: Schreiber, § 6 Rn. 37).

2. Soweit der Einspruchsführer meint, die Chancengleichheit der Parteien sei nicht gewahrt gewesen, weil die
Wahlkampfkostenerstattung nicht für alle zur Wahl angetretenen Parteien gleich hoch sei, sondern sich ge-
mäß § 18 PartG nach der Stimmenzahl bemesse, ist ebenfalls kein Wahlfehler erkennbar. Zunächst ist erneut
darauf hinzuweisen, dass der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in ständiger Praxis im
Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens die Verfassungsmäßigkeit von Wahlrechtsvorschriften nicht überprü-
fen und eine derartige Kontrolle stets dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten wurde. Außerdem ist be-
reits fraglich, ob der der Finanzierung zugrunde liegende § 18 PartG zu den Wahlrechtsvorschriften im weite-
ren Sinne zählt; denn die Wahlprüfung bezieht sich, wie sich aus § 1 Absatz 1 des Wahlprüfungsgesetzes
ergibt, nur auf Fehler bei der Vorbereitung und Durchführung der Wahl. Davon abgesehen begründet der
Vortrag des Einspruchsführers keinen Verstoß gegen den mit Verfassungsrang ausgestatteten Grundsatz der
Chancengleichheit aller Wahlvorschlagsträger, der eine Differenzierung nur aus zwingenden Gründen zulässt
(BVerfGE 41, 399 [413]; 78, 350 [358]).

Die Regelungen zur Parteienfinanzierung in § 18 PartG verstoßen nicht gegen den Grundsatz der Chancen-
gleichheit. Nach der oben erwähnten ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts rechtfertigt es
die Sicherung des Charakters der Wahl als eines entscheidenden Integrationsvorganges, in einem bestimmten
Umfang bei der Verhältniswahl den Erfolgswert der Wählerstimmen zu dfferenzieren. Auch bei der staatli-
chen Parteienfinanzierung kann der Gesetzgeber der Stimmenzersplitterung schon im Vorfeld der Wahl durch
eine angemessene Beschränkung der Zuweisung staatlicher Mittel entgegentreten. Dadurch wird die Funkti-
onsfähigkeit der Volksvertetung gesichert (vgl. BVerfGE 111, 382 [399]; 121, 108 [123]). Indem der Gesetz-
geber die Gefahr bekämpft, dass sich kleine Splittergruppen nur deshalb an Wahlen beteiligen, um an der
staatlichen Parteienfinanzierung teilzuhaben, wirkt er zugleich der Gefahr einer übermäßigen Aufsplitterung
der Stimmen und der Parteien entgegen (Hahlen, in: Schreiber, § 50 Rn. 17). Die in § 18 Absatz 4 PartG
festgelegten Mindeststimmenanteile von 0,5, 1,0 und 10 Prozent entsprechen den verfassungsrechtlichen
Anforderungen an den Nachweis der Ernsthaftigkeit der Wahlkampfbemühungen (Hahlen, in: Schreiber,
a. a. O.).

3. Der Einspruchsführer untermauert seine Anwürfe, die Chancengleichheit der Parteien sei durch die unter-
schiedliche Präsenz in den öffentlichen und privaten Medien verletzt worden, nicht und bleibt im Ungefäh-
ren. Wahlbeanstandungen, die über nicht belegte Vermutungen oder die bloße Andeutung der Möglichkeit
von Wahlfehlern nicht hinausgehen und einen konkreten, der Überprüfung zugänglichen Tatsachenvortrag
nicht enthalten, müssen aber als unsubstantiiert zurückgewiesen werden (Bundestagsdrucksachen 15/1150,
Anlagen 283 bis 285; 15/1850, Anlage 25; 15/2400, Anlage 9; 17/1000, Anlagen 13 und 19; 18/1160, Anla-
gen 3, 6 und 83; BVerfGE 48, 271 [276]; 66, 369 [379]; 85, 148 [159]; 122, 304 [309]; Hahlen, in: Schreiber,
§ 49 Rn. 25).

4. Auch aus der Rüge, bei der Aufstellung der Listenkandidaten aller erfolgreichen Parteien, z. B. bei der
Aufstellungsversammlung der Partei Bündnis 90/Die Grünen am 7./8. Dezember 2012 in Augsburg, sei die in
allen Wahlgesetzen und in § 17 PartG vorgeschriebene Pflicht zur geheimen Abstimmung missachtet worden,
lässt sich kein Wahlfehler entnehmen. Vorab ist festzuhalten, dass der Einspruchsführer nur einen konkreten
Termin nennt, an dem es zu einer Verletzung des Wahlgeheimnisses bei einer Aufstellungsversammlung
gekommen sein soll: die Listenaufstellung (des bayerischen Landesverbandes) der Partei Bündnis 90/Die
Grünen. Ansonsten belässt er es bei einer pauschalen und damit unsubstantiierten (s. o.) Behauptung. Doch
auch das gerügte Verhalten auf der Aufstellungsversammlung des bayerischen Landesverbandes der Partei
Bündnis 90/Die Grünen war nicht fehlerhaft. Die Vorgaben des § 21 BWG (das Parteiengesetz gilt nur für

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 183 – Drucksache 18/1810

parteiinterne Wahlen) wurden nicht missachtet. Zwar muss die Wahl der Wahlkreisbewerber in Mitglieder-
oder Vertreterversammlungen gemäß § 21 Abs. 3 Satz 1 BWG zwingend geheim erfolgen. Die geheime
Stimmabgabe erfolgt durch die schriftliche Abstimmung der Wahlberechtigten mit Stimmzetteln. Jedoch sind
die bei staatlichen Wahlen zur Sicherung des Wahlgeheimnisses zwingend vorgeschriebenen Schutzvorrich-
tungen wie Wahlkabinen und Wahlurnen nicht einmal erforderlich (Hahlen, in: Schreiber, § 21 Rn. 28), wie
der Wahlprüfungsausschuss in ständiger Spruchpraxis entschieden hat (vgl. Bundestagsdrucksachen 13/3927,
Anlage 20; 14/1560, Anlage 34; 16/3600, Anlage 5; 17/2200, Anlage 11; 17/6300, Anlage 21). Für die ge-
heime Stimmabgabe genügt es in der Regel, dass die Stimmzettel verdeckt gekennzeichnet und ohne
Einblicknahme anderer abgegeben werden können. Vorliegend wurde nach den eigenen Angaben des Ein-
spruchsführers schriftlich mit Stimmzetteln abgestimmt. Wahlkabinen standen in ausreichender Anzahl zur
Verfügung und konnten von den Delegierten genutzt werden.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 185 – Drucksache 18/1810

Anlage 28

Beschlussempfehlung

ZumWahleinspruch

des Herrn M. B., 82131 Gauting,

– Az.: WP 143/13 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag
am 22. September 2013

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 26. Juni 2014 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit einem Fax vom 14. November 2013 Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl
zum 18. Deutschen Bundestag am 22. September 2013 eingelegt.

Er wendet sich gegen die Fünf-Prozent-Klausel. Für Bundestagswahlen gelte das Verhältniswahlrecht. Dies
bedeute, dass die einer Partei zugewiesene Anzahl von Parlamentssitzen ihrem Anteil an der Gesamtstim-
menzahl entsprechen müsse. Auf „wundersame“, aber verfassungswidrige Weise hätten sich die Stimmenan-
teile, bezogen auf die Sitzverteilung, jedoch vermehrt: Der Stimmenanteil der CDU von 34,1 Prozent habe zu
einem Sitzanteil von 40,4 Prozent geführt, der Stimmenanteil der SPD von 25,7 Prozent zu einem Sitzanteil
von 30,6 Prozent, der Stimmenanteil der Partei Die Linke von 8,6 Prozent Prozent zu einem Sitzanteil von
10,1 Prozent, der Stimmenanteil der Partei Bündnis 90/Die Grünen von 8,4 Prozent zu einem Sitzanteil von
10 Prozent und der Stimmenanteil der CSU von 7,4 Prozent zu einem Sitzanteil von 8,9 Prozent. Den fünf im
18. Deutschen Bundestag vertretenen Parteien seien insgesamt 99 Sitze zugeteilt worden, die ihnen nach dem
Wahlergebnis nicht zustünden, da sie nicht vom Wählerwillen gedeckt seien. Die CDU habe 40 Sitze „zu
viel“ erhalten, die SPD 31, Die Linke 10, Bündnis 90/Die Grünen 10 und die CSU acht. Diese „Fremdsitze“
beruhten auf der Fünf-Prozent-Klausel in § 6 Abs. 6 Satz 1, 1. Alternative des Bundeswahlgesetzes (BWG).
Wähler, die gültige Stimmen abgäben, würden dadurch um ihr Wahlrecht gebracht. Sie entschieden nur bei
der Beantwortung der Vorfrage mit, welche Parteien die Fünf-Prozent-Hürde überschritten. Vom entschei-
denden Teil der Wahl, bei dem die Stärkeverhältnisse der Parteien im Parlament festgelegt würden, seien sie
ausgeschlossen. Die für Parteien, die weniger als fünf Prozent der Zweitstimmen erreichten, abgegebenen
Stimmen würden vom Gesetzgeber in voller Absicht vernichtet. Sie kämen den großen Parteien, welche die
Fünf-Prozent-Hürde übersprängen, zugute. Die Fünf-Prozent-Klausel verletzte nicht nur das Grundrecht auf
Gleichheit und freie Ausübung des Wahlrechts, sondern auch den Grundsatz der Chancengleichheit für alle
Parteien. Denn wegen der Befürchtung, sie könne die Fünf-Prozent-Hürde nicht überwinden, wähle so man-
cher die eigene „Wunschpartei“ nicht. Die kleineren Parteien würden benachteiligt. Abhilfe sei nicht nur
verfassungsrechtlich geboten, sondern auch ohne allzu großen Mehraufwand möglich. Es genüge die Einfüh-
rung einer „Ersatz- oder Eventualstimme“, die dann zum Tragen komme, wenn die vorrangig angekreuzte
Partei die Fünf-Prozent-Hürde nicht überwinde. Das Bundesverfassungsgericht habe jedenfalls die angegrif-
fene Regelung noch nicht eingehend untersucht. Die Frage, ob Wähler vom entscheidenden Teil einer Wahl
ausgeschlossen werden dürften, sei vom Gericht noch nicht beantwortet worden.

Wegen der Einzelheiten des Vortrages des Einspruchsführers wird auf den Inhalt der Akten Bezug genom-
men.

Das Bundesministerium des Innern hat zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-
Sperrklausel am 16. Juni 2014 wie folgt Stellung genommen:

1. Das Bundesverfassungsgericht erachte in ständiger Rechtsprechung bei Wahlen zum Deutschen Bundestag
die heute in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG vorgesehene, auf

Drucksache 18/1810 – 186 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

das gesamte Wahlgebiet bezogene Fünf-Prozent-Sperrklausel für verfassungsgemäß (vgl. BVerfGE 1, 208
[247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366]; 95, 408 [417 ff.];
120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.]). Zuletzt habe das Gericht in seinem Urteil vom
9. Januar 2011 zur Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen entschieden, dass die Fünf-Prozent-
Sperrklausel bei der Wahl zum Deutschen Bundestag ihre Rechtfertigung im Wesentlichen darin finde, dass
die Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende
Unterstützung nötig sei und dieses Ziel durch die Zersplitterung des Parlaments in viele kleine Gruppen ge-
fährdet werde (BVerfGE 129, 300 [335 f.]). In der Entscheidung vom 26. Februar 2014 (2 BvE 2/13 u. a.) zur
Drei-Prozent-Sperrklausel im Europawahlrecht habe das Gericht erneut bestätigt, dass eine Sperrklausel ge-
rechtfertigt sein könne, wenn Verhältnisse wie auf nationaler Ebene gegeben sind, wo die Bildung einer
stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Unterstützung nötig
sei (ebd. Rn. 72).

Angesichts der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei der Wahlgesetzgeber verfas-
sungsrechtlich nicht daran gehindert, bei der Verteilung der zu vergebenden Sitze auf die Landeslisten bei der
Bundestagswahl grundsätzlich nur die Parteien zu berücksichtigen, die mindestens fünf Prozent der im Wahl-
gebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten haben (§ 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Ab-
satz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG). Es sei ihm mit anderen Worten von Verfassungs wegen unbenommen,
gültige Zweitstimmen, die auf Landeslisten von Parteien entfallen sind, die nicht die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben, zwar für die Ergebnisfeststellung als relevant zu werten (§ 42 BWG), nicht
aber für die Sitzverteilung. Der Wahlgesetzgeber dürfe also ohne Verstoß gegen Bundesverfassungsrecht alle
zu vergebenden Parlamentssitze auf die Landeslisten derjenigen Parteien verteilen, die die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben.

Im Interesse der Handlungsfähigkeit des Deutschen Bundestages habe der Wahlgesetzgeber bisher an der auf
das gesamte Wahlgebiet bezogenen Fünf-Prozent-Sperrklausel, die seit der Wahl zum 2. Deutschen Bundes-
tag 1953 gilt, festgehalten. Denn eine Wahl habe – wie das Bundesverfassungsgericht betone (vgl. BVerfGE
51, 222 [236]) – „nicht nur das Ziel, eine Volksvertretung zu schaffen, die ein Spiegelbild der in der Wähler-
schaft vorhandenen politischen Meinungen darstellt, sondern sie soll auch ein funktionsfähiges Organ her-
vorbringen.“ Hierfür seien „(k)lare und ihrer Verantwortung für das Gesamtwohl bewusste Mehrheiten in
einer Volksvertretung (…) für eine Bewältigung der ihr gestellten Aufgaben unentbehrlich“, die durch einen
unbegrenzten Proporz nicht gewährleistet sind.

2. Zwar könne nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die verfassungsrechtliche Rechtfer-
tigung einer die Wahlgleichheit berührenden Norm des Wahlrechts wie eine Sperrklauselregelung durch ver-
änderte Verhältnisse oder neue Entwicklungen – etwa durch eine Änderung der vom Gesetzgeber vorausge-
setzten tatsächlichen oder normativen Grundlagen oder wenn sich die beim Erlass der Norm hinsichtlich ihrer
Auswirkungen angestellte Prognose als irrig erwiesen habe – in Frage gestellt werden (BVerfGE 82, 322
[338 f.]; 120, 82 [108]; 129, 300 [321 f.]; Urteil vom 26. Februar 2014, Az. 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 56). Dies
sei im Hinblick auf die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen jedoch nicht der Fall.

Eine Änderung der normativen Grundlagen für die Beurteilung der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundes-
tagswahlen, die das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung als verfassungsgemäß angesehen
habe, sei nicht festzustellen. Insbesondere führten das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
9. November 2011 zur Verfassungswidrigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen (BVerfGE
129, 300) und sein Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Sperrklausel im
Europawahlgesetz (2 BvE 2/13 u. a.) nicht zu einer abweichenden Bewertung. Das Bundesverfassungsgericht
begründe die Verfassungswidrigkeit der Sperrklauseln bei Europawahlen in diesen Urteilen mit der besonde-
ren Stellung und Funktion des Europäischen Parlaments im Gefüge der Organe der Europäischen Union, wo
eine vergleichbare Interessenlage wie bei der Bundestagswahl nicht bestehe (BVerfGE 129, 300 [336]). Auch
in seinem Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Klausel im Europawahl-
gesetz halte das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich an der gefestigten Rechtsprechung zum verfassungs-
rechtlichen Maßstab für die Beurteilung wahlrechtlicher Sperrklauseln fest und lege – wie es mehrfach beto-
ne – seinem Urteil die gleichen Prüfungsmaßstäbe wie im Urteil vom 9. November 2011 zugrunde (Az. 2
BvE 2/13 u. a., Rn. 37, 45, 63). In beiden Urteilen weise das Gericht zudem darauf hin, dass bei der Bundes-
tagswahl – anders als bei der Europawahl – der Deutsche Bundestag im Falle einer eintretenden Funktionsbe-
einträchtigung aufgrund seiner veränderten strukturellen Zusammensetzung nicht mehr in der Lage wäre, die

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 187 – Drucksache 18/1810

gesetzlichen Regelungen zur Sicherung seiner Funktionsfähigkeit zu ändern, weil die erforderliche Mehrheit
nicht mehr zustande käme (BVerfGE 129, 300 [324]; Urteil vom 26. Februar 2014, 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 58).

3. Auch in tatsächlicher Hinsicht erfordere das Wahlergebnis der Bundestagswahl 2013, bei der zwei Parteien
mit einem Stimmenanteil von 4,8 Prozent bzw. 4,7 Prozent der Zweitstimmen vergleichsweise knapp an der
Fünf-Prozent-Klausel gescheitert seien, keine Neubewertung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der
Klausel. Der Gesetzgeber habe sich für die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen entschieden und
diese bis heute beibehalten, um in Konstellationen, in denen eine oder mehrere Parteien weniger als fünf
Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, die Funktionsfähigkeit des Bundestages sicherzustellen. Wenn eine
solche Konstellation bei einer Wahl – wie nun der Bundestagswahl 2013 – tatsächlich auftrete, liege gerade
nicht der Fall vor, dass sich eine Prognose des Gesetzgebers als irrig erwiesen habe oder dass eine Änderung
der vom Gesetzgeber vorausgesetzten tatsächlichen Verhältnisse eingetreten sei, sondern es habe sich ledig-
lich ein Szenario realisiert, das der Gesetzgeber mit seiner Regelung von vornherein habe erfassen wollen.
Auch das Bundesverfassungsgericht habe die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen in Kenntnis
des Umstands, dass an ihr nicht nur Parteien mit einem niedrigen Stimmenanteil zwischen null und zwei
Prozent der Zweitstimmen, sondern auch Parteien mit einem Stimmenanteil knapp unter fünf Prozent schei-
tern können, in ständiger Rechtsprechung als verfassungsmäßig angesehen (siehe die Nachweise unter 1.).

Die bei der Bundestagswahl 2013 aufgetretene hohe Gesamtzahl von abgegebenen gültigen Zweitstimmen
für Parteien, die die Fünf-Prozent-Sperrklausel nicht überwunden haben, sei kein Grund, das Vorliegen ver-
änderter Verhältnisse bzw. neuer Entwicklungen anzunehmen, die eine Neubewertung der verfassungsrecht-
lichen Zulässigkeit der Sperrklausel erforderten. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Sperrklausel sei
nicht von der Gesamtzahl der Stimmen für diejenigen Parteien abhängig, die die Sperrklausel bei einer ein-
zelnen Wahl nicht überwinden. Die Sperrklausel rechtfertige sich vielmehr durch den mit ihr verfolgten ver-
fassungsrechtlich legitimen Zweck, die Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages sicherzustellen (siehe
die Nachweise unter 1.). Sie erfülle ihren Zweck gerade dann, wenn viele an der Wahl teilnehmende Parteien
die Sperrklausel nicht überwinden, aber ohne Sperrklausel Sitze im Parlament erlangt hätten, da auf diese
Weise eine die stabile Mehrheitsbildung gefährdende Zersplitterung des Bundestages vermieden werde.

4. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel stehe nicht entgegen, dass eine
hohe Zahl von Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die aufgrund der Sperrklausel nicht an der Sitzvertei-
lung teilnehmen, eine absolute Mehrheit der Sitze für Parteien ermögliche, die bei der Wahl deutlich weniger
als der Hälfte der Stimmen erreicht haben. Das Erreichen einer Mehrheit der Sitze im Parlament sei immer
mit weniger als der Hälfte der gültigen Zweitstimmen möglich. Denn auch ohne Sperrklausel erhalte nicht
jede Partei, für die bei der Wahl gültige Stimmen abgegeben wurden, automatisch einen Sitz. Da für einen
Sitz auch ohne Sperrklausel stets eine bestimmte Zahl von Stimmen erforderlich sei, führten nicht alle Stim-
men zu einem Sitzerfolg und darum weniger als 50 Prozent der gültigen Zweitstimmen zu einer Mehrheit der
Sitze. Ein Verfassungsrechtssatz des Inhalts, dass einer Mehrheit der Mitglieder des Bundestages notwendi-
gerweise eine Mehrheit der Zweitstimmen in der Bundestagswahl entsprechen müsse, sei nicht feststellbar.
Wenn aber eine Partei in einer Wahl eine absolute Mehrheit der Zweitstimmen erhalte, sei gesichert, dass auf
sie mehr als die Hälfte der Sitze entfalle (§ 6 Absatz 7 BWG).

5. Gegen die Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht vorgebracht werden, sie verhindere bzw. erschwere
in übermäßiger Weise die Entstehung oder Etablierung neuer Parteien und schränke dadurch in unzulässiger
Weise die Chancengleichheit der Parteien ein. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Chancengleichheit
der Parteien verlange nicht, dass jeder Partei, die bei der Bundestagswahl Stimmen erhalte, Sitze im Bundes-
tag garantiert seien. Jede Partei habe rechtlich die gleiche Chance auf Teilnahme an der Sitzverteilung bei
Überwindung der Sperrklausel. Wenn eine Partei die für alle geltende Sperrklausel nicht überwinde, so sei
dies Resultat zu geringer Zustimmung in der Wählerschaft und gerade nicht ungleicher Chancen, denn die
unterschiedliche Gewichtung des Erfolgswerts von Wahlstimmen durch eine Sperrklausel treffe alle Parteien
gleichermaßen (vgl. BVerfGE 82, 322 [345]).

Dass die Fünf-Prozent-Sperrklausel die Entstehung und Etablierung neuer Parteien nicht verhindere oder
übermäßig erschwere, zeige der Einzug in die Parlamente auch neuer Parteien in den vergangenen Jahren bei
Bundestagswahlen und Landtagswahlen, bei denen nach Landesrecht ebenfalls Fünf-Prozent-Sperrklauseln
bestünden. Die Sperrklauseln trügen zu einem Mindestmaß an Konsolidierung neuer Parteien bei, indem sie
eine funktionierende Organisation und eine hinreichende Kampagnenfähigkeit der Partei erforderlich mach-
ten, um einen erfolgreichen Wahlkampf zu führen, der den Einzug ins Parlament ermögliche. Auch das Bun-

Drucksache 18/1810 – 188 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

desverfassungsgericht sehe in ständiger Rechtsprechung in der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestags-
wahlen keinen verfassungswidrigen Eingriff in die Chancengleichheit der Parteien (siehe die Nachweise un-
ter 1.).

6. Die Fünf-Prozent-Sperrklausel habe nicht zur Folge, dass die Parteien, die die Sperrklausel überwunden
haben und deshalb an der Sitzverteilung teilnehmen, von den Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die an
der Sperrklausel gescheitert sind und somit nicht an der Sitzverteilung teilnehmen, profitierten und die Wäh-
ler bei der Stimmabgabe nicht erkennen könnten, welche Partei letztlich tatsächlich von ihrer Zweitstimme
profitiere. Von der Zweitstimme für eine Partei profitiere stets die Partei, für die die Stimme abgegeben wor-
den sei. Wenn eine Partei aufgrund eines zur Überwindung der Sperrklausel nicht ausreichenden Zuspruchs
in der Wählerschaft nicht an der Sitzverteilung teilnehme, würden die zu vergebenden Sitze auf die Parteien
verteilt, die die Sperrklausel überwunden haben. Diese Parteien profitierten bei dieser Verteilung von den für
sie abgegebenen Zweitstimmen, nicht von den Zweitstimmen für die an der Sperrklausel gescheiterten Partei-
en, die wegen Nichtteilnahme an der Sitzverteilung zu keinem Sitzerfolg führten.

7. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht entgegengehalten
werden, der Umstand, dass aufgrund der Sperrklausel eine hohe Zahl von Stimmen bei der Sitzverteilung
unberücksichtigt bleibe, befördere die Politikverdrossenheit der Wahlberechtigten. Unabhängig davon, ob
dies tatsächlich der Fall sei, habe sich der Gesetzgeber dazu entschieden, der Sicherung der Funktionsfähig-
keit des Parlaments Vorrang vor derartigen Erwägungen einzuräumen. Das Bundesverfassungsgericht erachte
dies in ständiger Rechtsprechung für verfassungsrechtlich zulässig (siehe die Nachweise unter 1.). Ein wegen
Zersplitterung in kleine und kleinste Fraktionen nicht mehrheits- und handlungsfähiges Parlament, das zur
Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nicht in der Lage sei, wäre zudem in weit höherem Maße geeignet, Politikverdrossenheit zu för-
dern.

8. Aufgrund der verfassungskonformen Ausgestaltung der Fünf-Prozent-Sperrklausel im geltenden Bundes-
wahlgesetz sei der Wahlgesetzgeber auch nicht zur Einführung einer Alternativstimme („Eventualstimme“,
„Ersatzstimme“ bzw. „Stimmweitergabe-Option“) verpflichtet. Ergänzend sei darauf verwiesen, dass im
Schrifttum gegen die Einführung einer solchen Alternativstimme verfassungsrechtliche Bedenken geltend
gemacht würden: Eine Alternativstimme sei mit dem Charakter der Stimmabgabe als einer vorbehaltlosen
und bedingungsfeindlichen Willenserklärung nicht zu vereinbaren und verstoße daher gegen den Grundsatz
der Unmittelbarkeit der Wahl im Sinne des Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) und gegen
das Demokratieprinzip nach Artikel 20 Absatz 1 GG (so Strelen, in: Schreiber, Bundeswahlgesetz, 9. Auflage
2013, § 6 Rn. 37 sowie Schreiber, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: 43. Lfg.
April 2014, Art. 38 Rn. 40, 132). Überdies wäre die Gewährung einer Alternativstimme auch keine verfas-
sungspolitisch angezeigte Fortentwicklung des Wahlrechts. Sie würde das Stimmabgabeverfahren verkompli-
zieren, die Ermittlung des Wahlergebnisses wesentlich erschweren und verzögern und den Wähler von einer
eindeutigen politischen Entscheidung ohne Vorbehalt und Rückfallposition entpflichten (vgl. im Einzelnen
hierzu Strelen, in: Schreiber, § 6 Rn. 37).

9. Die Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Klausel sei schließlich auch nicht davon abhängig, dass Par-
teien, die jeweils mit einer eigenen Liste an der Bundestagswahl teilnehmen, ihre Landeslisten verbinden
dürften, um als Zählgemeinschaft die Sperrklausel zu überwinden. Derartige Listenverbindungen verschiede-
ner Parteien bei der Bundestagswahl seien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wegen
Verstoßes gegen den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit der Parteien verfas-
sungswidrig (BVerfGE 82, 322 [345 f.]). Eine derartige Listenverbindung würde allein dem Zweck dienen,
die verfassungslegitime Zielsetzung einer Fünf-Prozent-Sperrklausel, die Verhinderung einer Zersplitterung
des Parlaments, zu umgehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet. Dem Vortrag des Einspruchsführers lässt sich kein Verstoß
gegen Wahlrechtsvorschriften und damit kein Wahlfehler entnehmen.

Der Einspruchsführer bestreitet nicht, dass das Verfahren zur Auszählung der Stimmen und zur Verteilung
der Sitze auf die Landeslisten der Parteien bei der Bundestagswahl 2013 den Vorgaben des Bundeswahlge-
setzes entsprach. Dieses regelt heute in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternati-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 189 – Drucksache 18/1810

ve 1, dass bei der Verteilung der Sitze auf die Landeslisten nur Parteien berücksichtigt werden, die mindes-
tens fünf Prozent der im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten oder in mindestens drei
Wahlkreisen einen Sitz errungen haben. Die Sperrklausel führt – anders als der Einspruchsführer meint –
nicht zu „Fremdsitzen“, denn den Parteien, die unterhalb der Fünf-Prozent-Hürde bleiben, stehen aufgrund
ihres Wahlergebnisses keine Sitze zu. Soweit der Einspruchsführer geltend macht, die Sperrklausel verstoße
gegen die Grundsätze der Gleichheit und der Freiheit der Wahl sowie gegen den den Grundsatz der Chancen-
gleichheit der Parteien und sei daher verfassungswidrig, ist darauf hinzuweisen, dass der Wahlprüfungsaus-
schuss und der Deutsche Bundestag in ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens die Ver-
fassungsmäßigkeit der für die Wahl geltenden Rechtsvorschriften nicht überprüfen. Eine derartige Kontrolle
ist stets dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten worden (vgl. etwa Bundestagsdrucksachen 16/1800,
Anlagen 26 bis 28 mit weiteren Nachweisen; 17/1000, Anlagen 5 und 11; 17/2200, Anlagen 1, 13 bis 15, 17
bis 20, 23 und 24; 17/3100, Anlagen 15, 19, 20, 22 bis 30, 32, 34 bis 36; 17/4600, Anlagen 10, 12, 13, 32, 38,
40 bis 43 mit weiteren Nachweisen; 17/6300, Anlage 19). Allerdings hat der Wahlprüfungsausschuss schon
in zahlreichen Wahlprüfungsentscheidungen früherer Wahlperioden keinen Anlass für Zweifel an der Verfas-
sungsmäßigkeit der Regelung gesehen (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen 15/1850, Anlagen 9 und 47;
16/900, Anlage 14), zumal das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit der Sperrklausel in ihrer
Ausgestaltung durch das Bundeswahlgesetz in ständiger Rechtsprechung bestätigt hat (vgl. BVerfGE 1, 208
[247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366]; 95, 408 [417 ff.];
120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.], siehe auch Bundestagsdrucksache 16/900, Anlage 14).
Es ist folglich verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass alle Parlamentssitze auf diejenigen Parteien
verteilt werden, welche die Fünf-Prozent-Hürde überwunden haben. Zwar kann nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts die Sperrklausel durch veränderte Verhältnisse infrage gestellt werden. Dies ist
bezüglich der Bundestagswahl 2013 aber nicht der Fall, wie das Bundesministerium des Innern – auch unter
Bezugnahme auf die Urteile vom 9. November 2011 und 26. Februar 2014 – in seiner Stellungnahme zutref-
fend feststellt: Dass nach dem amtlichen Endergebnis der Bundestagswahl 2013 insgesamt 15,7 Prozent der
gültigen Zweitstimmen nicht in die Mandatsverteilung eingeflossen sind, weil sie für insgesamt 25 Parteien
abgegeben wurden, die bundesweit weniger als fünf Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, ändert nichts
an der vom Bundesverfassungsgericht festgestellten Verfassungskonformität der Fünf-Prozent-Hürde. Zwar
war der Anteil der gültigen, aber wegen der Sperrklausel nicht in die Sitzverteilung eingeflossenen Zweit-
stimmen bei der Bundestagswahl 2013 höher als bei früheren Bundestagswahlen, da – anders als bei vorher-
gehenden Wahlen – zwei Parteien jeweils fast fünf Prozent und zudem 23 weitere Parteien insgesamt 6,2
Prozent (für sich genommen aber teilweise weniger als 0,1 Prozent) erreicht haben. Jedoch ist dieser Um-
stand nicht atypisch oder zuvor unbekannt gewesen. Es ist zudem durchaus möglich, dass er bei kommenden
Bundestagswahlen mit anderen Wahlergebnissen nicht (mehr) auftritt. Der Einzug neuer Parteien in den
Deutschen Bundestag wird, wie Beispiele aus der Geschichte der Bundesrepublik zeigen, ohnehin nicht durch
die Sperrklausel verhindert. Außerdem ist die Fünf-Prozent-Hürde auf das jeweilige Ergebnis einer jeden
Partei bezogen. Nur die konkrete Stimmenzahl jeder Partei kann der Ausgangspunkt der Sitzverteilung auf
die Landeslisten sein (vgl. § 6 Absatz 1 BWG) – übrigens auch dann, wenn man gedanklich die Sperrklausel
streicht oder eine niedrigere Sperrklausel ansetzt –; erst im zweiten Schritt ist die Stimmenzahl einer jeden
Partei in Relation zu den Stimmenanteilen der anderen Parteien zu setzen (vgl. § 6 Absätze 2 bis 7 BWG).
Die gedankliche Addition von Zweitstimmenanteilen kann folglich für die Fünf-Prozent-Hürde keine Aussa-
gekraft beanspruchen.

Das vom Einspruchsführer befürwortete Konzept einer Eventualstimme (Alternativstimme, Ersatzstimme)
wäre – wenn es Gesetz würde – verfassungwidrig. Die Einführung einer Eventualstimme verstieße gegen den
Grundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl im Sinne des Artikels 38 Absatz 1 Satz 1 GG und gegen das Demo-
kratieprinzip in Art. 20 Absatz 1 GG (vgl. nur Strelen, in: Schreiber, § 6 Rn. 37).

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 191 – Drucksache 18/1810

Anlage 29

Beschlussempfehlung

ZumWahleinspruch

des Herrn C. M. S., 60327 Frankfurt am Main,

– Az.: WP 144/13 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag
am 22. September 2013

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 26. Juni 2014 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat durch ein Schreiben vom 13. November 2013 Einspruch gegen die Gültigkeit der
Wahl zum 18. Deutschen Bundestag am 22. September 2013 eingelegt. Er hat seinen Vortrag durch ein Fax
vom 15. November 2013 erweitert.

Der Einspruchsführer macht mehrere Einspruchsgründe geltend.

1. Er wendet sich gegen die Fünf-Prozent-Hürde. Sie sei verfassungswidrig, da sie die Rechte kleinerer bzw.
neuer Parteien massiv verletze, ohne dass es dafür eine hinreichend gewichtige Rechtfertigung gebe. Die der
Sperrklausel „zum Opfer“ fallenden Stimmen fielen nicht einfach unter den Tisch, sondern kämen konkurrie-
renden Parteien zugute. Wegen an der Sperrklausel scheiternden Kleinparteien komme es häufig vor, dass
eine Regierungskoalition mit weniger als 50 Prozent der Stimmen eine absolute Mehrheit der Parlamentssitze
erhalte. Das Bundesverfassungsgericht habe wiederholt (und zuletzt in BVerfGE 120, 82 [114]) auf die
Pflicht des Wahlgesetzgebers hingewiesen, die Parteienlandschaft immer neu auf Zerklüftungen und Verän-
derungen hin zu untersuchen und das Recht gegebenenfalls anzupassen. Dieser Pflicht sei im Vorfeld der
Bundestagswahl 2013 nicht nachgekommen worden. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte
(EGMR) habe festgestellt, dass die wesentlichen Regelungen des Wahlrechts mindestens ein Jahr vor der
Wahl feststehen müssten. Die vom Deutschen Bundestag verabschiedete Reform der Sitzverteilung sei aber
erst am 9. Mai 2013 in Kraft getreten, was gegen die EGMR-Rechtsprechung verstoße. Kleinere und neue
Parteien hätten nur wenig Zeit gehabt, sich auf die neue Gesetzeslage einzustellen. Hinzu komme, dass bis
zum Zeitpunkt der Verabschiedung bzw. des Inkrafttretens unklar sei, ob und wie das Wahlrecht geändert
werde. Dies alles habe die kleineren und neuen Parteien erheblich in ihren Wahlvorbereitungen beeinträch-
tigt. Bei besserer Möglichkeit zur Vorbereitung hätte z. B. die Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD)
den Einzug in den Deutschen Bundestag geschafft. Die Ergebnis- und Mandatsrelevanz der Sperrklausel sei
offensichtlich. Der verfassungswidrige „Sperrklausel-Effekt“ verschärfe sich durch die Nichteinhaltung der
EGMR-Frist, aber auch durch die Möglichkeit der „Regierungsparteien“, den Wahltermin zu bestimmen,
durch die verfassungswidrige Zusammensetzung der Gremien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sowie
durch Wahlkampf- und Parteispenden großer Unternehmen. Zudem würden Fraktionsmitarbeiter laut Me-
dienberichten für den Wahlkampf eingespannt. Des Weiteren begünstige die Sperrklausel das Nichtwählen
und sei dazu geeignet, der Benachteiligung von Minderheiten jeder Art Vorschub zu leisten. Die Funktions-
fähigkeit des Parlaments sei kein hinreichender Rechtfertigungsgrund.

2. Der Einspruchsführer kritisiert die sog. starren (Landes)Listen der Parteien. Zwar sähen das Bundesverfas-
sungsgericht und der überwiegende Teil der Literatur in der Wahl nach starren Listen keinen Verstoß gegen
den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl. Jedoch sei fraglich, ob nicht auch Aktivitäten von Instanzen,
die vor der Wahl dem Wähler die Möglichkeit nähmen, die zukünftigen Abgeordneten selbst zu bestimmen,
gegen den Grundsatz der Freiheit und der Unmittelbarkeit der Wahl verstießen. Die Mandatsverteilung mit-
tels starrer Listen nehme dem Wähler faktisch das Entscheidungsrecht über die Zusammensetzung, möge es
in der Theorie auch weiter bestehen. Denn Kandidaten, welche die Parteigremien auf „sichere Listenplätze“

Drucksache 18/1810 – 192 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

gesetzt hätten oder welche in einem „sicheren Wahlkreis“ kandidierten, seien mit der Nominierung praktisch
auch schon gewählt. Für den Einsatz starrer Listen sprächen nicht einmal praktische Gründe. Das Prinzip der
Listenwahl könne auch so gestaltet werden, dass der Wähler die Möglichkeit erhalte, auf der Liste stehende
Kandidaten frei auszuwählen.

3. Der Einspruchsführer rügt ferner, etwa 14 Millionen Menschen in Deutschland seien vom aktiven Wahl-
recht ausgeschlossen, weil sie nicht volljährig seien. Dabei seien junge Menschen bereits im Alter von 12 bis
15 Jahren fähig, sog. formallogische Denkoperationen durchzuführen. Sie hätten damit die höchste Stufe der
kognitiven Entwicklung erreicht, die auch Erwachsene nicht überschritten. In vielen Lebensbereichen werde
jungen Menschen bereits früh Verantwortung anvertraut, etwa bei der Konfessionswahl, der Strafmündigkeit,
der Testierfähigkeit oder bei der Eheschließung. In allen Parteien könne man mit 16 Jahren Mitglied werden.
Andere Staaten, wie beispielsweise Österreich, und auch Bundesländer hätten das Wahlalter auf 16 Jahre
gesenkt. Der Gesetzgeber sei seiner Überprüfungspflicht, ob das Wahlalter zu senken sei, nicht nachgekom-
men. Es handele sich gewissermaßen um eine Altersdiskriminierung der Jungen.

4. Die Reihenfolge der Parteien auf dem Stimmzettel benachteilige nicht im Parlament vertretene Parteien
und Gruppierungen. Die im Parlament vertretenen Parteien seien stets zu Beginn aufgeführt. Dies beeinträch-
tige die Wahlrechtsgleichheit, wie unter anderem der Saarländische Verfassungsgerichtshof entschieden habe
(NVwZ-RR 2012, 169).

5. Der Einspruchsführer rügt außerdem die angebliche Verwendung von Fraktionsmitteln der FDP für Wer-
bebriefe im Bundestagswahlkampf, die Parteienfinanzierung durch Spenden von Unternehmen, die Veröf-
fentlichung einer Wahlprognose auf der Internetseite des „Nordkuriers“ am Wahltag vor 18 Uhr, den ver-
meintlichen Verlust von 100.000 Briefwahlstimmen in Hamburg, den Termin für eine Bundestagssitzung
kurz vor der Wahl und angeblichen politischen Wahlbetrug.

6. Des Weiteren bemängelt der Einspruchsführer, Auslandsdeutsche könnten – anders als Auslandsfranzosen
– ihre demokratischen Rechte nicht uneingeschränkt wahrnehmen. Denn nach der Rechtslage sei nicht die
Staatsangehörigkeit für das Wahlrecht entscheidend, sondern eine „diffuse“ Zugehörigkeit anderer Art, die
sich hauptsächlich durch Anwesenheit im Inland manifestiere. Hinreichende Gründe für den Ausschluss be-
stimmter Auslandsdeutscher seien nicht erkennbar. Es sei nicht auszuschließen, dass die FDP und die AfD
die Sperrklausel überwunden hätten, wenn mehr Auslandsdeutsche wahlberechtigt gewesen wären. Ergebnis-
und Mandatsrelevanz sei gegeben.

7. Der Einspruchsführer meint, die Sperrklausel müsse als verfassungswesentliche Wahlrechtsregelung in der
Verfassung normiert sein bzw. im Wege des Artikels 146 des Grundgesetzes (GG) in eine (neu zu schaffen-
de) Verfassung aufgenommen werden. Die Briefwahl müsse auf einen Zeitraum von zwei Wochen vor der
Wahl beschränkt werden. Zugleich müssten Wahlprognosen während dieses Zeitraums untersagt werden.
Auch dauerten die Wahlprüfungsverfahren zu lang; das zweistufige Verfahren sei abzuschaffen und auf ein
einstufiges umzustellen.

Wegen der Einzelheiten des Vortrages des Einspruchsführers wird auf den Inhalt der Akten Bezug genom-
men.

Das Bundesministerium des Innern hat zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-
Sperrklausel am 16. Juni 2014 wie folgt Stellung genommen:

1. Das Bundesverfassungsgericht erachte in ständiger Rechtsprechung bei Wahlen zum Deutschen Bundestag
die heute in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1 des Bundeswahlgesetzes
(BWG) vorgesehene, auf das gesamte Wahlgebiet bezogene Fünf-Prozent-Sperrklausel für verfassungsgemäß
(vgl. BVerfGE 1, 208 [247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366];
95, 408 [417 ff.]; 120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.]). Zuletzt habe das Gericht in seinem
Urteil vom 9. Januar 2011 zur Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen entschieden, dass die Fünf-
Prozent-Sperrklausel bei der Wahl zum Deutschen Bundestag ihre Rechtfertigung im Wesentlichen darin
finde, dass die Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren
fortlaufende Unterstützung nötig sei und dieses Ziel durch die Zersplitterung des Parlaments in viele kleine
Gruppen gefährdet werde (BVerfGE 129, 300 [335 f.]). In der Entscheidung vom 26. Februar 2014 (2 BvE
2/13 u. a.) zur Drei-Prozent-Sperrklausel im Europawahlrecht habe das Gericht erneut bestätigt, dass eine
Sperrklausel gerechtfertigt sein könne, wenn Verhältnisse wie auf nationaler Ebene gegeben sind, wo die

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 193 – Drucksache 18/1810

Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nötig sei (ebd. Rn. 72).

Angesichts der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei der Wahlgesetzgeber verfas-
sungsrechtlich nicht daran gehindert, bei der Verteilung der zu vergebenden Sitze auf die Landeslisten bei der
Bundestagswahl grundsätzlich nur die Parteien zu berücksichtigen, die mindestens fünf Prozent der im Wahl-
gebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten haben (§ 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Ab-
satz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG). Es sei ihm mit anderen Worten von Verfassungs wegen unbenommen,
gültige Zweitstimmen, die auf Landeslisten von Parteien entfallen sind, die nicht die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben, zwar für die Ergebnisfeststellung als relevant zu werten (§ 42 BWG), nicht
aber für die Sitzverteilung. Der Wahlgesetzgeber dürfe also ohne Verstoß gegen Bundesverfassungsrecht alle
zu vergebenden Parlamentssitze auf die Landeslisten derjenigen Parteien verteilen, die die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben.

Im Interesse der Handlungsfähigkeit des Deutschen Bundestages habe der Wahlgesetzgeber bisher an der auf
das gesamte Wahlgebiet bezogenen Fünf-Prozent-Sperrklausel, die seit der Wahl zum 2. Deutschen Bundes-
tag 1953 gilt, festgehalten. Denn eine Wahl habe – wie das Bundesverfassungsgericht betone (vgl. BVerfGE
51, 222 [236]) – „nicht nur das Ziel, eine Volksvertretung zu schaffen, die ein Spiegelbild der in der Wähler-
schaft vorhandenen politischen Meinungen darstellt, sondern sie soll auch ein funktionsfähiges Organ her-
vorbringen.“ Hierfür seien „(k)lare und ihrer Verantwortung für das Gesamtwohl bewusste Mehrheiten in
einer Volksvertretung (…) für eine Bewältigung der ihr gestellten Aufgaben unentbehrlich“, die durch einen
unbegrenzten Proporz nicht gewährleistet sind.

2. Zwar könne nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die verfassungsrechtliche Rechtfer-
tigung einer die Wahlgleichheit berührenden Norm des Wahlrechts wie eine Sperrklauselregelung durch ver-
änderte Verhältnisse oder neue Entwicklungen – etwa durch eine Änderung der vom Gesetzgeber vorausge-
setzten tatsächlichen oder normativen Grundlagen oder wenn sich die beim Erlass der Norm hinsichtlich ihrer
Auswirkungen angestellte Prognose als irrig erwiesen habe – in Frage gestellt werden (BVerfGE 82, 322
[338 f.]; 120, 82 [108]; 129, 300 [321 f.]; Urteil vom 26. Februar 2014, Az. 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 56). Dies
sei im Hinblick auf die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen jedoch nicht der Fall.

Eine Änderung der normativen Grundlagen für die Beurteilung der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundes-
tagswahlen, die das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung als verfassungsgemäß angesehen
habe, sei nicht festzustellen. Insbesondere führten das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
9. November 2011 zur Verfassungswidrigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen (BVerfGE
129, 300) und sein Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Sperrklausel im
Europawahlgesetz (2 BvE 2/13 u. a.) nicht zu einer abweichenden Bewertung. Das Bundesverfassungsgericht
begründe die Verfassungswidrigkeit der Sperrklauseln bei Europawahlen in diesen Urteilen mit der besonde-
ren Stellung und Funktion des Europäischen Parlaments im Gefüge der Organe der Europäischen Union, wo
eine vergleichbare Interessenlage wie bei der Bundestagswahl nicht bestehe (BVerfGE 129, 300 [336]). Auch
in seinem Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Klausel im Europawahl-
gesetz halte das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich an der gefestigten Rechtsprechung zum verfassungs-
rechtlichen Maßstab für die Beurteilung wahlrechtlicher Sperrklauseln fest und lege – wie es mehrfach beto-
ne – seinem Urteil die gleichen Prüfungsmaßstäbe wie im Urteil vom 9. November 2011 zugrunde (Az. 2
BvE 2/13 u. a., Rn. 37, 45, 63). In beiden Urteilen weise das Gericht zudem darauf hin, dass bei der Bundes-
tagswahl – anders als bei der Europawahl – der Deutsche Bundestag im Falle einer eintretenden Funktionsbe-
einträchtigung aufgrund seiner veränderten strukturellen Zusammensetzung nicht mehr in der Lage wäre, die
gesetzlichen Regelungen zur Sicherung seiner Funktionsfähigkeit zu ändern, weil die erforderliche Mehrheit
nicht mehr zustande käme (BVerfGE 129, 300 [324]; Urteil vom 26. Februar 2014, 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 58).

3. Auch in tatsächlicher Hinsicht erfordere das Wahlergebnis der Bundestagswahl 2013, bei der zwei Parteien
mit einem Stimmenanteil von 4,8 Prozent bzw. 4,7 Prozent der Zweitstimmen vergleichsweise knapp an der
Fünf-Prozent-Klausel gescheitert seien, keine Neubewertung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der
Klausel. Der Gesetzgeber habe sich für die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen entschieden und
diese bis heute beibehalten, um in Konstellationen, in denen eine oder mehrere Parteien weniger als fünf
Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, die Funktionsfähigkeit des Bundestages sicherzustellen. Wenn eine
solche Konstellation bei einer Wahl – wie nun der Bundestagswahl 2013 – tatsächlich auftrete, liege gerade
nicht der Fall vor, dass sich eine Prognose des Gesetzgebers als irrig erwiesen habe oder dass eine Änderung

Drucksache 18/1810 – 194 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

der vom Gesetzgeber vorausgesetzten tatsächlichen Verhältnisse eingetreten sei, sondern es habe sich ledig-
lich ein Szenario realisiert, das der Gesetzgeber mit seiner Regelung von vornherein habe erfassen wollen.
Auch das Bundesverfassungsgericht habe die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen in Kenntnis
des Umstands, dass an ihr nicht nur Parteien mit einem niedrigen Stimmenanteil zwischen null und zwei
Prozent der Zweitstimmen, sondern auch Parteien mit einem Stimmenanteil knapp unter fünf Prozent schei-
tern können, in ständiger Rechtsprechung als verfassungsmäßig angesehen (siehe die Nachweise unter 1.).

Die bei der Bundestagswahl 2013 aufgetretene hohe Gesamtzahl von abgegebenen gültigen Zweitstimmen
für Parteien, die die Fünf-Prozent-Sperrklausel nicht überwunden haben, sei kein Grund, das Vorliegen ver-
änderter Verhältnisse bzw. neuer Entwicklungen anzunehmen, die eine Neubewertung der verfassungsrecht-
lichen Zulässigkeit der Sperrklausel erforderten. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Sperrklausel sei
nicht von der Gesamtzahl der Stimmen für diejenigen Parteien abhängig, die die Sperrklausel bei einer ein-
zelnen Wahl nicht überwinden. Die Sperrklausel rechtfertige sich vielmehr durch den mit ihr verfolgten ver-
fassungsrechtlich legitimen Zweck, die Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages sicherzustellen (siehe
die Nachweise unter 1.). Sie erfülle ihren Zweck gerade dann, wenn viele an der Wahl teilnehmende Parteien
die Sperrklausel nicht überwinden, aber ohne Sperrklausel Sitze im Parlament erlangt hätten, da auf diese
Weise eine die stabile Mehrheitsbildung gefährdende Zersplitterung des Bundestages vermieden werde.

4. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel stehe nicht entgegen, dass eine
hohe Zahl von Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die aufgrund der Sperrklausel nicht an der Sitzvertei-
lung teilnehmen, eine absolute Mehrheit der Sitze für Parteien ermögliche, die bei der Wahl deutlich weniger
als der Hälfte der Stimmen erreicht haben. Das Erreichen einer Mehrheit der Sitze im Parlament sei immer
mit weniger als der Hälfte der gültigen Zweitstimmen möglich. Denn auch ohne Sperrklausel erhalte nicht
jede Partei, für die bei der Wahl gültige Stimmen abgegeben wurden, automatisch einen Sitz. Da für einen
Sitz auch ohne Sperrklausel stets eine bestimmte Zahl von Stimmen erforderlich sei, führten nicht alle Stim-
men zu einem Sitzerfolg und darum weniger als 50 Prozent der gültigen Zweitstimmen zu einer Mehrheit der
Sitze. Ein Verfassungsrechtssatz des Inhalts, dass einer Mehrheit der Mitglieder des Bundestages notwendi-
gerweise eine Mehrheit der Zweitstimmen in der Bundestagswahl entsprechen müsse, sei nicht feststellbar.
Wenn aber eine Partei in einer Wahl eine absolute Mehrheit der Zweitstimmen erhalte, sei gesichert, dass auf
sie mehr als die Hälfte der Sitze entfalle (§ 6 Absatz 7 BWG).

5. Gegen die Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht vorgebracht werden, sie verhindere bzw. erschwere
in übermäßiger Weise die Entstehung oder Etablierung neuer Parteien und schränke dadurch in unzulässiger
Weise die Chancengleichheit der Parteien ein. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Chancengleichheit
der Parteien verlange nicht, dass jeder Partei, die bei der Bundestagswahl Stimmen erhalte, Sitze im Bundes-
tag garantiert seien. Jede Partei habe rechtlich die gleiche Chance auf Teilnahme an der Sitzverteilung bei
Überwindung der Sperrklausel. Wenn eine Partei die für alle geltende Sperrklausel nicht überwinde, so sei
dies Resultat zu geringer Zustimmung in der Wählerschaft und gerade nicht ungleicher Chancen, denn die
unterschiedliche Gewichtung des Erfolgswerts von Wahlstimmen durch eine Sperrklausel treffe alle Parteien
gleichermaßen (vgl. BVerfGE 82, 322 [345]).

Dass die Fünf-Prozent-Sperrklausel die Entstehung und Etablierung neuer Parteien nicht verhindere oder
übermäßig erschwere, zeige der Einzug in die Parlamente auch neuer Parteien in den vergangenen Jahren bei
Bundestagswahlen und Landtagswahlen, bei denen nach Landesrecht ebenfalls Fünf-Prozent-Sperrklauseln
bestünden. Die Sperrklauseln trügen zu einem Mindestmaß an Konsolidierung neuer Parteien bei, indem sie
eine funktionierende Organisation und eine hinreichende Kampagnenfähigkeit der Partei erforderlich mach-
ten, um einen erfolgreichen Wahlkampf zu führen, der den Einzug ins Parlament ermögliche. Auch das Bun-
desverfassungsgericht sehe in ständiger Rechtsprechung in der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestags-
wahlen keinen verfassungswidrigen Eingriff in die Chancengleichheit der Parteien (siehe die Nachweise un-
ter 1.).

6. Die Fünf-Prozent-Sperrklausel habe nicht zur Folge, dass die Parteien, die die Sperrklausel überwunden
haben und deshalb an der Sitzverteilung teilnehmen, von den Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die an
der Sperrklausel gescheitert sind und somit nicht an der Sitzverteilung teilnehmen, profitierten und die Wäh-
ler bei der Stimmabgabe nicht erkennen könnten, welche Partei letztlich tatsächlich von ihrer Zweitstimme
profitiere. Von der Zweitstimme für eine Partei profitiere stets die Partei, für die die Stimme abgegeben wor-
den sei. Wenn eine Partei aufgrund eines zur Überwindung der Sperrklausel nicht ausreichenden Zuspruchs
in der Wählerschaft nicht an der Sitzverteilung teilnehme, würden die zu vergebenden Sitze auf die Parteien

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 195 – Drucksache 18/1810

verteilt, die die Sperrklausel überwunden haben. Diese Parteien profitierten bei dieser Verteilung von den für
sie abgegebenen Zweitstimmen, nicht von den Zweitstimmen für die an der Sperrklausel gescheiterten Partei-
en, die wegen Nichtteilnahme an der Sitzverteilung zu keinem Sitzerfolg führten.

7. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht entgegengehalten
werden, der Umstand, dass aufgrund der Sperrklausel eine hohe Zahl von Stimmen bei der Sitzverteilung
unberücksichtigt bleibe, befördere die Politikverdrossenheit der Wahlberechtigten. Unabhängig davon, ob
dies tatsächlich der Fall sei, habe sich der Gesetzgeber dazu entschieden, der Sicherung der Funktionsfähig-
keit des Parlaments Vorrang vor derartigen Erwägungen einzuräumen. Das Bundesverfassungsgericht erachte
dies in ständiger Rechtsprechung für verfassungsrechtlich zulässig (siehe die Nachweise unter 1.). Ein wegen
Zersplitterung in kleine und kleinste Fraktionen nicht mehrheits- und handlungsfähiges Parlament, das zur
Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nicht in der Lage sei, wäre zudem in weit höherem Maße geeignet, Politikverdrossenheit zu för-
dern.

8. Aufgrund der verfassungskonformen Ausgestaltung der Fünf-Prozent-Sperrklausel im geltenden Bundes-
wahlgesetz sei der Wahlgesetzgeber auch nicht zur Einführung einer Alternativstimme („Eventualstimme“,
„Ersatzstimme“ bzw. „Stimmweitergabe-Option“) verpflichtet. Ergänzend sei darauf verwiesen, dass im
Schrifttum gegen die Einführung einer solchen Alternativstimme verfassungsrechtliche Bedenken geltend
gemacht würden: Eine Alternativstimme sei mit dem Charakter der Stimmabgabe als einer vorbehaltlosen
und bedingungsfeindlichen Willenserklärung nicht zu vereinbaren und verstoße daher gegen den Grundsatz
der Unmittelbarkeit der Wahl im Sinne des Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 GG und gegen das Demokratieprinzip
nach Artikel 20 Absatz 1 GG (so Strelen, in: Schreiber, Bundeswahlgesetz, 9. Auflage 2013, § 6 Rn. 37 so-
wie Schreiber, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: 43. Lfg. April 2014, Art. 38
Rn. 40, 132). Überdies wäre die Gewährung einer Alternativstimme auch keine verfassungspolitisch ange-
zeigte Fortentwicklung des Wahlrechts. Sie würde das Stimmabgabeverfahren verkomplizieren, die Ermitt-
lung des Wahlergebnisses wesentlich erschweren und verzögern und den Wähler von einer eindeutigen poli-
tischen Entscheidung ohne Vorbehalt und Rückfallposition entpflichten (vgl. im Einzelnen hierzu Strelen, in:
Schreiber, § 6 Rn. 37).

9. Die Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Klausel sei schließlich auch nicht davon abhängig, dass Par-
teien, die jeweils mit einer eigenen Liste an der Bundestagswahl teilnehmen, ihre Landeslisten verbinden
dürften, um als Zählgemeinschaft die Sperrklausel zu überwinden. Derartige Listenverbindungen verschiede-
ner Parteien bei der Bundestagswahl seien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wegen
Verstoßes gegen den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit der Parteien verfas-
sungswidrig (BVerfGE 82, 322 [345 f.]). Eine derartige Listenverbindung würde allein dem Zweck dienen,
die verfassungslegitime Zielsetzung einer Fünf-Prozent-Sperrklausel, die Verhinderung einer Zersplitterung
des Parlaments, zu umgehen.

Entscheidungsgründe

I.

Der Einspruch ist unzulässig, soweit der Einspruchsführer Rechtsänderungen – namentlich die Verankerung
der Fünf-Prozent-Hürde in der Verfassung, die zeitliche Beschränkung der Briefwahl, die Begrenzung der
Zulässigkeit von Wahlprognosen und die Umstellung des Wahlprüfungsverfahrens auf ein einstufiges Ver-
fahren – anregt. Ein Einspruch ist gemäß § 1 Absatz 1 des Wahlprüfungsgesetzes nämlich nur statthaft, wenn
er die Gültigkeit der Wahlen zum Deutschen Bundestag und die Verletzung von Rechten bei der Vorberei-
tung oder Durchführung der Wahl, soweit sie der Wahlprüfung nach Artikel 41 GG unterliegen, zum Gegen-
stand hat. Daran fehlt es bei den vom Einspruchsführer befürworteten Rechtsänderungen.

II.

Soweit der Einspruch zulässig ist, ist er unbegründet. Dem Vorbringen des Einspruchsführers lässt sich kein
Verstoß gegen Wahlrechtsvorschriften und damit kein Wahlfehler entnehmen.

1. Der Einspruchsführer bestreitet nicht, dass das Verfahren zur Auszählung der Stimmen und zur Verteilung
der Sitze auf die Landeslisten der Parteien bei der Bundestagswahl 2013 den Vorgaben des Bundeswahlge-
setzes entsprach. Dieses regelt in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1,

Drucksache 18/1810 – 196 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

dass bei der Verteilung der Sitze auf die Landeslisten nur Parteien berücksichtigt werden, die mindestens fünf
Prozent der im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten oder in mindestens drei Wahlkrei-
sen einen Sitz errungen haben. Soweit der Einspruchsführer geltend macht, die Sperrklausel sei verfassungs-
widrig, ist darauf hinzuweisen, dass der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in ständiger
Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens die Verfassungsmäßigkeit der für die Wahl geltenden
Rechtsvorschriften nicht überprüfen. Eine derartige Kontrolle ist stets dem Bundesverfassungsgericht vorbe-
halten worden (vgl. etwa Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlagen 26 bis 28 mit weiteren Nachweisen;
17/1000, Anlagen 5 und 11; 17/2200, Anlagen 1, 13 bis 15, 17 bis 20, 23 und 24; 17/3100, Anlagen 15, 19,
20, 22 bis 30, 32, 34 bis 36; 17/4600, Anlagen 10, 12, 13, 32, 38, 40 bis 43 mit weiteren Nachweisen;
17/6300, Anlage 19). Allerdings hat der Wahlprüfungsausschuss schon in zahlreichen Wahlprüfungsent-
scheidungen früherer Wahlperioden keinen Anlass für Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Regelung
gesehen (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen 15/1850, Anlagen 9 und 47; 16/900, Anlage 14), zumal das
Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit der Sperrklausel in ihrer Ausgestaltung durch das Bun-
deswahlgesetz in ständiger Rechtsprechung bestätigt hat (vgl. BVerfGE 1, 208 [247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84
[92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366]; 95, 408 [417 ff.]; 120, 82 [109 ff.]; 122, 304
[314 f.]; 129, 300 [335 f.], siehe auch Bundestagsdrucksache 16/900, Anlage 14). Es ist folglich verfassungs-
rechtlich nicht zu beanstanden, dass alle Parlamentssitze auf diejenigen Parteien verteilt werden, welche die
Fünf-Prozent-Hürde überwunden haben. Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
die Sperrklausel durch veränderte Verhältnisse infrage gestellt werden. Dies ist bezüglich der Bundestags-
wahl 2013 aber nicht der Fall, wie das Bundesministerium des Innern – auch unter Bezugnahme auf die Ur-
teile vom 9. November 2011 und 26. Februar 2014 – in seiner Stellungnahme zutreffend feststellt: Dass nach
dem amtlichen Endergebnis der Bundestagswahl 2013 insgesamt 15,7 Prozent der gültigen Zweitstimmen
nicht in die Mandatsverteilung eingeflossen sind, weil sie für insgesamt 25 Parteien abgegeben wurden, die
bundesweit weniger als fünf Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, ändert nichts an der vom Bundesver-
fassungsgericht festgestellten Verfassungskonformität der Fünf-Prozent-Hürde. Zwar war der Anteil der gül-
tigen, aber wegen der Sperrklausel nicht in die Sitzverteilung eingeflossenen Zweitstimmen bei der Bundes-
tagswahl 2013 höher als bei früheren Bundestagswahlen, da – anders als bei vorhergehenden Wahlen – zwei
Parteien jeweils fast fünf Prozent und zudem 23 weitere Parteien insgesamt 6,2 Prozent (für sich genommen
aber teilweise weniger als 0,1 Prozent) erreicht haben. Jedoch ist dieser Umstand nicht atypisch oder zuvor
unbekannt gewesen. Es ist zudem durchaus möglich, dass er bei kommenden Bundestagswahlen mit anderen
Wahlergebnissen nicht (mehr) auftritt. Der Einzug neuer Parteien in den Deutschen Bundestag wird, wie
Beispiele aus der Geschichte der Bundesrepublik zeigen, ohnehin nicht durch die Sperrklausel verhindert.
Außerdem ist die Fünf-Prozent-Hürde auf das jeweilige Ergebnis einer jeden Partei bezogen. Nur die konkre-
te Stimmenzahl jeder Partei kann der Ausgangspunkt der Sitzverteilung auf die Landeslisten sein (vgl. § 6
Absatz 1 BWG) – übrigens auch dann, wenn man gedanklich die Sperrklausel streicht oder eine niedrigere
Sperrklausel ansetzt –; erst im zweiten Schritt ist die Stimmenzahl einer jeden Partei in Relation zu den
Stimmenanteilen der anderen Parteien zu setzen (vgl. § 6 Absätze 2 bis 7 BWG). Die gedankliche Addition
von Zweitstimmenanteilen kann folglich für die Fünf-Prozent-Hürde keine Aussagekraft beanspruchen.

Aus der Rechtsprechung des EGMR folgt weder, dass die Fünf-Prozent-Hürde im Bundeswahlgesetz rechts-
widrig ist, noch dass sonstige Vorschriften des Bundeswahlgesetzes rechtswidrig sind.

Die vom Einspruchsführer beanstandeten angeblichen Verschärfungen des „Sperrklausel-Effekts“ bestehen
nicht: Anders als der Einspruchsführer meint, legen nicht die „Regierungsparteien“ den Wahltermin fest.
Dies ist gemäß § 16 BWG vielmehr Aufgabe des Bundespräsidenten. Die Behauptung des Einspruchsführers,
laut Medienberichten würden Fraktionsmitarbeiter für den Wahlkampf „eingespannt“, wird vom Einspruchs-
führer nicht belegt. Welchen Einfluss die Zusammensetzung der Gremien des öffentlich-rechtlichen Rund-
funks auf das Wahlverhalten haben soll, wird vom Einspruchsführer offengelassen. Dasselbe gilt für die von
ihm kritisierten Parteispenden großer Unternehmen. Diesen stehen im Übrigen das Parteiengesetz (PartG)
und das Verfassungsrecht, insbesondere Artikel 21 GG, nicht entgegen. Parteien dürfen gemäß § 25 Absatz 1
Satz 1 PartG Spenden grundsätzlich annehmen. Auch Unternehmensspenden sind erlaubt. Verboten sind
lediglich Spenden der in § 25 Absatz 2 PartG genannten Zuwendenden, z. B. nach Nr. 5 Spenden von Unter-
nehmen, die ganz oder teilweise im Eigentum der öffentlichen Hand stehen oder die von ihr verwaltet oder
betrieben werden, sofern die direkte Beteiligung der öffentlichen Hand 25 Prozent übersteigt.

2. Die Wahl der Listenbewerber gemäß § 27 Absatz 3 BWG nach sog. starren Listen ist zulässig. Zunächst ist
darauf hinzuweisen, dass der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in ständiger Praxis im

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 197 – Drucksache 18/1810

Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens die Verfassungsmäßigkeit der für die Wahl geltenden Rechtsvor-
schriften nicht überprüfen. Eine derartige Kontrolle ist stets dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten wor-
den (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlagen 26 bis 28; 17/1000, Anlagen 5 und 11; 17/2200,
Anlagen 1, 13 bis 15, 17 bis 20, 23 und 24; 17/3100, Anlagen 15, 19, 20, 22 bis 30, 32, 34 bis 36; 17/4600,
Anlagen 10, 12, 13, 32, 38, 40 bis 43 mit weiteren Nachweisen). Unabhängig davon hegen der Wahlprü-
fungsausschuss der Deutsche Bundestag in ständiger Entscheidungspraxis keine Zweifel an der Verfas-
sungsmäßigkeit des § 27 Abs. 3 BWG (vgl. etwa Bundestagsdrucksachen 15/1850, Anlagen 9, 16, 31 und 34;
17/3100, Anlage 34; 17/6300, Anlage 35). Die Regelung verstößt nicht gegen die in Artikel 38 Absatz 1 GG
niedergelegten Wahlgrundsätze, namentlich nicht gegen den Grundsatz der unmittelbaren oder der gleichen
Wahl. Denn die Zurechnung der abgegebenen Wählerstimmen auf die einzelnen Wahlvorschläge vollzieht
sich von der Stimmabgabe an ohne Zwischenschaltung eines von dem der Wählerinnen und Wähler abwei-
chenden Willens (vgl. Hahlen, in: Schreiber, § 27 Rn. 4). Auch lässt sich dem Grundsatz der Wahlrechts-
gleichheit nicht entnehmen, dass einer Wählerin oder einem Wähler, die oder der eine Präferenz für einen
bestimmten Kandidaten hat, die Möglichkeit eröffnet werden müsste, die Zweitstimme (nur) für diesen Lis-
tenbewerber abzugeben (Hahlen, in: Schreiber, § 27 Rn. 12). Dies ist sachgerecht, denn im Gegensatz zur
Erststimmenwahl, bei der die Wahlkreisbewerber im Vordergrund der Wahlentscheidung stehen, kommt es
bei der Landeslistenwahl nach dem gesetzgeberischen Grundgedanken für die Wählerin oder den Wähler
entscheidend auf die von ihr oder ihm favorisierte – durch eine bestimmte Partei vertretene – politische Pro-
grammatik an, für deren Repräsentation die auf der Liste nominierten Bewerber ein Wählermandat anstreben
(vgl. Strelen, in: Schreiber, § 4 Rn. 3). Auch das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungskonformität
des Systems der starren Listen in ständiger Rechtsprechung bestätigt (vgl. BVerfGE 3, 45 [50 f.]; 7, 63 [67
ff.]; 21, 355 [355 f.]; 47, 253 [283]; 122, 304 [314]), worauf der Einspruchsführer selbst hinweist.

3. Dass Minderjährige nicht wählen (und gewählt werden) dürfen, legt das das Grundgesetz (GG) in Artikel
38 Absatz 2 selbst ausdrücklich fest. Erst nach Vollendung des 18. Lebensjahres – also mit der Volljährigkeit
– besteht das aktive und passive Wahlrecht deutscher Staatsbürger. Ein Minderjährigen- und auch ein Fami-
lienwahlrecht sind damit ausgeschlossen (vgl. nur Butzer, in: Epping/Hillgruber [Hrsg.], Grundgesetz, 2.
Auflage 2013, Artikel 38 Rn. 82). Diese Anordnung des Wahl- und Wählbarkeitsalters durch die Verfassung
kann nicht verfassungswidrig sein. Insbesondere ist die Altersgrenze nicht an den Wahlrechtsgrundsätzen des
Artikels 38 Absatz 1 Satz 1 GG zu messen, weil sie in Artikel 38 Absatz 2 GG auf gleicher Rangebene wie
diese geregelt ist (vgl. BVerfGE 3, 225 [231 f.]; 122, 304 [309]). Im Übrigen folgt auch aus Artikel 20 Ab-
satz 2 GG nicht die Verfassungswidrigkeit des Artikels 38 Absatz 2 GG oder die Verpflichtung, diesen zu
ändern. Zwar ist in Artikel 20 Absatz 2 und Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 GG die Rede vom „Volk“. Doch
meint Artikel 20 Absatz 2 Satz 2 GG die Aktivbürgerschaft, also diejenigen, die nach näherer Maßgabe des
Artikels 38 Absatz 2 GG mit dem Wahlrecht ausgestattet sind (Klein, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz
[Hrsg.], Grundgesetz, Loseblatt (Stand: Mai 2013), Artikel 38 Rn. 140). Aus der Staatsbürgerschaft folgt
nicht zwangsläufig das Wahlrecht. Dies gilt selbst in den Staaten, in denen das Wahlalter unterhalb des 18.
Lebensjahres liegt. Das im Grundgesetz niedergelegte Mindestwahlalter widerspricht auch nicht der Men-
schenwürdegarantie des Artikels 1 GG. Die Einbeziehung junger Menschen in den Kreis der Wahlberechtig-
ten wird auch nicht vom Gebot der Gleichheit vor dem Gesetz und dem daraus erwachsenden Verbot der
Altersdiskriminierung gefordert. Zum einen sind die Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl gemäß Artikel
38 GG Anwendungsfälle des Artikels 3 GG (vgl. BVerfGE 36, 139 [141]; allgemein zum Verhältnis des
Wahlrechts zum allgemeinen Gleichheitssatz BVerfGE 1, 208 [242]). Außerdem gebietet der Gleichheits-
grundsatz aus Artikel 3 GG nicht die Einebnung aller Altersunterschiede. Ein generelles Verbot der unter-
schiedlichen Behandlung nach dem Lebensalter lässt sich weder Artikel 3 Absatz 1 entnehmen noch Artikel 3
Absatz 3 GG – der das Alter gar nicht erwähnt. Sachliche Gründe vermögen durchaus eine unterschiedliche
Behandlung zu rechtfertigen. Dazu gehört vornehmlich die Einsichtsfähigkeit der Wahlberechtigten. Dass
diese in bestimmten Fällen eingeschränkt sein kann und dennoch das Wahlrecht besteht, ändert nichts an der
Sachgerechtigkeit des vorhandenen, in der Verfassung selbst verankerten Mindestwahl- und Mindestwähl-
barkeitsalters. Dasselbe gilt für den Umstand, dass es kein Höchstwahlalter gibt. Wenngleich in ganz be-
stimmten Rechtsgebieten und Einzelfällen die Volljährigkeit nicht dafür Voraussetzung ist, bestimmte Wil-
lenserklärungen abzugeben, folgt daraus nicht, dass das in Artikel 38 Absatz 2 GG festgelegte Wahl- und
Wählbarkeitsalter zu hoch wäre.

4. In der Reihenfolge der Parteien auf dem Stimmzettel liegt ebenfalls kein Wahlfehler. Es entspricht gelten-
dem Recht, dass die im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien vor den Parteien ohne Bundestagssitz
aufgeführt werden. Gemäß § 30 Absatz 3 Satz 1 BWG richtet sich die Reihenfolge der Landeslisten von Par-

Drucksache 18/1810 – 198 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

teien nach der Zahl der Zweitstimmen, die sie bei der letzten Bundestagswahl im Land erreicht haben. Die
übrigen Landeslisten schließen sich in alphabetischer Reihenfolge an (Satz 2). Die Reihenfolge der Kreis-
wahlvorschläge richtet sich nach der Reihenfolge der entsprechenden Landeslisten (Satz 3). Die Behauptung
des Einspruchsführers, die (gesetzlich vorgegebene) Reihenfolge benachteilige nicht im Parlament vertretene
Parteien und Gruppierungen, ist durch nichts belegt und daher nicht hinreichend substantiiert. Bezüglich
seiner Annahme, die Reihenfolge verstoße gegen die Wahlrechtsgleichheit, ist erneut darauf hinzuweisen,
dass der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprü-
fungsverfahrens die Verfassungsmäßigkeit von Wahlrechtsvorschriften nicht überprüfen und eine derartige
Kontrolle dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten ist (siehe oben unter 1.) Davon abgesehen sehen der
Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag keinen Anlass für Zweifel an der Vereinbarkeit des §
30 Absatz 3 BWG mit dem aus dem Grundsatz der gleichen Wahl aus Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 GG folgen-
den Anspruch auf Chancengleichheit aller Wahlbewerber, wie sie bereits mehrfach festgestellt haben (vgl.
zuletzt Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlage 45, 16/3600; Anlage 34; 16/5700, Anlage 21; 17/6300, An-
lage 12). Es ist davon auszugehen, dass sich die Wähler bei ihrer Wahlentscheidung regelmäßig nicht an der
Reihenfolge der Wahlvorschläge auf dem Stimmzettel orientieren, sondern an den jeweils verfolgten Zielen
der Parteien und Kandidaten (vgl. Bundestagsdrucksachen; 16/5700, Anlage 21 mit weiteren Nachweisen;
17/6300, Anlage 12). Das vom Einspruchsführer unter anderem erwähnte Urteil des Saarländischen Verfas-
sungsgerichtshofes vom 29. September 2011 (NVwZ-RR 2012, 169) ändert an diesen Grundsätzen nichts.
Davon abgesehen, dass der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag die Begründung des Ge-
richtshofes nicht teilt, gilt dessen Entscheidung ohnehin nur für die Wahlen zum Saarländischen Landtag.
Des Weiteren hat auch der Gerichtshof die Mandatsrelevanz der Stimmzettelgestaltung verneint und festge-
stellt, dass die Gültigkeit der Landtagswahl von der Verfassungswidrigkeit der betreffenden Wahlrechtsrege-
lungen nicht betroffen ist(vgl. NVwZ-RR 2012, 169 [179]).

5. Das Vorbringen des Einspruchsführers zur angeblichen Verwendung von Fraktionsmitteln der FDP im
Wahlkampf, zur Parteienfinanzierung durch Spenden, zur vorzeitigen Veröffentlichung von
Wahltagsbefragungen, zu angeblich verschwundenen Briefwahlstimmen in Hamburg und zu einer Sitzung
des Deutschen Bundestages kurz vor der Wahl greift ebenfalls nicht durch. Ein Wahlfehler ist nicht erkenn-
bar.

a) Hinsichtlich der Unternehmensspenden an einzelne Parteien – die im Übrigen in den Grenzen des § 25
PartG erlaubt sind – verbleibt der Einspruchsführer im Ungefähren und bei bloßen Behauptungen (siehe
schon unter 1.). Wahlbeanstandungen, die über nicht belegte Vermutungen oder die bloße Andeutung der
Möglichkeit von Wahlfehlern nicht hinausgehen und einen konkreten, der Überprüfung zugänglichen Tatsa-
chenvortrag nicht enthalten, müssen als unsubstantiiert zurückgewiesen werden (Bundestagsdrucksachen
15/1150, Anlagen 283 bis 285; 15/1850, Anlage 25; 15/2400, Anlage 9; 17/1000, Anlagen 13 und 19;
18/1160, Anlagen 3, 6 und 83; BVerfGE 48, 271 [276]; 66, 369 [379]; 85, 148 [159]; Hahlen, in: Schreiber, §
49 Rn. 25).

b) Bezüglich der angeblichen Verwendung von Fraktionsmitteln der FDP im Bundestagswahlkampf trägt der
Einspruchsführer nur Vermutungen vor. Sein Vorbringen ist daher unsubstantiiert.

c) Es trifft zwar zu, dass die Ergebnisse von Wahltagsbefragungen durch Meinungsforschungsinstitute („Exit
Polls“) in einem dem Bundeswahlleiter bekannten Fall vor der Schließung der Wahllokale den Weg in eine
Zeitung gefunden haben. Derartige Vorkommnisse sind gemäß § 49a Absatz 1 Satz 2 BWG Ordnungswid-
rigkeiten und bußgeldbewehrt. Ein Wahlfehler liegt in dem Vorkommnis aber nicht. Denn ein Wahlfehler
liegt nur vor, wenn die rechtlichen Regelungen über die Vorbereitung und Durchführung der Wahl nicht
eingehalten werden. Nach ständiger Praxis des Wahlprüfungsausschusses und nach ständiger Rechtsprechung
des Bundesverfassungsgerichts können solche Wahlfehler in erster Linie den amtlichen Wahlorganen gemäß
§ 8 BWG unterlaufen; Dritte können Wahlfehler nur insoweit begehen, als sie unter Bindung an wahlgesetz-
liche Anforderungen kraft Gesetzes Aufgaben bei der Organisation der Wahl erfüllen (vgl. Bundestagsdruck-
sachen 14/2761, Anlagen 24 und 27; 16/3600, Anlage 18; 17/1000, Anlagen 3, 15 und 22; 17/2250, Anlage
20; 17/6300, Anlage 40; BVerfGE 89, 243 [251]). Bei der betreffenden Zeitung bzw. dem sie herausgeben-
den Verlag handelt es sich indessen um eine privatrechtliche Gesellschaft, die weder ein amtliches Wahlor-
gan im Sinne von § 8 BWG ist noch kraft Gesetzes Aufgaben bei der Vorbereitung und Durchführung der
Wahl erfüllt (vgl. Bundestagsdrucksachen 14/2761, Anlage 24; 16/3600, Anlage 18; 17/1000, Anlage 3;
17/2250, Anlage 20). Ihr Verhalten kann keinen Wahlfehler verursachen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 199 – Drucksache 18/1810

d) Auch im Fall der angeblich verloren gegangenen Briefwahlstimmen in Hamburg liegt kein Wahlfehler vor.
Das Statistische Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein hat in einer auch im Internet abrufbaren Presse-
mitteilung vom 25. September 2013 (www.statistik-nord.de) erklärt, dass in der am 23. September 2013 ver-
öffentlichten Wahlanalyse zum vorläufigen Ergebnis der Bundestagswahl in Hamburg die Zahl der Briefwäh-
lerinnen und -wähler nicht korrekt ausgewiesen worden sei. Eine Überprüfung habe ergeben, dass die ent-
sprechende Abfrage der Datenbank für das vorläufige Wahlergebnis versehentlich so programmiert worden
sei, dass nicht alle Briefwahlbezirke einbezogen worden seien. Auf die Zusendung von 301 884 Briefwahlun-
terlagen hin hätten 268 504 Wählerinnen und Wähler von ihrem Wahlrecht per Brief Gebrauch gemacht,
nicht wie ursprünglich angegeben 198 739 Wahlberechtigte. Die Befürchtung, Briefwahlstimmen könnten
unberücksichtigt geblieben sein, treffe nicht zu. Diese Vermutung sei dadurch entstanden, dass der Zahl der
ausgegebenen Briefwahlunterlagen (Wahlschein, Stimmzettel und Umschläge) von 301 884 eine Zahl von
198 739 Briefwählern gegenübergestellt worden sei. Zur Erläuterung dieser Differenz hat das Statistische
Amt auf drei Ursachen hingewiesen: Die Überprüfung habe ergeben, dass die Zahl der Briefwählerinnen und
-wähler infolge der fehlerhaften Abfrage der Datenbank um rund 70 000 zu niedrig angegeben worden sei.
Sie sei auf 268 504 korrigiert worden. Des Weiteren gehörten zu den 301 884 ausgegebenen Wahlscheinen
auch solche, die die Stimmabgabe in einem anderen Wahllokal als in dem eigenen ermöglichen sollten, z. B.
in einem barrierefreien Wahllokal. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass erfahrungsgemäß rund fünf bis
zehn Prozent der ausgegebenen Briefwahlunterlagen nicht rechtzeitig und vollständig zurücklaufen. Die
Gründe hierfür seien vielfältig und lägen z. B. im zu späten Erhalt, der Nichtnutzung oder der zu späten
Rücksendung der Briefwahlunterlagen. Darüber hinaus fänden solche Wahlbriefe keinen Eingang in die Zäh-
lung der Briefwähler, die aus formalen Gründen zurückzuweisen seien, z. B. weil der Wahlschein fehle oder
nicht unterschrieben sei. Der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag folgen dieser schlüssigen
Darstellung.

e) Die Bundestagssitzung kurz vor der Wahl – gemeint ist wohl die 253. Sitzung des 17. Deutschen Bundes-
tages vom 3. September 2013 – bedeutet ebenfalls keinen Wahlfehler. Der Einspruchsführer hat schon nicht
hinreichend dargetan, inwieweit diese Plenarsitzung den Ausgang der Wahl beeinflusst haben könnte. Seine
Ausführungen sind daher insoweit unbeachtlich. Dasselbe gilt für den vom Einspruchsführer pauschal be-
haupteten politischen Wahlbetrug.

6. Die Äußerung des Einspruchsführers, Auslandsdeutsche könnten ihre demokratischen Rechte nicht unein-
geschränkt wahrnehmen, da für das Wahlrecht nicht die Staatsangehörigkeit entscheidend sei, sondern eine
„diffuse“ Zugehörigkeit anderer Art, die sich hauptsächlich durch Anwesenheit im Inland manifestiere, spielt
offenbar auf eine vom Einspruchsführer vermutete Verfassungswidrigkeit des § 12 Absatz 2 BWG an. Ge-
mäß § 12 Absatz 2 Satz 1 BWG sind Deutsche im Sinne des Artikels 116 Absatz 1 GG, die am Wahltag au-
ßerhalb der Bundesrepublik Deutschland leben, bei der Bundestagswahl wahlberechtigt, sofern sie entweder
nach Vollendung ihres vierzehnten Lebensjahres mindestens drei Monate ununterbrochen in der Bundesre-
publik Deutschland eine Wohnung innegehabt oder sich sonst gewöhnlich aufgehalten haben und dieser Auf-
enthalt nicht länger als 25 Jahre zurückliegt oder aus anderen Gründen persönlich und unmittelbar Vertraut-
heit mit den politischen Verhältnissen in der Bundesrepublik Deutschland erworben haben und von ihnen
betroffen sind. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass der Deutsche Bundestag im Wahlprüfungsverfah-
ren die Verfassungswidrigkeit von Wahlrechtsvorschriften nicht überprüft und die Prüfungskompetenz inso-
weit allein beim Bundesverfassungsgericht liegt.

Gleichwohl ist festzuhalten, dass § 12 Absatz 2 Satz 1 BWG verfassungskonform ist. Die zuvor geltende
Regelung, die einen dreimonatigen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland zu einem beliebigen Zeit-
punkt verlangte, hat das Bundesverfassungsgericht in einem Beschluss vom 4. Juli 2012 für mit Artikel 38
Absatz 1 GG unvereinbar und nichtig erklärt. Nach Ansicht des Gerichts konnte die alte Regelung die vom
Gesetzgeber gewollte, auf eigenen Erfahrungen beruhende Vertrautheit mit den aktuellen politischen Ver-
hältnissen in der Bundesrepublik Deutschland nicht gewährleisten, da einerseits Deutsche das Wahlrecht
auch durch einen Inlandsaufenthalt erwarben, der sehr lange Zeit zurück lag oder zu einem Zeitpunkt erfolg-
te, in dem der Betroffene noch nicht die dafür notwendige Einsichtsfähigkeit und Reife erwerben konnte (z.
B. unmittelbar nach der Geburt), sowie andererseits Deutsche vom Wahlrecht ausgeschlossen wurden, die
zwar nie im Inland gelebt hatten, jedoch typischerweise aufgrund eigener Erfahrungen mit den politischen
Verhältnissen vertraut und von ihnen betroffen waren (BVerfGE 132, 39 [55 ff.]). Die Neuregelung des § 12
Absatz 2 BWG trägt dem Beschluss des Gerichts Rechnung (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfes vom
11. Dezember 2012, Bundestagsdrucksache 17/11820, S. 3 f.). Das weiterhin grundsätzlich bestehende sog.

Drucksache 18/1810 – 200 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Sesshaftigkeitserfordernis in § 12 Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 BWG ist Ausdruck der traditionellen Inlandsbindung
des Bundestagswahlrechts und als solches verfassungsrechtlich unbedenklich (BVerfGE 5, 2 [6]; 36, 139
[142]; 58, 202 [205]). Das Erfordernis hat den Zweck, die Teilnahme der Auslandsdeutschen am Kommuni-
kationsprozess zwischen Volk und Staatsorganen und den Charakter der Wahl als eines Integrationsvorgangs
bei der politischen Willensbildung des Volkes zu gewährleisten (vgl. etwa Bundestagsdrucksache 17/11820,
S. 3). Das Bundesverfassungsgericht hat diese Zielrichtung mehrfach für mit der Verfassung vereinbar er-
klärt. Ausnahmen zur Inlandsbindung des aktiven Wahlrechts für im Ausland tätige Angehörige des deut-
schen öffentlichen Dienstes (insbesondere Diplomaten und Entwicklungshelfer) wurden seit den siebziger
Jahren mit deren besonders geartete(n) Beziehung zur Bundesrepublik Deutschland begründet, zu der sie im
Rahmen ihres Dienstverhältnisses eng verbunden blieben (BVerfGE 36, 139 [143]; 58, 202 [206]). Später
stellte das Bundesverfassungsgericht explizit fest, die § 12 Absatz 2 Satz 1 BWG zugrunde liegenden Erwä-
gungen des Gesetzgebers seien verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BVerfG, Beschluss der 3. Kam-
mer des Zweiten Senats vom 2. November 1990 – 2 BvR 1266/09 –, NJW 1991, 689 [690]). Auch in seiner
Entscheidung vom 4. Juli 2012 bestätigt das Gericht, dass der Gesetzgeber zur Sicherung des Charakters der
Wahl als eines Integrationsvorgangs bei der politischen Willensbildung des Volkes den Grundsatz der All-
gemeinheit der Wahl aus Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 GG einschränken kann (BVerfGE 132, 39 [50]). Weil
die für eine lebendige Demokratie wesentliche Kommunikation zwischen Regierenden und Regierten ohne
ein Mindestmaß an kontinuierlicher Befassung und Auseinandersetzung der Bürger mit den politischen Ent-
wicklungen kaum gelingen kann, steht es dem Gesetzgeber frei, zur Sicherung der Kommunikationsfunktion
der Wahl zu verlangen, dass im Ausland lebende Deutsche imstande sind, am Kommunikationsprozess zwi-
schen Volk und Staatsorganen teilzunehmen (vgl. BVerfGE 132, 39 [54], Rn. 49). Es ist verfassungsrechtlich
zulässig, für das aktive Wahlrecht ein Mindestmaß an persönlich und unmittelbar erworbener Vertrautheit mit
dem politischen System der Bundesrepublik Deutschland vorauszusetzen (vgl. BVerfGE 132, 39 [53]). Der
Gesetzgeber darf daher insbesondere dem Umstand Rechnung tragen, dass das Staatsangehörigkeitsrecht im
Wesentlichen auf dem „ius sanguinis“ beruht, bei dem die Staatsangehörigkeit durch Abstammung vermittelt
wird und auch durch langen Auslandsaufenthalt nicht verloren geht, was zur Folge haben kann, dass Perso-
nen, deren Vorfahren seit mehreren Generationen im Ausland leben, die deutsche Staatsangehörigkeit besit-
zen, darüber hinaus aber zu Deutschland keine Beziehung (mehr) haben (BVerfGE 132, 39 [54]). Es liegt
also ein hinreichender Grund vor, Auslandsdeutsche, die dem Sesshaftigkeitserfordernis nicht in dem in § 12
Absatz 2 Satz 1 BWG bestimmten Maße genügen, vom Wahlrecht auszunehmen. Die weitere Vermutung des
Einspruchsführers, dass die FDP und die AfD die Sperrklausel überwunden hätten, wenn mehr Auslandsdeut-
sche wahlberechtigt gewesen wären, ist ohnehin durch nichts belegt.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 201 – Drucksache 18/1810

Anlage 30

Beschlussempfehlung

ZumWahleinspruch

der Frau V. H., 82131 Gauting,

– Az.: WP 145/13 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag
am 22. September 2013

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 26. Juni 2014 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Die Einspruchsführerin hat mit einem Fax vom 18. November 2013 Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl
zum 18. Deutschen Bundestag am 22. September 2013 eingelegt.

Sie wendet sich gegen die Fünf-Prozent-Klausel. Für Bundestagswahlen gelte das Verhältniswahlrecht. Dies
bedeute, dass die einer Partei zugewiesene Anzahl von Parlamentssitzen ihrem Anteil an der Gesamtstim-
menzahl entsprechen müsse. Auf „wundersame“, aber verfassungswidrige Weise hätten sich die Stimmenan-
teile, bezogen auf die Sitzverteilung, jedoch vermehrt: Der Stimmenanteil der CDU von 34,1 Prozent habe zu
einem Sitzanteil von 40,4 Prozent geführt, der Stimmenanteil der SPD von 25,7 Prozent zu einem Sitzanteil
von 30,6 Prozent, der Stimmenanteil der Partei Die Linke von 8,6 Prozent Prozent zu einem Sitzanteil von
10,1 Prozent, der Stimmenanteil der Partei Bündnis 90/Die Grünen von 8,4 Prozent zu einem Sitzanteil von
10 Prozent und der Stimmenanteil der CSU von 7,4 Prozent zu einem Sitzanteil von 8,9 Prozent. Den fünf im
18. Deutschen Bundestag vertretenen Parteien seien insgesamt 99 Sitze zugeteilt worden, die ihnen nach dem
Wahlergebnis nicht zustünden, da sie nicht vom Wählerwillen gedeckt seien. Die CDU habe 40 Sitze „zu
viel“ erhalten, die SPD 31, Die Linke 10, Bündnis 90/Die Grünen 10 und die CSU acht. Diese „Fremdsitze“
beruhten auf der Fünf-Prozent-Klausel in § 6 Abs. 6 Satz 1, 1. Alternative des Bundeswahlgesetzes (BWG).
Wähler, die gültige Stimmen abgäben, würden dadurch um ihr Wahlrecht gebracht. Sie entschieden nur bei
der Beantwortung der Vorfrage mit, welche Parteien die Fünf-Prozent-Hürde überschritten. Vom entschei-
denden Teil der Wahl, bei dem die Stärkeverhältnisse der Parteien im Parlament festgelegt würden, seien sie
ausgeschlossen. Die für Parteien, die weniger als fünf Prozent der Zweitstimmen erreichten, abgegebenen
Stimmen würden vom Gesetzgeber in voller Absicht vernichtet. Sie kämen den großen Parteien, welche die
Fünf-Prozent-Hürde übersprängen, zugute. Die Fünf-Prozent-Klausel verletzte nicht nur das Grundrecht auf
Gleichheit und freie Ausübung des Wahlrechts, sondern auch den Grundsatz der Chancengleichheit für alle
Parteien. Denn wegen der Befürchtung, sie könne die Fünf-Prozent-Hürde nicht überwinden, wähle so man-
cher die eigene „Wunschpartei“ nicht. Die kleineren Parteien würden benachteiligt. Abhilfe sei nicht nur
verfassungsrechtlich geboten, sondern auch ohne allzu großen Mehraufwand möglich. Es genüge die Einfüh-
rung einer „Ersatz- oder Eventualstimme“, die dann zum Tragen komme, wenn die vorrangig angekreuzte
Partei die Fünf-Prozent-Hürde nicht überwinde. Das Bundesverfassungsgericht habe jedenfalls die angegrif-
fene Regelung noch nicht eingehend untersucht. Die Frage, ob Wähler vom entscheidenden Teil einer Wahl
ausgeschlossen werden dürften, sei vom Gericht noch nicht beantwortet worden.

Wegen der Einzelheiten des Vortrages der Einspruchsführerin wird auf den Inhalt der Akten Bezug genom-
men.

Das Bundesministerium des Innern hat zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-
Sperrklausel am 16. Juni 2014 wie folgt Stellung genommen:

1. Das Bundesverfassungsgericht erachte in ständiger Rechtsprechung bei Wahlen zum Deutschen Bundestag
die heute in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG vorgesehene, auf

Drucksache 18/1810 – 202 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

das gesamte Wahlgebiet bezogene Fünf-Prozent-Sperrklausel für verfassungsgemäß (vgl. BVerfGE 1, 208
[247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366]; 95, 408 [417 ff.];
120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.]). Zuletzt habe das Gericht in seinem Urteil vom
9. Januar 2011 zur Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen entschieden, dass die Fünf-Prozent-
Sperrklausel bei der Wahl zum Deutschen Bundestag ihre Rechtfertigung im Wesentlichen darin finde, dass
die Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende
Unterstützung nötig sei und dieses Ziel durch die Zersplitterung des Parlaments in viele kleine Gruppen ge-
fährdet werde (BVerfGE 129, 300 [335 f.]). In der Entscheidung vom 26. Februar 2014 (2 BvE 2/13 u. a.) zur
Drei-Prozent-Sperrklausel im Europawahlrecht habe das Gericht erneut bestätigt, dass eine Sperrklausel ge-
rechtfertigt sein könne, wenn Verhältnisse wie auf nationaler Ebene gegeben sind, wo die Bildung einer
stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Unterstützung nötig
sei (ebd. Rn. 72).

Angesichts der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei der Wahlgesetzgeber verfas-
sungsrechtlich nicht daran gehindert, bei der Verteilung der zu vergebenden Sitze auf die Landeslisten bei der
Bundestagswahl grundsätzlich nur die Parteien zu berücksichtigen, die mindestens fünf Prozent der im Wahl-
gebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten haben (§ 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Ab-
satz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG). Es sei ihm mit anderen Worten von Verfassungs wegen unbenommen,
gültige Zweitstimmen, die auf Landeslisten von Parteien entfallen sind, die nicht die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben, zwar für die Ergebnisfeststellung als relevant zu werten (§ 42 BWG), nicht
aber für die Sitzverteilung. Der Wahlgesetzgeber dürfe also ohne Verstoß gegen Bundesverfassungsrecht alle
zu vergebenden Parlamentssitze auf die Landeslisten derjenigen Parteien verteilen, die die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben.

Im Interesse der Handlungsfähigkeit des Deutschen Bundestages habe der Wahlgesetzgeber bisher an der auf
das gesamte Wahlgebiet bezogenen Fünf-Prozent-Sperrklausel, die seit der Wahl zum 2. Deutschen Bundes-
tag 1953 gilt, festgehalten. Denn eine Wahl habe – wie das Bundesverfassungsgericht betone (vgl. BVerfGE
51, 222 [236]) – „nicht nur das Ziel, eine Volksvertretung zu schaffen, die ein Spiegelbild der in der Wähler-
schaft vorhandenen politischen Meinungen darstellt, sondern sie soll auch ein funktionsfähiges Organ her-
vorbringen.“ Hierfür seien „(k)lare und ihrer Verantwortung für das Gesamtwohl bewusste Mehrheiten in
einer Volksvertretung (…) für eine Bewältigung der ihr gestellten Aufgaben unentbehrlich“, die durch einen
unbegrenzten Proporz nicht gewährleistet sind.

2. Zwar könne nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die verfassungsrechtliche Rechtfer-
tigung einer die Wahlgleichheit berührenden Norm des Wahlrechts wie eine Sperrklauselregelung durch ver-
änderte Verhältnisse oder neue Entwicklungen – etwa durch eine Änderung der vom Gesetzgeber vorausge-
setzten tatsächlichen oder normativen Grundlagen oder wenn sich die beim Erlass der Norm hinsichtlich ihrer
Auswirkungen angestellte Prognose als irrig erwiesen habe – in Frage gestellt werden (BVerfGE 82, 322
[338 f.]; 120, 82 [108]; 129, 300 [321 f.]; Urteil vom 26. Februar 2014, Az. 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 56). Dies
sei im Hinblick auf die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen jedoch nicht der Fall.

Eine Änderung der normativen Grundlagen für die Beurteilung der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundes-
tagswahlen, die das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung als verfassungsgemäß angesehen
habe, sei nicht festzustellen. Insbesondere führten das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
9. November 2011 zur Verfassungswidrigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen (BVerfGE
129, 300) und sein Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Sperrklausel im
Europawahlgesetz (2 BvE 2/13 u. a.) nicht zu einer abweichenden Bewertung. Das Bundesverfassungsgericht
begründe die Verfassungswidrigkeit der Sperrklauseln bei Europawahlen in diesen Urteilen mit der besonde-
ren Stellung und Funktion des Europäischen Parlaments im Gefüge der Organe der Europäischen Union, wo
eine vergleichbare Interessenlage wie bei der Bundestagswahl nicht bestehe (BVerfGE 129, 300 [336]). Auch
in seinem Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Klausel im Europawahl-
gesetz halte das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich an der gefestigten Rechtsprechung zum verfassungs-
rechtlichen Maßstab für die Beurteilung wahlrechtlicher Sperrklauseln fest und lege – wie es mehrfach beto-
ne – seinem Urteil die gleichen Prüfungsmaßstäbe wie im Urteil vom 9. November 2011 zugrunde (Az. 2
BvE 2/13 u. a., Rn. 37, 45, 63). In beiden Urteilen weise das Gericht zudem darauf hin, dass bei der Bundes-
tagswahl – anders als bei der Europawahl – der Deutsche Bundestag im Falle einer eintretenden Funktionsbe-
einträchtigung aufgrund seiner veränderten strukturellen Zusammensetzung nicht mehr in der Lage wäre, die

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 203 – Drucksache 18/1810

gesetzlichen Regelungen zur Sicherung seiner Funktionsfähigkeit zu ändern, weil die erforderliche Mehrheit
nicht mehr zustande käme (BVerfGE 129, 300 [324]; Urteil vom 26. Februar 2014, 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 58).

3. Auch in tatsächlicher Hinsicht erfordere das Wahlergebnis der Bundestagswahl 2013, bei der zwei Parteien
mit einem Stimmenanteil von 4,8 Prozent bzw. 4,7 Prozent der Zweitstimmen vergleichsweise knapp an der
Fünf-Prozent-Klausel gescheitert seien, keine Neubewertung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der
Klausel. Der Gesetzgeber habe sich für die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen entschieden und
diese bis heute beibehalten, um in Konstellationen, in denen eine oder mehrere Parteien weniger als fünf
Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, die Funktionsfähigkeit des Bundestages sicherzustellen. Wenn eine
solche Konstellation bei einer Wahl – wie nun der Bundestagswahl 2013 – tatsächlich auftrete, liege gerade
nicht der Fall vor, dass sich eine Prognose des Gesetzgebers als irrig erwiesen habe oder dass eine Änderung
der vom Gesetzgeber vorausgesetzten tatsächlichen Verhältnisse eingetreten sei, sondern es habe sich ledig-
lich ein Szenario realisiert, das der Gesetzgeber mit seiner Regelung von vornherein habe erfassen wollen.
Auch das Bundesverfassungsgericht habe die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen in Kenntnis
des Umstands, dass an ihr nicht nur Parteien mit einem niedrigen Stimmenanteil zwischen null und zwei
Prozent der Zweitstimmen, sondern auch Parteien mit einem Stimmenanteil knapp unter fünf Prozent schei-
tern können, in ständiger Rechtsprechung als verfassungsmäßig angesehen (siehe die Nachweise unter 1.).

Die bei der Bundestagswahl 2013 aufgetretene hohe Gesamtzahl von abgegebenen gültigen Zweitstimmen
für Parteien, die die Fünf-Prozent-Sperrklausel nicht überwunden haben, sei kein Grund, das Vorliegen ver-
änderter Verhältnisse bzw. neuer Entwicklungen anzunehmen, die eine Neubewertung der verfassungsrecht-
lichen Zulässigkeit der Sperrklausel erforderten. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Sperrklausel sei
nicht von der Gesamtzahl der Stimmen für diejenigen Parteien abhängig, die die Sperrklausel bei einer ein-
zelnen Wahl nicht überwinden. Die Sperrklausel rechtfertige sich vielmehr durch den mit ihr verfolgten ver-
fassungsrechtlich legitimen Zweck, die Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages sicherzustellen (siehe
die Nachweise unter 1.). Sie erfülle ihren Zweck gerade dann, wenn viele an der Wahl teilnehmende Parteien
die Sperrklausel nicht überwinden, aber ohne Sperrklausel Sitze im Parlament erlangt hätten, da auf diese
Weise eine die stabile Mehrheitsbildung gefährdende Zersplitterung des Bundestages vermieden werde.

4. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel stehe nicht entgegen, dass eine
hohe Zahl von Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die aufgrund der Sperrklausel nicht an der Sitzvertei-
lung teilnehmen, eine absolute Mehrheit der Sitze für Parteien ermögliche, die bei der Wahl deutlich weniger
als der Hälfte der Stimmen erreicht haben. Das Erreichen einer Mehrheit der Sitze im Parlament sei immer
mit weniger als der Hälfte der gültigen Zweitstimmen möglich. Denn auch ohne Sperrklausel erhalte nicht
jede Partei, für die bei der Wahl gültige Stimmen abgegeben wurden, automatisch einen Sitz. Da für einen
Sitz auch ohne Sperrklausel stets eine bestimmte Zahl von Stimmen erforderlich sei, führten nicht alle Stim-
men zu einem Sitzerfolg und darum weniger als 50 Prozent der gültigen Zweitstimmen zu einer Mehrheit der
Sitze. Ein Verfassungsrechtssatz des Inhalts, dass einer Mehrheit der Mitglieder des Bundestages notwendi-
gerweise eine Mehrheit der Zweitstimmen in der Bundestagswahl entsprechen müsse, sei nicht feststellbar.
Wenn aber eine Partei in einer Wahl eine absolute Mehrheit der Zweitstimmen erhalte, sei gesichert, dass auf
sie mehr als die Hälfte der Sitze entfalle (§ 6 Absatz 7 BWG).

5. Gegen die Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht vorgebracht werden, sie verhindere bzw. erschwere
in übermäßiger Weise die Entstehung oder Etablierung neuer Parteien und schränke dadurch in unzulässiger
Weise die Chancengleichheit der Parteien ein. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Chancengleichheit
der Parteien verlange nicht, dass jeder Partei, die bei der Bundestagswahl Stimmen erhalte, Sitze im Bundes-
tag garantiert seien. Jede Partei habe rechtlich die gleiche Chance auf Teilnahme an der Sitzverteilung bei
Überwindung der Sperrklausel. Wenn eine Partei die für alle geltende Sperrklausel nicht überwinde, so sei
dies Resultat zu geringer Zustimmung in der Wählerschaft und gerade nicht ungleicher Chancen, denn die
unterschiedliche Gewichtung des Erfolgswerts von Wahlstimmen durch eine Sperrklausel treffe alle Parteien
gleichermaßen (vgl. BVerfGE 82, 322 [345]).

Dass die Fünf-Prozent-Sperrklausel die Entstehung und Etablierung neuer Parteien nicht verhindere oder
übermäßig erschwere, zeige der Einzug in die Parlamente auch neuer Parteien in den vergangenen Jahren bei
Bundestagswahlen und Landtagswahlen, bei denen nach Landesrecht ebenfalls Fünf-Prozent-Sperrklauseln
bestünden. Die Sperrklauseln trügen zu einem Mindestmaß an Konsolidierung neuer Parteien bei, indem sie
eine funktionierende Organisation und eine hinreichende Kampagnenfähigkeit der Partei erforderlich mach-
ten, um einen erfolgreichen Wahlkampf zu führen, der den Einzug ins Parlament ermögliche. Auch das Bun-

Drucksache 18/1810 – 204 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

desverfassungsgericht sehe in ständiger Rechtsprechung in der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestags-
wahlen keinen verfassungswidrigen Eingriff in die Chancengleichheit der Parteien (siehe die Nachweise un-
ter 1.).

6. Die Fünf-Prozent-Sperrklausel habe nicht zur Folge, dass die Parteien, die die Sperrklausel überwunden
haben und deshalb an der Sitzverteilung teilnehmen, von den Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die an
der Sperrklausel gescheitert sind und somit nicht an der Sitzverteilung teilnehmen, profitierten und die Wäh-
ler bei der Stimmabgabe nicht erkennen könnten, welche Partei letztlich tatsächlich von ihrer Zweitstimme
profitiere. Von der Zweitstimme für eine Partei profitiere stets die Partei, für die die Stimme abgegeben wor-
den sei. Wenn eine Partei aufgrund eines zur Überwindung der Sperrklausel nicht ausreichenden Zuspruchs
in der Wählerschaft nicht an der Sitzverteilung teilnehme, würden die zu vergebenden Sitze auf die Parteien
verteilt, die die Sperrklausel überwunden haben. Diese Parteien profitierten bei dieser Verteilung von den für
sie abgegebenen Zweitstimmen, nicht von den Zweitstimmen für die an der Sperrklausel gescheiterten Partei-
en, die wegen Nichtteilnahme an der Sitzverteilung zu keinem Sitzerfolg führten.

7. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht entgegengehalten
werden, der Umstand, dass aufgrund der Sperrklausel eine hohe Zahl von Stimmen bei der Sitzverteilung
unberücksichtigt bleibe, befördere die Politikverdrossenheit der Wahlberechtigten. Unabhängig davon, ob
dies tatsächlich der Fall sei, habe sich der Gesetzgeber dazu entschieden, der Sicherung der Funktionsfähig-
keit des Parlaments Vorrang vor derartigen Erwägungen einzuräumen. Das Bundesverfassungsgericht erachte
dies in ständiger Rechtsprechung für verfassungsrechtlich zulässig (siehe die Nachweise unter 1.). Ein wegen
Zersplitterung in kleine und kleinste Fraktionen nicht mehrheits- und handlungsfähiges Parlament, das zur
Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nicht in der Lage sei, wäre zudem in weit höherem Maße geeignet, Politikverdrossenheit zu för-
dern.

8. Aufgrund der verfassungskonformen Ausgestaltung der Fünf-Prozent-Sperrklausel im geltenden Bundes-
wahlgesetz sei der Wahlgesetzgeber auch nicht zur Einführung einer Alternativstimme („Eventualstimme“,
„Ersatzstimme“ bzw. „Stimmweitergabe-Option“) verpflichtet. Ergänzend sei darauf verwiesen, dass im
Schrifttum gegen die Einführung einer solchen Alternativstimme verfassungsrechtliche Bedenken geltend
gemacht würden: Eine Alternativstimme sei mit dem Charakter der Stimmabgabe als einer vorbehaltlosen
und bedingungsfeindlichen Willenserklärung nicht zu vereinbaren und verstoße daher gegen den Grundsatz
der Unmittelbarkeit der Wahl im Sinne des Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) und gegen
das Demokratieprinzip nach Artikel 20 Absatz 1 GG (so Strelen, in: Schreiber, Bundeswahlgesetz, 9. Auflage
2013, § 6 Rn. 37 sowie Schreiber, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: 43. Lfg.
April 2014, Art. 38 Rn. 40, 132). Überdies wäre die Gewährung einer Alternativstimme auch keine verfas-
sungspolitisch angezeigte Fortentwicklung des Wahlrechts. Sie würde das Stimmabgabeverfahren verkompli-
zieren, die Ermittlung des Wahlergebnisses wesentlich erschweren und verzögern und den Wähler von einer
eindeutigen politischen Entscheidung ohne Vorbehalt und Rückfallposition entpflichten (vgl. im Einzelnen
hierzu Strelen, in: Schreiber, § 6 Rn. 37).

9. Die Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Klausel sei schließlich auch nicht davon abhängig, dass Par-
teien, die jeweils mit einer eigenen Liste an der Bundestagswahl teilnehmen, ihre Landeslisten verbinden
dürften, um als Zählgemeinschaft die Sperrklausel zu überwinden. Derartige Listenverbindungen verschiede-
ner Parteien bei der Bundestagswahl seien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wegen
Verstoßes gegen den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit der Parteien verfas-
sungswidrig (BVerfGE 82, 322 [345 f.]). Eine derartige Listenverbindung würde allein dem Zweck dienen,
die verfassungslegitime Zielsetzung einer Fünf-Prozent-Sperrklausel, die Verhinderung einer Zersplitterung
des Parlaments, zu umgehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet. Dem Vortrag der Einspruchsführerin lässt sich kein Verstoß
gegen Wahlrechtsvorschriften und damit kein Wahlfehler entnehmen.

Sie bestreitet nicht, dass das Verfahren zur Auszählung der Stimmen und zur Verteilung der Sitze auf die
Landeslisten der Parteien bei der Bundestagswahl 2013 den Vorgaben des Bundeswahlgesetzes entsprach.
Dieses regelt heute in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1, dass bei der

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 205 – Drucksache 18/1810

Verteilung der Sitze auf die Landeslisten nur Parteien berücksichtigt werden, die mindestens fünf Prozent der
im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten oder in mindestens drei Wahlkreisen einen Sitz
errungen haben. Die Sperrklausel führt – anders als die Einspruchsführerin meint – nicht zu „Fremdsitzen“,
denn den Parteien, die unterhalb der Fünf-Prozent-Hürde bleiben, stehen aufgrund ihres Wahlergebnisses
keine Sitze zu. Soweit die Einspruchsführerin geltend macht, die Sperrklausel verstoße gegen die Grundsätze
der Gleichheit und der Freiheit der Wahl sowie gegen den den Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien
und sei daher verfassungswidrig, ist darauf hinzuweisen, dass der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche
Bundestag in ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens die Verfassungsmäßigkeit der für
die Wahl geltenden Rechtsvorschriften nicht überprüfen. Eine derartige Kontrolle ist stets dem Bundesverfas-
sungsgericht vorbehalten worden (vgl. etwa Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlagen 26 bis 28 mit weiteren
Nachweisen; 17/1000, Anlagen 5 und 11; 17/2200, Anlagen 1, 13 bis 15, 17 bis 20, 23 und 24; 17/3100, An-
lagen 15, 19, 20, 22 bis 30, 32, 34 bis 36; 17/4600, Anlagen 10, 12, 13, 32, 38, 40 bis 43 mit weiteren Nach-
weisen; 17/6300, Anlage 19). Allerdings hat der Wahlprüfungsausschuss schon in zahlreichen Wahlprü-
fungsentscheidungen früherer Wahlperioden keinen Anlass für Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der
Regelung gesehen (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen 15/1850, Anlagen 9 und 47; 16/900, Anlage 14),
zumal das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit der Sperrklausel in ihrer Ausgestaltung durch
das Bundeswahlgesetz in ständiger Rechtsprechung bestätigt hat (vgl. BVerfGE 1, 208 [247 ff.]; 4, 31
[39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366]; 95, 408 [417 ff.]; 120, 82 [109 ff.];
122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.], siehe auch Bundestagsdrucksache 16/900, Anlage 14). Es ist folglich
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass alle Parlamentssitze auf diejenigen Parteien verteilt werden,
welche die Fünf-Prozent-Hürde überwunden haben. Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfas-
sungsgerichts die Sperrklausel durch veränderte Verhältnisse infrage gestellt werden. Dies ist bezüglich der
Bundestagswahl 2013 aber nicht der Fall, wie das Bundesministerium des Innern – auch unter Bezugnahme
auf die Urteile vom 9. November 2011 und 26. Februar 2014 – in seiner Stellungnahme zutreffend feststellt:
Dass nach dem amtlichen Endergebnis der Bundestagswahl 2013 insgesamt 15,7 Prozent der gültigen Zweit-
stimmen nicht in die Mandatsverteilung eingeflossen sind, weil sie für insgesamt 25 Parteien abgegeben wur-
den, die bundesweit weniger als fünf Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, ändert nichts an der vom
Bundesverfassungsgericht festgestellten Verfassungskonformität der Fünf-Prozent-Hürde. Zwar war der An-
teil der gültigen, aber wegen der Sperrklausel nicht in die Sitzverteilung eingeflossenen Zweitstimmen bei
der Bundestagswahl 2013 höher als bei früheren Bundestagswahlen, da – anders als bei vorhergehenden
Wahlen – zwei Parteien jeweils fast fünf Prozent und zudem 23 weitere Parteien insgesamt 6,2 Prozent (für
sich genommen aber teilweise weniger als 0,1 Prozent) erreicht haben. Jedoch ist dieser Umstand nicht aty-
pisch oder zuvor unbekannt gewesen. Es ist zudem durchaus möglich, dass er bei kommenden Bundestags-
wahlen mit anderen Wahlergebnissen nicht (mehr) auftritt. Der Einzug neuer Parteien in den Deutschen Bun-
destag wird, wie Beispiele aus der Geschichte der Bundesrepublik zeigen, ohnehin nicht durch die Sperrklau-
sel verhindert. Außerdem ist die Fünf-Prozent-Hürde auf das jeweilige Ergebnis einer jeden Partei bezogen.
Nur die konkrete Stimmenzahl jeder Partei kann der Ausgangspunkt der Sitzverteilung auf die Landeslisten
sein (vgl. § 6 Absatz 1 BWG) – übrigens auch dann, wenn man gedanklich die Sperrklausel streicht oder eine
niedrigere Sperrklausel ansetzt –; erst im zweiten Schritt ist die Stimmenzahl einer jeden Partei in Relation zu
den Stimmenanteilen der anderen Parteien zu setzen (vgl. § 6 Absätze 2 bis 7 BWG). Die gedankliche Addi-
tion von Zweitstimmenanteilen kann folglich für die Fünf-Prozent-Hürde keine Aussagekraft beanspruchen.

Das von der Einspruchsführerin befürwortete Konzept einer Eventualstimme (Alternativstimme, Ersatzstim-
me) wäre – wenn es Gesetz würde – verfassungwidrig. Die Einführung einer Eventualstimme verstieße gegen
den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl im Sinne des Artikels 38 Absatz 1 Satz 1 GG und gegen das
Demokratieprinzip in Art. 20 Absatz 1 GG (vgl. nur Strelen, in: Schreiber, § 6 Rn. 37).

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 207 – Drucksache 18/1810

Anlage 31

Beschlussempfehlung

ZumWahleinspruch

des Herrn Dr. T. D., 56626 Andernach,

– Az.: WP 146/13 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag
am 22. September 2013

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 26. Juni 2014 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit einem Schreiben vom 15. November 2013 Einspruch gegen die Gültigkeit der
Wahl zum 18. Deutschen Bundestag am 22. September 2013 eingelegt.

1. Der Einspruchsführer trägt vor, die Bundestagswahl 2013 habe zum ersten Mal gleich zwei Parteien ganz
knapp an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern lassen. Insgesamt seien von den 43,7 Millionen gültigen Stimmen
fast sieben Millionen, also insgesamt 15,7 Prozent, nicht gewertet worden. Dies seien mehr als bei den letzten
drei Bundestagswahlen zusammen. Die „verlorenen“ Stimmen kämen im Gegenzug sogar den im Deutschen
Bundestag vertretenen Parteien zugute. Hinzu komme, dass viele Wähler eine kleine oder neue Partei nur
deshalb nicht gewählt hätten, weil sie angenommen hätten, dass diese den Sprung über die Fünf-Prozent-
Hürde nicht schaffen würden und ihre Stimme dann verloren sein werde. Daher hätten diese Wähler für die
aus ihrer Sicht zweite Wahl gestimmt, was gleichzeitig die Etablierten gestärkt habe. Grund für den beschrie-
benen Sachverhalt sei die Fünf-Prozent-Klausel. Ohne diese Sperrklausel wären die FDP mit 29, die Partei
„Alternative für Deutschland“ (AfD) mit 28, die Piraten mit 13 und die Freien Wähler sechs Abgeordneten
im Deutschen Bundestag vertreten. Zudem führe die Sperrklausel zu einer offensichtlichen Verfälschung des
Wählerwillens, wenn man das „bürgerliche“ mit dem „linken“ Lager vergleiche. Jenes habe insgesamt 52
Prozent und damit die absolute Mehrheit der Stimmen erhalten; dieses weniger als 45 Prozent der Stimmen,
aber die absolute Mehrheit der Parlamentssitze bekommen. Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts
habe die Fünf-Prozent-Klausel des Bundeswahlgesetzes bisher immer für verfassungsgemäß erklärt. Aller-
dings hätten sich die Beurteilungsmaßstäbe in der Zwischenzeit deutlich verschärft. In den Entscheidungen
zur Verfassungswidrigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Kommunal- und bei Europawahlen habe das
Gericht „die Zügel deutlich angezogen“. Habe früher für die Prognoseentscheidung des Gesetzgebers die rein
theoretische Möglichkeit der Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des Parlaments genügt, müsse die Be-
einträchtigung nun mit einiger Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein. Davon könne aber keine Rede sein. Die
seit vielen Jahren stabilen politischen Verhältnisse in der Bundesrepublik seien nicht auf die Sperrklausel,
sondern eher auf die „Entideologisierung“ und inhaltliche Annäherung der großen Parteien zurückzuführen.
Daher bestehe keine Rechtfertigung für die Sperrklausel, die deshalb gegen den Grundsatz der Wahlrechts-
gleichheit verstoße. Der Gleichheitsverstoß impliziere einen Verstoß gegen die (mit der Wahlrechtsgleichheit
in engem Zusammenhang stehende) Chancengleichheit der Parteien gemäß Artikel 3 Absatz 1 in Verbindung
mit Artikel 21 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) und führe zur Nichtigkeit der Sperrklausel. Das Wahlrecht
sei das gesetzliche Fundament der politischen Macht. In keiner Situation im Parlament sei die jeweilige
Mehrheit notwendigerweise so sehr im Eigeninteresse befangen wie bei der Wahlgesetzgebung, da es um die
Basis ihrer eigenen Existenz als Mehrheit gehe. Durch die Fünf-Prozent-Klausel versuchten die im Parlament
vertretenen Parteien, sich von den kleinen Parteien abzuschotten und sich unliebsame Konkurrenten vom
Hals zu halten. Dies funktioniere in der Bundesrepublik bereits seit über 50 Jahren. Im europäischen Ver-
gleich gehöre das deutsche Parteiensystem zu den wenigen, in denen eine geringe Anzahl von Parteien den
politischen Prozess unter sich austrage.

Drucksache 18/1810 – 208 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

2. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten würden von CDU/CSU und SPD beherrscht. Dies zeige sich
insbesondere in Wahlkampfzeiten. Während von den nicht im Parlament vertretenen Parteien in den letzten
zwei Monaten vor der Wahl kaum noch Notiz genommen werde, schnitten sich CDU/CSU und SPD die mit
Abstand größten „Kuchenstücke“ aus der Medienpräsenz. Keine politische Sendung und kaum eine politische
Talkshow finde ohne Vertreter dieser drei Parteien statt. Hauptsächlich seien das sog. Kanzlerkandidatenduell
und die „Wahlarena“ zu kritisieren. Über die kleinen Parteien sei außerhalb von Wahlwerbespots so gut wie
gar nicht berichtet worden. Die „übermäßige“ Präsenz der Abgeordneten und Minister der im Deutschen
Bundestag vertretenen Parteien sei nur möglich, weil die etablierten Parteien CDU/CSU und SPD die Ver-
waltungsräte der Rundfunkanstalten beherrschten und so Einfluss auf die Besetzung der leitenden Positionen
nehmen könnten. Ihre übergroße Dominanz verstoße gegen die Rundfunkfreiheit. Das Bundesverfassungsge-
richt verlange nämlich in ständiger Rechtsprechung vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk Staats- und Grup-
penferne. Der Grundsatz der Chancengleichheit der Wahlbewerber finde für die Parteien seine Grundlage in
Artikel 21 Absatz 1 GG. Da Demokratie auf der freien Konkurrenz von Interessen und Meinungen beruhe,
müssten Parteien unter den gleichen Bedingungen und mit den gleichen Chancen am politischen Wettbewerb
teilnehmen können. Das Recht der Parteien auf Chancengleichheit sei Bestandteil der demokratischen
Grundordnung. Die geschilderte Ungleichheit in der Berichterstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
über die Parteien verstoße gegen die Chancengleichheit der Parteien und gegen das Demokratieprinzip.

3. Die nicht im Parlament vertretenen Parteien stünden nicht nur medial „im Abseits“. Vielmehr würden sie
insbesondere in finanzieller Hinsicht – und damit letztlich auch politisch – von den im Parlament vertretenen
Parteien regelrecht „ausgebootet“. Die im Parlament vertretenen Parteien verschafften sich so einen enormen
Wettbewerbsvorteil, der zu einer weiteren Verfestigung des Parteiensystems führe. Da das Bundesverfas-
sungsgericht die staatlichen Zahlungen an die Parteien schon im Jahr 1966 regelmentiert und im Jahr 1992
eine absolute Obergrenze für die staatliche Parteienfinanzierung festgelegt habe, versuchten die Parteien
diese Vorgaben zu umgehen. Sie hätten seit den 1960er Jahren mit viel Kreativität eine „Umleitungsfinanzie-
rung“ entwickelt: Die staatliche Fraktionsfinanzierung sei über die Jahre enorm ausgeweitet worden. Die
Fraktionen seien zu komplett staatlich finanzierten Parteizentralen im Parlament geworden. Zum Teil würden
Fraktionsgelder – wie beispielsweise bei der CDU in Rheinland-Pfalz – an die jeweilige Partei weitergeleitet.
Hinzugetreten sei die riesige Ausweitung der Zahlungen für die Abgeordnetenmitarbeiter in Bund und Län-
dern sowie die unkontrollierte Finanzierung der politischen Stiftungen der Parteien, die nahezu vollständig im
gesetzesfreien Raum ohne (hinreichende) Kontrolle erfolge. Beides führe zur Verfestigung des Parteiensys-
tems und behindere die Offenheit des politischen Prozesses. Sehr viele Abgeordnetenmitarbeiter arbeiteten in
Wahlkreisbüros und hätten dort Parteifunktionen – etwa als Kreisgeschäftsführer oder Fraktionsvorsitzender
(in einer kommunalen Vertretungskörperschaft) – inne. Sie würden aber nicht aus der Parteikasse, sondern
aus staatlichen Mitteln für Abgeordnetenmitarbeiter bezahlt. Dies sei eine verschleierte Parteienfinanzierung.
Die Höhe der staatlichen Finanzierung der parteinahen Stiftungen übersteige die klassische staatliche Partei-
enfinanzierung deutlich. Denn neben Globalzuschüssen erhielten die Stiftungen noch Baukostenzuschüsse,
projektbezogene Zuwendungen für ihre Arbeit im Inland und hohe staatliche Zuwendungen für ihre Aus-
landstätigkeit. Ein Großteil dieser Gelder komme den Parteien zumindest indirekt zugute und erspare ihnen
Aufwendungen. Zum Beispiel leisteten die Stiftungen politische Bildungsarbeit, die ansonsten den Parteien
obläge. Zum Beispiel schulten die Stiftungen Parteifunktionäre und bänden Nachwuchskräfte durch Stipendi-
en schon frühzeitig an die betreffende Partei. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1986,
das die staatliche Finanzierung parteinaher Stiftungen als verfassungskonform angesehen habe, sei wegen der
inzwischen vorliegenden tatsächlichen und rechtlichen Veränderungen als überholt anzusehen. Wenn man die
FDP und die AfD vergleiche, sei überdies noch ein Verstoß gegen den Grundsatz der Chancengleichheit der
Parteien gegeben: Die FDP-nahe Stiftung erhalte noch für vier Jahre Zuschüsse, eine noch zu gründende
AfD-nahe Stiftung bliebe nach den derzeitigen unzureichenden rechtlichen Grundlagen ohne Förderung. Die
nicht im Parlament vertretenen Parteien erhielten – mangels Fraktion, Abgeordneten und Stiftung – kein Geld
und hätten nicht einmal die Möglichkeit (gehabt), vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Fraktionsfi-
nanzierung oder gegen die Zahlungen an die Abgeordnetenmitarbeiter zu klagen. An der klassischen Partei-
enfinanzierung seien hingegen schon Parteien zu beteiligen, die mehr als 0,5 Prozent der Stimmen erreicht
hätten. Die „Umleitungsfinanzierung“ verstoße gegen die Wahlgleichheit der Bürger, die Chancengleichheit
der Parteien und gegen das Demokratieprinzip. Zugleich würden die Vorgaben des Bundesverfassungsge-
richts zu einer absoluten Obergrenze für die klassische Parteienfinanzierung umgangen. Das Verbot von
Staatsparteien erfordere das Verbot der überwiegenden oder völligen staatlichen Finanzierung der Parteien.
Die überwiegende staatliche Finanzierung (zu mehr als 50 Prozent) stärke den Parteiapparat und das oligar-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 209 – Drucksache 18/1810

chische Element in den Parteien. Daher würden die etablierten Parteien ihrem verfassungsrechtlichen An-
spruch, für eine ständige lebendige Verbindung zwischen dem Volk und den Staatsorganen zu sorgen, nicht
mehr gerecht. Überdies seien die Zuwendungen an parteinahe Stiftungen sowie für Abgeordnetenmitarbeiter
– anders als die klassische Parteienfinanzierung – nicht in einem Spezialgesetz geregelt und wenig transpa-
rent. Die überwiegende Staatsfinanzierung, die aus dem Zusammenfluss der staatlichen Parteienfinanzierung
und der Umleitungsfinanzierung resultiere, führe dazu, dass die kleinen Parteien keine Chance hätten, sich
gegen die etablierten Parteien im politische Wettbewerb durchzusetzen. Die durch die Umleitungsfinanzie-
rung hervorgerufene Ungleichheit verstoße gegen die Chancengleichheit der Parteien und gegen das Demo-
kratieprinzip.

Der Einspruchsführer hält alle von ihm gerügten (angeblichen) Verstöße (1.-3.) für mandatsrelevant. Ein
Wegfall der Fünf-Prozent-Klausel hätte seiner Ansicht nach zur Folge, dass 95 Abgeordnete ihre Sitze verlö-
ren und 95 Bewerber von 16 derzeit nicht im Parlament vertretenen Parteien Mandate erhielten.

Wegen der Einzelheiten des Vortrages des Einspruchsführers wird auf den Inhalt der Akten Bezug genom-
men.

Das Bundesministerium des Innern hat zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-
Sperrklausel am 16. Juni 2014 wie folgt Stellung genommen:

1. Das Bundesverfassungsgericht erachte in ständiger Rechtsprechung bei Wahlen zum Deutschen Bundestag
die heute in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1 des Bundeswahlgesetzes
(BWG) vorgesehene, auf das gesamte Wahlgebiet bezogene Fünf-Prozent-Sperrklausel für verfassungsgemäß
(vgl. BVerfGE 1, 208 [247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366];
95, 408 [417 ff.]; 120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.]). Zuletzt habe das Gericht in seinem
Urteil vom 9. Januar 2011 zur Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen entschieden, dass die Fünf-
Prozent-Sperrklausel bei der Wahl zum Deutschen Bundestag ihre Rechtfertigung im Wesentlichen darin
finde, dass die Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren
fortlaufende Unterstützung nötig sei und dieses Ziel durch die Zersplitterung des Parlaments in viele kleine
Gruppen gefährdet werde (BVerfGE 129, 300 [335 f.]). In der Entscheidung vom 26. Februar 2014 (2 BvE
2/13 u. a.) zur Drei-Prozent-Sperrklausel im Europawahlrecht habe das Gericht erneut bestätigt, dass eine
Sperrklausel gerechtfertigt sein könne, wenn Verhältnisse wie auf nationaler Ebene gegeben sind, wo die
Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nötig sei (ebd. Rn. 72).

Angesichts der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei der Wahlgesetzgeber verfas-
sungsrechtlich nicht daran gehindert, bei der Verteilung der zu vergebenden Sitze auf die Landeslisten bei der
Bundestagswahl grundsätzlich nur die Parteien zu berücksichtigen, die mindestens fünf Prozent der im Wahl-
gebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten haben (§ 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Ab-
satz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG). Es sei ihm mit anderen Worten von Verfassungs wegen unbenommen,
gültige Zweitstimmen, die auf Landeslisten von Parteien entfallen sind, die nicht die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben, zwar für die Ergebnisfeststellung als relevant zu werten (§ 42 BWG), nicht
aber für die Sitzverteilung. Der Wahlgesetzgeber dürfe also ohne Verstoß gegen Bundesverfassungsrecht alle
zu vergebenden Parlamentssitze auf die Landeslisten derjenigen Parteien verteilen, die die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben.

Im Interesse der Handlungsfähigkeit des Deutschen Bundestages habe der Wahlgesetzgeber bisher an der auf
das gesamte Wahlgebiet bezogenen Fünf-Prozent-Sperrklausel, die seit der Wahl zum 2. Deutschen Bundes-
tag 1953 gilt, festgehalten. Denn eine Wahl habe – wie das Bundesverfassungsgericht betone (vgl. BVerfGE
51, 222 [236]) – „nicht nur das Ziel, eine Volksvertretung zu schaffen, die ein Spiegelbild der in der Wähler-
schaft vorhandenen politischen Meinungen darstellt, sondern sie soll auch ein funktionsfähiges Organ her-
vorbringen.“ Hierfür seien „(k)lare und ihrer Verantwortung für das Gesamtwohl bewusste Mehrheiten in
einer Volksvertretung (…) für eine Bewältigung der ihr gestellten Aufgaben unentbehrlich“, die durch einen
unbegrenzten Proporz nicht gewährleistet sind.

2. Zwar könne nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die verfassungsrechtliche Rechtfer-
tigung einer die Wahlgleichheit berührenden Norm des Wahlrechts wie eine Sperrklauselregelung durch ver-
änderte Verhältnisse oder neue Entwicklungen – etwa durch eine Änderung der vom Gesetzgeber vorausge-
setzten tatsächlichen oder normativen Grundlagen oder wenn sich die beim Erlass der Norm hinsichtlich ihrer

Drucksache 18/1810 – 210 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Auswirkungen angestellte Prognose als irrig erwiesen habe – in Frage gestellt werden (BVerfGE 82, 322
[338 f.]; 120, 82 [108]; 129, 300 [321 f.]; Urteil vom 26. Februar 2014, Az. 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 56). Dies
sei im Hinblick auf die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen jedoch nicht der Fall.

Eine Änderung der normativen Grundlagen für die Beurteilung der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundes-
tagswahlen, die das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung als verfassungsgemäß angesehen
habe, sei nicht festzustellen. Insbesondere führten das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
9. November 2011 zur Verfassungswidrigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen (BVerfGE
129, 300) und sein Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Sperrklausel im
Europawahlgesetz (2 BvE 2/13 u. a.) nicht zu einer abweichenden Bewertung. Das Bundesverfassungsgericht
begründe die Verfassungswidrigkeit der Sperrklauseln bei Europawahlen in diesen Urteilen mit der besonde-
ren Stellung und Funktion des Europäischen Parlaments im Gefüge der Organe der Europäischen Union, wo
eine vergleichbare Interessenlage wie bei der Bundestagswahl nicht bestehe (BVerfGE 129, 300 [336]). Auch
in seinem Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Klausel im Europawahl-
gesetz halte das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich an der gefestigten Rechtsprechung zum verfassungs-
rechtlichen Maßstab für die Beurteilung wahlrechtlicher Sperrklauseln fest und lege – wie es mehrfach beto-
ne – seinem Urteil die gleichen Prüfungsmaßstäbe wie im Urteil vom 9. November 2011 zugrunde (Az. 2
BvE 2/13 u. a., Rn. 37, 45, 63). In beiden Urteilen weise das Gericht zudem darauf hin, dass bei der Bundes-
tagswahl – anders als bei der Europawahl – der Deutsche Bundestag im Falle einer eintretenden Funktionsbe-
einträchtigung aufgrund seiner veränderten strukturellen Zusammensetzung nicht mehr in der Lage wäre, die
gesetzlichen Regelungen zur Sicherung seiner Funktionsfähigkeit zu ändern, weil die erforderliche Mehrheit
nicht mehr zustande käme (BVerfGE 129, 300 [324]; Urteil vom 26. Februar 2014, 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 58).

3. Auch in tatsächlicher Hinsicht erfordere das Wahlergebnis der Bundestagswahl 2013, bei der zwei Parteien
mit einem Stimmenanteil von 4,8 Prozent bzw. 4,7 Prozent der Zweitstimmen vergleichsweise knapp an der
Fünf-Prozent-Klausel gescheitert seien, keine Neubewertung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der
Klausel. Der Gesetzgeber habe sich für die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen entschieden und
diese bis heute beibehalten, um in Konstellationen, in denen eine oder mehrere Parteien weniger als fünf
Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, die Funktionsfähigkeit des Bundestages sicherzustellen. Wenn eine
solche Konstellation bei einer Wahl – wie nun der Bundestagswahl 2013 – tatsächlich auftrete, liege gerade
nicht der Fall vor, dass sich eine Prognose des Gesetzgebers als irrig erwiesen habe oder dass eine Änderung
der vom Gesetzgeber vorausgesetzten tatsächlichen Verhältnisse eingetreten sei, sondern es habe sich ledig-
lich ein Szenario realisiert, das der Gesetzgeber mit seiner Regelung von vornherein habe erfassen wollen.
Auch das Bundesverfassungsgericht habe die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen in Kenntnis
des Umstands, dass an ihr nicht nur Parteien mit einem niedrigen Stimmenanteil zwischen null und zwei
Prozent der Zweitstimmen, sondern auch Parteien mit einem Stimmenanteil knapp unter fünf Prozent schei-
tern können, in ständiger Rechtsprechung als verfassungsmäßig angesehen (siehe die Nachweise unter 1.).

Die bei der Bundestagswahl 2013 aufgetretene hohe Gesamtzahl von abgegebenen gültigen Zweitstimmen
für Parteien, die die Fünf-Prozent-Sperrklausel nicht überwunden haben, sei kein Grund, das Vorliegen ver-
änderter Verhältnisse bzw. neuer Entwicklungen anzunehmen, die eine Neubewertung der verfassungsrecht-
lichen Zulässigkeit der Sperrklausel erforderten. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Sperrklausel sei
nicht von der Gesamtzahl der Stimmen für diejenigen Parteien abhängig, die die Sperrklausel bei einer ein-
zelnen Wahl nicht überwinden. Die Sperrklausel rechtfertige sich vielmehr durch den mit ihr verfolgten ver-
fassungsrechtlich legitimen Zweck, die Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages sicherzustellen (siehe
die Nachweise unter 1.). Sie erfülle ihren Zweck gerade dann, wenn viele an der Wahl teilnehmende Parteien
die Sperrklausel nicht überwinden, aber ohne Sperrklausel Sitze im Parlament erlangt hätten, da auf diese
Weise eine die stabile Mehrheitsbildung gefährdende Zersplitterung des Bundestages vermieden werde.

4. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel stehe nicht entgegen, dass eine
hohe Zahl von Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die aufgrund der Sperrklausel nicht an der Sitzvertei-
lung teilnehmen, eine absolute Mehrheit der Sitze für Parteien ermögliche, die bei der Wahl deutlich weniger
als der Hälfte der Stimmen erreicht haben. Das Erreichen einer Mehrheit der Sitze im Parlament sei immer
mit weniger als der Hälfte der gültigen Zweitstimmen möglich. Denn auch ohne Sperrklausel erhalte nicht
jede Partei, für die bei der Wahl gültige Stimmen abgegeben wurden, automatisch einen Sitz. Da für einen
Sitz auch ohne Sperrklausel stets eine bestimmte Zahl von Stimmen erforderlich sei, führten nicht alle Stim-
men zu einem Sitzerfolg und darum weniger als 50 Prozent der gültigen Zweitstimmen zu einer Mehrheit der
Sitze. Ein Verfassungsrechtssatz des Inhalts, dass einer Mehrheit der Mitglieder des Bundestages notwendi-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 211 – Drucksache 18/1810

gerweise eine Mehrheit der Zweitstimmen in der Bundestagswahl entsprechen müsse, sei nicht feststellbar.
Wenn aber eine Partei in einer Wahl eine absolute Mehrheit der Zweitstimmen erhalte, sei gesichert, dass auf
sie mehr als die Hälfte der Sitze entfalle (§ 6 Absatz 7 BWG).

5. Gegen die Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht vorgebracht werden, sie verhindere bzw. erschwere
in übermäßiger Weise die Entstehung oder Etablierung neuer Parteien und schränke dadurch in unzulässiger
Weise die Chancengleichheit der Parteien ein. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Chancengleichheit
der Parteien verlange nicht, dass jeder Partei, die bei der Bundestagswahl Stimmen erhalte, Sitze im Bundes-
tag garantiert seien. Jede Partei habe rechtlich die gleiche Chance auf Teilnahme an der Sitzverteilung bei
Überwindung der Sperrklausel. Wenn eine Partei die für alle geltende Sperrklausel nicht überwinde, so sei
dies Resultat zu geringer Zustimmung in der Wählerschaft und gerade nicht ungleicher Chancen, denn die
unterschiedliche Gewichtung des Erfolgswerts von Wahlstimmen durch eine Sperrklausel treffe alle Parteien
gleichermaßen (vgl. BVerfGE 82, 322 [345]).

Dass die Fünf-Prozent-Sperrklausel die Entstehung und Etablierung neuer Parteien nicht verhindere oder
übermäßig erschwere, zeige der Einzug in die Parlamente auch neuer Parteien in den vergangenen Jahren bei
Bundestagswahlen und Landtagswahlen, bei denen nach Landesrecht ebenfalls Fünf-Prozent-Sperrklauseln
bestünden. Die Sperrklauseln trügen zu einem Mindestmaß an Konsolidierung neuer Parteien bei, indem sie
eine funktionierende Organisation und eine hinreichende Kampagnenfähigkeit der Partei erforderlich mach-
ten, um einen erfolgreichen Wahlkampf zu führen, der den Einzug ins Parlament ermögliche. Auch das Bun-
desverfassungsgericht sehe in ständiger Rechtsprechung in der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestags-
wahlen keinen verfassungswidrigen Eingriff in die Chancengleichheit der Parteien (siehe die Nachweise un-
ter 1.).

6. Die Fünf-Prozent-Sperrklausel habe nicht zur Folge, dass die Parteien, die die Sperrklausel überwunden
haben und deshalb an der Sitzverteilung teilnehmen, von den Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die an
der Sperrklausel gescheitert sind und somit nicht an der Sitzverteilung teilnehmen, profitierten und die Wäh-
ler bei der Stimmabgabe nicht erkennen könnten, welche Partei letztlich tatsächlich von ihrer Zweitstimme
profitiere. Von der Zweitstimme für eine Partei profitiere stets die Partei, für die die Stimme abgegeben wor-
den sei. Wenn eine Partei aufgrund eines zur Überwindung der Sperrklausel nicht ausreichenden Zuspruchs
in der Wählerschaft nicht an der Sitzverteilung teilnehme, würden die zu vergebenden Sitze auf die Parteien
verteilt, die die Sperrklausel überwunden haben. Diese Parteien profitierten bei dieser Verteilung von den für
sie abgegebenen Zweitstimmen, nicht von den Zweitstimmen für die an der Sperrklausel gescheiterten Partei-
en, die wegen Nichtteilnahme an der Sitzverteilung zu keinem Sitzerfolg führten.

7. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht entgegengehalten
werden, der Umstand, dass aufgrund der Sperrklausel eine hohe Zahl von Stimmen bei der Sitzverteilung
unberücksichtigt bleibe, befördere die Politikverdrossenheit der Wahlberechtigten. Unabhängig davon, ob
dies tatsächlich der Fall sei, habe sich der Gesetzgeber dazu entschieden, der Sicherung der Funktionsfähig-
keit des Parlaments Vorrang vor derartigen Erwägungen einzuräumen. Das Bundesverfassungsgericht erachte
dies in ständiger Rechtsprechung für verfassungsrechtlich zulässig (siehe die Nachweise unter 1.). Ein wegen
Zersplitterung in kleine und kleinste Fraktionen nicht mehrheits- und handlungsfähiges Parlament, das zur
Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nicht in der Lage sei, wäre zudem in weit höherem Maße geeignet, Politikverdrossenheit zu för-
dern.

8. Aufgrund der verfassungskonformen Ausgestaltung der Fünf-Prozent-Sperrklausel im geltenden Bundes-
wahlgesetz sei der Wahlgesetzgeber auch nicht zur Einführung einer Alternativstimme („Eventualstimme“,
„Ersatzstimme“ bzw. „Stimmweitergabe-Option“) verpflichtet. Ergänzend sei darauf verwiesen, dass im
Schrifttum gegen die Einführung einer solchen Alternativstimme verfassungsrechtliche Bedenken geltend
gemacht würden: Eine Alternativstimme sei mit dem Charakter der Stimmabgabe als einer vorbehaltlosen
und bedingungsfeindlichen Willenserklärung nicht zu vereinbaren und verstoße daher gegen den Grundsatz
der Unmittelbarkeit der Wahl im Sinne des Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 GG und gegen das Demokratieprinzip
nach Artikel 20 Absatz 1 GG (so Strelen, in: Schreiber, Bundeswahlgesetz, 9. Auflage 2013, § 6 Rn. 37 so-
wie Schreiber, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: 43. Lfg. April 2014, Art. 38
Rn. 40, 132). Überdies wäre die Gewährung einer Alternativstimme auch keine verfassungspolitisch ange-
zeigte Fortentwicklung des Wahlrechts. Sie würde das Stimmabgabeverfahren verkomplizieren, die Ermitt-
lung des Wahlergebnisses wesentlich erschweren und verzögern und den Wähler von einer eindeutigen poli-

Drucksache 18/1810 – 212 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

tischen Entscheidung ohne Vorbehalt und Rückfallposition entpflichten (vgl. im Einzelnen hierzu Strelen, in:
Schreiber, § 6 Rn. 37).

9. Die Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Klausel sei schließlich auch nicht davon abhängig, dass Par-
teien, die jeweils mit einer eigenen Liste an der Bundestagswahl teilnehmen, ihre Landeslisten verbinden
dürften, um als Zählgemeinschaft die Sperrklausel zu überwinden. Derartige Listenverbindungen verschiede-
ner Parteien bei der Bundestagswahl seien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wegen
Verstoßes gegen den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit der Parteien verfas-
sungswidrig (BVerfGE 82, 322 [345 f.]). Eine derartige Listenverbindung würde allein dem Zweck dienen,
die verfassungslegitime Zielsetzung einer Fünf-Prozent-Sperrklausel, die Verhinderung einer Zersplitterung
des Parlaments, zu umgehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet. Dem Vortrag des Einspruchsführers lässt sich kein Verstoß
gegen Wahlrechtsvorschriften und damit kein Wahlfehler entnehmen.

1. Der Einspruchsführer bestreitet nicht, dass das Verfahren zur Auszählung der Stimmen und zur Verteilung
der Sitze auf die Landeslisten der Parteien bei der Bundestagswahl 2013 den Vorgaben des Bundeswahlge-
setzes entsprach. Dieses regelt in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1,
dass bei der Verteilung der Sitze auf die Landeslisten nur Parteien berücksichtigt werden, die mindestens fünf
Prozent der im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten oder in mindestens drei Wahlkrei-
sen einen Sitz errungen haben. Soweit der Einspruchsführer geltend macht, die Sperrklausel verstoße gegen
die Grundsätze der Wahlrechtsgleichheit und der Chancengleichheit der Parteien und sei daher verfassungs-
widrig, ist darauf hinzuweisen, dass der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in ständiger
Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens die Verfassungsmäßigkeit der für die Wahl geltenden
Rechtsvorschriften nicht überprüfen. Eine derartige Kontrolle ist stets dem Bundesverfassungsgericht vorbe-
halten worden (vgl. etwa Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlagen 26 bis 28 mit weiteren Nachweisen;
17/1000, Anlagen 5 und 11; 17/2200, Anlagen 1, 13 bis 15, 17 bis 20, 23 und 24; 17/3100, Anlagen 15, 19,
20, 22 bis 30, 32, 34 bis 36; 17/4600, Anlagen 10, 12, 13, 32, 38, 40 bis 43 mit weiteren Nachweisen;
17/6300, Anlage 19). Allerdings hat der Wahlprüfungsausschuss schon in zahlreichen Wahlprüfungsent-
scheidungen früherer Wahlperioden keinen Anlass für Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Regelung
gesehen (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen 15/1850, Anlagen 9 und 47; 16/900, Anlage 14), zumal das
Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit der Sperrklausel in ihrer Ausgestaltung durch das Bun-
deswahlgesetz – wie der Einspruchsführer selbst ausführt – in ständiger Rechtsprechung bestätigt hat (vgl.
BVerfGE 1, 208 [247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366]; 95,
408 [417 ff.]; 120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.], siehe auch Bundestagsdrucksache
16/900, Anlage 14). Es ist folglich verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass alle Parlamentssitze auf
diejenigen Parteien verteilt werden, welche die Fünf-Prozent-Hürde überwunden haben. Zwar kann nach der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Sperrklausel durch veränderte Verhältnisse infrage ge-
stellt werden. Dies ist bezüglich der Bundestagswahl 2013 aber nicht der Fall, wie das Bundesministerium
des Innern – auch unter Bezugnahme auf die Urteile vom 9. November 2011 und 26. Februar 2014 – in seiner
Stellungnahme zutreffend feststellt: Dass nach dem amtlichen Endergebnis der Bundestagswahl 2013 insge-
samt 15,7 Prozent der gültigen Zweitstimmen nicht in die Mandatsverteilung eingeflossen sind, weil sie für
insgesamt 25 Parteien abgegeben wurden, die bundesweit weniger als fünf Prozent der Zweitstimmen erreicht
haben, ändert nichts an der vom Bundesverfassungsgericht festgestellten Verfassungskonformität der Fünf-
Prozent-Hürde. Zwar war der Anteil der gültigen, aber wegen der Sperrklausel nicht in die Sitzverteilung
eingeflossenen Zweitstimmen bei der Bundestagswahl 2013 höher als bei früheren Bundestagswahlen, da –
anders als bei vorhergehenden Wahlen – zwei Parteien jeweils fast fünf Prozent und zudem 23 weitere Par-
teien insgesamt 6,2 Prozent (für sich genommen aber teilweise weniger als 0,1 Prozent) erreicht haben. Je-
doch ist dieser Umstand nicht atypisch oder zuvor unbekannt gewesen. Es ist zudem durchaus möglich, dass
er bei kommenden Bundestagswahlen mit anderen Wahlergebnissen nicht (mehr) auftritt. Der Einzug neuer
Parteien in den Deutschen Bundestag wird, wie Beispiele aus der Geschichte der Bundesrepublik zeigen,
ohnehin nicht durch die Sperrklausel verhindert. Außerdem ist die Fünf-Prozent-Hürde auf das jeweilige
Ergebnis einer jeden Partei bezogen. Nur die konkrete Stimmenzahl jeder Partei kann der Ausgangspunkt der
Sitzverteilung auf die Landeslisten sein (vgl. § 6 Absatz 1 BWG) – übrigens auch dann, wenn man gedank-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 213 – Drucksache 18/1810

lich die Sperrklausel streicht oder eine niedrigere Sperrklausel ansetzt –; erst im zweiten Schritt ist die Stim-
menzahl einer jeden Partei in Relation zu den Stimmenanteilen der anderen Parteien zu setzen (vgl. § 6 Ab-
sätze 2 bis 7 BWG). Die gedankliche Addition von Zweitstimmenanteilen kann folglich für die Fünf-Prozent-
Hürde keine Aussagekraft beanspruchen.

2. Die Behauptungen des Einspruchsführers, die Verwaltungsräte der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstal-
ten würden von CDU/CSU und SPD beherrscht und diesem Umstand verdankten die Abgeordneten und Mi-
nister der im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien ihre „übermäßige“ Präsenz in der Berichterstattung
dieser Sender (insbesondere in Wahlkampfzeiten), weisen nicht auf einen Wahlfehler hin. Zunächst lässt sich
insbesondere die Annahme nicht belegen, dass die mediale Präsenz der im Deutschen Bundestag vertretenen
Parteien der Besetzung der Verwaltungsräte geschuldet sei. Der Einspruchsführer äußert insoweit Vermutun-
gen. Wahlbeanstandungen, die über nicht belegte Vermutungen oder die bloße Andeutung der Möglichkeit
von Wahlfehlern nicht hinausgehen und einen konkreten, der Überprüfung zugänglichen Tatsachenvortrag
nicht enthalten, sind aber als unsubstantiiert zurückzuweisen (Bundestagsdrucksachen 15/1150, Anlagen 283
bis 285; 15/1850, Anlage 25; 15/2400, Anlage 9; 17/1000, Anlagen 13 und 19; 18/1160, Anlagen 3, 6 und 83;
BVerfGE 48, 271 [276]; 66, 369 [379]; 85, 148 [159]; 122, 304 [309]; Hahlen, in: Schreiber, § 49 Rn. 25).

Außerdem haben die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten bei der Programmgestaltung zwar den Grund-
satz der Chancengleichheit der Wahlbewerber zu beachten (vgl. Strelen, in: Schreiber, § 1 Rn. 69). Das heißt
aber nicht, dass jeder Bewerber einen Anspruch darauf hat, dass über ihn in einer auf die Wahl bezogenen
Sendung berichtet wird. Zum einen fordert die Chancengleichheit der Wahlbewerber nicht, dass vorgefunde-
ne, sich aus der unterschiedlichen Größe, Leistungsfähigkeit oder politischen Zielsetzung ergebende Unter-
schiede zwischen Wahlbewerbern oder Gruppen von Wahlbewerbern ausgeglichen werden. Zum anderen
bringt es die Aufgabe des Rundfunks, den Hörer- und Zuschauerkreis objektiv über die Gewichtsverteilung
zwischen den bedeutsamen politischen, weltanschaulichen und gesellschaftlichen Gruppen zu informieren,
geradezu mit sich, dass beispielsweise über politische Gruppen, die sich erstmals an überregionalen Wahlen
beteiligen, oder vor allem in einzelnen Bundesländern bedeutsame Parteien im Rahmen der redaktionellen
Sendungen in aller Regel wesentlich weniger ausführlich berichtet wird als über Parteien, die etwa aufgrund
der Zeitdauer ihres Bestehens, ihrer verfestigten Organisation, ihrer Vertretung in Parlamenten oder ihrer
Beteiligung an den Regierungen in Bund und Ländern eine große Rolle in der politischen Wirklichkeit spie-
len (vgl. Bundestagsdrucksachen 16/5700, Anlage 21; 17/6300, Anlage 30; BVerfGE 48, 271 [278]; Strelen,
in: Schreiber, § 1 Rn. 70). Insofern ist es zulässig, im Vorfeld einer Bundestagswahl über die größeren und
die im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien häufiger zu berichten als über kleinere, (noch) nicht im
Parlament vertretene Parteien.

3. Aus den Ausführungen des Einspruchsführers, dass sich die im Parlament vertretenen Parteien zu Unguns-
ten der nicht im Parlament vertretenen Parteien durch die Finanzierung der Parlamentsfraktionen, der Abge-
ordnetenmitarbeiter und der politischen Stiftungen einen enormen Wettbewerbsvorteil verschafften, lässt sich
kein Wahlfehler ableiten. Der Einspruchsführer kritisiert zwar die seiner Ansicht nach bestehende Verfas-
sungswidrigkeit der staatlichen (Teil-)Finanzierung von Fraktionen, Abgeordnetenmitarbeitern und politi-
schen Stiftungen, belässt es aber – abgesehen von pauschalen Anwürfen etwa in Bezug auf die Bezahlung
von Abgeordnetenmitarbeitern – dabei und macht nicht hinreichend substantiiert deutlich, inwieweit die
staatliche (Teil-)Finanzierung den Wahlkampf der im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien finanziell
befördert oder gar – im Verhältnis zu nicht im Parlament vertretenen Parteien – zu einer Bevorzugung geführt
haben soll. Dabei wären solche Ausführungen notwendig gewesen, um zu zeigen, dass gegen das geltende
Recht – von dessen Einhaltung ohne entgegenstehenden Vortrag immer auszugehen ist – verstoßen wurde.
Für die Verwendung der staatlichen Mittel – die im Falle der Fraktionen und der politischen Stiftungen stets
nur einen Anteil der Gesamtfinanzierung ausmachen – bestehen nämlich gesetzliche Vorgaben, die eine Par-
tei- bzw. Wahlkampffinanzierung durch Fraktionen oder politische Stiftungen oder mithilfe des Aufwen-
dungsersatzes für Abgeordnetenmitarbeiter ausschließen: Die Bundestagsfraktionen dürfen die ihnen gewähr-
ten staatlichen Zuschüsse gemäß § 50 Absatz 4 Satz 1 AbgG nur für Aufgaben verwenden, die ihnen nach
dem Grundgesetz, dem Abgeordnetengesetz und der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages obliegen.
Der Einsatz von Fraktionsmitteln für Parteiaufgaben ist ausdrücklich unzulässig (vgl. § 50 Absatz 4 Satz 2
AbgG). Der Aufwendungsersatz für die Beschäftigung von Mitarbeitern ist gemäß § 12 Absatz 3 Satz 1
AbgG nur zur Unterstützung bei der Erledigung der parlamentarischen Arbeit gestattet. Dies schließt die
Bezahlung von Partei- bzw. Wahlkampfaktivitäten mithilfe der Mitarbeiterpauschale aus (vgl.
Braun/Jantsch/Klante, AbgG, 2002, § 12 Rn. 44). Im Landesrecht bestehen für die Landtagsfraktionen und

Drucksache 18/1810 – 214 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

den Aufwendungsersatz für die Beschäftigung von Mitarbeitern – so es einen solchen auf Landesebene über-
haupt gibt – vergleichbare Vorschriften. Dass es in Rheinland-Pfalz zu finanziellen Zuwendungen einer
Landtagsfraktion an die Landespartei gekommen ist, war gerade kein übliches, sondern vielmehr ein verbote-
nes Verhalten. Ferner dürfen die Parteien gemäß § 25 Absatz 2 Nr. 2 des Parteiengesetzes (PartG) keine
Spenden von politischen Stiftungen annehmen. Überdies müssen die Stiftungen von den Parteien unabhängig
sein. Beispielsweise dürfen der Vorsitzende und der Schatzmeister einer Partei nicht vergleichbare Posten in
einer politisch nahestehenden Stiftung übernehmen (vgl. § 11 Absatz 2 Satz 3 PartG).

Auch im Übrigen sind die vom Einspruchsführer vorgetragenen Gründe, warum die Finanzierung von Bun-
destagsfraktionen, Abgeordnetenmitarbeitern und politischen Stiftungen verfassungswidrig sein soll, nicht
überzeugend. Nähere Ausführungen hierzu erübrigen sich aber, da der Wahlprüfungsausschuss und der Deut-
sche Bundestag – wie oben ausgeführt – in ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens die
Verfassungsmäßigkeit von Wahlrechtsvorschriften nicht überprüfen und eine derartige Kontrolle stets dem
Bundesverfassungsgericht vorbehalten wurde, zumal ohnehin schon fraglich ist, ob die angegriffenen Sach-
verhalte überhaupt wahlprüfungsrechtlich relevant sein können.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 215 – Drucksache 18/1810

Anlage 32

Beschlussempfehlung

ZumWahleinspruch

der Frau I. H.-H., 87782 Warmisried,

– Az.: WP 149/13 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag
am 22. September 2013

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 26. Juni 2014 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Die Einspruchsführerin hat mit einem Fax vom 20. November 2013 Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl
zum 18. Deutschen Bundestag am 22. September 2013 eingelegt.

Sie wendet sich gegen die Fünf-Prozent-Klausel. Für Bundestagswahlen gelte das Verhältniswahlrecht. Dies
bedeute, dass die einer Partei zugewiesene Anzahl von Parlamentssitzen ihrem Anteil an der Gesamtstim-
menzahl entsprechen müsse. Auf „wundersame“, aber verfassungswidrige Weise hätten sich die Stimmenan-
teile, bezogen auf die Sitzverteilung, jedoch vermehrt: Der Stimmenanteil der CDU von 34,1 Prozent habe zu
einem Sitzanteil von 40,4 Prozent geführt, der Stimmenanteil der SPD von 25,7 Prozent zu einem Sitzanteil
von 30,6 Prozent, der Stimmenanteil der Partei Die Linke von 8,6 Prozent Prozent zu einem Sitzanteil von
10,1 Prozent, der Stimmenanteil der Partei Bündnis 90/Die Grünen von 8,4 Prozent zu einem Sitzanteil von
10 Prozent und der Stimmenanteil der CSU von 7,4 Prozent zu einem Sitzanteil von 8,9 Prozent. Den fünf im
18. Deutschen Bundestag vertretenen Parteien seien insgesamt 99 Sitze zugeteilt worden, die ihnen nach dem
Wahlergebnis nicht zustünden, da sie nicht vom Wählerwillen gedeckt seien. Die CDU habe 40 Sitze „zu
viel“ erhalten, die SPD 31, Die Linke 10, Bündnis 90/Die Grünen 10 und die CSU acht. Diese „Fremdsitze“
beruhten auf der Fünf-Prozent-Klausel in § 6 Abs. 6 Satz 1, 1. Alternative des Bundeswahlgesetzes (BWG).
Wähler, die gültige Stimmen abgäben, würden dadurch um ihr Wahlrecht gebracht. Sie entschieden nur bei
der Beantwortung der Vorfrage mit, welche Parteien die Fünf-Prozent-Hürde überschritten. Vom entschei-
denden Teil der Wahl, bei dem die Stärkeverhältnisse der Parteien im Parlament festgelegt würden, seien sie
ausgeschlossen. Die für Parteien, die weniger als fünf Prozent der Zweitstimmen erreichten, abgegebenen
Stimmen würden vom Gesetzgeber in voller Absicht vernichtet. Sie kämen den großen Parteien, welche die
Fünf-Prozent-Hürde übersprängen, zugute. Die Fünf-Prozent-Klausel verletzte nicht nur das Grundrecht auf
Gleichheit und freie Ausübung des Wahlrechts, sondern auch den Grundsatz der Chancengleichheit für alle
Parteien. Denn wegen der Befürchtung, sie könne die Fünf-Prozent-Hürde nicht überwinden, wähle so man-
cher die eigene „Wunschpartei“ nicht. Die kleineren Parteien würden benachteiligt. Abhilfe sei nicht nur
verfassungsrechtlich geboten, sondern auch ohne allzu großen Mehraufwand möglich. Es genüge die Einfüh-
rung einer „Ersatz- oder Eventualstimme“, die dann zum Tragen komme, wenn die vorrangig angekreuzte
Partei die Fünf-Prozent-Hürde nicht überwinde. Das Bundesverfassungsgericht habe jedenfalls die angegrif-
fene Regelung noch nicht eingehend untersucht. Die Frage, ob Wähler vom entscheidenden Teil einer Wahl
ausgeschlossen werden dürften, sei vom Gericht noch nicht beantwortet worden.

Wegen der Einzelheiten des Vortrages der Einspruchsführerin wird auf den Inhalt der Akten Bezug genom-
men.

Das Bundesministerium des Innern hat zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-
Sperrklausel am 16. Juni 2014 wie folgt Stellung genommen:

1. Das Bundesverfassungsgericht erachte in ständiger Rechtsprechung bei Wahlen zum Deutschen Bundestag
die heute in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG vorgesehene, auf

Drucksache 18/1810 – 216 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

das gesamte Wahlgebiet bezogene Fünf-Prozent-Sperrklausel für verfassungsgemäß (vgl. BVerfGE 1, 208
[247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366]; 95, 408 [417 ff.];
120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.]). Zuletzt habe das Gericht in seinem Urteil vom
9. Januar 2011 zur Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen entschieden, dass die Fünf-Prozent-
Sperrklausel bei der Wahl zum Deutschen Bundestag ihre Rechtfertigung im Wesentlichen darin finde, dass
die Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende
Unterstützung nötig sei und dieses Ziel durch die Zersplitterung des Parlaments in viele kleine Gruppen ge-
fährdet werde (BVerfGE 129, 300 [335 f.]). In der Entscheidung vom 26. Februar 2014 (2 BvE 2/13 u. a.) zur
Drei-Prozent-Sperrklausel im Europawahlrecht habe das Gericht erneut bestätigt, dass eine Sperrklausel ge-
rechtfertigt sein könne, wenn Verhältnisse wie auf nationaler Ebene gegeben sind, wo die Bildung einer
stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Unterstützung nötig
sei (ebd. Rn. 72).

Angesichts der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei der Wahlgesetzgeber verfas-
sungsrechtlich nicht daran gehindert, bei der Verteilung der zu vergebenden Sitze auf die Landeslisten bei der
Bundestagswahl grundsätzlich nur die Parteien zu berücksichtigen, die mindestens fünf Prozent der im Wahl-
gebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten haben (§ 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Ab-
satz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG). Es sei ihm mit anderen Worten von Verfassungs wegen unbenommen,
gültige Zweitstimmen, die auf Landeslisten von Parteien entfallen sind, die nicht die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben, zwar für die Ergebnisfeststellung als relevant zu werten (§ 42 BWG), nicht
aber für die Sitzverteilung. Der Wahlgesetzgeber dürfe also ohne Verstoß gegen Bundesverfassungsrecht alle
zu vergebenden Parlamentssitze auf die Landeslisten derjenigen Parteien verteilen, die die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben.

Im Interesse der Handlungsfähigkeit des Deutschen Bundestages habe der Wahlgesetzgeber bisher an der auf
das gesamte Wahlgebiet bezogenen Fünf-Prozent-Sperrklausel, die seit der Wahl zum 2. Deutschen Bundes-
tag 1953 gilt, festgehalten. Denn eine Wahl habe – wie das Bundesverfassungsgericht betone (vgl. BVerfGE
51, 222 [236]) – „nicht nur das Ziel, eine Volksvertretung zu schaffen, die ein Spiegelbild der in der Wähler-
schaft vorhandenen politischen Meinungen darstellt, sondern sie soll auch ein funktionsfähiges Organ her-
vorbringen.“ Hierfür seien „(k)lare und ihrer Verantwortung für das Gesamtwohl bewusste Mehrheiten in
einer Volksvertretung (…) für eine Bewältigung der ihr gestellten Aufgaben unentbehrlich“, die durch einen
unbegrenzten Proporz nicht gewährleistet sind.

2. Zwar könne nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die verfassungsrechtliche Rechtfer-
tigung einer die Wahlgleichheit berührenden Norm des Wahlrechts wie eine Sperrklauselregelung durch ver-
änderte Verhältnisse oder neue Entwicklungen – etwa durch eine Änderung der vom Gesetzgeber vorausge-
setzten tatsächlichen oder normativen Grundlagen oder wenn sich die beim Erlass der Norm hinsichtlich ihrer
Auswirkungen angestellte Prognose als irrig erwiesen habe – in Frage gestellt werden (BVerfGE 82, 322
[338 f.]; 120, 82 [108]; 129, 300 [321 f.]; Urteil vom 26. Februar 2014, Az. 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 56). Dies
sei im Hinblick auf die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen jedoch nicht der Fall.

Eine Änderung der normativen Grundlagen für die Beurteilung der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundes-
tagswahlen, die das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung als verfassungsgemäß angesehen
habe, sei nicht festzustellen. Insbesondere führten das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
9. November 2011 zur Verfassungswidrigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen (BVerfGE
129, 300) und sein Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Sperrklausel im
Europawahlgesetz (2 BvE 2/13 u. a.) nicht zu einer abweichenden Bewertung. Das Bundesverfassungsgericht
begründe die Verfassungswidrigkeit der Sperrklauseln bei Europawahlen in diesen Urteilen mit der besonde-
ren Stellung und Funktion des Europäischen Parlaments im Gefüge der Organe der Europäischen Union, wo
eine vergleichbare Interessenlage wie bei der Bundestagswahl nicht bestehe (BVerfGE 129, 300 [336]). Auch
in seinem Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Klausel im Europawahl-
gesetz halte das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich an der gefestigten Rechtsprechung zum verfassungs-
rechtlichen Maßstab für die Beurteilung wahlrechtlicher Sperrklauseln fest und lege – wie es mehrfach beto-
ne – seinem Urteil die gleichen Prüfungsmaßstäbe wie im Urteil vom 9. November 2011 zugrunde (Az. 2
BvE 2/13 u. a., Rn. 37, 45, 63). In beiden Urteilen weise das Gericht zudem darauf hin, dass bei der Bundes-
tagswahl – anders als bei der Europawahl – der Deutsche Bundestag im Falle einer eintretenden Funktionsbe-
einträchtigung aufgrund seiner veränderten strukturellen Zusammensetzung nicht mehr in der Lage wäre, die

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 217 – Drucksache 18/1810

gesetzlichen Regelungen zur Sicherung seiner Funktionsfähigkeit zu ändern, weil die erforderliche Mehrheit
nicht mehr zustande käme (BVerfGE 129, 300 [324]; Urteil vom 26. Februar 2014, 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 58).

3. Auch in tatsächlicher Hinsicht erfordere das Wahlergebnis der Bundestagswahl 2013, bei der zwei Parteien
mit einem Stimmenanteil von 4,8 Prozent bzw. 4,7 Prozent der Zweitstimmen vergleichsweise knapp an der
Fünf-Prozent-Klausel gescheitert seien, keine Neubewertung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der
Klausel. Der Gesetzgeber habe sich für die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen entschieden und
diese bis heute beibehalten, um in Konstellationen, in denen eine oder mehrere Parteien weniger als fünf
Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, die Funktionsfähigkeit des Bundestages sicherzustellen. Wenn eine
solche Konstellation bei einer Wahl – wie nun der Bundestagswahl 2013 – tatsächlich auftrete, liege gerade
nicht der Fall vor, dass sich eine Prognose des Gesetzgebers als irrig erwiesen habe oder dass eine Änderung
der vom Gesetzgeber vorausgesetzten tatsächlichen Verhältnisse eingetreten sei, sondern es habe sich ledig-
lich ein Szenario realisiert, das der Gesetzgeber mit seiner Regelung von vornherein habe erfassen wollen.
Auch das Bundesverfassungsgericht habe die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen in Kenntnis
des Umstands, dass an ihr nicht nur Parteien mit einem niedrigen Stimmenanteil zwischen null und zwei
Prozent der Zweitstimmen, sondern auch Parteien mit einem Stimmenanteil knapp unter fünf Prozent schei-
tern können, in ständiger Rechtsprechung als verfassungsmäßig angesehen (siehe die Nachweise unter 1.).

Die bei der Bundestagswahl 2013 aufgetretene hohe Gesamtzahl von abgegebenen gültigen Zweitstimmen
für Parteien, die die Fünf-Prozent-Sperrklausel nicht überwunden haben, sei kein Grund, das Vorliegen ver-
änderter Verhältnisse bzw. neuer Entwicklungen anzunehmen, die eine Neubewertung der verfassungsrecht-
lichen Zulässigkeit der Sperrklausel erforderten. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Sperrklausel sei
nicht von der Gesamtzahl der Stimmen für diejenigen Parteien abhängig, die die Sperrklausel bei einer ein-
zelnen Wahl nicht überwinden. Die Sperrklausel rechtfertige sich vielmehr durch den mit ihr verfolgten ver-
fassungsrechtlich legitimen Zweck, die Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages sicherzustellen (siehe
die Nachweise unter 1.). Sie erfülle ihren Zweck gerade dann, wenn viele an der Wahl teilnehmende Parteien
die Sperrklausel nicht überwinden, aber ohne Sperrklausel Sitze im Parlament erlangt hätten, da auf diese
Weise eine die stabile Mehrheitsbildung gefährdende Zersplitterung des Bundestages vermieden werde.

4. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel stehe nicht entgegen, dass eine
hohe Zahl von Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die aufgrund der Sperrklausel nicht an der Sitzvertei-
lung teilnehmen, eine absolute Mehrheit der Sitze für Parteien ermögliche, die bei der Wahl deutlich weniger
als der Hälfte der Stimmen erreicht haben. Das Erreichen einer Mehrheit der Sitze im Parlament sei immer
mit weniger als der Hälfte der gültigen Zweitstimmen möglich. Denn auch ohne Sperrklausel erhalte nicht
jede Partei, für die bei der Wahl gültige Stimmen abgegeben wurden, automatisch einen Sitz. Da für einen
Sitz auch ohne Sperrklausel stets eine bestimmte Zahl von Stimmen erforderlich sei, führten nicht alle Stim-
men zu einem Sitzerfolg und darum weniger als 50 Prozent der gültigen Zweitstimmen zu einer Mehrheit der
Sitze. Ein Verfassungsrechtssatz des Inhalts, dass einer Mehrheit der Mitglieder des Bundestages notwendi-
gerweise eine Mehrheit der Zweitstimmen in der Bundestagswahl entsprechen müsse, sei nicht feststellbar.
Wenn aber eine Partei in einer Wahl eine absolute Mehrheit der Zweitstimmen erhalte, sei gesichert, dass auf
sie mehr als die Hälfte der Sitze entfalle (§ 6 Absatz 7 BWG).

5. Gegen die Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht vorgebracht werden, sie verhindere bzw. erschwere
in übermäßiger Weise die Entstehung oder Etablierung neuer Parteien und schränke dadurch in unzulässiger
Weise die Chancengleichheit der Parteien ein. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Chancengleichheit
der Parteien verlange nicht, dass jeder Partei, die bei der Bundestagswahl Stimmen erhalte, Sitze im Bundes-
tag garantiert seien. Jede Partei habe rechtlich die gleiche Chance auf Teilnahme an der Sitzverteilung bei
Überwindung der Sperrklausel. Wenn eine Partei die für alle geltende Sperrklausel nicht überwinde, so sei
dies Resultat zu geringer Zustimmung in der Wählerschaft und gerade nicht ungleicher Chancen, denn die
unterschiedliche Gewichtung des Erfolgswerts von Wahlstimmen durch eine Sperrklausel treffe alle Parteien
gleichermaßen (vgl. BVerfGE 82, 322 [345]).

Dass die Fünf-Prozent-Sperrklausel die Entstehung und Etablierung neuer Parteien nicht verhindere oder
übermäßig erschwere, zeige der Einzug in die Parlamente auch neuer Parteien in den vergangenen Jahren bei
Bundestagswahlen und Landtagswahlen, bei denen nach Landesrecht ebenfalls Fünf-Prozent-Sperrklauseln
bestünden. Die Sperrklauseln trügen zu einem Mindestmaß an Konsolidierung neuer Parteien bei, indem sie
eine funktionierende Organisation und eine hinreichende Kampagnenfähigkeit der Partei erforderlich mach-
ten, um einen erfolgreichen Wahlkampf zu führen, der den Einzug ins Parlament ermögliche. Auch das Bun-

Drucksache 18/1810 – 218 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

desverfassungsgericht sehe in ständiger Rechtsprechung in der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestags-
wahlen keinen verfassungswidrigen Eingriff in die Chancengleichheit der Parteien (siehe die Nachweise un-
ter 1.).

6. Die Fünf-Prozent-Sperrklausel habe nicht zur Folge, dass die Parteien, die die Sperrklausel überwunden
haben und deshalb an der Sitzverteilung teilnehmen, von den Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die an
der Sperrklausel gescheitert sind und somit nicht an der Sitzverteilung teilnehmen, profitierten und die Wäh-
ler bei der Stimmabgabe nicht erkennen könnten, welche Partei letztlich tatsächlich von ihrer Zweitstimme
profitiere. Von der Zweitstimme für eine Partei profitiere stets die Partei, für die die Stimme abgegeben wor-
den sei. Wenn eine Partei aufgrund eines zur Überwindung der Sperrklausel nicht ausreichenden Zuspruchs
in der Wählerschaft nicht an der Sitzverteilung teilnehme, würden die zu vergebenden Sitze auf die Parteien
verteilt, die die Sperrklausel überwunden haben. Diese Parteien profitierten bei dieser Verteilung von den für
sie abgegebenen Zweitstimmen, nicht von den Zweitstimmen für die an der Sperrklausel gescheiterten Partei-
en, die wegen Nichtteilnahme an der Sitzverteilung zu keinem Sitzerfolg führten.

7. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht entgegengehalten
werden, der Umstand, dass aufgrund der Sperrklausel eine hohe Zahl von Stimmen bei der Sitzverteilung
unberücksichtigt bleibe, befördere die Politikverdrossenheit der Wahlberechtigten. Unabhängig davon, ob
dies tatsächlich der Fall sei, habe sich der Gesetzgeber dazu entschieden, der Sicherung der Funktionsfähig-
keit des Parlaments Vorrang vor derartigen Erwägungen einzuräumen. Das Bundesverfassungsgericht erachte
dies in ständiger Rechtsprechung für verfassungsrechtlich zulässig (siehe die Nachweise unter 1.). Ein wegen
Zersplitterung in kleine und kleinste Fraktionen nicht mehrheits- und handlungsfähiges Parlament, das zur
Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nicht in der Lage sei, wäre zudem in weit höherem Maße geeignet, Politikverdrossenheit zu för-
dern.

8. Aufgrund der verfassungskonformen Ausgestaltung der Fünf-Prozent-Sperrklausel im geltenden Bundes-
wahlgesetz sei der Wahlgesetzgeber auch nicht zur Einführung einer Alternativstimme („Eventualstimme“,
„Ersatzstimme“ bzw. „Stimmweitergabe-Option“) verpflichtet. Ergänzend sei darauf verwiesen, dass im
Schrifttum gegen die Einführung einer solchen Alternativstimme verfassungsrechtliche Bedenken geltend
gemacht würden: Eine Alternativstimme sei mit dem Charakter der Stimmabgabe als einer vorbehaltlosen
und bedingungsfeindlichen Willenserklärung nicht zu vereinbaren und verstoße daher gegen den Grundsatz
der Unmittelbarkeit der Wahl im Sinne des Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) und gegen
das Demokratieprinzip nach Artikel 20 Absatz 1 GG (so Strelen, in: Schreiber, Bundeswahlgesetz, 9. Auflage
2013, § 6 Rn. 37 sowie Schreiber, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: 43. Lfg.
April 2014, Art. 38 Rn. 40, 132). Überdies wäre die Gewährung einer Alternativstimme auch keine verfas-
sungspolitisch angezeigte Fortentwicklung des Wahlrechts. Sie würde das Stimmabgabeverfahren verkompli-
zieren, die Ermittlung des Wahlergebnisses wesentlich erschweren und verzögern und den Wähler von einer
eindeutigen politischen Entscheidung ohne Vorbehalt und Rückfallposition entpflichten (vgl. im Einzelnen
hierzu Strelen, in: Schreiber, § 6 Rn. 37).

9. Die Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Klausel sei schließlich auch nicht davon abhängig, dass Par-
teien, die jeweils mit einer eigenen Liste an der Bundestagswahl teilnehmen, ihre Landeslisten verbinden
dürften, um als Zählgemeinschaft die Sperrklausel zu überwinden. Derartige Listenverbindungen verschiede-
ner Parteien bei der Bundestagswahl seien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wegen
Verstoßes gegen den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit der Parteien verfas-
sungswidrig (BVerfGE 82, 322 [345 f.]). Eine derartige Listenverbindung würde allein dem Zweck dienen,
die verfassungslegitime Zielsetzung einer Fünf-Prozent-Sperrklausel, die Verhinderung einer Zersplitterung
des Parlaments, zu umgehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet. Dem Vortrag der Einspruchsführerin lässt sich kein Verstoß
gegen Wahlrechtsvorschriften und damit kein Wahlfehler entnehmen.

Sie bestreitet nicht, dass das Verfahren zur Auszählung der Stimmen und zur Verteilung der Sitze auf die
Landeslisten der Parteien bei der Bundestagswahl 2013 den Vorgaben des Bundeswahlgesetzes entsprach.
Dieses regelt heute in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1, dass bei der

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 219 – Drucksache 18/1810

Verteilung der Sitze auf die Landeslisten nur Parteien berücksichtigt werden, die mindestens fünf Prozent der
im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten oder in mindestens drei Wahlkreisen einen Sitz
errungen haben. Die Sperrklausel führt – anders als die Einspruchsführerin meint – nicht zu „Fremdsitzen“,
denn den Parteien, die unterhalb der Fünf-Prozent-Hürde bleiben, stehen aufgrund ihres Wahlergebnisses
keine Sitze zu. Soweit die Einspruchsführerin geltend macht, die Sperrklausel verstoße gegen die Grundsätze
der Gleichheit und der Freiheit der Wahl sowie gegen den den Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien
und sei daher verfassungswidrig, ist darauf hinzuweisen, dass der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche
Bundestag in ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens die Verfassungsmäßigkeit der für
die Wahl geltenden Rechtsvorschriften nicht überprüfen. Eine derartige Kontrolle ist stets dem Bundesverfas-
sungsgericht vorbehalten worden (vgl. etwa Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlagen 26 bis 28 mit weiteren
Nachweisen; 17/1000, Anlagen 5 und 11; 17/2200, Anlagen 1, 13 bis 15, 17 bis 20, 23 und 24; 17/3100, An-
lagen 15, 19, 20, 22 bis 30, 32, 34 bis 36; 17/4600, Anlagen 10, 12, 13, 32, 38, 40 bis 43 mit weiteren Nach-
weisen; 17/6300, Anlage 19). Allerdings hat der Wahlprüfungsausschuss schon in zahlreichen Wahlprü-
fungsentscheidungen früherer Wahlperioden keinen Anlass für Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der
Regelung gesehen (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen 15/1850, Anlagen 9 und 47; 16/900, Anlage 14),
zumal das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit der Sperrklausel in ihrer Ausgestaltung durch
das Bundeswahlgesetz in ständiger Rechtsprechung bestätigt hat (vgl. BVerfGE 1, 208 [247 ff.]; 4, 31
[39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366]; 95, 408 [417 ff.]; 120, 82 [109 ff.];
122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.], siehe auch Bundestagsdrucksache 16/900, Anlage 14). Es ist folglich
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass alle Parlamentssitze auf diejenigen Parteien verteilt werden,
welche die Fünf-Prozent-Hürde überwunden haben. Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfas-
sungsgerichts die Sperrklausel durch veränderte Verhältnisse infrage gestellt werden. Dies ist bezüglich der
Bundestagswahl 2013 aber nicht der Fall, wie das Bundesministerium des Innern – auch unter Bezugnahme
auf die Urteile vom 9. November 2011 und 26. Februar 2014 – in seiner Stellungnahme zutreffend feststellt:
Dass nach dem amtlichen Endergebnis der Bundestagswahl 2013 insgesamt 15,7 Prozent der gültigen Zweit-
stimmen nicht in die Mandatsverteilung eingeflossen sind, weil sie für insgesamt 25 Parteien abgegeben wur-
den, die bundesweit weniger als fünf Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, ändert nichts an der vom
Bundesverfassungsgericht festgestellten Verfassungskonformität der Fünf-Prozent-Hürde. Zwar war der An-
teil der gültigen, aber wegen der Sperrklausel nicht in die Sitzverteilung eingeflossenen Zweitstimmen bei
der Bundestagswahl 2013 höher als bei früheren Bundestagswahlen, da – anders als bei vorhergehenden
Wahlen – zwei Parteien jeweils fast fünf Prozent und zudem 23 weitere Parteien insgesamt 6,2 Prozent (für
sich genommen aber teilweise weniger als 0,1 Prozent) erreicht haben. Jedoch ist dieser Umstand nicht aty-
pisch oder zuvor unbekannt gewesen. Es ist zudem durchaus möglich, dass er bei kommenden Bundestags-
wahlen mit anderen Wahlergebnissen nicht (mehr) auftritt. Der Einzug neuer Parteien in den Deutschen Bun-
destag wird, wie Beispiele aus der Geschichte der Bundesrepublik zeigen, ohnehin nicht durch die Sperrklau-
sel verhindert. Außerdem ist die Fünf-Prozent-Hürde auf das jeweilige Ergebnis einer jeden Partei bezogen.
Nur die konkrete Stimmenzahl jeder Partei kann der Ausgangspunkt der Sitzverteilung auf die Landeslisten
sein (vgl. § 6 Absatz 1 BWG) – übrigens auch dann, wenn man gedanklich die Sperrklausel streicht oder eine
niedrigere Sperrklausel ansetzt –; erst im zweiten Schritt ist die Stimmenzahl einer jeden Partei in Relation zu
den Stimmenanteilen der anderen Parteien zu setzen (vgl. § 6 Absätze 2 bis 7 BWG). Die gedankliche Addi-
tion von Zweitstimmenanteilen kann folglich für die Fünf-Prozent-Hürde keine Aussagekraft beanspruchen.

Das von der Einspruchsführerin befürwortete Konzept einer Eventualstimme (Alternativstimme, Ersatzstim-
me) wäre – wenn es Gesetz würde – verfassungwidrig. Die Einführung einer Eventualstimme verstieße gegen
den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl im Sinne des Artikels 38 Absatz 1 Satz 1 GG und gegen das
Demokratieprinzip in Art. 20 Absatz 1 GG (vgl. nur Strelen, in: Schreiber, § 6 Rn. 37).

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 221 – Drucksache 18/1810

Anlage 33

Beschlussempfehlung

ZumWahleinspruch

1. des Herrn F.-W. G., 16225 Eberswalde,
2. der Frau E. G., ebenda,

– Az.: WP 150/13 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag
am 22. September 2013

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 26. Juni 2014 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Die Einspruchsführer haben mit einem Schreiben vom 15. November 2013 Einspruch gegen die Gültigkeit
der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag am 22. September 2013 eingelegt.

Sie wenden sich gegen die Listenwahl, die Fünf-Prozent-Klausel und Ausgleichsmandate.

1. Die Verhältniswahl sei eine Parteienwahl. Sie verstoße gegen die Verfassungsvorgabe der Unmittelbarkeit
der Wahl. Parteien dürften nicht als „Sitzverteilerorgan“ zwischen Wähler und Mandat treten. Der Bürger
wisse nicht, welcher natürlichen Person von den vielen auf der Landesliste stehenden Kandidaten er seine
Stimme gebe. Die Annahme, die „Staatsgewaltübertragung“ eines Bürgers durch die Wahl einer Partei bzw.
Landesliste richte sich auf die auf der Liste aufgeführten Personen, sei aus den vorgenannten Gründen eine
irrationale und verfassungswidrige Fiktion. Zudem seien Parteien bzw. Landeslisten „selbst nach dem verfas-
sungswidrigen Wahlgesetz“ nicht wählbar, da § 15 Absatz 1 des Bundeswahlgesetzes (BWG) die Wählbar-
keit nur Deutschen zuspreche, die das 18. Lebensjahr vollendet haben.

2. Die Fünf-Prozent-Klausel verstoße gegen das Verfassungsgebot der Wahlgleichheit. Bei der angegriffenen
Bundestagswahl seien über 6,8 Millionen Stimmen, also 15,7 Prozent der abgegebenen Stimmen, nicht ge-
wertet worden. Der politische Gestaltungswille immerhin etwa jedes sechsten Wählers finde in dem neuen
Deutschen Bundestag keine Vertretung und kein Sprachrohr, das bei Debatten und Gesetzesberatungen ge-
hört würde. Es sei mit dem Grundgesetz nicht zu rechtfertigen, dass bei der Sitzverteilung willkürlich nur
Stimmen für die Parteien berücksichtigt würden, die einen vorher festgelegten Stimmenanteil erhielten. Die
Wählerstimmen für „Schwarz, Rot, Grün“ erlangten einen Bonus, den sich diese politischen Parteien vorher
mit dem Bundeswahlgesetz selbst zugesprochen hätten. Das sei ungerecht und verstoße auch gegen das Dis-
kriminierungsverbot, das Minderheiten schützen solle. Es wirke aber auch demokratiezerstörend, da ausge-
rechnet die Kleinparteien, die als einzige neue Gedanken und einen bislang nicht vertretenen Wählerwillen
zum Ausdruck bringen könnten, durch den reinen Machtspruch der Etablierten von der Gesetzgebung für das
Volk ausgeschlossen würden. Eine Absenkung der Fünf-Prozent-Klausel auf eine geringere Prozentzahl helfe
nicht. Es gebe keine Sperrklausel, die nicht verfassungswidrig sei.

3. Mit dem vollständigen Ausgleich aller Überhangmandate sei die Alleinherrschaft legitimationsloser, belie-
big austauschbarer „Parteifunktionäre“ ohne Persönlichkeit, Grundsätze und Kenntnisse zementiert. Zugleich
werde das einzig verfassungsgemäße Element der Bundestagswahl, die Direktwahl der Wahlkreisabgeordne-
ten, in die Bedeutungslosigkeit „hinabreglementiert“. Die Direktmandatsinhaber könnten die über die Liste
gewählten Abgeordneten wegen deren großer Zahl nicht überstimmen.

Wegen der Einzelheiten des Vortrages der Einspruchsführer wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Das Bundesministerium des Innern hat zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-
Sperrklausel am 16. Juni 2014 wie folgt Stellung genommen:

Drucksache 18/1810 – 222 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

1. Das Bundesverfassungsgericht erachte in ständiger Rechtsprechung bei Wahlen zum Deutschen Bundestag
die heute in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG vorgesehene, auf
das gesamte Wahlgebiet bezogene Fünf-Prozent-Sperrklausel für verfassungsgemäß (vgl. BVerfGE 1, 208
[247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366]; 95, 408 [417 ff.];
120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.]). Zuletzt habe das Gericht in seinem Urteil vom
9. Januar 2011 zur Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen entschieden, dass die Fünf-Prozent-
Sperrklausel bei der Wahl zum Deutschen Bundestag ihre Rechtfertigung im Wesentlichen darin finde, dass
die Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende
Unterstützung nötig sei und dieses Ziel durch die Zersplitterung des Parlaments in viele kleine Gruppen ge-
fährdet werde (BVerfGE 129, 300 [335 f.]). In der Entscheidung vom 26. Februar 2014 (2 BvE 2/13 u. a.) zur
Drei-Prozent-Sperrklausel im Europawahlrecht habe das Gericht erneut bestätigt, dass eine Sperrklausel ge-
rechtfertigt sein könne, wenn Verhältnisse wie auf nationaler Ebene gegeben sind, wo die Bildung einer
stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Unterstützung nötig
sei (ebd. Rn. 72).

Angesichts der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei der Wahlgesetzgeber verfas-
sungsrechtlich nicht daran gehindert, bei der Verteilung der zu vergebenden Sitze auf die Landeslisten bei der
Bundestagswahl grundsätzlich nur die Parteien zu berücksichtigen, die mindestens fünf Prozent der im Wahl-
gebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten haben (§ 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Ab-
satz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG). Es sei ihm mit anderen Worten von Verfassungs wegen unbenommen,
gültige Zweitstimmen, die auf Landeslisten von Parteien entfallen sind, die nicht die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben, zwar für die Ergebnisfeststellung als relevant zu werten (§ 42 BWG), nicht
aber für die Sitzverteilung. Der Wahlgesetzgeber dürfe also ohne Verstoß gegen Bundesverfassungsrecht alle
zu vergebenden Parlamentssitze auf die Landeslisten derjenigen Parteien verteilen, die die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben.

Im Interesse der Handlungsfähigkeit des Deutschen Bundestages habe der Wahlgesetzgeber bisher an der auf
das gesamte Wahlgebiet bezogenen Fünf-Prozent-Sperrklausel, die seit der Wahl zum 2. Deutschen Bundes-
tag 1953 gilt, festgehalten. Denn eine Wahl habe – wie das Bundesverfassungsgericht betone (vgl. BVerfGE
51, 222 [236]) – „nicht nur das Ziel, eine Volksvertretung zu schaffen, die ein Spiegelbild der in der Wähler-
schaft vorhandenen politischen Meinungen darstellt, sondern sie soll auch ein funktionsfähiges Organ her-
vorbringen.“ Hierfür seien „(k)lare und ihrer Verantwortung für das Gesamtwohl bewusste Mehrheiten in
einer Volksvertretung (…) für eine Bewältigung der ihr gestellten Aufgaben unentbehrlich“, die durch einen
unbegrenzten Proporz nicht gewährleistet sind.

2. Zwar könne nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die verfassungsrechtliche Rechtfer-
tigung einer die Wahlgleichheit berührenden Norm des Wahlrechts wie eine Sperrklauselregelung durch ver-
änderte Verhältnisse oder neue Entwicklungen – etwa durch eine Änderung der vom Gesetzgeber vorausge-
setzten tatsächlichen oder normativen Grundlagen oder wenn sich die beim Erlass der Norm hinsichtlich ihrer
Auswirkungen angestellte Prognose als irrig erwiesen habe – in Frage gestellt werden (BVerfGE 82, 322
[338 f.]; 120, 82 [108]; 129, 300 [321 f.]; Urteil vom 26. Februar 2014, Az. 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 56). Dies
sei im Hinblick auf die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen jedoch nicht der Fall.

Eine Änderung der normativen Grundlagen für die Beurteilung der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundes-
tagswahlen, die das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung als verfassungsgemäß angesehen
habe, sei nicht festzustellen. Insbesondere führten das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
9. November 2011 zur Verfassungswidrigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen (BVerfGE
129, 300) und sein Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Sperrklausel im
Europawahlgesetz (2 BvE 2/13 u. a.) nicht zu einer abweichenden Bewertung. Das Bundesverfassungsgericht
begründe die Verfassungswidrigkeit der Sperrklauseln bei Europawahlen in diesen Urteilen mit der besonde-
ren Stellung und Funktion des Europäischen Parlaments im Gefüge der Organe der Europäischen Union, wo
eine vergleichbare Interessenlage wie bei der Bundestagswahl nicht bestehe (BVerfGE 129, 300 [336]). Auch
in seinem Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Klausel im Europawahl-
gesetz halte das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich an der gefestigten Rechtsprechung zum verfassungs-
rechtlichen Maßstab für die Beurteilung wahlrechtlicher Sperrklauseln fest und lege – wie es mehrfach beto-
ne – seinem Urteil die gleichen Prüfungsmaßstäbe wie im Urteil vom 9. November 2011 zugrunde (Az. 2
BvE 2/13 u. a., Rn. 37, 45, 63). In beiden Urteilen weise das Gericht zudem darauf hin, dass bei der Bundes-
tagswahl – anders als bei der Europawahl – der Deutsche Bundestag im Falle einer eintretenden Funktionsbe-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 223 – Drucksache 18/1810

einträchtigung aufgrund seiner veränderten strukturellen Zusammensetzung nicht mehr in der Lage wäre, die
gesetzlichen Regelungen zur Sicherung seiner Funktionsfähigkeit zu ändern, weil die erforderliche Mehrheit
nicht mehr zustande käme (BVerfGE 129, 300 [324]; Urteil vom 26. Februar 2014, 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 58).

3. Auch in tatsächlicher Hinsicht erfordere das Wahlergebnis der Bundestagswahl 2013, bei der zwei Parteien
mit einem Stimmenanteil von 4,8 Prozent bzw. 4,7 Prozent der Zweitstimmen vergleichsweise knapp an der
Fünf-Prozent-Klausel gescheitert seien, keine Neubewertung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der
Klausel. Der Gesetzgeber habe sich für die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen entschieden und
diese bis heute beibehalten, um in Konstellationen, in denen eine oder mehrere Parteien weniger als fünf
Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, die Funktionsfähigkeit des Bundestages sicherzustellen. Wenn eine
solche Konstellation bei einer Wahl – wie nun der Bundestagswahl 2013 – tatsächlich auftrete, liege gerade
nicht der Fall vor, dass sich eine Prognose des Gesetzgebers als irrig erwiesen habe oder dass eine Änderung
der vom Gesetzgeber vorausgesetzten tatsächlichen Verhältnisse eingetreten sei, sondern es habe sich ledig-
lich ein Szenario realisiert, das der Gesetzgeber mit seiner Regelung von vornherein habe erfassen wollen.
Auch das Bundesverfassungsgericht habe die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen in Kenntnis
des Umstands, dass an ihr nicht nur Parteien mit einem niedrigen Stimmenanteil zwischen null und zwei
Prozent der Zweitstimmen, sondern auch Parteien mit einem Stimmenanteil knapp unter fünf Prozent schei-
tern können, in ständiger Rechtsprechung als verfassungsmäßig angesehen (siehe die Nachweise unter 1.).

Die bei der Bundestagswahl 2013 aufgetretene hohe Gesamtzahl von abgegebenen gültigen Zweitstimmen
für Parteien, die die Fünf-Prozent-Sperrklausel nicht überwunden haben, sei kein Grund, das Vorliegen ver-
änderter Verhältnisse bzw. neuer Entwicklungen anzunehmen, die eine Neubewertung der verfassungsrecht-
lichen Zulässigkeit der Sperrklausel erforderten. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Sperrklausel sei
nicht von der Gesamtzahl der Stimmen für diejenigen Parteien abhängig, die die Sperrklausel bei einer ein-
zelnen Wahl nicht überwinden. Die Sperrklausel rechtfertige sich vielmehr durch den mit ihr verfolgten ver-
fassungsrechtlich legitimen Zweck, die Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages sicherzustellen (siehe
die Nachweise unter 1.). Sie erfülle ihren Zweck gerade dann, wenn viele an der Wahl teilnehmende Parteien
die Sperrklausel nicht überwinden, aber ohne Sperrklausel Sitze im Parlament erlangt hätten, da auf diese
Weise eine die stabile Mehrheitsbildung gefährdende Zersplitterung des Bundestages vermieden werde.

4. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel stehe nicht entgegen, dass eine
hohe Zahl von Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die aufgrund der Sperrklausel nicht an der Sitzvertei-
lung teilnehmen, eine absolute Mehrheit der Sitze für Parteien ermögliche, die bei der Wahl deutlich weniger
als der Hälfte der Stimmen erreicht haben. Das Erreichen einer Mehrheit der Sitze im Parlament sei immer
mit weniger als der Hälfte der gültigen Zweitstimmen möglich. Denn auch ohne Sperrklausel erhalte nicht
jede Partei, für die bei der Wahl gültige Stimmen abgegeben wurden, automatisch einen Sitz. Da für einen
Sitz auch ohne Sperrklausel stets eine bestimmte Zahl von Stimmen erforderlich sei, führten nicht alle Stim-
men zu einem Sitzerfolg und darum weniger als 50 Prozent der gültigen Zweitstimmen zu einer Mehrheit der
Sitze. Ein Verfassungsrechtssatz des Inhalts, dass einer Mehrheit der Mitglieder des Bundestages notwendi-
gerweise eine Mehrheit der Zweitstimmen in der Bundestagswahl entsprechen müsse, sei nicht feststellbar.
Wenn aber eine Partei in einer Wahl eine absolute Mehrheit der Zweitstimmen erhalte, sei gesichert, dass auf
sie mehr als die Hälfte der Sitze entfalle (§ 6 Absatz 7 BWG).

5. Gegen die Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht vorgebracht werden, sie verhindere bzw. erschwere
in übermäßiger Weise die Entstehung oder Etablierung neuer Parteien und schränke dadurch in unzulässiger
Weise die Chancengleichheit der Parteien ein. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Chancengleichheit
der Parteien verlange nicht, dass jeder Partei, die bei der Bundestagswahl Stimmen erhalte, Sitze im Bundes-
tag garantiert seien. Jede Partei habe rechtlich die gleiche Chance auf Teilnahme an der Sitzverteilung bei
Überwindung der Sperrklausel. Wenn eine Partei die für alle geltende Sperrklausel nicht überwinde, so sei
dies Resultat zu geringer Zustimmung in der Wählerschaft und gerade nicht ungleicher Chancen, denn die
unterschiedliche Gewichtung des Erfolgswerts von Wahlstimmen durch eine Sperrklausel treffe alle Parteien
gleichermaßen (vgl. BVerfGE 82, 322 [345]).

Dass die Fünf-Prozent-Sperrklausel die Entstehung und Etablierung neuer Parteien nicht verhindere oder
übermäßig erschwere, zeige der Einzug in die Parlamente auch neuer Parteien in den vergangenen Jahren bei
Bundestagswahlen und Landtagswahlen, bei denen nach Landesrecht ebenfalls Fünf-Prozent-Sperrklauseln
bestünden. Die Sperrklauseln trügen zu einem Mindestmaß an Konsolidierung neuer Parteien bei, indem sie
eine funktionierende Organisation und eine hinreichende Kampagnenfähigkeit der Partei erforderlich mach-

Drucksache 18/1810 – 224 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

ten, um einen erfolgreichen Wahlkampf zu führen, der den Einzug ins Parlament ermögliche. Auch das Bun-
desverfassungsgericht sehe in ständiger Rechtsprechung in der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestags-
wahlen keinen verfassungswidrigen Eingriff in die Chancengleichheit der Parteien (siehe die Nachweise un-
ter 1.).

6. Die Fünf-Prozent-Sperrklausel habe nicht zur Folge, dass die Parteien, die die Sperrklausel überwunden
haben und deshalb an der Sitzverteilung teilnehmen, von den Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die an
der Sperrklausel gescheitert sind und somit nicht an der Sitzverteilung teilnehmen, profitierten und die Wäh-
ler bei der Stimmabgabe nicht erkennen könnten, welche Partei letztlich tatsächlich von ihrer Zweitstimme
profitiere. Von der Zweitstimme für eine Partei profitiere stets die Partei, für die die Stimme abgegeben wor-
den sei. Wenn eine Partei aufgrund eines zur Überwindung der Sperrklausel nicht ausreichenden Zuspruchs
in der Wählerschaft nicht an der Sitzverteilung teilnehme, würden die zu vergebenden Sitze auf die Parteien
verteilt, die die Sperrklausel überwunden haben. Diese Parteien profitierten bei dieser Verteilung von den für
sie abgegebenen Zweitstimmen, nicht von den Zweitstimmen für die an der Sperrklausel gescheiterten Partei-
en, die wegen Nichtteilnahme an der Sitzverteilung zu keinem Sitzerfolg führten.

7. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht entgegengehalten
werden, der Umstand, dass aufgrund der Sperrklausel eine hohe Zahl von Stimmen bei der Sitzverteilung
unberücksichtigt bleibe, befördere die Politikverdrossenheit der Wahlberechtigten. Unabhängig davon, ob
dies tatsächlich der Fall sei, habe sich der Gesetzgeber dazu entschieden, der Sicherung der Funktionsfähig-
keit des Parlaments Vorrang vor derartigen Erwägungen einzuräumen. Das Bundesverfassungsgericht erachte
dies in ständiger Rechtsprechung für verfassungsrechtlich zulässig (siehe die Nachweise unter 1.). Ein wegen
Zersplitterung in kleine und kleinste Fraktionen nicht mehrheits- und handlungsfähiges Parlament, das zur
Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nicht in der Lage sei, wäre zudem in weit höherem Maße geeignet, Politikverdrossenheit zu för-
dern.

8. Aufgrund der verfassungskonformen Ausgestaltung der Fünf-Prozent-Sperrklausel im geltenden Bundes-
wahlgesetz sei der Wahlgesetzgeber auch nicht zur Einführung einer Alternativstimme („Eventualstimme“,
„Ersatzstimme“ bzw. „Stimmweitergabe-Option“) verpflichtet. Ergänzend sei darauf verwiesen, dass im
Schrifttum gegen die Einführung einer solchen Alternativstimme verfassungsrechtliche Bedenken geltend
gemacht würden: Eine Alternativstimme sei mit dem Charakter der Stimmabgabe als einer vorbehaltlosen
und bedingungsfeindlichen Willenserklärung nicht zu vereinbaren und verstoße daher gegen den Grundsatz
der Unmittelbarkeit der Wahl im Sinne des Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) und gegen
das Demokratieprinzip nach Artikel 20 Absatz 1 GG (so Strelen, in: Schreiber, Bundeswahlgesetz, 9. Auflage
2013, § 6 Rn. 37 sowie Schreiber, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: 43. Lfg.
April 2014, Art. 38 Rn. 40, 132). Überdies wäre die Gewährung einer Alternativstimme auch keine verfas-
sungspolitisch angezeigte Fortentwicklung des Wahlrechts. Sie würde das Stimmabgabeverfahren verkompli-
zieren, die Ermittlung des Wahlergebnisses wesentlich erschweren und verzögern und den Wähler von einer
eindeutigen politischen Entscheidung ohne Vorbehalt und Rückfallposition entpflichten (vgl. im Einzelnen
hierzu Strelen, in: Schreiber, § 6 Rn. 37).

9. Die Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Klausel sei schließlich auch nicht davon abhängig, dass Par-
teien, die jeweils mit einer eigenen Liste an der Bundestagswahl teilnehmen, ihre Landeslisten verbinden
dürften, um als Zählgemeinschaft die Sperrklausel zu überwinden. Derartige Listenverbindungen verschiede-
ner Parteien bei der Bundestagswahl seien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wegen
Verstoßes gegen den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit der Parteien verfas-
sungswidrig (BVerfGE 82, 322 [345 f.]). Eine derartige Listenverbindung würde allein dem Zweck dienen,
die verfassungslegitime Zielsetzung einer Fünf-Prozent-Sperrklausel, die Verhinderung einer Zersplitterung
des Parlaments, zu umgehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet. Dem Vortrag der Einspruchsführer lässt sich kein Verstoß ge-
gen Wahlrechtsvorschriften und damit kein Wahlfehler entnehmen.

1. Soweit die Einspruchsführer kritisieren, dass die (in § 1 Absatz 1 Satz 2, § 4 und § 6 BWG vorgesehene)
Verhältniswahl eine Parteien- bzw. Listenwahl ist, und sie dies für verfassungswidrig halten, ist darauf hin-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 225 – Drucksache 18/1810

zuweisen, dass der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in ständiger Praxis im Rahmen eines
Wahlprüfungsverfahrens die Verfassungsmäßigkeit der für die Wahl geltenden Rechtsvorschriften nicht
überprüfen. Eine derartige Kontrolle ist stets dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten worden (vgl. etwa
Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlagen 26 bis 28 mit weiteren Nachweisen; 17/1000, Anlagen 5 und 11;
17/2200, Anlagen 1, 13 bis 15, 17 bis 20, 23 und 24; 17/3100, Anlagen 15, 19, 20, 22 bis 30, 32, 34 bis 36;
17/4600, Anlagen 10, 12, 13, 32, 38, 40 bis 43 mit weiteren Nachweisen; 17/6300, Anlage 19). Unabhängig
davon sind die Bedenken der Einspruchsführer unbegründet. Davon abgesehen, dass Artikel 21 Absatz 1 GG
den Parteien eine Mitwirkung bei der politischen Willensbildung des Volkes zuschreibt – was offenbar auch
die Einspruchsführer nicht in Gänze ablehnen –, ist die Listenwahl verfassungsrechtlich zulässig. Dies gilt
nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und ebenso ständiger Spruchpraxis des Wahl-
prüfungsausschusses auch für die Wahl der Listenbewerber nach sog. starren Listen gemäß § 27 Absatz 3
BWG (vgl. vgl. BVerfGE 3, 45 [50 f.]; 7, 63 [67 ff.]; 21, 355 [355 f.]; 47, 253 [283]; 122, 304 [314]; Bundes-
tagsdrucksachen 15/1850, Anlagen 9, 16, 31 und 34; 17/3100, Anlage 34; 17/6300, Anlage 35). Diese Rege-
lung verstößt nicht gegen die in Artikel 38 Absatz 1 GG niedergelegten Wahlgrundsätze, namentlich nicht
gegen den Grundsatz der unmittelbaren oder der gleichen Wahl. Denn die Zurechnung der abgegebenen
Wählerstimmen auf die einzelnen Wahlvorschläge vollzieht sich von der Stimmabgabe an ohne Zwischen-
schaltung eines von dem der Wähler abweichenden Willens (vgl. Hahlen, in: Schreiber, § 27 Rn. 4). Auch
lässt sich dem Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit nicht entnehmen, dass einem Wähler, der eine Präferenz
für einen bestimmten Kandidaten hat, die Möglichkeit eröffnet werden müsste, die Zweitstimme (nur) für
diesen Listenbewerber abzugeben (Hahlen, in: Schreiber, § 27 Rn. 12). Dies ist sachgerecht, denn im Gegen-
satz zur Erststimmenwahl, bei der die Wahlkreisbewerber im Vordergrund der Wahlentscheidung stehen,
kommt es bei der Landeslistenwahl nach dem gesetzgeberischen Grundgedanken für den Wähler entschei-
dend auf die von ihm favorisierte – durch eine bestimmte Partei vertretene – politische Programmatik an, für
deren Repräsentation die auf der Liste nominierten Bewerber ein Wählermandat anstreben (vgl. Strelen, in:
Schreiber, § 4 Rn. 3).

Überdies sind die Vorstellung der Einspruchsführer zur Wahlteilnahme von Parteien unzutreffend. Naturge-
mäß können nur natürliche Personen Abgeordnete sein. Nur sie sind daher gemäß Artikel 38 Absatz 2 GG
und § 15 BWG wählbar. Nicht die Parteien, sondern die von ihnen vorgeschlagenen Kandidaten können ge-
wählt werden. Dies ergibt sich prinzipiell aus § 18 BWG. Während Landeslisten gemäß § 27 BWG nur von
Parteien eingereicht werden können, können Kreiswahlvorschläge (für das Direktmandat) gemäß § 20 Absatz
3 BWG auch von parteiunabhängigen Einzelbewerbern eingereicht werden, sofern sie 200 Unterstützungsun-
terschriften einreichen. Die hohe Bedeutung der Parteien für die Vorschläge ergibt sich aus Artikel 21 Absatz
1 Satz 1 GG, wonach die Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes mitwirken. Die Demokratie
des Grundgesetzes ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine Mehrparteiende-
mokratie (vgl. etwa BVerfGE 2, 1 [13]; 5, 85 [224]).

2. Die Einspruchsführer bestreiten nicht, dass das Verfahren zur Auszählung der Stimmen und zur Verteilung
der Sitze auf die Landeslisten der Parteien bei der Bundestagswahl 2013 den Vorgaben des Bundeswahlge-
setzes entsprach. Dieses regelt in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1,
dass bei der Verteilung der Sitze auf die Landeslisten nur Parteien berücksichtigt werden, die mindestens fünf
Prozent der im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten oder in mindestens drei Wahlkrei-
sen einen Sitz errungen haben. Soweit die Einspruchsführer geltend machen, die Sperrklausel verstoße gegen
den Grundsatz der Wahlgleichheit und sei daher verfassungswidrig, ist erneut darauf hinzuweisen, dass der
Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsver-
fahrens die Verfassungsmäßigkeit der für die Wahl geltenden Rechtsvorschriften nicht überprüfen und eine
derartige Kontrolle stets dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten wurde. Allerdings hat der Wahlprü-
fungsausschuss schon in zahlreichen Wahlprüfungsentscheidungen früherer Wahlperioden keinen Anlass für
Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Klausel gesehen (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen
15/1850, Anlagen 9 und 47; 16/900, Anlage 14), zumal das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmä-
ßigkeit der Sperrklausel in ihrer Ausgestaltung durch das Bundeswahlgesetz in ständiger Rechtsprechung
bestätigt hat (vgl. BVerfGE 1, 208 [247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.];
95, 335 [366]; 95, 408 [417 ff.]; 120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.], siehe auch Bundes-
tagsdrucksache 16/900, Anlage 14). Es ist folglich verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass alle Par-
lamentssitze auf diejenigen Parteien verteilt werden, welche die Fünf-Prozent-Hürde überwunden haben.
Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Sperrklausel durch veränderte Ver-
hältnisse infrage gestellt werden. Dies ist bezüglich der Bundestagswahl 2013 aber nicht der Fall, wie das

Drucksache 18/1810 – 226 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Bundesministerium des Innern – auch unter Bezugnahme auf die Urteile vom 9. November 2011 und
26. Februar 2014 – in seiner Stellungnahme zutreffend feststellt: Dass nach dem amtlichen Endergebnis der
Bundestagswahl 2013 insgesamt 15,7 Prozent der gültigen Zweitstimmen nicht in die Mandatsverteilung
eingeflossen sind, weil sie für insgesamt 25 Parteien abgegeben wurden, die bundesweit weniger als fünf
Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, ändert nichts an der vom Bundesverfassungsgericht festgestellten
Verfassungskonformität der Fünf-Prozent-Hürde. Zwar war der Anteil der gültigen, aber wegen der Sperr-
klausel nicht in die Sitzverteilung eingeflossenen Zweitstimmen bei der Bundestagswahl 2013 höher als bei
früheren Bundestagswahlen, da – anders als bei vorhergehenden Wahlen – zwei Parteien jeweils fast fünf
Prozent und zudem 23 weitere Parteien insgesamt 6,2 Prozent (für sich genommen aber teilweise weniger als
0,1 Prozent) erreicht haben. Jedoch ist dieser Umstand nicht atypisch oder zuvor unbekannt gewesen. Es ist
zudem durchaus möglich, dass er bei kommenden Bundestagswahlen mit anderen Wahlergebnissen nicht
(mehr) auftritt. Der Einzug neuer Parteien in den Deutschen Bundestag wird, wie Beispiele aus der Geschich-
te der Bundesrepublik zeigen, ohnehin nicht durch die Sperrklausel verhindert. Außerdem ist die Fünf-
Prozent-Hürde auf das jeweilige Ergebnis einer jeden Partei bezogen. Nur die konkrete Stimmenzahl jeder
Partei kann der Ausgangspunkt der Sitzverteilung auf die Landeslisten sein (vgl. § 6 Absatz 1 BWG) – übri-
gens auch dann, wenn man gedanklich die Sperrklausel streicht oder eine niedrigere Sperrklausel ansetzt –;
erst im zweiten Schritt ist die Stimmenzahl einer jeden Partei in Relation zu den Stimmenanteilen der anderen
Parteien zu setzen (vgl. § 6 Absätze 2 bis 7 BWG). Die gedankliche Addition von Zweitstimmenanteilen
kann folglich für die Fünf-Prozent-Hürde keine Aussagekraft beanspruchen.

3. Soweit die Einspruchsführer den vollständigen Ausgleich von Überhangmandaten kritisieren, ist zunächst
festzuhalten, dass Überhangmandate im früheren Rechtssinne seit dem Inkrafttreten des 22. Gesetzes zur
Änderung des Bundeswahlgesetzes vom 3. Mai 2013 (Bundesgesetzblatt I S. 1082) nicht mehr existieren.
Stattdessen sind nach § 6 BWG n. F. nur noch Ausgleichsmandate möglich. Die Kritik des Einspruchsführers
an den Ausgleichsmandaten bleibt pauschal. Gleichwohl ist festzuhalten, dass die Normen – eingedenk des
oben erwähnten Prüfungsumfanges des Deutschen Bundestages – verfassungskonform sind. Sie entsprechen
dem Gestaltungsspielraum, den Artikel 38 Absatz 3 GG demWahlgesetzgeber einräumt.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 227 – Drucksache 18/1810

Anlage 34

Beschlussempfehlung

ZumWahleinspruch

der Frau L. Z., 16225 Eberswalde,

– Az.: WP 151/13 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag
am 22. September 2013

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 26. Juni 2014 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Die Einspruchsführerin hat mit einem Schreiben vom 15. November 2013 Einspruch gegen die Gültigkeit der
Wahl zum 18. Deutschen Bundestag am 22. September 2013 eingelegt.

Sie wendet sich gegen die Listenwahl, die Fünf-Prozent-Klausel und Ausgleichsmandate.

1. Die Verhältniswahl sei eine Parteienwahl. Sie verstoße gegen die Verfassungsvorgabe der Unmittelbarkeit
der Wahl. Parteien dürften nicht als „Sitzverteilerorgan“ zwischen Wähler und Mandat treten. Der Bürger
wisse nicht, welcher natürlichen Person von den vielen auf der Landesliste stehenden Kandidaten er seine
Stimme gebe. Die Annahme, die „Staatsgewaltübertragung“ eines Bürgers durch die Wahl einer Partei bzw.
Landesliste richte sich auf die auf der Liste aufgeführten Personen, sei aus den vorgenannten Gründen eine
irrationale und verfassungswidrige Fiktion. Zudem seien Parteien bzw. Landeslisten „selbst nach dem verfas-
sungswidrigen Wahlgesetz“ nicht wählbar, da § 15 Absatz 1 des Bundeswahlgesetzes (BWG) die Wählbar-
keit nur Deutschen zuspreche, die das 18. Lebensjahr vollendet haben.

2. Die Fünf-Prozent-Klausel verstoße gegen das Verfassungsgebot der Wahlgleichheit. Bei der angegriffenen
Bundestagswahl seien über 6,8 Millionen Stimmen, also 15,7 Prozent der abgegebenen Stimmen, nicht ge-
wertet worden. Der politische Gestaltungswille immerhin etwa jedes sechsten Wählers finde in dem neuen
Deutschen Bundestag keine Vertretung und kein Sprachrohr, das bei Debatten und Gesetzesberatungen ge-
hört würde. Es sei mit dem Grundgesetz nicht zu rechtfertigen, dass bei der Sitzverteilung willkürlich nur
Stimmen für die Parteien berücksichtigt würden, die einen vorher festgelegten Stimmenanteil erhielten. Die
Wählerstimmen für „Schwarz, Rot, Grün“ erlangten einen Bonus, den sich diese politischen Parteien vorher
mit dem Bundeswahlgesetz selbst zugesprochen hätten. Das sei ungerecht und verstoße auch gegen das Dis-
kriminierungsverbot, das Minderheiten schützen solle. Es wirke aber auch demokratiezerstörend, da ausge-
rechnet die Kleinparteien, die als einzige neue Gedanken und einen bislang nicht vertretenen Wählerwillen
zum Ausdruck bringen könnten, durch den reinen Machtspruch der Etablierten von der Gesetzgebung für das
Volk ausgeschlossen würden. Eine Absenkung der Fünf-Prozent-Klausel auf eine geringere Prozentzahl helfe
nicht. Es gebe keine Sperrklausel, die nicht verfassungswidrig sei.

3. Mit dem vollständigen Ausgleich aller Überhangmandate sei die Alleinherrschaft legitimationsloser, belie-
big austauschbarer „Parteifunktionäre“ ohne Persönlichkeit, Grundsätze und Kenntnisse zementiert. Zugleich
werde das einzig verfassungsgemäße Element der Bundestagswahl, die Direktwahl der Wahlkreisabgeordne-
ten, in die Bedeutungslosigkeit „hinabreglementiert“. Die Direktmandatsinhaber könnten die über die Liste
gewählten Abgeordneten wegen deren großer Zahl nicht überstimmen.

Wegen der Einzelheiten des Vortrages der Einspruchsführerin wird auf den Inhalt der Akten Bezug genom-
men.

Das Bundesministerium des Innern hat zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-
Sperrklausel am 16. Juni 2014 wie folgt Stellung genommen:

Drucksache 18/1810 – 228 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

1. Das Bundesverfassungsgericht erachte in ständiger Rechtsprechung bei Wahlen zum Deutschen Bundestag
die heute in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG vorgesehene, auf
das gesamte Wahlgebiet bezogene Fünf-Prozent-Sperrklausel für verfassungsgemäß (vgl. BVerfGE 1, 208
[247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366]; 95, 408 [417 ff.];
120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.]). Zuletzt habe das Gericht in seinem Urteil vom
9. Januar 2011 zur Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen entschieden, dass die Fünf-Prozent-
Sperrklausel bei der Wahl zum Deutschen Bundestag ihre Rechtfertigung im Wesentlichen darin finde, dass
die Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende
Unterstützung nötig sei und dieses Ziel durch die Zersplitterung des Parlaments in viele kleine Gruppen ge-
fährdet werde (BVerfGE 129, 300 [335 f.]). In der Entscheidung vom 26. Februar 2014 (2 BvE 2/13 u. a.) zur
Drei-Prozent-Sperrklausel im Europawahlrecht habe das Gericht erneut bestätigt, dass eine Sperrklausel ge-
rechtfertigt sein könne, wenn Verhältnisse wie auf nationaler Ebene gegeben sind, wo die Bildung einer
stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Unterstützung nötig
sei (ebd. Rn. 72).

Angesichts der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei der Wahlgesetzgeber verfas-
sungsrechtlich nicht daran gehindert, bei der Verteilung der zu vergebenden Sitze auf die Landeslisten bei der
Bundestagswahl grundsätzlich nur die Parteien zu berücksichtigen, die mindestens fünf Prozent der im Wahl-
gebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten haben (§ 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Ab-
satz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG). Es sei ihm mit anderen Worten von Verfassungs wegen unbenommen,
gültige Zweitstimmen, die auf Landeslisten von Parteien entfallen sind, die nicht die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben, zwar für die Ergebnisfeststellung als relevant zu werten (§ 42 BWG), nicht
aber für die Sitzverteilung. Der Wahlgesetzgeber dürfe also ohne Verstoß gegen Bundesverfassungsrecht alle
zu vergebenden Parlamentssitze auf die Landeslisten derjenigen Parteien verteilen, die die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben.

Im Interesse der Handlungsfähigkeit des Deutschen Bundestages habe der Wahlgesetzgeber bisher an der auf
das gesamte Wahlgebiet bezogenen Fünf-Prozent-Sperrklausel, die seit der Wahl zum 2. Deutschen Bundes-
tag 1953 gilt, festgehalten. Denn eine Wahl habe – wie das Bundesverfassungsgericht betone (vgl. BVerfGE
51, 222 [236]) – „nicht nur das Ziel, eine Volksvertretung zu schaffen, die ein Spiegelbild der in der Wähler-
schaft vorhandenen politischen Meinungen darstellt, sondern sie soll auch ein funktionsfähiges Organ her-
vorbringen.“ Hierfür seien „(k)lare und ihrer Verantwortung für das Gesamtwohl bewusste Mehrheiten in
einer Volksvertretung (…) für eine Bewältigung der ihr gestellten Aufgaben unentbehrlich“, die durch einen
unbegrenzten Proporz nicht gewährleistet sind.

2. Zwar könne nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die verfassungsrechtliche Rechtfer-
tigung einer die Wahlgleichheit berührenden Norm des Wahlrechts wie eine Sperrklauselregelung durch ver-
änderte Verhältnisse oder neue Entwicklungen – etwa durch eine Änderung der vom Gesetzgeber vorausge-
setzten tatsächlichen oder normativen Grundlagen oder wenn sich die beim Erlass der Norm hinsichtlich ihrer
Auswirkungen angestellte Prognose als irrig erwiesen habe – in Frage gestellt werden (BVerfGE 82, 322
[338 f.]; 120, 82 [108]; 129, 300 [321 f.]; Urteil vom 26. Februar 2014, Az. 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 56). Dies
sei im Hinblick auf die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen jedoch nicht der Fall.

Eine Änderung der normativen Grundlagen für die Beurteilung der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundes-
tagswahlen, die das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung als verfassungsgemäß angesehen
habe, sei nicht festzustellen. Insbesondere führten das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
9. November 2011 zur Verfassungswidrigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen (BVerfGE
129, 300) und sein Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Sperrklausel im
Europawahlgesetz (2 BvE 2/13 u. a.) nicht zu einer abweichenden Bewertung. Das Bundesverfassungsgericht
begründe die Verfassungswidrigkeit der Sperrklauseln bei Europawahlen in diesen Urteilen mit der besonde-
ren Stellung und Funktion des Europäischen Parlaments im Gefüge der Organe der Europäischen Union, wo
eine vergleichbare Interessenlage wie bei der Bundestagswahl nicht bestehe (BVerfGE 129, 300 [336]). Auch
in seinem Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Klausel im Europawahl-
gesetz halte das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich an der gefestigten Rechtsprechung zum verfassungs-
rechtlichen Maßstab für die Beurteilung wahlrechtlicher Sperrklauseln fest und lege – wie es mehrfach beto-
ne – seinem Urteil die gleichen Prüfungsmaßstäbe wie im Urteil vom 9. November 2011 zugrunde (Az. 2
BvE 2/13 u. a., Rn. 37, 45, 63). In beiden Urteilen weise das Gericht zudem darauf hin, dass bei der Bundes-
tagswahl – anders als bei der Europawahl – der Deutsche Bundestag im Falle einer eintretenden Funktionsbe-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 229 – Drucksache 18/1810

einträchtigung aufgrund seiner veränderten strukturellen Zusammensetzung nicht mehr in der Lage wäre, die
gesetzlichen Regelungen zur Sicherung seiner Funktionsfähigkeit zu ändern, weil die erforderliche Mehrheit
nicht mehr zustande käme (BVerfGE 129, 300 [324]; Urteil vom 26. Februar 2014, 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 58).

3. Auch in tatsächlicher Hinsicht erfordere das Wahlergebnis der Bundestagswahl 2013, bei der zwei Parteien
mit einem Stimmenanteil von 4,8 Prozent bzw. 4,7 Prozent der Zweitstimmen vergleichsweise knapp an der
Fünf-Prozent-Klausel gescheitert seien, keine Neubewertung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der
Klausel. Der Gesetzgeber habe sich für die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen entschieden und
diese bis heute beibehalten, um in Konstellationen, in denen eine oder mehrere Parteien weniger als fünf
Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, die Funktionsfähigkeit des Bundestages sicherzustellen. Wenn eine
solche Konstellation bei einer Wahl – wie nun der Bundestagswahl 2013 – tatsächlich auftrete, liege gerade
nicht der Fall vor, dass sich eine Prognose des Gesetzgebers als irrig erwiesen habe oder dass eine Änderung
der vom Gesetzgeber vorausgesetzten tatsächlichen Verhältnisse eingetreten sei, sondern es habe sich ledig-
lich ein Szenario realisiert, das der Gesetzgeber mit seiner Regelung von vornherein habe erfassen wollen.
Auch das Bundesverfassungsgericht habe die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen in Kenntnis
des Umstands, dass an ihr nicht nur Parteien mit einem niedrigen Stimmenanteil zwischen null und zwei
Prozent der Zweitstimmen, sondern auch Parteien mit einem Stimmenanteil knapp unter fünf Prozent schei-
tern können, in ständiger Rechtsprechung als verfassungsmäßig angesehen (siehe die Nachweise unter 1.).

Die bei der Bundestagswahl 2013 aufgetretene hohe Gesamtzahl von abgegebenen gültigen Zweitstimmen
für Parteien, die die Fünf-Prozent-Sperrklausel nicht überwunden haben, sei kein Grund, das Vorliegen ver-
änderter Verhältnisse bzw. neuer Entwicklungen anzunehmen, die eine Neubewertung der verfassungsrecht-
lichen Zulässigkeit der Sperrklausel erforderten. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Sperrklausel sei
nicht von der Gesamtzahl der Stimmen für diejenigen Parteien abhängig, die die Sperrklausel bei einer ein-
zelnen Wahl nicht überwinden. Die Sperrklausel rechtfertige sich vielmehr durch den mit ihr verfolgten ver-
fassungsrechtlich legitimen Zweck, die Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages sicherzustellen (siehe
die Nachweise unter 1.). Sie erfülle ihren Zweck gerade dann, wenn viele an der Wahl teilnehmende Parteien
die Sperrklausel nicht überwinden, aber ohne Sperrklausel Sitze im Parlament erlangt hätten, da auf diese
Weise eine die stabile Mehrheitsbildung gefährdende Zersplitterung des Bundestages vermieden werde.

4. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel stehe nicht entgegen, dass eine
hohe Zahl von Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die aufgrund der Sperrklausel nicht an der Sitzvertei-
lung teilnehmen, eine absolute Mehrheit der Sitze für Parteien ermögliche, die bei der Wahl deutlich weniger
als der Hälfte der Stimmen erreicht haben. Das Erreichen einer Mehrheit der Sitze im Parlament sei immer
mit weniger als der Hälfte der gültigen Zweitstimmen möglich. Denn auch ohne Sperrklausel erhalte nicht
jede Partei, für die bei der Wahl gültige Stimmen abgegeben wurden, automatisch einen Sitz. Da für einen
Sitz auch ohne Sperrklausel stets eine bestimmte Zahl von Stimmen erforderlich sei, führten nicht alle Stim-
men zu einem Sitzerfolg und darum weniger als 50 Prozent der gültigen Zweitstimmen zu einer Mehrheit der
Sitze. Ein Verfassungsrechtssatz des Inhalts, dass einer Mehrheit der Mitglieder des Bundestages notwendi-
gerweise eine Mehrheit der Zweitstimmen in der Bundestagswahl entsprechen müsse, sei nicht feststellbar.
Wenn aber eine Partei in einer Wahl eine absolute Mehrheit der Zweitstimmen erhalte, sei gesichert, dass auf
sie mehr als die Hälfte der Sitze entfalle (§ 6 Absatz 7 BWG).

5. Gegen die Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht vorgebracht werden, sie verhindere bzw. erschwere
in übermäßiger Weise die Entstehung oder Etablierung neuer Parteien und schränke dadurch in unzulässiger
Weise die Chancengleichheit der Parteien ein. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Chancengleichheit
der Parteien verlange nicht, dass jeder Partei, die bei der Bundestagswahl Stimmen erhalte, Sitze im Bundes-
tag garantiert seien. Jede Partei habe rechtlich die gleiche Chance auf Teilnahme an der Sitzverteilung bei
Überwindung der Sperrklausel. Wenn eine Partei die für alle geltende Sperrklausel nicht überwinde, so sei
dies Resultat zu geringer Zustimmung in der Wählerschaft und gerade nicht ungleicher Chancen, denn die
unterschiedliche Gewichtung des Erfolgswerts von Wahlstimmen durch eine Sperrklausel treffe alle Parteien
gleichermaßen (vgl. BVerfGE 82, 322 [345]).

Dass die Fünf-Prozent-Sperrklausel die Entstehung und Etablierung neuer Parteien nicht verhindere oder
übermäßig erschwere, zeige der Einzug in die Parlamente auch neuer Parteien in den vergangenen Jahren bei
Bundestagswahlen und Landtagswahlen, bei denen nach Landesrecht ebenfalls Fünf-Prozent-Sperrklauseln
bestünden. Die Sperrklauseln trügen zu einem Mindestmaß an Konsolidierung neuer Parteien bei, indem sie
eine funktionierende Organisation und eine hinreichende Kampagnenfähigkeit der Partei erforderlich mach-

Drucksache 18/1810 – 230 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

ten, um einen erfolgreichen Wahlkampf zu führen, der den Einzug ins Parlament ermögliche. Auch das Bun-
desverfassungsgericht sehe in ständiger Rechtsprechung in der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestags-
wahlen keinen verfassungswidrigen Eingriff in die Chancengleichheit der Parteien (siehe die Nachweise un-
ter 1.).

6. Die Fünf-Prozent-Sperrklausel habe nicht zur Folge, dass die Parteien, die die Sperrklausel überwunden
haben und deshalb an der Sitzverteilung teilnehmen, von den Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die an
der Sperrklausel gescheitert sind und somit nicht an der Sitzverteilung teilnehmen, profitierten und die Wäh-
ler bei der Stimmabgabe nicht erkennen könnten, welche Partei letztlich tatsächlich von ihrer Zweitstimme
profitiere. Von der Zweitstimme für eine Partei profitiere stets die Partei, für die die Stimme abgegeben wor-
den sei. Wenn eine Partei aufgrund eines zur Überwindung der Sperrklausel nicht ausreichenden Zuspruchs
in der Wählerschaft nicht an der Sitzverteilung teilnehme, würden die zu vergebenden Sitze auf die Parteien
verteilt, die die Sperrklausel überwunden haben. Diese Parteien profitierten bei dieser Verteilung von den für
sie abgegebenen Zweitstimmen, nicht von den Zweitstimmen für die an der Sperrklausel gescheiterten Partei-
en, die wegen Nichtteilnahme an der Sitzverteilung zu keinem Sitzerfolg führten.

7. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht entgegengehalten
werden, der Umstand, dass aufgrund der Sperrklausel eine hohe Zahl von Stimmen bei der Sitzverteilung
unberücksichtigt bleibe, befördere die Politikverdrossenheit der Wahlberechtigten. Unabhängig davon, ob
dies tatsächlich der Fall sei, habe sich der Gesetzgeber dazu entschieden, der Sicherung der Funktionsfähig-
keit des Parlaments Vorrang vor derartigen Erwägungen einzuräumen. Das Bundesverfassungsgericht erachte
dies in ständiger Rechtsprechung für verfassungsrechtlich zulässig (siehe die Nachweise unter 1.). Ein wegen
Zersplitterung in kleine und kleinste Fraktionen nicht mehrheits- und handlungsfähiges Parlament, das zur
Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nicht in der Lage sei, wäre zudem in weit höherem Maße geeignet, Politikverdrossenheit zu för-
dern.

8. Aufgrund der verfassungskonformen Ausgestaltung der Fünf-Prozent-Sperrklausel im geltenden Bundes-
wahlgesetz sei der Wahlgesetzgeber auch nicht zur Einführung einer Alternativstimme („Eventualstimme“,
„Ersatzstimme“ bzw. „Stimmweitergabe-Option“) verpflichtet. Ergänzend sei darauf verwiesen, dass im
Schrifttum gegen die Einführung einer solchen Alternativstimme verfassungsrechtliche Bedenken geltend
gemacht würden: Eine Alternativstimme sei mit dem Charakter der Stimmabgabe als einer vorbehaltlosen
und bedingungsfeindlichen Willenserklärung nicht zu vereinbaren und verstoße daher gegen den Grundsatz
der Unmittelbarkeit der Wahl im Sinne des Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) und gegen
das Demokratieprinzip nach Artikel 20 Absatz 1 GG (so Strelen, in: Schreiber, Bundeswahlgesetz, 9. Auflage
2013, § 6 Rn. 37 sowie Schreiber, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: 43. Lfg.
April 2014, Art. 38 Rn. 40, 132). Überdies wäre die Gewährung einer Alternativstimme auch keine verfas-
sungspolitisch angezeigte Fortentwicklung des Wahlrechts. Sie würde das Stimmabgabeverfahren verkompli-
zieren, die Ermittlung des Wahlergebnisses wesentlich erschweren und verzögern und den Wähler von einer
eindeutigen politischen Entscheidung ohne Vorbehalt und Rückfallposition entpflichten (vgl. im Einzelnen
hierzu Strelen, in: Schreiber, § 6 Rn. 37).

9. Die Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Klausel sei schließlich auch nicht davon abhängig, dass Par-
teien, die jeweils mit einer eigenen Liste an der Bundestagswahl teilnehmen, ihre Landeslisten verbinden
dürften, um als Zählgemeinschaft die Sperrklausel zu überwinden. Derartige Listenverbindungen verschiede-
ner Parteien bei der Bundestagswahl seien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wegen
Verstoßes gegen den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit der Parteien verfas-
sungswidrig (BVerfGE 82, 322 [345 f.]). Eine derartige Listenverbindung würde allein dem Zweck dienen,
die verfassungslegitime Zielsetzung einer Fünf-Prozent-Sperrklausel, die Verhinderung einer Zersplitterung
des Parlaments, zu umgehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet. Dem Vortrag der Einspruchsführerin lässt sich kein Verstoß
gegen Wahlrechtsvorschriften und damit kein Wahlfehler entnehmen.

1. Soweit die Einspruchsführerin kritisiert, dass die (in § 1 Absatz 1 Satz 2, § 4 und § 6 BWG vorgesehene)
Verhältniswahl eine Parteien- bzw. Listenwahl ist, und sie dies für verfassungswidrig hält, ist darauf hinzu-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 231 – Drucksache 18/1810

weisen, dass der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in ständiger Praxis im Rahmen eines
Wahlprüfungsverfahrens die Verfassungsmäßigkeit der für die Wahl geltenden Rechtsvorschriften nicht
überprüfen. Eine derartige Kontrolle ist stets dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten worden (vgl. etwa
Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlagen 26 bis 28 mit weiteren Nachweisen; 17/1000, Anlagen 5 und 11;
17/2200, Anlagen 1, 13 bis 15, 17 bis 20, 23 und 24; 17/3100, Anlagen 15, 19, 20, 22 bis 30, 32, 34 bis 36;
17/4600, Anlagen 10, 12, 13, 32, 38, 40 bis 43 mit weiteren Nachweisen; 17/6300, Anlage 19). Unabhängig
davon sind die Bedenken der Einspruchsführerin unbegründet. Davon abgesehen, dass Artikel 21 Absatz 1
GG den Parteien eine Mitwirkung bei der politischen Willensbildung des Volkes zuschreibt – was offenbar
auch die Einspruchsführerin nicht in Gänze ablehnt –, ist die Listenwahl verfassungsrechtlich zulässig. Dies
gilt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und ebenso ständiger Spruchpraxis des
Wahlprüfungsausschusses auch für die Wahl der Listenbewerber nach sog. starren Listen gemäß § 27 Absatz
3 BWG (vgl. vgl. BVerfGE 3, 45 [50 f.]; 7, 63 [67 ff.]; 21, 355 [355 f.]; 47, 253 [283]; 122, 304 [314]; Bun-
destagsdrucksachen 15/1850, Anlagen 9, 16, 31 und 34; 17/3100, Anlage 34; 17/6300, Anlage 35). Diese
Regelung verstößt nicht gegen die in Artikel 38 Absatz 1 GG niedergelegten Wahlgrundsätze, namentlich
nicht gegen den Grundsatz der unmittelbaren oder der gleichen Wahl. Denn die Zurechnung der abgegebenen
Wählerstimmen auf die einzelnen Wahlvorschläge vollzieht sich von der Stimmabgabe an ohne Zwischen-
schaltung eines von dem der Wähler abweichenden Willens (vgl. Hahlen, in: Schreiber, § 27 Rn. 4). Auch
lässt sich dem Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit nicht entnehmen, dass einem Wähler, der eine Präferenz
für einen bestimmten Kandidaten hat, die Möglichkeit eröffnet werden müsste, die Zweitstimme (nur) für
diesen Listenbewerber abzugeben (Hahlen, in: Schreiber, § 27 Rn. 12). Dies ist sachgerecht, denn im Gegen-
satz zur Erststimmenwahl, bei der die Wahlkreisbewerber im Vordergrund der Wahlentscheidung stehen,
kommt es bei der Landeslistenwahl nach dem gesetzgeberischen Grundgedanken für den Wähler entschei-
dend auf die von ihm favorisierte – durch eine bestimmte Partei vertretene – politische Programmatik an, für
deren Repräsentation die auf der Liste nominierten Bewerber ein Wählermandat anstreben (vgl. Strelen, in:
Schreiber, § 4 Rn. 3).

Überdies sind die Vorstellung der Einspruchsführerin zur Wahlteilnahme von Parteien unzutreffend. Natur-
gemäß können nur natürliche Personen Abgeordnete sein. Nur sie sind daher gemäß Artikel 38 Absatz 2 GG
und § 15 BWG wählbar. Nicht die Parteien, sondern die von ihnen vorgeschlagenen Kandidaten können ge-
wählt werden. Dies ergibt sich prinzipiell aus § 18 BWG. Während Landeslisten gemäß § 27 BWG nur von
Parteien eingereicht werden können, können Kreiswahlvorschläge (für das Direktmandat) gemäß § 20 Absatz
3 BWG auch von parteiunabhängigen Einzelbewerbern eingereicht werden, sofern sie 200 Unterstützungsun-
terschriften einreichen. Die hohe Bedeutung der Parteien für die Vorschläge ergibt sich aus Artikel 21 Absatz
1 Satz 1 GG, wonach die Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes mitwirken. Die Demokratie
des Grundgesetzes ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine Mehrparteiende-
mokratie (vgl. etwa BVerfGE 2, 1 [13]; 5, 85 [224]).

2. Die Einspruchsführerin bestreitet nicht, dass das Verfahren zur Auszählung der Stimmen und zur Vertei-
lung der Sitze auf die Landeslisten der Parteien bei der Bundestagswahl 2013 den Vorgaben des Bundes-
wahlgesetzes entsprach. Dieses regelt in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alterna-
tive 1, dass bei der Verteilung der Sitze auf die Landeslisten nur Parteien berücksichtigt werden, die mindes-
tens fünf Prozent der im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten oder in mindestens drei
Wahlkreisen einen Sitz errungen haben. Soweit die Einspruchsführerin geltend macht, die Sperrklausel ver-
stoße gegen den Grundsatz der Wahlgleichheit und sei daher verfassungswidrig, ist erneut darauf hinzuwei-
sen, dass der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in ständiger Praxis im Rahmen eines
Wahlprüfungsverfahrens die Verfassungsmäßigkeit der für die Wahl geltenden Rechtsvorschriften nicht
überprüfen und eine derartige Kontrolle stets dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten wurde. Allerdings
hat der Wahlprüfungsausschuss schon in zahlreichen Wahlprüfungsentscheidungen früherer Wahlperioden
keinen Anlass für Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Klausel gesehen (vgl. zuletzt Bun-
destagsdrucksachen 15/1850, Anlagen 9 und 47; 16/900, Anlage 14), zumal das Bundesverfassungsgericht
die Verfassungsmäßigkeit der Sperrklausel in ihrer Ausgestaltung durch das Bundeswahlgesetz in ständiger
Rechtsprechung bestätigt hat (vgl. BVerfGE 1, 208 [247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.];
82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366]; 95, 408 [417 ff.]; 120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.], siehe
auch Bundestagsdrucksache 16/900, Anlage 14). Es ist folglich verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden,
dass alle Parlamentssitze auf diejenigen Parteien verteilt werden, welche die Fünf-Prozent-Hürde überwun-
den haben. Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Sperrklausel durch ver-
änderte Verhältnisse infrage gestellt werden. Dies ist bezüglich der Bundestagswahl 2013 aber nicht der Fall,

Drucksache 18/1810 – 232 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

wie das Bundesministerium des Innern – auch unter Bezugnahme auf die Urteile vom 9. November 2011 und
26. Februar 2014 – in seiner Stellungnahme zutreffend feststellt: Dass nach dem amtlichen Endergebnis der
Bundestagswahl 2013 insgesamt 15,7 Prozent der gültigen Zweitstimmen nicht in die Mandatsverteilung
eingeflossen sind, weil sie für insgesamt 25 Parteien abgegeben wurden, die bundesweit weniger als fünf
Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, ändert nichts an der vom Bundesverfassungsgericht festgestellten
Verfassungskonformität der Fünf-Prozent-Hürde. Zwar war der Anteil der gültigen, aber wegen der Sperr-
klausel nicht in die Sitzverteilung eingeflossenen Zweitstimmen bei der Bundestagswahl 2013 höher als bei
früheren Bundestagswahlen, da – anders als bei vorhergehenden Wahlen – zwei Parteien jeweils fast fünf
Prozent und zudem 23 weitere Parteien insgesamt 6,2 Prozent (für sich genommen aber teilweise weniger als
0,1 Prozent) erreicht haben. Jedoch ist dieser Umstand nicht atypisch oder zuvor unbekannt gewesen. Es ist
zudem durchaus möglich, dass er bei kommenden Bundestagswahlen mit anderen Wahlergebnissen nicht
(mehr) auftritt. Der Einzug neuer Parteien in den Deutschen Bundestag wird, wie Beispiele aus der Geschich-
te der Bundesrepublik zeigen, ohnehin nicht durch die Sperrklausel verhindert. Außerdem ist die Fünf-
Prozent-Hürde auf das jeweilige Ergebnis einer jeden Partei bezogen. Nur die konkrete Stimmenzahl jeder
Partei kann der Ausgangspunkt der Sitzverteilung auf die Landeslisten sein (vgl. § 6 Absatz 1 BWG) – übri-
gens auch dann, wenn man gedanklich die Sperrklausel streicht oder eine niedrigere Sperrklausel ansetzt –;
erst im zweiten Schritt ist die Stimmenzahl einer jeden Partei in Relation zu den Stimmenanteilen der anderen
Parteien zu setzen (vgl. § 6 Absätze 2 bis 7 BWG). Die gedankliche Addition von Zweitstimmenanteilen
kann folglich für die Fünf-Prozent-Hürde keine Aussagekraft beanspruchen.

3. Soweit die Einspruchsführerin den vollständigen Ausgleich von Überhangmandaten kritisiert, ist zunächst
festzuhalten, dass Überhangmandate im früheren Rechtssinne seit dem Inkrafttreten des 22. Gesetzes zur
Änderung des Bundeswahlgesetzes vom 3. Mai 2013 (Bundesgesetzblatt I S. 1082) nicht mehr existieren.
Stattdessen sind nach § 6 BWG n. F. nur noch Ausgleichsmandate möglich. Die Kritik der Einspruchsführe-
rin an den Ausgleichsmandaten bleibt pauschal. Gleichwohl ist festzuhalten, dass die Normen – eingedenk
des oben erwähnten Prüfungsumfanges des Deutschen Bundestages – verfassungskonform sind. Sie entspre-
chen dem Gestaltungsspielraum, den Artikel 38 Absatz 3 GG demWahlgesetzgeber einräumt.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 233 – Drucksache 18/1810

Anlage 35

Beschlussempfehlung

ZumWahleinspruch

der Frau A. M., 16225 Eberswalde,

– Az.: WP 152/13 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag
am 22. September 2013

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 26. Juni 2014 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Die Einspruchsführerin hat mit einem Schreiben vom 15. November 2013 Einspruch gegen die Gültigkeit der
Wahl zum 18. Deutschen Bundestag am 22. September 2013 eingelegt.

Sie wendet sich gegen die Listenwahl, die Fünf-Prozent-Klausel und Ausgleichsmandate.

1. Die Verhältniswahl sei eine Parteienwahl. Sie verstoße gegen die Verfassungsvorgabe der Unmittelbarkeit
der Wahl. Parteien dürften nicht als „Sitzverteilerorgan“ zwischen Wähler und Mandat treten. Der Bürger
wisse nicht, welcher natürlichen Person von den vielen auf der Landesliste stehenden Kandidaten er seine
Stimme gebe. Die Annahme, die „Staatsgewaltübertragung“ eines Bürgers durch die Wahl einer Partei bzw.
Landesliste richte sich auf die auf der Liste aufgeführten Personen, sei aus den vorgenannten Gründen eine
irrationale und verfassungswidrige Fiktion. Zudem seien Parteien bzw. Landeslisten „selbst nach dem verfas-
sungswidrigen Wahlgesetz“ nicht wählbar, da § 15 Absatz 1 des Bundeswahlgesetzes (BWG) die Wählbar-
keit nur Deutschen zuspreche, die das 18. Lebensjahr vollendet haben.

2. Die Fünf-Prozent-Klausel verstoße gegen das Verfassungsgebot der Wahlgleichheit. Bei der angegriffenen
Bundestagswahl seien über 6,8 Millionen Stimmen, also 15,7 Prozent der abgegebenen Stimmen, nicht ge-
wertet worden. Der politische Gestaltungswille immerhin etwa jedes sechsten Wählers finde in dem neuen
Deutschen Bundestag keine Vertretung und kein Sprachrohr, das bei Debatten und Gesetzesberatungen ge-
hört würde. Es sei mit dem Grundgesetz nicht zu rechtfertigen, dass bei der Sitzverteilung willkürlich nur
Stimmen für die Parteien berücksichtigt würden, die einen vorher festgelegten Stimmenanteil erhielten. Die
Wählerstimmen für „Schwarz, Rot, Grün“ erlangten einen Bonus, den sich diese politischen Parteien vorher
mit dem Bundeswahlgesetz selbst zugesprochen hätten. Das sei ungerecht und verstoße auch gegen das Dis-
kriminierungsverbot, das Minderheiten schützen solle. Es wirke aber auch demokratiezerstörend, da ausge-
rechnet die Kleinparteien, die als einzige neue Gedanken und einen bislang nicht vertretenen Wählerwillen
zum Ausdruck bringen könnten, durch den reinen Machtspruch der Etablierten von der Gesetzgebung für das
Volk ausgeschlossen würden. Eine Absenkung der Fünf-Prozent-Klausel auf eine geringere Prozentzahl helfe
nicht. Es gebe keine Sperrklausel, die nicht verfassungswidrig sei.

3. Mit dem vollständigen Ausgleich aller Überhangmandate sei die Alleinherrschaft legitimationsloser, belie-
big austauschbarer „Parteifunktionäre“ ohne Persönlichkeit, Grundsätze und Kenntnisse zementiert. Zugleich
werde das einzig verfassungsgemäße Element der Bundestagswahl, die Direktwahl der Wahlkreisabgeordne-
ten, in die Bedeutungslosigkeit „hinabreglementiert“. Die Direktmandatsinhaber könnten die über die Liste
gewählten Abgeordneten wegen deren großer Zahl nicht überstimmen.

Wegen der Einzelheiten des Vortrages der Einspruchsführerin wird auf den Inhalt der Akten Bezug genom-
men.

Das Bundesministerium des Innern hat zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-
Sperrklausel am 16. Juni 2014 wie folgt Stellung genommen:

Drucksache 18/1810 – 234 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

1. Das Bundesverfassungsgericht erachte in ständiger Rechtsprechung bei Wahlen zum Deutschen Bundestag
die heute in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG vorgesehene, auf
das gesamte Wahlgebiet bezogene Fünf-Prozent-Sperrklausel für verfassungsgemäß (vgl. BVerfGE 1, 208
[247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366]; 95, 408 [417 ff.];
120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.]). Zuletzt habe das Gericht in seinem Urteil vom
9. Januar 2011 zur Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen entschieden, dass die Fünf-Prozent-
Sperrklausel bei der Wahl zum Deutschen Bundestag ihre Rechtfertigung im Wesentlichen darin finde, dass
die Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende
Unterstützung nötig sei und dieses Ziel durch die Zersplitterung des Parlaments in viele kleine Gruppen ge-
fährdet werde (BVerfGE 129, 300 [335 f.]). In der Entscheidung vom 26. Februar 2014 (2 BvE 2/13 u. a.) zur
Drei-Prozent-Sperrklausel im Europawahlrecht habe das Gericht erneut bestätigt, dass eine Sperrklausel ge-
rechtfertigt sein könne, wenn Verhältnisse wie auf nationaler Ebene gegeben sind, wo die Bildung einer
stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Unterstützung nötig
sei (ebd. Rn. 72).

Angesichts der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei der Wahlgesetzgeber verfas-
sungsrechtlich nicht daran gehindert, bei der Verteilung der zu vergebenden Sitze auf die Landeslisten bei der
Bundestagswahl grundsätzlich nur die Parteien zu berücksichtigen, die mindestens fünf Prozent der im Wahl-
gebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten haben (§ 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Ab-
satz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG). Es sei ihm mit anderen Worten von Verfassungs wegen unbenommen,
gültige Zweitstimmen, die auf Landeslisten von Parteien entfallen sind, die nicht die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben, zwar für die Ergebnisfeststellung als relevant zu werten (§ 42 BWG), nicht
aber für die Sitzverteilung. Der Wahlgesetzgeber dürfe also ohne Verstoß gegen Bundesverfassungsrecht alle
zu vergebenden Parlamentssitze auf die Landeslisten derjenigen Parteien verteilen, die die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben.

Im Interesse der Handlungsfähigkeit des Deutschen Bundestages habe der Wahlgesetzgeber bisher an der auf
das gesamte Wahlgebiet bezogenen Fünf-Prozent-Sperrklausel, die seit der Wahl zum 2. Deutschen Bundes-
tag 1953 gilt, festgehalten. Denn eine Wahl habe – wie das Bundesverfassungsgericht betone (vgl. BVerfGE
51, 222 [236]) – „nicht nur das Ziel, eine Volksvertretung zu schaffen, die ein Spiegelbild der in der Wähler-
schaft vorhandenen politischen Meinungen darstellt, sondern sie soll auch ein funktionsfähiges Organ her-
vorbringen.“ Hierfür seien „(k)lare und ihrer Verantwortung für das Gesamtwohl bewusste Mehrheiten in
einer Volksvertretung (…) für eine Bewältigung der ihr gestellten Aufgaben unentbehrlich“, die durch einen
unbegrenzten Proporz nicht gewährleistet sind.

2. Zwar könne nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die verfassungsrechtliche Rechtfer-
tigung einer die Wahlgleichheit berührenden Norm des Wahlrechts wie eine Sperrklauselregelung durch ver-
änderte Verhältnisse oder neue Entwicklungen – etwa durch eine Änderung der vom Gesetzgeber vorausge-
setzten tatsächlichen oder normativen Grundlagen oder wenn sich die beim Erlass der Norm hinsichtlich ihrer
Auswirkungen angestellte Prognose als irrig erwiesen habe – in Frage gestellt werden (BVerfGE 82, 322
[338 f.]; 120, 82 [108]; 129, 300 [321 f.]; Urteil vom 26. Februar 2014, Az. 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 56). Dies
sei im Hinblick auf die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen jedoch nicht der Fall.

Eine Änderung der normativen Grundlagen für die Beurteilung der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundes-
tagswahlen, die das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung als verfassungsgemäß angesehen
habe, sei nicht festzustellen. Insbesondere führten das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
9. November 2011 zur Verfassungswidrigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen (BVerfGE
129, 300) und sein Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Sperrklausel im
Europawahlgesetz (2 BvE 2/13 u. a.) nicht zu einer abweichenden Bewertung. Das Bundesverfassungsgericht
begründe die Verfassungswidrigkeit der Sperrklauseln bei Europawahlen in diesen Urteilen mit der besonde-
ren Stellung und Funktion des Europäischen Parlaments im Gefüge der Organe der Europäischen Union, wo
eine vergleichbare Interessenlage wie bei der Bundestagswahl nicht bestehe (BVerfGE 129, 300 [336]). Auch
in seinem Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Klausel im Europawahl-
gesetz halte das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich an der gefestigten Rechtsprechung zum verfassungs-
rechtlichen Maßstab für die Beurteilung wahlrechtlicher Sperrklauseln fest und lege – wie es mehrfach beto-
ne – seinem Urteil die gleichen Prüfungsmaßstäbe wie im Urteil vom 9. November 2011 zugrunde (Az. 2
BvE 2/13 u. a., Rn. 37, 45, 63). In beiden Urteilen weise das Gericht zudem darauf hin, dass bei der Bundes-
tagswahl – anders als bei der Europawahl – der Deutsche Bundestag im Falle einer eintretenden Funktionsbe-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 235 – Drucksache 18/1810

einträchtigung aufgrund seiner veränderten strukturellen Zusammensetzung nicht mehr in der Lage wäre, die
gesetzlichen Regelungen zur Sicherung seiner Funktionsfähigkeit zu ändern, weil die erforderliche Mehrheit
nicht mehr zustande käme (BVerfGE 129, 300 [324]; Urteil vom 26. Februar 2014, 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 58).

3. Auch in tatsächlicher Hinsicht erfordere das Wahlergebnis der Bundestagswahl 2013, bei der zwei Parteien
mit einem Stimmenanteil von 4,8 Prozent bzw. 4,7 Prozent der Zweitstimmen vergleichsweise knapp an der
Fünf-Prozent-Klausel gescheitert seien, keine Neubewertung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der
Klausel. Der Gesetzgeber habe sich für die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen entschieden und
diese bis heute beibehalten, um in Konstellationen, in denen eine oder mehrere Parteien weniger als fünf
Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, die Funktionsfähigkeit des Bundestages sicherzustellen. Wenn eine
solche Konstellation bei einer Wahl – wie nun der Bundestagswahl 2013 – tatsächlich auftrete, liege gerade
nicht der Fall vor, dass sich eine Prognose des Gesetzgebers als irrig erwiesen habe oder dass eine Änderung
der vom Gesetzgeber vorausgesetzten tatsächlichen Verhältnisse eingetreten sei, sondern es habe sich ledig-
lich ein Szenario realisiert, das der Gesetzgeber mit seiner Regelung von vornherein habe erfassen wollen.
Auch das Bundesverfassungsgericht habe die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen in Kenntnis
des Umstands, dass an ihr nicht nur Parteien mit einem niedrigen Stimmenanteil zwischen null und zwei
Prozent der Zweitstimmen, sondern auch Parteien mit einem Stimmenanteil knapp unter fünf Prozent schei-
tern können, in ständiger Rechtsprechung als verfassungsmäßig angesehen (siehe die Nachweise unter 1.).

Die bei der Bundestagswahl 2013 aufgetretene hohe Gesamtzahl von abgegebenen gültigen Zweitstimmen
für Parteien, die die Fünf-Prozent-Sperrklausel nicht überwunden haben, sei kein Grund, das Vorliegen ver-
änderter Verhältnisse bzw. neuer Entwicklungen anzunehmen, die eine Neubewertung der verfassungsrecht-
lichen Zulässigkeit der Sperrklausel erforderten. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Sperrklausel sei
nicht von der Gesamtzahl der Stimmen für diejenigen Parteien abhängig, die die Sperrklausel bei einer ein-
zelnen Wahl nicht überwinden. Die Sperrklausel rechtfertige sich vielmehr durch den mit ihr verfolgten ver-
fassungsrechtlich legitimen Zweck, die Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages sicherzustellen (siehe
die Nachweise unter 1.). Sie erfülle ihren Zweck gerade dann, wenn viele an der Wahl teilnehmende Parteien
die Sperrklausel nicht überwinden, aber ohne Sperrklausel Sitze im Parlament erlangt hätten, da auf diese
Weise eine die stabile Mehrheitsbildung gefährdende Zersplitterung des Bundestages vermieden werde.

4. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel stehe nicht entgegen, dass eine
hohe Zahl von Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die aufgrund der Sperrklausel nicht an der Sitzvertei-
lung teilnehmen, eine absolute Mehrheit der Sitze für Parteien ermögliche, die bei der Wahl deutlich weniger
als der Hälfte der Stimmen erreicht haben. Das Erreichen einer Mehrheit der Sitze im Parlament sei immer
mit weniger als der Hälfte der gültigen Zweitstimmen möglich. Denn auch ohne Sperrklausel erhalte nicht
jede Partei, für die bei der Wahl gültige Stimmen abgegeben wurden, automatisch einen Sitz. Da für einen
Sitz auch ohne Sperrklausel stets eine bestimmte Zahl von Stimmen erforderlich sei, führten nicht alle Stim-
men zu einem Sitzerfolg und darum weniger als 50 Prozent der gültigen Zweitstimmen zu einer Mehrheit der
Sitze. Ein Verfassungsrechtssatz des Inhalts, dass einer Mehrheit der Mitglieder des Bundestages notwendi-
gerweise eine Mehrheit der Zweitstimmen in der Bundestagswahl entsprechen müsse, sei nicht feststellbar.
Wenn aber eine Partei in einer Wahl eine absolute Mehrheit der Zweitstimmen erhalte, sei gesichert, dass auf
sie mehr als die Hälfte der Sitze entfalle (§ 6 Absatz 7 BWG).

5. Gegen die Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht vorgebracht werden, sie verhindere bzw. erschwere
in übermäßiger Weise die Entstehung oder Etablierung neuer Parteien und schränke dadurch in unzulässiger
Weise die Chancengleichheit der Parteien ein. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Chancengleichheit
der Parteien verlange nicht, dass jeder Partei, die bei der Bundestagswahl Stimmen erhalte, Sitze im Bundes-
tag garantiert seien. Jede Partei habe rechtlich die gleiche Chance auf Teilnahme an der Sitzverteilung bei
Überwindung der Sperrklausel. Wenn eine Partei die für alle geltende Sperrklausel nicht überwinde, so sei
dies Resultat zu geringer Zustimmung in der Wählerschaft und gerade nicht ungleicher Chancen, denn die
unterschiedliche Gewichtung des Erfolgswerts von Wahlstimmen durch eine Sperrklausel treffe alle Parteien
gleichermaßen (vgl. BVerfGE 82, 322 [345]).

Dass die Fünf-Prozent-Sperrklausel die Entstehung und Etablierung neuer Parteien nicht verhindere oder
übermäßig erschwere, zeige der Einzug in die Parlamente auch neuer Parteien in den vergangenen Jahren bei
Bundestagswahlen und Landtagswahlen, bei denen nach Landesrecht ebenfalls Fünf-Prozent-Sperrklauseln
bestünden. Die Sperrklauseln trügen zu einem Mindestmaß an Konsolidierung neuer Parteien bei, indem sie
eine funktionierende Organisation und eine hinreichende Kampagnenfähigkeit der Partei erforderlich mach-

Drucksache 18/1810 – 236 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

ten, um einen erfolgreichen Wahlkampf zu führen, der den Einzug ins Parlament ermögliche. Auch das Bun-
desverfassungsgericht sehe in ständiger Rechtsprechung in der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestags-
wahlen keinen verfassungswidrigen Eingriff in die Chancengleichheit der Parteien (siehe die Nachweise un-
ter 1.).

6. Die Fünf-Prozent-Sperrklausel habe nicht zur Folge, dass die Parteien, die die Sperrklausel überwunden
haben und deshalb an der Sitzverteilung teilnehmen, von den Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die an
der Sperrklausel gescheitert sind und somit nicht an der Sitzverteilung teilnehmen, profitierten und die Wäh-
ler bei der Stimmabgabe nicht erkennen könnten, welche Partei letztlich tatsächlich von ihrer Zweitstimme
profitiere. Von der Zweitstimme für eine Partei profitiere stets die Partei, für die die Stimme abgegeben wor-
den sei. Wenn eine Partei aufgrund eines zur Überwindung der Sperrklausel nicht ausreichenden Zuspruchs
in der Wählerschaft nicht an der Sitzverteilung teilnehme, würden die zu vergebenden Sitze auf die Parteien
verteilt, die die Sperrklausel überwunden haben. Diese Parteien profitierten bei dieser Verteilung von den für
sie abgegebenen Zweitstimmen, nicht von den Zweitstimmen für die an der Sperrklausel gescheiterten Partei-
en, die wegen Nichtteilnahme an der Sitzverteilung zu keinem Sitzerfolg führten.

7. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht entgegengehalten
werden, der Umstand, dass aufgrund der Sperrklausel eine hohe Zahl von Stimmen bei der Sitzverteilung
unberücksichtigt bleibe, befördere die Politikverdrossenheit der Wahlberechtigten. Unabhängig davon, ob
dies tatsächlich der Fall sei, habe sich der Gesetzgeber dazu entschieden, der Sicherung der Funktionsfähig-
keit des Parlaments Vorrang vor derartigen Erwägungen einzuräumen. Das Bundesverfassungsgericht erachte
dies in ständiger Rechtsprechung für verfassungsrechtlich zulässig (siehe die Nachweise unter 1.). Ein wegen
Zersplitterung in kleine und kleinste Fraktionen nicht mehrheits- und handlungsfähiges Parlament, das zur
Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nicht in der Lage sei, wäre zudem in weit höherem Maße geeignet, Politikverdrossenheit zu för-
dern.

8. Aufgrund der verfassungskonformen Ausgestaltung der Fünf-Prozent-Sperrklausel im geltenden Bundes-
wahlgesetz sei der Wahlgesetzgeber auch nicht zur Einführung einer Alternativstimme („Eventualstimme“,
„Ersatzstimme“ bzw. „Stimmweitergabe-Option“) verpflichtet. Ergänzend sei darauf verwiesen, dass im
Schrifttum gegen die Einführung einer solchen Alternativstimme verfassungsrechtliche Bedenken geltend
gemacht würden: Eine Alternativstimme sei mit dem Charakter der Stimmabgabe als einer vorbehaltlosen
und bedingungsfeindlichen Willenserklärung nicht zu vereinbaren und verstoße daher gegen den Grundsatz
der Unmittelbarkeit der Wahl im Sinne des Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) und gegen
das Demokratieprinzip nach Artikel 20 Absatz 1 GG (so Strelen, in: Schreiber, Bundeswahlgesetz, 9. Auflage
2013, § 6 Rn. 37 sowie Schreiber, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: 43. Lfg.
April 2014, Art. 38 Rn. 40, 132). Überdies wäre die Gewährung einer Alternativstimme auch keine verfas-
sungspolitisch angezeigte Fortentwicklung des Wahlrechts. Sie würde das Stimmabgabeverfahren verkompli-
zieren, die Ermittlung des Wahlergebnisses wesentlich erschweren und verzögern und den Wähler von einer
eindeutigen politischen Entscheidung ohne Vorbehalt und Rückfallposition entpflichten (vgl. im Einzelnen
hierzu Strelen, in: Schreiber, § 6 Rn. 37).

9. Die Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Klausel sei schließlich auch nicht davon abhängig, dass Par-
teien, die jeweils mit einer eigenen Liste an der Bundestagswahl teilnehmen, ihre Landeslisten verbinden
dürften, um als Zählgemeinschaft die Sperrklausel zu überwinden. Derartige Listenverbindungen verschiede-
ner Parteien bei der Bundestagswahl seien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wegen
Verstoßes gegen den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit der Parteien verfas-
sungswidrig (BVerfGE 82, 322 [345 f.]). Eine derartige Listenverbindung würde allein dem Zweck dienen,
die verfassungslegitime Zielsetzung einer Fünf-Prozent-Sperrklausel, die Verhinderung einer Zersplitterung
des Parlaments, zu umgehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet. Dem Vortrag der Einspruchsführerin lässt sich kein Verstoß
gegen Wahlrechtsvorschriften und damit kein Wahlfehler entnehmen.

1. Soweit die Einspruchsführerin kritisiert, dass die (in § 1 Absatz 1 Satz 2, § 4 und § 6 BWG vorgesehene)
Verhältniswahl eine Parteien- bzw. Listenwahl ist, und sie dies für verfassungswidrig hält, ist darauf hinzu-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 237 – Drucksache 18/1810

weisen, dass der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in ständiger Praxis im Rahmen eines
Wahlprüfungsverfahrens die Verfassungsmäßigkeit der für die Wahl geltenden Rechtsvorschriften nicht
überprüfen. Eine derartige Kontrolle ist stets dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten worden (vgl. etwa
Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlagen 26 bis 28 mit weiteren Nachweisen; 17/1000, Anlagen 5 und 11;
17/2200, Anlagen 1, 13 bis 15, 17 bis 20, 23 und 24; 17/3100, Anlagen 15, 19, 20, 22 bis 30, 32, 34 bis 36;
17/4600, Anlagen 10, 12, 13, 32, 38, 40 bis 43 mit weiteren Nachweisen; 17/6300, Anlage 19). Unabhängig
davon sind die Bedenken der Einspruchsführerin unbegründet. Davon abgesehen, dass Artikel 21 Absatz 1
GG den Parteien eine Mitwirkung bei der politischen Willensbildung des Volkes zuschreibt – was offenbar
auch der Einspruchsführer nicht vollständig ablehnt –, ist die Listenwahl verfassungsrechtlich zulässig. Dies
gilt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und ebenso ständiger Spruchpraxis des
Wahlprüfungsausschusses auch für die Wahl der Listenbewerber nach sog. starren Listen gemäß § 27 Absatz
3 BWG (vgl. vgl. BVerfGE 3, 45 [50 f.]; 7, 63 [67 ff.]; 21, 355 [355 f.]; 47, 253 [283]; 122, 304 [314]; Bun-
destagsdrucksachen 15/1850, Anlagen 9, 16, 31 und 34; 17/3100, Anlage 34; 17/6300, Anlage 35). Diese
Regelung verstößt nicht gegen die in Artikel 38 Absatz 1 GG niedergelegten Wahlgrundsätze, namentlich
nicht gegen den Grundsatz der unmittelbaren oder der gleichen Wahl. Denn die Zurechnung der abgegebenen
Wählerstimmen auf die einzelnen Wahlvorschläge vollzieht sich von der Stimmabgabe an ohne Zwischen-
schaltung eines von dem der Wähler abweichenden Willens (vgl. Hahlen, in: Schreiber, § 27 Rn. 4). Auch
lässt sich dem Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit nicht entnehmen, dass einem Wähler, der eine Präferenz
für einen bestimmten Kandidaten hat, die Möglichkeit eröffnet werden müsste, die Zweitstimme (nur) für
diesen Listenbewerber abzugeben (Hahlen, in: Schreiber, § 27 Rn. 12). Dies ist sachgerecht, denn im Gegen-
satz zur Erststimmenwahl, bei der die Wahlkreisbewerber im Vordergrund der Wahlentscheidung stehen,
kommt es bei der Landeslistenwahl nach dem gesetzgeberischen Grundgedanken für den Wähler entschei-
dend auf die von ihm favorisierte – durch eine bestimmte Partei vertretene – politische Programmatik an, für
deren Repräsentation die auf der Liste nominierten Bewerber ein Wählermandat anstreben (vgl. Strelen, in:
Schreiber, § 4 Rn. 3).

Überdies sind die Vorstellung der Einspruchsführerin zur Wahlteilnahme von Parteien unzutreffend. Natur-
gemäß können nur natürliche Personen Abgeordnete sein. Nur sie sind daher gemäß Artikel 38 Absatz 2 GG
und § 15 BWG wählbar. Nicht die Parteien, sondern die von ihnen vorgeschlagenen Kandidaten können ge-
wählt werden. Dies ergibt sich prinzipiell aus § 18 BWG. Während Landeslisten gemäß § 27 BWG nur von
Parteien eingereicht werden können, können Kreiswahlvorschläge (für das Direktmandat) gemäß § 20 Absatz
3 BWG auch von parteiunabhängigen Einzelbewerbern eingereicht werden, sofern sie 200 Unterstützungsun-
terschriften einreichen. Die hohe Bedeutung der Parteien für die Vorschläge ergibt sich aus Artikel 21 Absatz
1 Satz 1 GG, wonach die Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes mitwirken. Die Demokratie
des Grundgesetzes ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine Mehrparteiende-
mokratie (vgl. etwa BVerfGE 2, 1 [13]; 5, 85 [224]).

2. Die Einspruchsführerin bestreitet nicht, dass das Verfahren zur Auszählung der Stimmen und zur Vertei-
lung der Sitze auf die Landeslisten der Parteien bei der Bundestagswahl 2013 den Vorgaben des Bundes-
wahlgesetzes entsprach. Dieses regelt in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alterna-
tive 1, dass bei der Verteilung der Sitze auf die Landeslisten nur Parteien berücksichtigt werden, die mindes-
tens fünf Prozent der im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten oder in mindestens drei
Wahlkreisen einen Sitz errungen haben. Soweit die Einspruchsführerin geltend macht, die Sperrklausel ver-
stoße gegen den Grundsatz der Wahlgleichheit und sei daher verfassungswidrig, ist erneut darauf hinzuwei-
sen, dass der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in ständiger Praxis im Rahmen eines
Wahlprüfungsverfahrens die Verfassungsmäßigkeit der für die Wahl geltenden Rechtsvorschriften nicht
überprüfen und eine derartige Kontrolle stets dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten wurde. Allerdings
hat der Wahlprüfungsausschuss schon in zahlreichen Wahlprüfungsentscheidungen früherer Wahlperioden
keinen Anlass für Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Klausel gesehen (vgl. zuletzt Bun-
destagsdrucksachen 15/1850, Anlagen 9 und 47; 16/900, Anlage 14), zumal das Bundesverfassungsgericht
die Verfassungsmäßigkeit der Sperrklausel in ihrer Ausgestaltung durch das Bundeswahlgesetz in ständiger
Rechtsprechung bestätigt hat (vgl. BVerfGE 1, 208 [247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.];
82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366]; 95, 408 [417 ff.]; 120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.], siehe
auch Bundestagsdrucksache 16/900, Anlage 14). Es ist folglich verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden,
dass alle Parlamentssitze auf diejenigen Parteien verteilt werden, welche die Fünf-Prozent-Hürde überwun-
den haben. Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Sperrklausel durch ver-
änderte Verhältnisse infrage gestellt werden. Dies ist bezüglich der Bundestagswahl 2013 aber nicht der Fall,

Drucksache 18/1810 – 238 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

wie das Bundesministerium des Innern – auch unter Bezugnahme auf die Urteile vom 9. November 2011 und
26. Februar 2014 – in seiner Stellungnahme zutreffend feststellt: Dass nach dem amtlichen Endergebnis der
Bundestagswahl 2013 insgesamt 15,7 Prozent der gültigen Zweitstimmen nicht in die Mandatsverteilung
eingeflossen sind, weil sie für insgesamt 25 Parteien abgegeben wurden, die bundesweit weniger als fünf
Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, ändert nichts an der vom Bundesverfassungsgericht festgestellten
Verfassungskonformität der Fünf-Prozent-Hürde. Zwar war der Anteil der gültigen, aber wegen der Sperr-
klausel nicht in die Sitzverteilung eingeflossenen Zweitstimmen bei der Bundestagswahl 2013 höher als bei
früheren Bundestagswahlen, da – anders als bei vorhergehenden Wahlen – zwei Parteien jeweils fast fünf
Prozent und zudem 23 weitere Parteien insgesamt 6,2 Prozent (für sich genommen aber teilweise weniger als
0,1 Prozent) erreicht haben. Jedoch ist dieser Umstand nicht atypisch oder zuvor unbekannt gewesen. Es ist
zudem durchaus möglich, dass er bei kommenden Bundestagswahlen mit anderen Wahlergebnissen nicht
(mehr) auftritt. Der Einzug neuer Parteien in den Deutschen Bundestag wird, wie Beispiele aus der Geschich-
te der Bundesrepublik zeigen, ohnehin nicht durch die Sperrklausel verhindert. Außerdem ist die Fünf-
Prozent-Hürde auf das jeweilige Ergebnis einer jeden Partei bezogen. Nur die konkrete Stimmenzahl jeder
Partei kann der Ausgangspunkt der Sitzverteilung auf die Landeslisten sein (vgl. § 6 Absatz 1 BWG) – übri-
gens auch dann, wenn man gedanklich die Sperrklausel streicht oder eine niedrigere Sperrklausel ansetzt –;
erst im zweiten Schritt ist die Stimmenzahl einer jeden Partei in Relation zu den Stimmenanteilen der anderen
Parteien zu setzen (vgl. § 6 Absätze 2 bis 7 BWG). Die gedankliche Addition von Zweitstimmenanteilen
kann folglich für die Fünf-Prozent-Hürde keine Aussagekraft beanspruchen.

3. Soweit die Einspruchsführerin den vollständigen Ausgleich von Überhangmandaten kritisiert, ist zunächst
festzuhalten, dass Überhangmandate im früheren Rechtssinne seit dem Inkrafttreten des 22. Gesetzes zur
Änderung des Bundeswahlgesetzes vom 3. Mai 2013 (Bundesgesetzblatt I S. 1082) nicht mehr existieren.
Stattdessen sind nach § 6 BWG n. F. nur noch Ausgleichsmandate möglich. Die Kritik der Einspruchsführe-
rin an den Ausgleichsmandaten bleibt pauschal. Gleichwohl ist festzuhalten, dass die Normen – eingedenk
des oben erwähnten Prüfungsumfanges des Deutschen Bundestages – verfassungskonform sind. Sie entspre-
chen dem Gestaltungsspielraum, den Artikel 38 Absatz 3 GG demWahlgesetzgeber einräumt.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 239 – Drucksache 18/1810

Anlage 36

Beschlussempfehlung

ZumWahleinspruch

der Frau A. H., 81379 München,

– Az.: WP 154/13 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag
am 22. September 2013

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 26. Juni 2014 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Die Einspruchsführerin hat mit einem Fax vom 17. November 2013 Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl
zum 18. Deutschen Bundestag am 22. September 2013 eingelegt.

Sie wendet sich gegen die Fünf-Prozent-Klausel. Für Bundestagswahlen gelte das Verhältniswahlrecht. Dies
bedeute, dass die einer Partei zugewiesene Anzahl von Parlamentssitzen ihrem Anteil an der Gesamtstim-
menzahl entsprechen müsse. Auf „wundersame“, aber verfassungswidrige Weise hätten sich die Stimmenan-
teile, bezogen auf die Sitzverteilung, jedoch vermehrt: Der Stimmenanteil der CDU von 34,1 Prozent habe zu
einem Sitzanteil von 40,4 Prozent geführt, der Stimmenanteil der SPD von 25,7 Prozent zu einem Sitzanteil
von 30,6 Prozent, der Stimmenanteil der Partei Die Linke von 8,6 Prozent Prozent zu einem Sitzanteil von
10,1 Prozent, der Stimmenanteil der Partei Bündnis 90/Die Grünen von 8,4 Prozent zu einem Sitzanteil von
10 Prozent und der Stimmenanteil der CSU von 7,4 Prozent zu einem Sitzanteil von 8,9 Prozent. Den fünf im
18. Deutschen Bundestag vertretenen Parteien seien insgesamt 99 Sitze zugeteilt worden, die ihnen nach dem
Wahlergebnis nicht zustünden, da sie nicht vom Wählerwillen gedeckt seien. Die CDU habe 40 Sitze „zu
viel“ erhalten, die SPD 31, Die Linke 10, Bündnis 90/Die Grünen 10 und die CSU acht. Diese „Fremdsitze“
beruhten auf der Fünf-Prozent-Klausel in § 6 Abs. 6 Satz 1, 1. Alternative des Bundeswahlgesetzes (BWG).
Wähler, die gültige Stimmen abgäben, würden dadurch um ihr Wahlrecht gebracht. Sie entschieden nur bei
der Beantwortung der Vorfrage mit, welche Parteien die Fünf-Prozent-Hürde überschritten. Vom entschei-
denden Teil der Wahl, bei dem die Stärkeverhältnisse der Parteien im Parlament festgelegt würden, seien sie
ausgeschlossen. Die für Parteien, die weniger als fünf Prozent der Zweitstimmen erreichten, abgegebenen
Stimmen würden vom Gesetzgeber in voller Absicht vernichtet. Sie kämen den großen Parteien, welche die
Fünf-Prozent-Hürde übersprängen, zugute. Die Fünf-Prozent-Klausel verletzte nicht nur das Grundrecht auf
Gleichheit und freie Ausübung des Wahlrechts, sondern auch den Grundsatz der Chancengleichheit für alle
Parteien. Denn wegen der Befürchtung, sie könne die Fünf-Prozent-Hürde nicht überwinden, wähle so man-
cher die eigene „Wunschpartei“ nicht. Die kleineren Parteien würden benachteiligt. Abhilfe sei nicht nur
verfassungsrechtlich geboten, sondern auch ohne allzu großen Mehraufwand möglich. Es genüge die Einfüh-
rung einer „Ersatz- oder Eventualstimme“, die dann zum Tragen komme, wenn die vorrangig angekreuzte
Partei die Fünf-Prozent-Hürde nicht überwinde. Das Bundesverfassungsgericht habe jedenfalls die angegrif-
fene Regelung noch nicht eingehend untersucht. Die Frage, ob Wähler vom entscheidenden Teil einer Wahl
ausgeschlossen werden dürften, sei vom Gericht noch nicht beantwortet worden.

Wegen der Einzelheiten des Vortrages der Einspruchsführerin wird auf den Inhalt der Akten Bezug genom-
men.

Das Bundesministerium des Innern hat zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-
Sperrklausel am 16. Juni 2014 wie folgt Stellung genommen:

1. Das Bundesverfassungsgericht erachte in ständiger Rechtsprechung bei Wahlen zum Deutschen Bundestag
die heute in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1 des Bundeswahlgesetzes

Drucksache 18/1810 – 240 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

(BWG) vorgesehene, auf das gesamte Wahlgebiet bezogene Fünf-Prozent-Sperrklausel für verfassungsgemäß
(vgl. BVerfGE 1, 208 [247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366];
95, 408 [417 ff.]; 120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.]). Zuletzt habe das Gericht in seinem
Urteil vom 9. Januar 2011 zur Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen entschieden, dass die Fünf-
Prozent-Sperrklausel bei der Wahl zum Deutschen Bundestag ihre Rechtfertigung im Wesentlichen darin
finde, dass die Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren
fortlaufende Unterstützung nötig sei und dieses Ziel durch die Zersplitterung des Parlaments in viele kleine
Gruppen gefährdet werde (BVerfGE 129, 300 [335 f.]). In der Entscheidung vom 26. Februar 2014 (2 BvE
2/13 u. a.) zur Drei-Prozent-Sperrklausel im Europawahlrecht habe das Gericht erneut bestätigt, dass eine
Sperrklausel gerechtfertigt sein könne, wenn Verhältnisse wie auf nationaler Ebene gegeben sind, wo die
Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nötig sei (ebd. Rn. 72).

Angesichts der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei der Wahlgesetzgeber verfas-
sungsrechtlich nicht daran gehindert, bei der Verteilung der zu vergebenden Sitze auf die Landeslisten bei der
Bundestagswahl grundsätzlich nur die Parteien zu berücksichtigen, die mindestens fünf Prozent der im Wahl-
gebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten haben (§ 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Ab-
satz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG). Es sei ihm mit anderen Worten von Verfassungs wegen unbenommen,
gültige Zweitstimmen, die auf Landeslisten von Parteien entfallen sind, die nicht die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben, zwar für die Ergebnisfeststellung als relevant zu werten (§ 42 BWG), nicht
aber für die Sitzverteilung. Der Wahlgesetzgeber dürfe also ohne Verstoß gegen Bundesverfassungsrecht alle
zu vergebenden Parlamentssitze auf die Landeslisten derjenigen Parteien verteilen, die die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben.

Im Interesse der Handlungsfähigkeit des Deutschen Bundestages habe der Wahlgesetzgeber bisher an der auf
das gesamte Wahlgebiet bezogenen Fünf-Prozent-Sperrklausel, die seit der Wahl zum 2. Deutschen Bundes-
tag 1953 gilt, festgehalten. Denn eine Wahl habe – wie das Bundesverfassungsgericht betone (vgl. BVerfGE
51, 222 [236]) – „nicht nur das Ziel, eine Volksvertretung zu schaffen, die ein Spiegelbild der in der Wähler-
schaft vorhandenen politischen Meinungen darstellt, sondern sie soll auch ein funktionsfähiges Organ her-
vorbringen.“ Hierfür seien „(k)lare und ihrer Verantwortung für das Gesamtwohl bewusste Mehrheiten in
einer Volksvertretung (…) für eine Bewältigung der ihr gestellten Aufgaben unentbehrlich“, die durch einen
unbegrenzten Proporz nicht gewährleistet sind.

2. Zwar könne nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die verfassungsrechtliche Rechtfer-
tigung einer die Wahlgleichheit berührenden Norm des Wahlrechts wie eine Sperrklauselregelung durch ver-
änderte Verhältnisse oder neue Entwicklungen – etwa durch eine Änderung der vom Gesetzgeber vorausge-
setzten tatsächlichen oder normativen Grundlagen oder wenn sich die beim Erlass der Norm hinsichtlich ihrer
Auswirkungen angestellte Prognose als irrig erwiesen habe – in Frage gestellt werden (BVerfGE 82, 322
[338 f.]; 120, 82 [108]; 129, 300 [321 f.]; Urteil vom 26. Februar 2014, Az. 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 56). Dies
sei im Hinblick auf die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen jedoch nicht der Fall.

Eine Änderung der normativen Grundlagen für die Beurteilung der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundes-
tagswahlen, die das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung als verfassungsgemäß angesehen
habe, sei nicht festzustellen. Insbesondere führten das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
9. November 2011 zur Verfassungswidrigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen (BVerfGE
129, 300) und sein Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Sperrklausel im
Europawahlgesetz (2 BvE 2/13 u. a.) nicht zu einer abweichenden Bewertung. Das Bundesverfassungsgericht
begründe die Verfassungswidrigkeit der Sperrklauseln bei Europawahlen in diesen Urteilen mit der besonde-
ren Stellung und Funktion des Europäischen Parlaments im Gefüge der Organe der Europäischen Union, wo
eine vergleichbare Interessenlage wie bei der Bundestagswahl nicht bestehe (BVerfGE 129, 300 [336]). Auch
in seinem Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Klausel im Europawahl-
gesetz halte das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich an der gefestigten Rechtsprechung zum verfassungs-
rechtlichen Maßstab für die Beurteilung wahlrechtlicher Sperrklauseln fest und lege – wie es mehrfach beto-
ne – seinem Urteil die gleichen Prüfungsmaßstäbe wie im Urteil vom 9. November 2011 zugrunde (Az. 2
BvE 2/13 u. a., Rn. 37, 45, 63). In beiden Urteilen weise das Gericht zudem darauf hin, dass bei der Bundes-
tagswahl – anders als bei der Europawahl – der Deutsche Bundestag im Falle einer eintretenden Funktionsbe-
einträchtigung aufgrund seiner veränderten strukturellen Zusammensetzung nicht mehr in der Lage wäre, die

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 241 – Drucksache 18/1810

gesetzlichen Regelungen zur Sicherung seiner Funktionsfähigkeit zu ändern, weil die erforderliche Mehrheit
nicht mehr zustande käme (BVerfGE 129, 300 [324]; Urteil vom 26. Februar 2014, 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 58).

3. Auch in tatsächlicher Hinsicht erfordere das Wahlergebnis der Bundestagswahl 2013, bei der zwei Parteien
mit einem Stimmenanteil von 4,8 Prozent bzw. 4,7 Prozent der Zweitstimmen vergleichsweise knapp an der
Fünf-Prozent-Klausel gescheitert seien, keine Neubewertung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der
Klausel. Der Gesetzgeber habe sich für die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen entschieden und
diese bis heute beibehalten, um in Konstellationen, in denen eine oder mehrere Parteien weniger als fünf
Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, die Funktionsfähigkeit des Bundestages sicherzustellen. Wenn eine
solche Konstellation bei einer Wahl – wie nun der Bundestagswahl 2013 – tatsächlich auftrete, liege gerade
nicht der Fall vor, dass sich eine Prognose des Gesetzgebers als irrig erwiesen habe oder dass eine Änderung
der vom Gesetzgeber vorausgesetzten tatsächlichen Verhältnisse eingetreten sei, sondern es habe sich ledig-
lich ein Szenario realisiert, das der Gesetzgeber mit seiner Regelung von vornherein habe erfassen wollen.
Auch das Bundesverfassungsgericht habe die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen in Kenntnis
des Umstands, dass an ihr nicht nur Parteien mit einem niedrigen Stimmenanteil zwischen null und zwei
Prozent der Zweitstimmen, sondern auch Parteien mit einem Stimmenanteil knapp unter fünf Prozent schei-
tern können, in ständiger Rechtsprechung als verfassungsmäßig angesehen (siehe die Nachweise unter 1.).

Die bei der Bundestagswahl 2013 aufgetretene hohe Gesamtzahl von abgegebenen gültigen Zweitstimmen
für Parteien, die die Fünf-Prozent-Sperrklausel nicht überwunden haben, sei kein Grund, das Vorliegen ver-
änderter Verhältnisse bzw. neuer Entwicklungen anzunehmen, die eine Neubewertung der verfassungsrecht-
lichen Zulässigkeit der Sperrklausel erforderten. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Sperrklausel sei
nicht von der Gesamtzahl der Stimmen für diejenigen Parteien abhängig, die die Sperrklausel bei einer ein-
zelnen Wahl nicht überwinden. Die Sperrklausel rechtfertige sich vielmehr durch den mit ihr verfolgten ver-
fassungsrechtlich legitimen Zweck, die Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages sicherzustellen (siehe
die Nachweise unter 1.). Sie erfülle ihren Zweck gerade dann, wenn viele an der Wahl teilnehmende Parteien
die Sperrklausel nicht überwinden, aber ohne Sperrklausel Sitze im Parlament erlangt hätten, da auf diese
Weise eine die stabile Mehrheitsbildung gefährdende Zersplitterung des Bundestages vermieden werde.

4. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel stehe nicht entgegen, dass eine
hohe Zahl von Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die aufgrund der Sperrklausel nicht an der Sitzvertei-
lung teilnehmen, eine absolute Mehrheit der Sitze für Parteien ermögliche, die bei der Wahl deutlich weniger
als der Hälfte der Stimmen erreicht haben. Das Erreichen einer Mehrheit der Sitze im Parlament sei immer
mit weniger als der Hälfte der gültigen Zweitstimmen möglich. Denn auch ohne Sperrklausel erhalte nicht
jede Partei, für die bei der Wahl gültige Stimmen abgegeben wurden, automatisch einen Sitz. Da für einen
Sitz auch ohne Sperrklausel stets eine bestimmte Zahl von Stimmen erforderlich sei, führten nicht alle Stim-
men zu einem Sitzerfolg und darum weniger als 50 Prozent der gültigen Zweitstimmen zu einer Mehrheit der
Sitze. Ein Verfassungsrechtssatz des Inhalts, dass einer Mehrheit der Mitglieder des Bundestages notwendi-
gerweise eine Mehrheit der Zweitstimmen in der Bundestagswahl entsprechen müsse, sei nicht feststellbar.
Wenn aber eine Partei in einer Wahl eine absolute Mehrheit der Zweitstimmen erhalte, sei gesichert, dass auf
sie mehr als die Hälfte der Sitze entfalle (§ 6 Absatz 7 BWG).

5. Gegen die Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht vorgebracht werden, sie verhindere bzw. erschwere
in übermäßiger Weise die Entstehung oder Etablierung neuer Parteien und schränke dadurch in unzulässiger
Weise die Chancengleichheit der Parteien ein. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Chancengleichheit
der Parteien verlange nicht, dass jeder Partei, die bei der Bundestagswahl Stimmen erhalte, Sitze im Bundes-
tag garantiert seien. Jede Partei habe rechtlich die gleiche Chance auf Teilnahme an der Sitzverteilung bei
Überwindung der Sperrklausel. Wenn eine Partei die für alle geltende Sperrklausel nicht überwinde, so sei
dies Resultat zu geringer Zustimmung in der Wählerschaft und gerade nicht ungleicher Chancen, denn die
unterschiedliche Gewichtung des Erfolgswerts von Wahlstimmen durch eine Sperrklausel treffe alle Parteien
gleichermaßen (vgl. BVerfGE 82, 322 [345]).

Dass die Fünf-Prozent-Sperrklausel die Entstehung und Etablierung neuer Parteien nicht verhindere oder
übermäßig erschwere, zeige der Einzug in die Parlamente auch neuer Parteien in den vergangenen Jahren bei
Bundestagswahlen und Landtagswahlen, bei denen nach Landesrecht ebenfalls Fünf-Prozent-Sperrklauseln
bestünden. Die Sperrklauseln trügen zu einem Mindestmaß an Konsolidierung neuer Parteien bei, indem sie
eine funktionierende Organisation und eine hinreichende Kampagnenfähigkeit der Partei erforderlich mach-
ten, um einen erfolgreichen Wahlkampf zu führen, der den Einzug ins Parlament ermögliche. Auch das Bun-

Drucksache 18/1810 – 242 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

desverfassungsgericht sehe in ständiger Rechtsprechung in der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestags-
wahlen keinen verfassungswidrigen Eingriff in die Chancengleichheit der Parteien (siehe die Nachweise un-
ter 1.).

6. Die Fünf-Prozent-Sperrklausel habe nicht zur Folge, dass die Parteien, die die Sperrklausel überwunden
haben und deshalb an der Sitzverteilung teilnehmen, von den Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die an
der Sperrklausel gescheitert sind und somit nicht an der Sitzverteilung teilnehmen, profitierten und die Wäh-
ler bei der Stimmabgabe nicht erkennen könnten, welche Partei letztlich tatsächlich von ihrer Zweitstimme
profitiere. Von der Zweitstimme für eine Partei profitiere stets die Partei, für die die Stimme abgegeben wor-
den sei. Wenn eine Partei aufgrund eines zur Überwindung der Sperrklausel nicht ausreichenden Zuspruchs
in der Wählerschaft nicht an der Sitzverteilung teilnehme, würden die zu vergebenden Sitze auf die Parteien
verteilt, die die Sperrklausel überwunden haben. Diese Parteien profitierten bei dieser Verteilung von den für
sie abgegebenen Zweitstimmen, nicht von den Zweitstimmen für die an der Sperrklausel gescheiterten Partei-
en, die wegen Nichtteilnahme an der Sitzverteilung zu keinem Sitzerfolg führten.

7. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht entgegengehalten
werden, der Umstand, dass aufgrund der Sperrklausel eine hohe Zahl von Stimmen bei der Sitzverteilung
unberücksichtigt bleibe, befördere die Politikverdrossenheit der Wahlberechtigten. Unabhängig davon, ob
dies tatsächlich der Fall sei, habe sich der Gesetzgeber dazu entschieden, der Sicherung der Funktionsfähig-
keit des Parlaments Vorrang vor derartigen Erwägungen einzuräumen. Das Bundesverfassungsgericht erachte
dies in ständiger Rechtsprechung für verfassungsrechtlich zulässig (siehe die Nachweise unter 1.). Ein wegen
Zersplitterung in kleine und kleinste Fraktionen nicht mehrheits- und handlungsfähiges Parlament, das zur
Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nicht in der Lage sei, wäre zudem in weit höherem Maße geeignet, Politikverdrossenheit zu för-
dern.

8. Aufgrund der verfassungskonformen Ausgestaltung der Fünf-Prozent-Sperrklausel im geltenden Bundes-
wahlgesetz sei der Wahlgesetzgeber auch nicht zur Einführung einer Alternativstimme („Eventualstimme“,
„Ersatzstimme“ bzw. „Stimmweitergabe-Option“) verpflichtet. Ergänzend sei darauf verwiesen, dass im
Schrifttum gegen die Einführung einer solchen Alternativstimme verfassungsrechtliche Bedenken geltend
gemacht würden: Eine Alternativstimme sei mit dem Charakter der Stimmabgabe als einer vorbehaltlosen
und bedingungsfeindlichen Willenserklärung nicht zu vereinbaren und verstoße daher gegen den Grundsatz
der Unmittelbarkeit der Wahl im Sinne des Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) und gegen
das Demokratieprinzip nach Artikel 20 Absatz 1 GG (so Strelen, in: Schreiber, Bundeswahlgesetz, 9. Auflage
2013, § 6 Rn. 37 sowie Schreiber, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: 43. Lfg.
April 2014, Art. 38 Rn. 40, 132). Überdies wäre die Gewährung einer Alternativstimme auch keine verfas-
sungspolitisch angezeigte Fortentwicklung des Wahlrechts. Sie würde das Stimmabgabeverfahren verkompli-
zieren, die Ermittlung des Wahlergebnisses wesentlich erschweren und verzögern und den Wähler von einer
eindeutigen politischen Entscheidung ohne Vorbehalt und Rückfallposition entpflichten (vgl. im Einzelnen
hierzu Strelen, in: Schreiber, § 6 Rn. 37).

9. Die Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Klausel sei schließlich auch nicht davon abhängig, dass Par-
teien, die jeweils mit einer eigenen Liste an der Bundestagswahl teilnehmen, ihre Landeslisten verbinden
dürften, um als Zählgemeinschaft die Sperrklausel zu überwinden. Derartige Listenverbindungen verschiede-
ner Parteien bei der Bundestagswahl seien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wegen
Verstoßes gegen den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit der Parteien verfas-
sungswidrig (BVerfGE 82, 322 [345 f.]). Eine derartige Listenverbindung würde allein dem Zweck dienen,
die verfassungslegitime Zielsetzung einer Fünf-Prozent-Sperrklausel, die Verhinderung einer Zersplitterung
des Parlaments, zu umgehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet. Dem Vortrag der Einspruchsführerin lässt sich kein Verstoß
gegen Wahlrechtsvorschriften und damit kein Wahlfehler entnehmen.

Sie bestreitet nicht, dass das Verfahren zur Auszählung der Stimmen und zur Verteilung der Sitze auf die
Landeslisten der Parteien bei der Bundestagswahl 2013 den Vorgaben des Bundeswahlgesetzes entsprach.
Dieses regelt heute in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1, dass bei der

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 243 – Drucksache 18/1810

Verteilung der Sitze auf die Landeslisten nur Parteien berücksichtigt werden, die mindestens fünf Prozent der
im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten oder in mindestens drei Wahlkreisen einen Sitz
errungen haben. Die Sperrklausel führt – anders als die Einspruchsführerin meint – nicht zu „Fremdsitzen“,
denn den Parteien, die unterhalb der Fünf-Prozent-Hürde bleiben, stehen aufgrund ihres Wahlergebnisses
keine Sitze zu. Soweit die Einspruchsführerin geltend macht, die Sperrklausel verstoße gegen die Grundsätze
der Gleichheit und der Freiheit der Wahl sowie gegen den den Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien
und sei daher verfassungswidrig, ist darauf hinzuweisen, dass der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche
Bundestag in ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens die Verfassungsmäßigkeit der für
die Wahl geltenden Rechtsvorschriften nicht überprüfen. Eine derartige Kontrolle ist stets dem Bundesverfas-
sungsgericht vorbehalten worden (vgl. etwa Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlagen 26 bis 28 mit weiteren
Nachweisen; 17/1000, Anlagen 5 und 11; 17/2200, Anlagen 1, 13 bis 15, 17 bis 20, 23 und 24; 17/3100, An-
lagen 15, 19, 20, 22 bis 30, 32, 34 bis 36; 17/4600, Anlagen 10, 12, 13, 32, 38, 40 bis 43 mit weiteren Nach-
weisen; 17/6300, Anlage 19). Allerdings hat der Wahlprüfungsausschuss schon in zahlreichen Wahlprü-
fungsentscheidungen früherer Wahlperioden keinen Anlass für Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der
Regelung gesehen (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen 15/1850, Anlagen 9 und 47; 16/900, Anlage 14),
zumal das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit der Sperrklausel in ihrer Ausgestaltung durch
das Bundeswahlgesetz in ständiger Rechtsprechung bestätigt hat (vgl. BVerfGE 1, 208 [247 ff.]; 4, 31
[39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366]; 95, 408 [417 ff.]; 120, 82 [109 ff.];
122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.], siehe auch Bundestagsdrucksache 16/900, Anlage 14). Es ist folglich
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass alle Parlamentssitze auf diejenigen Parteien verteilt werden,
welche die Fünf-Prozent-Hürde überwunden haben. Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfas-
sungsgerichts die Sperrklausel durch veränderte Verhältnisse infrage gestellt werden. Dies ist bezüglich der
Bundestagswahl 2013 aber nicht der Fall, wie das Bundesministerium des Innern – auch unter Bezugnahme
auf die Urteile vom 9. November 2011 und 26. Februar 2014 – in seiner Stellungnahme zutreffend feststellt:
Dass nach dem amtlichen Endergebnis der Bundestagswahl 2013 insgesamt 15,7 Prozent der gültigen Zweit-
stimmen nicht in die Mandatsverteilung eingeflossen sind, weil sie für insgesamt 25 Parteien abgegeben wur-
den, die bundesweit weniger als fünf Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, ändert nichts an der vom
Bundesverfassungsgericht festgestellten Verfassungskonformität der Fünf-Prozent-Hürde. Zwar war der An-
teil der gültigen, aber wegen der Sperrklausel nicht in die Sitzverteilung eingeflossenen Zweitstimmen bei
der Bundestagswahl 2013 höher als bei früheren Bundestagswahlen, da – anders als bei vorhergehenden
Wahlen – zwei Parteien jeweils fast fünf Prozent und zudem 23 weitere Parteien insgesamt 6,2 Prozent (für
sich genommen aber teilweise weniger als 0,1 Prozent) erreicht haben. Jedoch ist dieser Umstand nicht aty-
pisch oder zuvor unbekannt gewesen. Es ist zudem durchaus möglich, dass er bei kommenden Bundestags-
wahlen mit anderen Wahlergebnissen nicht (mehr) auftritt. Der Einzug neuer Parteien in den Deutschen Bun-
destag wird, wie Beispiele aus der Geschichte der Bundesrepublik zeigen, ohnehin nicht durch die Sperrklau-
sel verhindert. Außerdem ist die Fünf-Prozent-Hürde auf das jeweilige Ergebnis einer jeden Partei bezogen.
Nur die konkrete Stimmenzahl jeder Partei kann der Ausgangspunkt der Sitzverteilung auf die Landeslisten
sein (vgl. § 6 Absatz 1 BWG) – übrigens auch dann, wenn man gedanklich die Sperrklausel streicht oder eine
niedrigere Sperrklausel ansetzt –; erst im zweiten Schritt ist die Stimmenzahl einer jeden Partei in Relation zu
den Stimmenanteilen der anderen Parteien zu setzen (vgl. § 6 Absätze 2 bis 7 BWG). Die gedankliche Addi-
tion von Zweitstimmenanteilen kann folglich für die Fünf-Prozent-Hürde keine Aussagekraft beanspruchen.

Das von der Einspruchsführerin befürwortete Konzept einer Eventualstimme (Alternativstimme, Ersatzstim-
me) wäre – wenn es Gesetz würde – verfassungwidrig. Die Einführung einer Eventualstimme verstieße gegen
den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl im Sinne des Artikels 38 Absatz 1 Satz 1 GG und gegen das
Demokratieprinzip in Art. 20 Absatz 1 GG (vgl. nur Strelen, in: Schreiber, § 6 Rn. 37).

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 245 – Drucksache 18/1810

Anlage 37

Beschlussempfehlung

ZumWahleinspruch

des Herrn T. K., 21514 Büchen,

– Az.: WP 157/13 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag
am 22. September 2013

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 26. Juni 2014 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit einem Schreiben vom 16. November 2013 Einspruch gegen die Gültigkeit der
Wahl zum 18. Deutschen Bundestag am 22. September 2013 eingelegt.

Er wendet sich gegen die Fünf-Prozent-Hürde. Sie habe fast 16 Prozent der Bürger von einer wirkungsvollen
Beteiligung abgeschnitten. Das sei auch einer der Gründe, warum einige Bürger nicht zur Wahl gegangen
seien. Die Wähler, die einer unter die Sperrklausel gefallenen Partei ihre Stimme gegeben hätten, hätten prak-
tisch dasselbe erreicht, als wenn sie gar nicht oder vollkommen entgegengesetzt gewählt hätten. Der Unter-
schied sei lediglich, dass ihre Stimme die Wahlbeteiligung und somit das Selbstbewusstsein der großen Par-
teien erhöht habe. Die Fünf-Prozent-Hürde sei im Zeitpunkt ihrer Einführung vielleicht einmal sinnvoll ge-
wesen. Das Wahlverhalten habe sich jedoch im Laufe der Jahre derart verändert, dass immer mehr kleinere
Parteien das Vertrauen der Wähler erhalten hätten. Die Entwicklung der Opposition werde durch die Fünf-
Prozent-Hürde unterbunden. Hierin liege eine Verletzung des Grundgesetzes. Auf europäischer Ebene habe
man den Mangel bereits erkannt und korrigiert.

Das Bundesministerium des Innern hat zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-
Sperrklausel am 16. Juni 2014 wie folgt Stellung genommen:

1. Das Bundesverfassungsgericht erachte in ständiger Rechtsprechung bei Wahlen zum Deutschen Bundestag
die heute in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1 des Bundeswahlgesetzes
(BWG) vorgesehene, auf das gesamte Wahlgebiet bezogene Fünf-Prozent-Sperrklausel für verfassungsgemäß
(vgl. BVerfGE 1, 208 [247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366];
95, 408 [417 ff.]; 120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.]). Zuletzt habe das Gericht in seinem
Urteil vom 9. Januar 2011 zur Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen entschieden, dass die Fünf-
Prozent-Sperrklausel bei der Wahl zum Deutschen Bundestag ihre Rechtfertigung im Wesentlichen darin
finde, dass die Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren
fortlaufende Unterstützung nötig sei und dieses Ziel durch die Zersplitterung des Parlaments in viele kleine
Gruppen gefährdet werde (BVerfGE 129, 300 [335 f.]). In der Entscheidung vom 26. Februar 2014 (2 BvE
2/13 u. a.) zur Drei-Prozent-Sperrklausel im Europawahlrecht habe das Gericht erneut bestätigt, dass eine
Sperrklausel gerechtfertigt sein könne, wenn Verhältnisse wie auf nationaler Ebene gegeben sind, wo die
Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nötig sei (ebd. Rn. 72).

Angesichts der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei der Wahlgesetzgeber verfas-
sungsrechtlich nicht daran gehindert, bei der Verteilung der zu vergebenden Sitze auf die Landeslisten bei der
Bundestagswahl grundsätzlich nur die Parteien zu berücksichtigen, die mindestens fünf Prozent der im Wahl-
gebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten haben (§ 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Ab-
satz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG). Es sei ihm mit anderen Worten von Verfassungs wegen unbenommen,
gültige Zweitstimmen, die auf Landeslisten von Parteien entfallen sind, die nicht die Fünf-Prozent-

Drucksache 18/1810 – 246 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Sperrklausel überwunden haben, zwar für die Ergebnisfeststellung als relevant zu werten (§ 42 BWG), nicht
aber für die Sitzverteilung. Der Wahlgesetzgeber dürfe also ohne Verstoß gegen Bundesverfassungsrecht alle
zu vergebenden Parlamentssitze auf die Landeslisten derjenigen Parteien verteilen, die die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben.

Im Interesse der Handlungsfähigkeit des Deutschen Bundestages habe der Wahlgesetzgeber bisher an der auf
das gesamte Wahlgebiet bezogenen Fünf-Prozent-Sperrklausel, die seit der Wahl zum 2. Deutschen Bundes-
tag 1953 gilt, festgehalten. Denn eine Wahl habe – wie das Bundesverfassungsgericht betone (vgl. BVerfGE
51, 222 [236]) – „nicht nur das Ziel, eine Volksvertretung zu schaffen, die ein Spiegelbild der in der Wähler-
schaft vorhandenen politischen Meinungen darstellt, sondern sie soll auch ein funktionsfähiges Organ her-
vorbringen.“ Hierfür seien „(k)lare und ihrer Verantwortung für das Gesamtwohl bewusste Mehrheiten in
einer Volksvertretung (…) für eine Bewältigung der ihr gestellten Aufgaben unentbehrlich“, die durch einen
unbegrenzten Proporz nicht gewährleistet sind.

2. Zwar könne nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die verfassungsrechtliche Rechtfer-
tigung einer die Wahlgleichheit berührenden Norm des Wahlrechts wie eine Sperrklauselregelung durch ver-
änderte Verhältnisse oder neue Entwicklungen – etwa durch eine Änderung der vom Gesetzgeber vorausge-
setzten tatsächlichen oder normativen Grundlagen oder wenn sich die beim Erlass der Norm hinsichtlich ihrer
Auswirkungen angestellte Prognose als irrig erwiesen habe – in Frage gestellt werden (BVerfGE 82, 322
[338 f.]; 120, 82 [108]; 129, 300 [321 f.]; Urteil vom 26. Februar 2014, Az. 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 56). Dies
sei im Hinblick auf die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen jedoch nicht der Fall.

Eine Änderung der normativen Grundlagen für die Beurteilung der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundes-
tagswahlen, die das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung als verfassungsgemäß angesehen
habe, sei nicht festzustellen. Insbesondere führten das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
9. November 2011 zur Verfassungswidrigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen (BVerfGE
129, 300) und sein Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Sperrklausel im
Europawahlgesetz (2 BvE 2/13 u. a.) nicht zu einer abweichenden Bewertung. Das Bundesverfassungsgericht
begründe die Verfassungswidrigkeit der Sperrklauseln bei Europawahlen in diesen Urteilen mit der besonde-
ren Stellung und Funktion des Europäischen Parlaments im Gefüge der Organe der Europäischen Union, wo
eine vergleichbare Interessenlage wie bei der Bundestagswahl nicht bestehe (BVerfGE 129, 300 [336]). Auch
in seinem Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Klausel im Europawahl-
gesetz halte das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich an der gefestigten Rechtsprechung zum verfassungs-
rechtlichen Maßstab für die Beurteilung wahlrechtlicher Sperrklauseln fest und lege – wie es mehrfach beto-
ne – seinem Urteil die gleichen Prüfungsmaßstäbe wie im Urteil vom 9. November 2011 zugrunde (Az. 2
BvE 2/13 u. a., Rn. 37, 45, 63). In beiden Urteilen weise das Gericht zudem darauf hin, dass bei der Bundes-
tagswahl – anders als bei der Europawahl – der Deutsche Bundestag im Falle einer eintretenden Funktionsbe-
einträchtigung aufgrund seiner veränderten strukturellen Zusammensetzung nicht mehr in der Lage wäre, die
gesetzlichen Regelungen zur Sicherung seiner Funktionsfähigkeit zu ändern, weil die erforderliche Mehrheit
nicht mehr zustande käme (BVerfGE 129, 300 [324]; Urteil vom 26. Februar 2014, 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 58).

3. Auch in tatsächlicher Hinsicht erfordere das Wahlergebnis der Bundestagswahl 2013, bei der zwei Parteien
mit einem Stimmenanteil von 4,8 Prozent bzw. 4,7 Prozent der Zweitstimmen vergleichsweise knapp an der
Fünf-Prozent-Klausel gescheitert seien, keine Neubewertung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der
Klausel. Der Gesetzgeber habe sich für die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen entschieden und
diese bis heute beibehalten, um in Konstellationen, in denen eine oder mehrere Parteien weniger als fünf
Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, die Funktionsfähigkeit des Bundestages sicherzustellen. Wenn eine
solche Konstellation bei einer Wahl – wie nun der Bundestagswahl 2013 – tatsächlich auftrete, liege gerade
nicht der Fall vor, dass sich eine Prognose des Gesetzgebers als irrig erwiesen habe oder dass eine Änderung
der vom Gesetzgeber vorausgesetzten tatsächlichen Verhältnisse eingetreten sei, sondern es habe sich ledig-
lich ein Szenario realisiert, das der Gesetzgeber mit seiner Regelung von vornherein habe erfassen wollen.
Auch das Bundesverfassungsgericht habe die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen in Kenntnis
des Umstands, dass an ihr nicht nur Parteien mit einem niedrigen Stimmenanteil zwischen null und zwei
Prozent der Zweitstimmen, sondern auch Parteien mit einem Stimmenanteil knapp unter fünf Prozent schei-
tern können, in ständiger Rechtsprechung als verfassungsmäßig angesehen (siehe die Nachweise unter 1.).

Die bei der Bundestagswahl 2013 aufgetretene hohe Gesamtzahl von abgegebenen gültigen Zweitstimmen
für Parteien, die die Fünf-Prozent-Sperrklausel nicht überwunden haben, sei kein Grund, das Vorliegen ver-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 247 – Drucksache 18/1810

änderter Verhältnisse bzw. neuer Entwicklungen anzunehmen, die eine Neubewertung der verfassungsrecht-
lichen Zulässigkeit der Sperrklausel erforderten. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Sperrklausel sei
nicht von der Gesamtzahl der Stimmen für diejenigen Parteien abhängig, die die Sperrklausel bei einer ein-
zelnen Wahl nicht überwinden. Die Sperrklausel rechtfertige sich vielmehr durch den mit ihr verfolgten ver-
fassungsrechtlich legitimen Zweck, die Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages sicherzustellen (siehe
die Nachweise unter 1.). Sie erfülle ihren Zweck gerade dann, wenn viele an der Wahl teilnehmende Parteien
die Sperrklausel nicht überwinden, aber ohne Sperrklausel Sitze im Parlament erlangt hätten, da auf diese
Weise eine die stabile Mehrheitsbildung gefährdende Zersplitterung des Bundestages vermieden werde.

4. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel stehe nicht entgegen, dass eine
hohe Zahl von Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die aufgrund der Sperrklausel nicht an der Sitzvertei-
lung teilnehmen, eine absolute Mehrheit der Sitze für Parteien ermögliche, die bei der Wahl deutlich weniger
als der Hälfte der Stimmen erreicht haben. Das Erreichen einer Mehrheit der Sitze im Parlament sei immer
mit weniger als der Hälfte der gültigen Zweitstimmen möglich. Denn auch ohne Sperrklausel erhalte nicht
jede Partei, für die bei der Wahl gültige Stimmen abgegeben wurden, automatisch einen Sitz. Da für einen
Sitz auch ohne Sperrklausel stets eine bestimmte Zahl von Stimmen erforderlich sei, führten nicht alle Stim-
men zu einem Sitzerfolg und darum weniger als 50 Prozent der gültigen Zweitstimmen zu einer Mehrheit der
Sitze. Ein Verfassungsrechtssatz des Inhalts, dass einer Mehrheit der Mitglieder des Bundestages notwendi-
gerweise eine Mehrheit der Zweitstimmen in der Bundestagswahl entsprechen müsse, sei nicht feststellbar.
Wenn aber eine Partei in einer Wahl eine absolute Mehrheit der Zweitstimmen erhalte, sei gesichert, dass auf
sie mehr als die Hälfte der Sitze entfalle (§ 6 Absatz 7 BWG).

5. Gegen die Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht vorgebracht werden, sie verhindere bzw. erschwere
in übermäßiger Weise die Entstehung oder Etablierung neuer Parteien und schränke dadurch in unzulässiger
Weise die Chancengleichheit der Parteien ein. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Chancengleichheit
der Parteien verlange nicht, dass jeder Partei, die bei der Bundestagswahl Stimmen erhalte, Sitze im Bundes-
tag garantiert seien. Jede Partei habe rechtlich die gleiche Chance auf Teilnahme an der Sitzverteilung bei
Überwindung der Sperrklausel. Wenn eine Partei die für alle geltende Sperrklausel nicht überwinde, so sei
dies Resultat zu geringer Zustimmung in der Wählerschaft und gerade nicht ungleicher Chancen, denn die
unterschiedliche Gewichtung des Erfolgswerts von Wahlstimmen durch eine Sperrklausel treffe alle Parteien
gleichermaßen (vgl. BVerfGE 82, 322 [345]).

Dass die Fünf-Prozent-Sperrklausel die Entstehung und Etablierung neuer Parteien nicht verhindere oder
übermäßig erschwere, zeige der Einzug in die Parlamente auch neuer Parteien in den vergangenen Jahren bei
Bundestagswahlen und Landtagswahlen, bei denen nach Landesrecht ebenfalls Fünf-Prozent-Sperrklauseln
bestünden. Die Sperrklauseln trügen zu einem Mindestmaß an Konsolidierung neuer Parteien bei, indem sie
eine funktionierende Organisation und eine hinreichende Kampagnenfähigkeit der Partei erforderlich mach-
ten, um einen erfolgreichen Wahlkampf zu führen, der den Einzug ins Parlament ermögliche. Auch das Bun-
desverfassungsgericht sehe in ständiger Rechtsprechung in der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestags-
wahlen keinen verfassungswidrigen Eingriff in die Chancengleichheit der Parteien (siehe die Nachweise un-
ter 1.).

6. Die Fünf-Prozent-Sperrklausel habe nicht zur Folge, dass die Parteien, die die Sperrklausel überwunden
haben und deshalb an der Sitzverteilung teilnehmen, von den Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die an
der Sperrklausel gescheitert sind und somit nicht an der Sitzverteilung teilnehmen, profitierten und die Wäh-
ler bei der Stimmabgabe nicht erkennen könnten, welche Partei letztlich tatsächlich von ihrer Zweitstimme
profitiere. Von der Zweitstimme für eine Partei profitiere stets die Partei, für die die Stimme abgegeben wor-
den sei. Wenn eine Partei aufgrund eines zur Überwindung der Sperrklausel nicht ausreichenden Zuspruchs
in der Wählerschaft nicht an der Sitzverteilung teilnehme, würden die zu vergebenden Sitze auf die Parteien
verteilt, die die Sperrklausel überwunden haben. Diese Parteien profitierten bei dieser Verteilung von den für
sie abgegebenen Zweitstimmen, nicht von den Zweitstimmen für die an der Sperrklausel gescheiterten Partei-
en, die wegen Nichtteilnahme an der Sitzverteilung zu keinem Sitzerfolg führten.

7. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht entgegengehalten
werden, der Umstand, dass aufgrund der Sperrklausel eine hohe Zahl von Stimmen bei der Sitzverteilung
unberücksichtigt bleibe, befördere die Politikverdrossenheit der Wahlberechtigten. Unabhängig davon, ob
dies tatsächlich der Fall sei, habe sich der Gesetzgeber dazu entschieden, der Sicherung der Funktionsfähig-
keit des Parlaments Vorrang vor derartigen Erwägungen einzuräumen. Das Bundesverfassungsgericht erachte

Drucksache 18/1810 – 248 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

dies in ständiger Rechtsprechung für verfassungsrechtlich zulässig (siehe die Nachweise unter 1.). Ein wegen
Zersplitterung in kleine und kleinste Fraktionen nicht mehrheits- und handlungsfähiges Parlament, das zur
Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nicht in der Lage sei, wäre zudem in weit höherem Maße geeignet, Politikverdrossenheit zu för-
dern.

8. Aufgrund der verfassungskonformen Ausgestaltung der Fünf-Prozent-Sperrklausel im geltenden Bundes-
wahlgesetz sei der Wahlgesetzgeber auch nicht zur Einführung einer Alternativstimme („Eventualstimme“,
„Ersatzstimme“ bzw. „Stimmweitergabe-Option“) verpflichtet. Ergänzend sei darauf verwiesen, dass im
Schrifttum gegen die Einführung einer solchen Alternativstimme verfassungsrechtliche Bedenken geltend
gemacht würden: Eine Alternativstimme sei mit dem Charakter der Stimmabgabe als einer vorbehaltlosen
und bedingungsfeindlichen Willenserklärung nicht zu vereinbaren und verstoße daher gegen den Grundsatz
der Unmittelbarkeit der Wahl im Sinne des Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) und gegen
das Demokratieprinzip nach Artikel 20 Absatz 1 GG (so Strelen, in: Schreiber, Bundeswahlgesetz, 9. Auflage
2013, § 6 Rn. 37 sowie Schreiber, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: 43. Lfg.
April 2014, Art. 38 Rn. 40, 132). Überdies wäre die Gewährung einer Alternativstimme auch keine verfas-
sungspolitisch angezeigte Fortentwicklung des Wahlrechts. Sie würde das Stimmabgabeverfahren verkompli-
zieren, die Ermittlung des Wahlergebnisses wesentlich erschweren und verzögern und den Wähler von einer
eindeutigen politischen Entscheidung ohne Vorbehalt und Rückfallposition entpflichten (vgl. im Einzelnen
hierzu Strelen, in: Schreiber, § 6 Rn. 37).

9. Die Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Klausel sei schließlich auch nicht davon abhängig, dass Par-
teien, die jeweils mit einer eigenen Liste an der Bundestagswahl teilnehmen, ihre Landeslisten verbinden
dürften, um als Zählgemeinschaft die Sperrklausel zu überwinden. Derartige Listenverbindungen verschiede-
ner Parteien bei der Bundestagswahl seien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wegen
Verstoßes gegen den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit der Parteien verfas-
sungswidrig (BVerfGE 82, 322 [345 f.]). Eine derartige Listenverbindung würde allein dem Zweck dienen,
die verfassungslegitime Zielsetzung einer Fünf-Prozent-Sperrklausel, die Verhinderung einer Zersplitterung
des Parlaments, zu umgehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet. Dem Vortrag des Einspruchsführers lässt sich kein Verstoß
gegen Wahlrechtsvorschriften und damit kein Wahlfehler entnehmen.

Das Verfahren zur Auszählung der Stimmen und zur Verteilung der Sitze auf die Landeslisten der Parteien
bei der Bundestagswahl 2013 entsprach den Vorgaben des Bundeswahlgesetzes. Dieses regelt in § 6 Absatz 6
Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1, dass bei der Verteilung der Sitze auf die Landes-
listen nur Parteien berücksichtigt werden, die mindestens fünf Prozent der im Wahlgebiet abgegebenen gülti-
gen Zweitstimmen erhalten oder in mindestens drei Wahlkreisen einen Sitz errungen haben. Soweit der Ein-
spruchsführer geltend macht, die Sperrklausel sei verfassungswidrig, ist darauf hinzuweisen, dass der Wahl-
prüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsverfah-
rens die Verfassungsmäßigkeit der für die Wahl geltenden Rechtsvorschriften nicht überprüfen. Eine derarti-
ge Kontrolle ist stets dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten worden (vgl. etwa Bundestagsdrucksachen
16/1800, Anlagen 26 bis 28 mit weiteren Nachweisen; 17/1000, Anlagen 5 und 11; 17/2200, Anlagen 1, 13
bis 15, 17 bis 20, 23 und 24; 17/3100, Anlagen 15, 19, 20, 22 bis 30, 32, 34 bis 36; 17/4600, Anlagen 10, 12,
13, 32, 38, 40 bis 43 mit weiteren Nachweisen; 17/6300, Anlage 19). Allerdings hat der Wahlprüfungsaus-
schuss schon in zahlreichen Wahlprüfungsentscheidungen früherer Wahlperioden keinen Anlass für Zweifel
an der Verfassungsmäßigkeit der Regelung gesehen (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen 15/1850, Anlagen 9
und 47; 16/900, Anlage 14), zumal das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit der Sperrklausel
in ihrer Ausgestaltung durch das Bundeswahlgesetz in ständiger Rechtsprechung bestätigt hat (vgl. BVerfGE
1, 208 [247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366]; 95, 408
[417 ff.]; 120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.], siehe auch Bundestagsdrucksache 16/900,
Anlage 14). Es ist folglich verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass alle Parlamentssitze auf diejeni-
gen Parteien verteilt werden, welche die Fünf-Prozent-Hürde überwunden haben. Zwar kann nach der Recht-
sprechung des Bundesverfassungsgerichts die Sperrklausel durch veränderte Verhältnisse infrage gestellt
werden. Dies ist bezüglich der Bundestagswahl 2013 aber nicht der Fall, wie das Bundesministerium des

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 249 – Drucksache 18/1810

Innern – auch unter Bezugnahme auf die Urteile vom 9. November 2011 und 26. Februar 2014 – in seiner
Stellungnahme zutreffend feststellt: Dass nach dem amtlichen Endergebnis der Bundestagswahl 2013 insge-
samt 15,7 Prozent der gültigen Zweitstimmen nicht in die Mandatsverteilung eingeflossen sind, weil sie für
insgesamt 25 Parteien abgegeben wurden, die bundesweit weniger als fünf Prozent der Zweitstimmen erreicht
haben, ändert nichts an der vom Bundesverfassungsgericht festgestellten Verfassungskonformität der Fünf-
Prozent-Hürde. Zwar war der Anteil der gültigen, aber wegen der Sperrklausel nicht in die Sitzverteilung
eingeflossenen Zweitstimmen bei der Bundestagswahl 2013 höher als bei früheren Bundestagswahlen, da –
anders als bei vorhergehenden Wahlen – zwei Parteien jeweils fast fünf Prozent und zudem 23 weitere Par-
teien insgesamt 6,2 Prozent (für sich genommen aber teilweise weniger als 0,1 Prozent) erreicht haben. Je-
doch ist dieser Umstand nicht atypisch oder zuvor unbekannt gewesen. Es ist zudem durchaus möglich, dass
er bei kommenden Bundestagswahlen mit anderen Wahlergebnissen nicht (mehr) auftritt. Der Einzug neuer
Parteien in den Deutschen Bundestag wird, wie Beispiele aus der Geschichte der Bundesrepublik zeigen,
ohnehin nicht durch die Sperrklausel verhindert. Außerdem ist die Fünf-Prozent-Hürde auf das jeweilige
Ergebnis einer jeden Partei bezogen. Nur die konkrete Stimmenzahl jeder Partei kann der Ausgangspunkt der
Sitzverteilung auf die Landeslisten sein (vgl. § 6 Absatz 1 BWG) – übrigens auch dann, wenn man gedank-
lich die Sperrklausel streicht oder eine niedrigere Sperrklausel ansetzt –; erst im zweiten Schritt ist die Stim-
menzahl einer jeden Partei in Relation zu den Stimmenanteilen der anderen Parteien zu setzen (vgl. § 6 Ab-
sätze 2 bis 7 BWG). Die gedankliche Addition von Zweitstimmenanteilen kann folglich für die Fünf-Prozent-
Hürde keine Aussagekraft beanspruchen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 251 – Drucksache 18/1810

Anlage 38

Beschlussempfehlung

ZumWahleinspruch

des Herrn H. H., 80686 München,

– Az.: WP 158/13 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag
am 22. September 2013

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 26. Juni 2014 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit einem Fax vom 17. November 2013 Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl
zum 18. Deutschen Bundestag am 22. September 2013 eingelegt.

Er wendet sich gegen die Fünf-Prozent-Klausel. Für Bundestagswahlen gelte das Verhältniswahlrecht. Dies
bedeute, dass die einer Partei zugewiesene Anzahl von Parlamentssitzen ihrem Anteil an der Gesamtstim-
menzahl entsprechen müsse. Auf „wundersame“, aber verfassungswidrige Weise hätten sich die Stimmenan-
teile, bezogen auf die Sitzverteilung, jedoch vermehrt: Der Stimmenanteil der CDU von 34,1 Prozent habe zu
einem Sitzanteil von 40,4 Prozent geführt, der Stimmenanteil der SPD von 25,7 Prozent zu einem Sitzanteil
von 30,6 Prozent, der Stimmenanteil der Partei Die Linke von 8,6 Prozent Prozent zu einem Sitzanteil von
10,1 Prozent, der Stimmenanteil der Partei Bündnis 90/Die Grünen von 8,4 Prozent zu einem Sitzanteil von
10 Prozent und der Stimmenanteil der CSU von 7,4 Prozent zu einem Sitzanteil von 8,9 Prozent. Den fünf im
18. Deutschen Bundestag vertretenen Parteien seien insgesamt 99 Sitze zugeteilt worden, die ihnen nach dem
Wahlergebnis nicht zustünden, da sie nicht vom Wählerwillen gedeckt seien. Die CDU habe 40 Sitze „zu
viel“ erhalten, die SPD 31, Die Linke 10, Bündnis 90/Die Grünen 10 und die CSU acht. Diese „Fremdsitze“
beruhten auf der Fünf-Prozent-Klausel in § 6 Abs. 6 Satz 1, 1. Alternative des Bundeswahlgesetzes (BWG).
Wähler, die gültige Stimmen abgäben, würden dadurch um ihr Wahlrecht gebracht. Sie entschieden nur bei
der Beantwortung der Vorfrage mit, welche Parteien die Fünf-Prozent-Hürde überschritten. Vom entschei-
denden Teil der Wahl, bei dem die Stärkeverhältnisse der Parteien im Parlament festgelegt würden, seien sie
ausgeschlossen. Die für Parteien, die weniger als fünf Prozent der Zweitstimmen erreichten, abgegebenen
Stimmen würden vom Gesetzgeber in voller Absicht vernichtet. Sie kämen den großen Parteien, welche die
Fünf-Prozent-Hürde übersprängen, zugute. Die Fünf-Prozent-Klausel verletzte nicht nur das Grundrecht auf
Gleichheit und freie Ausübung des Wahlrechts, sondern auch den Grundsatz der Chancengleichheit für alle
Parteien. Denn wegen der Befürchtung, sie könne die Fünf-Prozent-Hürde nicht überwinden, wähle so man-
cher die eigene „Wunschpartei“ nicht. Die kleineren Parteien würden benachteiligt. Abhilfe sei nicht nur
verfassungsrechtlich geboten, sondern auch ohne allzu großen Mehraufwand möglich. Es genüge die Einfüh-
rung einer „Ersatz- oder Eventualstimme“, die dann zum Tragen komme, wenn die vorrangig angekreuzte
Partei die Fünf-Prozent-Hürde nicht überwinde. Das Bundesverfassungsgericht habe jedenfalls die angegrif-
fene Regelung noch nicht eingehend untersucht. Die Frage, ob Wähler vom entscheidenden Teil einer Wahl
ausgeschlossen werden dürften, sei vom Gericht noch nicht beantwortet worden.

Wegen der Einzelheiten des Vortrages des Einspruchsführers wird auf den Inhalt der Akten Bezug genom-
men.

Das Bundesministerium des Innern hat zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-
Sperrklausel am 16. Juni 2014 wie folgt Stellung genommen:

1. Das Bundesverfassungsgericht erachte in ständiger Rechtsprechung bei Wahlen zum Deutschen Bundestag
die heute in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG vorgesehene, auf

Drucksache 18/1810 – 252 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

das gesamte Wahlgebiet bezogene Fünf-Prozent-Sperrklausel für verfassungsgemäß (vgl. BVerfGE 1, 208
[247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366]; 95, 408 [417 ff.];
120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.]). Zuletzt habe das Gericht in seinem Urteil vom
9. Januar 2011 zur Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen entschieden, dass die Fünf-Prozent-
Sperrklausel bei der Wahl zum Deutschen Bundestag ihre Rechtfertigung im Wesentlichen darin finde, dass
die Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende
Unterstützung nötig sei und dieses Ziel durch die Zersplitterung des Parlaments in viele kleine Gruppen ge-
fährdet werde (BVerfGE 129, 300 [335 f.]). In der Entscheidung vom 26. Februar 2014 (2 BvE 2/13 u. a.) zur
Drei-Prozent-Sperrklausel im Europawahlrecht habe das Gericht erneut bestätigt, dass eine Sperrklausel ge-
rechtfertigt sein könne, wenn Verhältnisse wie auf nationaler Ebene gegeben sind, wo die Bildung einer
stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Unterstützung nötig
sei (ebd. Rn. 72).

Angesichts der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei der Wahlgesetzgeber verfas-
sungsrechtlich nicht daran gehindert, bei der Verteilung der zu vergebenden Sitze auf die Landeslisten bei der
Bundestagswahl grundsätzlich nur die Parteien zu berücksichtigen, die mindestens fünf Prozent der im Wahl-
gebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten haben (§ 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Ab-
satz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG). Es sei ihm mit anderen Worten von Verfassungs wegen unbenommen,
gültige Zweitstimmen, die auf Landeslisten von Parteien entfallen sind, die nicht die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben, zwar für die Ergebnisfeststellung als relevant zu werten (§ 42 BWG), nicht
aber für die Sitzverteilung. Der Wahlgesetzgeber dürfe also ohne Verstoß gegen Bundesverfassungsrecht alle
zu vergebenden Parlamentssitze auf die Landeslisten derjenigen Parteien verteilen, die die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben.

Im Interesse der Handlungsfähigkeit des Deutschen Bundestages habe der Wahlgesetzgeber bisher an der auf
das gesamte Wahlgebiet bezogenen Fünf-Prozent-Sperrklausel, die seit der Wahl zum 2. Deutschen Bundes-
tag 1953 gilt, festgehalten. Denn eine Wahl habe – wie das Bundesverfassungsgericht betone (vgl. BVerfGE
51, 222 [236]) – „nicht nur das Ziel, eine Volksvertretung zu schaffen, die ein Spiegelbild der in der Wähler-
schaft vorhandenen politischen Meinungen darstellt, sondern sie soll auch ein funktionsfähiges Organ her-
vorbringen.“ Hierfür seien „(k)lare und ihrer Verantwortung für das Gesamtwohl bewusste Mehrheiten in
einer Volksvertretung (…) für eine Bewältigung der ihr gestellten Aufgaben unentbehrlich“, die durch einen
unbegrenzten Proporz nicht gewährleistet sind.

2. Zwar könne nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die verfassungsrechtliche Rechtfer-
tigung einer die Wahlgleichheit berührenden Norm des Wahlrechts wie eine Sperrklauselregelung durch ver-
änderte Verhältnisse oder neue Entwicklungen – etwa durch eine Änderung der vom Gesetzgeber vorausge-
setzten tatsächlichen oder normativen Grundlagen oder wenn sich die beim Erlass der Norm hinsichtlich ihrer
Auswirkungen angestellte Prognose als irrig erwiesen habe – in Frage gestellt werden (BVerfGE 82, 322
[338 f.]; 120, 82 [108]; 129, 300 [321 f.]; Urteil vom 26. Februar 2014, Az. 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 56). Dies
sei im Hinblick auf die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen jedoch nicht der Fall.

Eine Änderung der normativen Grundlagen für die Beurteilung der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundes-
tagswahlen, die das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung als verfassungsgemäß angesehen
habe, sei nicht festzustellen. Insbesondere führten das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
9. November 2011 zur Verfassungswidrigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen (BVerfGE
129, 300) und sein Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Sperrklausel im
Europawahlgesetz (2 BvE 2/13 u. a.) nicht zu einer abweichenden Bewertung. Das Bundesverfassungsgericht
begründe die Verfassungswidrigkeit der Sperrklauseln bei Europawahlen in diesen Urteilen mit der besonde-
ren Stellung und Funktion des Europäischen Parlaments im Gefüge der Organe der Europäischen Union, wo
eine vergleichbare Interessenlage wie bei der Bundestagswahl nicht bestehe (BVerfGE 129, 300 [336]). Auch
in seinem Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Klausel im Europawahl-
gesetz halte das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich an der gefestigten Rechtsprechung zum verfassungs-
rechtlichen Maßstab für die Beurteilung wahlrechtlicher Sperrklauseln fest und lege – wie es mehrfach beto-
ne – seinem Urteil die gleichen Prüfungsmaßstäbe wie im Urteil vom 9. November 2011 zugrunde (Az. 2
BvE 2/13 u. a., Rn. 37, 45, 63). In beiden Urteilen weise das Gericht zudem darauf hin, dass bei der Bundes-
tagswahl – anders als bei der Europawahl – der Deutsche Bundestag im Falle einer eintretenden Funktionsbe-
einträchtigung aufgrund seiner veränderten strukturellen Zusammensetzung nicht mehr in der Lage wäre, die

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 253 – Drucksache 18/1810

gesetzlichen Regelungen zur Sicherung seiner Funktionsfähigkeit zu ändern, weil die erforderliche Mehrheit
nicht mehr zustande käme (BVerfGE 129, 300 [324]; Urteil vom 26. Februar 2014, 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 58).

3. Auch in tatsächlicher Hinsicht erfordere das Wahlergebnis der Bundestagswahl 2013, bei der zwei Parteien
mit einem Stimmenanteil von 4,8 Prozent bzw. 4,7 Prozent der Zweitstimmen vergleichsweise knapp an der
Fünf-Prozent-Klausel gescheitert seien, keine Neubewertung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der
Klausel. Der Gesetzgeber habe sich für die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen entschieden und
diese bis heute beibehalten, um in Konstellationen, in denen eine oder mehrere Parteien weniger als fünf
Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, die Funktionsfähigkeit des Bundestages sicherzustellen. Wenn eine
solche Konstellation bei einer Wahl – wie nun der Bundestagswahl 2013 – tatsächlich auftrete, liege gerade
nicht der Fall vor, dass sich eine Prognose des Gesetzgebers als irrig erwiesen habe oder dass eine Änderung
der vom Gesetzgeber vorausgesetzten tatsächlichen Verhältnisse eingetreten sei, sondern es habe sich ledig-
lich ein Szenario realisiert, das der Gesetzgeber mit seiner Regelung von vornherein habe erfassen wollen.
Auch das Bundesverfassungsgericht habe die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen in Kenntnis
des Umstands, dass an ihr nicht nur Parteien mit einem niedrigen Stimmenanteil zwischen null und zwei
Prozent der Zweitstimmen, sondern auch Parteien mit einem Stimmenanteil knapp unter fünf Prozent schei-
tern können, in ständiger Rechtsprechung als verfassungsmäßig angesehen (siehe die Nachweise unter 1.).

Die bei der Bundestagswahl 2013 aufgetretene hohe Gesamtzahl von abgegebenen gültigen Zweitstimmen
für Parteien, die die Fünf-Prozent-Sperrklausel nicht überwunden haben, sei kein Grund, das Vorliegen ver-
änderter Verhältnisse bzw. neuer Entwicklungen anzunehmen, die eine Neubewertung der verfassungsrecht-
lichen Zulässigkeit der Sperrklausel erforderten. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Sperrklausel sei
nicht von der Gesamtzahl der Stimmen für diejenigen Parteien abhängig, die die Sperrklausel bei einer ein-
zelnen Wahl nicht überwinden. Die Sperrklausel rechtfertige sich vielmehr durch den mit ihr verfolgten ver-
fassungsrechtlich legitimen Zweck, die Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages sicherzustellen (siehe
die Nachweise unter 1.). Sie erfülle ihren Zweck gerade dann, wenn viele an der Wahl teilnehmende Parteien
die Sperrklausel nicht überwinden, aber ohne Sperrklausel Sitze im Parlament erlangt hätten, da auf diese
Weise eine die stabile Mehrheitsbildung gefährdende Zersplitterung des Bundestages vermieden werde.

4. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel stehe nicht entgegen, dass eine
hohe Zahl von Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die aufgrund der Sperrklausel nicht an der Sitzvertei-
lung teilnehmen, eine absolute Mehrheit der Sitze für Parteien ermögliche, die bei der Wahl deutlich weniger
als der Hälfte der Stimmen erreicht haben. Das Erreichen einer Mehrheit der Sitze im Parlament sei immer
mit weniger als der Hälfte der gültigen Zweitstimmen möglich. Denn auch ohne Sperrklausel erhalte nicht
jede Partei, für die bei der Wahl gültige Stimmen abgegeben wurden, automatisch einen Sitz. Da für einen
Sitz auch ohne Sperrklausel stets eine bestimmte Zahl von Stimmen erforderlich sei, führten nicht alle Stim-
men zu einem Sitzerfolg und darum weniger als 50 Prozent der gültigen Zweitstimmen zu einer Mehrheit der
Sitze. Ein Verfassungsrechtssatz des Inhalts, dass einer Mehrheit der Mitglieder des Bundestages notwendi-
gerweise eine Mehrheit der Zweitstimmen in der Bundestagswahl entsprechen müsse, sei nicht feststellbar.
Wenn aber eine Partei in einer Wahl eine absolute Mehrheit der Zweitstimmen erhalte, sei gesichert, dass auf
sie mehr als die Hälfte der Sitze entfalle (§ 6 Absatz 7 BWG).

5. Gegen die Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht vorgebracht werden, sie verhindere bzw. erschwere
in übermäßiger Weise die Entstehung oder Etablierung neuer Parteien und schränke dadurch in unzulässiger
Weise die Chancengleichheit der Parteien ein. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Chancengleichheit
der Parteien verlange nicht, dass jeder Partei, die bei der Bundestagswahl Stimmen erhalte, Sitze im Bundes-
tag garantiert seien. Jede Partei habe rechtlich die gleiche Chance auf Teilnahme an der Sitzverteilung bei
Überwindung der Sperrklausel. Wenn eine Partei die für alle geltende Sperrklausel nicht überwinde, so sei
dies Resultat zu geringer Zustimmung in der Wählerschaft und gerade nicht ungleicher Chancen, denn die
unterschiedliche Gewichtung des Erfolgswerts von Wahlstimmen durch eine Sperrklausel treffe alle Parteien
gleichermaßen (vgl. BVerfGE 82, 322 [345]).

Dass die Fünf-Prozent-Sperrklausel die Entstehung und Etablierung neuer Parteien nicht verhindere oder
übermäßig erschwere, zeige der Einzug in die Parlamente auch neuer Parteien in den vergangenen Jahren bei
Bundestagswahlen und Landtagswahlen, bei denen nach Landesrecht ebenfalls Fünf-Prozent-Sperrklauseln
bestünden. Die Sperrklauseln trügen zu einem Mindestmaß an Konsolidierung neuer Parteien bei, indem sie
eine funktionierende Organisation und eine hinreichende Kampagnenfähigkeit der Partei erforderlich mach-
ten, um einen erfolgreichen Wahlkampf zu führen, der den Einzug ins Parlament ermögliche. Auch das Bun-

Drucksache 18/1810 – 254 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

desverfassungsgericht sehe in ständiger Rechtsprechung in der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestags-
wahlen keinen verfassungswidrigen Eingriff in die Chancengleichheit der Parteien (siehe die Nachweise un-
ter 1.).

6. Die Fünf-Prozent-Sperrklausel habe nicht zur Folge, dass die Parteien, die die Sperrklausel überwunden
haben und deshalb an der Sitzverteilung teilnehmen, von den Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die an
der Sperrklausel gescheitert sind und somit nicht an der Sitzverteilung teilnehmen, profitierten und die Wäh-
ler bei der Stimmabgabe nicht erkennen könnten, welche Partei letztlich tatsächlich von ihrer Zweitstimme
profitiere. Von der Zweitstimme für eine Partei profitiere stets die Partei, für die die Stimme abgegeben wor-
den sei. Wenn eine Partei aufgrund eines zur Überwindung der Sperrklausel nicht ausreichenden Zuspruchs
in der Wählerschaft nicht an der Sitzverteilung teilnehme, würden die zu vergebenden Sitze auf die Parteien
verteilt, die die Sperrklausel überwunden haben. Diese Parteien profitierten bei dieser Verteilung von den für
sie abgegebenen Zweitstimmen, nicht von den Zweitstimmen für die an der Sperrklausel gescheiterten Partei-
en, die wegen Nichtteilnahme an der Sitzverteilung zu keinem Sitzerfolg führten.

7. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht entgegengehalten
werden, der Umstand, dass aufgrund der Sperrklausel eine hohe Zahl von Stimmen bei der Sitzverteilung
unberücksichtigt bleibe, befördere die Politikverdrossenheit der Wahlberechtigten. Unabhängig davon, ob
dies tatsächlich der Fall sei, habe sich der Gesetzgeber dazu entschieden, der Sicherung der Funktionsfähig-
keit des Parlaments Vorrang vor derartigen Erwägungen einzuräumen. Das Bundesverfassungsgericht erachte
dies in ständiger Rechtsprechung für verfassungsrechtlich zulässig (siehe die Nachweise unter 1.). Ein wegen
Zersplitterung in kleine und kleinste Fraktionen nicht mehrheits- und handlungsfähiges Parlament, das zur
Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nicht in der Lage sei, wäre zudem in weit höherem Maße geeignet, Politikverdrossenheit zu för-
dern.

8. Aufgrund der verfassungskonformen Ausgestaltung der Fünf-Prozent-Sperrklausel im geltenden Bundes-
wahlgesetz sei der Wahlgesetzgeber auch nicht zur Einführung einer Alternativstimme („Eventualstimme“,
„Ersatzstimme“ bzw. „Stimmweitergabe-Option“) verpflichtet. Ergänzend sei darauf verwiesen, dass im
Schrifttum gegen die Einführung einer solchen Alternativstimme verfassungsrechtliche Bedenken geltend
gemacht würden: Eine Alternativstimme sei mit dem Charakter der Stimmabgabe als einer vorbehaltlosen
und bedingungsfeindlichen Willenserklärung nicht zu vereinbaren und verstoße daher gegen den Grundsatz
der Unmittelbarkeit der Wahl im Sinne des Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) und gegen
das Demokratieprinzip nach Artikel 20 Absatz 1 GG (so Strelen, in: Schreiber, Bundeswahlgesetz, 9. Auflage
2013, § 6 Rn. 37 sowie Schreiber, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: 43. Lfg.
April 2014, Art. 38 Rn. 40, 132). Überdies wäre die Gewährung einer Alternativstimme auch keine verfas-
sungspolitisch angezeigte Fortentwicklung des Wahlrechts. Sie würde das Stimmabgabeverfahren verkompli-
zieren, die Ermittlung des Wahlergebnisses wesentlich erschweren und verzögern und den Wähler von einer
eindeutigen politischen Entscheidung ohne Vorbehalt und Rückfallposition entpflichten (vgl. im Einzelnen
hierzu Strelen, in: Schreiber, § 6 Rn. 37).

9. Die Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Klausel sei schließlich auch nicht davon abhängig, dass Par-
teien, die jeweils mit einer eigenen Liste an der Bundestagswahl teilnehmen, ihre Landeslisten verbinden
dürften, um als Zählgemeinschaft die Sperrklausel zu überwinden. Derartige Listenverbindungen verschiede-
ner Parteien bei der Bundestagswahl seien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wegen
Verstoßes gegen den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit der Parteien verfas-
sungswidrig (BVerfGE 82, 322 [345 f.]). Eine derartige Listenverbindung würde allein dem Zweck dienen,
die verfassungslegitime Zielsetzung einer Fünf-Prozent-Sperrklausel, die Verhinderung einer Zersplitterung
des Parlaments, zu umgehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet. Dem Vortrag des Einspruchsführers lässt sich kein Verstoß
gegen Wahlrechtsvorschriften und damit kein Wahlfehler entnehmen.

Der Einspruchsführer bestreitet nicht, dass das Verfahren zur Auszählung der Stimmen und zur Verteilung
der Sitze auf die Landeslisten der Parteien bei der Bundestagswahl 2013 den Vorgaben des Bundeswahlge-
setzes entsprach. Dieses regelt heute in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternati-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 255 – Drucksache 18/1810

ve 1, dass bei der Verteilung der Sitze auf die Landeslisten nur Parteien berücksichtigt werden, die mindes-
tens fünf Prozent der im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten oder in mindestens drei
Wahlkreisen einen Sitz errungen haben. Die Sperrklausel führt – anders als der Einspruchsführer meint –
nicht zu „Fremdsitzen“, denn den Parteien, die unterhalb der Fünf-Prozent-Hürde bleiben, stehen aufgrund
ihres Wahlergebnisses keine Sitze zu. Soweit der Einspruchsführer geltend macht, die Sperrklausel verstoße
gegen die Grundsätze der Gleichheit und der Freiheit der Wahl sowie gegen den den Grundsatz der Chancen-
gleichheit der Parteien und sei daher verfassungswidrig, ist darauf hinzuweisen, dass der Wahlprüfungsaus-
schuss und der Deutsche Bundestag in ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens die Ver-
fassungsmäßigkeit der für die Wahl geltenden Rechtsvorschriften nicht überprüfen. Eine derartige Kontrolle
ist stets dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten worden (vgl. etwa Bundestagsdrucksachen 16/1800,
Anlagen 26 bis 28 mit weiteren Nachweisen; 17/1000, Anlagen 5 und 11; 17/2200, Anlagen 1, 13 bis 15, 17
bis 20, 23 und 24; 17/3100, Anlagen 15, 19, 20, 22 bis 30, 32, 34 bis 36; 17/4600, Anlagen 10, 12, 13, 32, 38,
40 bis 43 mit weiteren Nachweisen; 17/6300, Anlage 19). Allerdings hat der Wahlprüfungsausschuss schon
in zahlreichen Wahlprüfungsentscheidungen früherer Wahlperioden keinen Anlass für Zweifel an der Verfas-
sungsmäßigkeit der Regelung gesehen (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen 15/1850, Anlagen 9 und 47;
16/900, Anlage 14), zumal das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit der Sperrklausel in ihrer
Ausgestaltung durch das Bundeswahlgesetz in ständiger Rechtsprechung bestätigt hat (vgl. BVerfGE 1, 208
[247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366]; 95, 408 [417 ff.];
120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.], siehe auch Bundestagsdrucksache 16/900, Anlage 14).
Es ist folglich verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass alle Parlamentssitze auf diejenigen Parteien
verteilt werden, welche die Fünf-Prozent-Hürde überwunden haben. Zwar kann nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts die Sperrklausel durch veränderte Verhältnisse infrage gestellt werden. Dies ist
bezüglich der Bundestagswahl 2013 aber nicht der Fall, wie das Bundesministerium des Innern – auch unter
Bezugnahme auf die Urteile vom 9. November 2011 und 26. Februar 2014 – in seiner Stellungnahme zutref-
fend feststellt: Dass nach dem amtlichen Endergebnis der Bundestagswahl 2013 insgesamt 15,7 Prozent der
gültigen Zweitstimmen nicht in die Mandatsverteilung eingeflossen sind, weil sie für insgesamt 25 Parteien
abgegeben wurden, die bundesweit weniger als fünf Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, ändert nichts
an der vom Bundesverfassungsgericht festgestellten Verfassungskonformität der Fünf-Prozent-Hürde. Zwar
war der Anteil der gültigen, aber wegen der Sperrklausel nicht in die Sitzverteilung eingeflossenen Zweit-
stimmen bei der Bundestagswahl 2013 höher als bei früheren Bundestagswahlen, da – anders als bei vorher-
gehenden Wahlen – zwei Parteien jeweils fast fünf Prozent und zudem 23 weitere Parteien insgesamt 6,2
Prozent (für sich genommen aber teilweise weniger als 0,1 Prozent) erreicht haben. Jedoch ist dieser Um-
stand nicht atypisch oder zuvor unbekannt gewesen. Es ist zudem durchaus möglich, dass er bei kommenden
Bundestagswahlen mit anderen Wahlergebnissen nicht (mehr) auftritt. Der Einzug neuer Parteien in den
Deutschen Bundestag wird, wie Beispiele aus der Geschichte der Bundesrepublik zeigen, ohnehin nicht durch
die Sperrklausel verhindert. Außerdem ist die Fünf-Prozent-Hürde auf das jeweilige Ergebnis einer jeden
Partei bezogen. Nur die konkrete Stimmenzahl jeder Partei kann der Ausgangspunkt der Sitzverteilung auf
die Landeslisten sein (vgl. § 6 Absatz 1 BWG) – übrigens auch dann, wenn man gedanklich die Sperrklausel
streicht oder eine niedrigere Sperrklausel ansetzt –; erst im zweiten Schritt ist die Stimmenzahl einer jeden
Partei in Relation zu den Stimmenanteilen der anderen Parteien zu setzen (vgl. § 6 Absätze 2 bis 7 BWG).
Die gedankliche Addition von Zweitstimmenanteilen kann folglich für die Fünf-Prozent-Hürde keine Aussa-
gekraft beanspruchen.

Das vom Einspruchsführer befürwortete Konzept einer Eventualstimme (Alternativstimme, Ersatzstimme)
wäre – wenn es Gesetz würde – verfassungwidrig. Die Einführung einer Eventualstimme verstieße gegen den
Grundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl im Sinne des Artikels 38 Absatz 1 Satz 1 GG und gegen das Demo-
kratieprinzip in Art. 20 Absatz 1 GG (vgl. nur Strelen, in: Schreiber, § 6 Rn. 37).

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 257 – Drucksache 18/1810

Anlage 39

Beschlussempfehlung

ZumWahleinspruch

1. der Frau J. B., 66386 St. Ingbert,
2. des Herrn H. D., ebenda,

3. des Herrn N. K., 66333 Völklingen,
4. der Frau G. M., 66121 Saarbrücken,

5. des Herrn P. M., ebenda,
6. der Vereinigung „Nationaldemokratische Partei Deutschlands“ (NPD), 12555 Berlin,

7. des Herrn H. R., 66386 St. Ingbert,
8. des Herrn P. R., 66121 Saarbrücken,
9. der Frau I. W., 66564 Ottweiler,

10. der Frau J. W., ebenda,
vertreten durch Herrn Rechtsanwalt P. R., 66121 Saarbrücken,

– Az.: WP 159/13 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag
am 22. September 2013

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 26. Juni 2014 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Die Einspruchsführer haben mit einem Schreiben ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 18. November 2013
Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag am 22. September 2013 eingelegt
und ihren Vortrag mit einem Fax vom 22. November 2013 erweitert.

Sie meinen, es lägen mehrere mandatsrelevante Wahlfehler vor:

1. Ein Wahlfehler liege darin, dass von staatlicher Seite massiv in den laufenden Bundestagswahlkampf ein-
gegriffen und die Grundsätze der Freiheit und Gleichheit der Wahl gemäß Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 des
Grundgesetzes (GG) verletzt worden seien, insbesondere zum Nachteil der Einspruchsführerin zu 6.

a) In Hessen sei der Wahlkampf der Einspruchsführerin zu 6. dadurch behindert worden, dass die Bürger-
meister der Städte Bad Hersfeld, Gießen und Butzbach rechtswidrig Plakate mit der Aufschrift „Geld für die
Oma, statt für Sinti und Roma“ hätten abhängen lassen, weil sie diese für volksverhetzend, diskriminierend
und menschenverachtend gehalten hätten. Zudem habe die Landeshauptstadt Wiesbaden die Erteilung einer
Sondernutzungserlaubnis für die Plakatierung rechtswidrigerweise von der vorherigen Vorlage eines
Haftpflichtversicherungsnachweises abhängig gemacht. Zwar seien die Städte Bad Hersfeld und Gießen
durch die Verwaltungsgerichte dazu verpflichtet worden, die Plakate wieder aufzuhängen, und habe die Stadt
Butzbach während eines einstweiligen Anordnungsverfahrens erklärt, die Plakate freiwillig wieder aufzuhän-
gen. Jedoch seien die Plakate der Einspruchsführerin zu 6. tagelang abgehängt gewesen und hätten keine
Werbewirkung mehr erzielen können. Gleichzeitig sei bei den Wählern über längere Zeit der Eindruck ent-
standen, die Einspruchsführerin zu 6. habe volksverhetzende Plakate aufgehängt und sei daher eine Partei, die
sich nicht an die Gesetze halte. Gleiches gelte in Wiesbaden, wo die Sondernutzungserlaubnis erst unmittel-
bar vor dem Wahltag beim Verwaltungsgerichtshof (VGH) Kassel habe erstritten werden können und selbst
nach dem stattgebenden VGH-Beschluss noch die Zwangsvollstreckung habe eingeleitet werden müssen,
weil die Stadt die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis verweigert habe, obwohl die vom VGH geforderte
Sicherheitsleistung in Höhe von 10 000 Euro von der Einspruchsführerin zu 6. in bar angeboten worden sei.
Die Sondernutzungserlaubnis habe erst am Abend des 18. September 2013 vorgelegen, so dass eine erfolgs-
versprechende Wahlsichtwerbung nicht mehr möglich gewesen sei. Dies wiege umso schwerer, als Wiesba-

Drucksache 18/1810 – 258 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

den die hessische Landeshauptstadt sei. Für eine politische Partei, welche mangels Präsenz in den Medien
ausschließlich auf Wahlsichtwerbung angewiesen sei, stellten derartige Behinderungen einen massiven Ein-
griff in die Gleichheit der Wahl dar, zumal andere Parteien mit derartigen Problemen nicht zu kämpfen ge-
habt hätten. Dass das eigenhändige Abhängen rechtswidrig gewesen sei und einen Wahlfehler darstelle, hät-
ten das Verwaltungsgericht Kassel und das Verwaltungsgericht Gießen rechtskräftig festgestellt.

b) Eine weitere Behinderung des Wahlkampfes der Einspruchsführerin zu 6. sei darin zu sehen, dass im Vor-
feld der Bundestagswahl und der hessischen Landtagswahl mehrere Bürgermeister bzw. Landräte gegen ihre
Pflicht zur parteipolitischen Neutralität verstoßen hätten. So habe die Oberbürgermeisterin der Stadt Gießen
in einem Zeitungsbericht vom 10. September 2013 ein Verbot der Einspruchsführerin zu 6. gefordert und ihr
ohne jede Tatsachengrundlage unterstellt, sie halte sich nicht an Gesetze und habe an einem fairen demokrati-
schen Wettbewerb kein Interesse. Diese Äußerungen seien der Oberbürgermeisterin durch den VGH Kassel
zwar einstweilen untersagt, aber erst einmal öffentlich verbreitet worden und seien geeignet gewesen, die
Einspruchsführerin zu 6. bei den Wählern verächtlich zu machen.

Der Landrat des Wetteraukreises habe am 20. September 2013 auf der offiziellen Homepage des Kreises
einen Wahlaufruf veröffentlicht, in dem er dazu aufgerufen habe, keine extremistischen Parteien – zu denen
auch die Einspruchsführerin zu 6. gezählt werde – zu wählen. Er habe so zulasten der Partei in den Wahl-
kampf eingegriffen.

Der Oberbürgermeister von Hanau habe am 14. September 2013 an einer Kundgebung gegen eine Versamm-
lung der Einspruchsführerin zu 6. in Hanau teilgenommen und gegen die Einspruchsführerin zu 6. Stellung
bezogen.

Alle diese „Maßnahmen“ seien rechtswidrig und damit unzulässig gewesen. Der Meinungswettbewerb der
Parteien dürfe – wie sich aus dem Grundsatz der Freiheit der Wahl ergebe – nicht durch staatliche Interventi-
onen beeinflusst oder verfälscht werden, namentlich nicht durch Publikationen, Berichte oder Äußerungen
von Vertretern des Staates zugunsten oder zulasten bestimmter politischer Parteien. Dies habe das Bundes-
verfassungsgericht in einer Entscheidung vom 2. März 1977 festgestellt. Rechtsprechung von Landesverfas-
sungsgerichten und Verwaltungsgerichten bestätige dies. Außerdem fehle den Akteuren die Zuständigkeit,
um in amtlicher Eigenschaft Parteiverbote zu fordern, an Gegendemonstrationen teilzunehmen oder Wahlauf-
rufe zu veröffentlichen. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn die handelnden Personen als Privatleute
gehandelt hätten, was aber vorliegend nicht der Fall gewesen sei.

c) Eine unzulässige Behinderung des Wahlkampfs der Einspruchsführerin zu 6. liege zudem darin, dass der
katholische Bischof des Bistums Dresden-Meißen und der Landesbischof der Evangelischen Landeskirche
Sachsen am 16. September 2013 im Internet einen Wahlaufruf veröffentlicht hätten, demzufolge die Ein-
spruchsführerin zu 6. für Christen nicht wählbar sei. Die Kirchen als Körperschaften des öffentlichen Rechts
seien der staatlichen Sphäre zuzurechnen. Es gelte daher das Vorgesagte zu den kommunalen Wahlbeamten
entsprechend. Aus dem Grundsatz der Glaubensfreiheit ergebe sich nichts anderes, weil dieser nur in sakralen
Angelegenheiten und Glaubensfragen gelte. Wahlaufrufe seien aber eine tagespolitische Angelegenheit und
hätten mit Glaubensfragen nichts zu tun. Wenn eine öffentlich-rechtliche Körperschaft – wie die beiden gro-
ßen Kirchen – außerhalb ihres originären Aufgabenfeldes tätig werde, müsse sie sich an den für den Staat
generell geltenden Maßstäben messen lassen, vorliegend also an der Pflicht zur parteipolitischen Neutralität.

d) Eine Behinderung des Wahlkampfes der Einspruchsführerin zu 6. liege auch in Folgendem: Der Bundes-
präsident habe an einer Gesprächsrunde mit Erstwählern des Oberstufenzentrums Berlin-Hellersdorf teilge-
nommen, bei der auch die Proteste der Einspruchsführerin zu 6. vor dem Hellersdorfer Heim für Asylbewer-
ber und Flüchtlinge thematisiert worden seien. Der Bundespräsident habe nach einem Bericht eines Online-
Dienstes Demonstrationen gegen die Einspruchsführerin zu 6. begrüßt und unter anderem gesagt: „Wir brau-
chen Bürger, die auf die Straße gehen und den Spinnern ihre Grenzen aufweisen. Dazu sind Sie alle aufge-
fordert.“ Hierin liege eine verfassungswidrige staatliche Einflussnahme auf einen laufenden Bundestags-
wahlkampf und damit ein schwerwiegender Verstoß gegen die Grundsätze der Gleichheit und Freiheit der
Wahl. Die Äußerungen des Bundespräsidenten seien schon deshalb rechtswidrig, weil sie außerhalb von des-
sen verfassungsrechtlicher Zuständigkeit getätigt worden seien. Der Bundespräsident unterliege im Vergleich
zur Exekutive einer deutlich gesteigerten Pflicht zur parteipolitischen Neutralität. Er, der besonderen Respekt
genieße, dürfe nicht grundrechtsrelevante Warnungen vor namentlich genannten Parteien und schon gar nicht
in der „heißen Phase“ des Bundestagswahlkampfes sowie noch dazu vor einem Publikum, das sich ganz

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 259 – Drucksache 18/1810

überwiegend aus Erstwählern rekrutiere, aussprechen. Wenn auch der Bundespräsident nicht zu Gewalt auf-
gerufen habe, habe er sich aber doch nicht ausdrücklich von gewaltbereiten Gegendemonstranten distanziert.

2. Die Einspruchsführer wenden sich außerdem gegen die Fünf-Prozent-Hürde. Diese sei jedenfalls in ihrer
gegenwärtigen Ausgestaltung verfassungswidrig und nichtig, was mandatsrelevant sei. Die Fünf-Prozent-
Hürde bewirke eine Ungleichgewichtung der Stimmen hinsichtlich ihres Erfolgswerts. Die Stimmen, welche
für Parteien abgegeben worden seien, welche mindestens fünf Prozent der Stimmen erreicht hätten, hätten
unmittelbaren Einfluss auf die Sitzverteilung nach dem Verhältnisausgleich. Hingegen hätten die Stimmen
für an der Fünf-Prozent-Hürde gescheiterte Parteien keinen Einfluss auf die Sitzverteilung. Dieser Grund-
rechtseingriff sei verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt. Zwar stelle die Sicherung der Funktionsfähigkeit
des Parlaments einen zwingenden Grund dar, welcher die Wahlrechtsgleichheit und dem Recht der politi-
schen Parteien auf Chancengleichheit die Waage halten könne und folglich grundsätzlich geeignet sei, die
Einführung einer Sperrklausel zu rechtfertigen. Dies setze jedoch voraus, dass die Sperrklausel geeignet,
erforderlich und angemessen sei, um mit einiger Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Funktionsbeeinträchti-
gungen des jeweiligen Parlaments wirksam zu begegnen, wobei bei der Prüfung dieser Frage ein strikter
verfassungsrechtlicher Maßstab anzulegen sei und dem Gesetzgeber nur ein eng bemessener Gestaltungs-
spielraum verbleibe. Nur die mit einiger Wahrscheinlichkeit zu erwartende Beeinträchtigung der Funktions-
fähigkeit der Vertretungsorgane könne nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Erforder-
lichkeit einer Fünf-Prozent-Sperrklausel begründen. Nach diesen verfassungsrechtlichen Maßstäben erweise
sich die Sperrklausel in § 6 Absatz 3 des Bundeswahlgesetzes (BWG) jedenfalls als unverhältnismäßig. Die
Fünf-Prozent-Hürde trage auf der Bundesebene durchaus dazu bei, eine übermäßige Parteienzersplitterung im
Deutschen Bundestag zu verhindern, weshalb wohl nicht gänzlich auf sie verzichtet werden könne. Ihre Höhe
sei jedoch gerade angesichts des Ergebnisses der angegriffenen Wahl zu hinterfragen. Es sei verfassungs-
rechtlich geboten, die Höhe der Sperrklausel zu reduzieren. Warum es der Demokratie nützen solle, wenn
Parteien wie die FDP und die Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD), die sehr viele Stimmen erhalten
hätten und nur knapp an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert seien, mittels Sperrklauseln aus dem Parlament
ferngehalten würden, erschließe sich nicht. Zudem würden unter Geltung einer Ein-Prozent-Sperrklausel nur
fünf weitere Parteien in den Deutschen Bundestag einziehen, wobei eine davon bis vor Kurzem noch dort
vertreten gewesen sei. Bei einer Drei-Prozent-Sperrklausel käme neben der FDP nur eine weitere Partei zu-
sätzlich ins Parlament. Der Einzug so weniger Parteien dürfte keine „Weimarer Verhältnisse“ im Parlament
heraufbeschwören. Ferner habe die unverhältnismäßige Höhe der Sperrklausel bei der angegriffenen Wahl
zusätzlich Probleme demokratiepolitischer Art geschaffen. Die im Deutschen Bundestag vertretene Oppositi-
on sei durch die Sperrklausel künstlich verkleinert worden, wodurch ihre Kontrollbefugnisse erschwert und
die Macht der Regierungskoalition vergrößert würden. Der durch die Sperrklausel ohnehin schon bewirkte
Erfolgswertunterschied der Stimmen werde auf diese Weise signifikant erhöht, was nicht zuletzt unter dem
Gesichtspunkt des Minderheitenschutzes höchst problematisch sei. Unabhängig von der Höhe der Sperrklau-
sel sei zu beanstanden, dass der Gesetzgeber bislang keine Alternativstimme vorsehe. Mit einer solchen Vor-
gehensweise könnte der Eingriff in die Erfolgswertgleichheit der Stimmen auf ein verfassungsrechtlich gebo-
tenes Minimum reduziert werden.

3. Die Einspruchsführer beantragen die Erstattung ihrer notwendigen Auslagen aus der Staatskasse.

Wegen der Einzelheiten des Vortrages der Einspruchsführer wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Der Landeswahlleiter für Hessen hat zu dem Einspruch, soweit sein Zuständigkeitsbereich betroffen ist, am
24. Februar 2014 im Wesentlichen wie folgt Stellung genommen:

Nach einem Schreiben und einer E-Mail des Magistrats der Stadt Bad Hersfeld vom 28. Januar bzw. 10. Feb-
ruar 2014 seien in Bad Hersfeld neun Plakate der Einspruchsführerin zu 6. mit der Aufschrift „Geld für die
Oma statt für Sinti und Roma“ am 27. August 2013 abgehängt und nach der verwaltungsgerichtlichen Ver-
pflichtung zur Wiederaufhängung durch Beschluss des Verwaltungsgerichts Kassel vom 9. September 2013
am 11. September 2013 wieder an ihrem ursprünglichen Standort aufgehängt worden; alle anderen im Stadt-
gebiet aufgehängten Plakate der NPD seien nicht betroffen gewesen. Die genaue Zahl sei nicht bekannt; nach
Schätzung der Stadt Bad Hersfeld seien es aber ca. 100 Plakate gewesen. Die Stadt Bad Hersfeld begründe
ihre ordnungsrechtliche Verfügung zum Abhängen der Plakate damit, dass nach ihrer Auffassung die Plakate
den Tatbestand der Volksverhetzung nach § 130 StGB und der Beleidigung nach § 185 StGB erfüllt hätten.
Die Einspruchsführerin zu 6. habe durch das Abhängen der Plakate eine bundesweite mediale Aufmerksam-
keit erlangt und sie habe anlässlich einer Kundgebung in Bad Hersfeld auch ihre Kritik äußern können.

Drucksache 18/1810 – 260 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Der Wetteraukreis habe mit einer E-Mail vom 29. Januar 2014 mitgeteilt, dass von insgesamt 220 Plakaten
der Einspruchsführerin zu 6. im Stadtgebiet von Butzbach 18 Plakate aufgrund der Aufschrift „Geld für die
Oma statt für Sinti und Roma“ am 6. September 2013 abgehängt worden seien; diese Plakate seien vor einer
gerichtlichen Entscheidung am 9. September 2013 wieder angebracht worden.

Die Kreiswahlleiterin des Bundestagswahlkreises 173 (Gießen) habe mit einem Schreiben vom 29. Januar
2014 mitgeteilt, dass die Oberbürgermeisterin der Stadt Gießen mit Bescheid vom 9. September 2013 gegen-
über dem hessischen Landesverband der Einspruchsführerin zu 6. angeordnet habe, alle Wahlplakate mit der
Aufschrift „Geld für die Oma statt für Sinti und Roma“ abzuhängen; diese Verfügung sei sofort vollzogen
worden, obwohl eine sofortige Vollziehung nicht angeordnet gewesen sei. Aufgrund dieser Verfügung seien
im Stadtgebiet von Gießen vierzehn Wahlplakate der Einspruchsführerin zu 6. entfernt worden. Aufgrund des
Beschlusses des Verwaltungsgerichts Gießen vom 12. September 2013 seien die zu Unrecht entfernten Plaka-
te am 13. September 2013 wieder aufgehängt worden. Mit einer E-Mail vom 20. Februar 2014 habe die
Kreiswahlleiterin mitgeteilt, dass die Einspruchsführerin zu 6. in Gießen ca. 50 Plakate aufgehängt gehabt
habe.

Die Kreiswahlleiterin für den Bundestagswahlkreis 179 (Wiesbaden) habe mit einem Schreiben vom 27.
Januar 2014 mitgeteilt, dass der hessische Landesverband der Einspruchsführerin zu 6. mit einem Schreiben
vom 29. Juli 2013, eingegangen am 1. August 2013, für die Landeshauptstadt Wiesbaden die Erteilung einer
Sondernutzungserlaubnis zum Plakatieren anlässlich der bevorstehenden Landtags- und Bundestagswahl
beantragt habe. Mit einem Schreiben vom 12. August 2013 sei der Landesverband mit Hinweis auf einen
Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom 8. November 2005 darüber informiert worden, dass Vo-
raussetzung für die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis zur Wahlsichtwerbung der vorherige Nachweis
einer entsprechenden Haftpflichtversicherung sei. Mit Schreiben vom 23. August 2013 habe sich der hessi-
sche Landesverband der Einspruchsführerin zu 6. erneut an die Stadt Wiesbaden mit der Aufforderung ge-
wandt, die begehrte Sondernutzungserlaubnis zu erteilen, und habe darauf hingewiesen, dass eine Sondernut-
zung im Hinblick auf die Bedeutung von Wahlen für einen demokratischen Staat im öffentlichen Interesse
liege und die Wahlsichtwerbung ein wichtiger Bestandteil der Wahlvorbereitung sei. Mit einem Schreiben
vom 26. August 2013 habe die Landeshauptstadt Wiesbaden den hessischen Landesverband der Einspruchs-
führerin zu 6. darauf hingewiesen, dass auf den Nachweis einer Haftpflichtversicherung nicht verzichtet wer-
den könne, da die Partei keine Haftung für Schäden aus angebrachten Wahlplakaten übernehmen würde und
alle anderen an der Wahl teilnehmenden Wahlvorschlagsträger bereits einen Haftpflichtversicherungsnach-
weis erbracht hätten. Aus Gleichbehandlungsgründen könne bei der Einspruchsführerin zu 6. keine Ausnah-
me gemacht werden. Mit einem Schreiben vom 2. September 2013 habe die Einspruchsführerin zu 6. klarge-
stellt, dass sie über keine Haftpflichtversicherung verfüge und auch nicht beabsichtigt sei, eine solche für
Plakatwerbung abzuschließen. Es sei nicht einzusehen, warum für das Anbringen von Plakaten eine Haft-
pflichtversicherung abzuschließen sei. Die Landeshauptstadt Wiesbaden habe mit einem Schreiben vom 5.
September 2013 nochmals erläutert, warum auf den Nachweis einer Haftpflichtversicherung nicht verzichtet
werden könne. Der hessische Landesverband der Einspruchsführerin zu 6. habe die Landeshauptstadt Wies-
baden mit einem Schreiben vom 10. September 2013 unter Fristsetzung bis 14 Uhr am gleichen Tage aufge-
fordert, die begehrte Sondernutzungserlaubnis zu erteilen. Gleichzeitig sei beim Verwaltungsgericht Wiesba-
den um Eilrechtsschutz nachgesucht worden. Mit Beschluss vom 16. September 2013 (Az. 7 L 919/13) habe
das Verwaltungsgericht Wiesbaden den Antrag der Einspruchsführerin zu 6. zurückgewiesen. Auf die da-
raufhin vom hessischen Landesverband der Einspruchsführerin zu 6. erhobene Beschwerde habe der VGH
mit Beschluss vom 17. September 2013 (Az. 2 B 1963/13) den Beschluss des Verwaltungsgerichts Wiesba-
den dahingehend abgeändert, dass statt eines Nachweises einer Haftpflichtversicherung eine Sicherheitsleis-
tung in Höhe von 10.000 Euro bereitzustellen sei. Am 18. September 2013 habe der Generalsekretär der Ein-
spruchsführerin zu 6. die Sicherheitsleistung in bar übergeben wollen. Nach Eintreffen beim Ordnungsamt sei
er darauf hingewiesen worden, dass die Bareinzahlung beim Ordnungsamt nicht möglich sei; eine Bareinzah-
lung des Betrages auf ein Konto der Landeshauptstadt Wiesbaden habe aufgrund des Geldwäschegesetzes
ebenfalls nicht realisiert werden können. Nachdem der Generalsekretär eine Hinterlegungsbescheinigung des
Amtsgerichts beim Ordnungsamt vorgelegt habe und das Rechtsamt deren Korrektheit bestätigt habe, sei am
18. September 2013 die Sondernutzungserlaubnis zur Plakatsichtwerbung erteilt worden.

Die Kommunalaufsicht des Main-Kinzig-Kreises habe mit einer E-Mail vom 17. Januar 2014 mitgeteilt, dass
die Einspruchsführerin zu 6. hinsichtlich der Äußerungen des Oberbürgermeisters der Stadt Hanau mit dem
im Wahleinspruch vorgebrachten Sachverhalt auch beim Verwaltungsgericht Frankfurt am Main eine Unter-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 261 – Drucksache 18/1810

lassungsklage erhoben habe, die noch anhängig sei. In der Stellungnahme der Stadt Hanau auf diese Klage
führe der Magistrat der Stadt Hanau mit Schreiben vom 17. Dezember 2013 aus, dass die Einspruchsführerin
zu 6. in Hanau für den 11. September 2013 eine Kundgebung angemeldet habe; zu dieser Kundgebung habe
eine Gegendemonstration stattgefunden. Die von der Einspruchsführerin zu 6. geplante Kundgebung habe
nicht stattgefunden; der Oberbürgermeister der Stadt Hanau habe anlässlich der Gegenkundgebung die von
den Einspruchsführern kritisierte Rede gehalten, die am 11. September 2013 in das Internetangebot der Stadt
Hanau eingestellt worden sei. Der Oberbürgermeister habe in seiner Rede die Beschlüsse der Stadtverordne-
tenversammlung der Stadt Hanau gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit inhaltlich wiederge-
geben; zudem habe er sich gegen Anschuldigungen und Beleidigungen des Vorsitzenden der Einspruchsfüh-
rerin zu 6. auf einer Demonstration in Hanau wehren müssen. Wegen der weiteren Einzelheiten werde auf die
beigefügte Stellungnahme des Magistrats der Stadt Hanau vom 17. Dezember 2013 verwiesen.

Die Kreiswahlleiterin des Bundestagswahlkreises 173 habe mit Schreiben vom 29. Januar 2014 mitgeteilt,
dass nach Auffassung des Magistrats der Stadt Gießen die Presseinformation vom 10. September 2013 zuläs-
sig gewesen sei; die dem Schreiben beigefügte Presseinformation enthalte unter anderem folgenden Text:

„… Dass sie selbst dieser Meinung nicht ist, machte Grabe-Bolz deutlich: Die Stadt bereite aktuell auch eine
Strafanzeige wegen Volksverhetzung gegen den Landesvorsitzenden der NPD vor. Gleichzeitig bedaure sie
das immer währende juristische Tauziehen um die NPD und ihre Propaganda: ‚Ich hoffe inständig, das end-
lich ein Verbotsverfahren gegen die NPD eingeleitet wird. Diese Plakataktion ist für mich ein weiteres Bei-
spiel dafür, dass die NPD sich nicht an unsere Gesetze hält und an einem fairen demokratischen Wettbewerb
kein Interesse hat‘, schlussfolgerte Grabe-Bolz abschließend.“

Zu dem Vortrag der Einspruchsführer nehme er, der Landeswahlleiter, soweit er Hessen betreffe, wie folgt
Stellung:

Die Einsprüche seien unbegründet, weil ein mandatsrelevanter Wahlfehler aufgrund des vorgetragenen Sach-
verhalts nicht festgestellt werden könne; die Einspruchsführerin zu 6. sei allerdings in ihren Rechten verletzt
worden.

Durch die Abnahme eines Teils der Plakate der Einspruchsführerin zu 6. in den Städten Butzbach, Bad Hers-
feld und Gießen sei in die Chancengleichheit der Wahlvorschlagsträger eingegriffen worden. Nach der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts finde der Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien im
Wahlwettbewerb seine Grundlage insbesondere in Artikel 21 Absatz 1 GG. Beruhe die Demokratie auf der
freien Konkurrenz von Meinungen und Interessen, so müssten die Parteien und Gruppen, die sich unter-
schiedliche Meinungen zu eigen machten, unter den gleichen Bedingungen, mit den gleichen Chancen am
politischen Wettbewerb teilnehmen können (BVerfGE 120, 82 [104]). Dies gelte nicht nur für den Wahlvor-
gang selbst, sondern auch schon für die Zeit vor der Wahl, auch und gerade im Wahlkampf (Schreiber, Bun-
deswahlgesetz, 9. Auflage, 2013, § 1 Rn. 53). Zwar unterliege der Grundsatz der Chancengleichheit keinem
absoluten Differenzierungsverbot (vgl. z. B. BVerfGE 120, 82 [106]). Bei der Zulassung von Wahlwerbung
im öffentlichen Straßenraum werde insbesondere eine Anwendung des Grundsatzes der „abgestuften Chan-
cengleichheit“ im Sinne des § 5 des Parteiengesetzes (PartG) vertreten (vgl. Schreiber, a.a.O., § 1 Rn. 79).
Danach sei eine Abstufung entsprechend der Bedeutung der Parteien, die sich insbesondere auch nach den
Ergebnissen vorausgegangener Wahlen bemesse, zulässig. Eine Rechtfertigung der Abnahme von Wahlpla-
katen der Einspruchsführerin zu 6. ergebe sich vorliegend hieraus jedoch nicht. Durch einen Beschluss vom
9. September 2013 habe das Verwaltungsgericht Kassel die Stadt Bad Hersfeld und durch Beschluss vom 12.
September 2013 das Verwaltungsgericht Gießen die Stadt Gießen verpflichtet, die abgehängten Plakate der
Einspruchsführerin zu 6. wieder an den ursprünglichen Standorten aufzuhängen; die dabei jeweils erlassenen
ordnungsrechtlichen Verfügungen seien als rechtswidrig angesehen worden, da die Rechtsordnung durch die
Wahlplakate nicht verletzt (gewesen) sei. Die Stadt Butzbach habe die abgehängten Plakate vor einer gericht-
lichen Entscheidung wieder aufgehängt. Durch das Abhängen der Wahlplakate in diesen Städten sei die Ein-
spruchsführerin zu 6. gegenüber anderen Wahlvorschlagsträgern ungleich behandelt worden, ohne dass für
diese Ungleichbehandlung ein zwingender Grund vorhanden gewesen wäre.

In der Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis für das Plakatieren im öffentlichen Straßenverkehr für die
Einspruchsführerin zu 6. in der Landeshauptstadt Wiesbaden erst am 18. September 2013 liege kein Wahlfeh-
ler. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gebe es einen aus Artikel 3 GG und § 5 PartG
abgeleiteten, für den Regelfall geltenden Anspruch einer nicht verbotenen Partei, ihre Wahlsichtwerbung im
öffentlichen Bereich zu ermöglichen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 1974 - VII C 43.72). Das Auf-

Drucksache 18/1810 – 262 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

stellen von Wahlplakaten im öffentlichen Straßenraum werde als erlaubnispflichtige Sondernutzung angese-
hen, wobei das behördliche Ermessen durch die Bedeutung von Wahlen in einem demokratischen Staat (Ar-
tikel 38 Absatz 1 GG) und die Bedeutung der Parteien für solche Wahlen, wie sie sich aus Artikel 21 GG und
§§ 1 ff. PartG ergebe, bei der Entscheidung über die Erlaubnis zum Aufstellen von Wahlplakaten durch Par-
teien in erheblichem Umfang so eingeschränkt werde, dass jedenfalls für den Regelfall ein Anspruch einer
Partei auf Erlaubnis bestehe. Dieser Anspruch bestehe nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts al-
lerdings nicht schrankenlos, sondern dürfe zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit beschränkt werden
und müsse auch den Wünschen der Partei nicht uneingeschränkt Rechnung tragen. Die Landeshauptstadt
Wiesbaden habe zu Recht die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis für das Plakatieren im öffentlichen
Straßenverkehr von der Stellung einer Sicherheit abhängig gemacht. Die Forderung einer entsprechenden
Sicherheitsleistung habe auch der VGH in seinem Beschluss vom 17. September 2013 jedenfalls dann als
legitim erachtet, soweit nicht – unter Anlegung eines vernünftigen Maßstabs – hinreichend sicher ausge-
schlossen werden könne, dass Dritte durch die von einem aufgestelltem Wahlplakat ausgehenden Gefahren
geschädigt würden. Es seien keine Anhaltspunkte ersichtlich und von der Einspruchsführerin zu 6. auch nicht
vorgetragen worden, dass von ihren Wahlplakaten eine entsprechende Gefahr nicht ausgehe. Der VGH habe
in seiner Entscheidung lediglich kritisiert, dass die Handhabung eines Nachweises nicht dazu führen dürfe,
dass eine zur Wahl antretende Partei letztlich auf das zentrale Wahlwerbungsinstrument der Wahlsichtwer-
bung verzichten müsse. Der Abschluss einer Haftpflichtversicherung sei von der Einspruchsführerin zu 6.
noch mit einem Schreiben vom 2. September 2013 abgelehnt worden; zur Begründung sei lediglich darauf
hingewiesen worden, dass nicht einzusehen sei, warum für das Anbringen von Wahlplakaten eine Haft-
pflichtversicherung abzuschließen sei; als Sicherheitsleistung sei auch kein Surrogat angeboten worden. Hätte
die Landeshauptstadt Wiesbaden bei der Einspruchsführerin zu 6. auf die Beibringung einer Sicherheitsleis-
tung verzichtet, hätte sie zudem gegen den wahlrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz und gegen den
Grundsatz der Chancengleichheit der an der Wahl antretenden Wahlvorschlagsträger verstoßen, da von allen
anderen Wahlvorschlagsträgern ein entsprechender Nachweis verlangt worden sei. Ein Anspruch der Ein-
spruchsführerin zu 6. auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis für das Plakatieren im öffentlichen Stra-
ßenverkehr habe danach erst mit Stellung der notwendigen Sicherheitsleistung am 18. September 2013 vorge-
legen; diesen Anspruch habe die Landeshauptstadt Wiesbaden noch am gleichen Tag durch die Erteilung der
Sondernutzungserlaubnis erfüllt.

Durch die am 11. September 2013 anlässlich einer Gegenkundgebung (zu einer angekündigten Veranstaltung
der Einspruchsführerin zu 6.) gehaltene Rede des Oberbürgermeisters der Stadt Hanau und durch die Presse-
erklärung der Oberbürgermeisterin der Stadt Gießen vom 10. September 2013 sei gegen die staatlichen und
kommunalen Stellen obliegende Neutralitätspflicht im Vorfeld von Wahlen verstoßen worden.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei es den Staatsorganen zum Schutz des Prinzips
einer staatsfreien Volkswillensbildung von Verfassungs wegen untersagt, sich in amtlicher Funktion im Hin-
blick auf Wahlen zu Volksvertretungen mit bestimmten Wahlvorschlagsträgern, insbesondere politischen
Parteien und deren Wahlwerbern, zu identifizieren und sie unter Einsatz staatlicher Mittel zu unterstützen
oder sie zu bekämpfen, um so eine Entscheidung der Wahlberechtigten zu beeinflussen. Das Demokratieprin-
zip des Artikels 20 Absatz 1 GG, der Grundsatz der Wahlfreiheit (Artikel 38 Absatz 1 GG) und insbesondere
das Recht der politischen Parteien und sonstiger Wahlvorschlagsträger auf Wettbewerbs- und Chancen-
gleichheit bei Wahlen würden verletzt, wenn öffentliche Organe als solche unter Verletzung ihrer Neutrali-
tätspflicht unter Einsatz öffentlicher Mittel und Möglichkeiten parteiergreifend zugunsten oder zu Lasten
einer politischen Partei oder von Wahlbewerbern in den Wahlkampf einwirkten (BVerfGE 44, 125 [140]).

Hinsichtlich der Presseerklärung der Oberbürgermeisterin der Stadt Gießen vom 10. September 2013 sei eine
Verletzung der verfassungsrechtlichen Neutralitätspflicht bereits durch den VGH-Beschluss vom 18. Sep-
tember 2013 festgestellt worden. Die dortige Auffassung werde geteilt. Die Oberbürgermeisterin habe die
Erklärung in amtlicher Eigenschaft abgegeben, da die Pressemitteilung als Erklärung der Oberbürgermeiste-
rin und mit dem „Kopf“ des Magistrats der Stadt Gießen überschrieben gewesen sei. In dieser Erklärung habe
sie die Hoffnung geäußert, „dass endlich ein Verbotsverfahren gegen die NPD [Einspruchsführerin zu 6.]
eingeleitet wird“. Sie habe zudem geäußert, dass die Einspruchsführerin zu 6. sich nicht an Gesetze halte und
an einem fairen demokratischen Wettbewerb kein Interesse habe. Damit habe sie ohne Zuständigkeit in amt-
licher Eigenschaft unter Einsatz öffentlicher Mittel und Möglichkeiten, parteiergreifend zu Lasten der Ein-
spruchsführerin zu 6. in den Wahlkampf eingegriffen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 263 – Drucksache 18/1810

Die Rede des Oberbürgermeisters der Stadt Hanau sei ebenfalls in amtlicher Eigenschaft gehalten worden, da
auch diese Rede als Äußerung des Oberbürgermeisters zu aktuellen Themen überschrieben gewesen und in
das Internetangebot der Stadt Hanau eingestellt worden sei. Der Oberbürgermeister habe sich durch den Be-
such der Gegendemonstration und durch die Äußerungen, dass man der Einspruchsführerin zu 6. einmal mehr
zeigen wolle, dass „man sie hier nicht haben“ wolle, in amtlicher Funktion und unter Einsatz öffentlicher
Mittel und Möglichkeiten parteiergreifend zu Lasten der Einspruchsführerin zu 6. geäußert. Sofern vom Ma-
gistrat der Hanau vorgebracht werde, dass der Oberbürgermeister in seiner Rede nur die Beschlüsse der
Stadtverordnetenversammlung der Stadt Hanau gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit inhalt-
lich wiedergegeben habe, so stehe dem bereits entgegen, dass in der Rede selbst entsprechende Beschlüsse
nicht erwähnt worden seien oder aus ihnen zitiert worden sei. In der Rede werde erkennbar der Gegenstand
eigener Überzeugung geäußert und nicht auf entsprechende Beschlüsse von anderen kommunalen Organen
verwiesen. Auch das Vorbringen, dass der Oberbürgermeister sich gegen Anschuldigungen und Beleidigun-
gen des Vorsitzenden der Einspruchsführerin zu 6. habe wehren müssen, sei nicht erheblich, da die Rede
keine diesbezügliche Replik enthalte.

In dem auf den Internetseiten des Wetteraukreises eingestellten Wahlaufruf des Landrates des
Wetteraukreises vom 20. September 2013 liege kein Wahlfehler. Zwar sei auch diese Erklärung durch den
Landrat in amtlicher Eigenschaft abgegeben worden, da sie ausdrücklich als Wahlaufruf des Landrates über-
schrieben und auf den Internetseiten des Wetteraukreises veröffentlicht worden sei. Mit dieser Erklärung
habe der Landrat allerdings nicht parteiergreifend zu Lasten der Einspruchsführerin zu 6. oder eines anderen
Wahlvorschlagträgers in den Wahlkampf eingegriffen. Inhaltlich handele es sich um eine Erklärung, mit
welcher der Landrat vorab den ehrenamtlichen Wahlorganen und Wahlhelfern für ihr Engagement bei der
Vorbereitung und Durchführung der Wahl danke und die Bürgerinnen und Bürger zur Ausübung des Wahl-
rechts aufrufe. Dafür sprächen neben der Überschrift der Erklärung, die ausdrücklich als „Wahlaufruf“ über-
schrieben sei, auch die Ausführungen dazu, ob sich eine Wahlteilnahme lohne, mit dem abschließendem
Apell, an der Wahl teilzunehmen. Die Einspruchsführerin zu 6. oder ein anderer Wahlvorschlagsträger werde
in der Erklärung nicht erwähnt. Sofern die Einspruchsführer in der Bitte des Landrats an die Wahlberechtig-
ten, sich bei der Stimmabgabe für eine demokratische und nicht für eine extremistische Partei zu entscheiden,
einen Eingriff in den Wahlkampf zu Lasten der Einspruchsführerin zu 6. sähen, sei dem nicht zu folgen.
Dagegen spreche bereits, dass die Einspruchsführer selbst nicht vorbrächten, dass die Einspruchsführerin zu
6. eine extremistische oder undemokratische Partei sei, da nur diese von dem Wahlaufruf des Landrats ausge-
schlossen gewesen seien. Der Vortrag der Einspruchsführer, dass die Einspruchsführerin zu 6. als extremisti-
sche Partei angesehen werde, lasse einen Wahlfehler nicht erkennen.

Die festgestellten Wahlfehler könnten den Einsprüchen jedoch nicht zum Erfolg zu verhelfen, denn trotz der
Wahlfehler könne mit hinreichender Sicherheit davon ausgegangen werden, dass die Zusammensetzung des
18. Deutschen Bundestages auch ohne die Wahlfehler dieselbe wäre. Nach ständiger Praxis des Wahlprü-
fungsausschusses und des Deutschen Bundestages und nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfas-
sungsgerichts könne ein Wahleinspruch nur erfolgreich sein, wenn der Wahlfehler auf die Verteilung der
Mandate von Einfluss sei oder sein könne (vgl. BT-Drs. 17/3100, Anlagen 7, 8, 10, 17 und 21; 17/4600, An-
lagen 27 und 28 mit weiteren Nachweisen; BVerfGE 89, 243 [254]). Infolgedessen schieden alle Verstöße
von vornherein als unerheblich aus, die die Ermittlungen des Wahlergebnisses nicht berührten (BVerfGE 4,
370 [372]). Wahlfehler seien dann unerheblich, wenn sie angesichts des Stimmenverhältnisses keinen Ein-
fluss auf die Mandatsverteilung haben könnten. Dabei dürfe es sich nicht nur um eine abstrakte, rein theoreti-
sche Möglichkeit handeln, sondern sie müsse eine nach der allgemeinen Lebenserfahrung konkrete und nicht
ganz fernliegende sein (BVerfGE 89, 243 [254]).

Die Beeinflussung des Wählerwillens durch das Abhängen von Wahlplakaten in den Städten Butzbach, Bad
Hersfeld und Gießen sei unerheblich und habe nach der allgemeinen Lebenserfahrung keine Auswirkungen
auf die Sitzverteilung des Deutschen Bundestages gehabt. So seien in Butzbach von insgesamt 220 aufge-
hängten Plakaten der Einspruchsführerin zu 6. nur 18 Plakate abgehängt worden; in Bad Hersfeld seien von
der ordnungsrechtlichen Verfügung von ca. 100 Wahlplakate der Einspruchsführerin zu 6. nur neun Wahl-
plakate betroffen gewesen und in Gießen seien vierzehn von ca. 50 Plakaten abgehängt worden. In Butzbach
seien die Plakate zudem nur vom 6. bis 9. September 2013 und in Gießen nur in der Zeit vom 9. bis 13. Sep-
tember 2013 und damit für wenige Tage abgehängt gewesen. Unter Berücksichtigung der allgemeinen Le-
benserfahrung sei aufgrund der geringen Anzahl der betroffenen Plakate und der zum Teil auch nur geringen
Zeit, in denen die Plakate abgehängt gewesen seien, eine Beeinflussung von Wählern praktisch ausgeschlos-

Drucksache 18/1810 – 264 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

sen gewesen. Dabei müsse auch berücksichtigt werden, dass die Einspruchsführerin zu 6. durch das Abhän-
gen der Plakate eine landesweite mediale Aufmerksamkeit erhalten habe, die sie mit betroffenen Wahlplaka-
ten und ohne die ordnungsrechtlichen Verfügungen in den betroffenen Städten mit hoher Wahrscheinlichkeit
nicht erhalten hätte. Hinsichtlich der Gesamtheit des Wahlwettbewerbs sei die Tragweite der Wahlfehler
deswegen von nur unwesentlicher Bedeutung.

Die Verstöße gegen die Neutralitätspflicht von Staatsorganen im Vorfeld von Wahlen seien nach allgemeiner
Lebenserfahrung ebenfalls ohne Einfluss auf die Mandatsverteilung im 18. Deutschen Bundestag geblieben.
Es sei zwar nicht ausgeschlossen, dass diese Wahlfehler einzelne Wähler in ihrer Wahlentscheidung beein-
flusst hätten. Dabei sei jedoch schon zu berücksichtigen, dass es sich in Hanau um die Teilnehmer einer Ge-
gendemonstration zu einer Kundgebung der Einspruchsführerin zu 6. gehandelt habe, bei denen nach allge-
meiner Lebenserfahrung nicht davon ausgegangen werden könne, dass diese ohne die Rede des Oberbürger-
meisters der Stadt Hanau die Einspruchsführerin zu 6. gewählt hätten; eine Beeinflussung könne sich daher
nur aus der Einstellung der Rede auf die Homepage der Stadt Hanau ergeben. Zudem sei nach der allgemei-
nen Lebenserfahrung, nach der die Wähler ihre Wahlentscheidung als mündige Staatsbürger grundsätzlich
sorgfältig abwögen, davon auszugehen, dass sich, wenn überhaupt, durch die Redebeiträge bezogen auf die
Mandatsverteilung im 18. Deutschen Bundestag, allenfalls ein kleiner, nicht ins Gewicht fallender Kreis von
Wählern in seiner Wahlentscheidung habe beeinflussen lassen. Dafür spreche insbesondere das Wahlergebnis
der Einspruchsführerin zu 6. in Hessen und in den betroffenen Kommunen.

Die Einspruchsführerin zu 6. habe bezogen auf die Zweitstimmen bei der Bundestagswahl am 22. September
2013 in Hessen im Vergleich zur Bundestagswahl 2009 nur 1.814 Stimmen verloren; dies entspreche einem
Ergebnis von 1,1 Prozent der gültigen Zweitstimmen. In den Städten Hanau, Gießen, Bad Hersfeld und Bü-
dingen habe sie folgendes Zweitstimmenergebnis erzielt:

Bundestagswahl 2013 Bundestagswahl 2009 Veränderungen

Gemeinde Zweitstimmen Prozent Zweitstimmen Prozent Prozent

Hanau 532 1,4 403 1,1 +0,3

Gießen 340 0,9 287 0,8 +0,1

Bad Hersfeld 288 1,9 256 1,7 +0,2

Butzbach 180 1,4 193 1,5 -0,1

In Hanau, Gießen und Bad Hersfeld habe die Einspruchsführerin zu 6. damit – entgegen dem landesweiten
Trend – gegenüber der Bundestagswahl 2009 sogar Zweitstimmen dazu gewonnen. In Butzbach habe die
Einspruchsführerin zu 6. in geringem Umfang Zweitstimmen verloren; diese Verluste seien jedoch immer
noch geringer als der Bundestrend, da die Einspruchsführerin zu 6. bezogen auf das Bundesgebiet gegenüber
der Bundestagswahl am 27. September 2009 0,3 Prozent der Zweitstimmen verloren habe.

Hinsichtlich der im Wahlkreis gewählten Bewerber hätten die Wahlfehler ebenfalls keine Auswirkungen:

Im Wahlkreis 169 (Werra-Meißner – Hersfeld-Rotenburg) habe der im Wahlkreis gewählte SPD-
Bewerber 54 630 gültige Erststimmen erhalten und sei damit mit einem Stimmenvorsprung von min-
destens 3.244 Stimmen zu den nachfolgenden Bewerbern gewählt worden; der Bewerber der Ein-
spruchsführerin zu 6. habe 2 392 Stimmen erhalten.
Im Wahlkreis 173 (Gießen) habe der im Wahlkreis gewählte CDU-Bewerber 67 587 der gültigen
Erststimmen erhalten und habe damit einen Vorsprung von mindestens 13 559 Stimmen gegenüber
den nachfolgenden Bewerbern; der Bewerber der Einspruchsführerin zu 6. habe 2 483 Stimmen er-
halten.
Im Wahlkreis 177 (Wetterau I) habe der im Wahlkreis gewählte CDU-Bewerber 60 118 der gültigen
Erststimmen erhalten und sei damit mit einem Vorsprung von mindestens 19 313 Stimmen zu den
nachfolgenden Bewerbern gewählt worden; der Bewerber der Einspruchsführerin zu 6. habe 2 364
Stimmen erhalten.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 265 – Drucksache 18/1810

Im Wahlkreis 180 (Hanau) habe die im Wahlkreis gewählte CDU-Bewerberin 54.920 der gültigen
Erststimmen erhalten und sei damit mit einem Vorsprung von mindestens 9.736 Stimmen zu den
nachfolgenden Bewerbern gewählt worden; der Bewerber der Einspruchsführerin zu 6. habe 2.625
Stimmen erhalten.

Unter Berücksichtigung des erheblichen Stimmenvorsprungs der im Wahlkreis gewählten Bewerberinnen
bzw. der jeweils gewählten Bewerber würde sich bezogen auf das Ergebnis in den Wahlkreisen 169, 173 und
177 selbst dann keine andere Mandatsverteilung ergeben, wenn alle Wählerinnen und Wähler in der durch
den jeweiligen Wahlfehler betroffenen Stadt die Einspruchsführerin zu 6. gewählt hätten. Eine andere Man-
datsverteilung würde im Wahlkreis 180 nur für den Fall eintreten, dass alle Wählerinnen und Wähler in Ha-
nau den Kandidaten der Einspruchsführerin zu 6. gewählt hätten; diese Möglichkeit widerspreche jedoch
bereits jeglicher Lebenserfahrung und den Wahlergebnissen der Einspruchsführerin zu 6. im Bund, im Land
und in den jeweiligen Kommunen.

Hinsichtlich der Stellungnahmen der in dem Schreiben des Landeswahlleiters genannten Stellen wird auf die
Akten Bezug genommen.

Die Einspruchsführer haben auf die ihnen übersandte Stellungnahme nicht reagiert.

Das Bundesministerium des Innern hat zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-
Sperrklausel am 16. Juni 2014 wie folgt Stellung genommen:

1. Das Bundesverfassungsgericht erachte in ständiger Rechtsprechung bei Wahlen zum Deutschen Bundestag
die heute in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG vorgesehene, auf
das gesamte Wahlgebiet bezogene Fünf-Prozent-Sperrklausel für verfassungsgemäß (vgl. BVerfGE 1, 208
[247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366]; 95, 408 [417 ff.];
120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.]). Zuletzt habe das Gericht in seinem Urteil vom
9. Januar 2011 zur Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen entschieden, dass die Fünf-Prozent-
Sperrklausel bei der Wahl zum Deutschen Bundestag ihre Rechtfertigung im Wesentlichen darin finde, dass
die Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende
Unterstützung nötig sei und dieses Ziel durch die Zersplitterung des Parlaments in viele kleine Gruppen ge-
fährdet werde (BVerfGE 129, 300 [335 f.]). In der Entscheidung vom 26. Februar 2014 (2 BvE 2/13 u. a.) zur
Drei-Prozent-Sperrklausel im Europawahlrecht habe das Gericht erneut bestätigt, dass eine Sperrklausel ge-
rechtfertigt sein könne, wenn Verhältnisse wie auf nationaler Ebene gegeben sind, wo die Bildung einer
stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Unterstützung nötig
sei (ebd. Rn. 72).

Angesichts der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei der Wahlgesetzgeber verfas-
sungsrechtlich nicht daran gehindert, bei der Verteilung der zu vergebenden Sitze auf die Landeslisten bei der
Bundestagswahl grundsätzlich nur die Parteien zu berücksichtigen, die mindestens fünf Prozent der im Wahl-
gebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten haben (§ 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Ab-
satz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG). Es sei ihm mit anderen Worten von Verfassungs wegen unbenommen,
gültige Zweitstimmen, die auf Landeslisten von Parteien entfallen sind, die nicht die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben, zwar für die Ergebnisfeststellung als relevant zu werten (§ 42 BWG), nicht
aber für die Sitzverteilung. Der Wahlgesetzgeber dürfe also ohne Verstoß gegen Bundesverfassungsrecht alle
zu vergebenden Parlamentssitze auf die Landeslisten derjenigen Parteien verteilen, die die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben.

Im Interesse der Handlungsfähigkeit des Deutschen Bundestages habe der Wahlgesetzgeber bisher an der auf
das gesamte Wahlgebiet bezogenen Fünf-Prozent-Sperrklausel, die seit der Wahl zum 2. Deutschen Bundes-
tag 1953 gilt, festgehalten. Denn eine Wahl habe – wie das Bundesverfassungsgericht betone (vgl. BVerfGE
51, 222 [236]) – „nicht nur das Ziel, eine Volksvertretung zu schaffen, die ein Spiegelbild der in der Wähler-
schaft vorhandenen politischen Meinungen darstellt, sondern sie soll auch ein funktionsfähiges Organ her-
vorbringen.“ Hierfür seien „(k)lare und ihrer Verantwortung für das Gesamtwohl bewusste Mehrheiten in
einer Volksvertretung (…) für eine Bewältigung der ihr gestellten Aufgaben unentbehrlich“, die durch einen
unbegrenzten Proporz nicht gewährleistet sind.

2. Zwar könne nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die verfassungsrechtliche Rechtfer-
tigung einer die Wahlgleichheit berührenden Norm des Wahlrechts wie eine Sperrklauselregelung durch ver-
änderte Verhältnisse oder neue Entwicklungen – etwa durch eine Änderung der vom Gesetzgeber vorausge-

Drucksache 18/1810 – 266 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

setzten tatsächlichen oder normativen Grundlagen oder wenn sich die beim Erlass der Norm hinsichtlich ihrer
Auswirkungen angestellte Prognose als irrig erwiesen habe – in Frage gestellt werden (BVerfGE 82, 322
[338 f.]; 120, 82 [108]; 129, 300 [321 f.]; Urteil vom 26. Februar 2014, Az. 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 56). Dies
sei im Hinblick auf die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen jedoch nicht der Fall.

Eine Änderung der normativen Grundlagen für die Beurteilung der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundes-
tagswahlen, die das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung als verfassungsgemäß angesehen
habe, sei nicht festzustellen. Insbesondere führten das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
9. November 2011 zur Verfassungswidrigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen (BVerfGE
129, 300) und sein Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Sperrklausel im
Europawahlgesetz (2 BvE 2/13 u. a.) nicht zu einer abweichenden Bewertung. Das Bundesverfassungsgericht
begründe die Verfassungswidrigkeit der Sperrklauseln bei Europawahlen in diesen Urteilen mit der besonde-
ren Stellung und Funktion des Europäischen Parlaments im Gefüge der Organe der Europäischen Union, wo
eine vergleichbare Interessenlage wie bei der Bundestagswahl nicht bestehe (BVerfGE 129, 300 [336]). Auch
in seinem Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Klausel im Europawahl-
gesetz halte das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich an der gefestigten Rechtsprechung zum verfassungs-
rechtlichen Maßstab für die Beurteilung wahlrechtlicher Sperrklauseln fest und lege – wie es mehrfach beto-
ne – seinem Urteil die gleichen Prüfungsmaßstäbe wie im Urteil vom 9. November 2011 zugrunde (Az. 2
BvE 2/13 u. a., Rn. 37, 45, 63). In beiden Urteilen weise das Gericht zudem darauf hin, dass bei der Bundes-
tagswahl – anders als bei der Europawahl – der Deutsche Bundestag im Falle einer eintretenden Funktionsbe-
einträchtigung aufgrund seiner veränderten strukturellen Zusammensetzung nicht mehr in der Lage wäre, die
gesetzlichen Regelungen zur Sicherung seiner Funktionsfähigkeit zu ändern, weil die erforderliche Mehrheit
nicht mehr zustande käme (BVerfGE 129, 300 [324]; Urteil vom 26. Februar 2014, 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 58).

3. Auch in tatsächlicher Hinsicht erfordere das Wahlergebnis der Bundestagswahl 2013, bei der zwei Parteien
mit einem Stimmenanteil von 4,8 Prozent bzw. 4,7 Prozent der Zweitstimmen vergleichsweise knapp an der
Fünf-Prozent-Klausel gescheitert seien, keine Neubewertung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der
Klausel. Der Gesetzgeber habe sich für die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen entschieden und
diese bis heute beibehalten, um in Konstellationen, in denen eine oder mehrere Parteien weniger als fünf
Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, die Funktionsfähigkeit des Bundestages sicherzustellen. Wenn eine
solche Konstellation bei einer Wahl – wie nun der Bundestagswahl 2013 – tatsächlich auftrete, liege gerade
nicht der Fall vor, dass sich eine Prognose des Gesetzgebers als irrig erwiesen habe oder dass eine Änderung
der vom Gesetzgeber vorausgesetzten tatsächlichen Verhältnisse eingetreten sei, sondern es habe sich ledig-
lich ein Szenario realisiert, das der Gesetzgeber mit seiner Regelung von vornherein habe erfassen wollen.
Auch das Bundesverfassungsgericht habe die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen in Kenntnis
des Umstands, dass an ihr nicht nur Parteien mit einem niedrigen Stimmenanteil zwischen null und zwei
Prozent der Zweitstimmen, sondern auch Parteien mit einem Stimmenanteil knapp unter fünf Prozent schei-
tern können, in ständiger Rechtsprechung als verfassungsmäßig angesehen (siehe die Nachweise unter 1.).

Die bei der Bundestagswahl 2013 aufgetretene hohe Gesamtzahl von abgegebenen gültigen Zweitstimmen
für Parteien, die die Fünf-Prozent-Sperrklausel nicht überwunden haben, sei kein Grund, das Vorliegen ver-
änderter Verhältnisse bzw. neuer Entwicklungen anzunehmen, die eine Neubewertung der verfassungsrecht-
lichen Zulässigkeit der Sperrklausel erforderten. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Sperrklausel sei
nicht von der Gesamtzahl der Stimmen für diejenigen Parteien abhängig, die die Sperrklausel bei einer ein-
zelnen Wahl nicht überwinden. Die Sperrklausel rechtfertige sich vielmehr durch den mit ihr verfolgten ver-
fassungsrechtlich legitimen Zweck, die Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages sicherzustellen (siehe
die Nachweise unter 1.). Sie erfülle ihren Zweck gerade dann, wenn viele an der Wahl teilnehmende Parteien
die Sperrklausel nicht überwinden, aber ohne Sperrklausel Sitze im Parlament erlangt hätten, da auf diese
Weise eine die stabile Mehrheitsbildung gefährdende Zersplitterung des Bundestages vermieden werde.

4. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel stehe nicht entgegen, dass eine
hohe Zahl von Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die aufgrund der Sperrklausel nicht an der Sitzvertei-
lung teilnehmen, eine absolute Mehrheit der Sitze für Parteien ermögliche, die bei der Wahl deutlich weniger
als der Hälfte der Stimmen erreicht haben. Das Erreichen einer Mehrheit der Sitze im Parlament sei immer
mit weniger als der Hälfte der gültigen Zweitstimmen möglich. Denn auch ohne Sperrklausel erhalte nicht
jede Partei, für die bei der Wahl gültige Stimmen abgegeben wurden, automatisch einen Sitz. Da für einen
Sitz auch ohne Sperrklausel stets eine bestimmte Zahl von Stimmen erforderlich sei, führten nicht alle Stim-
men zu einem Sitzerfolg und darum weniger als 50 Prozent der gültigen Zweitstimmen zu einer Mehrheit der

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 267 – Drucksache 18/1810

Sitze. Ein Verfassungsrechtssatz des Inhalts, dass einer Mehrheit der Mitglieder des Bundestages notwendi-
gerweise eine Mehrheit der Zweitstimmen in der Bundestagswahl entsprechen müsse, sei nicht feststellbar.
Wenn aber eine Partei in einer Wahl eine absolute Mehrheit der Zweitstimmen erhalte, sei gesichert, dass auf
sie mehr als die Hälfte der Sitze entfalle (§ 6 Absatz 7 BWG).

5. Gegen die Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht vorgebracht werden, sie verhindere bzw. erschwere
in übermäßiger Weise die Entstehung oder Etablierung neuer Parteien und schränke dadurch in unzulässiger
Weise die Chancengleichheit der Parteien ein. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Chancengleichheit
der Parteien verlange nicht, dass jeder Partei, die bei der Bundestagswahl Stimmen erhalte, Sitze im Bundes-
tag garantiert seien. Jede Partei habe rechtlich die gleiche Chance auf Teilnahme an der Sitzverteilung bei
Überwindung der Sperrklausel. Wenn eine Partei die für alle geltende Sperrklausel nicht überwinde, so sei
dies Resultat zu geringer Zustimmung in der Wählerschaft und gerade nicht ungleicher Chancen, denn die
unterschiedliche Gewichtung des Erfolgswerts von Wahlstimmen durch eine Sperrklausel treffe alle Parteien
gleichermaßen (vgl. BVerfGE 82, 322 [345]).

Dass die Fünf-Prozent-Sperrklausel die Entstehung und Etablierung neuer Parteien nicht verhindere oder
übermäßig erschwere, zeige der Einzug in die Parlamente auch neuer Parteien in den vergangenen Jahren bei
Bundestagswahlen und Landtagswahlen, bei denen nach Landesrecht ebenfalls Fünf-Prozent-Sperrklauseln
bestünden. Die Sperrklauseln trügen zu einem Mindestmaß an Konsolidierung neuer Parteien bei, indem sie
eine funktionierende Organisation und eine hinreichende Kampagnenfähigkeit der Partei erforderlich mach-
ten, um einen erfolgreichen Wahlkampf zu führen, der den Einzug ins Parlament ermögliche. Auch das Bun-
desverfassungsgericht sehe in ständiger Rechtsprechung in der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestags-
wahlen keinen verfassungswidrigen Eingriff in die Chancengleichheit der Parteien (siehe die Nachweise un-
ter 1.).

6. Die Fünf-Prozent-Sperrklausel habe nicht zur Folge, dass die Parteien, die die Sperrklausel überwunden
haben und deshalb an der Sitzverteilung teilnehmen, von den Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die an
der Sperrklausel gescheitert sind und somit nicht an der Sitzverteilung teilnehmen, profitierten und die Wäh-
ler bei der Stimmabgabe nicht erkennen könnten, welche Partei letztlich tatsächlich von ihrer Zweitstimme
profitiere. Von der Zweitstimme für eine Partei profitiere stets die Partei, für die die Stimme abgegeben wor-
den sei. Wenn eine Partei aufgrund eines zur Überwindung der Sperrklausel nicht ausreichenden Zuspruchs
in der Wählerschaft nicht an der Sitzverteilung teilnehme, würden die zu vergebenden Sitze auf die Parteien
verteilt, die die Sperrklausel überwunden haben. Diese Parteien profitierten bei dieser Verteilung von den für
sie abgegebenen Zweitstimmen, nicht von den Zweitstimmen für die an der Sperrklausel gescheiterten Partei-
en, die wegen Nichtteilnahme an der Sitzverteilung zu keinem Sitzerfolg führten.

7. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht entgegengehalten
werden, der Umstand, dass aufgrund der Sperrklausel eine hohe Zahl von Stimmen bei der Sitzverteilung
unberücksichtigt bleibe, befördere die Politikverdrossenheit der Wahlberechtigten. Unabhängig davon, ob
dies tatsächlich der Fall sei, habe sich der Gesetzgeber dazu entschieden, der Sicherung der Funktionsfähig-
keit des Parlaments Vorrang vor derartigen Erwägungen einzuräumen. Das Bundesverfassungsgericht erachte
dies in ständiger Rechtsprechung für verfassungsrechtlich zulässig (siehe die Nachweise unter 1.). Ein wegen
Zersplitterung in kleine und kleinste Fraktionen nicht mehrheits- und handlungsfähiges Parlament, das zur
Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nicht in der Lage sei, wäre zudem in weit höherem Maße geeignet, Politikverdrossenheit zu för-
dern.

8. Aufgrund der verfassungskonformen Ausgestaltung der Fünf-Prozent-Sperrklausel im geltenden Bundes-
wahlgesetz sei der Wahlgesetzgeber auch nicht zur Einführung einer Alternativstimme („Eventualstimme“,
„Ersatzstimme“ bzw. „Stimmweitergabe-Option“) verpflichtet. Ergänzend sei darauf verwiesen, dass im
Schrifttum gegen die Einführung einer solchen Alternativstimme verfassungsrechtliche Bedenken geltend
gemacht würden: Eine Alternativstimme sei mit dem Charakter der Stimmabgabe als einer vorbehaltlosen
und bedingungsfeindlichen Willenserklärung nicht zu vereinbaren und verstoße daher gegen den Grundsatz
der Unmittelbarkeit der Wahl im Sinne des Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 GG und gegen das Demokratieprinzip
nach Artikel 20 Absatz 1 GG (so Strelen, in: Schreiber, Bundeswahlgesetz, 9. Auflage 2013, § 6 Rn. 37 so-
wie Schreiber, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: 43. Lfg. April 2014, Art. 38
Rn. 40, 132). Überdies wäre die Gewährung einer Alternativstimme auch keine verfassungspolitisch ange-
zeigte Fortentwicklung des Wahlrechts. Sie würde das Stimmabgabeverfahren verkomplizieren, die Ermitt-

Drucksache 18/1810 – 268 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

lung des Wahlergebnisses wesentlich erschweren und verzögern und den Wähler von einer eindeutigen poli-
tischen Entscheidung ohne Vorbehalt und Rückfallposition entpflichten (vgl. im Einzelnen hierzu Strelen, in:
Schreiber, § 6 Rn. 37).

9. Die Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Klausel sei schließlich auch nicht davon abhängig, dass Par-
teien, die jeweils mit einer eigenen Liste an der Bundestagswahl teilnehmen, ihre Landeslisten verbinden
dürften, um als Zählgemeinschaft die Sperrklausel zu überwinden. Derartige Listenverbindungen verschiede-
ner Parteien bei der Bundestagswahl seien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wegen
Verstoßes gegen den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit der Parteien verfas-
sungswidrig (BVerfGE 82, 322 [345 f.]). Eine derartige Listenverbindung würde allein dem Zweck dienen,
die verfassungslegitime Zielsetzung einer Fünf-Prozent-Sperrklausel, die Verhinderung einer Zersplitterung
des Parlaments, zu umgehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet. Dem Vorbringen der Einspruchsführer lässt sich kein die Gül-
tigkeit der Bundestagswahl begründender Wahlfehler entnehmen.

1. Es stellt einen Wahlfehler dar, dass Wahlplakate der Einspruchsführerin zu 6. mit der Aufschrift „Geld für
die Oma statt für Sinti und Roma“ auf gemeindliche Anordnung in Bad Hersfeld (am 27. August), in Butz-
bach (am 6. September) und in Gießen (am 9. September 2013) zeitweise (in Bad Hersfeld bis zum 11. Sep-
tember, in Butzbach bis zum 9. September und in Gießen bis zum 13. September 2013) abgehängt wurden.
Durch die Abnahme eines Teils der betreffenden Plakate der Einspruchsführerin zu 6. in den Städten Butz-
bach, Bad Hersfeld und Gießen wurde in die Chancengleichheit der an der Wahl antretenden Wahlvor-
schlagsträger gemäß Artikel 21 Absatz 1 Satz 1 GG eingegriffen. Chancengleichheit bedeutet, dass die Par-
teien und Gruppen, die sich unterschiedliche Meinungen zu eigen machen, unter den gleichen Bedingungen
und mit den gleichen Chancen am politischen Wettbewerb teilnehmen können müssen (BVerfGE 120, 82
[104]). Dies gilt nicht nur für den Wahlvorgang selbst, sondern auch schon für die Zeit vor der Wahl, auch
und gerade im Wahlkampf (Strelen, in: Schreiber, § 1 Rn. 53). Zwar unterliegt der Grundsatz der Chancen-
gleichheit keinem absoluten Differenzierungsverbot (vgl. z. B. BVerfGE 120, 82 [106]). Bei der Zulassung
von Wahlwerbung im öffentlichen Straßenraum ist eine Abstufung entsprechend der Bedeutung der Parteien,
die sich insbesondere auch nach den Ergebnissen vorausgegangener Wahlen bemisst, zulässig. Dies rechtfer-
tigt jedoch nicht die zeitweise Abhängung von Wahlplakaten der Einspruchsführerin zu 6. Es bestand kein
zwingender Grund für die darin liegende Ungleichbehandlung gegenüber anderen Parteien, deren Plakate
nicht abgehängt wurden. Selbst wenn man bestimmte Zuspitzungen im Wahlkampf – wie auf den abgehäng-
ten Plakaten – für schwer erträglich oder politisch falsch halten mag, besaßen die Gemeinden keine rechtliche
Handhabe, die Wahlplakate der Einspruchsführerin zu 6. abzuhängen. Dies haben die mit der Abhängung
befassten Verwaltungsgerichte Kassel und Gießen bestätigt.

Der Wahlfehler hat sich allerdings nicht auf die Gültigkeit der Bundestagswahl 2013 ausgewirkt. Nach stän-
diger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der sich der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche
Bundestag schon früher stets angeschlossen haben, können nämlich nur solche Wahlfehler die Gültigkeit der
Bundestagswahl beeinträchtigen, die auf die Sitzverteilung von Einfluss sind oder sein können (vgl. nur
BVerfGE 89, 243 [254]; Bundestagsdrucksachen 16/900, Anlage 20; 17/1000, Anlagen 10, 15, 19 und 20;
17/2200, Anlagen 5, 12 und 25; 17/2250, Anlagen 18 und 22; 17/3100, Anlage 21). Dabei darf es sich nicht
nur um eine abstrakte, rein theoretische Möglichkeit handeln, sondern sie muss eine nach der allgemeinen
Lebenserfahrung konkrete und nicht ganz fernliegende sein (BVerfGE 89, 243 [254]).

Einfluss auf die Sitzverteilung hatte die zeitweise Abhängung der Wahlplakate nicht und konnte sie auch
nicht haben. Eine Beeinflussung der Wähler zu Ungunsten der Einspruchsführerin zu 6. ist auszuschließen.
Erstens wurden in allen drei Städten nur die Plakate mit dem genannten Aufdruck entfernt und alle übrigen
Plakate der Einspruchsführerin zu 6. unangetastet gelassen; zweitens blieben die Plakate jedenfalls in Gießen
und Butzbach nur für kurze Zeit abgehängt: In Bad Hersfeld waren lediglich neun Plakate von insgesamt ca.
100 Plakaten der Einspruchsführerin zu 6. betroffen. Sie wurden nach 15 Tagen wieder aufgehängt. In Butz-
bach handelte es sich um 18 von 220 Plakaten der Einspruchsführerin zu 6., die schon nach drei Tagen wie-
der aufgehängt wurden. In Gießen schließlich ging es um vierzehn von insgesamt ca. 50 Wahlplakaten der
Einspruchsführerin zu 6. Sie wurden nach vier Tagen wieder aufgehängt. Außerdem ist es schwerlich vor-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 269 – Drucksache 18/1810

stellbar, dass Wähler dadurch beeinflusst worden sein sollen, dass einige Plakate für einige Tage nicht mehr
aufgehängt und damit nicht mehr zu sehen waren. Des Weiteren hat die Einspruchsführerin zu 6. durch das
Abhängen der Plakate eine landesweite mediale Aufmerksamkeit erhalten, die sie ohne die gemeindlichen
Anordnungen zum Abhängen der Plakate in den betroffenen Städten mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht
erhalten hätte.

Außerdem zeigen die durch den Landeswahlleiter für Hessen übermittelten Ergebnisse der Bundestagswahl
2013, dass die Einspruchsführerin zu 6. an Zweitstimmen im Vergleich zur vorherigen Bundestagswahl in
Hanau, Gießen und Bad Hersfeld, entgegen dem landesweiten Trend, sogar Zweitstimmen dazu gewann. In
Butzbach verlor sie zwar in geringem Umfang Zweitstimmen; ihre prozentualen Verluste (- 0,1 Prozent)
waren aber immer noch geringer als im Bundesgebiet (- 0,3 Prozent). Auch hinsichtlich der im Wahlkreis
gewählten Bewerber hatten die Wahlfehler ebenfalls keine Auswirkungen, wie die vom Landeswahlleiter
angeführten Wahlergebnisse zeigen, denn unter Berücksichtigung des erheblichen Stimmenvorsprungs der im
Wahlkreis gewählten Bewerberinnen bzw. dem jeweils gewählten Bewerber würde sich bezogen auf das
Ergebnis im Wahlkreis in den Wahlkreisen 169, 173 und 177 selbst dann keine andere Mandatsverteilung
ergeben, wenn alle Wählerinnen und Wähler in der durch den jeweiligen Wahlfehler betroffenen Stadt die
Einspruchsführerin zu 6. gewählt hätten. Eine andere Mandatsverteilung würde im Wahlkreis 180 nur für den
Fall eintreten, dass alle Wählerinnen und Wähler in Hanau den Kandidaten der Einspruchsführerin zu 6. ge-
wählt hätten; diese Möglichkeit widerspricht jedoch bereits jeglicher Lebenserfahrung – wonach in allgemei-
nen Wahlen in Demokratien niemals eine Partei in einer größeren Ortschaft alle Stimmen erhält – und den
Wahlergebnissen der Einspruchsführerin zu 6. im Bund, im Land und in den jeweiligen Kommunen.

2. Es liegt kein Wahlfehler darin, dass die Landeshauptstadt Wiesbaden der Einspruchsführerin zu 6. erst am
18. September 2013 eine Sondernutzungserlaubnis für das Plakatieren im öffentlichen Straßenraum erteilt
hat. Erst zu diesem Datum bestand nämlich ein Anspruch der Einspruchsführerin zu 6. auf Erteilung dieser
Erlaubnis, da sie erst an diesem Tag die von der Landeshauptstadt verlangte Sicherheitsleistung erbrachte.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist für Wahlwerbung mit Plakaten eine Sondernut-
zungserlaubnis erforderlich, deren Erteilung im – freilich durch den Gleichbehandlungsgrundsatz gebunde-
nen – behördlichen Ermessen liegt (vgl. BVerwGE 47, 280 [282]; 56, 63 ff.; Strelen, in: Schreiber, § 1 Rn.
79). Die Landeshauptstadt Wiesbaden durfte die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis für das Plakatieren
im öffentlichen Straßenraum von einer Sicherheitsleistung abhängig machen. Die Forderung einer solchen
Sicherheitsleistung hat auch der VGH in seinem Beschluss vom 17. September 2013 (NVwZ-RR 2014, 86)
jedenfalls dann als legitim erachtet, soweit nicht – unter Anlegung eines vernünftigen Maßstabs – hinrei-
chend sicher ausgeschlossen werden kann, dass Dritte durch die von einem aufgestelltem Wahlplakat ausge-
henden Gefahren geschädigt werden (können). Anhaltspunkte, dass von ihren Wahlplakaten eine entspre-
chende Gefahr nicht ausging, waren weder ersichtlich noch von der Einspruchsführerin zu 6. vorgetragen
worden. Der Abschluss einer Haftpflichtversicherung zur Absicherung der Risiken ist von der Einspruchsfüh-
rerin zu 6. noch mit einem Schreiben vom 2. September 2013 abgelehnt worden. Eine anderweitige Sicher-
heitsleistung stellte die Partei bis zum 18. September 2013 nicht. Hätte die Landeshauptstadt Wiesbaden bei
der Einspruchsführerin zu 6. auf die Beibringung einer Sicherheitsleistung verzichtet, hätte sie zudem gegen
den wahlrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz und gegen den Grundsatz der Chancengleichheit der an der
Wahl antretenden Wahlvorschlagsträger verstoßen, da sie von allen anderen Wahlvorschlagsträgern einen
entsprechenden Nachweis verlangt hatte.

3. Die von der Einspruchsführerin zu 6. beanstandete Rede des Oberbürgermeisters der Stadt Hanau vom 11.
September 2013 auf einer öffentlichen Kundgebung (gegen eine angekündigte Veranstaltung der Einspruchs-
führerin zu 6.), die auch in das Internetangebot der Stadt eingestellt wurde, und die Presseinformation der
Oberbürgermeisterin der Stadt Gießen vom 10. September 2013 stellen einen Wahlfehler dar. Denn sie ver-
stießen gegen die staatlichen Stellen obliegende Neutralitätspflicht im Vorfeld von Wahlen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist es den Staatsorganen zum Schutz des Prinzips
einer staatsfreien Volkswillensbildung von Verfassungs wegen untersagt, sich in amtlicher Funktion im Hin-
blick auf Wahlen zu Volksvertretungen mit bestimmten Wahlvorschlagsträgern, insbesondere politischen
Parteien und deren Wahlbewerbern, zu identifizieren und sie unter Einsatz staatlicher Mittel zu unterstützen
oder zu bekämpfen, um so die Entscheidung der Wahlberechtigten zu beeinflussen. Das in Artikel 20 Absatz
1 GG verankerte Demokratieprinzip, der in Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 GG niedergelegte Grundsatz der
Wahlfreiheit und insbesondere das Recht der politischen Parteien und sonstiger Wahlvorschlagsträger auf
Wettbewerbs- und Chancengleichheit bei Wahlen werden verletzt, wenn öffentliche Organe als solche unter

Drucksache 18/1810 – 270 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Verletzung ihrer Neutralitätspflicht unter Einsatz öffentlicher Mittel und Möglichkeiten parteiergreifend zu-
gunsten oder zu Lasten einer politischen Partei oder von Wahlbewerbern in den Wahlkampf einwirken
(BVerfGE 44, 125 [140]). Hinsichtlich der Presseerklärung der Oberbürgermeisterin der Stadt Gießen vom
10. September 2013 ist eine Verletzung der Neutralitätspflicht bereits durch den Beschluss des VGH vom
18. September 2013 festgestellt worden. Die Oberbürgermeisterin hat sich in der Presseinformation in amtli-
cher Eigenschaft unter entsprechender Überschrift und unter Verwendung des Briefkopfes des Magistrats der
Stadt Gießen geäußert. In dieser Erklärung hat sie die Hoffnung geäußert, dass endlich ein Verbotsverfahren
gegen die Einspruchsführerin zu 6. eingeleitet werde, und die Ansicht vertreten, dass diese sich nicht an Ge-
setze halte und an einem fairen demokratischen Wettbewerb kein Interesse habe. Damit hat die Oberbürger-
meisterin, ohne zuständig zu sein, in amtlicher Eigenschaft und unter Einsatz öffentlicher Mittel und Mög-
lichkeiten parteiergreifend zu Lasten der Einspruchsführerin zu 6. in den Wahlkampf eingegriffen.

Auch die Rede des Oberbürgermeisters der Stadt Hanau ist in amtlicher Eigenschaft gehalten und veröffent-
licht worden. Sie wurde als Äußerung des Oberbürgermeisters auf der Kundgebung angekündigt und war im
Internetangebot der Stadt Hanau als solche überschrieben. Der Oberbürgermeister hat sich durch den Besuch
der Gegendemonstration und durch die Äußerungen, dass man der Einspruchsführerin zu 6. einmal mehr
zeigen wolle, dass man sie „hier nicht haben“ wolle, in amtlicher Funktion und unter Einsatz öffentlicher
Mittel und Möglichkeiten parteiergreifend zu Lasten der Einspruchsführerin zu 6. geäußert. In der Rede wur-
den die vom Magistrat der Stadt Hanau genannten Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung nicht er-
wähnt. Auch wehrte sich der Oberbürgermeister – anders als der Magistrat ausgeführt hat – in seiner Rede
nicht gegen Anschuldigungen und Beleidigungen des Vorsitzenden der Einspruchsführerin zu 6. Mit seiner
Rede äußerte er sich nicht in neutraler Weise, sondern tat eigene Überzeugungen kund.

Die Verstöße der Oberbürgermeisterin von Gießen und des Oberbürgermeisters von Hanau haben jedoch
keine Auswirkung auf die Gültigkeit der Bundestagswahl 2013. Wie oben unter 1. ausgeführt, kann ein
Wahleinspruch nach ständiger Praxis des Wahlprüfungsausschusses und des Deutschen Bundestages sowie
nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nämlich nur erfolgreich sein, wenn der Wahl-
fehler auf die Verteilung der Mandate von Einfluss war oder sein konnte. Die genannten Verstöße gegen die
Neutralitätspflicht von Staatsorganen im Vorfeld der Wahl besaßen keinen Einfluss auf die Sitzverteilung im
18. Deutschen Bundestag und hätten ihn auch nicht besitzen können. Es ist zwar nicht ausgeschlossen, dass
diese Wahlfehler einzelne Wähler in ihrer Wahlentscheidung beeinflusst haben (könnten). Dabei ist aber –
wie der Landeswahlleiter für Hessen zutreffend ausgeführt hat – bereits zu berücksichtigen, dass es sich in
Hanau um die Teilnehmer einer Gegendemonstration zu einer angekündigten Kundgebung der Einspruchs-
führerin zu 6. gehandelt hat. An einer solchen Gegendemonstration nehmen nach allgemeiner Lebenserfah-
rung Gegner der Einspruchsführerin zu 6. teil, welche die Ansichten des Oberbürgermeisters von Hanau zu-
meist teilen, und allenfalls hypothetisch potenzielle Wähler der Einspruchsführerin zu 6. Eine Beeinflussung
eines größeren, der Partei unter Umständen nicht ablehnend gegenüberstehenden Personenkreises könnte sich
daher nur aus der Veröffentlichung der Rede auf der Homepage der Stadt Hanau ergeben. Doch auch inso-
weit bleibt fraglich, ob sich (potenzielle) Wähler der Einspruchsführerin zu 6. von ihrer durch das Wahlge-
heimnis geschützten Entscheidung durch eine öffentliche Äußerung des Oberbürgermeisters abhalten ließen.
Denn nach der allgemeinen Lebenserfahrung, nach der die Wähler ihre Wahlentscheidung als mündige
Staatsbürger grundsätzlich sorgfältig abwägen, ist davon auszugehen, dass sich, wenn überhaupt, durch die
Redebeiträge allenfalls ein kleiner, nicht ins Gewicht fallender Kreis von Wählern in seiner Wahlentschei-
dung hat beeinflussen lassen. Dies zeigen die bereits unter 1. erwähnten Erst- und Zweitstimmenergebnisse
der Einspruchsführerin zu 6. in Hessen und in den betroffenen Kommunen.

4. Der auf den Internetseiten des Wetteraukreises eingestellte Wahlaufruf des Landrates des Wetteraukreises
vom 20. September 2013 stellt keinen Wahlfehler dar. Zwar äußerte sich der Landrat in amtlicher Eigen-
schaft, da die Erklärung ausdrücklich als Wahlaufruf des Landrates überschrieben und auf den Internetseiten
des Wetteraukreises veröffentlicht wurde. Der Landrat hat aber mit dieser Äußerung nicht parteiergreifend zu
Lasten der Einspruchsführerin zu 6. (oder zu Lasten anderer Wahlvorschlagsträger) in den Wahlkampf einge-
griffen. Vielmehr hat er den ehrenamtlichen Wahlorganen und Wahlhelfern für ihr Engagement bei der Vor-
bereitung und Durchführung der Wahl gedankt und die Bürgerinnen und Bürger zur Ausübung des Wahl-
rechts aufgerufen. Die Einspruchsführerin zu 6. oder andere Wahlvorschlagsträger wurden in der Erklärung
nicht erwähnt. Die Bitte des Landrats an die Wahlberechtigten, sich bei der Stimmabgabe für eine demokrati-
sche und nicht für eine extremistische Partei zu entscheiden, stellt entgegen der Ansicht der Einspruchsführer

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 271 – Drucksache 18/1810

keinen Eingriff in den Wahlkampf zu Lasten der Einspruchsführerin zu 6. dar, denn es blieb offen, wen der
Landrat damit meinte.

5. Auch der am 16. September 2013 im Internet veröffentlichte Wahlaufruf des katholischen Bischofs des
Bistums Dresden-Meißen und des Landesbischofs der Evangelischen Landeskirche Sachsen ist entgegen der
Auffassung der Einspruchsführer nicht als unzulässige Wahlbeeinflussung zu werten. Da sich für die Parteien
aus Artikel 21 Absatz 1 Satz 1 GG kein Monopol bezüglich der politischen Willensbildung des Volkes ergibt,
haben auch Verbände, Gruppen und Vereinigungen im Wahlkampf das Recht, auf den Prozess der Meinungs-
und Willensbildung Einfluss zu nehmen (Bundestagsdrucksache 8/263, Anlage 25; 15/2400, Anlage 4). Das-
selbe gilt für die Kirchen. Diese können sich insoweit auf die durch Artikel 5 GG geschützte Meinungsfrei-
heit berufen (vgl. Bundestagsdrucksache 8/263, Anlage 25; Strelen, in: Schreiber, § 1 Rn. 30). Zwar sind die
beiden großen Glaubensgemeinschaften Körperschaften des öffentlichen Rechts, doch genießen sie nach
allgemeiner juristischer Ansicht gewissen Grundrechtsschutz. Sie sind daher, entgegen der Meinung der Ein-
spruchsführer, anders zu behandeln als kommunale Wahlbeamte, die sich in amtlicher Eigenschaft äußern.

6. Auch die Äußerungen des Bundespräsidenten vor Berufsschülern im August 2013 stellen keinen Wahlfeh-
ler dar. Das Bundesverfassungsgericht hat am 10. Juni 2014 (Az. 2 BvE 4/13) entschieden, dass die von den
Einspruchsführerin zu 6. angegriffenen Äußerungen von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden sind und
daher die Einspruchsführerin zu 6. nicht in ihrem Recht auf Wahrung der Chancengleichheit der politischen
Parteien verletzten. Einzelne Äußerungen des Bundespräsidenten können nämlich nur dann beanstandet wer-
den, wenn er mit ihnen unter evidenter Vernachlässigung seiner Integrationsaufgabe und damit willkürlich
Partei ergreift. Dies war vorliegend nicht der Fall. Der Bundespräsident hat eingangs seiner Antwort aus-
drücklich darauf hingewiesen, bereits das Abreißen von Plakaten sei nicht zu billigen. Es konnte daher kein
Zweifel bestehen, dass er erst recht gewalttätige Auseinandersetzungen mit der Einspruchsführerin zu 6. ab-
lehnte. Eine noch deutlichere Distanzierung von gewaltbereiten Gegnern der Einspruchsführerin zu 6. – wie
sie sich die Einspruchsführer offenbar gewünscht hätten – war nicht geboten. Auch die Verwendung des
Wortes „Spinner“ ist im konkreten Zusammenhang verfassungsrechtlich und wahlprüfungsrechtlich nicht zu
beanstanden. Das Bundesverfassungsgericht hat dazu überzeugend ausgeführt: „Der Bundespräsident hat
damit über die Antragsstellerin [die Einspruchsführerin zu 6.] und ihre Anhänger und Unterstützer ein nega-
tives Werturteil abgegeben, das isoliert betrachtet durchaus als diffamierend empfunden werden und auf eine
unsachliche Ausgrenzung der so Bezeichneten hindeuten kann. Hier indes dient, wie sich aus dem Duktus der
Äußerungen des Antragsgegners [des Bundespräsidenten] ergibt, die Bezeichnung als ,Spinner‘ – neben der-
jenigen als ,Ideologen‘ und ,Fanatiker‘ – als Sammelbegriff für Menschen, die die Geschichte nicht verstan-
den haben und, unbeeindruckt von den verheerenden Folgen des Nationalsozialismus, rechtsradikale – natio-
nalistische und antidemokratische – Überzeugungen vertreten. Die mit der Bezeichnung als ,Spinner‘ vorge-
nommene Zuspitzung sollte den Teilnehmern an der Veranstaltung nicht nur die Unbelehrbarkeit der so An-
gesprochenen verdeutlichen, sondern auch hervorheben, dass sie ihre Ideologie vergeblich durchzusetzen
hofften, wenn die Bürger ihnen ,ihre Grenzen aufweisen‘. Indem der Antragsgegner [der Bundespräsident],
anknüpfend an die aus der Unrechtsherrschaft des Nationalsozialismus zu ziehenden Lehren, zu bürgerschaft-
lichem Engagement gegenüber politischen Ansichten, von denen seiner Auffassung nach Gefahren für die
freiheitliche demokratische Grundordnung ausgehen und die er von der Antragstellerin [der Einspruchsführe-
rin zu 6.] vertreten sieht, aufgerufen hat, hat er für die dem Grundgesetz entsprechende Form der Auseinan-
dersetzung mit solchen Ansichten geworben und damit die ihm von Verfassungs wegen gesetzten Grenzen
negativer öffentlicher Äußerungen über politische Parteien nicht überschritten.“

7. Die Einspruchsführer bestreiten nicht, dass das Verfahren zur Auszählung der Stimmen und zur Verteilung
der Sitze auf die Landeslisten der Parteien bei der Bundestagswahl 2013 den Vorgaben des Bundeswahlge-
setzes entsprach. Dieses regelt in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1,
dass bei der Verteilung der Sitze auf die Landeslisten nur Parteien berücksichtigt werden, die mindestens fünf
Prozent der im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten oder in mindestens drei Wahlkrei-
sen einen Sitz errungen haben. Soweit die Einspruchsführer geltend machen, die Sperrklausel sei verfas-
sungswidrig, ist darauf hinzuweisen, dass der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in ständi-
ger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens die Verfassungsmäßigkeit der für die Wahl geltenden
Rechtsvorschriften nicht überprüfen. Eine derartige Kontrolle ist stets dem Bundesverfassungsgericht vorbe-
halten worden (vgl. etwa Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlagen 26 bis 28 mit weiteren Nachweisen;
17/1000, Anlagen 5 und 11; 17/2200, Anlagen 1, 13 bis 15, 17 bis 20, 23 und 24; 17/3100, Anlagen 15, 19,
20, 22 bis 30, 32, 34 bis 36; 17/4600, Anlagen 10, 12, 13, 32, 38, 40 bis 43 mit weiteren Nachweisen;

Drucksache 18/1810 – 272 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

17/6300, Anlage 19). Allerdings hat der Wahlprüfungsausschuss schon in zahlreichen Wahlprüfungsent-
scheidungen früherer Wahlperioden keinen Anlass für Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Regelung
gesehen (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen 15/1850, Anlagen 9 und 47; 16/900, Anlage 14), zumal das
Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit der Sperrklausel in ihrer Ausgestaltung durch das Bun-
deswahlgesetz in ständiger Rechtsprechung bestätigt hat (vgl. BVerfGE 1, 208 [247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84
[92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366]; 95, 408 [417 ff.]; 120, 82 [109 ff.]; 122, 304
[314 f.]; 129, 300 [335 f.], siehe auch Bundestagsdrucksache 16/900, Anlage 14). Es ist folglich verfassungs-
rechtlich nicht zu beanstanden, dass alle Parlamentssitze auf diejenigen Parteien verteilt werden, welche die
Fünf-Prozent-Hürde überwunden haben. Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
die Sperrklausel durch veränderte Verhältnisse infrage gestellt werden. Dies ist bezüglich der Bundestags-
wahl 2013 aber nicht der Fall, wie das Bundesministerium des Innern – auch unter Bezugnahme auf die Ur-
teile vom 9. November 2011 und 26. Februar 2014 – in seiner Stellungnahme zutreffend feststellt: Dass nach
dem amtlichen Endergebnis der Bundestagswahl 2013 insgesamt 15,7 Prozent der gültigen Zweitstimmen
nicht in die Mandatsverteilung eingeflossen sind, weil sie für insgesamt 25 Parteien abgegeben wurden, die
bundesweit weniger als fünf Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, ändert nichts an der vom Bundesver-
fassungsgericht festgestellten Verfassungskonformität der Fünf-Prozent-Hürde. Zwar war der Anteil der gül-
tigen, aber wegen der Sperrklausel nicht in die Sitzverteilung eingeflossenen Zweitstimmen bei der Bundes-
tagswahl 2013 höher als bei früheren Bundestagswahlen, da – anders als bei vorhergehenden Wahlen – zwei
Parteien jeweils fast fünf Prozent und zudem 23 weitere Parteien insgesamt 6,2 Prozent (für sich genommen
aber teilweise weniger als 0,1 Prozent) erreicht haben. Jedoch ist dieser Umstand nicht atypisch oder zuvor
unbekannt gewesen. Es ist zudem durchaus möglich, dass er bei kommenden Bundestagswahlen mit anderen
Wahlergebnissen nicht (mehr) auftritt. Der Einzug neuer Parteien in den Deutschen Bundestag wird, wie
Beispiele aus der Geschichte der Bundesrepublik zeigen, ohnehin nicht durch die Sperrklausel verhindert.
Außerdem ist die Fünf-Prozent-Hürde auf das jeweilige Ergebnis einer jeden Partei bezogen. Nur die konkre-
te Stimmenzahl jeder Partei kann der Ausgangspunkt der Sitzverteilung auf die Landeslisten sein (vgl. § 6
Absatz 1 BWG) – übrigens auch dann, wenn man gedanklich die Sperrklausel streicht oder eine niedrigere
Sperrklausel ansetzt –; erst im zweiten Schritt ist die Stimmenzahl einer jeden Partei in Relation zu den
Stimmenanteilen der anderen Parteien zu setzen (vgl. § 6 Absätze 2 bis 7 BWG). Die gedankliche Addition
von Zweitstimmenanteilen kann folglich für die Fünf-Prozent-Hürde keine Aussagekraft beanspruchen.

Das von den Einspruchsführern befürwortete Konzept einer Eventualstimme (Alternativstimme, Ersatzstim-
me) wäre – wenn es Gesetz würde – verfassungwidrig. Die Einführung einer Eventualstimme verstieße gegen
den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl im Sinne des Artikels 38 Absatz 1 Satz 1 GG und gegen das
Demokratieprinzip in Art. 20 Absatz 1 GG (vgl. nur Strelen, in: Schreiber, § 6 Rn. 37).

III.

Eine Erstattung der notwendigen Auslagen ist nach Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse und den
Belangen der Einspruchsführer nicht gerechtfertigt. Zwar liegen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 19
Absatz 1 Satz 2 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) vor. Hiernach können dem in nicht amtlicher Eigen-
schaft Einsprechenden notwendige Auslagen erstattet werden, wenn dem Einspruch stattgegeben oder der
Einspruch nur deshalb zurückgewiesen wurde, weil der geltend gemachte Mangel keinen Einfluss auf das
Wahlergebnis gehabt hat. Wie bereits dargelegt, ist der Wahleinspruch der Einspruchsführer nur deshalb
zurückgewiesen worden, weil der geltend gemachte Mangel keinen Einfluss auf das Wahlergebnis gehabt
hat. § 19 WPrüfG räumt dem Bundestag jedoch hinsichtlich der Entscheidung der Frage, ob Auslagenersatz
gewährt werden soll oder nicht, ein Ermessen ein. Dieses ist dem Zweck des § 19 WPrüfG entsprechend
auszuüben, wobei die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten sind. Maßgeblich für die Ablehnung
des Antrags der Einspruchsführer ist die ständige Praxis des Bundestages, Anträge auf Kostenerstattung ge-
nerell abzulehnen. Der Deutsche Bundestag hat bislang – mit Ausnahme eines atypisch gelagerten, besonders
begründeten Sonderfalles (Bundestagsdrucksache 12/1002, Anlage 29) – Ersuchen um Kostenerstattung stets
abgelehnt (vgl. z. B. Bundestagsdrucksachen 13/3928, Anlage 21; 15/2400, Anlage 16; 17/6300, Anlage 3).
Ein sachlicher Grund, im vorliegenden Fall ausnahmsweise die Auslagen zu erstatten, ist nicht ersichtlich.
Ein solcher besonderer Ausnahmefall ergibt sich nicht daraus, dass es sich bei dem festgestellten Wahlfehler
um einen Eingriff in den Wahlwettbewerb gehandelt hat. Immerhin ist der Einspruchsführer zu 8., der auch
als Verfahrensbevollmächtigter auftritt, als Rechtsanwalt zugelassen und besitzt somit eine hinreichende
juristische Vorbildung, einen Wahleinspruch einzulegen und zu begründen. Andere Gründe, die im vorlie-
genden Fall ausnahmsweise eine Erstattung der Auslagen rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 273 – Drucksache 18/1810

Anlage 40

Beschlussempfehlung

ZumWahleinspruch

des Herrn S. F., 94032 Passau,

– Az.: WP 164/13 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag
am 22. September 2013

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 26. Juni 2014 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit einem Fax vom 20. November 2013 Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl
zum 18. Deutschen Bundestag am 22. September 2013 eingelegt.

Er wendet sich gegen die Fünf-Prozent-Klausel. Für Bundestagswahlen gelte das Verhältniswahlrecht. Dies
bedeute, dass die einer Partei zugewiesene Anzahl von Parlamentssitzen ihrem Anteil an der Gesamtstim-
menzahl entsprechen müsse. Auf „wundersame“, aber verfassungswidrige Weise hätten sich die Stimmenan-
teile, bezogen auf die Sitzverteilung, jedoch vermehrt: Der Stimmenanteil der CDU von 34,1 Prozent habe zu
einem Sitzanteil von 40,4 Prozent geführt, der Stimmenanteil der SPD von 25,7 Prozent zu einem Sitzanteil
von 30,6 Prozent, der Stimmenanteil der Partei Die Linke von 8,6 Prozent Prozent zu einem Sitzanteil von
10,1 Prozent, der Stimmenanteil der Partei Bündnis 90/Die Grünen von 8,4 Prozent zu einem Sitzanteil von
10 Prozent und der Stimmenanteil der CSU von 7,4 Prozent zu einem Sitzanteil von 8,9 Prozent. Den fünf im
18. Deutschen Bundestag vertretenen Parteien seien insgesamt 99 Sitze zugeteilt worden, die ihnen nach dem
Wahlergebnis nicht zustünden, da sie nicht vom Wählerwillen gedeckt seien. Die CDU habe 40 Sitze „zu
viel“ erhalten, die SPD 31, Die Linke 10, Bündnis 90/Die Grünen 10 und die CSU acht. Diese „Fremdsitze“
beruhten auf der Fünf-Prozent-Klausel in § 6 Abs. 6 Satz 1, 1. Alternative des Bundeswahlgesetzes (BWG).
Wähler, die gültige Stimmen abgäben, würden dadurch um ihr Wahlrecht gebracht. Sie entschieden nur bei
der Beantwortung der Vorfrage mit, welche Parteien die Fünf-Prozent-Hürde überschritten. Vom entschei-
denden Teil der Wahl, bei dem die Stärkeverhältnisse der Parteien im Parlament festgelegt würden, seien sie
ausgeschlossen. Die für Parteien, die weniger als fünf Prozent der Zweitstimmen erreichten, abgegebenen
Stimmen würden vom Gesetzgeber in voller Absicht vernichtet. Sie kämen den großen Parteien, welche die
Fünf-Prozent-Hürde übersprängen, zugute. Die Fünf-Prozent-Klausel verletzte nicht nur das Grundrecht auf
Gleichheit und freie Ausübung des Wahlrechts, sondern auch den Grundsatz der Chancengleichheit für alle
Parteien. Denn wegen der Befürchtung, sie könne die Fünf-Prozent-Hürde nicht überwinden, wähle so man-
cher die eigene „Wunschpartei“ nicht. Die kleineren Parteien würden benachteiligt. Abhilfe sei nicht nur
verfassungsrechtlich geboten, sondern auch ohne allzu großen Mehraufwand möglich. Es genüge die Einfüh-
rung einer „Ersatz- oder Eventualstimme“, die dann zum Tragen komme, wenn die vorrangig angekreuzte
Partei die Fünf-Prozent-Hürde nicht überwinde. Das Bundesverfassungsgericht habe jedenfalls die angegrif-
fene Regelung noch nicht eingehend untersucht. Die Frage, ob Wähler vom entscheidenden Teil einer Wahl
ausgeschlossen werden dürften, sei vom Gericht noch nicht beantwortet worden.

Wegen der Einzelheiten des Vortrages des Einspruchsführers wird auf den Inhalt der Akten Bezug genom-
men.

Drucksache 18/1810 – 274 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet. Dem Vortrag des Einspruchsführers lässt sich kein Verstoß
gegen Wahlrechtsvorschriften und damit kein Wahlfehler entnehmen.

Der Einspruchsführer bestreitet nicht dass das Verfahren zur Auszählung der Stimmen und zur Verteilung der
Sitze auf die Landeslisten der Parteien bei der Bundestagswahl 2013 den Vorgaben des Bundeswahlgesetzes
entsprach. Dieses regelt heute in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1,
dass bei der Verteilung der Sitze auf die Landeslisten nur Parteien berücksichtigt werden, die mindestens fünf
Prozent der im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten oder in mindestens drei Wahlkrei-
sen einen Sitz errungen haben. Die Sperrklausel führt – anders als der Einspruchsführer meint – nicht zu
„Fremdsitzen“, denn den Parteien, die unterhalb der Fünf-Prozent-Hürde bleiben, stehen aufgrund ihres
Wahlergebnisses keine Sitze zu. Soweit der Einspruchsführer geltend macht, die Sperrklausel verstoße gegen
die Grundsätze der Gleichheit und der Freiheit der Wahl sowie gegen den den Grundsatz der Chancengleich-
heit der Parteien und sei daher verfassungswidrig, ist darauf hinzuweisen, dass der Wahlprüfungsausschuss
und der Deutsche Bundestag in ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens die Verfassungs-
mäßigkeit der für die Wahl geltenden Rechtsvorschriften nicht überprüfen. Eine derartige Kontrolle ist stets
dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten worden (vgl. etwa Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlagen 26
bis 28 mit weiteren Nachweisen; 17/1000, Anlagen 5 und 11; 17/2200, Anlagen 1, 13 bis 15, 17 bis 20, 23
und 24; 17/3100, Anlagen 15, 19, 20, 22 bis 30, 32, 34 bis 36; 17/4600, Anlagen 10, 12, 13, 32, 38, 40 bis 43
mit weiteren Nachweisen; 17/6300, Anlage 19). Allerdings hat der Wahlprüfungsausschuss schon in zahlrei-
chen Wahlprüfungsentscheidungen früherer Wahlperioden keinen Anlass für Zweifel an der Verfassungsmä-
ßigkeit der Regelung gesehen (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen 15/1850, Anlagen 9 und 47; 16/900, An-
lage 14), zumal das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit der Sperrklausel in ihrer Ausgestal-
tung durch das Bundeswahlgesetz in ständiger Rechtsprechung bestätigt hat (vgl. BVerfGE 1, 208 [247 ff.];
4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366]; 95, 408 [417 ff.]; 120, 82
[109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.], siehe auch Bundestagsdrucksache 16/900, Anlage 14). Es ist
folglich verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass alle Parlamentssitze auf diejenigen Parteien verteilt
werden, welche die Fünf-Prozent-Hürde überwunden haben. Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bun-
desverfassungsgerichts die Sperrklausel durch veränderte Verhältnisse infrage gestellt werden. Dies ist be-
züglich der Bundestagswahl 2013 aber nicht der Fall, wie das Bundesministerium des Innern – auch unter
Bezugnahme auf die Urteile vom 9. November 2011 und 26. Februar 2014 – in seiner Stellungnahme zutref-
fend feststellt: Dass nach dem amtlichen Endergebnis der Bundestagswahl 2013 insgesamt 15,7 Prozent der
gültigen Zweitstimmen nicht in die Mandatsverteilung eingeflossen sind, weil sie für insgesamt 25 Parteien
abgegeben wurden, die bundesweit weniger als fünf Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, ändert nichts
an der vom Bundesverfassungsgericht festgestellten Verfassungskonformität der Fünf-Prozent-Hürde. Zwar
war der Anteil der gültigen, aber wegen der Sperrklausel nicht in die Sitzverteilung eingeflossenen Zweit-
stimmen bei der Bundestagswahl 2013 höher als bei früheren Bundestagswahlen, da – anders als bei vorher-
gehenden Wahlen – zwei Parteien jeweils fast fünf Prozent und zudem 23 weitere Parteien insgesamt 6,2
Prozent (für sich genommen aber teilweise weniger als 0,1 Prozent) erreicht haben. Jedoch ist dieser Um-
stand nicht atypisch oder zuvor unbekannt gewesen. Es ist zudem durchaus möglich, dass er bei kommenden
Bundestagswahlen mit anderen Wahlergebnissen nicht (mehr) auftritt. Der Einzug neuer Parteien in den
Deutschen Bundestag wird, wie Beispiele aus der Geschichte der Bundesrepublik zeigen, ohnehin nicht durch
die Sperrklausel verhindert. Außerdem ist die Fünf-Prozent-Hürde auf das jeweilige Ergebnis einer jeden
Partei bezogen. Nur die konkrete Stimmenzahl jeder Partei kann der Ausgangspunkt der Sitzverteilung auf
die Landeslisten sein (vgl. § 6 Absatz 1 BWG) – übrigens auch dann, wenn man gedanklich die Sperrklausel
streicht oder eine niedrigere Sperrklausel ansetzt –; erst im zweiten Schritt ist die Stimmenzahl einer jeden
Partei in Relation zu den Stimmenanteilen der anderen Parteien zu setzen (vgl. § 6 Absätze 2 bis 7 BWG).
Die gedankliche Addition von Zweitstimmenanteilen kann folglich für die Fünf-Prozent-Hürde keine Aussa-
gekraft beanspruchen.

Das vom Einspruchsführer befürwortete Konzept einer Eventualstimme (Alternativstimme, Ersatzstimme)
wäre – wenn es Gesetz würde – verfassungwidrig. Die Einführung einer Eventualstimme verstieße gegen den
Grundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl im Sinne des Artikels 38 Absatz 1 Satz 1 GG und gegen das Demo-
kratieprinzip in Art. 20 Absatz 1 GG (vgl. nur Strelen, in: Schreiber, § 6 Rn. 37).

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 275 – Drucksache 18/1810

Anlage 41

Beschlussempfehlung

ZumWahleinspruch

1. des Herrn S. B., 09353 Oberlungwitz,
2. des Herrn S. B., 46459 Rees,

3. des Herrn C. C., 44866 Bochum-Wattenscheid,
4. des Herrn H.-J. G., 73095 Albershausen,
5. der Frau B. G., 42853 Remscheid,
6. des Herrn D. H., 66482 Zweibrücken,
7. des Herrn A. H., 77716 Fischerbach,
8. des Herrn S. H., 18439 Stralsund,
9. des Herrn B. H., 77974 Meißenheim,
10. des Herrn K. K., 66121 Saarbrücken,
11. des Herrn M. J., 66292 Riegelsberg,
12. des Herrn S. P., 66333 Völklingen,
13. des Herrn E. P., 23779 Neukirchen,
14. des Herrn B. S., 14621 Schönwalde,
15. der Frau G. S., 66386 St. Ingbert,
16. der Frau J. W., 66482 Zweibrücken,

vertreten durch Herrn Rechtsanwalt P. R., 66121 Saarbrücken,

– Az.: WP 166/13 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag
am 22. September 2013

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 26. Juni 2014 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Die Einspruchsführer haben mit einem Fax ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 20. November 2013 Ein-
spruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag am 22. September 2013 eingelegt.

1. Sie wenden sich gegen die Fünf-Prozent-Hürde. Diese sei jedenfalls in ihrer gegenwärtigen Ausgestaltung
verfassungswidrig und nichtig, was mandatsrelevant sei. Die Fünf-Prozent-Hürde bewirke eine Ungleichge-
wichtung der Stimmen hinsichtlich ihres Erfolgswerts. Die Stimmen, welche für Parteien abgegeben worden
seien, welche mindestens fünf Prozent der Stimmen erreicht hätten, hätten unmittelbaren Einfluss auf die
Sitzverteilung nach dem Verhältnisausgleich. Hingegen hätten die Stimmen für an der Fünf-Prozent-Hürde
gescheiterte Parteien keinen Einfluss auf die Sitzverteilung. Dieser Grundrechtseingriff sei verfassungsrecht-
lich nicht gerechtfertigt. Zwar stelle die Sicherung der Funktionsfähigkeit des Parlaments einen zwingenden
Grund dar, welcher die Wahlrechtsgleichheit und dem Recht der politischen Parteien auf Chancengleichheit
die Waage halten könne und folglich grundsätzlich geeignet sei, die Einführung einer Sperrklausel zu recht-
fertigen. Dies setze jedoch voraus, dass die Sperrklausel geeignet, erforderlich und angemessen sei, um mit
einiger Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Funktionsbeeinträchtigungen des jeweiligen Parlaments wirksam
zu begegnen, wobei bei der Prüfung dieser Frage ein strikter verfassungsrechtlicher Maßstab anzulegen sei
und dem Gesetzgeber nur ein eng bemessener Gestaltungsspielraum verbleibe. Nur die mit einiger Wahr-
scheinlichkeit zu erwartende Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Vertretungsorgane könne nach der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Erforderlichkeit einer Fünf-Prozent-Sperrklausel begrün-
den. Nach diesen verfassungsrechtlichen Maßstäben erweise sich die Sperrklausel in § 6 Absatz 3 des Bun-
deswahlgesetzes (BWG) jedenfalls als unverhältnismäßig. Die Fünf-Prozent-Hürde trage auf der Bundesebe-
ne durchaus dazu bei, eine übermäßige Parteienzersplitterung im Deutschen Bundestag zu verhindern, wes-

Drucksache 18/1810 – 276 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

halb wohl nicht gänzlich auf sie verzichtet werden könne. Zu hinterfragen sei jedoch gerade angesichts des
Ergebnisses der angegriffenen Wahl ihre Höhe. Es sei verfassungsrechtlich geboten, die Höhe der Sperrklau-
sel zu reduzieren. Warum es der Demokratie nützen solle, wenn Parteien wie die FDP und die Partei „Alter-
native für Deutschland“, die sehr viele Stimmen erhalten hätten und nur knapp an der Fünf-Prozent-Hürde
gescheitert seien, mittels Sperrklauseln aus dem Parlament ferngehalten würden, erschließe sich nicht. Zudem
würden unter Geltung einer Ein-Prozent-Sperrklausel nur fünf weitere Parteien in den Deutschen Bundestag
einziehen, wobei eine davon bis vor Kurzem noch dort vertreten gewesen sei. Bei einer Drei-Prozent-
Sperrklausel käme neben der FDP nur eine weitere Partei zusätzlich ins Parlament. Der Einzug so weniger
Parteien dürfte keine „Weimarer Verhältnisse“ im Parlament heraufbeschwören. Schließlich habe die unver-
hältnismäßige Höhe der Sperrklausel bei der angegriffenen Wahl zusätzlich Probleme demokratiepolitischer
Art geschaffen. Die im Deutschen Bundestag vertretene Opposition sei durch die Sperrklausel künstlich ver-
kleinert worden, wodurch ihre Kontrollbefugnisse erschwert und die Macht der Regierungskoalition vergrö-
ßert werde. Der durch die Sperrklausel ohnehin schon bewirkte Erfolgswertunterschied der Stimmen werde
auf diese Weise signifikant erhöht, was nicht zuletzt unter dem Gesichtspunkt des Minderheitenschutzes
höchst problematisch sei. Unabhängig von der Höhe der Sperrklausel sei zu beanstanden, dass der Gesetzge-
ber bislang keine Alternativstimme vorsehe. Mit einer solchen „Vorgehensweise“ könnte der Eingriff in die
Erfolgswertgleichheit der Stimmen auf ein verfassungsrechtlich gebotenes Minimum reduziert werden.

2. Die Einspruchsführer beantragen die Erstattung ihrer notwendigen Auslagen aus der Staatskasse.

Wegen der Einzelheiten des Vortrages der Einspruchsführer wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet. Dem Vortrag der Einspruchsführer lässt sich kein Verstoß ge-
gen Wahlrechtsvorschriften und damit kein Wahlfehler entnehmen.

Die Einspruchsführer bestreiten nicht, dass das Verfahren zur Auszählung der Stimmen und zur Verteilung
der Sitze auf die Landeslisten der Parteien bei der Bundestagswahl 2013 den Vorgaben des Bundeswahlge-
setzes entsprach. Dieses regelt in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1,
dass bei der Verteilung der Sitze auf die Landeslisten nur Parteien berücksichtigt werden, die mindestens fünf
Prozent der im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten oder in mindestens drei Wahlkrei-
sen einen Sitz errungen haben. Soweit die Einspruchsführer geltend machen, die Sperrklausel sei verfas-
sungswidrig, ist darauf hinzuweisen, dass der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in ständi-
ger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens die Verfassungsmäßigkeit der für die Wahl geltenden
Rechtsvorschriften nicht überprüfen. Eine derartige Kontrolle ist stets dem Bundesverfassungsgericht vorbe-
halten worden (vgl. etwa Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlagen 26 bis 28 mit weiteren Nachweisen;
17/1000, Anlagen 5 und 11; 17/2200, Anlagen 1, 13 bis 15, 17 bis 20, 23 und 24; 17/3100, Anlagen 15, 19,
20, 22 bis 30, 32, 34 bis 36; 17/4600, Anlagen 10, 12, 13, 32, 38, 40 bis 43 mit weiteren Nachweisen;
17/6300, Anlage 19). Allerdings hat der Wahlprüfungsausschuss schon in zahlreichen Wahlprüfungsent-
scheidungen früherer Wahlperioden keinen Anlass für Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Regelung
gesehen (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen 15/1850, Anlagen 9 und 47; 16/900, Anlage 14), zumal das
Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit der Sperrklausel in ihrer Ausgestaltung durch das Bun-
deswahlgesetz in ständiger Rechtsprechung bestätigt hat (vgl. BVerfGE 1, 208 [247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84
[92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366]; 95, 408 [417 ff.]; 120, 82 [109 ff.]; 122, 304
[314 f.]; 129, 300 [335 f.], siehe auch Bundestagsdrucksache 16/900, Anlage 14). Es ist folglich verfassungs-
rechtlich nicht zu beanstanden, dass alle Parlamentssitze auf diejenigen Parteien verteilt werden, welche die
Fünf-Prozent-Hürde überwunden haben. Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
die Sperrklausel durch veränderte Verhältnisse infrage gestellt werden. Dies ist bezüglich der Bundestags-
wahl 2013 aber nicht der Fall, wie das Bundesministerium des Innern – auch unter Bezugnahme auf die Ur-
teile vom 9. November 2011 und 26. Februar 2014 – in seiner Stellungnahme zutreffend feststellt: Dass nach
dem amtlichen Endergebnis der Bundestagswahl 2013 insgesamt 15,7 Prozent der gültigen Zweitstimmen
nicht in die Mandatsverteilung eingeflossen sind, weil sie für insgesamt 25 Parteien abgegeben wurden, die
bundesweit weniger als fünf Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, ändert nichts an der vom Bundesver-
fassungsgericht festgestellten Verfassungskonformität der Fünf-Prozent-Hürde. Zwar war der Anteil der gül-
tigen, aber wegen der Sperrklausel nicht in die Sitzverteilung eingeflossenen Zweitstimmen bei der Bundes-
tagswahl 2013 höher als bei früheren Bundestagswahlen, da – anders als bei vorhergehenden Wahlen – zwei

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 277 – Drucksache 18/1810

Parteien jeweils fast fünf Prozent und zudem 23 weitere Parteien insgesamt 6,2 Prozent (für sich genommen
aber teilweise weniger als 0,1 Prozent) erreicht haben. Jedoch ist dieser Umstand nicht atypisch oder zuvor
unbekannt gewesen. Es ist zudem durchaus möglich, dass er bei kommenden Bundestagswahlen mit anderen
Wahlergebnissen nicht (mehr) auftritt. Der Einzug neuer Parteien in den Deutschen Bundestag wird, wie
Beispiele aus der Geschichte der Bundesrepublik zeigen, ohnehin nicht durch die Sperrklausel verhindert.
Außerdem ist die Fünf-Prozent-Hürde auf das jeweilige Ergebnis einer jeden Partei bezogen. Nur die konkre-
te Stimmenzahl jeder Partei kann der Ausgangspunkt der Sitzverteilung auf die Landeslisten sein (vgl. § 6
Absatz 1 BWG) – übrigens auch dann, wenn man gedanklich die Sperrklausel streicht oder eine niedrigere
Sperrklausel ansetzt –; erst im zweiten Schritt ist die Stimmenzahl einer jeden Partei in Relation zu den
Stimmenanteilen der anderen Parteien zu setzen (vgl. § 6 Absätze 2 bis 7 BWG). Die gedankliche Addition
von Zweitstimmenanteilen kann folglich für die Fünf-Prozent-Hürde keine Aussagekraft beanspruchen.

Das von den Einspruchsführern befürwortete Konzept einer Eventualstimme (Alternativstimme, Ersatzstim-
me) wäre – wenn es Gesetz würde – verfassungwidrig. Die Einführung einer Eventualstimme verstieße gegen
den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl im Sinne des Artikels 38 Absatz 1 Satz 1 GG und gegen das
Demokratieprinzip in Art. 20 Absatz 1 GG (vgl. nur Strelen, in: Schreiber, § 6 Rn. 37).

III.

Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 19 Absatz 1 Satz 2 des Wahlprüfungsgesetzes für eine Auslangener-
stattung liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift können den in nicht amtlicher Eigenschaft Einsprechenden
notwendige Auslagen erstattet werden, wenn dem Einspruch stattgegeben oder der Einspruch nur deshalb
zurückgewiesen wurde, weil der geltend gemachte Mangel keinen Einfluss auf das Wahlergebnis gehabt hat.
Im vorliegenden Fall wird der Einspruch zurückgewiesen und dies nicht etwa, weil ein Wahlfehler vorläge,
der keinen Einfluss auf das Wahlergebnis hatte. Vielmehr geht es allein um eine nicht durchgreifende Rüge
des materiellen Wahlrechts.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 279 – Drucksache 18/1810

Anlage 42

Beschlussempfehlung

ZumWahleinspruch

1. des Herrn W. B.-v. L., 69115 Heidelberg,
2. des Herrn Dr. U. L., ebenda,
vertreten durch Letzteren,

– Az.: WP 167/13 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag
am 22. September 2013

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 26. Juni 2014 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Die Einspruchsführer haben durch ein Fax und eine Schreiben des Verfahrensbevollmächtigten vom 20. No-
vember 2013 Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag am 22. September
2013 eingelegt.

Sie wenden sich gegen die Fünf-Prozent-Klausel. Diese sei formell und materiell verfassungswidrig. Die
formelle Verfassungswidrigkeit des § 6 Absatz 4 des Bundeswahlgesetzes von 1953 (BWG 1953) – und da-
mit des inhaltsgleichen § 6 Absatz 3 der aktuellen Fassung des Bundeswahlgesetzes (BWG 2013) – beruhe
auf dem Umstand, dass § 6 Absatz 4 BWG 1953 ohne die erforderliche Zustimmung des Bundesrates Ein-
gang in das Bundesgesetzblatt gefunden habe. Das Bundesverfassungsgericht habe nämlich entschieden, dass
ein das Verwaltungsverfahren regelndes Bundesgesetz, das die Länder als eigene Angelegenheit ausführten,
nach Artikel 84 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) als Ganzes der Zustimmung des Bundesrates bedürfe (vgl.
BVerfGE 8, 274 ff., Leitsatz 2). Das BWG 1953 habe in großer Anzahl bundesrechtliche Regelungen zum
Verwaltungsverfahren und zur Behördenzuständigkeit enthalten, z. B. zur Führung von Wählerverzeichnissen
durch die Gemeinden. Die in der Literatur zu findende Auffassung, die Organisation der Bundestagswahlen
sei ein (nicht zustimmungsbedürftiger) Selbstorganisationsakt des Bundes, überzeuge nicht, da eine solche
Verwaltungsform dem Grundgesetz nicht zu entnehmen sei. Auch eine ungeschriebene Verwaltungskompe-
tenz des Bundes für die Durchführung der Bundestagswahlen bestehe nicht. Die zahlreichen Neufassungen
und Neubekanntmachungen des Bundeswahlgesetzes änderten an der Verfassungswidrigkeit des § 6 Absatz 4
BWG 1953 und des § 6 Absatz 3 BWG 2013 nichts. Ein formell verfassungswidriges Gesetz könne in den
Erfolgswert der Stimmabgaben nicht verfassungskonform eingreifen. Mithin sei bei der Bundestagswahl
2013 massiv gegen den Grundsatz der Wahlgleichheit verstoßen worden.

Die Fünf-Prozent-Klausel sei auch materiell verfassungswidrig. Das Parlament repräsentiere nicht hinrei-
chend das Aktivvolk. Aufgrund der Fünf-Prozent-Hürde seien mehr als 16 Prozent der Abstimmenden nicht
mehr im Deutschen Bundestag repräsentiert. Der Gesetzgeber sei seiner Pflicht, eine zu große Anzahl parla-
mentarisch nicht repräsentierter Stimmen zu verhindern, bisher nicht nachgekommen. Er hätte die Fünf-
Prozent-Hürde senken oder das „Überspringen“ in zwei oder drei Bundesländern genügen lassen oder ein
Präferenzwahlsystem einführen müssen. Die Fünf-Prozent-Klausel verschaffe denjenigen Parteien, die mehr
als fünf Prozent der Zweitstimmen erreichten, eine weit überdurchschnittliche Repräsentation im Deutschen
Bundestag, erst recht in Kombination mit den Regelungen zu Überhang- und Ausgleichsmandaten. CDU und
CSU hätten gesamt 41,5 Prozent der Zweitstimmen, aber 49,28 Prozent der Bundestagsmandate erhalten. Die
SPD habe mit nur 25,7 Prozent der Zweitstimmen, jedoch über 30,58 Prozent der Mandate erreicht. Die Lin-
ke und Bündnis 90/Die Grünen hätten bei lediglich 8,6 Prozent bzw. 8,3 Prozent der Zweitstimmen immerhin
10,14 Prozent bzw. 9,98 Prozent der Sitze bekommen. Im Extremfall könnten 19 Parteien mit 4,9 Prozent an
der Sperrklausel scheitern und eine Partei mit nur 6,9 Prozent alle Mandate erhalten.

Drucksache 18/1810 – 280 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Wegen der Einzelheiten des Vortrages der Einspruchsführer wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Das Bundesministerium des Innern hat zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-
Sperrklausel am 16. Juni 2014 wie folgt Stellung genommen:

1. Das Bundesverfassungsgericht erachte in ständiger Rechtsprechung bei Wahlen zum Deutschen Bundestag
die heute in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1 des Bundeswahlgesetzes
(BWG) vorgesehene, auf das gesamte Wahlgebiet bezogene Fünf-Prozent-Sperrklausel für verfassungsgemäß
(vgl. BVerfGE 1, 208 [247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366];
95, 408 [417 ff.]; 120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.]). Zuletzt habe das Gericht in seinem
Urteil vom 9. Januar 2011 zur Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen entschieden, dass die Fünf-
Prozent-Sperrklausel bei der Wahl zum Deutschen Bundestag ihre Rechtfertigung im Wesentlichen darin
finde, dass die Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren
fortlaufende Unterstützung nötig sei und dieses Ziel durch die Zersplitterung des Parlaments in viele kleine
Gruppen gefährdet werde (BVerfGE 129, 300 [335 f.]). In der Entscheidung vom 26. Februar 2014 (2 BvE
2/13 u. a.) zur Drei-Prozent-Sperrklausel im Europawahlrecht habe das Gericht erneut bestätigt, dass eine
Sperrklausel gerechtfertigt sein könne, wenn Verhältnisse wie auf nationaler Ebene gegeben sind, wo die
Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nötig sei (ebd. Rn. 72).

Angesichts der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei der Wahlgesetzgeber verfas-
sungsrechtlich nicht daran gehindert, bei der Verteilung der zu vergebenden Sitze auf die Landeslisten bei der
Bundestagswahl grundsätzlich nur die Parteien zu berücksichtigen, die mindestens fünf Prozent der im Wahl-
gebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten haben (§ 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Ab-
satz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG). Es sei ihm mit anderen Worten von Verfassungs wegen unbenommen,
gültige Zweitstimmen, die auf Landeslisten von Parteien entfallen sind, die nicht die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben, zwar für die Ergebnisfeststellung als relevant zu werten (§ 42 BWG), nicht
aber für die Sitzverteilung. Der Wahlgesetzgeber dürfe also ohne Verstoß gegen Bundesverfassungsrecht alle
zu vergebenden Parlamentssitze auf die Landeslisten derjenigen Parteien verteilen, die die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben.

Im Interesse der Handlungsfähigkeit des Deutschen Bundestages habe der Wahlgesetzgeber bisher an der auf
das gesamte Wahlgebiet bezogenen Fünf-Prozent-Sperrklausel, die seit der Wahl zum 2. Deutschen Bundes-
tag 1953 gilt, festgehalten. Denn eine Wahl habe – wie das Bundesverfassungsgericht betone (vgl. BVerfGE
51, 222 [236]) – „nicht nur das Ziel, eine Volksvertretung zu schaffen, die ein Spiegelbild der in der Wähler-
schaft vorhandenen politischen Meinungen darstellt, sondern sie soll auch ein funktionsfähiges Organ her-
vorbringen.“ Hierfür seien „(k)lare und ihrer Verantwortung für das Gesamtwohl bewusste Mehrheiten in
einer Volksvertretung (…) für eine Bewältigung der ihr gestellten Aufgaben unentbehrlich“, die durch einen
unbegrenzten Proporz nicht gewährleistet sind.

2. Zwar könne nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die verfassungsrechtliche Rechtfer-
tigung einer die Wahlgleichheit berührenden Norm des Wahlrechts wie eine Sperrklauselregelung durch ver-
änderte Verhältnisse oder neue Entwicklungen – etwa durch eine Änderung der vom Gesetzgeber vorausge-
setzten tatsächlichen oder normativen Grundlagen oder wenn sich die beim Erlass der Norm hinsichtlich ihrer
Auswirkungen angestellte Prognose als irrig erwiesen habe – in Frage gestellt werden (BVerfGE 82, 322
[338 f.]; 120, 82 [108]; 129, 300 [321 f.]; Urteil vom 26. Februar 2014, Az. 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 56). Dies
sei im Hinblick auf die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen jedoch nicht der Fall.

Eine Änderung der normativen Grundlagen für die Beurteilung der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundes-
tagswahlen, die das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung als verfassungsgemäß angesehen
habe, sei nicht festzustellen. Insbesondere führten das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
9. November 2011 zur Verfassungswidrigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen (BVerfGE
129, 300) und sein Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Sperrklausel im
Europawahlgesetz (2 BvE 2/13 u. a.) nicht zu einer abweichenden Bewertung. Das Bundesverfassungsgericht
begründe die Verfassungswidrigkeit der Sperrklauseln bei Europawahlen in diesen Urteilen mit der besonde-
ren Stellung und Funktion des Europäischen Parlaments im Gefüge der Organe der Europäischen Union, wo
eine vergleichbare Interessenlage wie bei der Bundestagswahl nicht bestehe (BVerfGE 129, 300 [336]). Auch
in seinem Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Klausel im Europawahl-
gesetz halte das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich an der gefestigten Rechtsprechung zum verfassungs-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 281 – Drucksache 18/1810

rechtlichen Maßstab für die Beurteilung wahlrechtlicher Sperrklauseln fest und lege – wie es mehrfach beto-
ne – seinem Urteil die gleichen Prüfungsmaßstäbe wie im Urteil vom 9. November 2011 zugrunde (Az. 2
BvE 2/13 u. a., Rn. 37, 45, 63). In beiden Urteilen weise das Gericht zudem darauf hin, dass bei der Bundes-
tagswahl – anders als bei der Europawahl – der Deutsche Bundestag im Falle einer eintretenden Funktionsbe-
einträchtigung aufgrund seiner veränderten strukturellen Zusammensetzung nicht mehr in der Lage wäre, die
gesetzlichen Regelungen zur Sicherung seiner Funktionsfähigkeit zu ändern, weil die erforderliche Mehrheit
nicht mehr zustande käme (BVerfGE 129, 300 [324]; Urteil vom 26. Februar 2014, 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 58).

3. Auch in tatsächlicher Hinsicht erfordere das Wahlergebnis der Bundestagswahl 2013, bei der zwei Parteien
mit einem Stimmenanteil von 4,8 Prozent bzw. 4,7 Prozent der Zweitstimmen vergleichsweise knapp an der
Fünf-Prozent-Klausel gescheitert seien, keine Neubewertung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der
Klausel. Der Gesetzgeber habe sich für die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen entschieden und
diese bis heute beibehalten, um in Konstellationen, in denen eine oder mehrere Parteien weniger als fünf
Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, die Funktionsfähigkeit des Bundestages sicherzustellen. Wenn eine
solche Konstellation bei einer Wahl – wie nun der Bundestagswahl 2013 – tatsächlich auftrete, liege gerade
nicht der Fall vor, dass sich eine Prognose des Gesetzgebers als irrig erwiesen habe oder dass eine Änderung
der vom Gesetzgeber vorausgesetzten tatsächlichen Verhältnisse eingetreten sei, sondern es habe sich ledig-
lich ein Szenario realisiert, das der Gesetzgeber mit seiner Regelung von vornherein habe erfassen wollen.
Auch das Bundesverfassungsgericht habe die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen in Kenntnis
des Umstands, dass an ihr nicht nur Parteien mit einem niedrigen Stimmenanteil zwischen null und zwei
Prozent der Zweitstimmen, sondern auch Parteien mit einem Stimmenanteil knapp unter fünf Prozent schei-
tern können, in ständiger Rechtsprechung als verfassungsmäßig angesehen (siehe die Nachweise unter 1.).

Die bei der Bundestagswahl 2013 aufgetretene hohe Gesamtzahl von abgegebenen gültigen Zweitstimmen
für Parteien, die die Fünf-Prozent-Sperrklausel nicht überwunden haben, sei kein Grund, das Vorliegen ver-
änderter Verhältnisse bzw. neuer Entwicklungen anzunehmen, die eine Neubewertung der verfassungsrecht-
lichen Zulässigkeit der Sperrklausel erforderten. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Sperrklausel sei
nicht von der Gesamtzahl der Stimmen für diejenigen Parteien abhängig, die die Sperrklausel bei einer ein-
zelnen Wahl nicht überwinden. Die Sperrklausel rechtfertige sich vielmehr durch den mit ihr verfolgten ver-
fassungsrechtlich legitimen Zweck, die Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages sicherzustellen (siehe
die Nachweise unter 1.). Sie erfülle ihren Zweck gerade dann, wenn viele an der Wahl teilnehmende Parteien
die Sperrklausel nicht überwinden, aber ohne Sperrklausel Sitze im Parlament erlangt hätten, da auf diese
Weise eine die stabile Mehrheitsbildung gefährdende Zersplitterung des Bundestages vermieden werde.

4. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel stehe nicht entgegen, dass eine
hohe Zahl von Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die aufgrund der Sperrklausel nicht an der Sitzvertei-
lung teilnehmen, eine absolute Mehrheit der Sitze für Parteien ermögliche, die bei der Wahl deutlich weniger
als der Hälfte der Stimmen erreicht haben. Das Erreichen einer Mehrheit der Sitze im Parlament sei immer
mit weniger als der Hälfte der gültigen Zweitstimmen möglich. Denn auch ohne Sperrklausel erhalte nicht
jede Partei, für die bei der Wahl gültige Stimmen abgegeben wurden, automatisch einen Sitz. Da für einen
Sitz auch ohne Sperrklausel stets eine bestimmte Zahl von Stimmen erforderlich sei, führten nicht alle Stim-
men zu einem Sitzerfolg und darum weniger als 50 Prozent der gültigen Zweitstimmen zu einer Mehrheit der
Sitze. Ein Verfassungsrechtssatz des Inhalts, dass einer Mehrheit der Mitglieder des Bundestages notwendi-
gerweise eine Mehrheit der Zweitstimmen in der Bundestagswahl entsprechen müsse, sei nicht feststellbar.
Wenn aber eine Partei in einer Wahl eine absolute Mehrheit der Zweitstimmen erhalte, sei gesichert, dass auf
sie mehr als die Hälfte der Sitze entfalle (§ 6 Absatz 7 BWG).

5. Gegen die Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht vorgebracht werden, sie verhindere bzw. erschwere
in übermäßiger Weise die Entstehung oder Etablierung neuer Parteien und schränke dadurch in unzulässiger
Weise die Chancengleichheit der Parteien ein. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Chancengleichheit
der Parteien verlange nicht, dass jeder Partei, die bei der Bundestagswahl Stimmen erhalte, Sitze im Bundes-
tag garantiert seien. Jede Partei habe rechtlich die gleiche Chance auf Teilnahme an der Sitzverteilung bei
Überwindung der Sperrklausel. Wenn eine Partei die für alle geltende Sperrklausel nicht überwinde, so sei
dies Resultat zu geringer Zustimmung in der Wählerschaft und gerade nicht ungleicher Chancen, denn die
unterschiedliche Gewichtung des Erfolgswerts von Wahlstimmen durch eine Sperrklausel treffe alle Parteien
gleichermaßen (vgl. BVerfGE 82, 322 [345]).

Drucksache 18/1810 – 282 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Dass die Fünf-Prozent-Sperrklausel die Entstehung und Etablierung neuer Parteien nicht verhindere oder
übermäßig erschwere, zeige der Einzug in die Parlamente auch neuer Parteien in den vergangenen Jahren bei
Bundestagswahlen und Landtagswahlen, bei denen nach Landesrecht ebenfalls Fünf-Prozent-Sperrklauseln
bestünden. Die Sperrklauseln trügen zu einem Mindestmaß an Konsolidierung neuer Parteien bei, indem sie
eine funktionierende Organisation und eine hinreichende Kampagnenfähigkeit der Partei erforderlich mach-
ten, um einen erfolgreichen Wahlkampf zu führen, der den Einzug ins Parlament ermögliche. Auch das Bun-
desverfassungsgericht sehe in ständiger Rechtsprechung in der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestags-
wahlen keinen verfassungswidrigen Eingriff in die Chancengleichheit der Parteien (siehe die Nachweise un-
ter 1.).

6. Die Fünf-Prozent-Sperrklausel habe nicht zur Folge, dass die Parteien, die die Sperrklausel überwunden
haben und deshalb an der Sitzverteilung teilnehmen, von den Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die an
der Sperrklausel gescheitert sind und somit nicht an der Sitzverteilung teilnehmen, profitierten und die Wäh-
ler bei der Stimmabgabe nicht erkennen könnten, welche Partei letztlich tatsächlich von ihrer Zweitstimme
profitiere. Von der Zweitstimme für eine Partei profitiere stets die Partei, für die die Stimme abgegeben wor-
den sei. Wenn eine Partei aufgrund eines zur Überwindung der Sperrklausel nicht ausreichenden Zuspruchs
in der Wählerschaft nicht an der Sitzverteilung teilnehme, würden die zu vergebenden Sitze auf die Parteien
verteilt, die die Sperrklausel überwunden haben. Diese Parteien profitierten bei dieser Verteilung von den für
sie abgegebenen Zweitstimmen, nicht von den Zweitstimmen für die an der Sperrklausel gescheiterten Partei-
en, die wegen Nichtteilnahme an der Sitzverteilung zu keinem Sitzerfolg führten.

7. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht entgegengehalten
werden, der Umstand, dass aufgrund der Sperrklausel eine hohe Zahl von Stimmen bei der Sitzverteilung
unberücksichtigt bleibe, befördere die Politikverdrossenheit der Wahlberechtigten. Unabhängig davon, ob
dies tatsächlich der Fall sei, habe sich der Gesetzgeber dazu entschieden, der Sicherung der Funktionsfähig-
keit des Parlaments Vorrang vor derartigen Erwägungen einzuräumen. Das Bundesverfassungsgericht erachte
dies in ständiger Rechtsprechung für verfassungsrechtlich zulässig (siehe die Nachweise unter 1.). Ein wegen
Zersplitterung in kleine und kleinste Fraktionen nicht mehrheits- und handlungsfähiges Parlament, das zur
Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nicht in der Lage sei, wäre zudem in weit höherem Maße geeignet, Politikverdrossenheit zu för-
dern.

8. Aufgrund der verfassungskonformen Ausgestaltung der Fünf-Prozent-Sperrklausel im geltenden Bundes-
wahlgesetz sei der Wahlgesetzgeber auch nicht zur Einführung einer Alternativstimme („Eventualstimme“,
„Ersatzstimme“ bzw. „Stimmweitergabe-Option“) verpflichtet. Ergänzend sei darauf verwiesen, dass im
Schrifttum gegen die Einführung einer solchen Alternativstimme verfassungsrechtliche Bedenken geltend
gemacht würden: Eine Alternativstimme sei mit dem Charakter der Stimmabgabe als einer vorbehaltlosen
und bedingungsfeindlichen Willenserklärung nicht zu vereinbaren und verstoße daher gegen den Grundsatz
der Unmittelbarkeit der Wahl im Sinne des Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 GG und gegen das Demokratieprinzip
nach Artikel 20 Absatz 1 GG (so Strelen, in: Schreiber, Bundeswahlgesetz, 9. Auflage 2013, § 6 Rn. 37 so-
wie Schreiber, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: 43. Lfg. April 2014, Art. 38
Rn. 40, 132). Überdies wäre die Gewährung einer Alternativstimme auch keine verfassungspolitisch ange-
zeigte Fortentwicklung des Wahlrechts. Sie würde das Stimmabgabeverfahren verkomplizieren, die Ermitt-
lung des Wahlergebnisses wesentlich erschweren und verzögern und den Wähler von einer eindeutigen poli-
tischen Entscheidung ohne Vorbehalt und Rückfallposition entpflichten (vgl. im Einzelnen hierzu Strelen, in:
Schreiber, § 6 Rn. 37).

9. Die Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Klausel sei schließlich auch nicht davon abhängig, dass Par-
teien, die jeweils mit einer eigenen Liste an der Bundestagswahl teilnehmen, ihre Landeslisten verbinden
dürften, um als Zählgemeinschaft die Sperrklausel zu überwinden. Derartige Listenverbindungen verschiede-
ner Parteien bei der Bundestagswahl seien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wegen
Verstoßes gegen den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit der Parteien verfas-
sungswidrig (BVerfGE 82, 322 [345 f.]). Eine derartige Listenverbindung würde allein dem Zweck dienen,
die verfassungslegitime Zielsetzung einer Fünf-Prozent-Sperrklausel, die Verhinderung einer Zersplitterung
des Parlaments, zu umgehen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 283 – Drucksache 18/1810

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet. Dem Vortrag der Einspruchsführer lässt sich kein Verstoß ge-
gen Wahlrechtsvorschriften und damit kein Wahlfehler entnehmen.

Die Einspruchsführer bestreiten nicht, dass das Verfahren zur Auszählung der Stimmen und zur Verteilung
der Sitze auf die Landeslisten der Parteien bei der Bundestagswahl 2013 den Vorgaben des Bundeswahlge-
setzes entsprach. Dieses regelt in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1,
dass bei der Verteilung der Sitze auf die Landeslisten nur Parteien berücksichtigt werden, die mindestens fünf
Prozent der im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten oder in mindestens drei Wahlkrei-
sen einen Sitz errungen haben. Soweit die Einspruchsführer geltend machen, die Sperrklausel sei nicht ver-
fassungskonform zustande gekommen und sei auch materiell verfassungswidrig, ist darauf hinzuweisen, dass
der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprü-
fungsverfahrens die Verfassungsmäßigkeit der für die Wahl geltenden Rechtsvorschriften nicht überprüfen.
Eine derartige Kontrolle ist stets dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten worden (vgl. etwa Bundestags-
drucksachen 16/1800, Anlagen 26 bis 28 mit weiteren Nachweisen; 17/1000, Anlagen 5 und 11; 17/2200,
Anlagen 1, 13 bis 15, 17 bis 20, 23 und 24; 17/3100, Anlagen 15, 19, 20, 22 bis 30, 32, 34 bis 36; 17/4600,
Anlagen 10, 12, 13, 32, 38, 40 bis 43 mit weiteren Nachweisen; 17/6300, Anlage 19). Allerdings hat der
Wahlprüfungsausschuss schon in zahlreichen Wahlprüfungsentscheidungen früherer Wahlperioden keinen
Anlass für Zweifel an der (formellen und materiellen) Verfassungsmäßigkeit der Regelung gesehen (vgl.
zuletzt Bundestagsdrucksachen 15/1850, Anlagen 9 und 47; 16/900, Anlage 14), zumal das Bundesverfas-
sungsgericht die Verfassungsmäßigkeit der Sperrklausel in ihrer Ausgestaltung durch das Bundeswahlgesetz
in ständiger Rechtsprechung bestätigt hat (vgl. BVerfGE 1, 208 [247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222
[235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366]; 95, 408 [417 ff.]; 120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300
[335 f.], siehe auch Bundestagsdrucksache 16/900, Anlage 14). Es ist folglich verfassungsrechtlich nicht zu
beanstanden, dass alle Parlamentssitze auf diejenigen Parteien verteilt werden, welche die Fünf-Prozent-
Hürde überwunden haben. Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Sperr-
klausel durch veränderte Verhältnisse infrage gestellt werden. Dies ist bezüglich der Bundestagswahl 2013
aber nicht der Fall, wie das Bundesministerium des Innern – auch unter Bezugnahme auf die Urteile vom 9.
November 2011 und 26. Februar 2014 – in seiner Stellungnahme zutreffend feststellt: Dass nach dem amtli-
chen Endergebnis der Bundestagswahl 2013 insgesamt 15,7 Prozent der gültigen Zweitstimmen nicht in die
Mandatsverteilung eingeflossen sind, weil sie für insgesamt 25 Parteien abgegeben wurden, die bundesweit
weniger als fünf Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, ändert nichts an der vom Bundesverfassungsge-
richt festgestellten Verfassungskonformität der Fünf-Prozent-Hürde. Zwar war der Anteil der gültigen, aber
wegen der Sperrklausel nicht in die Sitzverteilung eingeflossenen Zweitstimmen bei der Bundestagswahl
2013 höher als bei früheren Bundestagswahlen, da – anders als bei vorhergehenden Wahlen – zwei Parteien
jeweils fast fünf Prozent und zudem 23 weitere Parteien insgesamt 6,2 Prozent (für sich genommen aber teil-
weise weniger als 0,1 Prozent) erreicht haben. Jedoch ist dieser Umstand nicht atypisch oder zuvor unbekannt
gewesen. Es ist zudem durchaus möglich, dass er bei kommenden Bundestagswahlen mit anderen Wahler-
gebnissen nicht (mehr) auftritt. Der Einzug neuer Parteien in den Deutschen Bundestag wird, wie Beispiele
aus der Geschichte der Bundesrepublik zeigen, ohnehin nicht durch die Sperrklausel verhindert. Außerdem
ist die Fünf-Prozent-Hürde auf das jeweilige Ergebnis einer jeden Partei bezogen. Nur die konkrete Stim-
menzahl jeder Partei kann der Ausgangspunkt der Sitzverteilung auf die Landeslisten sein (vgl. § 6 Absatz 1
BWG) – übrigens auch dann, wenn man gedanklich die Sperrklausel streicht oder eine niedrigere Sperrklau-
sel ansetzt –; erst im zweiten Schritt ist die Stimmenzahl einer jeden Partei in Relation zu den Stimmenantei-
len der anderen Parteien zu setzen (vgl. § 6 Absätze 2 bis 7 BWG). Die gedankliche Addition von Zweit-
stimmenanteilen kann folglich für die Fünf-Prozent-Hürde keine Aussagekraft beanspruchen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 285 – Drucksache 18/1810

Anlage 43

Beschlussempfehlung

ZumWahleinspruch

des Herrn Prof. Dr. H. H. v. A., 67346 Speyer,

– Az.: WP 170/13 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag
am 22. September 2013

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 26. Juni 2014 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit einem Schreiben vom 19. November 2013 Einspruch gegen die Gültigkeit der
Wahl zum 18. Deutschen Bundestag am 22. September 2013 eingelegt.

Er wendet sich gegen die „ungekürzte“, durch keine Eventualstimme in ihren Auswirkungen gemilderte
Fünf-Prozent-Hürde (dazu 1.) sowie gegen die nach seiner Ansicht „verschleierte“ Staats- und Wahlkampffi-
nanzierung der „Bundestagsparteien“ durch staatliche Mittel für Bundestagsfraktionen, Abgeordnetenmitar-
beiter und parteinahe politische Stiftungen, die verfassungswidrig sei und die Bundestagswahl erheblich be-
einflusst und ihr Ergebnis verfälscht habe (dazu 2.).

1. Die in § 6 Absatz 3 und Absatz 6 des Bundeswahlgesetzes (BWG) verankerte Fünf-Prozent-Hürde versto-
ße gegen die streng auszulegenden Grundrechte der Gleichheit der Wahl und der Chancengleichheit der Par-
teien im politischen Wettbewerb gemäß Artikel 3 Absatz 1, Artikel 21 Absatz 1, Artikel 38 Absatz 1 Satz 1
und Artikel 79 Absatz 3 des Grundgesetzes (GG), weil die Klausel in der bestehenden Höhe Kandidaten klei-
nerer Parteien ohne zwingenden Grund den Zugang zum Deutschen Bundestag verwehre und die für sie ab-
gegebenen Stimmen anderen als den gewählten Parteien und ihren Kandidaten zugutekämen.

15,7 Prozent der Stimmen seien nicht den Parteien und Kandidaten zugutegekommen, für die sie abgegeben
worden seien, sondern ganz anderen Parteien und deren Abgeordneten. Eine Verfälschung des Wahlergebnis-
ses in dieser Höhe sei ein Novum. Bei der angegriffenen Wahl seien der Sperrklausel mehr Stimmen „zum
Opfer gefallen“ als in allen drei vorangegangenen Bundestagswahlen zusammen. Ungewöhnlich sei auch,
dass gleich zwei Parteien, die FDP mit 4,8 Prozent und die Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) mit
4,7 Prozent, nur ganz knapp an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert seien. Bei einer abgesenkten Sperrklausel
von drei oder vier Prozent wären beide Parteien in den Deutschen Bundestag eingezogen. Dann wären auch
andere Koalitionen möglich gewesen. Nach der Bundestagswahl habe sich also eine ganz neue Situation er-
geben. Zum einen seien die Gleichheit des Stimmrechts der Bürger und das Recht der Parteien auf Chancen-
gleichheit sowohl quantitativ (fast 16 Prozent) als auch qualitativ (zwei Parteien mit knapp unter fünf Pro-
zent) durch die Fünf-Prozent-Klausel in einer Intensität beeinträchtigt worden, die es bisher nicht gegeben
habe. Zum zweiten habe die Sperrklausel in dieser Höhe die Regierungsbildung jedenfalls nicht erleichtert,
was eigentlich ihr Sinn sein solle. Die bisherige Rechtfertigung der Klausel in der vorliegenden Höhe beruhe
auf einer Abwägung der Intensität des grundgesetzlichen Eingriffs und des Gewichts der für den Eingriff
geltend gemachten Gemeinwohlgründe – Erleichterung der Regierungsbildung und des Funktionierens der
parlamentarischen Demokratie insgesamt –, wobei die Rechtsprechung bisher den Gemeinwohlgründen das
Übergewicht attestiert habe. Nehme deren Gewicht aber deutlich ab und zugleich die Intensität des Eingriffs
gewaltig zu, so sei offensichtlich zu überprüfen, ob die Abwägung nun nicht bereits aus tatsächlichen Grün-
den zu einem anderen Ergebnis kommen müsse. Zudem habe die Rechtsprechung den anzulegenden Maßstab
in den letzten Jahren deutlich verschärft. Denn es gehe um eine Entscheidung, die der Deutsche Bundestag in
eigener Sache treffe. Daher bestehe die Gefahr, dass er sich statt von gemeinwohlbezogenen Erwägungen
vom Ziel des eigenen Machterhalts leiten lassen (BVerfGE 120, 82 [105]; 129, 300). Angesichts der völlig

Drucksache 18/1810 – 286 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

neuen Situation und des verschärften Prüfungsmaßstabs sei die Sperrklausel in der gegenwärtigen Höhe nicht
mehr zu rechtfertigen und damit verfassungswidrig. Das Bundesverfassungsgericht habe zwar in seinen Ent-
scheidungen vom 13. Februar 2008 und vom 9. November 2011, jeweils in obiter dicta, darauf hingewiesen,
dass die speziellen Gründe für die Verfassungswidrigkeit der Sperrklausel bei Kommunal- und Europawahlen
nicht auf die Sperrklausel bei der Bundestagswahl zuträfen (BVerfGE 120, 82 [111 f.], 129, 300 [335 f.]).
Das Gericht habe aber die völlig neue Situation bei der Bundestagswahl 2013 noch nicht zu berücksichtigen
gehabt. Es habe in beiden Entscheidungen die Situationsabhängigkeit der Beurteilung von Sperrklauseln
besonders hervorgehoben. Der Gesetzgeber sei verpflichtet, eine die Wahlgleichheit und die Chancengleich-
heit berührende Norm des Wahlrechts zu überprüfen und gegebenenfalls zu ändern, wenn die verfassungs-
rechtliche Rechtfertigung dieser Norm durch neue Entwicklungen infrage gestellt werde (BVerfGE 120, 300
[321]; 120, 82 [106]). Eine solche Veränderung der Situation habe es nun gegeben. Zudem seien die Beurtei-
lungsmaßstäbe seit den früheren Urteilen, die direkt die Fünf-Prozent-Klausel betroffen und deren Verfas-
sungsmäßigkeit noch bescheinigt hätten, deutlich verschärft worden. Deshalb stünden die Nebenbemerkun-
gen in den Urteilen vom 13. Februar 2008 und vom 9. November 2011 der Feststellung der Verfassungswid-
rigkeit der Sperrklausel in der derzeitigen Höhe nicht entgegen. Selbst wenn die Fünf-Prozent-Klausel beste-
hen bleiben oder lediglich abgesenkt werden sollte, sei ihre Beibehaltung ohne gleichzeitige Einführung einer
Eventualstimme verfassungswidrig.

2. Auch die Wahlvorbereitung betreffende Regelungen könnten die Gleichheit des Wahlrechts und die Chan-
cengleichheit der Parteien verletzen. Die unmittelbare Staatsfinanzierung der politischen Parteien habe das
Bundesverfassungsgericht gezielt der öffentlichen Kontrolle unterworfen und durch Obergrenzen gedeckelt.
Zugleich habe das Gericht dafür gesorgt, dass auch kleinere Parteien, die wegen der Fünf-Prozent-Hürde
nicht im Parlament vertreten sind, an der Staatsfinanzierung beteiligt würden, wenn sie bei der Bundestags-
wahl oder der Europawahl mindestens 0,5 Prozent bzw. bei einer Landtagswahl mindestens ein Prozent der
gültigen Zweitstimmen erlangt hätten. Doch unterliefen die Bundestagsparteien die Kontrollen und Begren-
zungen sowie die Einbeziehung kleinerer Parteien in die unmittelbare Staatsfinanzierung, indem sie das
„Staatsgeld“ auf ihre Parlamentsfraktionen und die Abgeordnetenmitarbeiter sowie ihre Stiftungen und deren
Globalzuschüsse „umleiteten“, wovon außerparlamentarische Parteien ausgeschlossen seien. Die „Umlei-
tung“ der Gelder sei von einer gewaltigen Ausdehnung der Mittel begleitet gewesen. Dies habe der Deutsche
Bundestag in eigener Sache weitgehend ungehindert beschließen können. Denn der „dämpfende Effekt“, der
durch die öffentliche Kontrolle und die Obergrenzen vom Bundesverfassungsgericht erzwungen worden sei,
betreffe nur die unmittelbare staatliche Parteienfinanzierung. Erhöhungen der Mittel für Fraktionen, Abge-
ordnetenmitarbeiter und parteinahe Stiftungen erfolgten durch die bloße Änderung eines Haushaltstitels, der
im Gesamthaushalt leicht untergehe. Auch die parlamentarische Opposition profitiere und habe daher kein
Interesse, die Medien zu informieren. Im Bundesgesetzblatt finde sich nichts über derartige Erhöhungen, da
dort nur das Haushaltsgesetz und der Gesamtplan veröffentlicht würden, nicht aber die Einzeltitel. Das Bun-
desverfassungsgericht habe daher bei Entscheidungen des Parlaments in eigener Sache eine Regelung durch
Spezialgesetz vorgeschrieben (BVerfGE 40, 296 [316 f., 327]). Der Deutsche Bundestag halte sich daran bei
Erhöhungen der Mittel für Fraktionen, Abgeordnetenmitarbeiter und parteinahe Stiftungen nicht. Auch Ober-
grenzen bestünden nicht. Die Mittel für Abgeordnetenmitarbeiter seien sogar dynamisiert, was sich nicht auf
eine Ermächtigung im Abgeordnetengesetz stützen könne. Hinzu kämen sprunghafte Erhöhungen. Die Tätig-
keit der Fraktionen, der Abgeordnetenmitarbeiter und der Stiftungen sei parteipolitisch geprägt. Die Parla-
mentsparteien verschafften sich gewaltige finanzielle und personelle Vorteile im politischen Wettbewerb, die
bei der Öffentlichkeitsarbeit der Fraktionen, bei der Beschäftigung von Parteifunktionären als staatlich be-
zahlten Abgeordnetenmitarbeitern und beim Einsatz von Abgeordnetenmitarbeitern im Bundestagswahl-
kampf besonders deutlich würden.

3. Die gerügten Verstöße hätten Auswirkungen auf die Zusammensetzung des Deutschen Bundestages gehabt
und seien daher mandatsrelevant. Hätte nur eine Sperrklausel von drei oder vier Prozent bestanden, hätten
zahlreiche Abgeordnete der jetzt im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien ihren Sitz verloren zugunsten
von zahlreichen Bewerbern der FDP und der AfD, die mit 4,8 Prozent bzw. 4,7 Prozent an der Sperrklausel
gescheitert seien, bei abgesenkter Sperrklausel dagegen mit je etwa 30 Mandaten in den Deutschen Bundes-
tag eingezogen wären. Beim Bestehen einer Eventualstimme wäre das Wahlergebnis aller Wahrscheinlichkeit
nach völlig anders ausgefallen. Entweder hätten die FDP und die AfD oder eine von beiden – wegen der
Rückwirkung der Eventualstimme auf das Wahlrecht ihrer potenziellen Wähler – die Fünf-Prozent-Hürde
überwunden. Hätte nur die FDP die Hürde überwunden, hätte es wieder eine „schwarz-gelbe“ Mehrheit ge-
geben. Hätte auch die AfD die Hürde überwunden, hätte es ebenfalls eine „bürgerliche“ Mehrheit im Deut-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 287 – Drucksache 18/1810

schen Bundestag gegeben. Wären beide Parteien unter der Fünf-Prozent-Hürde geblieben, dann wären die
Eventualstimmen zum ganz überwiegenden Teil der CDU und der CSU zugutegekommen, die mit großer
Wahrscheinlichkeit mit absoluter Mehrheit hätten regieren können. Hätten die Bundestagsparteien nicht von
der „verschleierten“ staatlichen Parteien- und Wahlkampffinanzierung profitiert, hätten sie – besonders im
Verhältnis zur AfD, aber auch im Verhältnis zu den vielen kleineren Parteien, die bei der angegriffenen Wahl
angetreten seien – aller Wahrscheinlichkeit nach weniger Stimmen erhalten und die AfD sowie kleinere Par-
teien entsprechend mehr, so dass die AfD auch aus diesem Grund die Sperrklausel überwunden hätte und die
Mehr-Stimmen kleinerer Parteien nun verteilt worden wären.

Wegen der Einzelheiten des Vortrages des Einspruchsführers wird auf den Inhalt der Akten Bezug genom-
men.

Das Bundesministerium des Innern hat zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-
Sperrklausel am 16. Juni 2014 wie folgt Stellung genommen:

1. Das Bundesverfassungsgericht erachte in ständiger Rechtsprechung bei Wahlen zum Deutschen Bundestag
die heute in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG vorgesehene, auf
das gesamte Wahlgebiet bezogene Fünf-Prozent-Sperrklausel für verfassungsgemäß (vgl. BVerfGE 1, 208
[247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366]; 95, 408 [417 ff.];
120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.]). Zuletzt habe das Gericht in seinem Urteil vom
9. Januar 2011 zur Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen entschieden, dass die Fünf-Prozent-
Sperrklausel bei der Wahl zum Deutschen Bundestag ihre Rechtfertigung im Wesentlichen darin finde, dass
die Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende
Unterstützung nötig sei und dieses Ziel durch die Zersplitterung des Parlaments in viele kleine Gruppen ge-
fährdet werde (BVerfGE 129, 300 [335 f.]). In der Entscheidung vom 26. Februar 2014 (2 BvE 2/13 u. a.) zur
Drei-Prozent-Sperrklausel im Europawahlrecht habe das Gericht erneut bestätigt, dass eine Sperrklausel ge-
rechtfertigt sein könne, wenn Verhältnisse wie auf nationaler Ebene gegeben sind, wo die Bildung einer
stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Unterstützung nötig
sei (ebd. Rn. 72).

Angesichts der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei der Wahlgesetzgeber verfas-
sungsrechtlich nicht daran gehindert, bei der Verteilung der zu vergebenden Sitze auf die Landeslisten bei der
Bundestagswahl grundsätzlich nur die Parteien zu berücksichtigen, die mindestens fünf Prozent der im Wahl-
gebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten haben (§ 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Ab-
satz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG). Es sei ihm mit anderen Worten von Verfassungs wegen unbenommen,
gültige Zweitstimmen, die auf Landeslisten von Parteien entfallen sind, die nicht die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben, zwar für die Ergebnisfeststellung als relevant zu werten (§ 42 BWG), nicht
aber für die Sitzverteilung. Der Wahlgesetzgeber dürfe also ohne Verstoß gegen Bundesverfassungsrecht alle
zu vergebenden Parlamentssitze auf die Landeslisten derjenigen Parteien verteilen, die die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben.

Im Interesse der Handlungsfähigkeit des Deutschen Bundestages habe der Wahlgesetzgeber bisher an der auf
das gesamte Wahlgebiet bezogenen Fünf-Prozent-Sperrklausel, die seit der Wahl zum 2. Deutschen Bundes-
tag 1953 gilt, festgehalten. Denn eine Wahl habe – wie das Bundesverfassungsgericht betone (vgl. BVerfGE
51, 222 [236]) – „nicht nur das Ziel, eine Volksvertretung zu schaffen, die ein Spiegelbild der in der Wähler-
schaft vorhandenen politischen Meinungen darstellt, sondern sie soll auch ein funktionsfähiges Organ her-
vorbringen.“ Hierfür seien „(k)lare und ihrer Verantwortung für das Gesamtwohl bewusste Mehrheiten in
einer Volksvertretung (…) für eine Bewältigung der ihr gestellten Aufgaben unentbehrlich“, die durch einen
unbegrenzten Proporz nicht gewährleistet sind.

2. Zwar könne nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die verfassungsrechtliche Rechtfer-
tigung einer die Wahlgleichheit berührenden Norm des Wahlrechts wie eine Sperrklauselregelung durch ver-
änderte Verhältnisse oder neue Entwicklungen – etwa durch eine Änderung der vom Gesetzgeber vorausge-
setzten tatsächlichen oder normativen Grundlagen oder wenn sich die beim Erlass der Norm hinsichtlich ihrer
Auswirkungen angestellte Prognose als irrig erwiesen habe – in Frage gestellt werden (BVerfGE 82, 322
[338 f.]; 120, 82 [108]; 129, 300 [321 f.]; Urteil vom 26. Februar 2014, Az. 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 56). Dies
sei im Hinblick auf die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen jedoch nicht der Fall.

Drucksache 18/1810 – 288 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Eine Änderung der normativen Grundlagen für die Beurteilung der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundes-
tagswahlen, die das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung als verfassungsgemäß angesehen
habe, sei nicht festzustellen. Insbesondere führten das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
9. November 2011 zur Verfassungswidrigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen (BVerfGE
129, 300) und sein Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Sperrklausel im
Europawahlgesetz (2 BvE 2/13 u. a.) nicht zu einer abweichenden Bewertung. Das Bundesverfassungsgericht
begründe die Verfassungswidrigkeit der Sperrklauseln bei Europawahlen in diesen Urteilen mit der besonde-
ren Stellung und Funktion des Europäischen Parlaments im Gefüge der Organe der Europäischen Union, wo
eine vergleichbare Interessenlage wie bei der Bundestagswahl nicht bestehe (BVerfGE 129, 300 [336]). Auch
in seinem Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Klausel im Europawahl-
gesetz halte das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich an der gefestigten Rechtsprechung zum verfassungs-
rechtlichen Maßstab für die Beurteilung wahlrechtlicher Sperrklauseln fest und lege – wie es mehrfach beto-
ne – seinem Urteil die gleichen Prüfungsmaßstäbe wie im Urteil vom 9. November 2011 zugrunde (Az. 2
BvE 2/13 u. a., Rn. 37, 45, 63). In beiden Urteilen weise das Gericht zudem darauf hin, dass bei der Bundes-
tagswahl – anders als bei der Europawahl – der Deutsche Bundestag im Falle einer eintretenden Funktionsbe-
einträchtigung aufgrund seiner veränderten strukturellen Zusammensetzung nicht mehr in der Lage wäre, die
gesetzlichen Regelungen zur Sicherung seiner Funktionsfähigkeit zu ändern, weil die erforderliche Mehrheit
nicht mehr zustande käme (BVerfGE 129, 300 [324]; Urteil vom 26. Februar 2014, 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 58).

3. Auch in tatsächlicher Hinsicht erfordere das Wahlergebnis der Bundestagswahl 2013, bei der zwei Parteien
mit einem Stimmenanteil von 4,8 Prozent bzw. 4,7 Prozent der Zweitstimmen vergleichsweise knapp an der
Fünf-Prozent-Klausel gescheitert seien, keine Neubewertung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der
Klausel. Der Gesetzgeber habe sich für die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen entschieden und
diese bis heute beibehalten, um in Konstellationen, in denen eine oder mehrere Parteien weniger als fünf
Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, die Funktionsfähigkeit des Bundestages sicherzustellen. Wenn eine
solche Konstellation bei einer Wahl – wie nun der Bundestagswahl 2013 – tatsächlich auftrete, liege gerade
nicht der Fall vor, dass sich eine Prognose des Gesetzgebers als irrig erwiesen habe oder dass eine Änderung
der vom Gesetzgeber vorausgesetzten tatsächlichen Verhältnisse eingetreten sei, sondern es habe sich ledig-
lich ein Szenario realisiert, das der Gesetzgeber mit seiner Regelung von vornherein habe erfassen wollen.
Auch das Bundesverfassungsgericht habe die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen in Kenntnis
des Umstands, dass an ihr nicht nur Parteien mit einem niedrigen Stimmenanteil zwischen null und zwei
Prozent der Zweitstimmen, sondern auch Parteien mit einem Stimmenanteil knapp unter fünf Prozent schei-
tern können, in ständiger Rechtsprechung als verfassungsmäßig angesehen (siehe die Nachweise unter 1.).

Die bei der Bundestagswahl 2013 aufgetretene hohe Gesamtzahl von abgegebenen gültigen Zweitstimmen
für Parteien, die die Fünf-Prozent-Sperrklausel nicht überwunden haben, sei kein Grund, das Vorliegen ver-
änderter Verhältnisse bzw. neuer Entwicklungen anzunehmen, die eine Neubewertung der verfassungsrecht-
lichen Zulässigkeit der Sperrklausel erforderten. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Sperrklausel sei
nicht von der Gesamtzahl der Stimmen für diejenigen Parteien abhängig, die die Sperrklausel bei einer ein-
zelnen Wahl nicht überwinden. Die Sperrklausel rechtfertige sich vielmehr durch den mit ihr verfolgten ver-
fassungsrechtlich legitimen Zweck, die Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages sicherzustellen (siehe
die Nachweise unter 1.). Sie erfülle ihren Zweck gerade dann, wenn viele an der Wahl teilnehmende Parteien
die Sperrklausel nicht überwinden, aber ohne Sperrklausel Sitze im Parlament erlangt hätten, da auf diese
Weise eine die stabile Mehrheitsbildung gefährdende Zersplitterung des Bundestages vermieden werde.

4. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel stehe nicht entgegen, dass eine
hohe Zahl von Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die aufgrund der Sperrklausel nicht an der Sitzvertei-
lung teilnehmen, eine absolute Mehrheit der Sitze für Parteien ermögliche, die bei der Wahl deutlich weniger
als der Hälfte der Stimmen erreicht haben. Das Erreichen einer Mehrheit der Sitze im Parlament sei immer
mit weniger als der Hälfte der gültigen Zweitstimmen möglich. Denn auch ohne Sperrklausel erhalte nicht
jede Partei, für die bei der Wahl gültige Stimmen abgegeben wurden, automatisch einen Sitz. Da für einen
Sitz auch ohne Sperrklausel stets eine bestimmte Zahl von Stimmen erforderlich sei, führten nicht alle Stim-
men zu einem Sitzerfolg und darum weniger als 50 Prozent der gültigen Zweitstimmen zu einer Mehrheit der
Sitze. Ein Verfassungsrechtssatz des Inhalts, dass einer Mehrheit der Mitglieder des Bundestages notwendi-
gerweise eine Mehrheit der Zweitstimmen in der Bundestagswahl entsprechen müsse, sei nicht feststellbar.
Wenn aber eine Partei in einer Wahl eine absolute Mehrheit der Zweitstimmen erhalte, sei gesichert, dass auf
sie mehr als die Hälfte der Sitze entfalle (§ 6 Absatz 7 BWG).

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 289 – Drucksache 18/1810

5. Gegen die Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht vorgebracht werden, sie verhindere bzw. erschwere
in übermäßiger Weise die Entstehung oder Etablierung neuer Parteien und schränke dadurch in unzulässiger
Weise die Chancengleichheit der Parteien ein. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Chancengleichheit
der Parteien verlange nicht, dass jeder Partei, die bei der Bundestagswahl Stimmen erhalte, Sitze im Bundes-
tag garantiert seien. Jede Partei habe rechtlich die gleiche Chance auf Teilnahme an der Sitzverteilung bei
Überwindung der Sperrklausel. Wenn eine Partei die für alle geltende Sperrklausel nicht überwinde, so sei
dies Resultat zu geringer Zustimmung in der Wählerschaft und gerade nicht ungleicher Chancen, denn die
unterschiedliche Gewichtung des Erfolgswerts von Wahlstimmen durch eine Sperrklausel treffe alle Parteien
gleichermaßen (vgl. BVerfGE 82, 322 [345]).

Dass die Fünf-Prozent-Sperrklausel die Entstehung und Etablierung neuer Parteien nicht verhindere oder
übermäßig erschwere, zeige der Einzug in die Parlamente auch neuer Parteien in den vergangenen Jahren bei
Bundestagswahlen und Landtagswahlen, bei denen nach Landesrecht ebenfalls Fünf-Prozent-Sperrklauseln
bestünden. Die Sperrklauseln trügen zu einem Mindestmaß an Konsolidierung neuer Parteien bei, indem sie
eine funktionierende Organisation und eine hinreichende Kampagnenfähigkeit der Partei erforderlich mach-
ten, um einen erfolgreichen Wahlkampf zu führen, der den Einzug ins Parlament ermögliche. Auch das Bun-
desverfassungsgericht sehe in ständiger Rechtsprechung in der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestags-
wahlen keinen verfassungswidrigen Eingriff in die Chancengleichheit der Parteien (siehe die Nachweise un-
ter 1.).

6. Die Fünf-Prozent-Sperrklausel habe nicht zur Folge, dass die Parteien, die die Sperrklausel überwunden
haben und deshalb an der Sitzverteilung teilnehmen, von den Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die an
der Sperrklausel gescheitert sind und somit nicht an der Sitzverteilung teilnehmen, profitierten und die Wäh-
ler bei der Stimmabgabe nicht erkennen könnten, welche Partei letztlich tatsächlich von ihrer Zweitstimme
profitiere. Von der Zweitstimme für eine Partei profitiere stets die Partei, für die die Stimme abgegeben wor-
den sei. Wenn eine Partei aufgrund eines zur Überwindung der Sperrklausel nicht ausreichenden Zuspruchs
in der Wählerschaft nicht an der Sitzverteilung teilnehme, würden die zu vergebenden Sitze auf die Parteien
verteilt, die die Sperrklausel überwunden haben. Diese Parteien profitierten bei dieser Verteilung von den für
sie abgegebenen Zweitstimmen, nicht von den Zweitstimmen für die an der Sperrklausel gescheiterten Partei-
en, die wegen Nichtteilnahme an der Sitzverteilung zu keinem Sitzerfolg führten.

7. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht entgegengehalten
werden, der Umstand, dass aufgrund der Sperrklausel eine hohe Zahl von Stimmen bei der Sitzverteilung
unberücksichtigt bleibe, befördere die Politikverdrossenheit der Wahlberechtigten. Unabhängig davon, ob
dies tatsächlich der Fall sei, habe sich der Gesetzgeber dazu entschieden, der Sicherung der Funktionsfähig-
keit des Parlaments Vorrang vor derartigen Erwägungen einzuräumen. Das Bundesverfassungsgericht erachte
dies in ständiger Rechtsprechung für verfassungsrechtlich zulässig (siehe die Nachweise unter 1.). Ein wegen
Zersplitterung in kleine und kleinste Fraktionen nicht mehrheits- und handlungsfähiges Parlament, das zur
Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nicht in der Lage sei, wäre zudem in weit höherem Maße geeignet, Politikverdrossenheit zu för-
dern.

8. Aufgrund der verfassungskonformen Ausgestaltung der Fünf-Prozent-Sperrklausel im geltenden Bundes-
wahlgesetz sei der Wahlgesetzgeber auch nicht zur Einführung einer Alternativstimme („Eventualstimme“,
„Ersatzstimme“ bzw. „Stimmweitergabe-Option“) verpflichtet. Ergänzend sei darauf verwiesen, dass im
Schrifttum gegen die Einführung einer solchen Alternativstimme verfassungsrechtliche Bedenken geltend
gemacht würden: Eine Alternativstimme sei mit dem Charakter der Stimmabgabe als einer vorbehaltlosen
und bedingungsfeindlichen Willenserklärung nicht zu vereinbaren und verstoße daher gegen den Grundsatz
der Unmittelbarkeit der Wahl im Sinne des Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 GG und gegen das Demokratieprinzip
nach Artikel 20 Absatz 1 GG (so Strelen, in: Schreiber, Bundeswahlgesetz, 9. Auflage 2013, § 6 Rn. 37 so-
wie Schreiber, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: 43. Lfg. April 2014, Art. 38
Rn. 40, 132). Überdies wäre die Gewährung einer Alternativstimme auch keine verfassungspolitisch ange-
zeigte Fortentwicklung des Wahlrechts. Sie würde das Stimmabgabeverfahren verkomplizieren, die Ermitt-
lung des Wahlergebnisses wesentlich erschweren und verzögern und den Wähler von einer eindeutigen poli-
tischen Entscheidung ohne Vorbehalt und Rückfallposition entpflichten (vgl. im Einzelnen hierzu Strelen, in:
Schreiber, § 6 Rn. 37).

Drucksache 18/1810 – 290 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

9. Die Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Klausel sei schließlich auch nicht davon abhängig, dass Par-
teien, die jeweils mit einer eigenen Liste an der Bundestagswahl teilnehmen, ihre Landeslisten verbinden
dürften, um als Zählgemeinschaft die Sperrklausel zu überwinden. Derartige Listenverbindungen verschiede-
ner Parteien bei der Bundestagswahl seien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wegen
Verstoßes gegen den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit der Parteien verfas-
sungswidrig (BVerfGE 82, 322 [345 f.]). Eine derartige Listenverbindung würde allein dem Zweck dienen,
die verfassungslegitime Zielsetzung einer Fünf-Prozent-Sperrklausel, die Verhinderung einer Zersplitterung
des Parlaments, zu umgehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet. Dem Vortrag des Einspruchsführers lässt sich kein Verstoß
gegen Wahlrechtsvorschriften und damit kein Wahlfehler entnehmen.

1. Der Einspruchsführer bestreitet nicht, dass das Verfahren zur Auszählung der Stimmen und zur Verteilung
der Sitze auf die Landeslisten der Parteien bei der Bundestagswahl 2013 den Vorgaben des Bundeswahlge-
setzes entsprach. Dieses regelt in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1,
dass bei der Verteilung der Sitze auf die Landeslisten nur Parteien berücksichtigt werden, die mindestens fünf
Prozent der im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten oder in mindestens drei Wahlkrei-
sen einen Sitz errungen haben. Soweit der Einspruchsführer geltend macht, die Sperrklausel verstoße gegen
den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit und den Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien und sei daher
verfassungswidrig, ist darauf hinzuweisen, dass der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in
ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens die Verfassungsmäßigkeit der für die Wahl gel-
tenden Rechtsvorschriften nicht überprüfen. Eine derartige Kontrolle ist stets dem Bundesverfassungsgericht
vorbehalten worden (vgl. etwa Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlagen 26 bis 28 mit weiteren Nachwei-
sen; 17/1000, Anlagen 5 und 11; 17/2200, Anlagen 1, 13 bis 15, 17 bis 20, 23 und 24; 17/3100, Anlagen 15,
19, 20, 22 bis 30, 32, 34 bis 36; 17/4600, Anlagen 10, 12, 13, 32, 38, 40 bis 43 mit weiteren Nachweisen;
17/6300, Anlage 19). Allerdings hat der Wahlprüfungsausschuss schon in zahlreichen Wahlprüfungsent-
scheidungen früherer Wahlperioden keinen Anlass für Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Regelung
gesehen (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen 15/1850, Anlagen 9 und 47; 16/900, Anlage 14), zumal das
Bundesverfassungsgericht – wie der Einspruchsführer selbst ausführt – die Verfassungsmäßigkeit der Sperr-
klausel in ihrer Ausgestaltung durch das Bundeswahlgesetz in ständiger Rechtsprechung bestätigt hat (vgl.
BVerfGE 1, 208 [247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366]; 95,
408 [417 ff.]; 120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.], siehe auch Bundestagsdrucksache
16/900, Anlage 14). Es ist folglich verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass alle Parlamentssitze auf
diejenigen Parteien verteilt werden, welche die Fünf-Prozent-Hürde überwunden haben. Zwar kann nach der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Sperrklausel durch veränderte Verhältnisse infrage ge-
stellt werden. Dies ist bezüglich der Bundestagswahl 2013 aber nicht der Fall, wie das Bundesministerium
des Innern – auch unter Bezugnahme auf die Urteile vom 9. November 2011 und 26. Februar 2014 – in seiner
Stellungnahme zutreffend feststellt: Dass nach dem amtlichen Endergebnis der Bundestagswahl 2013 insge-
samt 15,7 Prozent der gültigen Zweitstimmen nicht in die Mandatsverteilung eingeflossen sind, weil sie für
insgesamt 25 Parteien abgegeben wurden, die bundesweit weniger als fünf Prozent der Zweitstimmen erreicht
haben, ändert nichts an der vom Bundesverfassungsgericht festgestellten Verfassungskonformität der Fünf-
Prozent-Hürde. Zwar war der Anteil der gültigen, aber wegen der Sperrklausel nicht in die Sitzverteilung
eingeflossenen Zweitstimmen bei der Bundestagswahl 2013 höher als bei früheren Bundestagswahlen, da –
anders als bei vorhergehenden Wahlen – zwei Parteien jeweils fast fünf Prozent und zudem 23 weitere Par-
teien insgesamt 6,2 Prozent (für sich genommen aber teilweise weniger als 0,1 Prozent) erreicht haben. Je-
doch ist dieser Umstand nicht atypisch oder zuvor unbekannt gewesen. Es ist zudem durchaus möglich, dass
er bei kommenden Bundestagswahlen mit anderen Wahlergebnissen nicht (mehr) auftritt. Der Einzug neuer
Parteien in den Deutschen Bundestag wird, wie Beispiele aus der Geschichte der Bundesrepublik zeigen,
ohnehin nicht durch die Sperrklausel verhindert. Außerdem ist die Fünf-Prozent-Hürde auf das jeweilige
Ergebnis einer jeden Partei bezogen. Nur die konkrete Stimmenzahl jeder Partei kann der Ausgangspunkt der
Sitzverteilung auf die Landeslisten sein (vgl. § 6 Absatz 1 BWG) – übrigens auch dann, wenn man gedank-
lich die Sperrklausel streicht oder eine niedrigere Sperrklausel ansetzt –; erst im zweiten Schritt ist die Stim-
menzahl einer jeden Partei in Relation zu den Stimmenanteilen der anderen Parteien zu setzen (vgl. § 6 Ab-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 291 – Drucksache 18/1810

sätze 2 bis 7 BWG). Die gedankliche Addition von Zweitstimmenanteilen kann folglich für die Fünf-Prozent-
Hürde keine Aussagekraft beanspruchen.

Das vom Einspruchsführer befürwortete Konzept einer Eventualstimme (Alternativstimme, Ersatzstimme)
wäre – wenn es Gesetz würde – verfassungwidrig. Die Einführung einer Eventualstimme verstieße gegen den
Grundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl im Sinne des Artikels 38 Absatz 1 Satz 1 GG und gegen das Demo-
kratieprinzip in Art. 20 Absatz 1 GG (vgl. nur Strelen, in: Schreiber, § 6 Rn. 37).

2. Auch soweit der Einspruchsführer meint, es bestehe eine „verschleierte“ Staats- und Wahlkampffinanzie-
rung der im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien durch Bundestagsfraktionen, Abgeordnetenmitarbeiter
und parteinahe politische Stiftungen, welche die Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit der Parteien
verletze sowie die Bundestagswahl erheblich beeinflusst und ihr Ergebnis verfälscht habe, liegt kein Wahl-
fehler vor. Dem Vortrag des Einspruchsführers lässt sich nämlich nicht entnehmen, inwieweit es zu einer
„verschleierten“ Wahlkampffinanzierung von Parteien durch Fraktionen, Abgeordnetenmitarbeiter und par-
teinahe Stiftungen gekommen sein soll. Der Einspruchsführer kritisiert zwar die seiner Ansicht nach beste-
hende Verfassungswidrigkeit der staatlichen (Teil-)Finanzierung von Fraktionen, Abgeordnetenmitarbeitern
und parteinahen politischen Stiftungen, belässt es aber dabei und macht nicht hinreichend deutlich, inwieweit
die staatliche (Teil-)Finanzierung den Wahlkampf der im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien finanzi-
ell befördert oder gar – im Verhältnis zu nicht im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien – zu einer Be-
vorzugung geführt haben soll.

Dabei wären solche Ausführungen notwendig gewesen, um zu zeigen, dass gegen das geltende Recht – von
dessen Einhaltung ohne entgegenstehenden Vortrag immer auszugehen ist – verstoßen wurde. Für die Ver-
wendung der staatlichen Mittel – die im Falle der Fraktionen und der politischen Stiftungen stets nur einen
Anteil der Gesamtfinanzierung ausmachen – bestehen nämlich gesetzliche Vorgaben, die eine Partei- bzw.
Wahlkampffinanzierung durch Fraktionen oder politische Stiftungen oder mithilfe des Aufwendungsersatzes
für Abgeordnetenmitarbeiter ausschließen: Die Bundestagsfraktionen dürfen die ihnen gewährten staatlichen
Zuschüsse gemäß § 50 Absatz 4 Satz 1 AbgG nur für Aufgaben verwenden, die ihnen nach dem Grundgesetz,
dem Abgeordnetengesetz und der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages obliegen. Der Einsatz von
Fraktionsmitteln für Parteiaufgaben ist ausdrücklich unzulässig (vgl. § 50 Absatz 4 Satz 2 AbgG). Der Auf-
wendungsersatz für die Beschäftigung von Mitarbeitern ist gemäß § 12 Absatz 3 Satz 1 AbgG nur zur Unter-
stützung bei der Erledigung der parlamentarischen Arbeit gestattet. Dies schließt die Bezahlung von Partei-
bzw. Wahlkampfaktivitäten mithilfe der Mitarbeiterpauschale aus (vgl. Braun/Jantsch/Klante, AbgG, 2002, §
12 Rn. 44). Ferner dürfen die Parteien gemäß § 25 Absatz 2 Nr. 2 des Parteiengesetzes (PartG) keine Spen-
den von politischen Stiftungen annehmen. Überdies müssen die Stiftungen von den Parteien unabhängig sein.
Beispielsweise dürfen der Vorsitzende und der Schatzmeister einer Partei nicht vergleichbare Posten in einer
politisch nahestehenden Stiftung übernehmen (vgl. § 11 Absatz 2 Satz 3 PartG).

Auch im Übrigen sind die vom Einspruchsführer vorgetragenen Gründe, warum die Finanzierung von Bun-
destagsfraktionen, Abgeordnetenmitarbeitern und politischen Stiftungen verfassungswidrig sein soll, nicht
überzeugend. Nähere Ausführungen hierzu erübrigen sich aber, da – wie oben erwähnt – der Wahlprüfungs-
ausschuss und der Deutsche Bundestag in ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens die
Verfassungsmäßigkeit von Wahlrechtsvorschriften nicht überprüfen und eine derartige Kontrolle stets dem
Bundesverfassungsgericht vorbehalten wurde, zumal ohnehin schon fraglich ist, ob die angegriffenen Sach-
verhalte überhaupt wahlprüfungsrechtlich relevant sein können.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 293 – Drucksache 18/1810

Anlage 44

Beschlussempfehlung

ZumWahleinspruch

1. des Herrn S. Sch., 84424 Ising,
2. des Herrn A. W., 80805 München,
3. des Herrn Dr. F. W., ebenda,

vertreten durch F. A. S. & Partner, 80336 München,

– Az.: WP 171/13 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag
am 22. September 2013

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 26. Juni 2014 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Die Einspruchsführer haben mit einem Fax des Verfahrensbevollmächtigten vom 21. November 2013 Ein-
spruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag am 22. September 2013 eingelegt.

1. Sie wenden sich gegen Fünf-Prozent-Hürde. Diese verstoße gegen den in Artikel 38 Absatz 1 des Grund-
gesetzes (GG) verankerten Grundsatz der gleichen Wahl. Gleich sei die Wahl nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 95, 408 [417]), wenn jede Stimme den gleichen Zählwert und den
gleichen Erfolgswer habe. Ausnahmen seien nur unter engen Voraussetzungen zulässig, nämlich wenn ein
zwingender Grund dafür bestehe. Jedes Quorum beeinflusse die Erfolgsgleichheit der Stimmen. Der Erfolgs-
wert sei ungleich, je nachdem, ob die betreffende Partei im Parlament vertreten sei oder nicht. Jedes Quorum
verletzte damit den Grundsatz der gleichen Wahl. Bei der angegriffenen Bundestagswahl sei die Ungleichbe-
handlung erheblich stärker ausgefallen als in der Vergangenheit. Die 41,5 Prozent der Stimmen für die Union
ergäben ca. 49,4 Prozent der Sitze. Hätten die Parteien SPD, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen jeweils
nur 0,1 Prozent weniger an Stimmen erhalten, hätte die Union sogar die absolute Mehrheit erreicht. Für die
Parteien CDU, CSU, SPD, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen abgegebene Stimmen flössen überpropor-
tional in die Sitzverteilung ein, so dass diese Parteien von der Sperrklausel stark profitierten. Sie hätten ca. 19
Prozent mehr Sitze erhalten, als ihnen nach dem Zweitstimmenergebnis zugestanden hätten. Andere Parteien
wie die „Alternative für Deutschland“ (AfD) und die FDP seien nicht im Parlament vertreten und die Leid-
tragenden dieser Regelung. Zwar habe das Bundesverfassungsgericht die Fünf-Prozent-Hürde wiederholt für
mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt. Diese Entscheidungen hätten jedoch stets unter dem Vorbehalt der
damals geltenden Verhältnisse gestanden. Letztere hätten sich bei der angegriffenen Wahl so gravierend ge-
ändert, dass die Fünf-Prozent-Hürde verfassungswidrig geworden sei. Das Bundesverfassungsgericht habe
die im Jahr 1997 noch nicht beanstandete Regelung für Überhangmandate für verfassungswidrig erklärt, weil
sie den Erfolgswert der Stimmen unangemessen beeinträchtigte. In Bezug auf die nicht im Parlament berück-
sichtigten Stimmen – 15,8 Prozent der Zweitstimmen – sei eine mindestens ebenso weitreichende Änderung
der tatsächlichen Verhältnisse eingetreten, so dass erst recht von einer Verfassungswidrigkeit der maßgebli-
chen Gesetzesbestimmung auszugehen sei. Wie das Gericht betont habe, müsse der Gesetzgeber tätig werden,
wenn die Ungleichbehandlung (durch Überhangmandate) zu Mandatsverschiebungen etwa in halber Frakti-
onsstärke geführt habe. Diese Grenze sei bei der angegriffenen Wahl deutlich, in Höhe einer doppelten Frak-
tionsstärke, überschritten worden. Die Fünf-Prozent-Hürde werde mit den Erfahrungen aus der Weimarer
Republik gerechtfertigt. Um einer Zersplitterung des Parlaments vorzubeugen und um stabile Regierungs-
mehrheiten zu ermöglichen, sollten Kleinstparteien aus dem Parlament ferngehalten werden. Wie das Ergeb-
nis der angegriffenen Wahl zeige, könne ein Fünf-Prozent-Quorum allerdings zu einer Verschiebung der
strukturellen Mehrheiten führen. Das „linke Spektrum“ habe zwar nur 42,7 Prozent der Zweitstimmen, aber
die Mehrheit der Parlamentssitze erreicht. Wären auch die FDP und die AfD im Deutschen Bundestag vertre-

Drucksache 18/1810 – 294 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

ten, entsprächen die Parlamentsverhältnisse eher den tatsächlichen Mehrheitsverhältnissen. Des Weiteren
würden nur aufgrund der Fünf-Prozent-Klausel den verbleibenden Oppositionsparteien wichtige Minderhei-
tenrechte – Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, abstrakte Normenkontrollklage – genommen. Bei
einem Einzug von FDP und AfD ins Parlament wäre auch die Opposition größer und besäße die Minderhei-
tenrechte. Die Zahl möglicher Koalitionsvarianten sei vermindert worden.

Eine Drei-Prozent-Hürde halten die Einspruchsführer für verfassungskonform. Bei einem solchen Quorum
wären nur 6,3 Prozent der Zweitstimmen nicht zu berücksichtigen gewesen; ferner hätte die prozentuale An-
zahl der Sitze dann dem Zweitstimmenanteil mehr entsprochen.

2. Die Einspruchsführer beantragen, einen Termin zur mündlichen Verhandlung anzuberaumen und ihnen die
notwendigen Auslagen zu erstatten.

Wegen der Einzelheiten ihres Vortrages wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Das Bundesministerium des Innern hat zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-
Sperrklausel am 16. Juni 2014 wie folgt Stellung genommen:

1. Das Bundesverfassungsgericht erachte in ständiger Rechtsprechung bei Wahlen zum Deutschen Bundestag
die heute in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1 des Bundeswahlgesetzes
(BWG) vorgesehene, auf das gesamte Wahlgebiet bezogene Fünf-Prozent-Sperrklausel für verfassungsgemäß
(vgl. BVerfGE 1, 208 [247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366];
95, 408 [417 ff.]; 120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.]). Zuletzt habe das Gericht in seinem
Urteil vom 9. Januar 2011 zur Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen entschieden, dass die Fünf-
Prozent-Sperrklausel bei der Wahl zum Deutschen Bundestag ihre Rechtfertigung im Wesentlichen darin
finde, dass die Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren
fortlaufende Unterstützung nötig sei und dieses Ziel durch die Zersplitterung des Parlaments in viele kleine
Gruppen gefährdet werde (BVerfGE 129, 300 [335 f.]). In der Entscheidung vom 26. Februar 2014 (2 BvE
2/13 u. a.) zur Drei-Prozent-Sperrklausel im Europawahlrecht habe das Gericht erneut bestätigt, dass eine
Sperrklausel gerechtfertigt sein könne, wenn Verhältnisse wie auf nationaler Ebene gegeben sind, wo die
Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nötig sei (ebd. Rn. 72).

Angesichts der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei der Wahlgesetzgeber verfas-
sungsrechtlich nicht daran gehindert, bei der Verteilung der zu vergebenden Sitze auf die Landeslisten bei der
Bundestagswahl grundsätzlich nur die Parteien zu berücksichtigen, die mindestens fünf Prozent der im Wahl-
gebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten haben (§ 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Ab-
satz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG). Es sei ihm mit anderen Worten von Verfassungs wegen unbenommen,
gültige Zweitstimmen, die auf Landeslisten von Parteien entfallen sind, die nicht die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben, zwar für die Ergebnisfeststellung als relevant zu werten (§ 42 BWG), nicht
aber für die Sitzverteilung. Der Wahlgesetzgeber dürfe also ohne Verstoß gegen Bundesverfassungsrecht alle
zu vergebenden Parlamentssitze auf die Landeslisten derjenigen Parteien verteilen, die die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben.

Im Interesse der Handlungsfähigkeit des Deutschen Bundestages habe der Wahlgesetzgeber bisher an der auf
das gesamte Wahlgebiet bezogenen Fünf-Prozent-Sperrklausel, die seit der Wahl zum 2. Deutschen Bundes-
tag 1953 gilt, festgehalten. Denn eine Wahl habe – wie das Bundesverfassungsgericht betone (vgl. BVerfGE
51, 222 [236]) – „nicht nur das Ziel, eine Volksvertretung zu schaffen, die ein Spiegelbild der in der Wähler-
schaft vorhandenen politischen Meinungen darstellt, sondern sie soll auch ein funktionsfähiges Organ her-
vorbringen.“ Hierfür seien „(k)lare und ihrer Verantwortung für das Gesamtwohl bewusste Mehrheiten in
einer Volksvertretung (…) für eine Bewältigung der ihr gestellten Aufgaben unentbehrlich“, die durch einen
unbegrenzten Proporz nicht gewährleistet sind.

2. Zwar könne nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die verfassungsrechtliche Rechtfer-
tigung einer die Wahlgleichheit berührenden Norm des Wahlrechts wie eine Sperrklauselregelung durch ver-
änderte Verhältnisse oder neue Entwicklungen – etwa durch eine Änderung der vom Gesetzgeber vorausge-
setzten tatsächlichen oder normativen Grundlagen oder wenn sich die beim Erlass der Norm hinsichtlich ihrer
Auswirkungen angestellte Prognose als irrig erwiesen habe – in Frage gestellt werden (BVerfGE 82, 322

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 295 – Drucksache 18/1810

[338 f.]; 120, 82 [108]; 129, 300 [321 f.]; Urteil vom 26. Februar 2014, Az. 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 56). Dies
sei im Hinblick auf die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen jedoch nicht der Fall.

Eine Änderung der normativen Grundlagen für die Beurteilung der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundes-
tagswahlen, die das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung als verfassungsgemäß angesehen
habe, sei nicht festzustellen. Insbesondere führten das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
9. November 2011 zur Verfassungswidrigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen (BVerfGE
129, 300) und sein Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Sperrklausel im
Europawahlgesetz (2 BvE 2/13 u. a.) nicht zu einer abweichenden Bewertung. Das Bundesverfassungsgericht
begründe die Verfassungswidrigkeit der Sperrklauseln bei Europawahlen in diesen Urteilen mit der besonde-
ren Stellung und Funktion des Europäischen Parlaments im Gefüge der Organe der Europäischen Union, wo
eine vergleichbare Interessenlage wie bei der Bundestagswahl nicht bestehe (BVerfGE 129, 300 [336]). Auch
in seinem Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Klausel im Europawahl-
gesetz halte das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich an der gefestigten Rechtsprechung zum verfassungs-
rechtlichen Maßstab für die Beurteilung wahlrechtlicher Sperrklauseln fest und lege – wie es mehrfach beto-
ne – seinem Urteil die gleichen Prüfungsmaßstäbe wie im Urteil vom 9. November 2011 zugrunde (Az. 2
BvE 2/13 u. a., Rn. 37, 45, 63). In beiden Urteilen weise das Gericht zudem darauf hin, dass bei der Bundes-
tagswahl – anders als bei der Europawahl – der Deutsche Bundestag im Falle einer eintretenden Funktionsbe-
einträchtigung aufgrund seiner veränderten strukturellen Zusammensetzung nicht mehr in der Lage wäre, die
gesetzlichen Regelungen zur Sicherung seiner Funktionsfähigkeit zu ändern, weil die erforderliche Mehrheit
nicht mehr zustande käme (BVerfGE 129, 300 [324]; Urteil vom 26. Februar 2014, 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 58).

3. Auch in tatsächlicher Hinsicht erfordere das Wahlergebnis der Bundestagswahl 2013, bei der zwei Parteien
mit einem Stimmenanteil von 4,8 Prozent bzw. 4,7 Prozent der Zweitstimmen vergleichsweise knapp an der
Fünf-Prozent-Klausel gescheitert seien, keine Neubewertung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der
Klausel. Der Gesetzgeber habe sich für die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen entschieden und
diese bis heute beibehalten, um in Konstellationen, in denen eine oder mehrere Parteien weniger als fünf
Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, die Funktionsfähigkeit des Bundestages sicherzustellen. Wenn eine
solche Konstellation bei einer Wahl – wie nun der Bundestagswahl 2013 – tatsächlich auftrete, liege gerade
nicht der Fall vor, dass sich eine Prognose des Gesetzgebers als irrig erwiesen habe oder dass eine Änderung
der vom Gesetzgeber vorausgesetzten tatsächlichen Verhältnisse eingetreten sei, sondern es habe sich ledig-
lich ein Szenario realisiert, das der Gesetzgeber mit seiner Regelung von vornherein habe erfassen wollen.
Auch das Bundesverfassungsgericht habe die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen in Kenntnis
des Umstands, dass an ihr nicht nur Parteien mit einem niedrigen Stimmenanteil zwischen null und zwei
Prozent der Zweitstimmen, sondern auch Parteien mit einem Stimmenanteil knapp unter fünf Prozent schei-
tern können, in ständiger Rechtsprechung als verfassungsmäßig angesehen (siehe die Nachweise unter 1.).

Die bei der Bundestagswahl 2013 aufgetretene hohe Gesamtzahl von abgegebenen gültigen Zweitstimmen
für Parteien, die die Fünf-Prozent-Sperrklausel nicht überwunden haben, sei kein Grund, das Vorliegen ver-
änderter Verhältnisse bzw. neuer Entwicklungen anzunehmen, die eine Neubewertung der verfassungsrecht-
lichen Zulässigkeit der Sperrklausel erforderten. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Sperrklausel sei
nicht von der Gesamtzahl der Stimmen für diejenigen Parteien abhängig, die die Sperrklausel bei einer ein-
zelnen Wahl nicht überwinden. Die Sperrklausel rechtfertige sich vielmehr durch den mit ihr verfolgten ver-
fassungsrechtlich legitimen Zweck, die Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages sicherzustellen (siehe
die Nachweise unter 1.). Sie erfülle ihren Zweck gerade dann, wenn viele an der Wahl teilnehmende Parteien
die Sperrklausel nicht überwinden, aber ohne Sperrklausel Sitze im Parlament erlangt hätten, da auf diese
Weise eine die stabile Mehrheitsbildung gefährdende Zersplitterung des Bundestages vermieden werde.

4. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel stehe nicht entgegen, dass eine
hohe Zahl von Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die aufgrund der Sperrklausel nicht an der Sitzvertei-
lung teilnehmen, eine absolute Mehrheit der Sitze für Parteien ermögliche, die bei der Wahl deutlich weniger
als der Hälfte der Stimmen erreicht haben. Das Erreichen einer Mehrheit der Sitze im Parlament sei immer
mit weniger als der Hälfte der gültigen Zweitstimmen möglich. Denn auch ohne Sperrklausel erhalte nicht
jede Partei, für die bei der Wahl gültige Stimmen abgegeben wurden, automatisch einen Sitz. Da für einen
Sitz auch ohne Sperrklausel stets eine bestimmte Zahl von Stimmen erforderlich sei, führten nicht alle Stim-
men zu einem Sitzerfolg und darum weniger als 50 Prozent der gültigen Zweitstimmen zu einer Mehrheit der
Sitze. Ein Verfassungsrechtssatz des Inhalts, dass einer Mehrheit der Mitglieder des Bundestages notwendi-
gerweise eine Mehrheit der Zweitstimmen in der Bundestagswahl entsprechen müsse, sei nicht feststellbar.

Drucksache 18/1810 – 296 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Wenn aber eine Partei in einer Wahl eine absolute Mehrheit der Zweitstimmen erhalte, sei gesichert, dass auf
sie mehr als die Hälfte der Sitze entfalle (§ 6 Absatz 7 BWG).

5. Gegen die Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht vorgebracht werden, sie verhindere bzw. erschwere
in übermäßiger Weise die Entstehung oder Etablierung neuer Parteien und schränke dadurch in unzulässiger
Weise die Chancengleichheit der Parteien ein. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Chancengleichheit
der Parteien verlange nicht, dass jeder Partei, die bei der Bundestagswahl Stimmen erhalte, Sitze im Bundes-
tag garantiert seien. Jede Partei habe rechtlich die gleiche Chance auf Teilnahme an der Sitzverteilung bei
Überwindung der Sperrklausel. Wenn eine Partei die für alle geltende Sperrklausel nicht überwinde, so sei
dies Resultat zu geringer Zustimmung in der Wählerschaft und gerade nicht ungleicher Chancen, denn die
unterschiedliche Gewichtung des Erfolgswerts von Wahlstimmen durch eine Sperrklausel treffe alle Parteien
gleichermaßen (vgl. BVerfGE 82, 322 [345]).

Dass die Fünf-Prozent-Sperrklausel die Entstehung und Etablierung neuer Parteien nicht verhindere oder
übermäßig erschwere, zeige der Einzug in die Parlamente auch neuer Parteien in den vergangenen Jahren bei
Bundestagswahlen und Landtagswahlen, bei denen nach Landesrecht ebenfalls Fünf-Prozent-Sperrklauseln
bestünden. Die Sperrklauseln trügen zu einem Mindestmaß an Konsolidierung neuer Parteien bei, indem sie
eine funktionierende Organisation und eine hinreichende Kampagnenfähigkeit der Partei erforderlich mach-
ten, um einen erfolgreichen Wahlkampf zu führen, der den Einzug ins Parlament ermögliche. Auch das Bun-
desverfassungsgericht sehe in ständiger Rechtsprechung in der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestags-
wahlen keinen verfassungswidrigen Eingriff in die Chancengleichheit der Parteien (siehe die Nachweise un-
ter 1.).

6. Die Fünf-Prozent-Sperrklausel habe nicht zur Folge, dass die Parteien, die die Sperrklausel überwunden
haben und deshalb an der Sitzverteilung teilnehmen, von den Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die an
der Sperrklausel gescheitert sind und somit nicht an der Sitzverteilung teilnehmen, profitierten und die Wäh-
ler bei der Stimmabgabe nicht erkennen könnten, welche Partei letztlich tatsächlich von ihrer Zweitstimme
profitiere. Von der Zweitstimme für eine Partei profitiere stets die Partei, für die die Stimme abgegeben wor-
den sei. Wenn eine Partei aufgrund eines zur Überwindung der Sperrklausel nicht ausreichenden Zuspruchs
in der Wählerschaft nicht an der Sitzverteilung teilnehme, würden die zu vergebenden Sitze auf die Parteien
verteilt, die die Sperrklausel überwunden haben. Diese Parteien profitierten bei dieser Verteilung von den für
sie abgegebenen Zweitstimmen, nicht von den Zweitstimmen für die an der Sperrklausel gescheiterten Partei-
en, die wegen Nichtteilnahme an der Sitzverteilung zu keinem Sitzerfolg führten.

7. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht entgegengehalten
werden, der Umstand, dass aufgrund der Sperrklausel eine hohe Zahl von Stimmen bei der Sitzverteilung
unberücksichtigt bleibe, befördere die Politikverdrossenheit der Wahlberechtigten. Unabhängig davon, ob
dies tatsächlich der Fall sei, habe sich der Gesetzgeber dazu entschieden, der Sicherung der Funktionsfähig-
keit des Parlaments Vorrang vor derartigen Erwägungen einzuräumen. Das Bundesverfassungsgericht erachte
dies in ständiger Rechtsprechung für verfassungsrechtlich zulässig (siehe die Nachweise unter 1.). Ein wegen
Zersplitterung in kleine und kleinste Fraktionen nicht mehrheits- und handlungsfähiges Parlament, das zur
Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nicht in der Lage sei, wäre zudem in weit höherem Maße geeignet, Politikverdrossenheit zu för-
dern.

8. Aufgrund der verfassungskonformen Ausgestaltung der Fünf-Prozent-Sperrklausel im geltenden Bundes-
wahlgesetz sei der Wahlgesetzgeber auch nicht zur Einführung einer Alternativstimme („Eventualstimme“,
„Ersatzstimme“ bzw. „Stimmweitergabe-Option“) verpflichtet. Ergänzend sei darauf verwiesen, dass im
Schrifttum gegen die Einführung einer solchen Alternativstimme verfassungsrechtliche Bedenken geltend
gemacht würden: Eine Alternativstimme sei mit dem Charakter der Stimmabgabe als einer vorbehaltlosen
und bedingungsfeindlichen Willenserklärung nicht zu vereinbaren und verstoße daher gegen den Grundsatz
der Unmittelbarkeit der Wahl im Sinne des Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 GG und gegen das Demokratieprinzip
nach Artikel 20 Absatz 1 GG (so Strelen, in: Schreiber, Bundeswahlgesetz, 9. Auflage 2013, § 6 Rn. 37 so-
wie Schreiber, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: 43. Lfg. April 2014, Art. 38
Rn. 40, 132). Überdies wäre die Gewährung einer Alternativstimme auch keine verfassungspolitisch ange-
zeigte Fortentwicklung des Wahlrechts. Sie würde das Stimmabgabeverfahren verkomplizieren, die Ermitt-
lung des Wahlergebnisses wesentlich erschweren und verzögern und den Wähler von einer eindeutigen poli-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 297 – Drucksache 18/1810

tischen Entscheidung ohne Vorbehalt und Rückfallposition entpflichten (vgl. im Einzelnen hierzu Strelen, in:
Schreiber, § 6 Rn. 37).

9. Die Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Klausel sei schließlich auch nicht davon abhängig, dass Par-
teien, die jeweils mit einer eigenen Liste an der Bundestagswahl teilnehmen, ihre Landeslisten verbinden
dürften, um als Zählgemeinschaft die Sperrklausel zu überwinden. Derartige Listenverbindungen verschiede-
ner Parteien bei der Bundestagswahl seien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wegen
Verstoßes gegen den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit der Parteien verfas-
sungswidrig (BVerfGE 82, 322 [345 f.]). Eine derartige Listenverbindung würde allein dem Zweck dienen,
die verfassungslegitime Zielsetzung einer Fünf-Prozent-Sperrklausel, die Verhinderung einer Zersplitterung
des Parlaments, zu umgehen.

Entscheidungsgründe

I.

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet. Dem Vortrag der Einspruchsführer lässt sich kein Verstoß ge-
gen Wahlrechtsvorschriften und damit kein Wahlfehler entnehmen.

Die Einspruchsführer bestreiten nicht, dass das Verfahren zur Auszählung der Stimmen und zur Verteilung
der Sitze auf die Landeslisten der Parteien bei der Bundestagswahl 2013 den Vorgaben des Bundeswahlge-
setzes entsprach. Dieses regelt in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1,
dass bei der Verteilung der Sitze auf die Landeslisten nur Parteien berücksichtigt werden, die mindestens fünf
Prozent der im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten oder in mindestens drei Wahlkrei-
sen einen Sitz errungen haben. Soweit die Einspruchsführer geltend machen, die Sperrklausel verstoße gegen
den Grundsatz der Wahlgleichheit und sei daher verfassungswidrig, ist darauf hinzuweisen, dass der Wahl-
prüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsverfah-
rens die Verfassungsmäßigkeit der für die Wahl geltenden Rechtsvorschriften nicht überprüfen. Eine derarti-
ge Kontrolle ist stets dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten worden (vgl. etwa Bundestagsdrucksachen
16/1800, Anlagen 26 bis 28 mit weiteren Nachweisen; 17/1000, Anlagen 5 und 11; 17/2200, Anlagen 1, 13
bis 15, 17 bis 20, 23 und 24; 17/3100, Anlagen 15, 19, 20, 22 bis 30, 32, 34 bis 36; 17/4600, Anlagen 10, 12,
13, 32, 38, 40 bis 43 mit weiteren Nachweisen; 17/6300, Anlage 19). Allerdings hat der Wahlprüfungsaus-
schuss schon in zahlreichen Wahlprüfungsentscheidungen früherer Wahlperioden keinen Anlass für Zweifel
an der Verfassungsmäßigkeit der Regelung gesehen (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen 15/1850, Anlagen 9
und 47; 16/900, Anlage 14), zumal das Bundesverfassungsgericht – wie die Einspruchsführer selbst einräu-
men – die Verfassungsmäßigkeit der Sperrklausel in ihrer Ausgestaltung durch das Bundeswahlgesetz in
ständiger Rechtsprechung bestätigt hat (vgl. BVerfGE 1, 208 [247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222
[235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366]; 95, 408 [417 ff.]; 120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300
[335 f.], siehe auch Bundestagsdrucksache 16/900, Anlage 14). Es ist folglich verfassungsrechtlich nicht zu
beanstanden, dass alle Parlamentssitze auf diejenigen Parteien verteilt werden, welche die Fünf-Prozent-
Hürde überwunden haben. Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Sperr-
klausel durch veränderte Verhältnisse infrage gestellt werden. Dies ist bezüglich der Bundestagswahl 2013
aber nicht der Fall, wie das Bundesministerium des Innern – auch unter Bezugnahme auf die Urteile vom 9.
November 2011 und 26. Februar 2014 – in seiner Stellungnahme zutreffend feststellt: Dass nach dem amtli-
chen Endergebnis der Bundestagswahl 2013 insgesamt 15,7 Prozent der gültigen Zweitstimmen nicht in die
Mandatsverteilung eingeflossen sind, weil sie für insgesamt 25 Parteien abgegeben wurden, die bundesweit
weniger als fünf Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, ändert nichts an der vom Bundesverfassungsge-
richt festgestellten Verfassungskonformität der Fünf-Prozent-Hürde. Zwar war der Anteil der gültigen, aber
wegen der Sperrklausel nicht in die Sitzverteilung eingeflossenen Zweitstimmen bei der Bundestagswahl
2013 höher als bei früheren Bundestagswahlen, da – anders als bei vorhergehenden Wahlen – zwei Parteien
jeweils fast fünf Prozent und zudem 23 weitere Parteien insgesamt 6,2 Prozent (für sich genommen aber teil-
weise weniger als 0,1 Prozent) erreicht haben. Jedoch ist dieser Umstand nicht atypisch oder zuvor unbekannt
gewesen. Es ist zudem durchaus möglich, dass er bei kommenden Bundestagswahlen mit anderen Wahler-
gebnissen nicht (mehr) auftritt. Der Einzug neuer Parteien in den Deutschen Bundestag wird, wie Beispiele
aus der Geschichte der Bundesrepublik zeigen, ohnehin nicht durch die Sperrklausel verhindert. Außerdem
ist die Fünf-Prozent-Hürde auf das jeweilige Ergebnis einer jeden Partei bezogen. Nur die konkrete Stim-
menzahl jeder Partei kann der Ausgangspunkt der Sitzverteilung auf die Landeslisten sein (vgl. § 6 Absatz 1

Drucksache 18/1810 – 298 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

BWG) – übrigens auch dann, wenn man gedanklich die Sperrklausel streicht oder eine niedrigere Sperrklau-
sel ansetzt –; erst im zweiten Schritt ist die Stimmenzahl einer jeden Partei in Relation zu den Stimmenantei-
len der anderen Parteien zu setzen (vgl. § 6 Absätze 2 bis 7 BWG). Die gedankliche Addition von Zweit-
stimmenanteilen kann folglich für die Fünf-Prozent-Hürde keine Aussagekraft beanspruchen.

II.

1. Ein Termin zur mündlichen Verhandlung ist gemäß § 6 Absatz 1 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) nur
anzuberaumen, wenn die Vorprüfung ergibt, dass davon eine weitere Förderung des Verfahrens zu erwarten
ist. Da in dem vorliegenden Fall allein (höchstrichterlich geklärte) Rechtsfragen entscheidungserheblich wa-
ren, war von einer mündlichen Verhandlung keine Förderung des Verfahrens zu erwarten. Sie war daher
entbehrlich.

2. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 19 Absatz 1 Satz 2 WPrüfG für eine Auslagenerstattung liegen
nicht vor. Nach dieser Vorschrift können den in nicht amtlicher Eigenschaft Einsprechenden notwendige
Auslagen erstattet werden, wenn dem Einspruch stattgegeben oder der Einspruch nur deshalb zurückgewie-
sen wurde, weil der geltend gemachte Mangel keinen Einfluss auf das Wahlergebnis gehabt hat. Im vorlie-
genden Fall wird der Einspruch zurückgewiesen und dies nicht etwa, weil ein Wahlfehler vorläge, der keinen
Einfluss auf das Wahlergebnis hatte. Vielmehr geht es allein um eine nicht durchgreifende Rüge des materiel-
len Wahlrechts.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 299 – Drucksache 18/1810

Anlage 45

Beschlussempfehlung

ZumWahleinspruch

des Herrn G. K., 31139 Hildesheim,

– Az.: WP 173/13 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag
am 22. September 2013

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 26. Juni 2014 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit einem Schreiben vom 19. November 2013 Einspruch gegen die Gültigkeit der
Wahl zum 18. Deutschen Bundestag am 22. September 2013 eingelegt.

Er wendet sich gegen die Fünf-Prozent-Hürde. Diese beeinträchtige die Wahlgleichheit. Diejenigen Wähler,
die wie er eine Partei gewählt hätten, deren Stimmenzahl unter fünf Prozent geblieben sei, hätten keinen Ein-
fluss auf die Sitzverteilung des Parlaments ausüben können. Der Erfolgswert ihrer Stimmen sei signifikant
geringer als der Erfolgswert der Stimmen von Wählern einer Partei, welche die Fünf-Prozent-Hürde über-
wunden habe. Die Sperrklausel beeinträchtige auch die Wahlfreiheit. Wenn Wähler einer kleinen Partei be-
fürchten müssten, dass ihre Stimmen aller Voraussicht nach „verloren“ seien, weil sie bei der Sitzverteilung
nicht berücksichtigt würden, fühlten sie einen mehr oder weniger starken Druck, entgegen ihrer eigenen Prä-
ferenz und sozusagen aus taktischen Gründen eine jener Parteien zu wählen, die den Sprung über die Fünf-
Prozent-Hürde mit relativ großer Sicherheit schafften. Solch ein Druck enge die Entschließungsfreiheit des
betreffenden Wählers in schwerwiegender Weise ein, wenn er diesem nicht standhalte. Auch er, der Ein-
spruchsführer, sei aus den genannten Gründen in seiner Wahlfreiheit erheblich eingeschränkt worden. Ein
zwingender verfassungsrechtlicher Grund für die Einschränkung der Wahlfreiheit und der Wahlgleichheit
durch die Fünf-Prozent-Klausel sei nicht gegeben. Zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und zur Abwehr von
Splitterparteien sei die Sperrklausel nicht erforderlich. Der Deutsche Bundestag habe „reichlich Erfahrung“
darin, über seine Geschäftsordnung seine Handlungsfähigkeit und effektive Arbeit zu gewährleisten, sowie
Erfahrung mit Abgeordneten ohne volles Stimmrecht (den Berliner Abgeordneten vor 1990). Wenn ein In-
strument existiere, mit dem die negativen Wirkungen der Sperrklausel vermieden, aber der damit verfolgte
Zweck dennoch erreicht werden könne, wäre der Gesetzgeber verpflichtet, sich dessen zu bedienen. Als
wahlrechtliches Instrument komme die Einführung von zwei Wahlgängen in Betracht. Eine Partei, die im
ersten Wahlgang die Fünf-Prozent-Hürde überspränge, würde dann in den zweiten Wahlgang gelangen, in
dem es um die (eigentliche) Sitzverteilung ginge. Somit würde die Erfolgswertgleichheit der Stimmen sicher-
gestellt. Ein weiteres mögliches Instrument wäre die Ersatz- oder Alternativstimme. Entgegen ihrer ange-
strebten Wirkung destabilisiere die Fünf-Prozent-Klausel derzeit die künftige Regierung.

Wegen der Einzelheiten des Vortrages des Einspruchsführers wird auf den Inhalt der Akten Bezug genom-
men.

Das Bundesministerium des Innern hat zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-
Sperrklausel am 16. Juni 2014 wie folgt Stellung genommen:

1. Das Bundesverfassungsgericht erachte in ständiger Rechtsprechung bei Wahlen zum Deutschen Bundestag
die heute in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1 des Bundeswahlgesetzes
(BWG) vorgesehene, auf das gesamte Wahlgebiet bezogene Fünf-Prozent-Sperrklausel für verfassungsgemäß
(vgl. BVerfGE 1, 208 [247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366];
95, 408 [417 ff.]; 120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.]). Zuletzt habe das Gericht in seinem

Drucksache 18/1810 – 300 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Urteil vom 9. Januar 2011 zur Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen entschieden, dass die Fünf-
Prozent-Sperrklausel bei der Wahl zum Deutschen Bundestag ihre Rechtfertigung im Wesentlichen darin
finde, dass die Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren
fortlaufende Unterstützung nötig sei und dieses Ziel durch die Zersplitterung des Parlaments in viele kleine
Gruppen gefährdet werde (BVerfGE 129, 300 [335 f.]). In der Entscheidung vom 26. Februar 2014 (2 BvE
2/13 u. a.) zur Drei-Prozent-Sperrklausel im Europawahlrecht habe das Gericht erneut bestätigt, dass eine
Sperrklausel gerechtfertigt sein könne, wenn Verhältnisse wie auf nationaler Ebene gegeben sind, wo die
Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nötig sei (ebd. Rn. 72).

Angesichts der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei der Wahlgesetzgeber verfas-
sungsrechtlich nicht daran gehindert, bei der Verteilung der zu vergebenden Sitze auf die Landeslisten bei der
Bundestagswahl grundsätzlich nur die Parteien zu berücksichtigen, die mindestens fünf Prozent der im Wahl-
gebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten haben (§ 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Ab-
satz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG). Es sei ihm mit anderen Worten von Verfassungs wegen unbenommen,
gültige Zweitstimmen, die auf Landeslisten von Parteien entfallen sind, die nicht die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben, zwar für die Ergebnisfeststellung als relevant zu werten (§ 42 BWG), nicht
aber für die Sitzverteilung. Der Wahlgesetzgeber dürfe also ohne Verstoß gegen Bundesverfassungsrecht alle
zu vergebenden Parlamentssitze auf die Landeslisten derjenigen Parteien verteilen, die die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben.

Im Interesse der Handlungsfähigkeit des Deutschen Bundestages habe der Wahlgesetzgeber bisher an der auf
das gesamte Wahlgebiet bezogenen Fünf-Prozent-Sperrklausel, die seit der Wahl zum 2. Deutschen Bundes-
tag 1953 gilt, festgehalten. Denn eine Wahl habe – wie das Bundesverfassungsgericht betone (vgl. BVerfGE
51, 222 [236]) – „nicht nur das Ziel, eine Volksvertretung zu schaffen, die ein Spiegelbild der in der Wähler-
schaft vorhandenen politischen Meinungen darstellt, sondern sie soll auch ein funktionsfähiges Organ her-
vorbringen.“ Hierfür seien „(k)lare und ihrer Verantwortung für das Gesamtwohl bewusste Mehrheiten in
einer Volksvertretung (…) für eine Bewältigung der ihr gestellten Aufgaben unentbehrlich“, die durch einen
unbegrenzten Proporz nicht gewährleistet sind.

2. Zwar könne nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die verfassungsrechtliche Rechtfer-
tigung einer die Wahlgleichheit berührenden Norm des Wahlrechts wie eine Sperrklauselregelung durch ver-
änderte Verhältnisse oder neue Entwicklungen – etwa durch eine Änderung der vom Gesetzgeber vorausge-
setzten tatsächlichen oder normativen Grundlagen oder wenn sich die beim Erlass der Norm hinsichtlich ihrer
Auswirkungen angestellte Prognose als irrig erwiesen habe – in Frage gestellt werden (BVerfGE 82, 322
[338 f.]; 120, 82 [108]; 129, 300 [321 f.]; Urteil vom 26. Februar 2014, Az. 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 56). Dies
sei im Hinblick auf die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen jedoch nicht der Fall.

Eine Änderung der normativen Grundlagen für die Beurteilung der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundes-
tagswahlen, die das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung als verfassungsgemäß angesehen
habe, sei nicht festzustellen. Insbesondere führten das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
9. November 2011 zur Verfassungswidrigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen (BVerfGE
129, 300) und sein Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Sperrklausel im
Europawahlgesetz (2 BvE 2/13 u. a.) nicht zu einer abweichenden Bewertung. Das Bundesverfassungsgericht
begründe die Verfassungswidrigkeit der Sperrklauseln bei Europawahlen in diesen Urteilen mit der besonde-
ren Stellung und Funktion des Europäischen Parlaments im Gefüge der Organe der Europäischen Union, wo
eine vergleichbare Interessenlage wie bei der Bundestagswahl nicht bestehe (BVerfGE 129, 300 [336]). Auch
in seinem Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Klausel im Europawahl-
gesetz halte das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich an der gefestigten Rechtsprechung zum verfassungs-
rechtlichen Maßstab für die Beurteilung wahlrechtlicher Sperrklauseln fest und lege – wie es mehrfach beto-
ne – seinem Urteil die gleichen Prüfungsmaßstäbe wie im Urteil vom 9. November 2011 zugrunde (Az. 2
BvE 2/13 u. a., Rn. 37, 45, 63). In beiden Urteilen weise das Gericht zudem darauf hin, dass bei der Bundes-
tagswahl – anders als bei der Europawahl – der Deutsche Bundestag im Falle einer eintretenden Funktionsbe-
einträchtigung aufgrund seiner veränderten strukturellen Zusammensetzung nicht mehr in der Lage wäre, die
gesetzlichen Regelungen zur Sicherung seiner Funktionsfähigkeit zu ändern, weil die erforderliche Mehrheit
nicht mehr zustande käme (BVerfGE 129, 300 [324]; Urteil vom 26. Februar 2014, 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 58).

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 301 – Drucksache 18/1810

3. Auch in tatsächlicher Hinsicht erfordere das Wahlergebnis der Bundestagswahl 2013, bei der zwei Parteien
mit einem Stimmenanteil von 4,8 Prozent bzw. 4,7 Prozent der Zweitstimmen vergleichsweise knapp an der
Fünf-Prozent-Klausel gescheitert seien, keine Neubewertung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der
Klausel. Der Gesetzgeber habe sich für die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen entschieden und
diese bis heute beibehalten, um in Konstellationen, in denen eine oder mehrere Parteien weniger als fünf
Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, die Funktionsfähigkeit des Bundestages sicherzustellen. Wenn eine
solche Konstellation bei einer Wahl – wie nun der Bundestagswahl 2013 – tatsächlich auftrete, liege gerade
nicht der Fall vor, dass sich eine Prognose des Gesetzgebers als irrig erwiesen habe oder dass eine Änderung
der vom Gesetzgeber vorausgesetzten tatsächlichen Verhältnisse eingetreten sei, sondern es habe sich ledig-
lich ein Szenario realisiert, das der Gesetzgeber mit seiner Regelung von vornherein habe erfassen wollen.
Auch das Bundesverfassungsgericht habe die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen in Kenntnis
des Umstands, dass an ihr nicht nur Parteien mit einem niedrigen Stimmenanteil zwischen null und zwei
Prozent der Zweitstimmen, sondern auch Parteien mit einem Stimmenanteil knapp unter fünf Prozent schei-
tern können, in ständiger Rechtsprechung als verfassungsmäßig angesehen (siehe die Nachweise unter 1.).

Die bei der Bundestagswahl 2013 aufgetretene hohe Gesamtzahl von abgegebenen gültigen Zweitstimmen
für Parteien, die die Fünf-Prozent-Sperrklausel nicht überwunden haben, sei kein Grund, das Vorliegen ver-
änderter Verhältnisse bzw. neuer Entwicklungen anzunehmen, die eine Neubewertung der verfassungsrecht-
lichen Zulässigkeit der Sperrklausel erforderten. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Sperrklausel sei
nicht von der Gesamtzahl der Stimmen für diejenigen Parteien abhängig, die die Sperrklausel bei einer ein-
zelnen Wahl nicht überwinden. Die Sperrklausel rechtfertige sich vielmehr durch den mit ihr verfolgten ver-
fassungsrechtlich legitimen Zweck, die Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages sicherzustellen (siehe
die Nachweise unter 1.). Sie erfülle ihren Zweck gerade dann, wenn viele an der Wahl teilnehmende Parteien
die Sperrklausel nicht überwinden, aber ohne Sperrklausel Sitze im Parlament erlangt hätten, da auf diese
Weise eine die stabile Mehrheitsbildung gefährdende Zersplitterung des Bundestages vermieden werde.

4. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel stehe nicht entgegen, dass eine
hohe Zahl von Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die aufgrund der Sperrklausel nicht an der Sitzvertei-
lung teilnehmen, eine absolute Mehrheit der Sitze für Parteien ermögliche, die bei der Wahl deutlich weniger
als der Hälfte der Stimmen erreicht haben. Das Erreichen einer Mehrheit der Sitze im Parlament sei immer
mit weniger als der Hälfte der gültigen Zweitstimmen möglich. Denn auch ohne Sperrklausel erhalte nicht
jede Partei, für die bei der Wahl gültige Stimmen abgegeben wurden, automatisch einen Sitz. Da für einen
Sitz auch ohne Sperrklausel stets eine bestimmte Zahl von Stimmen erforderlich sei, führten nicht alle Stim-
men zu einem Sitzerfolg und darum weniger als 50 Prozent der gültigen Zweitstimmen zu einer Mehrheit der
Sitze. Ein Verfassungsrechtssatz des Inhalts, dass einer Mehrheit der Mitglieder des Bundestages notwendi-
gerweise eine Mehrheit der Zweitstimmen in der Bundestagswahl entsprechen müsse, sei nicht feststellbar.
Wenn aber eine Partei in einer Wahl eine absolute Mehrheit der Zweitstimmen erhalte, sei gesichert, dass auf
sie mehr als die Hälfte der Sitze entfalle (§ 6 Absatz 7 BWG).

5. Gegen die Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht vorgebracht werden, sie verhindere bzw. erschwere
in übermäßiger Weise die Entstehung oder Etablierung neuer Parteien und schränke dadurch in unzulässiger
Weise die Chancengleichheit der Parteien ein. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Chancengleichheit
der Parteien verlange nicht, dass jeder Partei, die bei der Bundestagswahl Stimmen erhalte, Sitze im Bundes-
tag garantiert seien. Jede Partei habe rechtlich die gleiche Chance auf Teilnahme an der Sitzverteilung bei
Überwindung der Sperrklausel. Wenn eine Partei die für alle geltende Sperrklausel nicht überwinde, so sei
dies Resultat zu geringer Zustimmung in der Wählerschaft und gerade nicht ungleicher Chancen, denn die
unterschiedliche Gewichtung des Erfolgswerts von Wahlstimmen durch eine Sperrklausel treffe alle Parteien
gleichermaßen (vgl. BVerfGE 82, 322 [345]).

Dass die Fünf-Prozent-Sperrklausel die Entstehung und Etablierung neuer Parteien nicht verhindere oder
übermäßig erschwere, zeige der Einzug in die Parlamente auch neuer Parteien in den vergangenen Jahren bei
Bundestagswahlen und Landtagswahlen, bei denen nach Landesrecht ebenfalls Fünf-Prozent-Sperrklauseln
bestünden. Die Sperrklauseln trügen zu einem Mindestmaß an Konsolidierung neuer Parteien bei, indem sie
eine funktionierende Organisation und eine hinreichende Kampagnenfähigkeit der Partei erforderlich mach-
ten, um einen erfolgreichen Wahlkampf zu führen, der den Einzug ins Parlament ermögliche. Auch das Bun-
desverfassungsgericht sehe in ständiger Rechtsprechung in der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestags-
wahlen keinen verfassungswidrigen Eingriff in die Chancengleichheit der Parteien (siehe die Nachweise un-
ter 1.).

Drucksache 18/1810 – 302 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

6. Die Fünf-Prozent-Sperrklausel habe nicht zur Folge, dass die Parteien, die die Sperrklausel überwunden
haben und deshalb an der Sitzverteilung teilnehmen, von den Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die an
der Sperrklausel gescheitert sind und somit nicht an der Sitzverteilung teilnehmen, profitierten und die Wäh-
ler bei der Stimmabgabe nicht erkennen könnten, welche Partei letztlich tatsächlich von ihrer Zweitstimme
profitiere. Von der Zweitstimme für eine Partei profitiere stets die Partei, für die die Stimme abgegeben wor-
den sei. Wenn eine Partei aufgrund eines zur Überwindung der Sperrklausel nicht ausreichenden Zuspruchs
in der Wählerschaft nicht an der Sitzverteilung teilnehme, würden die zu vergebenden Sitze auf die Parteien
verteilt, die die Sperrklausel überwunden haben. Diese Parteien profitierten bei dieser Verteilung von den für
sie abgegebenen Zweitstimmen, nicht von den Zweitstimmen für die an der Sperrklausel gescheiterten Partei-
en, die wegen Nichtteilnahme an der Sitzverteilung zu keinem Sitzerfolg führten.

7. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht entgegengehalten
werden, der Umstand, dass aufgrund der Sperrklausel eine hohe Zahl von Stimmen bei der Sitzverteilung
unberücksichtigt bleibe, befördere die Politikverdrossenheit der Wahlberechtigten. Unabhängig davon, ob
dies tatsächlich der Fall sei, habe sich der Gesetzgeber dazu entschieden, der Sicherung der Funktionsfähig-
keit des Parlaments Vorrang vor derartigen Erwägungen einzuräumen. Das Bundesverfassungsgericht erachte
dies in ständiger Rechtsprechung für verfassungsrechtlich zulässig (siehe die Nachweise unter 1.). Ein wegen
Zersplitterung in kleine und kleinste Fraktionen nicht mehrheits- und handlungsfähiges Parlament, das zur
Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nicht in der Lage sei, wäre zudem in weit höherem Maße geeignet, Politikverdrossenheit zu för-
dern.

8. Aufgrund der verfassungskonformen Ausgestaltung der Fünf-Prozent-Sperrklausel im geltenden Bundes-
wahlgesetz sei der Wahlgesetzgeber auch nicht zur Einführung einer Alternativstimme („Eventualstimme“,
„Ersatzstimme“ bzw. „Stimmweitergabe-Option“) verpflichtet. Ergänzend sei darauf verwiesen, dass im
Schrifttum gegen die Einführung einer solchen Alternativstimme verfassungsrechtliche Bedenken geltend
gemacht würden: Eine Alternativstimme sei mit dem Charakter der Stimmabgabe als einer vorbehaltlosen
und bedingungsfeindlichen Willenserklärung nicht zu vereinbaren und verstoße daher gegen den Grundsatz
der Unmittelbarkeit der Wahl im Sinne des Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) und gegen
das Demokratieprinzip nach Artikel 20 Absatz 1 GG (so Strelen, in: Schreiber, Bundeswahlgesetz, 9. Auflage
2013, § 6 Rn. 37 sowie Schreiber, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: 43. Lfg.
April 2014, Art. 38 Rn. 40, 132). Überdies wäre die Gewährung einer Alternativstimme auch keine verfas-
sungspolitisch angezeigte Fortentwicklung des Wahlrechts. Sie würde das Stimmabgabeverfahren verkompli-
zieren, die Ermittlung des Wahlergebnisses wesentlich erschweren und verzögern und den Wähler von einer
eindeutigen politischen Entscheidung ohne Vorbehalt und Rückfallposition entpflichten (vgl. im Einzelnen
hierzu Strelen, in: Schreiber, § 6 Rn. 37).

9. Die Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Klausel sei schließlich auch nicht davon abhängig, dass Par-
teien, die jeweils mit einer eigenen Liste an der Bundestagswahl teilnehmen, ihre Landeslisten verbinden
dürften, um als Zählgemeinschaft die Sperrklausel zu überwinden. Derartige Listenverbindungen verschiede-
ner Parteien bei der Bundestagswahl seien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wegen
Verstoßes gegen den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit der Parteien verfas-
sungswidrig (BVerfGE 82, 322 [345 f.]). Eine derartige Listenverbindung würde allein dem Zweck dienen,
die verfassungslegitime Zielsetzung einer Fünf-Prozent-Sperrklausel, die Verhinderung einer Zersplitterung
des Parlaments, zu umgehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet. Dem Vortrag des Einspruchsführers lässt sich kein Verstoß
gegen Wahlrechtsvorschriften und damit kein Wahlfehler entnehmen.

Der Einspruchsführer bestreitet nicht, dass das Verfahren zur Auszählung der Stimmen und zur Verteilung
der Sitze auf die Landeslisten der Parteien bei der Bundestagswahl 2013 den Vorgaben des Bundeswahlge-
setzes entsprach. Dieses regelt in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1,
dass bei der Verteilung der Sitze auf die Landeslisten nur Parteien berücksichtigt werden, die mindestens fünf
Prozent der im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten oder in mindestens drei Wahlkrei-
sen einen Sitz errungen haben. Soweit der Einspruchsführer geltend macht, die Sperrklausel verstoße gegen

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 303 – Drucksache 18/1810

die Gleichheit und die Freiheit der Wahl und sei verfassungswidrig, ist darauf hinzuweisen, dass der Wahl-
prüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsverfah-
rens die Verfassungsmäßigkeit der für die Wahl geltenden Rechtsvorschriften nicht überprüfen. Eine derarti-
ge Kontrolle ist stets dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten worden (vgl. etwa Bundestagsdrucksachen
16/1800, Anlagen 26 bis 28 mit weiteren Nachweisen; 17/1000, Anlagen 5 und 11; 17/2200, Anlagen 1, 13
bis 15, 17 bis 20, 23 und 24; 17/3100, Anlagen 15, 19, 20, 22 bis 30, 32, 34 bis 36; 17/4600, Anlagen 10, 12,
13, 32, 38, 40 bis 43 mit weiteren Nachweisen; 17/6300, Anlage 19). Allerdings hat der Wahlprüfungsaus-
schuss schon in zahlreichen Wahlprüfungsentscheidungen früherer Wahlperioden keinen Anlass für Zweifel
an der Verfassungsmäßigkeit der Regelung gesehen (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen 15/1850, Anlagen 9
und 47; 16/900, Anlage 14), zumal das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit der Sperrklausel
in ihrer Ausgestaltung durch das Bundeswahlgesetz in ständiger Rechtsprechung bestätigt hat (vgl. BVerfGE
1, 208 [247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366]; 95, 408
[417 ff.]; 120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.], siehe auch Bundestagsdrucksache 16/900,
Anlage 14). Es ist folglich verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass alle Parlamentssitze auf diejeni-
gen Parteien verteilt werden, welche die Fünf-Prozent-Hürde überwunden haben. Zwar kann nach der Recht-
sprechung des Bundesverfassungsgerichts die Sperrklausel durch veränderte Verhältnisse infrage gestellt
werden. Dies ist bezüglich der Bundestagswahl 2013 aber nicht der Fall, wie das Bundesministerium des
Innern – auch unter Bezugnahme auf die Urteile vom 9. November 2011 und 26. Februar 2014 – in seiner
Stellungnahme zutreffend feststellt: Dass nach dem amtlichen Endergebnis der Bundestagswahl 2013 insge-
samt 15,7 Prozent der gültigen Zweitstimmen nicht in die Mandatsverteilung eingeflossen sind, weil sie für
insgesamt 25 Parteien abgegeben wurden, die bundesweit weniger als fünf Prozent der Zweitstimmen erreicht
haben, ändert nichts an der vom Bundesverfassungsgericht festgestellten Verfassungskonformität der Fünf-
Prozent-Hürde. Zwar war der Anteil der gültigen, aber wegen der Sperrklausel nicht in die Sitzverteilung
eingeflossenen Zweitstimmen bei der Bundestagswahl 2013 höher als bei früheren Bundestagswahlen, da –
anders als bei vorhergehenden Wahlen – zwei Parteien jeweils fast fünf Prozent und zudem 23 weitere Par-
teien insgesamt 6,2 Prozent (für sich genommen aber teilweise weniger als 0,1 Prozent) erreicht haben. Je-
doch ist dieser Umstand nicht atypisch oder zuvor unbekannt gewesen. Es ist zudem durchaus möglich, dass
er bei kommenden Bundestagswahlen mit anderen Wahlergebnissen nicht (mehr) auftritt. Der Einzug neuer
Parteien in den Deutschen Bundestag wird, wie Beispiele aus der Geschichte der Bundesrepublik zeigen,
ohnehin nicht durch die Sperrklausel verhindert. Außerdem ist die Fünf-Prozent-Hürde auf das jeweilige
Ergebnis einer jeden Partei bezogen. Nur die konkrete Stimmenzahl jeder Partei kann der Ausgangspunkt der
Sitzverteilung auf die Landeslisten sein (vgl. § 6 Absatz 1 BWG) – übrigens auch dann, wenn man gedank-
lich die Sperrklausel streicht oder eine niedrigere Sperrklausel ansetzt –; erst im zweiten Schritt ist die Stim-
menzahl einer jeden Partei in Relation zu den Stimmenanteilen der anderen Parteien zu setzen (vgl. § 6 Ab-
sätze 2 bis 7 BWG). Die gedankliche Addition von Zweitstimmenanteilen kann folglich für die Fünf-Prozent-
Hürde keine Aussagekraft beanspruchen.

Das vom Einspruchsführer befürwortete Konzept einer Eventualstimme (Alternativstimme, Ersatzstimme)
wäre – wenn es Gesetz würde – verfassungwidrig. Die Einführung einer Eventualstimme verstieße gegen den
Grundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl im Sinne des Artikels 38 Absatz 1 Satz 1 GG und gegen das Demo-
kratieprinzip in Art. 20 Absatz 1 GG (vgl. nur Strelen, in: Schreiber, § 6 Rn. 37).

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 305 – Drucksache 18/1810

Anlage 46

Beschlussempfehlung

ZumWahleinspruch

des Herrn B. T., 56856 Zell (Mosel),

– Az.: WP 174/13 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag
am 22. September 2013

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 26. Juni 2014 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit einem Schreiben vom 18. November 2013 Einspruch gegen die Gültigkeit der
Wahl zum 18. Deutschen Bundestag am 22. September 2013 eingelegt.

Er wendet sich gegen die Fünf-Prozent-Klausel. Der 18. Deutsche Bundestag sei durch die angegriffene Wahl
nicht ausreichend vom Volk, von dem gemäß Artikel 20 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) alle Staats-
gewalt auszugehen habe, legitimiert. Durch den Ausschluss aller Parteien unterhalb von fünf Prozent seien
die Zweitstimmen von insgesamt 6.859.439 Wählern, also von fast 15,7 Prozent aller Wähler, bei der Sitzzu-
teilung nicht berücksichtigt worden. Die Einwohnerzahl der drei größten deutschen Städte liege zusammen-
genommen sogar noch unter dieser sehr großen Zahl. Der Gesetzgeber habe die Zähl- und die Erfolgswert-
gleichheit der Stimmen sicherzustellen. Auch müsse die Chancengleichheit der Parteien gewahrt werden. Für
eine Sperrklausel benötige man zwingende Gründe. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
seien die aktuellen Verhältnisse maßgeblich. Sperrklauseln könnten demnach nicht ein für allemal abstrakt
beurteilt werden. Vielmehr könne sich eine abweichende verfassungsrechtliche Beurteilung ergeben, wenn
sich die Verhältnisse wesentlich änderten. Der Gesetzgeber sei nach der Rechtsprechung (BVerfGE 1, 208
[259]; 120, 82 [106 ff.]) zudem verpflichtet, eine die Wahlgleichheit und die Chancengleichheit der Parteien
berührende Wahlrechtsnorm zu überprüfen und gegebenenfalls zu ändern, wenn die verfassungsrechtliche
Rechtfertigung dieser Norm durch neue Entwicklungen in Frage gestellt werde.

Der Gesetzgeber halte seit jeher an der Behauptung fest, klare Mehrheiten in der Volksvertretung seien für
die Bewältigung der Parlamentsaufgaben unentbehrlich. Dieser Auffassung sei das Bundesverfassungsgericht
bislang gefolgt. Deshalb dürfe der Gesetzgeber Differenzierungen im Erfolgswert der Stimmen bei der Ver-
hältniswahl vornehmen, soweit dies zur Sicherung des Charakters der Wahl als eines Integrationsvorgangs
bei der politischen Willensbildung im Interesse der Einheitlichkeit des ganzen Wahlsystems und zur Siche-
rung der mit der Wahl verfolgten Ziele unbedingt erforderlich sei (vgl. BVerfGE 51, 222 [236]). Aktuell
wäre aber die Arbeitsfähigkeit auch bei einer Streichung der Fünf-Prozent-Klausel nicht gefährdet. Daher sei
die Sperrklausel nicht erforderlich. Selbst wenn eine Sperrklausel für erforderlich erachtet werde, sei ihre
Höhe von derzeit fünf Prozent diskutabel. Die Zahl der im Parlament vertretenen Parteien würde nach dem
Wahlergebnis vom 22. September 2013 bei einer Senkung oder ersatzlosen Streichung nur wenig steigen.
Außerdem stünden dem Gesetzgeber Alternativen zur Verfügung, die Arbeitsfähigkeit des Deutschen Bun-
destages mit weniger einschneidenden Mitteln als der Fünf-Prozent-Hürde sicherzustellen: die Einführung
einer Weiterreichung von Stimmen, die Ermöglichung einer Ersatzstimme, die Absenkung oder Streichung
der Sperrklausel oder die direkte Wahl des Bundeskanzlers bzw. der Bundesregierung.

Wegen der Einzelheiten des Vortrages des Einspruchsführers wird auf den Inhalt der Akten Bezug genom-
men.

Das Bundesministerium des Innern hat zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-
Sperrklausel am 16. Juni 2014 wie folgt Stellung genommen:

Drucksache 18/1810 – 306 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

1. Das Bundesverfassungsgericht erachte in ständiger Rechtsprechung bei Wahlen zum Deutschen Bundestag
die heute in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1 des Bundeswahlgesetzes
(BWG) vorgesehene, auf das gesamte Wahlgebiet bezogene Fünf-Prozent-Sperrklausel für verfassungsgemäß
(vgl. BVerfGE 1, 208 [247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366];
95, 408 [417 ff.]; 120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.]). Zuletzt habe das Gericht in seinem
Urteil vom 9. Januar 2011 zur Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen entschieden, dass die Fünf-
Prozent-Sperrklausel bei der Wahl zum Deutschen Bundestag ihre Rechtfertigung im Wesentlichen darin
finde, dass die Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren
fortlaufende Unterstützung nötig sei und dieses Ziel durch die Zersplitterung des Parlaments in viele kleine
Gruppen gefährdet werde (BVerfGE 129, 300 [335 f.]). In der Entscheidung vom 26. Februar 2014 (2 BvE
2/13 u. a.) zur Drei-Prozent-Sperrklausel im Europawahlrecht habe das Gericht erneut bestätigt, dass eine
Sperrklausel gerechtfertigt sein könne, wenn Verhältnisse wie auf nationaler Ebene gegeben sind, wo die
Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nötig sei (ebd. Rn. 72).

Angesichts der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei der Wahlgesetzgeber verfas-
sungsrechtlich nicht daran gehindert, bei der Verteilung der zu vergebenden Sitze auf die Landeslisten bei der
Bundestagswahl grundsätzlich nur die Parteien zu berücksichtigen, die mindestens fünf Prozent der im Wahl-
gebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten haben (§ 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Ab-
satz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG). Es sei ihm mit anderen Worten von Verfassungs wegen unbenommen,
gültige Zweitstimmen, die auf Landeslisten von Parteien entfallen sind, die nicht die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben, zwar für die Ergebnisfeststellung als relevant zu werten (§ 42 BWG), nicht
aber für die Sitzverteilung. Der Wahlgesetzgeber dürfe also ohne Verstoß gegen Bundesverfassungsrecht alle
zu vergebenden Parlamentssitze auf die Landeslisten derjenigen Parteien verteilen, die die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben.

Im Interesse der Handlungsfähigkeit des Deutschen Bundestages habe der Wahlgesetzgeber bisher an der auf
das gesamte Wahlgebiet bezogenen Fünf-Prozent-Sperrklausel, die seit der Wahl zum 2. Deutschen Bundes-
tag 1953 gilt, festgehalten. Denn eine Wahl habe – wie das Bundesverfassungsgericht betone (vgl. BVerfGE
51, 222 [236]) – „nicht nur das Ziel, eine Volksvertretung zu schaffen, die ein Spiegelbild der in der Wähler-
schaft vorhandenen politischen Meinungen darstellt, sondern sie soll auch ein funktionsfähiges Organ her-
vorbringen.“ Hierfür seien „(k)lare und ihrer Verantwortung für das Gesamtwohl bewusste Mehrheiten in
einer Volksvertretung (…) für eine Bewältigung der ihr gestellten Aufgaben unentbehrlich“, die durch einen
unbegrenzten Proporz nicht gewährleistet sind.

2. Zwar könne nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die verfassungsrechtliche Rechtfer-
tigung einer die Wahlgleichheit berührenden Norm des Wahlrechts wie eine Sperrklauselregelung durch ver-
änderte Verhältnisse oder neue Entwicklungen – etwa durch eine Änderung der vom Gesetzgeber vorausge-
setzten tatsächlichen oder normativen Grundlagen oder wenn sich die beim Erlass der Norm hinsichtlich ihrer
Auswirkungen angestellte Prognose als irrig erwiesen habe – in Frage gestellt werden (BVerfGE 82, 322
[338 f.]; 120, 82 [108]; 129, 300 [321 f.]; Urteil vom 26. Februar 2014, Az. 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 56). Dies
sei im Hinblick auf die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen jedoch nicht der Fall.

Eine Änderung der normativen Grundlagen für die Beurteilung der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundes-
tagswahlen, die das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung als verfassungsgemäß angesehen
habe, sei nicht festzustellen. Insbesondere führten das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
9. November 2011 zur Verfassungswidrigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen (BVerfGE
129, 300) und sein Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Sperrklausel im
Europawahlgesetz (2 BvE 2/13 u. a.) nicht zu einer abweichenden Bewertung. Das Bundesverfassungsgericht
begründe die Verfassungswidrigkeit der Sperrklauseln bei Europawahlen in diesen Urteilen mit der besonde-
ren Stellung und Funktion des Europäischen Parlaments im Gefüge der Organe der Europäischen Union, wo
eine vergleichbare Interessenlage wie bei der Bundestagswahl nicht bestehe (BVerfGE 129, 300 [336]). Auch
in seinem Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Klausel im Europawahl-
gesetz halte das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich an der gefestigten Rechtsprechung zum verfassungs-
rechtlichen Maßstab für die Beurteilung wahlrechtlicher Sperrklauseln fest und lege – wie es mehrfach beto-
ne – seinem Urteil die gleichen Prüfungsmaßstäbe wie im Urteil vom 9. November 2011 zugrunde (Az. 2
BvE 2/13 u. a., Rn. 37, 45, 63). In beiden Urteilen weise das Gericht zudem darauf hin, dass bei der Bundes-
tagswahl – anders als bei der Europawahl – der Deutsche Bundestag im Falle einer eintretenden Funktionsbe-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 307 – Drucksache 18/1810

einträchtigung aufgrund seiner veränderten strukturellen Zusammensetzung nicht mehr in der Lage wäre, die
gesetzlichen Regelungen zur Sicherung seiner Funktionsfähigkeit zu ändern, weil die erforderliche Mehrheit
nicht mehr zustande käme (BVerfGE 129, 300 [324]; Urteil vom 26. Februar 2014, 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 58).

3. Auch in tatsächlicher Hinsicht erfordere das Wahlergebnis der Bundestagswahl 2013, bei der zwei Parteien
mit einem Stimmenanteil von 4,8 Prozent bzw. 4,7 Prozent der Zweitstimmen vergleichsweise knapp an der
Fünf-Prozent-Klausel gescheitert seien, keine Neubewertung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der
Klausel. Der Gesetzgeber habe sich für die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen entschieden und
diese bis heute beibehalten, um in Konstellationen, in denen eine oder mehrere Parteien weniger als fünf
Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, die Funktionsfähigkeit des Bundestages sicherzustellen. Wenn eine
solche Konstellation bei einer Wahl – wie nun der Bundestagswahl 2013 – tatsächlich auftrete, liege gerade
nicht der Fall vor, dass sich eine Prognose des Gesetzgebers als irrig erwiesen habe oder dass eine Änderung
der vom Gesetzgeber vorausgesetzten tatsächlichen Verhältnisse eingetreten sei, sondern es habe sich ledig-
lich ein Szenario realisiert, das der Gesetzgeber mit seiner Regelung von vornherein habe erfassen wollen.
Auch das Bundesverfassungsgericht habe die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen in Kenntnis
des Umstands, dass an ihr nicht nur Parteien mit einem niedrigen Stimmenanteil zwischen null und zwei
Prozent der Zweitstimmen, sondern auch Parteien mit einem Stimmenanteil knapp unter fünf Prozent schei-
tern können, in ständiger Rechtsprechung als verfassungsmäßig angesehen (siehe die Nachweise unter 1.).

Die bei der Bundestagswahl 2013 aufgetretene hohe Gesamtzahl von abgegebenen gültigen Zweitstimmen
für Parteien, die die Fünf-Prozent-Sperrklausel nicht überwunden haben, sei kein Grund, das Vorliegen ver-
änderter Verhältnisse bzw. neuer Entwicklungen anzunehmen, die eine Neubewertung der verfassungsrecht-
lichen Zulässigkeit der Sperrklausel erforderten. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Sperrklausel sei
nicht von der Gesamtzahl der Stimmen für diejenigen Parteien abhängig, die die Sperrklausel bei einer ein-
zelnen Wahl nicht überwinden. Die Sperrklausel rechtfertige sich vielmehr durch den mit ihr verfolgten ver-
fassungsrechtlich legitimen Zweck, die Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages sicherzustellen (siehe
die Nachweise unter 1.). Sie erfülle ihren Zweck gerade dann, wenn viele an der Wahl teilnehmende Parteien
die Sperrklausel nicht überwinden, aber ohne Sperrklausel Sitze im Parlament erlangt hätten, da auf diese
Weise eine die stabile Mehrheitsbildung gefährdende Zersplitterung des Bundestages vermieden werde.

4. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel stehe nicht entgegen, dass eine
hohe Zahl von Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die aufgrund der Sperrklausel nicht an der Sitzvertei-
lung teilnehmen, eine absolute Mehrheit der Sitze für Parteien ermögliche, die bei der Wahl deutlich weniger
als der Hälfte der Stimmen erreicht haben. Das Erreichen einer Mehrheit der Sitze im Parlament sei immer
mit weniger als der Hälfte der gültigen Zweitstimmen möglich. Denn auch ohne Sperrklausel erhalte nicht
jede Partei, für die bei der Wahl gültige Stimmen abgegeben wurden, automatisch einen Sitz. Da für einen
Sitz auch ohne Sperrklausel stets eine bestimmte Zahl von Stimmen erforderlich sei, führten nicht alle Stim-
men zu einem Sitzerfolg und darum weniger als 50 Prozent der gültigen Zweitstimmen zu einer Mehrheit der
Sitze. Ein Verfassungsrechtssatz des Inhalts, dass einer Mehrheit der Mitglieder des Bundestages notwendi-
gerweise eine Mehrheit der Zweitstimmen in der Bundestagswahl entsprechen müsse, sei nicht feststellbar.
Wenn aber eine Partei in einer Wahl eine absolute Mehrheit der Zweitstimmen erhalte, sei gesichert, dass auf
sie mehr als die Hälfte der Sitze entfalle (§ 6 Absatz 7 BWG).

5. Gegen die Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht vorgebracht werden, sie verhindere bzw. erschwere
in übermäßiger Weise die Entstehung oder Etablierung neuer Parteien und schränke dadurch in unzulässiger
Weise die Chancengleichheit der Parteien ein. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Chancengleichheit
der Parteien verlange nicht, dass jeder Partei, die bei der Bundestagswahl Stimmen erhalte, Sitze im Bundes-
tag garantiert seien. Jede Partei habe rechtlich die gleiche Chance auf Teilnahme an der Sitzverteilung bei
Überwindung der Sperrklausel. Wenn eine Partei die für alle geltende Sperrklausel nicht überwinde, so sei
dies Resultat zu geringer Zustimmung in der Wählerschaft und gerade nicht ungleicher Chancen, denn die
unterschiedliche Gewichtung des Erfolgswerts von Wahlstimmen durch eine Sperrklausel treffe alle Parteien
gleichermaßen (vgl. BVerfGE 82, 322 [345]).

Dass die Fünf-Prozent-Sperrklausel die Entstehung und Etablierung neuer Parteien nicht verhindere oder
übermäßig erschwere, zeige der Einzug in die Parlamente auch neuer Parteien in den vergangenen Jahren bei
Bundestagswahlen und Landtagswahlen, bei denen nach Landesrecht ebenfalls Fünf-Prozent-Sperrklauseln
bestünden. Die Sperrklauseln trügen zu einem Mindestmaß an Konsolidierung neuer Parteien bei, indem sie
eine funktionierende Organisation und eine hinreichende Kampagnenfähigkeit der Partei erforderlich mach-

Drucksache 18/1810 – 308 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

ten, um einen erfolgreichen Wahlkampf zu führen, der den Einzug ins Parlament ermögliche. Auch das Bun-
desverfassungsgericht sehe in ständiger Rechtsprechung in der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestags-
wahlen keinen verfassungswidrigen Eingriff in die Chancengleichheit der Parteien (siehe die Nachweise un-
ter 1.).

6. Die Fünf-Prozent-Sperrklausel habe nicht zur Folge, dass die Parteien, die die Sperrklausel überwunden
haben und deshalb an der Sitzverteilung teilnehmen, von den Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die an
der Sperrklausel gescheitert sind und somit nicht an der Sitzverteilung teilnehmen, profitierten und die Wäh-
ler bei der Stimmabgabe nicht erkennen könnten, welche Partei letztlich tatsächlich von ihrer Zweitstimme
profitiere. Von der Zweitstimme für eine Partei profitiere stets die Partei, für die die Stimme abgegeben wor-
den sei. Wenn eine Partei aufgrund eines zur Überwindung der Sperrklausel nicht ausreichenden Zuspruchs
in der Wählerschaft nicht an der Sitzverteilung teilnehme, würden die zu vergebenden Sitze auf die Parteien
verteilt, die die Sperrklausel überwunden haben. Diese Parteien profitierten bei dieser Verteilung von den für
sie abgegebenen Zweitstimmen, nicht von den Zweitstimmen für die an der Sperrklausel gescheiterten Partei-
en, die wegen Nichtteilnahme an der Sitzverteilung zu keinem Sitzerfolg führten.

7. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht entgegengehalten
werden, der Umstand, dass aufgrund der Sperrklausel eine hohe Zahl von Stimmen bei der Sitzverteilung
unberücksichtigt bleibe, befördere die Politikverdrossenheit der Wahlberechtigten. Unabhängig davon, ob
dies tatsächlich der Fall sei, habe sich der Gesetzgeber dazu entschieden, der Sicherung der Funktionsfähig-
keit des Parlaments Vorrang vor derartigen Erwägungen einzuräumen. Das Bundesverfassungsgericht erachte
dies in ständiger Rechtsprechung für verfassungsrechtlich zulässig (siehe die Nachweise unter 1.). Ein wegen
Zersplitterung in kleine und kleinste Fraktionen nicht mehrheits- und handlungsfähiges Parlament, das zur
Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nicht in der Lage sei, wäre zudem in weit höherem Maße geeignet, Politikverdrossenheit zu för-
dern.

8. Aufgrund der verfassungskonformen Ausgestaltung der Fünf-Prozent-Sperrklausel im geltenden Bundes-
wahlgesetz sei der Wahlgesetzgeber auch nicht zur Einführung einer Alternativstimme („Eventualstimme“,
„Ersatzstimme“ bzw. „Stimmweitergabe-Option“) verpflichtet. Ergänzend sei darauf verwiesen, dass im
Schrifttum gegen die Einführung einer solchen Alternativstimme verfassungsrechtliche Bedenken geltend
gemacht würden: Eine Alternativstimme sei mit dem Charakter der Stimmabgabe als einer vorbehaltlosen
und bedingungsfeindlichen Willenserklärung nicht zu vereinbaren und verstoße daher gegen den Grundsatz
der Unmittelbarkeit der Wahl im Sinne des Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 GG und gegen das Demokratieprinzip
nach Artikel 20 Absatz 1 GG (so Strelen, in: Schreiber, Bundeswahlgesetz, 9. Auflage 2013, § 6 Rn. 37 so-
wie Schreiber, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: 43. Lfg. April 2014, Art. 38
Rn. 40, 132). Überdies wäre die Gewährung einer Alternativstimme auch keine verfassungspolitisch ange-
zeigte Fortentwicklung des Wahlrechts. Sie würde das Stimmabgabeverfahren verkomplizieren, die Ermitt-
lung des Wahlergebnisses wesentlich erschweren und verzögern und den Wähler von einer eindeutigen poli-
tischen Entscheidung ohne Vorbehalt und Rückfallposition entpflichten (vgl. im Einzelnen hierzu Strelen, in:
Schreiber, § 6 Rn. 37).

9. Die Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Klausel sei schließlich auch nicht davon abhängig, dass Par-
teien, die jeweils mit einer eigenen Liste an der Bundestagswahl teilnehmen, ihre Landeslisten verbinden
dürften, um als Zählgemeinschaft die Sperrklausel zu überwinden. Derartige Listenverbindungen verschiede-
ner Parteien bei der Bundestagswahl seien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wegen
Verstoßes gegen den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit der Parteien verfas-
sungswidrig (BVerfGE 82, 322 [345 f.]). Eine derartige Listenverbindung würde allein dem Zweck dienen,
die verfassungslegitime Zielsetzung einer Fünf-Prozent-Sperrklausel, die Verhinderung einer Zersplitterung
des Parlaments, zu umgehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet. Dem Vortrag des Einspruchsführers lässt sich kein Verstoß
gegen Wahlrechtsvorschriften und damit kein Wahlfehler entnehmen.

Der Einspruchsführer bestreitet nicht, dass das Verfahren zur Auszählung der Stimmen und zur Verteilung
der Sitze auf die Landeslisten der Parteien bei der Bundestagswahl 2013 den Vorgaben des Bundeswahlge-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 309 – Drucksache 18/1810

setzes entsprach. Dieses regelt in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1,
dass bei der Verteilung der Sitze auf die Landeslisten nur Parteien berücksichtigt werden, die mindestens fünf
Prozent der im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten oder in mindestens drei Wahlkrei-
sen einen Sitz errungen haben. Soweit der Einspruchsführer geltend macht, die Sperrklausel verstoße gegen
den Grundsatz der Wahlgleichheit sowie gegen den Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien und sei
daher verfassungswidrig, ist darauf hinzuweisen, dass der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundes-
tag in ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens die Verfassungsmäßigkeit der für die Wahl
geltenden Rechtsvorschriften nicht überprüfen. Eine derartige Kontrolle ist stets dem Bundesverfassungsge-
richt vorbehalten worden (vgl. etwa Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlagen 26 bis 28 mit weiteren Nach-
weisen; 17/1000, Anlagen 5 und 11; 17/2200, Anlagen 1, 13 bis 15, 17 bis 20, 23 und 24; 17/3100, Anlagen
15, 19, 20, 22 bis 30, 32, 34 bis 36; 17/4600, Anlagen 10, 12, 13, 32, 38, 40 bis 43 mit weiteren Nachweisen;
17/6300, Anlage 19). Allerdings hat der Wahlprüfungsausschuss schon in zahlreichen Wahlprüfungsent-
scheidungen früherer Wahlperioden keinen Anlass für Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Regelung
gesehen (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen 15/1850, Anlagen 9 und 47; 16/900, Anlage 14), zumal das
Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit der Sperrklausel in ihrer Ausgestaltung durch das Bun-
deswahlgesetz in ständiger Rechtsprechung bestätigt hat (vgl. BVerfGE 1, 208 [247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84
[92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366]; 95, 408 [417 ff.]; 120, 82 [109 ff.]; 122, 304
[314 f.]; 129, 300 [335 f.], siehe auch Bundestagsdrucksache 16/900, Anlage 14). Es ist folglich verfassungs-
rechtlich nicht zu beanstanden, dass alle Parlamentssitze auf diejenigen Parteien verteilt werden, welche die
Fünf-Prozent-Hürde überwunden haben. Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
die Sperrklausel durch veränderte Verhältnisse infrage gestellt werden. Dies ist bezüglich der Bundestags-
wahl 2013 aber nicht der Fall, wie das Bundesministerium des Innern – auch unter Bezugnahme auf die Ur-
teile vom 9. November 2011 und 26. Februar 2014 – in seiner Stellungnahme zutreffend feststellt: Dass nach
dem amtlichen Endergebnis der Bundestagswahl 2013 insgesamt 15,7 Prozent der gültigen Zweitstimmen
nicht in die Mandatsverteilung eingeflossen sind, weil sie für insgesamt 25 Parteien abgegeben wurden, die
bundesweit weniger als fünf Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, ändert nichts an der vom Bundesver-
fassungsgericht festgestellten Verfassungskonformität der Fünf-Prozent-Hürde. Zwar war der Anteil der gül-
tigen, aber wegen der Sperrklausel nicht in die Sitzverteilung eingeflossenen Zweitstimmen bei der Bundes-
tagswahl 2013 höher als bei früheren Bundestagswahlen, da – anders als bei vorhergehenden Wahlen – zwei
Parteien jeweils fast fünf Prozent und zudem 23 weitere Parteien insgesamt 6,2 Prozent (für sich genommen
aber teilweise weniger als 0,1 Prozent) erreicht haben. Jedoch ist dieser Umstand nicht atypisch oder zuvor
unbekannt gewesen. Es ist zudem durchaus möglich, dass er bei kommenden Bundestagswahlen mit anderen
Wahlergebnissen nicht (mehr) auftritt. Der Einzug neuer Parteien in den Deutschen Bundestag wird, wie
Beispiele aus der Geschichte der Bundesrepublik zeigen, ohnehin nicht durch die Sperrklausel verhindert.
Außerdem ist die Fünf-Prozent-Hürde auf das jeweilige Ergebnis einer jeden Partei bezogen. Nur die konkre-
te Stimmenzahl jeder Partei kann der Ausgangspunkt der Sitzverteilung auf die Landeslisten sein (vgl. § 6
Absatz 1 BWG) – übrigens auch dann, wenn man gedanklich die Sperrklausel streicht oder eine niedrigere
Sperrklausel ansetzt –; erst im zweiten Schritt ist die Stimmenzahl einer jeden Partei in Relation zu den
Stimmenanteilen der anderen Parteien zu setzen (vgl. § 6 Absätze 2 bis 7 BWG). Die gedankliche Addition
von Zweitstimmenanteilen kann folglich für die Fünf-Prozent-Hürde keine Aussagekraft beanspruchen.

Das vom Einspruchsführer befürwortete Konzept einer Eventualstimme (Alternativstimme, Ersatzstimme)
wäre – wenn es Gesetz würde – verfassungwidrig. Die Einführung einer Eventualstimme verstieße gegen den
Grundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl im Sinne des Artikels 38 Absatz 1 Satz 1 GG und gegen das Demo-
kratieprinzip in Art. 20 Absatz 1 GG (vgl. nur Strelen, in: Schreiber, § 6 Rn. 37).

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 311 – Drucksache 18/1810

Anlage 47

Beschlussempfehlung

ZumWahleinspruch

der Frau M. v. W., 80638 München,

– Az.: WP 178/13 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag
am 22. September 2013

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 26. Juni 2014 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Die Einspruchsführerin hat mit einem Schreiben vom 18. November 2013 Einspruch gegen die Gültigkeit der
Wahl zum 18. Deutschen Bundestag am 22. September 2013 eingelegt.

Sie wendet sich gegen die Fünf-Prozent-Klausel. Für Bundestagswahlen gelte das Verhältniswahlrecht. Dies
bedeute, dass die einer Partei zugewiesene Anzahl von Parlamentssitzen ihrem Anteil an der Gesamtstim-
menzahl entsprechen müsse. Auf „wundersame“, aber verfassungswidrige Weise hätten sich die Stimmenan-
teile, bezogen auf die Sitzverteilung, jedoch vermehrt: Der Stimmenanteil der CDU von 34,1 Prozent habe zu
einem Sitzanteil von 40,4 Prozent geführt, der Stimmenanteil der SPD von 25,7 Prozent zu einem Sitzanteil
von 30,6 Prozent, der Stimmenanteil der Partei Die Linke von 8,6 Prozent Prozent zu einem Sitzanteil von
10,1 Prozent, der Stimmenanteil der Partei Bündnis 90/Die Grünen von 8,4 Prozent zu einem Sitzanteil von
10 Prozent und der Stimmenanteil der CSU von 7,4 Prozent zu einem Sitzanteil von 8,9 Prozent. Den fünf im
18. Deutschen Bundestag vertretenen Parteien seien insgesamt 99 Sitze zugeteilt worden, die ihnen nach dem
Wahlergebnis nicht zustünden, da sie nicht vom Wählerwillen gedeckt seien. Die CDU habe 40 Sitze „zu
viel“ erhalten, die SPD 31, Die Linke 10, Bündnis 90/Die Grünen 10 und die CSU acht. Diese „Fremdsitze“
beruhten auf der Fünf-Prozent-Klausel in § 6 Abs. 6 Satz 1, 1. Alternative des Bundeswahlgesetzes (BWG).
Wähler, die gültige Stimmen abgäben, würden dadurch um ihr Wahlrecht gebracht. Sie entschieden nur bei
der Beantwortung der Vorfrage mit, welche Parteien die Fünf-Prozent-Hürde überschritten. Vom entschei-
denden Teil der Wahl, bei dem die Stärkeverhältnisse der Parteien im Parlament festgelegt würden, seien sie
ausgeschlossen. Die für Parteien, die weniger als fünf Prozent der Zweitstimmen erreichten, abgegebenen
Stimmen würden vom Gesetzgeber in voller Absicht vernichtet. Sie kämen den großen Parteien, welche die
Fünf-Prozent-Hürde übersprängen, zugute. Die Fünf-Prozent-Klausel verletzte nicht nur das Grundrecht auf
Gleichheit und freie Ausübung des Wahlrechts, sondern auch den Grundsatz der Chancengleichheit für alle
Parteien. Denn wegen der Befürchtung, sie könne die Fünf-Prozent-Hürde nicht überwinden, wähle so man-
cher die eigene „Wunschpartei“ nicht. Die kleineren Parteien würden benachteiligt. Abhilfe sei nicht nur
verfassungsrechtlich geboten, sondern auch ohne allzu großen Mehraufwand möglich. Es genüge die Einfüh-
rung einer „Ersatz- oder Eventualstimme“, die dann zum Tragen komme, wenn die vorrangig angekreuzte
Partei die Fünf-Prozent-Hürde nicht überwinde. Das Bundesverfassungsgericht habe jedenfalls die angegrif-
fene Regelung noch nicht eingehend untersucht. Die Frage, ob Wähler vom entscheidenden Teil einer Wahl
ausgeschlossen werden dürften, sei vom Gericht noch nicht beantwortet worden.

Wegen der Einzelheiten des Vortrages der Einspruchsführerin wird auf den Inhalt der Akten Bezug genom-
men.

Das Bundesministerium des Innern hat zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-
Sperrklausel am 16. Juni 2014 wie folgt Stellung genommen:

1. Das Bundesverfassungsgericht erachte in ständiger Rechtsprechung bei Wahlen zum Deutschen Bundestag
die heute in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG vorgesehene, auf

Drucksache 18/1810 – 312 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

das gesamte Wahlgebiet bezogene Fünf-Prozent-Sperrklausel für verfassungsgemäß (vgl. BVerfGE 1, 208
[247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366]; 95, 408 [417 ff.];
120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.]). Zuletzt habe das Gericht in seinem Urteil vom
9. Januar 2011 zur Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen entschieden, dass die Fünf-Prozent-
Sperrklausel bei der Wahl zum Deutschen Bundestag ihre Rechtfertigung im Wesentlichen darin finde, dass
die Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende
Unterstützung nötig sei und dieses Ziel durch die Zersplitterung des Parlaments in viele kleine Gruppen ge-
fährdet werde (BVerfGE 129, 300 [335 f.]). In der Entscheidung vom 26. Februar 2014 (2 BvE 2/13 u. a.) zur
Drei-Prozent-Sperrklausel im Europawahlrecht habe das Gericht erneut bestätigt, dass eine Sperrklausel ge-
rechtfertigt sein könne, wenn Verhältnisse wie auf nationaler Ebene gegeben sind, wo die Bildung einer
stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Unterstützung nötig
sei (ebd. Rn. 72).

Angesichts der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei der Wahlgesetzgeber verfas-
sungsrechtlich nicht daran gehindert, bei der Verteilung der zu vergebenden Sitze auf die Landeslisten bei der
Bundestagswahl grundsätzlich nur die Parteien zu berücksichtigen, die mindestens fünf Prozent der im Wahl-
gebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten haben (§ 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Ab-
satz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG). Es sei ihm mit anderen Worten von Verfassungs wegen unbenommen,
gültige Zweitstimmen, die auf Landeslisten von Parteien entfallen sind, die nicht die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben, zwar für die Ergebnisfeststellung als relevant zu werten (§ 42 BWG), nicht
aber für die Sitzverteilung. Der Wahlgesetzgeber dürfe also ohne Verstoß gegen Bundesverfassungsrecht alle
zu vergebenden Parlamentssitze auf die Landeslisten derjenigen Parteien verteilen, die die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben.

Im Interesse der Handlungsfähigkeit des Deutschen Bundestages habe der Wahlgesetzgeber bisher an der auf
das gesamte Wahlgebiet bezogenen Fünf-Prozent-Sperrklausel, die seit der Wahl zum 2. Deutschen Bundes-
tag 1953 gilt, festgehalten. Denn eine Wahl habe – wie das Bundesverfassungsgericht betone (vgl. BVerfGE
51, 222 [236]) – „nicht nur das Ziel, eine Volksvertretung zu schaffen, die ein Spiegelbild der in der Wähler-
schaft vorhandenen politischen Meinungen darstellt, sondern sie soll auch ein funktionsfähiges Organ her-
vorbringen.“ Hierfür seien „(k)lare und ihrer Verantwortung für das Gesamtwohl bewusste Mehrheiten in
einer Volksvertretung (…) für eine Bewältigung der ihr gestellten Aufgaben unentbehrlich“, die durch einen
unbegrenzten Proporz nicht gewährleistet sind.

2. Zwar könne nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die verfassungsrechtliche Rechtfer-
tigung einer die Wahlgleichheit berührenden Norm des Wahlrechts wie eine Sperrklauselregelung durch ver-
änderte Verhältnisse oder neue Entwicklungen – etwa durch eine Änderung der vom Gesetzgeber vorausge-
setzten tatsächlichen oder normativen Grundlagen oder wenn sich die beim Erlass der Norm hinsichtlich ihrer
Auswirkungen angestellte Prognose als irrig erwiesen habe – in Frage gestellt werden (BVerfGE 82, 322
[338 f.]; 120, 82 [108]; 129, 300 [321 f.]; Urteil vom 26. Februar 2014, Az. 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 56). Dies
sei im Hinblick auf die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen jedoch nicht der Fall.

Eine Änderung der normativen Grundlagen für die Beurteilung der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundes-
tagswahlen, die das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung als verfassungsgemäß angesehen
habe, sei nicht festzustellen. Insbesondere führten das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
9. November 2011 zur Verfassungswidrigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen (BVerfGE
129, 300) und sein Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Sperrklausel im
Europawahlgesetz (2 BvE 2/13 u. a.) nicht zu einer abweichenden Bewertung. Das Bundesverfassungsgericht
begründe die Verfassungswidrigkeit der Sperrklauseln bei Europawahlen in diesen Urteilen mit der besonde-
ren Stellung und Funktion des Europäischen Parlaments im Gefüge der Organe der Europäischen Union, wo
eine vergleichbare Interessenlage wie bei der Bundestagswahl nicht bestehe (BVerfGE 129, 300 [336]). Auch
in seinem Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Klausel im Europawahl-
gesetz halte das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich an der gefestigten Rechtsprechung zum verfassungs-
rechtlichen Maßstab für die Beurteilung wahlrechtlicher Sperrklauseln fest und lege – wie es mehrfach beto-
ne – seinem Urteil die gleichen Prüfungsmaßstäbe wie im Urteil vom 9. November 2011 zugrunde (Az. 2
BvE 2/13 u. a., Rn. 37, 45, 63). In beiden Urteilen weise das Gericht zudem darauf hin, dass bei der Bundes-
tagswahl – anders als bei der Europawahl – der Deutsche Bundestag im Falle einer eintretenden Funktionsbe-
einträchtigung aufgrund seiner veränderten strukturellen Zusammensetzung nicht mehr in der Lage wäre, die

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 313 – Drucksache 18/1810

gesetzlichen Regelungen zur Sicherung seiner Funktionsfähigkeit zu ändern, weil die erforderliche Mehrheit
nicht mehr zustande käme (BVerfGE 129, 300 [324]; Urteil vom 26. Februar 2014, 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 58).

3. Auch in tatsächlicher Hinsicht erfordere das Wahlergebnis der Bundestagswahl 2013, bei der zwei Parteien
mit einem Stimmenanteil von 4,8 Prozent bzw. 4,7 Prozent der Zweitstimmen vergleichsweise knapp an der
Fünf-Prozent-Klausel gescheitert seien, keine Neubewertung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der
Klausel. Der Gesetzgeber habe sich für die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen entschieden und
diese bis heute beibehalten, um in Konstellationen, in denen eine oder mehrere Parteien weniger als fünf
Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, die Funktionsfähigkeit des Bundestages sicherzustellen. Wenn eine
solche Konstellation bei einer Wahl – wie nun der Bundestagswahl 2013 – tatsächlich auftrete, liege gerade
nicht der Fall vor, dass sich eine Prognose des Gesetzgebers als irrig erwiesen habe oder dass eine Änderung
der vom Gesetzgeber vorausgesetzten tatsächlichen Verhältnisse eingetreten sei, sondern es habe sich ledig-
lich ein Szenario realisiert, das der Gesetzgeber mit seiner Regelung von vornherein habe erfassen wollen.
Auch das Bundesverfassungsgericht habe die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen in Kenntnis
des Umstands, dass an ihr nicht nur Parteien mit einem niedrigen Stimmenanteil zwischen null und zwei
Prozent der Zweitstimmen, sondern auch Parteien mit einem Stimmenanteil knapp unter fünf Prozent schei-
tern können, in ständiger Rechtsprechung als verfassungsmäßig angesehen (siehe die Nachweise unter 1.).

Die bei der Bundestagswahl 2013 aufgetretene hohe Gesamtzahl von abgegebenen gültigen Zweitstimmen
für Parteien, die die Fünf-Prozent-Sperrklausel nicht überwunden haben, sei kein Grund, das Vorliegen ver-
änderter Verhältnisse bzw. neuer Entwicklungen anzunehmen, die eine Neubewertung der verfassungsrecht-
lichen Zulässigkeit der Sperrklausel erforderten. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Sperrklausel sei
nicht von der Gesamtzahl der Stimmen für diejenigen Parteien abhängig, die die Sperrklausel bei einer ein-
zelnen Wahl nicht überwinden. Die Sperrklausel rechtfertige sich vielmehr durch den mit ihr verfolgten ver-
fassungsrechtlich legitimen Zweck, die Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages sicherzustellen (siehe
die Nachweise unter 1.). Sie erfülle ihren Zweck gerade dann, wenn viele an der Wahl teilnehmende Parteien
die Sperrklausel nicht überwinden, aber ohne Sperrklausel Sitze im Parlament erlangt hätten, da auf diese
Weise eine die stabile Mehrheitsbildung gefährdende Zersplitterung des Bundestages vermieden werde.

4. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel stehe nicht entgegen, dass eine
hohe Zahl von Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die aufgrund der Sperrklausel nicht an der Sitzvertei-
lung teilnehmen, eine absolute Mehrheit der Sitze für Parteien ermögliche, die bei der Wahl deutlich weniger
als der Hälfte der Stimmen erreicht haben. Das Erreichen einer Mehrheit der Sitze im Parlament sei immer
mit weniger als der Hälfte der gültigen Zweitstimmen möglich. Denn auch ohne Sperrklausel erhalte nicht
jede Partei, für die bei der Wahl gültige Stimmen abgegeben wurden, automatisch einen Sitz. Da für einen
Sitz auch ohne Sperrklausel stets eine bestimmte Zahl von Stimmen erforderlich sei, führten nicht alle Stim-
men zu einem Sitzerfolg und darum weniger als 50 Prozent der gültigen Zweitstimmen zu einer Mehrheit der
Sitze. Ein Verfassungsrechtssatz des Inhalts, dass einer Mehrheit der Mitglieder des Bundestages notwendi-
gerweise eine Mehrheit der Zweitstimmen in der Bundestagswahl entsprechen müsse, sei nicht feststellbar.
Wenn aber eine Partei in einer Wahl eine absolute Mehrheit der Zweitstimmen erhalte, sei gesichert, dass auf
sie mehr als die Hälfte der Sitze entfalle (§ 6 Absatz 7 BWG).

5. Gegen die Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht vorgebracht werden, sie verhindere bzw. erschwere
in übermäßiger Weise die Entstehung oder Etablierung neuer Parteien und schränke dadurch in unzulässiger
Weise die Chancengleichheit der Parteien ein. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Chancengleichheit
der Parteien verlange nicht, dass jeder Partei, die bei der Bundestagswahl Stimmen erhalte, Sitze im Bundes-
tag garantiert seien. Jede Partei habe rechtlich die gleiche Chance auf Teilnahme an der Sitzverteilung bei
Überwindung der Sperrklausel. Wenn eine Partei die für alle geltende Sperrklausel nicht überwinde, so sei
dies Resultat zu geringer Zustimmung in der Wählerschaft und gerade nicht ungleicher Chancen, denn die
unterschiedliche Gewichtung des Erfolgswerts von Wahlstimmen durch eine Sperrklausel treffe alle Parteien
gleichermaßen (vgl. BVerfGE 82, 322 [345]).

Dass die Fünf-Prozent-Sperrklausel die Entstehung und Etablierung neuer Parteien nicht verhindere oder
übermäßig erschwere, zeige der Einzug in die Parlamente auch neuer Parteien in den vergangenen Jahren bei
Bundestagswahlen und Landtagswahlen, bei denen nach Landesrecht ebenfalls Fünf-Prozent-Sperrklauseln
bestünden. Die Sperrklauseln trügen zu einem Mindestmaß an Konsolidierung neuer Parteien bei, indem sie
eine funktionierende Organisation und eine hinreichende Kampagnenfähigkeit der Partei erforderlich mach-
ten, um einen erfolgreichen Wahlkampf zu führen, der den Einzug ins Parlament ermögliche. Auch das Bun-

Drucksache 18/1810 – 314 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

desverfassungsgericht sehe in ständiger Rechtsprechung in der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestags-
wahlen keinen verfassungswidrigen Eingriff in die Chancengleichheit der Parteien (siehe die Nachweise un-
ter 1.).

6. Die Fünf-Prozent-Sperrklausel habe nicht zur Folge, dass die Parteien, die die Sperrklausel überwunden
haben und deshalb an der Sitzverteilung teilnehmen, von den Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die an
der Sperrklausel gescheitert sind und somit nicht an der Sitzverteilung teilnehmen, profitierten und die Wäh-
ler bei der Stimmabgabe nicht erkennen könnten, welche Partei letztlich tatsächlich von ihrer Zweitstimme
profitiere. Von der Zweitstimme für eine Partei profitiere stets die Partei, für die die Stimme abgegeben wor-
den sei. Wenn eine Partei aufgrund eines zur Überwindung der Sperrklausel nicht ausreichenden Zuspruchs
in der Wählerschaft nicht an der Sitzverteilung teilnehme, würden die zu vergebenden Sitze auf die Parteien
verteilt, die die Sperrklausel überwunden haben. Diese Parteien profitierten bei dieser Verteilung von den für
sie abgegebenen Zweitstimmen, nicht von den Zweitstimmen für die an der Sperrklausel gescheiterten Partei-
en, die wegen Nichtteilnahme an der Sitzverteilung zu keinem Sitzerfolg führten.

7. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht entgegengehalten
werden, der Umstand, dass aufgrund der Sperrklausel eine hohe Zahl von Stimmen bei der Sitzverteilung
unberücksichtigt bleibe, befördere die Politikverdrossenheit der Wahlberechtigten. Unabhängig davon, ob
dies tatsächlich der Fall sei, habe sich der Gesetzgeber dazu entschieden, der Sicherung der Funktionsfähig-
keit des Parlaments Vorrang vor derartigen Erwägungen einzuräumen. Das Bundesverfassungsgericht erachte
dies in ständiger Rechtsprechung für verfassungsrechtlich zulässig (siehe die Nachweise unter 1.). Ein wegen
Zersplitterung in kleine und kleinste Fraktionen nicht mehrheits- und handlungsfähiges Parlament, das zur
Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nicht in der Lage sei, wäre zudem in weit höherem Maße geeignet, Politikverdrossenheit zu för-
dern.

8. Aufgrund der verfassungskonformen Ausgestaltung der Fünf-Prozent-Sperrklausel im geltenden Bundes-
wahlgesetz sei der Wahlgesetzgeber auch nicht zur Einführung einer Alternativstimme („Eventualstimme“,
„Ersatzstimme“ bzw. „Stimmweitergabe-Option“) verpflichtet. Ergänzend sei darauf verwiesen, dass im
Schrifttum gegen die Einführung einer solchen Alternativstimme verfassungsrechtliche Bedenken geltend
gemacht würden: Eine Alternativstimme sei mit dem Charakter der Stimmabgabe als einer vorbehaltlosen
und bedingungsfeindlichen Willenserklärung nicht zu vereinbaren und verstoße daher gegen den Grundsatz
der Unmittelbarkeit der Wahl im Sinne des Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) und gegen
das Demokratieprinzip nach Artikel 20 Absatz 1 GG (so Strelen, in: Schreiber, Bundeswahlgesetz, 9. Auflage
2013, § 6 Rn. 37 sowie Schreiber, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: 43. Lfg.
April 2014, Art. 38 Rn. 40, 132). Überdies wäre die Gewährung einer Alternativstimme auch keine verfas-
sungspolitisch angezeigte Fortentwicklung des Wahlrechts. Sie würde das Stimmabgabeverfahren verkompli-
zieren, die Ermittlung des Wahlergebnisses wesentlich erschweren und verzögern und den Wähler von einer
eindeutigen politischen Entscheidung ohne Vorbehalt und Rückfallposition entpflichten (vgl. im Einzelnen
hierzu Strelen, in: Schreiber, § 6 Rn. 37).

9. Die Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Klausel sei schließlich auch nicht davon abhängig, dass Par-
teien, die jeweils mit einer eigenen Liste an der Bundestagswahl teilnehmen, ihre Landeslisten verbinden
dürften, um als Zählgemeinschaft die Sperrklausel zu überwinden. Derartige Listenverbindungen verschiede-
ner Parteien bei der Bundestagswahl seien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wegen
Verstoßes gegen den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit der Parteien verfas-
sungswidrig (BVerfGE 82, 322 [345 f.]). Eine derartige Listenverbindung würde allein dem Zweck dienen,
die verfassungslegitime Zielsetzung einer Fünf-Prozent-Sperrklausel, die Verhinderung einer Zersplitterung
des Parlaments, zu umgehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet. Dem Vortrag der Einspruchsführerin lässt sich kein Verstoß
gegen Wahlrechtsvorschriften und damit kein Wahlfehler entnehmen.

Sie bestreitet nicht, dass das Verfahren zur Auszählung der Stimmen und zur Verteilung der Sitze auf die
Landeslisten der Parteien bei der Bundestagswahl 2013 den Vorgaben des Bundeswahlgesetzes entsprach.
Dieses regelt heute in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1, dass bei der

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 315 – Drucksache 18/1810

Verteilung der Sitze auf die Landeslisten nur Parteien berücksichtigt werden, die mindestens fünf Prozent der
im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten oder in mindestens drei Wahlkreisen einen Sitz
errungen haben. Die Sperrklausel führt – anders als die Einspruchsführerin meint – nicht zu „Fremdsitzen“,
denn den Parteien, die unterhalb der Fünf-Prozent-Hürde bleiben, stehen aufgrund ihres Wahlergebnisses
keine Sitze zu. Soweit die Einspruchsführerin geltend macht, die Sperrklausel verstoße gegen die Grundsätze
der Gleichheit und der Freiheit der Wahl sowie gegen den den Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien
und sei daher verfassungswidrig, ist darauf hinzuweisen, dass der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche
Bundestag in ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens die Verfassungsmäßigkeit der für
die Wahl geltenden Rechtsvorschriften nicht überprüfen. Eine derartige Kontrolle ist stets dem Bundesverfas-
sungsgericht vorbehalten worden (vgl. etwa Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlagen 26 bis 28 mit weiteren
Nachweisen; 17/1000, Anlagen 5 und 11; 17/2200, Anlagen 1, 13 bis 15, 17 bis 20, 23 und 24; 17/3100, An-
lagen 15, 19, 20, 22 bis 30, 32, 34 bis 36; 17/4600, Anlagen 10, 12, 13, 32, 38, 40 bis 43 mit weiteren Nach-
weisen; 17/6300, Anlage 19). Allerdings hat der Wahlprüfungsausschuss schon in zahlreichen Wahlprü-
fungsentscheidungen früherer Wahlperioden keinen Anlass für Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der
Regelung gesehen (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen 15/1850, Anlagen 9 und 47; 16/900, Anlage 14),
zumal das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit der Sperrklausel in ihrer Ausgestaltung durch
das Bundeswahlgesetz in ständiger Rechtsprechung bestätigt hat (vgl. BVerfGE 1, 208 [247 ff.]; 4, 31
[39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366]; 95, 408 [417 ff.]; 120, 82 [109 ff.];
122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.], siehe auch Bundestagsdrucksache 16/900, Anlage 14). Es ist folglich
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass alle Parlamentssitze auf diejenigen Parteien verteilt werden,
welche die Fünf-Prozent-Hürde überwunden haben. Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfas-
sungsgerichts die Sperrklausel durch veränderte Verhältnisse infrage gestellt werden. Dies ist bezüglich der
Bundestagswahl 2013 aber nicht der Fall, wie das Bundesministerium des Innern – auch unter Bezugnahme
auf die Urteile vom 9. November 2011 und 26. Februar 2014 – in seiner Stellungnahme zutreffend feststellt:
Dass nach dem amtlichen Endergebnis der Bundestagswahl 2013 insgesamt 15,7 Prozent der gültigen Zweit-
stimmen nicht in die Mandatsverteilung eingeflossen sind, weil sie für insgesamt 25 Parteien abgegeben wur-
den, die bundesweit weniger als fünf Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, ändert nichts an der vom
Bundesverfassungsgericht festgestellten Verfassungskonformität der Fünf-Prozent-Hürde. Zwar war der An-
teil der gültigen, aber wegen der Sperrklausel nicht in die Sitzverteilung eingeflossenen Zweitstimmen bei
der Bundestagswahl 2013 höher als bei früheren Bundestagswahlen, da – anders als bei vorhergehenden
Wahlen – zwei Parteien jeweils fast fünf Prozent und zudem 23 weitere Parteien insgesamt 6,2 Prozent (für
sich genommen aber teilweise weniger als 0,1 Prozent) erreicht haben. Jedoch ist dieser Umstand nicht aty-
pisch oder zuvor unbekannt gewesen. Es ist zudem durchaus möglich, dass er bei kommenden Bundestags-
wahlen mit anderen Wahlergebnissen nicht (mehr) auftritt. Der Einzug neuer Parteien in den Deutschen Bun-
destag wird, wie Beispiele aus der Geschichte der Bundesrepublik zeigen, ohnehin nicht durch die Sperrklau-
sel verhindert. Außerdem ist die Fünf-Prozent-Hürde auf das jeweilige Ergebnis einer jeden Partei bezogen.
Nur die konkrete Stimmenzahl jeder Partei kann der Ausgangspunkt der Sitzverteilung auf die Landeslisten
sein (vgl. § 6 Absatz 1 BWG) – übrigens auch dann, wenn man gedanklich die Sperrklausel streicht oder eine
niedrigere Sperrklausel ansetzt –; erst im zweiten Schritt ist die Stimmenzahl einer jeden Partei in Relation zu
den Stimmenanteilen der anderen Parteien zu setzen (vgl. § 6 Absätze 2 bis 7 BWG). Die gedankliche Addi-
tion von Zweitstimmenanteilen kann folglich für die Fünf-Prozent-Hürde keine Aussagekraft beanspruchen.

Das von der Einspruchsführerin befürwortete Konzept einer Eventualstimme (Alternativstimme, Ersatzstim-
me) wäre – wenn es Gesetz würde – verfassungwidrig. Die Einführung einer Eventualstimme verstieße gegen
den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl im Sinne des Artikels 38 Absatz 1 Satz 1 GG und gegen das
Demokratieprinzip in Art. 20 Absatz 1 GG (vgl. nur Strelen, in: Schreiber, § 6 Rn. 37).

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 317 – Drucksache 18/1810

Anlage 48

Beschlussempfehlung

ZumWahleinspruch

des Herrn T. F., 38170 Schöppenstedt,

– Az.: WP 180/13 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag
am 22. September 2013

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 26. Juni 2014 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit einem Schreiben vom 20. November 2013 Einspruch gegen die Gültigkeit der
Wahl zum 18. Deutschen Bundestag am 22. September 2013 eingelegt.

Er wendet sich gegen die Fünf-Prozent-Klausel. Der 18. Deutsche Bundestag sei durch die angegriffene Wahl
nicht ausreichend vom Volk, von dem gemäß Artikel 20 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) alle Staats-
gewalt auszugehen habe, legitimiert. Durch den Ausschluss aller Parteien unterhalb von fünf Prozent seien
die Zweitstimmen von insgesamt 6.859.439 Wählern, also von fast 15,7 Prozent aller Wähler, bei der Sitzzu-
teilung nicht berücksichtigt worden. Die Einwohnerzahl der drei größten deutschen Städte liege zusammen-
genommen sogar noch unter dieser sehr großen Zahl. Der Gesetzgeber habe die Zähl- und die Erfolgswert-
gleichheit der Stimmen sicherzustellen. Auch müsse die Chancengleichheit der Parteien gewahrt werden. Für
eine Sperrklausel benötige man zwingende Gründe. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
seien die aktuellen Verhältnisse maßgeblich. Sperrklauseln könnten demnach nicht ein für allemal abstrakt
beurteilt werden. Vielmehr könne sich eine abweichende verfassungsrechtliche Beurteilung ergeben, wenn
sich die Verhältnisse wesentlich änderten. Der Gesetzgeber sei nach der Rechtsprechung (BVerfGE 1, 208
[259]; 120, 82 [106 ff.]) zudem verpflichtet, eine die Wahlgleichheit und die Chancengleichheit der Parteien
berührende Wahlrechtsnorm zu überprüfen und gegebenenfalls zu ändern, wenn die verfassungsrechtliche
Rechtfertigung dieser Norm durch neue Entwicklungen in Frage gestellt werde.

Der Gesetzgeber halte seit jeher an der Behauptung fest, klare Mehrheiten in der Volksvertretung seien für
die Bewältigung der Parlamentsaufgaben unentbehrlich. Dieser Auffassung sei das Bundesverfassungsgericht
bislang gefolgt. Deshalb dürfe der Gesetzgeber Differenzierungen im Erfolgswert der Stimmen bei der Ver-
hältniswahl vornehmen, soweit dies zur Sicherung des Charakters der Wahl als eines Integrationsvorgangs
bei der politischen Willensbildung im Interesse der Einheitlichkeit des ganzen Wahlsystems und zur Siche-
rung der mit der Wahl verfolgten Ziele unbedingt erforderlich sei (vgl. BVerfGE 51, 222 [236]). Aktuell
wäre aber die Arbeitsfähigkeit auch bei einer Streichung der Fünf-Prozent-Klausel nicht gefährdet. Daher sei
die Sperrklausel nicht erforderlich. Selbst wenn eine Sperrklausel für erforderlich erachtet werde, sei ihre
Höhe von derzeit fünf Prozent diskutabel. Die Zahl der im Parlament vertretenen Parteien würde nach dem
Wahlergebnis vom 22. September 2013 bei einer Senkung oder ersatzlosen Streichung nur wenig steigen.
Außerdem stünden dem Gesetzgeber Alternativen zur Verfügung, die Arbeitsfähigkeit des Deutschen Bun-
destages mit weniger einschneidenden Mitteln als der Fünf-Prozent-Hürde sicherzustellen: die Einführung
einer Weiterreichung von Stimmen, die Ermöglichung einer Ersatzstimme, die Absenkung oder Streichung
der Sperrklausel oder die direkte Wahl des Bundeskanzlers bzw. der Bundesregierung.

Wegen der Einzelheiten des Vortrages des Einspruchsführers wird auf den Inhalt der Akten Bezug genom-
men.

Das Bundesministerium des Innern hat zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-
Sperrklausel am 16. Juni 2014 wie folgt Stellung genommen:

Drucksache 18/1810 – 318 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

1. Das Bundesverfassungsgericht erachte in ständiger Rechtsprechung bei Wahlen zum Deutschen Bundestag
die heute in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1 des Bundeswahlgesetzes
(BWG) vorgesehene, auf das gesamte Wahlgebiet bezogene Fünf-Prozent-Sperrklausel für verfassungsgemäß
(vgl. BVerfGE 1, 208 [247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366];
95, 408 [417 ff.]; 120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.]). Zuletzt habe das Gericht in seinem
Urteil vom 9. Januar 2011 zur Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen entschieden, dass die Fünf-
Prozent-Sperrklausel bei der Wahl zum Deutschen Bundestag ihre Rechtfertigung im Wesentlichen darin
finde, dass die Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren
fortlaufende Unterstützung nötig sei und dieses Ziel durch die Zersplitterung des Parlaments in viele kleine
Gruppen gefährdet werde (BVerfGE 129, 300 [335 f.]). In der Entscheidung vom 26. Februar 2014 (2 BvE
2/13 u. a.) zur Drei-Prozent-Sperrklausel im Europawahlrecht habe das Gericht erneut bestätigt, dass eine
Sperrklausel gerechtfertigt sein könne, wenn Verhältnisse wie auf nationaler Ebene gegeben sind, wo die
Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nötig sei (ebd. Rn. 72).

Angesichts der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei der Wahlgesetzgeber verfas-
sungsrechtlich nicht daran gehindert, bei der Verteilung der zu vergebenden Sitze auf die Landeslisten bei der
Bundestagswahl grundsätzlich nur die Parteien zu berücksichtigen, die mindestens fünf Prozent der im Wahl-
gebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten haben (§ 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Ab-
satz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG). Es sei ihm mit anderen Worten von Verfassungs wegen unbenommen,
gültige Zweitstimmen, die auf Landeslisten von Parteien entfallen sind, die nicht die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben, zwar für die Ergebnisfeststellung als relevant zu werten (§ 42 BWG), nicht
aber für die Sitzverteilung. Der Wahlgesetzgeber dürfe also ohne Verstoß gegen Bundesverfassungsrecht alle
zu vergebenden Parlamentssitze auf die Landeslisten derjenigen Parteien verteilen, die die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben.

Im Interesse der Handlungsfähigkeit des Deutschen Bundestages habe der Wahlgesetzgeber bisher an der auf
das gesamte Wahlgebiet bezogenen Fünf-Prozent-Sperrklausel, die seit der Wahl zum 2. Deutschen Bundes-
tag 1953 gilt, festgehalten. Denn eine Wahl habe – wie das Bundesverfassungsgericht betone (vgl. BVerfGE
51, 222 [236]) – „nicht nur das Ziel, eine Volksvertretung zu schaffen, die ein Spiegelbild der in der Wähler-
schaft vorhandenen politischen Meinungen darstellt, sondern sie soll auch ein funktionsfähiges Organ her-
vorbringen.“ Hierfür seien „(k)lare und ihrer Verantwortung für das Gesamtwohl bewusste Mehrheiten in
einer Volksvertretung (…) für eine Bewältigung der ihr gestellten Aufgaben unentbehrlich“, die durch einen
unbegrenzten Proporz nicht gewährleistet sind.

2. Zwar könne nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die verfassungsrechtliche Rechtfer-
tigung einer die Wahlgleichheit berührenden Norm des Wahlrechts wie eine Sperrklauselregelung durch ver-
änderte Verhältnisse oder neue Entwicklungen – etwa durch eine Änderung der vom Gesetzgeber vorausge-
setzten tatsächlichen oder normativen Grundlagen oder wenn sich die beim Erlass der Norm hinsichtlich ihrer
Auswirkungen angestellte Prognose als irrig erwiesen habe – in Frage gestellt werden (BVerfGE 82, 322
[338 f.]; 120, 82 [108]; 129, 300 [321 f.]; Urteil vom 26. Februar 2014, Az. 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 56). Dies
sei im Hinblick auf die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen jedoch nicht der Fall.

Eine Änderung der normativen Grundlagen für die Beurteilung der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundes-
tagswahlen, die das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung als verfassungsgemäß angesehen
habe, sei nicht festzustellen. Insbesondere führten das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
9. November 2011 zur Verfassungswidrigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen (BVerfGE
129, 300) und sein Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Sperrklausel im
Europawahlgesetz (2 BvE 2/13 u. a.) nicht zu einer abweichenden Bewertung. Das Bundesverfassungsgericht
begründe die Verfassungswidrigkeit der Sperrklauseln bei Europawahlen in diesen Urteilen mit der besonde-
ren Stellung und Funktion des Europäischen Parlaments im Gefüge der Organe der Europäischen Union, wo
eine vergleichbare Interessenlage wie bei der Bundestagswahl nicht bestehe (BVerfGE 129, 300 [336]). Auch
in seinem Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Klausel im Europawahl-
gesetz halte das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich an der gefestigten Rechtsprechung zum verfassungs-
rechtlichen Maßstab für die Beurteilung wahlrechtlicher Sperrklauseln fest und lege – wie es mehrfach beto-
ne – seinem Urteil die gleichen Prüfungsmaßstäbe wie im Urteil vom 9. November 2011 zugrunde (Az. 2
BvE 2/13 u. a., Rn. 37, 45, 63). In beiden Urteilen weise das Gericht zudem darauf hin, dass bei der Bundes-
tagswahl – anders als bei der Europawahl – der Deutsche Bundestag im Falle einer eintretenden Funktionsbe-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 319 – Drucksache 18/1810

einträchtigung aufgrund seiner veränderten strukturellen Zusammensetzung nicht mehr in der Lage wäre, die
gesetzlichen Regelungen zur Sicherung seiner Funktionsfähigkeit zu ändern, weil die erforderliche Mehrheit
nicht mehr zustande käme (BVerfGE 129, 300 [324]; Urteil vom 26. Februar 2014, 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 58).

3. Auch in tatsächlicher Hinsicht erfordere das Wahlergebnis der Bundestagswahl 2013, bei der zwei Parteien
mit einem Stimmenanteil von 4,8 Prozent bzw. 4,7 Prozent der Zweitstimmen vergleichsweise knapp an der
Fünf-Prozent-Klausel gescheitert seien, keine Neubewertung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der
Klausel. Der Gesetzgeber habe sich für die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen entschieden und
diese bis heute beibehalten, um in Konstellationen, in denen eine oder mehrere Parteien weniger als fünf
Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, die Funktionsfähigkeit des Bundestages sicherzustellen. Wenn eine
solche Konstellation bei einer Wahl – wie nun der Bundestagswahl 2013 – tatsächlich auftrete, liege gerade
nicht der Fall vor, dass sich eine Prognose des Gesetzgebers als irrig erwiesen habe oder dass eine Änderung
der vom Gesetzgeber vorausgesetzten tatsächlichen Verhältnisse eingetreten sei, sondern es habe sich ledig-
lich ein Szenario realisiert, das der Gesetzgeber mit seiner Regelung von vornherein habe erfassen wollen.
Auch das Bundesverfassungsgericht habe die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen in Kenntnis
des Umstands, dass an ihr nicht nur Parteien mit einem niedrigen Stimmenanteil zwischen null und zwei
Prozent der Zweitstimmen, sondern auch Parteien mit einem Stimmenanteil knapp unter fünf Prozent schei-
tern können, in ständiger Rechtsprechung als verfassungsmäßig angesehen (siehe die Nachweise unter 1.).

Die bei der Bundestagswahl 2013 aufgetretene hohe Gesamtzahl von abgegebenen gültigen Zweitstimmen
für Parteien, die die Fünf-Prozent-Sperrklausel nicht überwunden haben, sei kein Grund, das Vorliegen ver-
änderter Verhältnisse bzw. neuer Entwicklungen anzunehmen, die eine Neubewertung der verfassungsrecht-
lichen Zulässigkeit der Sperrklausel erforderten. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Sperrklausel sei
nicht von der Gesamtzahl der Stimmen für diejenigen Parteien abhängig, die die Sperrklausel bei einer ein-
zelnen Wahl nicht überwinden. Die Sperrklausel rechtfertige sich vielmehr durch den mit ihr verfolgten ver-
fassungsrechtlich legitimen Zweck, die Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages sicherzustellen (siehe
die Nachweise unter 1.). Sie erfülle ihren Zweck gerade dann, wenn viele an der Wahl teilnehmende Parteien
die Sperrklausel nicht überwinden, aber ohne Sperrklausel Sitze im Parlament erlangt hätten, da auf diese
Weise eine die stabile Mehrheitsbildung gefährdende Zersplitterung des Bundestages vermieden werde.

4. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel stehe nicht entgegen, dass eine
hohe Zahl von Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die aufgrund der Sperrklausel nicht an der Sitzvertei-
lung teilnehmen, eine absolute Mehrheit der Sitze für Parteien ermögliche, die bei der Wahl deutlich weniger
als der Hälfte der Stimmen erreicht haben. Das Erreichen einer Mehrheit der Sitze im Parlament sei immer
mit weniger als der Hälfte der gültigen Zweitstimmen möglich. Denn auch ohne Sperrklausel erhalte nicht
jede Partei, für die bei der Wahl gültige Stimmen abgegeben wurden, automatisch einen Sitz. Da für einen
Sitz auch ohne Sperrklausel stets eine bestimmte Zahl von Stimmen erforderlich sei, führten nicht alle Stim-
men zu einem Sitzerfolg und darum weniger als 50 Prozent der gültigen Zweitstimmen zu einer Mehrheit der
Sitze. Ein Verfassungsrechtssatz des Inhalts, dass einer Mehrheit der Mitglieder des Bundestages notwendi-
gerweise eine Mehrheit der Zweitstimmen in der Bundestagswahl entsprechen müsse, sei nicht feststellbar.
Wenn aber eine Partei in einer Wahl eine absolute Mehrheit der Zweitstimmen erhalte, sei gesichert, dass auf
sie mehr als die Hälfte der Sitze entfalle (§ 6 Absatz 7 BWG).

5. Gegen die Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht vorgebracht werden, sie verhindere bzw. erschwere
in übermäßiger Weise die Entstehung oder Etablierung neuer Parteien und schränke dadurch in unzulässiger
Weise die Chancengleichheit der Parteien ein. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Chancengleichheit
der Parteien verlange nicht, dass jeder Partei, die bei der Bundestagswahl Stimmen erhalte, Sitze im Bundes-
tag garantiert seien. Jede Partei habe rechtlich die gleiche Chance auf Teilnahme an der Sitzverteilung bei
Überwindung der Sperrklausel. Wenn eine Partei die für alle geltende Sperrklausel nicht überwinde, so sei
dies Resultat zu geringer Zustimmung in der Wählerschaft und gerade nicht ungleicher Chancen, denn die
unterschiedliche Gewichtung des Erfolgswerts von Wahlstimmen durch eine Sperrklausel treffe alle Parteien
gleichermaßen (vgl. BVerfGE 82, 322 [345]).

Dass die Fünf-Prozent-Sperrklausel die Entstehung und Etablierung neuer Parteien nicht verhindere oder
übermäßig erschwere, zeige der Einzug in die Parlamente auch neuer Parteien in den vergangenen Jahren bei
Bundestagswahlen und Landtagswahlen, bei denen nach Landesrecht ebenfalls Fünf-Prozent-Sperrklauseln
bestünden. Die Sperrklauseln trügen zu einem Mindestmaß an Konsolidierung neuer Parteien bei, indem sie
eine funktionierende Organisation und eine hinreichende Kampagnenfähigkeit der Partei erforderlich mach-

Drucksache 18/1810 – 320 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

ten, um einen erfolgreichen Wahlkampf zu führen, der den Einzug ins Parlament ermögliche. Auch das Bun-
desverfassungsgericht sehe in ständiger Rechtsprechung in der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestags-
wahlen keinen verfassungswidrigen Eingriff in die Chancengleichheit der Parteien (siehe die Nachweise un-
ter 1.).

6. Die Fünf-Prozent-Sperrklausel habe nicht zur Folge, dass die Parteien, die die Sperrklausel überwunden
haben und deshalb an der Sitzverteilung teilnehmen, von den Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die an
der Sperrklausel gescheitert sind und somit nicht an der Sitzverteilung teilnehmen, profitierten und die Wäh-
ler bei der Stimmabgabe nicht erkennen könnten, welche Partei letztlich tatsächlich von ihrer Zweitstimme
profitiere. Von der Zweitstimme für eine Partei profitiere stets die Partei, für die die Stimme abgegeben wor-
den sei. Wenn eine Partei aufgrund eines zur Überwindung der Sperrklausel nicht ausreichenden Zuspruchs
in der Wählerschaft nicht an der Sitzverteilung teilnehme, würden die zu vergebenden Sitze auf die Parteien
verteilt, die die Sperrklausel überwunden haben. Diese Parteien profitierten bei dieser Verteilung von den für
sie abgegebenen Zweitstimmen, nicht von den Zweitstimmen für die an der Sperrklausel gescheiterten Partei-
en, die wegen Nichtteilnahme an der Sitzverteilung zu keinem Sitzerfolg führten.

7. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht entgegengehalten
werden, der Umstand, dass aufgrund der Sperrklausel eine hohe Zahl von Stimmen bei der Sitzverteilung
unberücksichtigt bleibe, befördere die Politikverdrossenheit der Wahlberechtigten. Unabhängig davon, ob
dies tatsächlich der Fall sei, habe sich der Gesetzgeber dazu entschieden, der Sicherung der Funktionsfähig-
keit des Parlaments Vorrang vor derartigen Erwägungen einzuräumen. Das Bundesverfassungsgericht erachte
dies in ständiger Rechtsprechung für verfassungsrechtlich zulässig (siehe die Nachweise unter 1.). Ein wegen
Zersplitterung in kleine und kleinste Fraktionen nicht mehrheits- und handlungsfähiges Parlament, das zur
Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nicht in der Lage sei, wäre zudem in weit höherem Maße geeignet, Politikverdrossenheit zu för-
dern.

8. Aufgrund der verfassungskonformen Ausgestaltung der Fünf-Prozent-Sperrklausel im geltenden Bundes-
wahlgesetz sei der Wahlgesetzgeber auch nicht zur Einführung einer Alternativstimme („Eventualstimme“,
„Ersatzstimme“ bzw. „Stimmweitergabe-Option“) verpflichtet. Ergänzend sei darauf verwiesen, dass im
Schrifttum gegen die Einführung einer solchen Alternativstimme verfassungsrechtliche Bedenken geltend
gemacht würden: Eine Alternativstimme sei mit dem Charakter der Stimmabgabe als einer vorbehaltlosen
und bedingungsfeindlichen Willenserklärung nicht zu vereinbaren und verstoße daher gegen den Grundsatz
der Unmittelbarkeit der Wahl im Sinne des Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 GG und gegen das Demokratieprinzip
nach Artikel 20 Absatz 1 GG (so Strelen, in: Schreiber, Bundeswahlgesetz, 9. Auflage 2013, § 6 Rn. 37 so-
wie Schreiber, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: 43. Lfg. April 2014, Art. 38
Rn. 40, 132). Überdies wäre die Gewährung einer Alternativstimme auch keine verfassungspolitisch ange-
zeigte Fortentwicklung des Wahlrechts. Sie würde das Stimmabgabeverfahren verkomplizieren, die Ermitt-
lung des Wahlergebnisses wesentlich erschweren und verzögern und den Wähler von einer eindeutigen poli-
tischen Entscheidung ohne Vorbehalt und Rückfallposition entpflichten (vgl. im Einzelnen hierzu Strelen, in:
Schreiber, § 6 Rn. 37).

9. Die Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Klausel sei schließlich auch nicht davon abhängig, dass Par-
teien, die jeweils mit einer eigenen Liste an der Bundestagswahl teilnehmen, ihre Landeslisten verbinden
dürften, um als Zählgemeinschaft die Sperrklausel zu überwinden. Derartige Listenverbindungen verschiede-
ner Parteien bei der Bundestagswahl seien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wegen
Verstoßes gegen den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit der Parteien verfas-
sungswidrig (BVerfGE 82, 322 [345 f.]). Eine derartige Listenverbindung würde allein dem Zweck dienen,
die verfassungslegitime Zielsetzung einer Fünf-Prozent-Sperrklausel, die Verhinderung einer Zersplitterung
des Parlaments, zu umgehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet. Dem Vortrag des Einspruchsführers lässt sich kein Verstoß
gegen Wahlrechtsvorschriften und damit kein Wahlfehler entnehmen.

Der Einspruchsführer bestreitet nicht, dass das Verfahren zur Auszählung der Stimmen und zur Verteilung
der Sitze auf die Landeslisten der Parteien bei der Bundestagswahl 2013 den Vorgaben des Bundeswahlge-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 321 – Drucksache 18/1810

setzes entsprach. Dieses regelt in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1,
dass bei der Verteilung der Sitze auf die Landeslisten nur Parteien berücksichtigt werden, die mindestens fünf
Prozent der im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten oder in mindestens drei Wahlkrei-
sen einen Sitz errungen haben. Soweit der Einspruchsführer geltend macht, die Sperrklausel verstoße gegen
den Grundsatz der Wahlgleichheit sowie gegen den Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien und sei
daher verfassungswidrig, ist darauf hinzuweisen, dass der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundes-
tag in ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens die Verfassungsmäßigkeit der für die Wahl
geltenden Rechtsvorschriften nicht überprüfen. Eine derartige Kontrolle ist stets dem Bundesverfassungsge-
richt vorbehalten worden (vgl. etwa Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlagen 26 bis 28 mit weiteren Nach-
weisen; 17/1000, Anlagen 5 und 11; 17/2200, Anlagen 1, 13 bis 15, 17 bis 20, 23 und 24; 17/3100, Anlagen
15, 19, 20, 22 bis 30, 32, 34 bis 36; 17/4600, Anlagen 10, 12, 13, 32, 38, 40 bis 43 mit weiteren Nachweisen;
17/6300, Anlage 19). Allerdings hat der Wahlprüfungsausschuss schon in zahlreichen Wahlprüfungsent-
scheidungen früherer Wahlperioden keinen Anlass für Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Regelung
gesehen (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen 15/1850, Anlagen 9 und 47; 16/900, Anlage 14), zumal das
Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit der Sperrklausel in ihrer Ausgestaltung durch das Bun-
deswahlgesetz in ständiger Rechtsprechung bestätigt hat (vgl. BVerfGE 1, 208 [247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84
[92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366]; 95, 408 [417 ff.]; 120, 82 [109 ff.]; 122, 304
[314 f.]; 129, 300 [335 f.], siehe auch Bundestagsdrucksache 16/900, Anlage 14). Es ist folglich verfassungs-
rechtlich nicht zu beanstanden, dass alle Parlamentssitze auf diejenigen Parteien verteilt werden, welche die
Fünf-Prozent-Hürde überwunden haben. Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
die Sperrklausel durch veränderte Verhältnisse infrage gestellt werden. Dies ist bezüglich der Bundestags-
wahl 2013 aber nicht der Fall, wie das Bundesministerium des Innern – auch unter Bezugnahme auf die Ur-
teile vom 9. November 2011 und 26. Februar 2014 – in seiner Stellungnahme zutreffend feststellt: Dass nach
dem amtlichen Endergebnis der Bundestagswahl 2013 insgesamt 15,7 Prozent der gültigen Zweitstimmen
nicht in die Mandatsverteilung eingeflossen sind, weil sie für insgesamt 25 Parteien abgegeben wurden, die
bundesweit weniger als fünf Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, ändert nichts an der vom Bundesver-
fassungsgericht festgestellten Verfassungskonformität der Fünf-Prozent-Hürde. Zwar war der Anteil der gül-
tigen, aber wegen der Sperrklausel nicht in die Sitzverteilung eingeflossenen Zweitstimmen bei der Bundes-
tagswahl 2013 höher als bei früheren Bundestagswahlen, da – anders als bei vorhergehenden Wahlen – zwei
Parteien jeweils fast fünf Prozent und zudem 23 weitere Parteien insgesamt 6,2 Prozent (für sich genommen
aber teilweise weniger als 0,1 Prozent) erreicht haben. Jedoch ist dieser Umstand nicht atypisch oder zuvor
unbekannt gewesen. Es ist zudem durchaus möglich, dass er bei kommenden Bundestagswahlen mit anderen
Wahlergebnissen nicht (mehr) auftritt. Der Einzug neuer Parteien in den Deutschen Bundestag wird, wie
Beispiele aus der Geschichte der Bundesrepublik zeigen, ohnehin nicht durch die Sperrklausel verhindert.
Außerdem ist die Fünf-Prozent-Hürde auf das jeweilige Ergebnis einer jeden Partei bezogen. Nur die konkre-
te Stimmenzahl jeder Partei kann der Ausgangspunkt der Sitzverteilung auf die Landeslisten sein (vgl. § 6
Absatz 1 BWG) – übrigens auch dann, wenn man gedanklich die Sperrklausel streicht oder eine niedrigere
Sperrklausel ansetzt –; erst im zweiten Schritt ist die Stimmenzahl einer jeden Partei in Relation zu den
Stimmenanteilen der anderen Parteien zu setzen (vgl. § 6 Absätze 2 bis 7 BWG). Die gedankliche Addition
von Zweitstimmenanteilen kann folglich für die Fünf-Prozent-Hürde keine Aussagekraft beanspruchen.

Das vom Einspruchsführer befürwortete Konzept einer Eventualstimme (Alternativstimme, Ersatzstimme)
wäre – wenn es Gesetz würde – verfassungwidrig. Die Einführung einer Eventualstimme verstieße gegen den
Grundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl im Sinne des Artikels 38 Absatz 1 Satz 1 GG und gegen das Demo-
kratieprinzip in Art. 20 Absatz 1 GG (vgl. nur Strelen, in: Schreiber, § 6 Rn. 37).

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 323 – Drucksache 18/1810

Anlage 49

Beschlussempfehlung

ZumWahleinspruch

des Herrn T. B., 10117 Berlin,

– Az.: WP 181/13 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag
am 22. September 2013

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 26. Juni 2014 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit einem Fax vom 21. November 2013 Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl
zum 18. Deutschen Bundestag am 22. September 2013 eingelegt.

Er wendet sich gegen die Fünf-Prozent-Hürde. Diese verletze die Grundsätze der Wahlgleichheit und der
Chancengleichheit der politischen Parteien. Der Grundsatz der Wahlgleichheit gebiete, dass alle Wahlberech-
tigten das Wahlrecht möglichst in formal gleicher Weise ausüben könnten. Daher müsse die Stimme jedes
Wählers grundsätzlich den gleichen Zählwert und die gleiche rechtliche Erfolgschance haben. Im Verhält-
niswahlsystem verlange der Grundsatz der Wahlgleichheit darüber hinaus, dass jeder Wähler mit seiner
Stimme auch den gleichen Einfluss auf die Zusammensetzung der zu wählenden Vertretung haben müsse.
Zur Zählwertgleichheit trete die Erfolgswertgleichheit hinzu. Der aus Artikel 21 Absatz 1 in Verbindung mit
Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) abzuleitende Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien ver-
lange, dass jeder Partei und ihren Wahlbewerbern grundsätzlich die gleichen Möglichkeiten im gesamten
Wahlverfahren und damit gleiche Chancen bei der Sitzverteilung eingeräumt würden. Die Chancengleichheit
hänge eng mit der Allgemeinheit und Gleichheit der Wahlen zusammen. Wenn die öffentliche Gewalt in den
Parteienwettbewerb in einer Weise eingreife, welche die Chancen der politischen Parteien verändern könne,
seien ihrem Ermessen besonders enge Grenzen gezogen. Das Bundesverfassungsgericht habe die Pflicht des
Gesetzgebers festgestellt, eine die Wahlgleichheit und die Chancengleichheit berührende Wahlrechtsnorm zu
überprüfen und gegebenenfalls zu ändern, wenn die verfassungsrechtliche Rechtfertigung dieser Norm durch
neue Entwicklungen infrage gestellt werde, etwa durch eine Änderung der vom Gesetzgeber vorausgesetzten
tatsächlichen oder normativen Grundlagen oder dadurch, dass sich eine beim Erlass der Norm hinsichtlich
ihrer Auswirkungen angestellte Prognose als irrig erwiesen habe. Das Gericht habe es abgelehnt, die Verein-
barkeit einer Sperrklausel mit den verfassungsrechtlichen Grundsätzen ein für allemal abstrakt zu beurteilen.
Eine Wahlrechtsbestimmung könne mit Blick auf eine Repräsentativkörperschaft zu einem bestimmten Zeit-
punkt gerechtfertigt sein und zu einem anderen Zeitpunkt nicht. Die Fünf-Prozent-Klausel bewirke eine Un-
gleichgewichtung des Erfolgswerts der Wählerstimmen. Diejenigen Wählerstimmen, die auf Parteien ober-
halb von fünf Prozent entfielen, hätten unmittelbaren Einfluss auf die Sitzverteilung. Dagegen blieben dieje-
nigen Wählerstimmen, die auf Parteien unterhalb von fünf Prozent entfielen, ohne Erfolg.

Das Quorum in Höhe von fünf Prozent sei nicht erforderlich, um das legitime Ziel des Gesetzgebers zu ver-
folgen, die Gefahr einer Funktionsstörung des Deutschen Bundestages zu reduzieren. Zwar sei die Fünf-
Prozent-Sperrklausel geeignet, diese Gefahr zu reduzieren. Aber sie löse ihrerseits ein Funktionsdefizit aus:
CDU, CSU und SPD hätten zusammen 67,2 Prozent der gültigen Zweitstimmen, wegen der Fünf-Prozent-
Klausel aber 79,9 Prozent der Mandate erhalten. Im Falle einer großen Koalition wäre die Opposition margi-
nalisiert. Zudem drohte selbst bei ersatzlosem Wegfall der Sperrklausel keine Zersplitterung der Parlaments,
da nicht sehr viele weitere Parteien dann ebenfalls Sitze erhielten. Um etwa sehr kleine oder extremistische
Parteien aus dem Parlament zu halten, sei eine Sperrklausel, die zwei oder drei Prozent betrage, ausreichend.
Das Quorum in Höhe von fünf Prozent sei auch nicht verhältnismäßig im engeren Sinne. Der nicht gerecht-

Drucksache 18/1810 – 324 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

fertigte Eingriff in die Wahlrechtsgleichheit und in die Chancengleichheit der Parteien sei bei der angegriffe-
nen Wahl besonders einschneidend gewesen, als 4.140.518 Zweitstimmen für die FDP und die Partei „Alter-
native für Deutschland“, also ein Anteil von 9,5 Prozent der Zweitstimmen, nicht ergebniswirksam geworden
sei. Ein signifikanter Teil der Bevölkerung werde daher nicht repräsentiert. Insgesamt seien 6.859.439 Zweit-
stimmen, mithin 15,72 Prozent der Zweitstimmen, für die Mandatsverteilung nicht wirksam geworden. Die
absolute Zahl übersteige die Summe der Einwohnerzahl Sachsens und Thüringens. Die Nichtberücksichti-
gung einer so hohen Zahl an gültigen Zweitstimmen bedeute einen „Systembruch“, zumal die Fünf-Prozent-
Hürde nicht notwendig sei und überdies die genannte Funktionstörung auslöse.

Wegen der Einzelheiten des Vortrages des Einspruchsführers wird auf den Inhalt der Akten Bezug genom-
men.

Das Bundesministerium des Innern hat zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-
Sperrklausel am 16. Juni 2014 wie folgt Stellung genommen:

1. Das Bundesverfassungsgericht erachte in ständiger Rechtsprechung bei Wahlen zum Deutschen Bundestag
die heute in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1 des Bundeswahlgesetzes
(BWG) vorgesehene, auf das gesamte Wahlgebiet bezogene Fünf-Prozent-Sperrklausel für verfassungsgemäß
(vgl. BVerfGE 1, 208 [247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366];
95, 408 [417 ff.]; 120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.]). Zuletzt habe das Gericht in seinem
Urteil vom 9. Januar 2011 zur Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen entschieden, dass die Fünf-
Prozent-Sperrklausel bei der Wahl zum Deutschen Bundestag ihre Rechtfertigung im Wesentlichen darin
finde, dass die Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren
fortlaufende Unterstützung nötig sei und dieses Ziel durch die Zersplitterung des Parlaments in viele kleine
Gruppen gefährdet werde (BVerfGE 129, 300 [335 f.]). In der Entscheidung vom 26. Februar 2014 (2 BvE
2/13 u. a.) zur Drei-Prozent-Sperrklausel im Europawahlrecht habe das Gericht erneut bestätigt, dass eine
Sperrklausel gerechtfertigt sein könne, wenn Verhältnisse wie auf nationaler Ebene gegeben sind, wo die
Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nötig sei (ebd. Rn. 72).

Angesichts der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei der Wahlgesetzgeber verfas-
sungsrechtlich nicht daran gehindert, bei der Verteilung der zu vergebenden Sitze auf die Landeslisten bei der
Bundestagswahl grundsätzlich nur die Parteien zu berücksichtigen, die mindestens fünf Prozent der im Wahl-
gebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten haben (§ 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Ab-
satz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG). Es sei ihm mit anderen Worten von Verfassungs wegen unbenommen,
gültige Zweitstimmen, die auf Landeslisten von Parteien entfallen sind, die nicht die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben, zwar für die Ergebnisfeststellung als relevant zu werten (§ 42 BWG), nicht
aber für die Sitzverteilung. Der Wahlgesetzgeber dürfe also ohne Verstoß gegen Bundesverfassungsrecht alle
zu vergebenden Parlamentssitze auf die Landeslisten derjenigen Parteien verteilen, die die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben.

Im Interesse der Handlungsfähigkeit des Deutschen Bundestages habe der Wahlgesetzgeber bisher an der auf
das gesamte Wahlgebiet bezogenen Fünf-Prozent-Sperrklausel, die seit der Wahl zum 2. Deutschen Bundes-
tag 1953 gilt, festgehalten. Denn eine Wahl habe – wie das Bundesverfassungsgericht betone (vgl. BVerfGE
51, 222 [236]) – „nicht nur das Ziel, eine Volksvertretung zu schaffen, die ein Spiegelbild der in der Wähler-
schaft vorhandenen politischen Meinungen darstellt, sondern sie soll auch ein funktionsfähiges Organ her-
vorbringen.“ Hierfür seien „(k)lare und ihrer Verantwortung für das Gesamtwohl bewusste Mehrheiten in
einer Volksvertretung (…) für eine Bewältigung der ihr gestellten Aufgaben unentbehrlich“, die durch einen
unbegrenzten Proporz nicht gewährleistet sind.

2. Zwar könne nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die verfassungsrechtliche Rechtfer-
tigung einer die Wahlgleichheit berührenden Norm des Wahlrechts wie eine Sperrklauselregelung durch ver-
änderte Verhältnisse oder neue Entwicklungen – etwa durch eine Änderung der vom Gesetzgeber vorausge-
setzten tatsächlichen oder normativen Grundlagen oder wenn sich die beim Erlass der Norm hinsichtlich ihrer
Auswirkungen angestellte Prognose als irrig erwiesen habe – in Frage gestellt werden (BVerfGE 82, 322
[338 f.]; 120, 82 [108]; 129, 300 [321 f.]; Urteil vom 26. Februar 2014, Az. 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 56). Dies
sei im Hinblick auf die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen jedoch nicht der Fall.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 325 – Drucksache 18/1810

Eine Änderung der normativen Grundlagen für die Beurteilung der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundes-
tagswahlen, die das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung als verfassungsgemäß angesehen
habe, sei nicht festzustellen. Insbesondere führten das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
9. November 2011 zur Verfassungswidrigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen (BVerfGE
129, 300) und sein Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Sperrklausel im
Europawahlgesetz (2 BvE 2/13 u. a.) nicht zu einer abweichenden Bewertung. Das Bundesverfassungsgericht
begründe die Verfassungswidrigkeit der Sperrklauseln bei Europawahlen in diesen Urteilen mit der besonde-
ren Stellung und Funktion des Europäischen Parlaments im Gefüge der Organe der Europäischen Union, wo
eine vergleichbare Interessenlage wie bei der Bundestagswahl nicht bestehe (BVerfGE 129, 300 [336]). Auch
in seinem Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Klausel im Europawahl-
gesetz halte das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich an der gefestigten Rechtsprechung zum verfassungs-
rechtlichen Maßstab für die Beurteilung wahlrechtlicher Sperrklauseln fest und lege – wie es mehrfach beto-
ne – seinem Urteil die gleichen Prüfungsmaßstäbe wie im Urteil vom 9. November 2011 zugrunde (Az. 2
BvE 2/13 u. a., Rn. 37, 45, 63). In beiden Urteilen weise das Gericht zudem darauf hin, dass bei der Bundes-
tagswahl – anders als bei der Europawahl – der Deutsche Bundestag im Falle einer eintretenden Funktionsbe-
einträchtigung aufgrund seiner veränderten strukturellen Zusammensetzung nicht mehr in der Lage wäre, die
gesetzlichen Regelungen zur Sicherung seiner Funktionsfähigkeit zu ändern, weil die erforderliche Mehrheit
nicht mehr zustande käme (BVerfGE 129, 300 [324]; Urteil vom 26. Februar 2014, 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 58).

3. Auch in tatsächlicher Hinsicht erfordere das Wahlergebnis der Bundestagswahl 2013, bei der zwei Parteien
mit einem Stimmenanteil von 4,8 Prozent bzw. 4,7 Prozent der Zweitstimmen vergleichsweise knapp an der
Fünf-Prozent-Klausel gescheitert seien, keine Neubewertung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der
Klausel. Der Gesetzgeber habe sich für die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen entschieden und
diese bis heute beibehalten, um in Konstellationen, in denen eine oder mehrere Parteien weniger als fünf
Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, die Funktionsfähigkeit des Bundestages sicherzustellen. Wenn eine
solche Konstellation bei einer Wahl – wie nun der Bundestagswahl 2013 – tatsächlich auftrete, liege gerade
nicht der Fall vor, dass sich eine Prognose des Gesetzgebers als irrig erwiesen habe oder dass eine Änderung
der vom Gesetzgeber vorausgesetzten tatsächlichen Verhältnisse eingetreten sei, sondern es habe sich ledig-
lich ein Szenario realisiert, das der Gesetzgeber mit seiner Regelung von vornherein habe erfassen wollen.
Auch das Bundesverfassungsgericht habe die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen in Kenntnis
des Umstands, dass an ihr nicht nur Parteien mit einem niedrigen Stimmenanteil zwischen null und zwei
Prozent der Zweitstimmen, sondern auch Parteien mit einem Stimmenanteil knapp unter fünf Prozent schei-
tern können, in ständiger Rechtsprechung als verfassungsmäßig angesehen (siehe die Nachweise unter 1.).

Die bei der Bundestagswahl 2013 aufgetretene hohe Gesamtzahl von abgegebenen gültigen Zweitstimmen
für Parteien, die die Fünf-Prozent-Sperrklausel nicht überwunden haben, sei kein Grund, das Vorliegen ver-
änderter Verhältnisse bzw. neuer Entwicklungen anzunehmen, die eine Neubewertung der verfassungsrecht-
lichen Zulässigkeit der Sperrklausel erforderten. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Sperrklausel sei
nicht von der Gesamtzahl der Stimmen für diejenigen Parteien abhängig, die die Sperrklausel bei einer ein-
zelnen Wahl nicht überwinden. Die Sperrklausel rechtfertige sich vielmehr durch den mit ihr verfolgten ver-
fassungsrechtlich legitimen Zweck, die Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages sicherzustellen (siehe
die Nachweise unter 1.). Sie erfülle ihren Zweck gerade dann, wenn viele an der Wahl teilnehmende Parteien
die Sperrklausel nicht überwinden, aber ohne Sperrklausel Sitze im Parlament erlangt hätten, da auf diese
Weise eine die stabile Mehrheitsbildung gefährdende Zersplitterung des Bundestages vermieden werde.

4. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel stehe nicht entgegen, dass eine
hohe Zahl von Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die aufgrund der Sperrklausel nicht an der Sitzvertei-
lung teilnehmen, eine absolute Mehrheit der Sitze für Parteien ermögliche, die bei der Wahl deutlich weniger
als der Hälfte der Stimmen erreicht haben. Das Erreichen einer Mehrheit der Sitze im Parlament sei immer
mit weniger als der Hälfte der gültigen Zweitstimmen möglich. Denn auch ohne Sperrklausel erhalte nicht
jede Partei, für die bei der Wahl gültige Stimmen abgegeben wurden, automatisch einen Sitz. Da für einen
Sitz auch ohne Sperrklausel stets eine bestimmte Zahl von Stimmen erforderlich sei, führten nicht alle Stim-
men zu einem Sitzerfolg und darum weniger als 50 Prozent der gültigen Zweitstimmen zu einer Mehrheit der
Sitze. Ein Verfassungsrechtssatz des Inhalts, dass einer Mehrheit der Mitglieder des Bundestages notwendi-
gerweise eine Mehrheit der Zweitstimmen in der Bundestagswahl entsprechen müsse, sei nicht feststellbar.
Wenn aber eine Partei in einer Wahl eine absolute Mehrheit der Zweitstimmen erhalte, sei gesichert, dass auf
sie mehr als die Hälfte der Sitze entfalle (§ 6 Absatz 7 BWG).

Drucksache 18/1810 – 326 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

5. Gegen die Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht vorgebracht werden, sie verhindere bzw. erschwere
in übermäßiger Weise die Entstehung oder Etablierung neuer Parteien und schränke dadurch in unzulässiger
Weise die Chancengleichheit der Parteien ein. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Chancengleichheit
der Parteien verlange nicht, dass jeder Partei, die bei der Bundestagswahl Stimmen erhalte, Sitze im Bundes-
tag garantiert seien. Jede Partei habe rechtlich die gleiche Chance auf Teilnahme an der Sitzverteilung bei
Überwindung der Sperrklausel. Wenn eine Partei die für alle geltende Sperrklausel nicht überwinde, so sei
dies Resultat zu geringer Zustimmung in der Wählerschaft und gerade nicht ungleicher Chancen, denn die
unterschiedliche Gewichtung des Erfolgswerts von Wahlstimmen durch eine Sperrklausel treffe alle Parteien
gleichermaßen (vgl. BVerfGE 82, 322 [345]).

Dass die Fünf-Prozent-Sperrklausel die Entstehung und Etablierung neuer Parteien nicht verhindere oder
übermäßig erschwere, zeige der Einzug in die Parlamente auch neuer Parteien in den vergangenen Jahren bei
Bundestagswahlen und Landtagswahlen, bei denen nach Landesrecht ebenfalls Fünf-Prozent-Sperrklauseln
bestünden. Die Sperrklauseln trügen zu einem Mindestmaß an Konsolidierung neuer Parteien bei, indem sie
eine funktionierende Organisation und eine hinreichende Kampagnenfähigkeit der Partei erforderlich mach-
ten, um einen erfolgreichen Wahlkampf zu führen, der den Einzug ins Parlament ermögliche. Auch das Bun-
desverfassungsgericht sehe in ständiger Rechtsprechung in der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestags-
wahlen keinen verfassungswidrigen Eingriff in die Chancengleichheit der Parteien (siehe die Nachweise un-
ter 1.).

6. Die Fünf-Prozent-Sperrklausel habe nicht zur Folge, dass die Parteien, die die Sperrklausel überwunden
haben und deshalb an der Sitzverteilung teilnehmen, von den Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die an
der Sperrklausel gescheitert sind und somit nicht an der Sitzverteilung teilnehmen, profitierten und die Wäh-
ler bei der Stimmabgabe nicht erkennen könnten, welche Partei letztlich tatsächlich von ihrer Zweitstimme
profitiere. Von der Zweitstimme für eine Partei profitiere stets die Partei, für die die Stimme abgegeben wor-
den sei. Wenn eine Partei aufgrund eines zur Überwindung der Sperrklausel nicht ausreichenden Zuspruchs
in der Wählerschaft nicht an der Sitzverteilung teilnehme, würden die zu vergebenden Sitze auf die Parteien
verteilt, die die Sperrklausel überwunden haben. Diese Parteien profitierten bei dieser Verteilung von den für
sie abgegebenen Zweitstimmen, nicht von den Zweitstimmen für die an der Sperrklausel gescheiterten Partei-
en, die wegen Nichtteilnahme an der Sitzverteilung zu keinem Sitzerfolg führten.

7. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht entgegengehalten
werden, der Umstand, dass aufgrund der Sperrklausel eine hohe Zahl von Stimmen bei der Sitzverteilung
unberücksichtigt bleibe, befördere die Politikverdrossenheit der Wahlberechtigten. Unabhängig davon, ob
dies tatsächlich der Fall sei, habe sich der Gesetzgeber dazu entschieden, der Sicherung der Funktionsfähig-
keit des Parlaments Vorrang vor derartigen Erwägungen einzuräumen. Das Bundesverfassungsgericht erachte
dies in ständiger Rechtsprechung für verfassungsrechtlich zulässig (siehe die Nachweise unter 1.). Ein wegen
Zersplitterung in kleine und kleinste Fraktionen nicht mehrheits- und handlungsfähiges Parlament, das zur
Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nicht in der Lage sei, wäre zudem in weit höherem Maße geeignet, Politikverdrossenheit zu för-
dern.

8. Aufgrund der verfassungskonformen Ausgestaltung der Fünf-Prozent-Sperrklausel im geltenden Bundes-
wahlgesetz sei der Wahlgesetzgeber auch nicht zur Einführung einer Alternativstimme („Eventualstimme“,
„Ersatzstimme“ bzw. „Stimmweitergabe-Option“) verpflichtet. Ergänzend sei darauf verwiesen, dass im
Schrifttum gegen die Einführung einer solchen Alternativstimme verfassungsrechtliche Bedenken geltend
gemacht würden: Eine Alternativstimme sei mit dem Charakter der Stimmabgabe als einer vorbehaltlosen
und bedingungsfeindlichen Willenserklärung nicht zu vereinbaren und verstoße daher gegen den Grundsatz
der Unmittelbarkeit der Wahl im Sinne des Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 GG und gegen das Demokratieprinzip
nach Artikel 20 Absatz 1 GG (so Strelen, in: Schreiber, Bundeswahlgesetz, 9. Auflage 2013, § 6 Rn. 37 so-
wie Schreiber, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: 43. Lfg. April 2014, Art. 38
Rn. 40, 132). Überdies wäre die Gewährung einer Alternativstimme auch keine verfassungspolitisch ange-
zeigte Fortentwicklung des Wahlrechts. Sie würde das Stimmabgabeverfahren verkomplizieren, die Ermitt-
lung des Wahlergebnisses wesentlich erschweren und verzögern und den Wähler von einer eindeutigen poli-
tischen Entscheidung ohne Vorbehalt und Rückfallposition entpflichten (vgl. im Einzelnen hierzu Strelen, in:
Schreiber, § 6 Rn. 37).

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 327 – Drucksache 18/1810

9. Die Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Klausel sei schließlich auch nicht davon abhängig, dass Par-
teien, die jeweils mit einer eigenen Liste an der Bundestagswahl teilnehmen, ihre Landeslisten verbinden
dürften, um als Zählgemeinschaft die Sperrklausel zu überwinden. Derartige Listenverbindungen verschiede-
ner Parteien bei der Bundestagswahl seien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wegen
Verstoßes gegen den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit der Parteien verfas-
sungswidrig (BVerfGE 82, 322 [345 f.]). Eine derartige Listenverbindung würde allein dem Zweck dienen,
die verfassungslegitime Zielsetzung einer Fünf-Prozent-Sperrklausel, die Verhinderung einer Zersplitterung
des Parlaments, zu umgehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet. Dem Vortrag des Einspruchsführers lässt sich kein Verstoß
gegen Wahlrechtsvorschriften und damit kein Wahlfehler entnehmen.

Der Einspruchsführer bestreitet nicht, dass das Verfahren zur Auszählung der Stimmen und zur Verteilung
der Sitze auf die Landeslisten der Parteien bei der Bundestagswahl 2013 den Vorgaben des Bundeswahlge-
setzes entsprach. Dieses regelt in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1,
dass bei der Verteilung der Sitze auf die Landeslisten nur Parteien berücksichtigt werden, die mindestens fünf
Prozent der im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten oder in mindestens drei Wahlkrei-
sen einen Sitz errungen haben. Soweit der Einspruchsführer geltend macht, die Sperrklausel verstoße gegen
den Grundsatz der Wahlgleichheit und den Grundsatz der Chancengleichheit der politischen Parteien und sei
verfassungswidrig, ist darauf hinzuweisen, dass der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in
ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens die Verfassungsmäßigkeit der für die Wahl gel-
tenden Rechtsvorschriften nicht überprüfen. Eine derartige Kontrolle ist stets dem Bundesverfassungsgericht
vorbehalten worden (vgl. etwa Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlagen 26 bis 28 mit weiteren Nachwei-
sen; 17/1000, Anlagen 5 und 11; 17/2200, Anlagen 1, 13 bis 15, 17 bis 20, 23 und 24; 17/3100, Anlagen 15,
19, 20, 22 bis 30, 32, 34 bis 36; 17/4600, Anlagen 10, 12, 13, 32, 38, 40 bis 43 mit weiteren Nachweisen;
17/6300, Anlage 19). Allerdings hat der Wahlprüfungsausschuss schon in zahlreichen Wahlprüfungsent-
scheidungen früherer Wahlperioden keinen Anlass für Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Regelung
gesehen (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen 15/1850, Anlagen 9 und 47; 16/900, Anlage 14), zumal das
Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit der Sperrklausel in ihrer Ausgestaltung durch das Bun-
deswahlgesetz in ständiger Rechtsprechung bestätigt hat (vgl. BVerfGE 1, 208 [247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84
[92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366]; 95, 408 [417 ff.]; 120, 82 [109 ff.]; 122, 304
[314 f.]; 129, 300 [335 f.], siehe auch Bundestagsdrucksache 16/900, Anlage 14). Es ist folglich verfassungs-
rechtlich nicht zu beanstanden, dass alle Parlamentssitze auf diejenigen Parteien verteilt werden, welche die
Fünf-Prozent-Hürde überwunden haben. Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
die Sperrklausel durch veränderte Verhältnisse infrage gestellt werden. Dies ist bezüglich der Bundestags-
wahl 2013 aber nicht der Fall, wie das Bundesministerium des Innern – auch unter Bezugnahme auf die Ur-
teile vom 9. November 2011 und 26. Februar 2014 – in seiner Stellungnahme zutreffend feststellt: Dass nach
dem amtlichen Endergebnis der Bundestagswahl 2013 insgesamt 15,7 Prozent der gültigen Zweitstimmen
nicht in die Mandatsverteilung eingeflossen sind, weil sie für insgesamt 25 Parteien abgegeben wurden, die
bundesweit weniger als fünf Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, ändert nichts an der vom Bundesver-
fassungsgericht festgestellten Verfassungskonformität der Fünf-Prozent-Hürde. Zwar war der Anteil der gül-
tigen, aber wegen der Sperrklausel nicht in die Sitzverteilung eingeflossenen Zweitstimmen bei der Bundes-
tagswahl 2013 höher als bei früheren Bundestagswahlen, da – anders als bei vorhergehenden Wahlen – zwei
Parteien jeweils fast fünf Prozent und zudem 23 weitere Parteien insgesamt 6,2 Prozent (für sich genommen
aber teilweise weniger als 0,1 Prozent) erreicht haben. Jedoch ist dieser Umstand nicht atypisch oder zuvor
unbekannt gewesen. Es ist zudem durchaus möglich, dass er bei kommenden Bundestagswahlen mit anderen
Wahlergebnissen nicht (mehr) auftritt. Der Einzug neuer Parteien in den Deutschen Bundestag wird, wie
Beispiele aus der Geschichte der Bundesrepublik zeigen, ohnehin nicht durch die Sperrklausel verhindert.
Außerdem ist die Fünf-Prozent-Hürde auf das jeweilige Ergebnis einer jeden Partei bezogen. Nur die konkre-
te Stimmenzahl jeder Partei kann der Ausgangspunkt der Sitzverteilung auf die Landeslisten sein (vgl. § 6
Absatz 1 BWG) – übrigens auch dann, wenn man gedanklich die Sperrklausel streicht oder eine niedrigere
Sperrklausel ansetzt –; erst im zweiten Schritt ist die Stimmenzahl einer jeden Partei in Relation zu den
Stimmenanteilen der anderen Parteien zu setzen (vgl. § 6 Absätze 2 bis 7 BWG). Die gedankliche Addition
von Zweitstimmenanteilen kann folglich für die Fünf-Prozent-Hürde keine Aussagekraft beanspruchen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 329 – Drucksache 18/1810

Anlage 50

Beschlussempfehlung

ZumWahleinspruch

des Herrn Dr. B. B., 38104 Braunschweig,

– Az.: WP 182/13 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag
am 22. September 2013

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 26. Juni 2014 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit einem Fax vom 21. November 2013 Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl
zum 18. Deutschen Bundestag am 22. September 2013 eingelegt.

1. Er meint, das der angegriffenen Wahl zugrunde liegende Bundeswahlgesetz (BWG) sei aufgrund der kon-
kreten Ausgestaltung des § 4 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 BWG unvereinbar mit der Verfassung. §
4 BWG dürfe bei der gegebenen Sperrklausel-Regelung nicht nur eine „einfache Zweitstimme“ vorsehen,
weil aus dieser Konstellation zwangsläufig ungleiche Erfolgswerte der Stimmen zulasten eines nicht unerheb-
lichen Teils der Wählerschaft resultierten. Durch die angezeigte Ausgestaltung des § 4 BWG mit einer „zwei-
fachen Zweitstimme“ für jeden Wähler hätte diese Verletzung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der
Wahlgleichheit vermieden werden können, ohne dass der durch die Sperrklausel angestrebte Regelungszweck
einer Stabilisierung der parlamentarischen Demokratie negativ beeinträchtigt worden wäre.

Er, der Einspruchsführer, habe bei der angegriffenen Wahl mit der Zweitstimme eine Partei gewählt, deren
Zweitstimmenergebnis unter fünf Prozent gelegen habe. Die gewählte Partei sei gemäß § 6 Absatz 3 Satz 1 in
Verbindung mit § 6 Absatz 6 Satz 1 BWG nicht bei der Mandatsverteilung berücksichtigt worden. Seine
Zweitstimme habe zwar einen Zähl-, aber keinen Erfolgswert besessen. Dies sei eine Verletzung des Verfas-
sungsgrundsatzes der gleichen Wahl gemäß Artikel 38 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG). Jede Differenzie-
rung im Erfolgswert der Stimmen stelle eine Verletzung der Wahlgleichheit dar, wie sich aus der ständigen
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergebe. Der Eingriff in die Gleichheit der Wahl werde durch
die Kombination aus Sperrklausel und „einfacher“ Zweitstimme, wie sie im geltenden Bundeswahlgesetz
definiert sei, also durch die Verbindung von § 6 Absatz 3 Satz 1 mit § 4 BWG „kausal verursacht“. Es hande-
le sich um ein System, dass als „unkompensierte Sperrklausel“ bezeichnet werden könne.

Die Wähler könnten von der Sperrklausel unterschiedlich tangiert sein, je nachdem, ob die von ihnen favori-
sierte Partei die Fünf-Prozent-Hürde wahrscheinlich überwinden werde oder nicht. Jede Differenzierung bei
der Berücksichtigung von Stimmen beeinträchtigte auch die Chancengleichheit der Parteien. Über die reine
Existenz der Sperrklausel hinaus, sei die Chancengleichheit in dem Ausmaß verletzt, in dem Wähler wegen
der Fünf-Prozent-Hürde und der Gefahr, ihre Stimme zu „verschenken“ oder um einen möglichen kleinen
Koalitionspartner über die Hürde zu helfen, nicht die eigentlich von ihnen favorisierte Partei, sondern eine
andere wählten. Aufgrund der zusätzlichen, indirekten Wirkungen potenziere sich die Benachteiligung klei-
ner Parteien und rufe oft genug einen „Teufelskreis der Bedeutungslosigkeit“ hervor. Auch große Parteien
könnten aufgrund der Sperrklausel benachteiligt werden und in ihrer Chancengleichheit verletzt sein, wenn
ihre Anhänger „Leihstimmen“ an einen kleineren (möglichen) Koalitionspartner vergäben.

Im Fall der unkompensierten Sperrklausel werde die Wahlentscheidung durch vermeidbare sachfremde Über-
legungen mit beeinflusst, die nichts mit den zur Wahl stehenden Parteien, deren Programm und Kandidaten
zu tun hätten und über die im Rahmen einer Wahlentscheidung allgemein zu berücksichtigenden taktischen
Überlegungen weit hinausgingen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 95,

Drucksache 18/1810 – 330 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

335 [350]) verbiete der Grundsatz der Wahlfreiheit ein Wahlverfahren, das die Entschließungsfreiheit des
Wählers in einer innerhalb des gewählten Wahlsystems vermeidbaren Weise verenge. Aus dem bloßen Vor-
handensein mehrerer Handlungsalternativen auf die Möglichkeit einer rationalen Wahlentscheidung schlie-
ßen zu wollen und Letztere wiederum als Beleg für eine vorhandene Entschließungsfreiheit heranzuziehen,
greife eindeutig zu kurz. Der Wähler einer Kleinstpartei habe nur die Wahl, bei der Stimmabgabe entweder
seine wahre Parteipräferenz zu äußern und damit seine Glaubwürdigkeit vor sich selbst zu bewahren oder
eine erfolgswirksame Stimme abzugeben, wofür er jedoch seine eigentliche Lieblingspartei an der Wahlurne
„verleugnen“ müsse. Die beschriebenen Reaktionen der Wähler auf die Existenz einer „unkompensierten
Sperrklausel“ („Vorwirkung der Sperrklausel auf das Wahlverhalten“) beeinträchtigten nicht nur die Chan-
cengleichheit der Parteien, sondern beeinflussten auch das demokratische Gefüge als Ganzes, indem die Of-
fenheit des demokratischen Prozesses negativ beeinflusst werde. Neue Parteien würden durch den abschre-
ckenden Effekt, den die Sperrklausel mit sich bringe(n könne), unnötig stark am Wachsen gehindert. Sie
gelängen nicht ins Parlament, was die betroffenen Interessengruppen in die (im Extremfall radikale) außer-
parlamentarische Opposition und zur Wahlenthaltung treibe. Eine zu geringe Durchlässigkeit fördere die
Entfremdung zwischen den Bürgern und den Repräsentanten. Eine weitere negative Auswirkung der
unkompensierten Sperrklausel sei, dass die Wahlergebnisse zu einem mehr oder weniger großen Teil nicht
die wahren Präferenzen der Wähler widerspiegelten. Eine weitere Destabilisierung der Demokratie entstehe,
wenn es zu einer „Mehrheitsumkehr“ komme, die Parlamentsmehrheit also nicht von der Wählermehrheit
getragen werde.

Der Grundrechtseingriff durch die unkompensierte Sperrklausel könne nur gerechtfertigt sein, wenn er ein
legitimes Ziel verfolge, geeignet, erforderlich und angemessen sei. Die unkompensierte Sperrklausel sei nicht
erforderlich, da es mehrere alternative Instrumente im Sinne einer „kompensierten Sperrklausel“ gebe, die
jeweils ein vergleichsweise milderes Mittel darstellten. Sie kombinierten die Sperrklausel mit speziellen
Stimmgebungsverfahren, um die von der Sperrklausel verursachten negativen Nebenwirkungen – insbeson-
dere die starken Eingriffe in die Gleichheit der Wahl und die Chancengleichheit der Parteien – zu reduzieren.
Die bisher in § 4 BWG vorgesehene „einfache“ Zweitstimme werde durch eine „zweifache“ Zweitstimme
ersetzt. Als Varianten seien ein expliziter Stichwahlgang, eine „einstufige Dualwahl“ (Konzept der Ersatz-
bzw. Alternativstimme) und eine „mehrstufige Dualwahl“ (mit der Möglichkeit, die Sperrklausel im zweiten
Wahlgang zu überspringen) denkbar. Alle drei Varianten seien verfassungskonform. Bei kompensierten
Sperrklauseln beschränke sich die Verletzung der Wahlgleichheit auf den Fall, in dem ein Wähler nur eine
einzige Partei für wahlbar halte und diese es nicht schaffe, die Sperrhürde zu überwinden. Da es verfassungs-
konforme Alternativen zur unkompensierten Sperrklausel gebe, sei diese verfassungswidrig. Spätestens durch
die nach der Bundestagswahl 2009 stattgefundenen Entwicklungen sei eine Prüfungspflicht des Gesetzgebers
begründet, das Wahlrecht zu ändern.

2. Der Einspruchsführer beantragt außerdem, rechtzeitig zur kommenden Bundestagswahl eine „verfassungs-
konforme Neufassung“ des Bundeswahlgesetzes zu beschließen.

Wegen der Einzelheiten seines Vortrages wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Das Bundesministerium des Innern hat zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-
Sperrklausel am 16. Juni 2014 wie folgt Stellung genommen:

1. Das Bundesverfassungsgericht erachte in ständiger Rechtsprechung bei Wahlen zum Deutschen Bundestag
die heute in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG vorgesehene, auf
das gesamte Wahlgebiet bezogene Fünf-Prozent-Sperrklausel für verfassungsgemäß (vgl. BVerfGE 1, 208
[247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366]; 95, 408 [417 ff.];
120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.]). Zuletzt habe das Gericht in seinem Urteil vom
9. Januar 2011 zur Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen entschieden, dass die Fünf-Prozent-
Sperrklausel bei der Wahl zum Deutschen Bundestag ihre Rechtfertigung im Wesentlichen darin finde, dass
die Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende
Unterstützung nötig sei und dieses Ziel durch die Zersplitterung des Parlaments in viele kleine Gruppen ge-
fährdet werde (BVerfGE 129, 300 [335 f.]). In der Entscheidung vom 26. Februar 2014 (2 BvE 2/13 u. a.) zur
Drei-Prozent-Sperrklausel im Europawahlrecht habe das Gericht erneut bestätigt, dass eine Sperrklausel ge-
rechtfertigt sein könne, wenn Verhältnisse wie auf nationaler Ebene gegeben sind, wo die Bildung einer
stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Unterstützung nötig
sei (ebd. Rn. 72).

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 331 – Drucksache 18/1810

Angesichts der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei der Wahlgesetzgeber verfas-
sungsrechtlich nicht daran gehindert, bei der Verteilung der zu vergebenden Sitze auf die Landeslisten bei der
Bundestagswahl grundsätzlich nur die Parteien zu berücksichtigen, die mindestens fünf Prozent der im Wahl-
gebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten haben (§ 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Ab-
satz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG). Es sei ihm mit anderen Worten von Verfassungs wegen unbenommen,
gültige Zweitstimmen, die auf Landeslisten von Parteien entfallen sind, die nicht die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben, zwar für die Ergebnisfeststellung als relevant zu werten (§ 42 BWG), nicht
aber für die Sitzverteilung. Der Wahlgesetzgeber dürfe also ohne Verstoß gegen Bundesverfassungsrecht alle
zu vergebenden Parlamentssitze auf die Landeslisten derjenigen Parteien verteilen, die die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben.

Im Interesse der Handlungsfähigkeit des Deutschen Bundestages habe der Wahlgesetzgeber bisher an der auf
das gesamte Wahlgebiet bezogenen Fünf-Prozent-Sperrklausel, die seit der Wahl zum 2. Deutschen Bundes-
tag 1953 gilt, festgehalten. Denn eine Wahl habe – wie das Bundesverfassungsgericht betone (vgl. BVerfGE
51, 222 [236]) – „nicht nur das Ziel, eine Volksvertretung zu schaffen, die ein Spiegelbild der in der Wähler-
schaft vorhandenen politischen Meinungen darstellt, sondern sie soll auch ein funktionsfähiges Organ her-
vorbringen.“ Hierfür seien „(k)lare und ihrer Verantwortung für das Gesamtwohl bewusste Mehrheiten in
einer Volksvertretung (…) für eine Bewältigung der ihr gestellten Aufgaben unentbehrlich“, die durch einen
unbegrenzten Proporz nicht gewährleistet sind.

2. Zwar könne nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die verfassungsrechtliche Rechtfer-
tigung einer die Wahlgleichheit berührenden Norm des Wahlrechts wie eine Sperrklauselregelung durch ver-
änderte Verhältnisse oder neue Entwicklungen – etwa durch eine Änderung der vom Gesetzgeber vorausge-
setzten tatsächlichen oder normativen Grundlagen oder wenn sich die beim Erlass der Norm hinsichtlich ihrer
Auswirkungen angestellte Prognose als irrig erwiesen habe – in Frage gestellt werden (BVerfGE 82, 322
[338 f.]; 120, 82 [108]; 129, 300 [321 f.]; Urteil vom 26. Februar 2014, Az. 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 56). Dies
sei im Hinblick auf die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen jedoch nicht der Fall.

Eine Änderung der normativen Grundlagen für die Beurteilung der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundes-
tagswahlen, die das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung als verfassungsgemäß angesehen
habe, sei nicht festzustellen. Insbesondere führten das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
9. November 2011 zur Verfassungswidrigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen (BVerfGE
129, 300) und sein Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Sperrklausel im
Europawahlgesetz (2 BvE 2/13 u. a.) nicht zu einer abweichenden Bewertung. Das Bundesverfassungsgericht
begründe die Verfassungswidrigkeit der Sperrklauseln bei Europawahlen in diesen Urteilen mit der besonde-
ren Stellung und Funktion des Europäischen Parlaments im Gefüge der Organe der Europäischen Union, wo
eine vergleichbare Interessenlage wie bei der Bundestagswahl nicht bestehe (BVerfGE 129, 300 [336]). Auch
in seinem Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Klausel im Europawahl-
gesetz halte das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich an der gefestigten Rechtsprechung zum verfassungs-
rechtlichen Maßstab für die Beurteilung wahlrechtlicher Sperrklauseln fest und lege – wie es mehrfach beto-
ne – seinem Urteil die gleichen Prüfungsmaßstäbe wie im Urteil vom 9. November 2011 zugrunde (Az. 2
BvE 2/13 u. a., Rn. 37, 45, 63). In beiden Urteilen weise das Gericht zudem darauf hin, dass bei der Bundes-
tagswahl – anders als bei der Europawahl – der Deutsche Bundestag im Falle einer eintretenden Funktionsbe-
einträchtigung aufgrund seiner veränderten strukturellen Zusammensetzung nicht mehr in der Lage wäre, die
gesetzlichen Regelungen zur Sicherung seiner Funktionsfähigkeit zu ändern, weil die erforderliche Mehrheit
nicht mehr zustande käme (BVerfGE 129, 300 [324]; Urteil vom 26. Februar 2014, 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 58).

3. Auch in tatsächlicher Hinsicht erfordere das Wahlergebnis der Bundestagswahl 2013, bei der zwei Parteien
mit einem Stimmenanteil von 4,8 Prozent bzw. 4,7 Prozent der Zweitstimmen vergleichsweise knapp an der
Fünf-Prozent-Klausel gescheitert seien, keine Neubewertung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der
Klausel. Der Gesetzgeber habe sich für die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen entschieden und
diese bis heute beibehalten, um in Konstellationen, in denen eine oder mehrere Parteien weniger als fünf
Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, die Funktionsfähigkeit des Bundestages sicherzustellen. Wenn eine
solche Konstellation bei einer Wahl – wie nun der Bundestagswahl 2013 – tatsächlich auftrete, liege gerade
nicht der Fall vor, dass sich eine Prognose des Gesetzgebers als irrig erwiesen habe oder dass eine Änderung
der vom Gesetzgeber vorausgesetzten tatsächlichen Verhältnisse eingetreten sei, sondern es habe sich ledig-
lich ein Szenario realisiert, das der Gesetzgeber mit seiner Regelung von vornherein habe erfassen wollen.
Auch das Bundesverfassungsgericht habe die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen in Kenntnis

Drucksache 18/1810 – 332 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

des Umstands, dass an ihr nicht nur Parteien mit einem niedrigen Stimmenanteil zwischen null und zwei
Prozent der Zweitstimmen, sondern auch Parteien mit einem Stimmenanteil knapp unter fünf Prozent schei-
tern können, in ständiger Rechtsprechung als verfassungsmäßig angesehen (siehe die Nachweise unter 1.).

Die bei der Bundestagswahl 2013 aufgetretene hohe Gesamtzahl von abgegebenen gültigen Zweitstimmen
für Parteien, die die Fünf-Prozent-Sperrklausel nicht überwunden haben, sei kein Grund, das Vorliegen ver-
änderter Verhältnisse bzw. neuer Entwicklungen anzunehmen, die eine Neubewertung der verfassungsrecht-
lichen Zulässigkeit der Sperrklausel erforderten. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Sperrklausel sei
nicht von der Gesamtzahl der Stimmen für diejenigen Parteien abhängig, die die Sperrklausel bei einer ein-
zelnen Wahl nicht überwinden. Die Sperrklausel rechtfertige sich vielmehr durch den mit ihr verfolgten ver-
fassungsrechtlich legitimen Zweck, die Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages sicherzustellen (siehe
die Nachweise unter 1.). Sie erfülle ihren Zweck gerade dann, wenn viele an der Wahl teilnehmende Parteien
die Sperrklausel nicht überwinden, aber ohne Sperrklausel Sitze im Parlament erlangt hätten, da auf diese
Weise eine die stabile Mehrheitsbildung gefährdende Zersplitterung des Bundestages vermieden werde.

4. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel stehe nicht entgegen, dass eine
hohe Zahl von Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die aufgrund der Sperrklausel nicht an der Sitzvertei-
lung teilnehmen, eine absolute Mehrheit der Sitze für Parteien ermögliche, die bei der Wahl deutlich weniger
als der Hälfte der Stimmen erreicht haben. Das Erreichen einer Mehrheit der Sitze im Parlament sei immer
mit weniger als der Hälfte der gültigen Zweitstimmen möglich. Denn auch ohne Sperrklausel erhalte nicht
jede Partei, für die bei der Wahl gültige Stimmen abgegeben wurden, automatisch einen Sitz. Da für einen
Sitz auch ohne Sperrklausel stets eine bestimmte Zahl von Stimmen erforderlich sei, führten nicht alle Stim-
men zu einem Sitzerfolg und darum weniger als 50 Prozent der gültigen Zweitstimmen zu einer Mehrheit der
Sitze. Ein Verfassungsrechtssatz des Inhalts, dass einer Mehrheit der Mitglieder des Bundestages notwendi-
gerweise eine Mehrheit der Zweitstimmen in der Bundestagswahl entsprechen müsse, sei nicht feststellbar.
Wenn aber eine Partei in einer Wahl eine absolute Mehrheit der Zweitstimmen erhalte, sei gesichert, dass auf
sie mehr als die Hälfte der Sitze entfalle (§ 6 Absatz 7 BWG).

5. Gegen die Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht vorgebracht werden, sie verhindere bzw. erschwere
in übermäßiger Weise die Entstehung oder Etablierung neuer Parteien und schränke dadurch in unzulässiger
Weise die Chancengleichheit der Parteien ein. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Chancengleichheit
der Parteien verlange nicht, dass jeder Partei, die bei der Bundestagswahl Stimmen erhalte, Sitze im Bundes-
tag garantiert seien. Jede Partei habe rechtlich die gleiche Chance auf Teilnahme an der Sitzverteilung bei
Überwindung der Sperrklausel. Wenn eine Partei die für alle geltende Sperrklausel nicht überwinde, so sei
dies Resultat zu geringer Zustimmung in der Wählerschaft und gerade nicht ungleicher Chancen, denn die
unterschiedliche Gewichtung des Erfolgswerts von Wahlstimmen durch eine Sperrklausel treffe alle Parteien
gleichermaßen (vgl. BVerfGE 82, 322 [345]).

Dass die Fünf-Prozent-Sperrklausel die Entstehung und Etablierung neuer Parteien nicht verhindere oder
übermäßig erschwere, zeige der Einzug in die Parlamente auch neuer Parteien in den vergangenen Jahren bei
Bundestagswahlen und Landtagswahlen, bei denen nach Landesrecht ebenfalls Fünf-Prozent-Sperrklauseln
bestünden. Die Sperrklauseln trügen zu einem Mindestmaß an Konsolidierung neuer Parteien bei, indem sie
eine funktionierende Organisation und eine hinreichende Kampagnenfähigkeit der Partei erforderlich mach-
ten, um einen erfolgreichen Wahlkampf zu führen, der den Einzug ins Parlament ermögliche. Auch das Bun-
desverfassungsgericht sehe in ständiger Rechtsprechung in der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestags-
wahlen keinen verfassungswidrigen Eingriff in die Chancengleichheit der Parteien (siehe die Nachweise un-
ter 1.).

6. Die Fünf-Prozent-Sperrklausel habe nicht zur Folge, dass die Parteien, die die Sperrklausel überwunden
haben und deshalb an der Sitzverteilung teilnehmen, von den Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die an
der Sperrklausel gescheitert sind und somit nicht an der Sitzverteilung teilnehmen, profitierten und die Wäh-
ler bei der Stimmabgabe nicht erkennen könnten, welche Partei letztlich tatsächlich von ihrer Zweitstimme
profitiere. Von der Zweitstimme für eine Partei profitiere stets die Partei, für die die Stimme abgegeben wor-
den sei. Wenn eine Partei aufgrund eines zur Überwindung der Sperrklausel nicht ausreichenden Zuspruchs
in der Wählerschaft nicht an der Sitzverteilung teilnehme, würden die zu vergebenden Sitze auf die Parteien
verteilt, die die Sperrklausel überwunden haben. Diese Parteien profitierten bei dieser Verteilung von den für
sie abgegebenen Zweitstimmen, nicht von den Zweitstimmen für die an der Sperrklausel gescheiterten Partei-
en, die wegen Nichtteilnahme an der Sitzverteilung zu keinem Sitzerfolg führten.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 333 – Drucksache 18/1810

7. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht entgegengehalten
werden, der Umstand, dass aufgrund der Sperrklausel eine hohe Zahl von Stimmen bei der Sitzverteilung
unberücksichtigt bleibe, befördere die Politikverdrossenheit der Wahlberechtigten. Unabhängig davon, ob
dies tatsächlich der Fall sei, habe sich der Gesetzgeber dazu entschieden, der Sicherung der Funktionsfähig-
keit des Parlaments Vorrang vor derartigen Erwägungen einzuräumen. Das Bundesverfassungsgericht erachte
dies in ständiger Rechtsprechung für verfassungsrechtlich zulässig (siehe die Nachweise unter 1.). Ein wegen
Zersplitterung in kleine und kleinste Fraktionen nicht mehrheits- und handlungsfähiges Parlament, das zur
Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nicht in der Lage sei, wäre zudem in weit höherem Maße geeignet, Politikverdrossenheit zu för-
dern.

8. Aufgrund der verfassungskonformen Ausgestaltung der Fünf-Prozent-Sperrklausel im geltenden Bundes-
wahlgesetz sei der Wahlgesetzgeber auch nicht zur Einführung einer Alternativstimme („Eventualstimme“,
„Ersatzstimme“ bzw. „Stimmweitergabe-Option“) verpflichtet. Ergänzend sei darauf verwiesen, dass im
Schrifttum gegen die Einführung einer solchen Alternativstimme verfassungsrechtliche Bedenken geltend
gemacht würden: Eine Alternativstimme sei mit dem Charakter der Stimmabgabe als einer vorbehaltlosen
und bedingungsfeindlichen Willenserklärung nicht zu vereinbaren und verstoße daher gegen den Grundsatz
der Unmittelbarkeit der Wahl im Sinne des Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 GG und gegen das Demokratieprinzip
nach Artikel 20 Absatz 1 GG (so Strelen, in: Schreiber, Bundeswahlgesetz, 9. Auflage 2013, § 6 Rn. 37 so-
wie Schreiber, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: 43. Lfg. April 2014, Art. 38
Rn. 40, 132). Überdies wäre die Gewährung einer Alternativstimme auch keine verfassungspolitisch ange-
zeigte Fortentwicklung des Wahlrechts. Sie würde das Stimmabgabeverfahren verkomplizieren, die Ermitt-
lung des Wahlergebnisses wesentlich erschweren und verzögern und den Wähler von einer eindeutigen poli-
tischen Entscheidung ohne Vorbehalt und Rückfallposition entpflichten (vgl. im Einzelnen hierzu Strelen, in:
Schreiber, § 6 Rn. 37).

9. Die Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Klausel sei schließlich auch nicht davon abhängig, dass Par-
teien, die jeweils mit einer eigenen Liste an der Bundestagswahl teilnehmen, ihre Landeslisten verbinden
dürften, um als Zählgemeinschaft die Sperrklausel zu überwinden. Derartige Listenverbindungen verschiede-
ner Parteien bei der Bundestagswahl seien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wegen
Verstoßes gegen den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit der Parteien verfas-
sungswidrig (BVerfGE 82, 322 [345 f.]). Eine derartige Listenverbindung würde allein dem Zweck dienen,
die verfassungslegitime Zielsetzung einer Fünf-Prozent-Sperrklausel, die Verhinderung einer Zersplitterung
des Parlaments, zu umgehen.

Entscheidungsgründe

I.

Der Einspruch ist unzulässig, soweit der Einspruchsführer Änderungen des Wahlrechts anstrebt. Ein Ein-
spruch ist gemäß § 1 Absatz 1 des Wahlprüfungsgesetzes nämlich nur statthaft, wenn er die Gültigkeit der
Wahlen zum Deutschen Bundestag und die Verletzung von Rechten bei der Vorbereitung oder Durchführung
der Wahl, soweit sie der Wahlprüfung nach Artikel 41 GG unterliegen, zum Gegenstand hat. Der Einspruchs-
führer unterbreitet lediglich Reformvorschläge für die Zukunft. Ein Bezug zur Gültigkeit der Wahl zum 18.
Deutschen Bundestag oder einer möglichen Rechtsverletzung bei der Vorbereitung und Durchführung dieser
Wahl fehlt.

II.

Soweit der Einspruch zulässig ist, ist er unbegründet. Dem Vortrag des Einspruchsführers lässt sich kein
Verstoß gegen Wahlrechtsvorschriften und damit kein Wahlfehler entnehmen.

Der Einspruchsführer bestreitet nicht, dass das Verfahren zur Auszählung der Stimmen und zur Verteilung
der Sitze auf die Landeslisten der Parteien bei der Bundestagswahl 2013 den Vorgaben des Bundeswahlge-
setzes entsprach. Dieses regelt in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1,
dass bei der Verteilung der Sitze auf die Landeslisten nur Parteien berücksichtigt werden, die mindestens fünf
Prozent der im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten oder in mindestens drei Wahlkrei-
sen einen Sitz errungen haben. Soweit der Einspruchsführer geltend macht, die Sperrklausel verstoße gegen

Drucksache 18/1810 – 334 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

den Grundsatz der Wahlgleichheit und sei daher verfassungswidrig, ist darauf hinzuweisen, dass der Wahl-
prüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsverfah-
rens die Verfassungsmäßigkeit der für die Wahl geltenden Rechtsvorschriften nicht überprüfen. Eine derarti-
ge Kontrolle ist stets dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten worden (vgl. etwa Bundestagsdrucksachen
16/1800, Anlagen 26 bis 28 mit weiteren Nachweisen; 17/1000, Anlagen 5 und 11; 17/2200, Anlagen 1, 13
bis 15, 17 bis 20, 23 und 24; 17/3100, Anlagen 15, 19, 20, 22 bis 30, 32, 34 bis 36; 17/4600, Anlagen 10, 12,
13, 32, 38, 40 bis 43 mit weiteren Nachweisen; 17/6300, Anlage 19). Allerdings hat der Wahlprüfungsaus-
schuss schon in zahlreichen Wahlprüfungsentscheidungen früherer Wahlperioden keinen Anlass für Zweifel
an der Verfassungsmäßigkeit der Regelung gesehen (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen 15/1850, Anlagen 9
und 47; 16/900, Anlage 14), zumal das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit der Sperrklausel
in ihrer Ausgestaltung durch das Bundeswahlgesetz in ständiger Rechtsprechung bestätigt hat (vgl. BVerfGE
1, 208 [247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366]; 95, 408
[417 ff.]; 120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.], siehe auch Bundestagsdrucksache 16/900,
Anlage 14). Es ist folglich verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass alle Parlamentssitze auf diejeni-
gen Parteien verteilt werden, welche die Fünf-Prozent-Hürde überwunden haben. Zwar kann nach der Recht-
sprechung des Bundesverfassungsgerichts die Sperrklausel durch veränderte Verhältnisse infrage gestellt
werden. Dies ist bezüglich der Bundestagswahl 2013 aber nicht der Fall, wie das Bundesministerium des
Innern – auch unter Bezugnahme auf die Urteile vom 9. November 2011 und 26. Februar 2014 – in seiner
Stellungnahme zutreffend feststellt: Dass nach dem amtlichen Endergebnis der Bundestagswahl 2013 insge-
samt 15,7 Prozent der gültigen Zweitstimmen nicht in die Mandatsverteilung eingeflossen sind, weil sie für
insgesamt 25 Parteien abgegeben wurden, die bundesweit weniger als fünf Prozent der Zweitstimmen erreicht
haben, ändert nichts an der vom Bundesverfassungsgericht festgestellten Verfassungskonformität der Fünf-
Prozent-Hürde. Zwar war der Anteil der gültigen, aber wegen der Sperrklausel nicht in die Sitzverteilung
eingeflossenen Zweitstimmen bei der Bundestagswahl 2013 höher als bei früheren Bundestagswahlen, da –
anders als bei vorhergehenden Wahlen – zwei Parteien jeweils fast fünf Prozent und zudem 23 weitere Par-
teien insgesamt 6,2 Prozent (für sich genommen aber teilweise weniger als 0,1 Prozent) erreicht haben. Je-
doch ist dieser Umstand nicht atypisch oder zuvor unbekannt gewesen. Es ist zudem durchaus möglich, dass
er bei kommenden Bundestagswahlen mit anderen Wahlergebnissen nicht (mehr) auftritt. Der Einzug neuer
Parteien in den Deutschen Bundestag wird, wie Beispiele aus der Geschichte der Bundesrepublik zeigen,
ohnehin nicht durch die Sperrklausel verhindert. Außerdem ist die Fünf-Prozent-Hürde auf das jeweilige
Ergebnis einer jeden Partei bezogen. Nur die konkrete Stimmenzahl jeder Partei kann der Ausgangspunkt der
Sitzverteilung auf die Landeslisten sein (vgl. § 6 Absatz 1 BWG) – übrigens auch dann, wenn man gedank-
lich die Sperrklausel streicht oder eine niedrigere Sperrklausel ansetzt –; erst im zweiten Schritt ist die Stim-
menzahl einer jeden Partei in Relation zu den Stimmenanteilen der anderen Parteien zu setzen (vgl. § 6 Ab-
sätze 2 bis 7 BWG). Die gedankliche Addition von Zweitstimmenanteilen kann folglich für die Fünf-Prozent-
Hürde keine Aussagekraft beanspruchen.

Das vom Einspruchsführer befürwortete Konzept einer Eventualstimme (Alternativstimme, Ersatzstimme)
wäre – wenn es Gesetz würde – verfassungwidrig. Die Einführung einer Eventualstimme verstieße gegen den
Grundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl im Sinne des Artikels 38 Absatz 1 Satz 1 GG und gegen das Demo-
kratieprinzip in Art. 20 Absatz 1 GG (vgl. nur Strelen, in: Schreiber, § 6 Rn. 37).

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 335 – Drucksache 18/1810

Anlage 51

Beschlussempfehlung

ZumWahleinspruch

1. des Herrn C. B., 39171 Sülzetal,
2. der Frau C. B., ebenda,

3. des Herrn J. B., 39590 Tangermünde,
4. des Herrn S. E., 39291 Möser OT Hohenwarthe,

5. des Herrn A. G., 39171 Sülzetal,
6. der Frau A. G., 39517 Burgstall OT Blätz,
7. des Herrn S. G., 16547 Birkenwerder,

8. des Herrn W. G., 39517 Burgstall OT Blätz,
9. der Frau K.-L. H., 67059 Ludwigshafen,
10. des Herrn M. M., 39118 Magdeburg,

vertreten durch Herrn C. B., 39171 Sülzetal,

– Az.: WP 184/13 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag
am 22. September 2013

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 26. Juni 2014 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Die Einspruchsführer haben durch ihren Bevollmächtigten mit einem Fax vom 21. November 2013 Einspruch
gegen die Gültigkeit der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag am 22. September 2013 eingelegt.

Sie rügen zwei Sachverhalte:

1. Eine Vielzahl von wahlberechtigten Bürgern sei wegen einer verspäteten Zustellung der Briefwahlunterla-
gen von der Wahl ausgeschlossen gewesen. Beispielsweise habe der den Einspruchsführern persönlich be-
kannte Herr D. M. in Osnabrück am 6. September 2013 seine Briefwahlunterlagen beantragt, diese aber erst
am Freitag, dem 20. September 2013, erhalten. Der berufstätige Bürger habe nicht an der Bundestagswahl
teilnehmen können, da der ausgefüllte Wahlschein im besten Fall am Freitagabend in einen Briefkasten hätte
eingeworfen werden können. Das wäre zu spät gewesen.

2. Die Einspruchsführer wenden sich außerdem gegen die Fünf-Prozent-Hürde. Der Wille von 15,7 Prozent
aller Wähler, also rund sieben Millionen Menschen, die ordentlich an der Bundestagswahl teilgenommen und
eine gültigen Stimmzettel abgegeben hätten, sei bedeutungslos, da gemäß § 6 Absatz 3 des Bundeswahlgeset-
zes (BWG) nur Parteien (bei der Sitzverteilung) berücksichtigt würden, die im Wahlgebiet mindestens fünf
Prozent der abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten oder in mindestens drei Wahlkreisen ein Direkt-
mandat errungen hätten. Das Bundesverfassungsgericht habe in seinem Urteil vom 9. November 2011 die
Fünf-Prozent-Sperrklausel im Europawahlgesetz für verfassungswidrig erklärt. Es müsse davon ausgegangen
werden, dass ein Urteil des Gerichts zu § 6 Absatz 3 BWG genauso ausfiele. Die Sperrklausel verfolge das
Ziel, die Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages zu erhalten, stabile Mehrheiten zu fördern sowie
Zersplitterungen entgegenzuwirken. Es sei nicht erkennbar, dass die Funktionsfähigkeit des Parlaments durch
eine Drei-Prozent-Klausel gefährdet wäre. Das Ziel der Fünf-Prozent-Hürde sei bei der angegriffenen Wahl
klar verfehlt worden, weshalb der mit der Klausel erfolgte Eingriff in die Wahlrechtsgleichheit und die Chan-
cengleichheit der Parteien nicht gerechtfertigt sei. § 6 Absatz 3 BWG sei daher verfassungswidrig.

Die Niedersächsische Landeswahlleiterin hat zu dem Einspruch, soweit er ihre Zuständigkeit betrifft, im
Wesentlichen wie folgt Stellung genommen:

Drucksache 18/1810 – 336 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Sie habe die Kreiswahlleiterin des Wahlkreises 39 (Stadt Osnabrück) um Stellungnahme gebeten. Diese habe
ihr mitgeteilt, dass der Wahlscheinantrag (des Herrn D. M.) das Datum vom 9. September 2013 trage. Der
Antrag sei jedoch erst am 19. September 2013 bei der Stadt Osnabrück eingegangen und dort unverzüglich
bearbeitet worden. Noch am selben Tag seien der Wahlschein mit den Briefwahlunterlagen zur Post gegeben
worden. Der zurückgesandte Wahlbrief sei nach Angaben der Stadt Osnabrück so rechtzeitig eingegangen,
dass er dem Paket der gültigen Wahlscheine des Briefwahlbezirks 191 im Wahlbezirk 39 beigelegen habe.

Aus dem von der Stadt Osnabrück beigefügten Wahlschein sei ersichtlich, dass der Wahlschein der Stadt
Osnabrück mit der Unterschrift vom 20. September 2013 dort am Wahltag vorgelegen habe. Somit habe Herr
M. auch seine Stimme rechtzeitig abgegeben können.

Einen Wahlfehler könne sie, die Landeswahlleiterin, demnach bereits rein tatsächlich nicht erkennen. Sie
halte den Einspruch daher für unbegründet.

Die Einspruchsführer haben sich zu der ihnen übersandten Stellungnahme nicht mehr geäußert.

Das Bundesministerium des Innern hat zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-
Sperrklausel am 16. Juni 2014 wie folgt Stellung genommen:

1. Das Bundesverfassungsgericht erachte in ständiger Rechtsprechung bei Wahlen zum Deutschen Bundestag
die heute in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG vorgesehene, auf
das gesamte Wahlgebiet bezogene Fünf-Prozent-Sperrklausel für verfassungsgemäß (vgl. BVerfGE 1, 208
[247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366]; 95, 408 [417 ff.];
120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.]). Zuletzt habe das Gericht in seinem Urteil vom
9. Januar 2011 zur Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen entschieden, dass die Fünf-Prozent-
Sperrklausel bei der Wahl zum Deutschen Bundestag ihre Rechtfertigung im Wesentlichen darin finde, dass
die Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende
Unterstützung nötig sei und dieses Ziel durch die Zersplitterung des Parlaments in viele kleine Gruppen ge-
fährdet werde (BVerfGE 129, 300 [335 f.]). In der Entscheidung vom 26. Februar 2014 (2 BvE 2/13 u. a.) zur
Drei-Prozent-Sperrklausel im Europawahlrecht habe das Gericht erneut bestätigt, dass eine Sperrklausel ge-
rechtfertigt sein könne, wenn Verhältnisse wie auf nationaler Ebene gegeben sind, wo die Bildung einer
stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Unterstützung nötig
sei (ebd. Rn. 72).

Angesichts der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei der Wahlgesetzgeber verfas-
sungsrechtlich nicht daran gehindert, bei der Verteilung der zu vergebenden Sitze auf die Landeslisten bei der
Bundestagswahl grundsätzlich nur die Parteien zu berücksichtigen, die mindestens fünf Prozent der im Wahl-
gebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten haben (§ 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Ab-
satz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG). Es sei ihm mit anderen Worten von Verfassungs wegen unbenommen,
gültige Zweitstimmen, die auf Landeslisten von Parteien entfallen sind, die nicht die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben, zwar für die Ergebnisfeststellung als relevant zu werten (§ 42 BWG), nicht
aber für die Sitzverteilung. Der Wahlgesetzgeber dürfe also ohne Verstoß gegen Bundesverfassungsrecht alle
zu vergebenden Parlamentssitze auf die Landeslisten derjenigen Parteien verteilen, die die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben.

Im Interesse der Handlungsfähigkeit des Deutschen Bundestages habe der Wahlgesetzgeber bisher an der auf
das gesamte Wahlgebiet bezogenen Fünf-Prozent-Sperrklausel, die seit der Wahl zum 2. Deutschen Bundes-
tag 1953 gilt, festgehalten. Denn eine Wahl habe – wie das Bundesverfassungsgericht betone (vgl. BVerfGE
51, 222 [236]) – „nicht nur das Ziel, eine Volksvertretung zu schaffen, die ein Spiegelbild der in der Wähler-
schaft vorhandenen politischen Meinungen darstellt, sondern sie soll auch ein funktionsfähiges Organ her-
vorbringen.“ Hierfür seien „(k)lare und ihrer Verantwortung für das Gesamtwohl bewusste Mehrheiten in
einer Volksvertretung (…) für eine Bewältigung der ihr gestellten Aufgaben unentbehrlich“, die durch einen
unbegrenzten Proporz nicht gewährleistet sind.

2. Zwar könne nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die verfassungsrechtliche Rechtfer-
tigung einer die Wahlgleichheit berührenden Norm des Wahlrechts wie eine Sperrklauselregelung durch ver-
änderte Verhältnisse oder neue Entwicklungen – etwa durch eine Änderung der vom Gesetzgeber vorausge-
setzten tatsächlichen oder normativen Grundlagen oder wenn sich die beim Erlass der Norm hinsichtlich ihrer
Auswirkungen angestellte Prognose als irrig erwiesen habe – in Frage gestellt werden (BVerfGE 82, 322

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 337 – Drucksache 18/1810

[338 f.]; 120, 82 [108]; 129, 300 [321 f.]; Urteil vom 26. Februar 2014, Az. 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 56). Dies
sei im Hinblick auf die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen jedoch nicht der Fall.

Eine Änderung der normativen Grundlagen für die Beurteilung der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundes-
tagswahlen, die das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung als verfassungsgemäß angesehen
habe, sei nicht festzustellen. Insbesondere führten das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
9. November 2011 zur Verfassungswidrigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen (BVerfGE
129, 300) und sein Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Sperrklausel im
Europawahlgesetz (2 BvE 2/13 u. a.) nicht zu einer abweichenden Bewertung. Das Bundesverfassungsgericht
begründe die Verfassungswidrigkeit der Sperrklauseln bei Europawahlen in diesen Urteilen mit der besonde-
ren Stellung und Funktion des Europäischen Parlaments im Gefüge der Organe der Europäischen Union, wo
eine vergleichbare Interessenlage wie bei der Bundestagswahl nicht bestehe (BVerfGE 129, 300 [336]). Auch
in seinem Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Klausel im Europawahl-
gesetz halte das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich an der gefestigten Rechtsprechung zum verfassungs-
rechtlichen Maßstab für die Beurteilung wahlrechtlicher Sperrklauseln fest und lege – wie es mehrfach beto-
ne – seinem Urteil die gleichen Prüfungsmaßstäbe wie im Urteil vom 9. November 2011 zugrunde (Az. 2
BvE 2/13 u. a., Rn. 37, 45, 63). In beiden Urteilen weise das Gericht zudem darauf hin, dass bei der Bundes-
tagswahl – anders als bei der Europawahl – der Deutsche Bundestag im Falle einer eintretenden Funktionsbe-
einträchtigung aufgrund seiner veränderten strukturellen Zusammensetzung nicht mehr in der Lage wäre, die
gesetzlichen Regelungen zur Sicherung seiner Funktionsfähigkeit zu ändern, weil die erforderliche Mehrheit
nicht mehr zustande käme (BVerfGE 129, 300 [324]; Urteil vom 26. Februar 2014, 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 58).

3. Auch in tatsächlicher Hinsicht erfordere das Wahlergebnis der Bundestagswahl 2013, bei der zwei Parteien
mit einem Stimmenanteil von 4,8 Prozent bzw. 4,7 Prozent der Zweitstimmen vergleichsweise knapp an der
Fünf-Prozent-Klausel gescheitert seien, keine Neubewertung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der
Klausel. Der Gesetzgeber habe sich für die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen entschieden und
diese bis heute beibehalten, um in Konstellationen, in denen eine oder mehrere Parteien weniger als fünf
Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, die Funktionsfähigkeit des Bundestages sicherzustellen. Wenn eine
solche Konstellation bei einer Wahl – wie nun der Bundestagswahl 2013 – tatsächlich auftrete, liege gerade
nicht der Fall vor, dass sich eine Prognose des Gesetzgebers als irrig erwiesen habe oder dass eine Änderung
der vom Gesetzgeber vorausgesetzten tatsächlichen Verhältnisse eingetreten sei, sondern es habe sich ledig-
lich ein Szenario realisiert, das der Gesetzgeber mit seiner Regelung von vornherein habe erfassen wollen.
Auch das Bundesverfassungsgericht habe die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen in Kenntnis
des Umstands, dass an ihr nicht nur Parteien mit einem niedrigen Stimmenanteil zwischen null und zwei
Prozent der Zweitstimmen, sondern auch Parteien mit einem Stimmenanteil knapp unter fünf Prozent schei-
tern können, in ständiger Rechtsprechung als verfassungsmäßig angesehen (siehe die Nachweise unter 1.).

Die bei der Bundestagswahl 2013 aufgetretene hohe Gesamtzahl von abgegebenen gültigen Zweitstimmen
für Parteien, die die Fünf-Prozent-Sperrklausel nicht überwunden haben, sei kein Grund, das Vorliegen ver-
änderter Verhältnisse bzw. neuer Entwicklungen anzunehmen, die eine Neubewertung der verfassungsrecht-
lichen Zulässigkeit der Sperrklausel erforderten. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Sperrklausel sei
nicht von der Gesamtzahl der Stimmen für diejenigen Parteien abhängig, die die Sperrklausel bei einer ein-
zelnen Wahl nicht überwinden. Die Sperrklausel rechtfertige sich vielmehr durch den mit ihr verfolgten ver-
fassungsrechtlich legitimen Zweck, die Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages sicherzustellen (siehe
die Nachweise unter 1.). Sie erfülle ihren Zweck gerade dann, wenn viele an der Wahl teilnehmende Parteien
die Sperrklausel nicht überwinden, aber ohne Sperrklausel Sitze im Parlament erlangt hätten, da auf diese
Weise eine die stabile Mehrheitsbildung gefährdende Zersplitterung des Bundestages vermieden werde.

4. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel stehe nicht entgegen, dass eine
hohe Zahl von Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die aufgrund der Sperrklausel nicht an der Sitzvertei-
lung teilnehmen, eine absolute Mehrheit der Sitze für Parteien ermögliche, die bei der Wahl deutlich weniger
als der Hälfte der Stimmen erreicht haben. Das Erreichen einer Mehrheit der Sitze im Parlament sei immer
mit weniger als der Hälfte der gültigen Zweitstimmen möglich. Denn auch ohne Sperrklausel erhalte nicht
jede Partei, für die bei der Wahl gültige Stimmen abgegeben wurden, automatisch einen Sitz. Da für einen
Sitz auch ohne Sperrklausel stets eine bestimmte Zahl von Stimmen erforderlich sei, führten nicht alle Stim-
men zu einem Sitzerfolg und darum weniger als 50 Prozent der gültigen Zweitstimmen zu einer Mehrheit der
Sitze. Ein Verfassungsrechtssatz des Inhalts, dass einer Mehrheit der Mitglieder des Bundestages notwendi-
gerweise eine Mehrheit der Zweitstimmen in der Bundestagswahl entsprechen müsse, sei nicht feststellbar.

Drucksache 18/1810 – 338 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Wenn aber eine Partei in einer Wahl eine absolute Mehrheit der Zweitstimmen erhalte, sei gesichert, dass auf
sie mehr als die Hälfte der Sitze entfalle (§ 6 Absatz 7 BWG).

5. Gegen die Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht vorgebracht werden, sie verhindere bzw. erschwere
in übermäßiger Weise die Entstehung oder Etablierung neuer Parteien und schränke dadurch in unzulässiger
Weise die Chancengleichheit der Parteien ein. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Chancengleichheit
der Parteien verlange nicht, dass jeder Partei, die bei der Bundestagswahl Stimmen erhalte, Sitze im Bundes-
tag garantiert seien. Jede Partei habe rechtlich die gleiche Chance auf Teilnahme an der Sitzverteilung bei
Überwindung der Sperrklausel. Wenn eine Partei die für alle geltende Sperrklausel nicht überwinde, so sei
dies Resultat zu geringer Zustimmung in der Wählerschaft und gerade nicht ungleicher Chancen, denn die
unterschiedliche Gewichtung des Erfolgswerts von Wahlstimmen durch eine Sperrklausel treffe alle Parteien
gleichermaßen (vgl. BVerfGE 82, 322 [345]).

Dass die Fünf-Prozent-Sperrklausel die Entstehung und Etablierung neuer Parteien nicht verhindere oder
übermäßig erschwere, zeige der Einzug in die Parlamente auch neuer Parteien in den vergangenen Jahren bei
Bundestagswahlen und Landtagswahlen, bei denen nach Landesrecht ebenfalls Fünf-Prozent-Sperrklauseln
bestünden. Die Sperrklauseln trügen zu einem Mindestmaß an Konsolidierung neuer Parteien bei, indem sie
eine funktionierende Organisation und eine hinreichende Kampagnenfähigkeit der Partei erforderlich mach-
ten, um einen erfolgreichen Wahlkampf zu führen, der den Einzug ins Parlament ermögliche. Auch das Bun-
desverfassungsgericht sehe in ständiger Rechtsprechung in der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestags-
wahlen keinen verfassungswidrigen Eingriff in die Chancengleichheit der Parteien (siehe die Nachweise un-
ter 1.).

6. Die Fünf-Prozent-Sperrklausel habe nicht zur Folge, dass die Parteien, die die Sperrklausel überwunden
haben und deshalb an der Sitzverteilung teilnehmen, von den Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die an
der Sperrklausel gescheitert sind und somit nicht an der Sitzverteilung teilnehmen, profitierten und die Wäh-
ler bei der Stimmabgabe nicht erkennen könnten, welche Partei letztlich tatsächlich von ihrer Zweitstimme
profitiere. Von der Zweitstimme für eine Partei profitiere stets die Partei, für die die Stimme abgegeben wor-
den sei. Wenn eine Partei aufgrund eines zur Überwindung der Sperrklausel nicht ausreichenden Zuspruchs
in der Wählerschaft nicht an der Sitzverteilung teilnehme, würden die zu vergebenden Sitze auf die Parteien
verteilt, die die Sperrklausel überwunden haben. Diese Parteien profitierten bei dieser Verteilung von den für
sie abgegebenen Zweitstimmen, nicht von den Zweitstimmen für die an der Sperrklausel gescheiterten Partei-
en, die wegen Nichtteilnahme an der Sitzverteilung zu keinem Sitzerfolg führten.

7. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht entgegengehalten
werden, der Umstand, dass aufgrund der Sperrklausel eine hohe Zahl von Stimmen bei der Sitzverteilung
unberücksichtigt bleibe, befördere die Politikverdrossenheit der Wahlberechtigten. Unabhängig davon, ob
dies tatsächlich der Fall sei, habe sich der Gesetzgeber dazu entschieden, der Sicherung der Funktionsfähig-
keit des Parlaments Vorrang vor derartigen Erwägungen einzuräumen. Das Bundesverfassungsgericht erachte
dies in ständiger Rechtsprechung für verfassungsrechtlich zulässig (siehe die Nachweise unter 1.). Ein wegen
Zersplitterung in kleine und kleinste Fraktionen nicht mehrheits- und handlungsfähiges Parlament, das zur
Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nicht in der Lage sei, wäre zudem in weit höherem Maße geeignet, Politikverdrossenheit zu för-
dern.

8. Aufgrund der verfassungskonformen Ausgestaltung der Fünf-Prozent-Sperrklausel im geltenden Bundes-
wahlgesetz sei der Wahlgesetzgeber auch nicht zur Einführung einer Alternativstimme („Eventualstimme“,
„Ersatzstimme“ bzw. „Stimmweitergabe-Option“) verpflichtet. Ergänzend sei darauf verwiesen, dass im
Schrifttum gegen die Einführung einer solchen Alternativstimme verfassungsrechtliche Bedenken geltend
gemacht würden: Eine Alternativstimme sei mit dem Charakter der Stimmabgabe als einer vorbehaltlosen
und bedingungsfeindlichen Willenserklärung nicht zu vereinbaren und verstoße daher gegen den Grundsatz
der Unmittelbarkeit der Wahl im Sinne des Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) und gegen
das Demokratieprinzip nach Artikel 20 Absatz 1 GG (so Strelen, in: Schreiber, Bundeswahlgesetz, 9. Auflage
2013, § 6 Rn. 37 sowie Schreiber, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: 43. Lfg.
April 2014, Art. 38 Rn. 40, 132). Überdies wäre die Gewährung einer Alternativstimme auch keine verfas-
sungspolitisch angezeigte Fortentwicklung des Wahlrechts. Sie würde das Stimmabgabeverfahren verkompli-
zieren, die Ermittlung des Wahlergebnisses wesentlich erschweren und verzögern und den Wähler von einer

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 339 – Drucksache 18/1810

eindeutigen politischen Entscheidung ohne Vorbehalt und Rückfallposition entpflichten (vgl. im Einzelnen
hierzu Strelen, in: Schreiber, § 6 Rn. 37).

9. Die Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Klausel sei schließlich auch nicht davon abhängig, dass Par-
teien, die jeweils mit einer eigenen Liste an der Bundestagswahl teilnehmen, ihre Landeslisten verbinden
dürften, um als Zählgemeinschaft die Sperrklausel zu überwinden. Derartige Listenverbindungen verschiede-
ner Parteien bei der Bundestagswahl seien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wegen
Verstoßes gegen den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit der Parteien verfas-
sungswidrig (BVerfGE 82, 322 [345 f.]). Eine derartige Listenverbindung würde allein dem Zweck dienen,
die verfassungslegitime Zielsetzung einer Fünf-Prozent-Sperrklausel, die Verhinderung einer Zersplitterung
des Parlaments, zu umgehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet. Dem Vortrag der Einspruchsführer lässt sich kein Verstoß ge-
gen Wahlrechtsvorschriften und damit kein Wahlfehler entnehmen.

1. Die Einspruchsführer erklären zwar, eine Vielzahl von wahlberechtigten Bürgern sei wegen einer verspäte-
ten Zustellung der Briefwahlunterlagen von der Wahl ausgeschlossen gewesen. Sie belegen diese Behaup-
tung jedoch nicht. Wahlbeanstandungen, die über nicht belegte Vermutungen oder die bloße Andeutung der
Möglichkeit von Wahlfehlern nicht hinausgehen und einen konkreten, der Überprüfung zugänglichen Tatsa-
chenvortrag nicht enthalten, müssen als unsubstantiiert zurückgewiesen werden (Bundestagsdrucksachen
15/1150, Anlagen 283, 284, 285; 15/1850, Anlage 25; 15/2400, Anlage 9; 17/1000, Anlagen 13 und 19;
BVerfGE 48, 271 [276]; 66, 369 [379]; 85, 148 [159]; 122, 304 [309]; Hahlen, in: Schreiber, § 49 Rn. 25).
Namentlich im Falle des Herrn. D. M. lag kein Wahlfehler vor. Diese hat seine Briefwahlunterlagen rechtzei-
tig erhalten und nachweisbar fristgerecht zurückgesandt, so dass seine Stimmabgabe in das Wahlergebnis
einfloss.

2. Die Einspruchsführer bestreiten nicht, dass das Verfahren zur Auszählung der Stimmen und zur Verteilung
der Sitze auf die Landeslisten der Parteien bei der Bundestagswahl 2013 den Vorgaben des Bundeswahlge-
setzes entsprach. Dieses regelt in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1,
dass bei der Verteilung der Sitze auf die Landeslisten nur Parteien berücksichtigt werden, die mindestens fünf
Prozent der im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten oder in mindestens drei Wahlkrei-
sen einen Sitz errungen haben. Soweit die Einspruchsführer geltend machen, die Sperrklausel verstoße gegen
den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit sowie den Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien und sei
verfassungswidrig, ist darauf hinzuweisen, dass der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in
ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens die Verfassungsmäßigkeit der für die Wahl gel-
tenden Rechtsvorschriften nicht überprüfen. Eine derartige Kontrolle ist stets dem Bundesverfassungsgericht
vorbehalten worden (vgl. etwa Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlagen 26 bis 28 mit weiteren Nachwei-
sen; 17/1000, Anlagen 5 und 11; 17/2200, Anlagen 1, 13 bis 15, 17 bis 20, 23 und 24; 17/3100, Anlagen 15,
19, 20, 22 bis 30, 32, 34 bis 36; 17/4600, Anlagen 10, 12, 13, 32, 38, 40 bis 43 mit weiteren Nachweisen;
17/6300, Anlage 19). Allerdings hat der Wahlprüfungsausschuss schon in zahlreichen Wahlprüfungsent-
scheidungen früherer Wahlperioden keinen Anlass für Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Regelung
gesehen (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen 15/1850, Anlagen 9 und 47; 16/900, Anlage 14), zumal das
Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit der Sperrklausel in ihrer Ausgestaltung durch das Bun-
deswahlgesetz in ständiger Rechtsprechung bestätigt hat (vgl. BVerfGE 1, 208 [247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84
[92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366]; 95, 408 [417 ff.]; 120, 82 [109 ff.]; 122, 304
[314 f.]; 129, 300 [335 f.], siehe auch Bundestagsdrucksache 16/900, Anlage 14). Es ist folglich verfassungs-
rechtlich nicht zu beanstanden, dass alle Parlamentssitze auf diejenigen Parteien verteilt werden, welche die
Fünf-Prozent-Hürde überwunden haben. Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
die Sperrklausel durch veränderte Verhältnisse infrage gestellt werden. Dies ist bezüglich der Bundestags-
wahl 2013 aber nicht der Fall, wie das Bundesministerium des Innern – auch unter Bezugnahme auf die Ur-
teile vom 9. November 2011 und 26. Februar 2014 – in seiner Stellungnahme zutreffend feststellt: Dass nach
dem amtlichen Endergebnis der Bundestagswahl 2013 insgesamt 15,7 Prozent der gültigen Zweitstimmen
nicht in die Mandatsverteilung eingeflossen sind, weil sie für insgesamt 25 Parteien abgegeben wurden, die
bundesweit weniger als fünf Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, ändert nichts an der vom Bundesver-
fassungsgericht festgestellten Verfassungskonformität der Fünf-Prozent-Hürde. Zwar war der Anteil der gül-

Drucksache 18/1810 – 340 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

tigen, aber wegen der Sperrklausel nicht in die Sitzverteilung eingeflossenen Zweitstimmen bei der Bundes-
tagswahl 2013 höher als bei früheren Bundestagswahlen, da – anders als bei vorhergehenden Wahlen – zwei
Parteien jeweils fast fünf Prozent und zudem 23 weitere Parteien insgesamt 6,2 Prozent (für sich genommen
aber teilweise weniger als 0,1 Prozent) erreicht haben. Jedoch ist dieser Umstand nicht atypisch oder zuvor
unbekannt gewesen. Es ist zudem durchaus möglich, dass er bei kommenden Bundestagswahlen mit anderen
Wahlergebnissen nicht (mehr) auftritt. Der Einzug neuer Parteien in den Deutschen Bundestag wird, wie
Beispiele aus der Geschichte der Bundesrepublik zeigen, ohnehin nicht durch die Sperrklausel verhindert.
Außerdem ist die Fünf-Prozent-Hürde auf das jeweilige Ergebnis einer jeden Partei bezogen. Nur die konkre-
te Stimmenzahl jeder Partei kann der Ausgangspunkt der Sitzverteilung auf die Landeslisten sein (vgl. § 6
Absatz 1 BWG) – übrigens auch dann, wenn man gedanklich die Sperrklausel streicht oder eine niedrigere
Sperrklausel ansetzt –; erst im zweiten Schritt ist die Stimmenzahl einer jeden Partei in Relation zu den
Stimmenanteilen der anderen Parteien zu setzen (vgl. § 6 Absätze 2 bis 7 BWG). Die gedankliche Addition
von Zweitstimmenanteilen kann folglich für die Fünf-Prozent-Hürde keine Aussagekraft beanspruchen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 341 – Drucksache 18/1810

Anlage 52

Beschlussempfehlung

ZumWahleinspruch

des Herrn R. D., 64297 Darmstadt,

– Az.: WP 188/13 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag
am 22. September 2013

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 26. Juni 2014 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit einem Schreiben vom 18. November 2013 Einspruch gegen die Gültigkeit der
Wahl zum 18. Deutschen Bundestag am 22. September 2013 eingelegt.

Er wendet sich gegen die Fünf-Prozent-Klausel. Diese sei zur Bildung einer stabilen Regierung nicht not-
wendig, sondern werde im Gegenteil – und besonders bei der angegriffenen Bundestagswahl – zur Aussper-
rung von 13 Prozent demokratisch „festgestellter“ Wahlanteile benutzt.

Das Bundesministerium des Innern hat zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-
Sperrklausel am 16. Juni 2014 wie folgt Stellung genommen:

1. Das Bundesverfassungsgericht erachte in ständiger Rechtsprechung bei Wahlen zum Deutschen Bundestag
die heute in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1 des Bundeswahlgesetzes
(BWG) vorgesehene, auf das gesamte Wahlgebiet bezogene Fünf-Prozent-Sperrklausel für verfassungsgemäß
(vgl. BVerfGE 1, 208 [247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366];
95, 408 [417 ff.]; 120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.]). Zuletzt habe das Gericht in seinem
Urteil vom 9. Januar 2011 zur Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen entschieden, dass die Fünf-
Prozent-Sperrklausel bei der Wahl zum Deutschen Bundestag ihre Rechtfertigung im Wesentlichen darin
finde, dass die Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren
fortlaufende Unterstützung nötig sei und dieses Ziel durch die Zersplitterung des Parlaments in viele kleine
Gruppen gefährdet werde (BVerfGE 129, 300 [335 f.]). In der Entscheidung vom 26. Februar 2014 (2 BvE
2/13 u. a.) zur Drei-Prozent-Sperrklausel im Europawahlrecht habe das Gericht erneut bestätigt, dass eine
Sperrklausel gerechtfertigt sein könne, wenn Verhältnisse wie auf nationaler Ebene gegeben sind, wo die
Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nötig sei (ebd. Rn. 72).

Angesichts der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei der Wahlgesetzgeber verfas-
sungsrechtlich nicht daran gehindert, bei der Verteilung der zu vergebenden Sitze auf die Landeslisten bei der
Bundestagswahl grundsätzlich nur die Parteien zu berücksichtigen, die mindestens fünf Prozent der im Wahl-
gebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten haben (§ 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Ab-
satz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG). Es sei ihm mit anderen Worten von Verfassungs wegen unbenommen,
gültige Zweitstimmen, die auf Landeslisten von Parteien entfallen sind, die nicht die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben, zwar für die Ergebnisfeststellung als relevant zu werten (§ 42 BWG), nicht
aber für die Sitzverteilung. Der Wahlgesetzgeber dürfe also ohne Verstoß gegen Bundesverfassungsrecht alle
zu vergebenden Parlamentssitze auf die Landeslisten derjenigen Parteien verteilen, die die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben.

Im Interesse der Handlungsfähigkeit des Deutschen Bundestages habe der Wahlgesetzgeber bisher an der auf
das gesamte Wahlgebiet bezogenen Fünf-Prozent-Sperrklausel, die seit der Wahl zum 2. Deutschen Bundes-
tag 1953 gilt, festgehalten. Denn eine Wahl habe – wie das Bundesverfassungsgericht betone (vgl. BVerfGE

Drucksache 18/1810 – 342 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

51, 222 [236]) – „nicht nur das Ziel, eine Volksvertretung zu schaffen, die ein Spiegelbild der in der Wähler-
schaft vorhandenen politischen Meinungen darstellt, sondern sie soll auch ein funktionsfähiges Organ her-
vorbringen.“ Hierfür seien „(k)lare und ihrer Verantwortung für das Gesamtwohl bewusste Mehrheiten in
einer Volksvertretung (…) für eine Bewältigung der ihr gestellten Aufgaben unentbehrlich“, die durch einen
unbegrenzten Proporz nicht gewährleistet sind.

2. Zwar könne nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die verfassungsrechtliche Rechtfer-
tigung einer die Wahlgleichheit berührenden Norm des Wahlrechts wie eine Sperrklauselregelung durch ver-
änderte Verhältnisse oder neue Entwicklungen – etwa durch eine Änderung der vom Gesetzgeber vorausge-
setzten tatsächlichen oder normativen Grundlagen oder wenn sich die beim Erlass der Norm hinsichtlich ihrer
Auswirkungen angestellte Prognose als irrig erwiesen habe – in Frage gestellt werden (BVerfGE 82, 322
[338 f.]; 120, 82 [108]; 129, 300 [321 f.]; Urteil vom 26. Februar 2014, Az. 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 56). Dies
sei im Hinblick auf die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen jedoch nicht der Fall.

Eine Änderung der normativen Grundlagen für die Beurteilung der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundes-
tagswahlen, die das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung als verfassungsgemäß angesehen
habe, sei nicht festzustellen. Insbesondere führten das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
9. November 2011 zur Verfassungswidrigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen (BVerfGE
129, 300) und sein Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Sperrklausel im
Europawahlgesetz (2 BvE 2/13 u. a.) nicht zu einer abweichenden Bewertung. Das Bundesverfassungsgericht
begründe die Verfassungswidrigkeit der Sperrklauseln bei Europawahlen in diesen Urteilen mit der besonde-
ren Stellung und Funktion des Europäischen Parlaments im Gefüge der Organe der Europäischen Union, wo
eine vergleichbare Interessenlage wie bei der Bundestagswahl nicht bestehe (BVerfGE 129, 300 [336]). Auch
in seinem Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Klausel im Europawahl-
gesetz halte das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich an der gefestigten Rechtsprechung zum verfassungs-
rechtlichen Maßstab für die Beurteilung wahlrechtlicher Sperrklauseln fest und lege – wie es mehrfach beto-
ne – seinem Urteil die gleichen Prüfungsmaßstäbe wie im Urteil vom 9. November 2011 zugrunde (Az. 2
BvE 2/13 u. a., Rn. 37, 45, 63). In beiden Urteilen weise das Gericht zudem darauf hin, dass bei der Bundes-
tagswahl – anders als bei der Europawahl – der Deutsche Bundestag im Falle einer eintretenden Funktionsbe-
einträchtigung aufgrund seiner veränderten strukturellen Zusammensetzung nicht mehr in der Lage wäre, die
gesetzlichen Regelungen zur Sicherung seiner Funktionsfähigkeit zu ändern, weil die erforderliche Mehrheit
nicht mehr zustande käme (BVerfGE 129, 300 [324]; Urteil vom 26. Februar 2014, 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 58).

3. Auch in tatsächlicher Hinsicht erfordere das Wahlergebnis der Bundestagswahl 2013, bei der zwei Parteien
mit einem Stimmenanteil von 4,8 Prozent bzw. 4,7 Prozent der Zweitstimmen vergleichsweise knapp an der
Fünf-Prozent-Klausel gescheitert seien, keine Neubewertung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der
Klausel. Der Gesetzgeber habe sich für die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen entschieden und
diese bis heute beibehalten, um in Konstellationen, in denen eine oder mehrere Parteien weniger als fünf
Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, die Funktionsfähigkeit des Bundestages sicherzustellen. Wenn eine
solche Konstellation bei einer Wahl – wie nun der Bundestagswahl 2013 – tatsächlich auftrete, liege gerade
nicht der Fall vor, dass sich eine Prognose des Gesetzgebers als irrig erwiesen habe oder dass eine Änderung
der vom Gesetzgeber vorausgesetzten tatsächlichen Verhältnisse eingetreten sei, sondern es habe sich ledig-
lich ein Szenario realisiert, das der Gesetzgeber mit seiner Regelung von vornherein habe erfassen wollen.
Auch das Bundesverfassungsgericht habe die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen in Kenntnis
des Umstands, dass an ihr nicht nur Parteien mit einem niedrigen Stimmenanteil zwischen null und zwei
Prozent der Zweitstimmen, sondern auch Parteien mit einem Stimmenanteil knapp unter fünf Prozent schei-
tern können, in ständiger Rechtsprechung als verfassungsmäßig angesehen (siehe die Nachweise unter 1.).

Die bei der Bundestagswahl 2013 aufgetretene hohe Gesamtzahl von abgegebenen gültigen Zweitstimmen
für Parteien, die die Fünf-Prozent-Sperrklausel nicht überwunden haben, sei kein Grund, das Vorliegen ver-
änderter Verhältnisse bzw. neuer Entwicklungen anzunehmen, die eine Neubewertung der verfassungsrecht-
lichen Zulässigkeit der Sperrklausel erforderten. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Sperrklausel sei
nicht von der Gesamtzahl der Stimmen für diejenigen Parteien abhängig, die die Sperrklausel bei einer ein-
zelnen Wahl nicht überwinden. Die Sperrklausel rechtfertige sich vielmehr durch den mit ihr verfolgten ver-
fassungsrechtlich legitimen Zweck, die Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages sicherzustellen (siehe
die Nachweise unter 1.). Sie erfülle ihren Zweck gerade dann, wenn viele an der Wahl teilnehmende Parteien
die Sperrklausel nicht überwinden, aber ohne Sperrklausel Sitze im Parlament erlangt hätten, da auf diese
Weise eine die stabile Mehrheitsbildung gefährdende Zersplitterung des Bundestages vermieden werde.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 343 – Drucksache 18/1810

4. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel stehe nicht entgegen, dass eine
hohe Zahl von Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die aufgrund der Sperrklausel nicht an der Sitzvertei-
lung teilnehmen, eine absolute Mehrheit der Sitze für Parteien ermögliche, die bei der Wahl deutlich weniger
als der Hälfte der Stimmen erreicht haben. Das Erreichen einer Mehrheit der Sitze im Parlament sei immer
mit weniger als der Hälfte der gültigen Zweitstimmen möglich. Denn auch ohne Sperrklausel erhalte nicht
jede Partei, für die bei der Wahl gültige Stimmen abgegeben wurden, automatisch einen Sitz. Da für einen
Sitz auch ohne Sperrklausel stets eine bestimmte Zahl von Stimmen erforderlich sei, führten nicht alle Stim-
men zu einem Sitzerfolg und darum weniger als 50 Prozent der gültigen Zweitstimmen zu einer Mehrheit der
Sitze. Ein Verfassungsrechtssatz des Inhalts, dass einer Mehrheit der Mitglieder des Bundestages notwendi-
gerweise eine Mehrheit der Zweitstimmen in der Bundestagswahl entsprechen müsse, sei nicht feststellbar.
Wenn aber eine Partei in einer Wahl eine absolute Mehrheit der Zweitstimmen erhalte, sei gesichert, dass auf
sie mehr als die Hälfte der Sitze entfalle (§ 6 Absatz 7 BWG).

5. Gegen die Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht vorgebracht werden, sie verhindere bzw. erschwere
in übermäßiger Weise die Entstehung oder Etablierung neuer Parteien und schränke dadurch in unzulässiger
Weise die Chancengleichheit der Parteien ein. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Chancengleichheit
der Parteien verlange nicht, dass jeder Partei, die bei der Bundestagswahl Stimmen erhalte, Sitze im Bundes-
tag garantiert seien. Jede Partei habe rechtlich die gleiche Chance auf Teilnahme an der Sitzverteilung bei
Überwindung der Sperrklausel. Wenn eine Partei die für alle geltende Sperrklausel nicht überwinde, so sei
dies Resultat zu geringer Zustimmung in der Wählerschaft und gerade nicht ungleicher Chancen, denn die
unterschiedliche Gewichtung des Erfolgswerts von Wahlstimmen durch eine Sperrklausel treffe alle Parteien
gleichermaßen (vgl. BVerfGE 82, 322 [345]).

Dass die Fünf-Prozent-Sperrklausel die Entstehung und Etablierung neuer Parteien nicht verhindere oder
übermäßig erschwere, zeige der Einzug in die Parlamente auch neuer Parteien in den vergangenen Jahren bei
Bundestagswahlen und Landtagswahlen, bei denen nach Landesrecht ebenfalls Fünf-Prozent-Sperrklauseln
bestünden. Die Sperrklauseln trügen zu einem Mindestmaß an Konsolidierung neuer Parteien bei, indem sie
eine funktionierende Organisation und eine hinreichende Kampagnenfähigkeit der Partei erforderlich mach-
ten, um einen erfolgreichen Wahlkampf zu führen, der den Einzug ins Parlament ermögliche. Auch das Bun-
desverfassungsgericht sehe in ständiger Rechtsprechung in der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestags-
wahlen keinen verfassungswidrigen Eingriff in die Chancengleichheit der Parteien (siehe die Nachweise un-
ter 1.).

6. Die Fünf-Prozent-Sperrklausel habe nicht zur Folge, dass die Parteien, die die Sperrklausel überwunden
haben und deshalb an der Sitzverteilung teilnehmen, von den Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die an
der Sperrklausel gescheitert sind und somit nicht an der Sitzverteilung teilnehmen, profitierten und die Wäh-
ler bei der Stimmabgabe nicht erkennen könnten, welche Partei letztlich tatsächlich von ihrer Zweitstimme
profitiere. Von der Zweitstimme für eine Partei profitiere stets die Partei, für die die Stimme abgegeben wor-
den sei. Wenn eine Partei aufgrund eines zur Überwindung der Sperrklausel nicht ausreichenden Zuspruchs
in der Wählerschaft nicht an der Sitzverteilung teilnehme, würden die zu vergebenden Sitze auf die Parteien
verteilt, die die Sperrklausel überwunden haben. Diese Parteien profitierten bei dieser Verteilung von den für
sie abgegebenen Zweitstimmen, nicht von den Zweitstimmen für die an der Sperrklausel gescheiterten Partei-
en, die wegen Nichtteilnahme an der Sitzverteilung zu keinem Sitzerfolg führten.

7. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht entgegengehalten
werden, der Umstand, dass aufgrund der Sperrklausel eine hohe Zahl von Stimmen bei der Sitzverteilung
unberücksichtigt bleibe, befördere die Politikverdrossenheit der Wahlberechtigten. Unabhängig davon, ob
dies tatsächlich der Fall sei, habe sich der Gesetzgeber dazu entschieden, der Sicherung der Funktionsfähig-
keit des Parlaments Vorrang vor derartigen Erwägungen einzuräumen. Das Bundesverfassungsgericht erachte
dies in ständiger Rechtsprechung für verfassungsrechtlich zulässig (siehe die Nachweise unter 1.). Ein wegen
Zersplitterung in kleine und kleinste Fraktionen nicht mehrheits- und handlungsfähiges Parlament, das zur
Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nicht in der Lage sei, wäre zudem in weit höherem Maße geeignet, Politikverdrossenheit zu för-
dern.

8. Aufgrund der verfassungskonformen Ausgestaltung der Fünf-Prozent-Sperrklausel im geltenden Bundes-
wahlgesetz sei der Wahlgesetzgeber auch nicht zur Einführung einer Alternativstimme („Eventualstimme“,
„Ersatzstimme“ bzw. „Stimmweitergabe-Option“) verpflichtet. Ergänzend sei darauf verwiesen, dass im

Drucksache 18/1810 – 344 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Schrifttum gegen die Einführung einer solchen Alternativstimme verfassungsrechtliche Bedenken geltend
gemacht würden: Eine Alternativstimme sei mit dem Charakter der Stimmabgabe als einer vorbehaltlosen
und bedingungsfeindlichen Willenserklärung nicht zu vereinbaren und verstoße daher gegen den Grundsatz
der Unmittelbarkeit der Wahl im Sinne des Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) und gegen
das Demokratieprinzip nach Artikel 20 Absatz 1 GG (so Strelen, in: Schreiber, Bundeswahlgesetz, 9. Auflage
2013, § 6 Rn. 37 sowie Schreiber, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: 43. Lfg.
April 2014, Art. 38 Rn. 40, 132). Überdies wäre die Gewährung einer Alternativstimme auch keine verfas-
sungspolitisch angezeigte Fortentwicklung des Wahlrechts. Sie würde das Stimmabgabeverfahren verkompli-
zieren, die Ermittlung des Wahlergebnisses wesentlich erschweren und verzögern und den Wähler von einer
eindeutigen politischen Entscheidung ohne Vorbehalt und Rückfallposition entpflichten (vgl. im Einzelnen
hierzu Strelen, in: Schreiber, § 6 Rn. 37).

9. Die Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Klausel sei schließlich auch nicht davon abhängig, dass Par-
teien, die jeweils mit einer eigenen Liste an der Bundestagswahl teilnehmen, ihre Landeslisten verbinden
dürften, um als Zählgemeinschaft die Sperrklausel zu überwinden. Derartige Listenverbindungen verschiede-
ner Parteien bei der Bundestagswahl seien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wegen
Verstoßes gegen den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit der Parteien verfas-
sungswidrig (BVerfGE 82, 322 [345 f.]). Eine derartige Listenverbindung würde allein dem Zweck dienen,
die verfassungslegitime Zielsetzung einer Fünf-Prozent-Sperrklausel, die Verhinderung einer Zersplitterung
des Parlaments, zu umgehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet. Dem Vortrag des Einspruchsführers lässt sich kein Verstoß
gegen Wahlrechtsvorschriften und damit kein Wahlfehler entnehmen.

Der Einspruchsführer bestreitet nicht, dass das Verfahren zur Auszählung der Stimmen und zur Verteilung
der Sitze auf die Landeslisten der Parteien bei der Bundestagswahl 2013 den Vorgaben des Bundeswahlge-
setzes entsprach. Dieses regelt in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1,
dass bei der Verteilung der Sitze auf die Landeslisten nur Parteien berücksichtigt werden, die mindestens fünf
Prozent der im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten oder in mindestens drei Wahlkrei-
sen einen Sitz errungen haben. Soweit der Vortrag des Einspruchsführers auf eine Verfassungswidrigkeit der
Sperrklausel hindeutet, ist darauf hinzuweisen, dass der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag
in ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens die Verfassungsmäßigkeit der für die Wahl
geltenden Rechtsvorschriften nicht überprüfen. Eine derartige Kontrolle ist stets dem Bundesverfassungsge-
richt vorbehalten worden (vgl. etwa Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlagen 26 bis 28 mit weiteren Nach-
weisen; 17/1000, Anlagen 5 und 11; 17/2200, Anlagen 1, 13 bis 15, 17 bis 20, 23 und 24; 17/3100, Anlagen
15, 19, 20, 22 bis 30, 32, 34 bis 36; 17/4600, Anlagen 10, 12, 13, 32, 38, 40 bis 43 mit weiteren Nachweisen;
17/6300, Anlage 19). Allerdings hat der Wahlprüfungsausschuss schon in zahlreichen Wahlprüfungsent-
scheidungen früherer Wahlperioden keinen Anlass für Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Regelung
gesehen (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen 15/1850, Anlagen 9 und 47; 16/900, Anlage 14), zumal das
Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit der Sperrklausel in ihrer Ausgestaltung durch das Bun-
deswahlgesetz in ständiger Rechtsprechung bestätigt hat (vgl. BVerfGE 1, 208 [247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84
[92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366]; 95, 408 [417 ff.]; 120, 82 [109 ff.]; 122, 304
[314 f.]; 129, 300 [335 f.], siehe auch Bundestagsdrucksache 16/900, Anlage 14). Es ist folglich verfassungs-
rechtlich nicht zu beanstanden, dass alle Parlamentssitze auf diejenigen Parteien verteilt werden, welche die
Fünf-Prozent-Hürde überwunden haben. Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
die Sperrklausel durch veränderte Verhältnisse infrage gestellt werden. Dies ist bezüglich der Bundestags-
wahl 2013 aber nicht der Fall, wie das Bundesministerium des Innern – auch unter Bezugnahme auf die Ur-
teile vom 9. November 2011 und 26. Februar 2014 – in seiner Stellungnahme zutreffend feststellt: Dass nach
dem amtlichen Endergebnis der Bundestagswahl 2013 insgesamt 15,7 Prozent der gültigen Zweitstimmen
nicht in die Mandatsverteilung eingeflossen sind, weil sie für insgesamt 25 Parteien abgegeben wurden, die
bundesweit weniger als fünf Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, ändert nichts an der vom Bundesver-
fassungsgericht festgestellten Verfassungskonformität der Fünf-Prozent-Hürde. Zwar war der Anteil der gül-
tigen, aber wegen der Sperrklausel nicht in die Sitzverteilung eingeflossenen Zweitstimmen bei der Bundes-
tagswahl 2013 höher als bei früheren Bundestagswahlen, da – anders als bei vorhergehenden Wahlen – zwei

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 345 – Drucksache 18/1810

Parteien jeweils fast fünf Prozent und zudem 23 weitere Parteien insgesamt 6,2 Prozent (für sich genommen
aber teilweise weniger als 0,1 Prozent) erreicht haben. Jedoch ist dieser Umstand nicht atypisch oder zuvor
unbekannt gewesen. Es ist zudem durchaus möglich, dass er bei kommenden Bundestagswahlen mit anderen
Wahlergebnissen nicht (mehr) auftritt. Der Einzug neuer Parteien in den Deutschen Bundestag wird, wie
Beispiele aus der Geschichte der Bundesrepublik zeigen, ohnehin nicht durch die Sperrklausel verhindert.
Außerdem ist die Fünf-Prozent-Hürde auf das jeweilige Ergebnis einer jeden Partei bezogen. Nur die konkre-
te Stimmenzahl jeder Partei kann der Ausgangspunkt der Sitzverteilung auf die Landeslisten sein (vgl. § 6
Absatz 1 BWG) – übrigens auch dann, wenn man gedanklich die Sperrklausel streicht oder eine niedrigere
Sperrklausel ansetzt –; erst im zweiten Schritt ist die Stimmenzahl einer jeden Partei in Relation zu den
Stimmenanteilen der anderen Parteien zu setzen (vgl. § 6 Absätze 2 bis 7 BWG). Die gedankliche Addition
von Zweitstimmenanteilen kann folglich für die Fünf-Prozent-Hürde keine Aussagekraft beanspruchen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 347 – Drucksache 18/1810

Anlage 53

Beschlussempfehlung

ZumWahleinspruch

des Herrn M. Z., 66121 Saarbrücken,

– Az.: WP 189/13 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag
am 22. September 2013

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 26. Juni 2014 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit einem Fax vom 22. November 2013 Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl
zum 18. Deutschen Bundestag am 22. September 2013 eingelegt.

Er rügt mehrere Sachverhalte:

1. Die Fünf-Prozent-Klausel habe verhindert, dass er der „Piratenpartei“ seine Zweitstimme gegeben habe
und so sein Wahlrecht unzulässigerweise beschränkt. Denn aufgrund der Umfragewerte habe er damit rech-
nen müssen, dass seine Stimme nicht gewertet würde. Er habe daher seien Stimme ein anderen Partei geben
müssen, die seinem politischen Willen weniger entsprochen habe. Die Sperrklausel sei „aus der Zeit gefal-
len“. Sie sei willkürlich und unverhältnismäßig. Ihre Höhe werde nirgends begründet. Da das kleinste Bun-
desland Bremen im Bundesrat drei Stimmen und damit einen Stimmanteil von 4,34 Prozent an den insgesamt
69 Bundesratsstimmen habe, dürfe eine bundesweite Sperrklausel höchstens diesen Wert aufweisen. Bremens
Einwohnerschaft mache nur 0,8 Prozent der Gesamtbevölkerung Deutschlands aus. Eine Sperrklausel dürfe
somit nicht höher sein als 0,8 Prozent. Die Fünf-Prozent-Klausel verhindere mit großer Sicherheit die Etab-
lierung einer neuen Partei im Deutschen Bundestag. Seit den 1960er Jahren sei dies nur einer Partei gelungen.
Die Klausel verhindere, dass sich Minderheiten auf Bundesebene durch Bildung von Parteien organisieren
könnten. Die Sperrklausel sei unzulässig, da Alternativen sie unnötig machten: Der Deutsche Bundestag kön-
ne die Stimmrechte der Parteien unter fünf Prozent abgestuft einschränken. Die Regierungsbildung könne
dadurch gesichert werden, dass Abgeordneten bei Neuwahlen nach Artikel 63 Absatz 4 und Artikel 68 Ab-
satz 1 des Grundgesetzes (GG) das passive Wahlrecht entzogen werde. Im Übrigen halte er, der Einspruchs-
führer, jegliche Sperrklausel für unzulässig.

2. Die Wahl der Abgeordneten durch „starre“ Landeslisten der Parteien sei unzulässig und verfassungswidrig.
Sie beschränke das Wahlrecht in unzulässiger Weise. Sie verhindere, dass er, der Einspruchsführer, einen
Kandidaten seines Vertrauens wählen könne. Stattdessen sei er gezwungen, auch Kandidaten (mit) zu wäh-
len, die er für nicht geeignet halte. Die Listenwahl verhindere, dass er, der Einspruchsführer, politisch Ver-
antwortliche zur politischen Verantwortung ziehen könne. Starre Landeslisten führten zu einem negativen
Stimmgewicht bei der „Verteilung der Kandidaten einer unterlegenen Partei auf die Abgeordnetenplätze“.
Selbst wenn eine Partei Mandate verliere, komme dies dem Mehrheitsflügel dieser Partei, der die „sicheren“
Listenplätze habe, zugute.

3. Der Deutsche Bundestag sei von nur 42,1 Prozent des Volkes gewählt worden. 9,8 Millionen von 47,4
Millionen Stimmen seien für die Sitzverteilung irrelevant gewesen. Die Minderheit herrsche nun also, entge-
gen dem Demokratieprinzip in Artikel 20 Absatz 1 GG, über die Mehrheit. Dies sei ein typisches Zeichen
einer Diktatur. Der Deutsche Bundestag sei somit keine legitime Vertretung des deutschen Volkes.

4. Das Parlament müsse die Regierung wirksam kontrollieren können. Das sei derzeit angesichts der sich
abzeichnenden großen Koalition nicht der Fall. Die Opposition habe nur 20 Prozent der Sitze und könne kei-
nen Untersuchungsausschuss einsetzen. Sie sei daher „entwaffnet“.

Drucksache 18/1810 – 348 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Wegen der Einzelheiten des Vortrages des Einspruchsführers wird auf den Inhalt der Akten Bezug genom-
men.

Das Bundesministerium des Innern hat zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-
Sperrklausel am 16. Juni 2014 wie folgt Stellung genommen:

1. Das Bundesverfassungsgericht erachte in ständiger Rechtsprechung bei Wahlen zum Deutschen Bundestag
die heute in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1 des Bundeswahlgesetzes
(BWG) vorgesehene, auf das gesamte Wahlgebiet bezogene Fünf-Prozent-Sperrklausel für verfassungsgemäß
(vgl. BVerfGE 1, 208 [247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366];
95, 408 [417 ff.]; 120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.]). Zuletzt habe das Gericht in seinem
Urteil vom 9. Januar 2011 zur Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen entschieden, dass die Fünf-
Prozent-Sperrklausel bei der Wahl zum Deutschen Bundestag ihre Rechtfertigung im Wesentlichen darin
finde, dass die Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren
fortlaufende Unterstützung nötig sei und dieses Ziel durch die Zersplitterung des Parlaments in viele kleine
Gruppen gefährdet werde (BVerfGE 129, 300 [335 f.]). In der Entscheidung vom 26. Februar 2014 (2 BvE
2/13 u. a.) zur Drei-Prozent-Sperrklausel im Europawahlrecht habe das Gericht erneut bestätigt, dass eine
Sperrklausel gerechtfertigt sein könne, wenn Verhältnisse wie auf nationaler Ebene gegeben sind, wo die
Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nötig sei (ebd. Rn. 72).

Angesichts der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei der Wahlgesetzgeber verfas-
sungsrechtlich nicht daran gehindert, bei der Verteilung der zu vergebenden Sitze auf die Landeslisten bei der
Bundestagswahl grundsätzlich nur die Parteien zu berücksichtigen, die mindestens fünf Prozent der im Wahl-
gebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten haben (§ 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Ab-
satz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG). Es sei ihm mit anderen Worten von Verfassungs wegen unbenommen,
gültige Zweitstimmen, die auf Landeslisten von Parteien entfallen sind, die nicht die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben, zwar für die Ergebnisfeststellung als relevant zu werten (§ 42 BWG), nicht
aber für die Sitzverteilung. Der Wahlgesetzgeber dürfe also ohne Verstoß gegen Bundesverfassungsrecht alle
zu vergebenden Parlamentssitze auf die Landeslisten derjenigen Parteien verteilen, die die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben.

Im Interesse der Handlungsfähigkeit des Deutschen Bundestages habe der Wahlgesetzgeber bisher an der auf
das gesamte Wahlgebiet bezogenen Fünf-Prozent-Sperrklausel, die seit der Wahl zum 2. Deutschen Bundes-
tag 1953 gilt, festgehalten. Denn eine Wahl habe – wie das Bundesverfassungsgericht betone (vgl. BVerfGE
51, 222 [236]) – „nicht nur das Ziel, eine Volksvertretung zu schaffen, die ein Spiegelbild der in der Wähler-
schaft vorhandenen politischen Meinungen darstellt, sondern sie soll auch ein funktionsfähiges Organ her-
vorbringen.“ Hierfür seien „(k)lare und ihrer Verantwortung für das Gesamtwohl bewusste Mehrheiten in
einer Volksvertretung (…) für eine Bewältigung der ihr gestellten Aufgaben unentbehrlich“, die durch einen
unbegrenzten Proporz nicht gewährleistet sind.

2. Zwar könne nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die verfassungsrechtliche Rechtfer-
tigung einer die Wahlgleichheit berührenden Norm des Wahlrechts wie eine Sperrklauselregelung durch ver-
änderte Verhältnisse oder neue Entwicklungen – etwa durch eine Änderung der vom Gesetzgeber vorausge-
setzten tatsächlichen oder normativen Grundlagen oder wenn sich die beim Erlass der Norm hinsichtlich ihrer
Auswirkungen angestellte Prognose als irrig erwiesen habe – in Frage gestellt werden (BVerfGE 82, 322
[338 f.]; 120, 82 [108]; 129, 300 [321 f.]; Urteil vom 26. Februar 2014, Az. 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 56). Dies
sei im Hinblick auf die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen jedoch nicht der Fall.

Eine Änderung der normativen Grundlagen für die Beurteilung der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundes-
tagswahlen, die das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung als verfassungsgemäß angesehen
habe, sei nicht festzustellen. Insbesondere führten das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
9. November 2011 zur Verfassungswidrigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen (BVerfGE
129, 300) und sein Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Sperrklausel im
Europawahlgesetz (2 BvE 2/13 u. a.) nicht zu einer abweichenden Bewertung. Das Bundesverfassungsgericht
begründe die Verfassungswidrigkeit der Sperrklauseln bei Europawahlen in diesen Urteilen mit der besonde-
ren Stellung und Funktion des Europäischen Parlaments im Gefüge der Organe der Europäischen Union, wo
eine vergleichbare Interessenlage wie bei der Bundestagswahl nicht bestehe (BVerfGE 129, 300 [336]). Auch
in seinem Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Klausel im Europawahl-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 349 – Drucksache 18/1810

gesetz halte das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich an der gefestigten Rechtsprechung zum verfassungs-
rechtlichen Maßstab für die Beurteilung wahlrechtlicher Sperrklauseln fest und lege – wie es mehrfach beto-
ne – seinem Urteil die gleichen Prüfungsmaßstäbe wie im Urteil vom 9. November 2011 zugrunde (Az. 2
BvE 2/13 u. a., Rn. 37, 45, 63). In beiden Urteilen weise das Gericht zudem darauf hin, dass bei der Bundes-
tagswahl – anders als bei der Europawahl – der Deutsche Bundestag im Falle einer eintretenden Funktionsbe-
einträchtigung aufgrund seiner veränderten strukturellen Zusammensetzung nicht mehr in der Lage wäre, die
gesetzlichen Regelungen zur Sicherung seiner Funktionsfähigkeit zu ändern, weil die erforderliche Mehrheit
nicht mehr zustande käme (BVerfGE 129, 300 [324]; Urteil vom 26. Februar 2014, 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 58).

3. Auch in tatsächlicher Hinsicht erfordere das Wahlergebnis der Bundestagswahl 2013, bei der zwei Parteien
mit einem Stimmenanteil von 4,8 Prozent bzw. 4,7 Prozent der Zweitstimmen vergleichsweise knapp an der
Fünf-Prozent-Klausel gescheitert seien, keine Neubewertung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der
Klausel. Der Gesetzgeber habe sich für die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen entschieden und
diese bis heute beibehalten, um in Konstellationen, in denen eine oder mehrere Parteien weniger als fünf
Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, die Funktionsfähigkeit des Bundestages sicherzustellen. Wenn eine
solche Konstellation bei einer Wahl – wie nun der Bundestagswahl 2013 – tatsächlich auftrete, liege gerade
nicht der Fall vor, dass sich eine Prognose des Gesetzgebers als irrig erwiesen habe oder dass eine Änderung
der vom Gesetzgeber vorausgesetzten tatsächlichen Verhältnisse eingetreten sei, sondern es habe sich ledig-
lich ein Szenario realisiert, das der Gesetzgeber mit seiner Regelung von vornherein habe erfassen wollen.
Auch das Bundesverfassungsgericht habe die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen in Kenntnis
des Umstands, dass an ihr nicht nur Parteien mit einem niedrigen Stimmenanteil zwischen null und zwei
Prozent der Zweitstimmen, sondern auch Parteien mit einem Stimmenanteil knapp unter fünf Prozent schei-
tern können, in ständiger Rechtsprechung als verfassungsmäßig angesehen (siehe die Nachweise unter 1.).

Die bei der Bundestagswahl 2013 aufgetretene hohe Gesamtzahl von abgegebenen gültigen Zweitstimmen
für Parteien, die die Fünf-Prozent-Sperrklausel nicht überwunden haben, sei kein Grund, das Vorliegen ver-
änderter Verhältnisse bzw. neuer Entwicklungen anzunehmen, die eine Neubewertung der verfassungsrecht-
lichen Zulässigkeit der Sperrklausel erforderten. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Sperrklausel sei
nicht von der Gesamtzahl der Stimmen für diejenigen Parteien abhängig, die die Sperrklausel bei einer ein-
zelnen Wahl nicht überwinden. Die Sperrklausel rechtfertige sich vielmehr durch den mit ihr verfolgten ver-
fassungsrechtlich legitimen Zweck, die Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages sicherzustellen (siehe
die Nachweise unter 1.). Sie erfülle ihren Zweck gerade dann, wenn viele an der Wahl teilnehmende Parteien
die Sperrklausel nicht überwinden, aber ohne Sperrklausel Sitze im Parlament erlangt hätten, da auf diese
Weise eine die stabile Mehrheitsbildung gefährdende Zersplitterung des Bundestages vermieden werde.

4. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel stehe nicht entgegen, dass eine
hohe Zahl von Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die aufgrund der Sperrklausel nicht an der Sitzvertei-
lung teilnehmen, eine absolute Mehrheit der Sitze für Parteien ermögliche, die bei der Wahl deutlich weniger
als der Hälfte der Stimmen erreicht haben. Das Erreichen einer Mehrheit der Sitze im Parlament sei immer
mit weniger als der Hälfte der gültigen Zweitstimmen möglich. Denn auch ohne Sperrklausel erhalte nicht
jede Partei, für die bei der Wahl gültige Stimmen abgegeben wurden, automatisch einen Sitz. Da für einen
Sitz auch ohne Sperrklausel stets eine bestimmte Zahl von Stimmen erforderlich sei, führten nicht alle Stim-
men zu einem Sitzerfolg und darum weniger als 50 Prozent der gültigen Zweitstimmen zu einer Mehrheit der
Sitze. Ein Verfassungsrechtssatz des Inhalts, dass einer Mehrheit der Mitglieder des Bundestages notwendi-
gerweise eine Mehrheit der Zweitstimmen in der Bundestagswahl entsprechen müsse, sei nicht feststellbar.
Wenn aber eine Partei in einer Wahl eine absolute Mehrheit der Zweitstimmen erhalte, sei gesichert, dass auf
sie mehr als die Hälfte der Sitze entfalle (§ 6 Absatz 7 BWG).

5. Gegen die Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht vorgebracht werden, sie verhindere bzw. erschwere
in übermäßiger Weise die Entstehung oder Etablierung neuer Parteien und schränke dadurch in unzulässiger
Weise die Chancengleichheit der Parteien ein. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Chancengleichheit
der Parteien verlange nicht, dass jeder Partei, die bei der Bundestagswahl Stimmen erhalte, Sitze im Bundes-
tag garantiert seien. Jede Partei habe rechtlich die gleiche Chance auf Teilnahme an der Sitzverteilung bei
Überwindung der Sperrklausel. Wenn eine Partei die für alle geltende Sperrklausel nicht überwinde, so sei
dies Resultat zu geringer Zustimmung in der Wählerschaft und gerade nicht ungleicher Chancen, denn die
unterschiedliche Gewichtung des Erfolgswerts von Wahlstimmen durch eine Sperrklausel treffe alle Parteien
gleichermaßen (vgl. BVerfGE 82, 322 [345]).

Drucksache 18/1810 – 350 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Dass die Fünf-Prozent-Sperrklausel die Entstehung und Etablierung neuer Parteien nicht verhindere oder
übermäßig erschwere, zeige der Einzug in die Parlamente auch neuer Parteien in den vergangenen Jahren bei
Bundestagswahlen und Landtagswahlen, bei denen nach Landesrecht ebenfalls Fünf-Prozent-Sperrklauseln
bestünden. Die Sperrklauseln trügen zu einem Mindestmaß an Konsolidierung neuer Parteien bei, indem sie
eine funktionierende Organisation und eine hinreichende Kampagnenfähigkeit der Partei erforderlich mach-
ten, um einen erfolgreichen Wahlkampf zu führen, der den Einzug ins Parlament ermögliche. Auch das Bun-
desverfassungsgericht sehe in ständiger Rechtsprechung in der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestags-
wahlen keinen verfassungswidrigen Eingriff in die Chancengleichheit der Parteien (siehe die Nachweise un-
ter 1.).

6. Die Fünf-Prozent-Sperrklausel habe nicht zur Folge, dass die Parteien, die die Sperrklausel überwunden
haben und deshalb an der Sitzverteilung teilnehmen, von den Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die an
der Sperrklausel gescheitert sind und somit nicht an der Sitzverteilung teilnehmen, profitierten und die Wäh-
ler bei der Stimmabgabe nicht erkennen könnten, welche Partei letztlich tatsächlich von ihrer Zweitstimme
profitiere. Von der Zweitstimme für eine Partei profitiere stets die Partei, für die die Stimme abgegeben wor-
den sei. Wenn eine Partei aufgrund eines zur Überwindung der Sperrklausel nicht ausreichenden Zuspruchs
in der Wählerschaft nicht an der Sitzverteilung teilnehme, würden die zu vergebenden Sitze auf die Parteien
verteilt, die die Sperrklausel überwunden haben. Diese Parteien profitierten bei dieser Verteilung von den für
sie abgegebenen Zweitstimmen, nicht von den Zweitstimmen für die an der Sperrklausel gescheiterten Partei-
en, die wegen Nichtteilnahme an der Sitzverteilung zu keinem Sitzerfolg führten.

7. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht entgegengehalten
werden, der Umstand, dass aufgrund der Sperrklausel eine hohe Zahl von Stimmen bei der Sitzverteilung
unberücksichtigt bleibe, befördere die Politikverdrossenheit der Wahlberechtigten. Unabhängig davon, ob
dies tatsächlich der Fall sei, habe sich der Gesetzgeber dazu entschieden, der Sicherung der Funktionsfähig-
keit des Parlaments Vorrang vor derartigen Erwägungen einzuräumen. Das Bundesverfassungsgericht erachte
dies in ständiger Rechtsprechung für verfassungsrechtlich zulässig (siehe die Nachweise unter 1.). Ein wegen
Zersplitterung in kleine und kleinste Fraktionen nicht mehrheits- und handlungsfähiges Parlament, das zur
Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nicht in der Lage sei, wäre zudem in weit höherem Maße geeignet, Politikverdrossenheit zu för-
dern.

8. Aufgrund der verfassungskonformen Ausgestaltung der Fünf-Prozent-Sperrklausel im geltenden Bundes-
wahlgesetz sei der Wahlgesetzgeber auch nicht zur Einführung einer Alternativstimme („Eventualstimme“,
„Ersatzstimme“ bzw. „Stimmweitergabe-Option“) verpflichtet. Ergänzend sei darauf verwiesen, dass im
Schrifttum gegen die Einführung einer solchen Alternativstimme verfassungsrechtliche Bedenken geltend
gemacht würden: Eine Alternativstimme sei mit dem Charakter der Stimmabgabe als einer vorbehaltlosen
und bedingungsfeindlichen Willenserklärung nicht zu vereinbaren und verstoße daher gegen den Grundsatz
der Unmittelbarkeit der Wahl im Sinne des Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 GG und gegen das Demokratieprinzip
nach Artikel 20 Absatz 1 GG (so Strelen, in: Schreiber, Bundeswahlgesetz, 9. Auflage 2013, § 6 Rn. 37 so-
wie Schreiber, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: 43. Lfg. April 2014, Art. 38
Rn. 40, 132). Überdies wäre die Gewährung einer Alternativstimme auch keine verfassungspolitisch ange-
zeigte Fortentwicklung des Wahlrechts. Sie würde das Stimmabgabeverfahren verkomplizieren, die Ermitt-
lung des Wahlergebnisses wesentlich erschweren und verzögern und den Wähler von einer eindeutigen poli-
tischen Entscheidung ohne Vorbehalt und Rückfallposition entpflichten (vgl. im Einzelnen hierzu Strelen, in:
Schreiber, § 6 Rn. 37).

9. Die Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Klausel sei schließlich auch nicht davon abhängig, dass Par-
teien, die jeweils mit einer eigenen Liste an der Bundestagswahl teilnehmen, ihre Landeslisten verbinden
dürften, um als Zählgemeinschaft die Sperrklausel zu überwinden. Derartige Listenverbindungen verschiede-
ner Parteien bei der Bundestagswahl seien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wegen
Verstoßes gegen den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit der Parteien verfas-
sungswidrig (BVerfGE 82, 322 [345 f.]). Eine derartige Listenverbindung würde allein dem Zweck dienen,
die verfassungslegitime Zielsetzung einer Fünf-Prozent-Sperrklausel, die Verhinderung einer Zersplitterung
des Parlaments, zu umgehen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 351 – Drucksache 18/1810

Entscheidungsgründe

I.

Der Einspruch ist unzulässig, soweit der Einspruchsführer vorträgt, die Bundesregierung werde durch den
Deutschen Bundestag angesichts der breiten Mehrheit der Regierungskoalition („Große Koalition“) nicht
effektiv kontrolliert. Denn gemäß § 1 Absatz 1 des Wahlprüfungsgesetzes sind nur die Gültigkeit der Wahlen
zum Deutschen Bundestag und die Verletzung von Rechten bei der Vorbereitung oder Durchführung der
Wahl, soweit sie der Wahlprüfung nach Artikel 41 GG unterliegen, tauglicher Gegenstand des Wahlprü-
fungsverfahrens. Die Kontrolle des Regierungshandelns – deren Effektivität im Übrigen nicht allein von der
Zahl der Oppositionssitze abhängt – fällt nicht darunter.

II.

Soweit der Einspruch zulässig ist, ist er unbegründet. Dem Vortrag des Einspruchsführers lässt sich kein
Verstoß gegen Wahlrechtsvorschriften und damit kein Wahlfehler entnehmen.

1. Der Einspruchsführer bestreitet nicht, dass das Verfahren zur Auszählung der Stimmen und zur Verteilung
der Sitze auf die Landeslisten der Parteien bei der Bundestagswahl 2013 den Vorgaben des Bundeswahlge-
setzes entsprach. Dieses regelt in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1,
dass bei der Verteilung der Sitze auf die Landeslisten nur Parteien berücksichtigt werden, die mindestens fünf
Prozent der im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten oder in mindestens drei Wahlkrei-
sen einen Sitz errungen haben. Soweit der Einspruchsführer geltend macht, die Sperrklausel sei verfassungs-
widrig, ist darauf hinzuweisen, dass der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in ständiger
Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens die Verfassungsmäßigkeit der für die Wahl geltenden
Rechtsvorschriften nicht überprüfen. Eine derartige Kontrolle ist stets dem Bundesverfassungsgericht vorbe-
halten worden (vgl. etwa Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlagen 26 bis 28 mit weiteren Nachweisen;
17/1000, Anlagen 5 und 11; 17/2200, Anlagen 1, 13 bis 15, 17 bis 20, 23 und 24; 17/3100, Anlagen 15, 19,
20, 22 bis 30, 32, 34 bis 36; 17/4600, Anlagen 10, 12, 13, 32, 38, 40 bis 43 mit weiteren Nachweisen;
17/6300, Anlage 19). Allerdings hat der Wahlprüfungsausschuss schon in zahlreichen Wahlprüfungsent-
scheidungen früherer Wahlperioden keinen Anlass für Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Regelung
gesehen (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen 15/1850, Anlagen 9 und 47; 16/900, Anlage 14), zumal das
Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit der Sperrklausel in ihrer Ausgestaltung durch das Bun-
deswahlgesetz in ständiger Rechtsprechung bestätigt hat (vgl. BVerfGE 1, 208 [247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84
[92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366]; 95, 408 [417 ff.]; 120, 82 [109 ff.]; 122, 304
[314 f.]; 129, 300 [335 f.], siehe auch Bundestagsdrucksache 16/900, Anlage 14). Es ist folglich verfassungs-
rechtlich nicht zu beanstanden, dass alle Parlamentssitze auf diejenigen Parteien verteilt werden, welche die
Fünf-Prozent-Hürde überwunden haben. Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
die Sperrklausel durch veränderte Verhältnisse infrage gestellt werden. Dies ist bezüglich der Bundestags-
wahl 2013 aber nicht der Fall, wie das Bundesministerium des Innern – auch unter Bezugnahme auf die Ur-
teile vom 9. November 2011 und 26. Februar 2014 – in seiner Stellungnahme zutreffend feststellt: Dass nach
dem amtlichen Endergebnis der Bundestagswahl 2013 insgesamt 15,7 Prozent der gültigen Zweitstimmen
nicht in die Mandatsverteilung eingeflossen sind, weil sie für insgesamt 25 Parteien abgegeben wurden, die
bundesweit weniger als fünf Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, ändert nichts an der vom Bundesver-
fassungsgericht festgestellten Verfassungskonformität der Fünf-Prozent-Hürde. Zwar war der Anteil der gül-
tigen, aber wegen der Sperrklausel nicht in die Sitzverteilung eingeflossenen Zweitstimmen bei der Bundes-
tagswahl 2013 höher als bei früheren Bundestagswahlen, da – anders als bei vorhergehenden Wahlen – zwei
Parteien jeweils fast fünf Prozent und zudem 23 weitere Parteien insgesamt 6,2 Prozent (für sich genommen
aber teilweise weniger als 0,1 Prozent) erreicht haben. Jedoch ist dieser Umstand nicht atypisch oder zuvor
unbekannt gewesen. Es ist zudem durchaus möglich, dass er bei kommenden Bundestagswahlen mit anderen
Wahlergebnissen nicht (mehr) auftritt. Der Einzug neuer Parteien in den Deutschen Bundestag wird, wie
Beispiele aus der Geschichte der Bundesrepublik zeigen, ohnehin nicht durch die Sperrklausel verhindert.
Außerdem ist die Fünf-Prozent-Hürde auf das jeweilige Ergebnis einer jeden Partei bezogen. Nur die konkre-
te Stimmenzahl jeder Partei kann der Ausgangspunkt der Sitzverteilung auf die Landeslisten sein (vgl. § 6
Absatz 1 BWG) – übrigens auch dann, wenn man gedanklich die Sperrklausel streicht oder eine niedrigere
Sperrklausel ansetzt –; erst im zweiten Schritt ist die Stimmenzahl einer jeden Partei in Relation zu den
Stimmenanteilen der anderen Parteien zu setzen (vgl. § 6 Absätze 2 bis 7 BWG). Die gedankliche Addition
von Zweitstimmenanteilen kann folglich für die Fünf-Prozent-Hürde keine Aussagekraft beanspruchen.

Drucksache 18/1810 – 352 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Entgegen der Ansicht des Einspruchsführers lassen sich auch aus einem Vergleich zwischen Bundesrat und
Bundestag keine Rückschlüsse auf die Verfassungswidrigkeit der Fünf-Prozent-Hürde ziehen, da die Mitglie-
der des Bundesrates nicht unmittelbar vom Volk bestimmt werden (vgl. Artikel 51 Absatz 1 Satz 1 GG).

2. Die Wahl der Listenbewerber gemäß § 27 Abs. 3 BWG nach sog. starren Listen ist zulässig. Zunächst ist
darauf hinzuweisen, dass der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in ständiger Praxis im
Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens die Verfassungsmäßigkeit der für die Wahl geltenden Rechtsvor-
schriften nicht überprüfen. Eine derartige Kontrolle ist stets dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten wor-
den (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlagen 26 bis 28; 17/1000, Anlagen 5 und 11; 17/2200,
Anlagen 1, 13 bis 15, 17 bis 20, 23 und 24; 17/3100, Anlagen 15, 19, 20, 22 bis 30, 32, 34 bis 36; 17/4600,
Anlagen 10, 12, 13, 32, 38, 40 bis 43 mit weiteren Nachweisen). Unabhängig davon hegen der Wahlprü-
fungsausschuss und der Deutsche Bundestag in ständiger Entscheidungspraxis sowie das Bundesverfassungs-
gericht in ständiger Rechtsprechung keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 27 Abs. 3 BWG (vgl.
etwa Bundestagsdrucksachen 15/1850, Anlagen 9, 16, 31 und 34; 17/3100, Anlage 34; 17/6300, Anlage 35;
18/1160, Anlage 1; BVerfGE 3, 45 [50 f.]; 7, 63 [67 ff.]; 21, 355 [355 f.]; 47, 253 [283]; 122, 304 [314]). Die
Regelung verstößt nicht gegen die in Artikel 38 Absatz 1 GG niedergelegten Wahlgrundsätze, namentlich
nicht gegen den Grundsatz der unmittelbaren oder der gleichen Wahl. Denn die Zurechnung der abgegebenen
Wählerstimmen auf die einzelnen Wahlvorschläge vollzieht sich von der Stimmabgabe an ohne Zwischen-
schaltung eines von dem der Wähler abweichenden Willens (vgl. Hahlen, in: Schreiber, § 27 Rn. 4). Auch
lässt sich dem Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit nicht entnehmen, dass einem Wähler, der eine Präferenz
für einen bestimmten Kandidaten hat, die Möglichkeit eröffnet werden müsste, die Zweitstimme (nur) für
diesen Listenbewerber abzugeben (Hahlen, in: Schreiber, § 27 Rn. 12). Dies ist sachgerecht, denn im Gegen-
satz zur Erststimmenwahl, bei der die Wahlkreisbewerber im Vordergrund der Wahlentscheidung stehen,
kommt es bei der Landeslistenwahl nach dem gesetzgeberischen Grundgedanken für den Wähler entschei-
dend auf die von ihm favorisierte – durch eine bestimmte Partei vertretene – politische Programmatik an, für
deren Repräsentation die auf der Liste nominierten Bewerber ein Wählermandat anstreben (vgl. Strelen, in:
Schreiber, § 4 Rn. 3).

3. Die Ausführungen des Einspruchsführers, der Deutsche Bundestag sei von nur 42,1 Prozent des Volkes
gewählt worden und somit keine legitime Vertretung des deutschen Volkes, weisen auf keinen Wahlfehler
hin. Die Sitzverteilung hat nach dem geltenden Wahlrecht (§§ 4 bis 6 BWG) stattgefunden, das der Gesetz-
geber im Rahmen des Gestaltungsspielraums, der ihm Artikel 38 Absatz 3 GG zukommt, erlassen hat. Hin-
sichtlich der vom Einspruchsführer angesprochenen Unvereinbarkeit der bestehenden Rechtslage und der
Sitzverteilung mit dem in Artikel 20 Absatz 1 GG verankerten Demokratieprinzip ist erneut darauf hinzuwei-
sen, dass der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in ständiger Praxis im Rahmen eines
Wahlprüfungsverfahrens die Verfassungsmäßigkeit von Wahlrechtsvorschriften nicht überprüfen und eine
derartige Kontrolle stets dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten wurde (s. o.). Davon abgesehen halten
der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag das geltende Wahlrecht und damit auch die Rege-
lungen über die Sitzverteilung für verfassungskonform. Das Demokratieprinzip hat nicht zur Folge, dass die
Parlamentsmehrheit immer auch durch eine Mehrheit der Wahlberechtigten unterstützt bzw. gewählt werden
muss. Entscheidend kann nur das Stimmverhalten derjenigen sein, die sich an der Wahl tatsächlich beteiligen.
Andernfalls müsste eine sanktionierte Wahlpflicht gesetzlich verankert werden. Dies widerspräche aber dem
Grundsatz der Freiheit der Wahl in Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 GG, der auch die Freiheit, nicht zu wählen,
einschließt (sog. negative Wahlfreiheit, vgl. etwa Klein, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz [Hrsg.], GG, Lose-
blatt (Stand: Oktober 2010), Artikel 38 Rn. 108).

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 353 – Drucksache 18/1810

Anlage 54

Beschlussempfehlung

ZumWahleinspruch

des Herrn Prof. Dr. T. R., 83088 Kiefersfelden,

– Az.: WP 190/13 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag
am 22. September 2013

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 26. Juni 2014 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit einem Fax und einem Schreiben vom 22. November 2013 Einspruch gegen die
Gültigkeit der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag am 22. September 2013 eingelegt.

Er wendet sich gegen die Fünf-Prozent-Hürde. Die Sitzverteilung verstoße gegen den Grundsatz der Wahl-
gleichheit und den Anspruch der politischen Parteien auf Chancengleichheit. Aufgrund des festgestellten
Wahlergebnisses seien gemäß § 6 Absatz 3 Satz 1 des Bundeswahlgesetzes (BWG) die Listen der FDP und
der Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) nicht berücksichtigt worden. Auf diese Listen seien jeweils
mehr als zwei Millionen Zweitstimmen entfallen. Auf die Nichtberücksichtigung weiterer Listen, auf die
jeweils signifikant weniger Zweitstimmen entfallen seien, beziehe sich der Einspruch ausdrücklich nicht.
Zwar unterlägen der Grundsatz der Wahlgleichheit und der Grundsatz der Chancengleichheit der politischen
Parteien keinem absoluten Differenzierungsverbot. Allerdings folge aus dem formalen Charakter beider
Grundsätze, dass dem Gesetzgeber bei der Ordnung des Wahlrechts nur ein eng bemessener Spielraum für
Differenzierungen verbleibe. Differenzierende Regelungen müssten zur Verfolgung ihrer Zwecke geeignet
und erforderlich sein. Insbesondere sei der Gesetzgeber verpflichtet, eine die Wahlgleichheit und Chancen-
gleichheit berührende Wahlrechtsnorm zu überprüfen und gegebenenfalls zu ändern, wenn die verfassungs-
rechtliche Rechtfertigung dieser Norm durch neue Entwicklungen in Frage gestellt werde. Diesem Maßstab
werde die Fünf-Prozent-Sperrklausel nicht gerecht.

§ 6 Absatz 3 Satz 1 BWG diene dem legitimen Zweck, die demokratische Funktionsfähigkeit des Deutschen
Bundestages zu sichern, die Herstellung stabiler Mehrheitsverhältnisse als Grundlage der Bildung einer Re-
gierungskoalition zu gewährleisten und die Gesetzgebung blockierende Mehrheiten zu verhindern. Die gene-
relle Eignung dieses Mittels zum angestrebten Zweck sei grundsätzlich nicht zu bestreiten. Doch wecke die
grundsätzlich gewandelte Parteienstruktur die Besorgnis, dass die Fünf-Prozent-Klausel mittelbar die Bildung
sog. großer Koalitionen bei Marginalisierung der verbleibenden Opposition befördere und damit zwar starke
Regierungsmehrheiten schaffe, gleichzeitig aber die demokratische Funktionsfähigkeit des Deutschen Bun-
destages eher beschädige. Zudem sei die Sperrklausel unverhältnismäßig. Bei der Auswahl der Fünf-Prozent-
Klausel habe der Gesetzgeber sich von einer Diagnose der politischen Verhältnisse leiten lassen, die von der
Erfahrung der Weimarer Republik geprägt gewesen sei, in der insbesondere politisch radikale Splitterparteien
die Funktionsfähigkeit des Reichstages paralysiert hätten, ohne koalitionswillig und -fähig zu sein. Während
die Sperrklausel in den ersten 25 Jahren der Bundesrepublik höchst selten knapp verfehlt worden sei, habe
sich die politische und gesellschaftliche Entwicklung seit der Mitte der 1970er Jahre verändert. Diese sei
durch eine Lockerung politisch dogmatischer Grundzuordnungen und einer Diversifizierung innerhalb der
drei zuvor gefestigten politischen Grundströmungen (christlicher Konservatismus, Sozialismus, Liberalis-
mus) gekennzeichnet. Zugleich sei festzustellen, dass die Wähler ihre Bindungen an bestimmten Parteien
lockerten, aber grundsätzlich im selben politischen „Lager“ blieben. Die Fünf-Prozent-Sperrklausel werden
dem nicht mehr in verhältnismäßiger Weise gerecht. Zum einen ergebe sich eine deutlich höhere Wahr-
scheinlichkeit dafür, dass Parteien, die im ursprünglichen Sinne nicht radikale oder monothematische Split-

Drucksache 18/1810 – 354 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

tergruppen seien, angesichts der Diversifikation des politischen Angebots innerhalb der drei Grundströmun-
gen knapp an der Sperrklausel scheiterten. Je mehr Parteien breiter demokratischer Überzeugung verfügbar
seien, umso mehr nähere sich bereits ein durchschnittliches Stimmergebnis der Sperrklausel an. Dies erhöhe
die Gefahr, dass durch die Sperrklausel zehn Prozent und mehr der Wählerstimmen für die Sitzverteilung
unbeachtlich blieben. Bei der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag habe sich dieses Risiko lehrbuchartig rea-
lisiert. Die Einführung einer bedingten Drittstimme wäre ein geeignetes, milderes und somit verhältnismäßi-
geres Mittel als die Fünf-Prozent-Hürde, um den verfolgten Zweck zu erreichen.

Das Bundesministerium des Innern hat zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-
Sperrklausel am 16. Juni 2014 wie folgt Stellung genommen:

1. Das Bundesverfassungsgericht erachte in ständiger Rechtsprechung bei Wahlen zum Deutschen Bundestag
die heute in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG vorgesehene, auf
das gesamte Wahlgebiet bezogene Fünf-Prozent-Sperrklausel für verfassungsgemäß (vgl. BVerfGE 1, 208
[247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366]; 95, 408 [417 ff.];
120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.]). Zuletzt habe das Gericht in seinem Urteil vom
9. Januar 2011 zur Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen entschieden, dass die Fünf-Prozent-
Sperrklausel bei der Wahl zum Deutschen Bundestag ihre Rechtfertigung im Wesentlichen darin finde, dass
die Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende
Unterstützung nötig sei und dieses Ziel durch die Zersplitterung des Parlaments in viele kleine Gruppen ge-
fährdet werde (BVerfGE 129, 300 [335 f.]). In der Entscheidung vom 26. Februar 2014 (2 BvE 2/13 u. a.) zur
Drei-Prozent-Sperrklausel im Europawahlrecht habe das Gericht erneut bestätigt, dass eine Sperrklausel ge-
rechtfertigt sein könne, wenn Verhältnisse wie auf nationaler Ebene gegeben sind, wo die Bildung einer
stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Unterstützung nötig
sei (ebd. Rn. 72).

Angesichts der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei der Wahlgesetzgeber verfas-
sungsrechtlich nicht daran gehindert, bei der Verteilung der zu vergebenden Sitze auf die Landeslisten bei der
Bundestagswahl grundsätzlich nur die Parteien zu berücksichtigen, die mindestens fünf Prozent der im Wahl-
gebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten haben (§ 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Ab-
satz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG). Es sei ihm mit anderen Worten von Verfassungs wegen unbenommen,
gültige Zweitstimmen, die auf Landeslisten von Parteien entfallen sind, die nicht die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben, zwar für die Ergebnisfeststellung als relevant zu werten (§ 42 BWG), nicht
aber für die Sitzverteilung. Der Wahlgesetzgeber dürfe also ohne Verstoß gegen Bundesverfassungsrecht alle
zu vergebenden Parlamentssitze auf die Landeslisten derjenigen Parteien verteilen, die die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben.

Im Interesse der Handlungsfähigkeit des Deutschen Bundestages habe der Wahlgesetzgeber bisher an der auf
das gesamte Wahlgebiet bezogenen Fünf-Prozent-Sperrklausel, die seit der Wahl zum 2. Deutschen Bundes-
tag 1953 gilt, festgehalten. Denn eine Wahl habe – wie das Bundesverfassungsgericht betone (vgl. BVerfGE
51, 222 [236]) – „nicht nur das Ziel, eine Volksvertretung zu schaffen, die ein Spiegelbild der in der Wähler-
schaft vorhandenen politischen Meinungen darstellt, sondern sie soll auch ein funktionsfähiges Organ her-
vorbringen.“ Hierfür seien „(k)lare und ihrer Verantwortung für das Gesamtwohl bewusste Mehrheiten in
einer Volksvertretung (…) für eine Bewältigung der ihr gestellten Aufgaben unentbehrlich“, die durch einen
unbegrenzten Proporz nicht gewährleistet sind.

2. Zwar könne nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die verfassungsrechtliche Rechtfer-
tigung einer die Wahlgleichheit berührenden Norm des Wahlrechts wie eine Sperrklauselregelung durch ver-
änderte Verhältnisse oder neue Entwicklungen – etwa durch eine Änderung der vom Gesetzgeber vorausge-
setzten tatsächlichen oder normativen Grundlagen oder wenn sich die beim Erlass der Norm hinsichtlich ihrer
Auswirkungen angestellte Prognose als irrig erwiesen habe – in Frage gestellt werden (BVerfGE 82, 322
[338 f.]; 120, 82 [108]; 129, 300 [321 f.]; Urteil vom 26. Februar 2014, Az. 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 56). Dies
sei im Hinblick auf die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen jedoch nicht der Fall.

Eine Änderung der normativen Grundlagen für die Beurteilung der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundes-
tagswahlen, die das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung als verfassungsgemäß angesehen
habe, sei nicht festzustellen. Insbesondere führten das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
9. November 2011 zur Verfassungswidrigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen (BVerfGE
129, 300) und sein Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Sperrklausel im

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 355 – Drucksache 18/1810

Europawahlgesetz (2 BvE 2/13 u. a.) nicht zu einer abweichenden Bewertung. Das Bundesverfassungsgericht
begründe die Verfassungswidrigkeit der Sperrklauseln bei Europawahlen in diesen Urteilen mit der besonde-
ren Stellung und Funktion des Europäischen Parlaments im Gefüge der Organe der Europäischen Union, wo
eine vergleichbare Interessenlage wie bei der Bundestagswahl nicht bestehe (BVerfGE 129, 300 [336]). Auch
in seinem Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Klausel im Europawahl-
gesetz halte das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich an der gefestigten Rechtsprechung zum verfassungs-
rechtlichen Maßstab für die Beurteilung wahlrechtlicher Sperrklauseln fest und lege – wie es mehrfach beto-
ne – seinem Urteil die gleichen Prüfungsmaßstäbe wie im Urteil vom 9. November 2011 zugrunde (Az. 2
BvE 2/13 u. a., Rn. 37, 45, 63). In beiden Urteilen weise das Gericht zudem darauf hin, dass bei der Bundes-
tagswahl – anders als bei der Europawahl – der Deutsche Bundestag im Falle einer eintretenden Funktionsbe-
einträchtigung aufgrund seiner veränderten strukturellen Zusammensetzung nicht mehr in der Lage wäre, die
gesetzlichen Regelungen zur Sicherung seiner Funktionsfähigkeit zu ändern, weil die erforderliche Mehrheit
nicht mehr zustande käme (BVerfGE 129, 300 [324]; Urteil vom 26. Februar 2014, 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 58).

3. Auch in tatsächlicher Hinsicht erfordere das Wahlergebnis der Bundestagswahl 2013, bei der zwei Parteien
mit einem Stimmenanteil von 4,8 Prozent bzw. 4,7 Prozent der Zweitstimmen vergleichsweise knapp an der
Fünf-Prozent-Klausel gescheitert seien, keine Neubewertung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der
Klausel. Der Gesetzgeber habe sich für die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen entschieden und
diese bis heute beibehalten, um in Konstellationen, in denen eine oder mehrere Parteien weniger als fünf
Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, die Funktionsfähigkeit des Bundestages sicherzustellen. Wenn eine
solche Konstellation bei einer Wahl – wie nun der Bundestagswahl 2013 – tatsächlich auftrete, liege gerade
nicht der Fall vor, dass sich eine Prognose des Gesetzgebers als irrig erwiesen habe oder dass eine Änderung
der vom Gesetzgeber vorausgesetzten tatsächlichen Verhältnisse eingetreten sei, sondern es habe sich ledig-
lich ein Szenario realisiert, das der Gesetzgeber mit seiner Regelung von vornherein habe erfassen wollen.
Auch das Bundesverfassungsgericht habe die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen in Kenntnis
des Umstands, dass an ihr nicht nur Parteien mit einem niedrigen Stimmenanteil zwischen null und zwei
Prozent der Zweitstimmen, sondern auch Parteien mit einem Stimmenanteil knapp unter fünf Prozent schei-
tern können, in ständiger Rechtsprechung als verfassungsmäßig angesehen (siehe die Nachweise unter 1.).

Die bei der Bundestagswahl 2013 aufgetretene hohe Gesamtzahl von abgegebenen gültigen Zweitstimmen
für Parteien, die die Fünf-Prozent-Sperrklausel nicht überwunden haben, sei kein Grund, das Vorliegen ver-
änderter Verhältnisse bzw. neuer Entwicklungen anzunehmen, die eine Neubewertung der verfassungsrecht-
lichen Zulässigkeit der Sperrklausel erforderten. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Sperrklausel sei
nicht von der Gesamtzahl der Stimmen für diejenigen Parteien abhängig, die die Sperrklausel bei einer ein-
zelnen Wahl nicht überwinden. Die Sperrklausel rechtfertige sich vielmehr durch den mit ihr verfolgten ver-
fassungsrechtlich legitimen Zweck, die Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages sicherzustellen (siehe
die Nachweise unter 1.). Sie erfülle ihren Zweck gerade dann, wenn viele an der Wahl teilnehmende Parteien
die Sperrklausel nicht überwinden, aber ohne Sperrklausel Sitze im Parlament erlangt hätten, da auf diese
Weise eine die stabile Mehrheitsbildung gefährdende Zersplitterung des Bundestages vermieden werde.

4. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel stehe nicht entgegen, dass eine
hohe Zahl von Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die aufgrund der Sperrklausel nicht an der Sitzvertei-
lung teilnehmen, eine absolute Mehrheit der Sitze für Parteien ermögliche, die bei der Wahl deutlich weniger
als der Hälfte der Stimmen erreicht haben. Das Erreichen einer Mehrheit der Sitze im Parlament sei immer
mit weniger als der Hälfte der gültigen Zweitstimmen möglich. Denn auch ohne Sperrklausel erhalte nicht
jede Partei, für die bei der Wahl gültige Stimmen abgegeben wurden, automatisch einen Sitz. Da für einen
Sitz auch ohne Sperrklausel stets eine bestimmte Zahl von Stimmen erforderlich sei, führten nicht alle Stim-
men zu einem Sitzerfolg und darum weniger als 50 Prozent der gültigen Zweitstimmen zu einer Mehrheit der
Sitze. Ein Verfassungsrechtssatz des Inhalts, dass einer Mehrheit der Mitglieder des Bundestages notwendi-
gerweise eine Mehrheit der Zweitstimmen in der Bundestagswahl entsprechen müsse, sei nicht feststellbar.
Wenn aber eine Partei in einer Wahl eine absolute Mehrheit der Zweitstimmen erhalte, sei gesichert, dass auf
sie mehr als die Hälfte der Sitze entfalle (§ 6 Absatz 7 BWG).

5. Gegen die Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht vorgebracht werden, sie verhindere bzw. erschwere
in übermäßiger Weise die Entstehung oder Etablierung neuer Parteien und schränke dadurch in unzulässiger
Weise die Chancengleichheit der Parteien ein. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Chancengleichheit
der Parteien verlange nicht, dass jeder Partei, die bei der Bundestagswahl Stimmen erhalte, Sitze im Bundes-
tag garantiert seien. Jede Partei habe rechtlich die gleiche Chance auf Teilnahme an der Sitzverteilung bei

Drucksache 18/1810 – 356 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Überwindung der Sperrklausel. Wenn eine Partei die für alle geltende Sperrklausel nicht überwinde, so sei
dies Resultat zu geringer Zustimmung in der Wählerschaft und gerade nicht ungleicher Chancen, denn die
unterschiedliche Gewichtung des Erfolgswerts von Wahlstimmen durch eine Sperrklausel treffe alle Parteien
gleichermaßen (vgl. BVerfGE 82, 322 [345]).

Dass die Fünf-Prozent-Sperrklausel die Entstehung und Etablierung neuer Parteien nicht verhindere oder
übermäßig erschwere, zeige der Einzug in die Parlamente auch neuer Parteien in den vergangenen Jahren bei
Bundestagswahlen und Landtagswahlen, bei denen nach Landesrecht ebenfalls Fünf-Prozent-Sperrklauseln
bestünden. Die Sperrklauseln trügen zu einem Mindestmaß an Konsolidierung neuer Parteien bei, indem sie
eine funktionierende Organisation und eine hinreichende Kampagnenfähigkeit der Partei erforderlich mach-
ten, um einen erfolgreichen Wahlkampf zu führen, der den Einzug ins Parlament ermögliche. Auch das Bun-
desverfassungsgericht sehe in ständiger Rechtsprechung in der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestags-
wahlen keinen verfassungswidrigen Eingriff in die Chancengleichheit der Parteien (siehe die Nachweise un-
ter 1.).

6. Die Fünf-Prozent-Sperrklausel habe nicht zur Folge, dass die Parteien, die die Sperrklausel überwunden
haben und deshalb an der Sitzverteilung teilnehmen, von den Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die an
der Sperrklausel gescheitert sind und somit nicht an der Sitzverteilung teilnehmen, profitierten und die Wäh-
ler bei der Stimmabgabe nicht erkennen könnten, welche Partei letztlich tatsächlich von ihrer Zweitstimme
profitiere. Von der Zweitstimme für eine Partei profitiere stets die Partei, für die die Stimme abgegeben wor-
den sei. Wenn eine Partei aufgrund eines zur Überwindung der Sperrklausel nicht ausreichenden Zuspruchs
in der Wählerschaft nicht an der Sitzverteilung teilnehme, würden die zu vergebenden Sitze auf die Parteien
verteilt, die die Sperrklausel überwunden haben. Diese Parteien profitierten bei dieser Verteilung von den für
sie abgegebenen Zweitstimmen, nicht von den Zweitstimmen für die an der Sperrklausel gescheiterten Partei-
en, die wegen Nichtteilnahme an der Sitzverteilung zu keinem Sitzerfolg führten.

7. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht entgegengehalten
werden, der Umstand, dass aufgrund der Sperrklausel eine hohe Zahl von Stimmen bei der Sitzverteilung
unberücksichtigt bleibe, befördere die Politikverdrossenheit der Wahlberechtigten. Unabhängig davon, ob
dies tatsächlich der Fall sei, habe sich der Gesetzgeber dazu entschieden, der Sicherung der Funktionsfähig-
keit des Parlaments Vorrang vor derartigen Erwägungen einzuräumen. Das Bundesverfassungsgericht erachte
dies in ständiger Rechtsprechung für verfassungsrechtlich zulässig (siehe die Nachweise unter 1.). Ein wegen
Zersplitterung in kleine und kleinste Fraktionen nicht mehrheits- und handlungsfähiges Parlament, das zur
Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nicht in der Lage sei, wäre zudem in weit höherem Maße geeignet, Politikverdrossenheit zu för-
dern.

8. Aufgrund der verfassungskonformen Ausgestaltung der Fünf-Prozent-Sperrklausel im geltenden Bundes-
wahlgesetz sei der Wahlgesetzgeber auch nicht zur Einführung einer Alternativstimme („Eventualstimme“,
„Ersatzstimme“ bzw. „Stimmweitergabe-Option“) verpflichtet. Ergänzend sei darauf verwiesen, dass im
Schrifttum gegen die Einführung einer solchen Alternativstimme verfassungsrechtliche Bedenken geltend
gemacht würden: Eine Alternativstimme sei mit dem Charakter der Stimmabgabe als einer vorbehaltlosen
und bedingungsfeindlichen Willenserklärung nicht zu vereinbaren und verstoße daher gegen den Grundsatz
der Unmittelbarkeit der Wahl im Sinne des Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) und gegen
das Demokratieprinzip nach Artikel 20 Absatz 1 GG (so Strelen, in: Schreiber, Bundeswahlgesetz, 9. Auflage
2013, § 6 Rn. 37 sowie Schreiber, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: 43. Lfg.
April 2014, Art. 38 Rn. 40, 132). Überdies wäre die Gewährung einer Alternativstimme auch keine verfas-
sungspolitisch angezeigte Fortentwicklung des Wahlrechts. Sie würde das Stimmabgabeverfahren verkompli-
zieren, die Ermittlung des Wahlergebnisses wesentlich erschweren und verzögern und den Wähler von einer
eindeutigen politischen Entscheidung ohne Vorbehalt und Rückfallposition entpflichten (vgl. im Einzelnen
hierzu Strelen, in: Schreiber, § 6 Rn. 37).

9. Die Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Klausel sei schließlich auch nicht davon abhängig, dass Par-
teien, die jeweils mit einer eigenen Liste an der Bundestagswahl teilnehmen, ihre Landeslisten verbinden
dürften, um als Zählgemeinschaft die Sperrklausel zu überwinden. Derartige Listenverbindungen verschiede-
ner Parteien bei der Bundestagswahl seien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wegen
Verstoßes gegen den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit der Parteien verfas-
sungswidrig (BVerfGE 82, 322 [345 f.]). Eine derartige Listenverbindung würde allein dem Zweck dienen,

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 357 – Drucksache 18/1810

die verfassungslegitime Zielsetzung einer Fünf-Prozent-Sperrklausel, die Verhinderung einer Zersplitterung
des Parlaments, zu umgehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet. Dem Vortrag des Einspruchsführers lässt sich kein Verstoß
gegen Wahlrechtsvorschriften und damit kein Wahlfehler entnehmen.

Der Einspruchsführer bestreitet nicht, dass das Verfahren zur Auszählung der Stimmen und zur Verteilung
der Sitze auf die Landeslisten der Parteien bei der Bundestagswahl 2013 den Vorgaben des Bundeswahlge-
setzes entsprach. Dieses regelt in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1,
dass bei der Verteilung der Sitze auf die Landeslisten nur Parteien berücksichtigt werden, die mindestens fünf
Prozent der im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten oder in mindestens drei Wahlkrei-
sen einen Sitz errungen haben. Soweit der Einspruchsführer geltend macht, die Sperrklausel verstoße gegen
den Grundsatz der Wahlgleichheit sowie gegen den Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien und sei
daher verfassungswidrig, ist darauf hinzuweisen, dass der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundes-
tag in ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens die Verfassungsmäßigkeit der für die Wahl
geltenden Rechtsvorschriften nicht überprüfen. Eine derartige Kontrolle ist stets dem Bundesverfassungsge-
richt vorbehalten worden (vgl. etwa Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlagen 26 bis 28 mit weiteren Nach-
weisen; 17/1000, Anlagen 5 und 11; 17/2200, Anlagen 1, 13 bis 15, 17 bis 20, 23 und 24; 17/3100, Anlagen
15, 19, 20, 22 bis 30, 32, 34 bis 36; 17/4600, Anlagen 10, 12, 13, 32, 38, 40 bis 43 mit weiteren Nachweisen;
17/6300, Anlage 19). Allerdings hat der Wahlprüfungsausschuss schon in zahlreichen Wahlprüfungsent-
scheidungen früherer Wahlperioden keinen Anlass für Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Regelung
gesehen (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen 15/1850, Anlagen 9 und 47; 16/900, Anlage 14), zumal das
Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit der Sperrklausel in ihrer Ausgestaltung durch das Bun-
deswahlgesetz in ständiger Rechtsprechung bestätigt hat (vgl. BVerfGE 1, 208 [247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84
[92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366]; 95, 408 [417 ff.]; 120, 82 [109 ff.]; 122, 304
[314 f.]; 129, 300 [335 f.], siehe auch Bundestagsdrucksache 16/900, Anlage 14). Es ist folglich verfassungs-
rechtlich nicht zu beanstanden, dass alle Parlamentssitze auf diejenigen Parteien verteilt werden, welche die
Fünf-Prozent-Hürde überwunden haben. Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
die Sperrklausel durch veränderte Verhältnisse infrage gestellt werden. Dies ist bezüglich der Bundestags-
wahl 2013 aber nicht der Fall, wie das Bundesministerium des Innern – auch unter Bezugnahme auf die Ur-
teile vom 9. November 2011 und 26. Februar 2014 – in seiner Stellungnahme zutreffend feststellt: Dass nach
dem amtlichen Endergebnis der Bundestagswahl 2013 insgesamt 15,7 Prozent der gültigen Zweitstimmen
nicht in die Mandatsverteilung eingeflossen sind, weil sie für insgesamt 25 Parteien abgegeben wurden, die
bundesweit weniger als fünf Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, ändert nichts an der vom Bundesver-
fassungsgericht festgestellten Verfassungskonformität der Fünf-Prozent-Hürde. Zwar war der Anteil der gül-
tigen, aber wegen der Sperrklausel nicht in die Sitzverteilung eingeflossenen Zweitstimmen bei der Bundes-
tagswahl 2013 höher als bei früheren Bundestagswahlen, da – anders als bei vorhergehenden Wahlen – zwei
Parteien jeweils fast fünf Prozent und zudem 23 weitere Parteien insgesamt 6,2 Prozent (für sich genommen
aber teilweise weniger als 0,1 Prozent) erreicht haben. Jedoch ist dieser Umstand nicht atypisch oder zuvor
unbekannt gewesen. Es ist zudem durchaus möglich, dass er bei kommenden Bundestagswahlen mit anderen
Wahlergebnissen nicht (mehr) auftritt. Der Einzug neuer Parteien in den Deutschen Bundestag wird, wie
Beispiele aus der Geschichte der Bundesrepublik zeigen, ohnehin nicht durch die Sperrklausel verhindert.
Außerdem ist die Fünf-Prozent-Hürde auf das jeweilige Ergebnis einer jeden Partei bezogen. Nur die konkre-
te Stimmenzahl jeder Partei kann der Ausgangspunkt der Sitzverteilung auf die Landeslisten sein (vgl. § 6
Absatz 1 BWG) – übrigens auch dann, wenn man gedanklich die Sperrklausel streicht oder eine niedrigere
Sperrklausel ansetzt –; erst im zweiten Schritt ist die Stimmenzahl einer jeden Partei in Relation zu den
Stimmenanteilen der anderen Parteien zu setzen (vgl. § 6 Absätze 2 bis 7 BWG). Die gedankliche Addition
von Zweitstimmenanteilen kann folglich für die Fünf-Prozent-Hürde keine Aussagekraft beanspruchen.

Das vom Einspruchsführer befürwortete Konzept einer „bedingten Drittstimme“ (Eventualstimme, Alterna-
tivstimme, Ersatzstimme) wäre – wenn es Gesetz würde – verfassungwidrig. Die Einführung einer Eventual-
stimme verstieße gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl im Sinne des Artikels 38 Absatz 1 Satz
1 GG und gegen das Demokratieprinzip in Art. 20 Absatz 1 GG (vgl. nur Strelen, in: Schreiber, § 6 Rn. 37).

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 359 – Drucksache 18/1810

Anlage 55

Beschlussempfehlung

ZumWahleinspruch

des Herrn H. E. M., 83410 Laufen,

– Az.: WP 197/13 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag
am 22. September 2013

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 26. Juni 2014 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit einem Fax vom 22. November 2013 Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl
zum 18. Deutschen Bundestag am 22. September 2013 eingelegt.

Er wendet sich gegen die Fünf-Prozent-Klausel. Er fühle sich, wie mindestens über sechs Millionen weitere
Mitbürger, um sein Recht gebracht, seinen demokratischen Vertreter wählen zu können. Mit der Sperrklausel
werde jedem betroffenen Bürger die Möglichkeit der Einflussnahme auf die Zusammensetzung des Deut-
schen Bundestages genommen. Darüber hinaus würden die von den betroffenen Wählern „vorgesehenen“
Sitze gerade an die Parteien vergeben, die diese Bürger nicht gewählt hätten. Wenn die – nach einer Ent-
scheidung des Bundesverfassungsgerichts vom November 2011 verfassungswidrige – Fünf-Prozent-Klausel
für ganz Europa nicht tragfähig sei, könne sie es für die Bundesrepublik erst recht nicht sein. Von einer
Chancengleichheit der Parteien könne keine Rede mehr sein.

Das Bundesministerium des Innern hat zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-
Sperrklausel am 16. Juni 2014 wie folgt Stellung genommen:

1. Das Bundesverfassungsgericht erachte in ständiger Rechtsprechung bei Wahlen zum Deutschen Bundestag
die heute in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1 des Bundeswahlgesetzes
(BWG) vorgesehene, auf das gesamte Wahlgebiet bezogene Fünf-Prozent-Sperrklausel für verfassungsgemäß
(vgl. BVerfGE 1, 208 [247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366];
95, 408 [417 ff.]; 120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.]). Zuletzt habe das Gericht in seinem
Urteil vom 9. Januar 2011 zur Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen entschieden, dass die Fünf-
Prozent-Sperrklausel bei der Wahl zum Deutschen Bundestag ihre Rechtfertigung im Wesentlichen darin
finde, dass die Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren
fortlaufende Unterstützung nötig sei und dieses Ziel durch die Zersplitterung des Parlaments in viele kleine
Gruppen gefährdet werde (BVerfGE 129, 300 [335 f.]). In der Entscheidung vom 26. Februar 2014 (2 BvE
2/13 u. a.) zur Drei-Prozent-Sperrklausel im Europawahlrecht habe das Gericht erneut bestätigt, dass eine
Sperrklausel gerechtfertigt sein könne, wenn Verhältnisse wie auf nationaler Ebene gegeben sind, wo die
Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nötig sei (ebd. Rn. 72).

Angesichts der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei der Wahlgesetzgeber verfas-
sungsrechtlich nicht daran gehindert, bei der Verteilung der zu vergebenden Sitze auf die Landeslisten bei der
Bundestagswahl grundsätzlich nur die Parteien zu berücksichtigen, die mindestens fünf Prozent der im Wahl-
gebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten haben (§ 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Ab-
satz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG). Es sei ihm mit anderen Worten von Verfassungs wegen unbenommen,
gültige Zweitstimmen, die auf Landeslisten von Parteien entfallen sind, die nicht die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben, zwar für die Ergebnisfeststellung als relevant zu werten (§ 42 BWG), nicht
aber für die Sitzverteilung. Der Wahlgesetzgeber dürfe also ohne Verstoß gegen Bundesverfassungsrecht alle

Drucksache 18/1810 – 360 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

zu vergebenden Parlamentssitze auf die Landeslisten derjenigen Parteien verteilen, die die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben.

Im Interesse der Handlungsfähigkeit des Deutschen Bundestages habe der Wahlgesetzgeber bisher an der auf
das gesamte Wahlgebiet bezogenen Fünf-Prozent-Sperrklausel, die seit der Wahl zum 2. Deutschen Bundes-
tag 1953 gilt, festgehalten. Denn eine Wahl habe – wie das Bundesverfassungsgericht betone (vgl. BVerfGE
51, 222 [236]) – „nicht nur das Ziel, eine Volksvertretung zu schaffen, die ein Spiegelbild der in der Wähler-
schaft vorhandenen politischen Meinungen darstellt, sondern sie soll auch ein funktionsfähiges Organ her-
vorbringen.“ Hierfür seien „(k)lare und ihrer Verantwortung für das Gesamtwohl bewusste Mehrheiten in
einer Volksvertretung (…) für eine Bewältigung der ihr gestellten Aufgaben unentbehrlich“, die durch einen
unbegrenzten Proporz nicht gewährleistet sind.

2. Zwar könne nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die verfassungsrechtliche Rechtfer-
tigung einer die Wahlgleichheit berührenden Norm des Wahlrechts wie eine Sperrklauselregelung durch ver-
änderte Verhältnisse oder neue Entwicklungen – etwa durch eine Änderung der vom Gesetzgeber vorausge-
setzten tatsächlichen oder normativen Grundlagen oder wenn sich die beim Erlass der Norm hinsichtlich ihrer
Auswirkungen angestellte Prognose als irrig erwiesen habe – in Frage gestellt werden (BVerfGE 82, 322
[338 f.]; 120, 82 [108]; 129, 300 [321 f.]; Urteil vom 26. Februar 2014, Az. 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 56). Dies
sei im Hinblick auf die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen jedoch nicht der Fall.

Eine Änderung der normativen Grundlagen für die Beurteilung der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundes-
tagswahlen, die das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung als verfassungsgemäß angesehen
habe, sei nicht festzustellen. Insbesondere führten das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
9. November 2011 zur Verfassungswidrigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen (BVerfGE
129, 300) und sein Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Sperrklausel im
Europawahlgesetz (2 BvE 2/13 u. a.) nicht zu einer abweichenden Bewertung. Das Bundesverfassungsgericht
begründe die Verfassungswidrigkeit der Sperrklauseln bei Europawahlen in diesen Urteilen mit der besonde-
ren Stellung und Funktion des Europäischen Parlaments im Gefüge der Organe der Europäischen Union, wo
eine vergleichbare Interessenlage wie bei der Bundestagswahl nicht bestehe (BVerfGE 129, 300 [336]). Auch
in seinem Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Klausel im Europawahl-
gesetz halte das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich an der gefestigten Rechtsprechung zum verfassungs-
rechtlichen Maßstab für die Beurteilung wahlrechtlicher Sperrklauseln fest und lege – wie es mehrfach beto-
ne – seinem Urteil die gleichen Prüfungsmaßstäbe wie im Urteil vom 9. November 2011 zugrunde (Az. 2
BvE 2/13 u. a., Rn. 37, 45, 63). In beiden Urteilen weise das Gericht zudem darauf hin, dass bei der Bundes-
tagswahl – anders als bei der Europawahl – der Deutsche Bundestag im Falle einer eintretenden Funktionsbe-
einträchtigung aufgrund seiner veränderten strukturellen Zusammensetzung nicht mehr in der Lage wäre, die
gesetzlichen Regelungen zur Sicherung seiner Funktionsfähigkeit zu ändern, weil die erforderliche Mehrheit
nicht mehr zustande käme (BVerfGE 129, 300 [324]; Urteil vom 26. Februar 2014, 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 58).

3. Auch in tatsächlicher Hinsicht erfordere das Wahlergebnis der Bundestagswahl 2013, bei der zwei Parteien
mit einem Stimmenanteil von 4,8 Prozent bzw. 4,7 Prozent der Zweitstimmen vergleichsweise knapp an der
Fünf-Prozent-Klausel gescheitert seien, keine Neubewertung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der
Klausel. Der Gesetzgeber habe sich für die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen entschieden und
diese bis heute beibehalten, um in Konstellationen, in denen eine oder mehrere Parteien weniger als fünf
Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, die Funktionsfähigkeit des Bundestages sicherzustellen. Wenn eine
solche Konstellation bei einer Wahl – wie nun der Bundestagswahl 2013 – tatsächlich auftrete, liege gerade
nicht der Fall vor, dass sich eine Prognose des Gesetzgebers als irrig erwiesen habe oder dass eine Änderung
der vom Gesetzgeber vorausgesetzten tatsächlichen Verhältnisse eingetreten sei, sondern es habe sich ledig-
lich ein Szenario realisiert, das der Gesetzgeber mit seiner Regelung von vornherein habe erfassen wollen.
Auch das Bundesverfassungsgericht habe die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen in Kenntnis
des Umstands, dass an ihr nicht nur Parteien mit einem niedrigen Stimmenanteil zwischen null und zwei
Prozent der Zweitstimmen, sondern auch Parteien mit einem Stimmenanteil knapp unter fünf Prozent schei-
tern können, in ständiger Rechtsprechung als verfassungsmäßig angesehen (siehe die Nachweise unter 1.).

Die bei der Bundestagswahl 2013 aufgetretene hohe Gesamtzahl von abgegebenen gültigen Zweitstimmen
für Parteien, die die Fünf-Prozent-Sperrklausel nicht überwunden haben, sei kein Grund, das Vorliegen ver-
änderter Verhältnisse bzw. neuer Entwicklungen anzunehmen, die eine Neubewertung der verfassungsrecht-
lichen Zulässigkeit der Sperrklausel erforderten. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Sperrklausel sei

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 361 – Drucksache 18/1810

nicht von der Gesamtzahl der Stimmen für diejenigen Parteien abhängig, die die Sperrklausel bei einer ein-
zelnen Wahl nicht überwinden. Die Sperrklausel rechtfertige sich vielmehr durch den mit ihr verfolgten ver-
fassungsrechtlich legitimen Zweck, die Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages sicherzustellen (siehe
die Nachweise unter 1.). Sie erfülle ihren Zweck gerade dann, wenn viele an der Wahl teilnehmende Parteien
die Sperrklausel nicht überwinden, aber ohne Sperrklausel Sitze im Parlament erlangt hätten, da auf diese
Weise eine die stabile Mehrheitsbildung gefährdende Zersplitterung des Bundestages vermieden werde.

4. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel stehe nicht entgegen, dass eine
hohe Zahl von Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die aufgrund der Sperrklausel nicht an der Sitzvertei-
lung teilnehmen, eine absolute Mehrheit der Sitze für Parteien ermögliche, die bei der Wahl deutlich weniger
als der Hälfte der Stimmen erreicht haben. Das Erreichen einer Mehrheit der Sitze im Parlament sei immer
mit weniger als der Hälfte der gültigen Zweitstimmen möglich. Denn auch ohne Sperrklausel erhalte nicht
jede Partei, für die bei der Wahl gültige Stimmen abgegeben wurden, automatisch einen Sitz. Da für einen
Sitz auch ohne Sperrklausel stets eine bestimmte Zahl von Stimmen erforderlich sei, führten nicht alle Stim-
men zu einem Sitzerfolg und darum weniger als 50 Prozent der gültigen Zweitstimmen zu einer Mehrheit der
Sitze. Ein Verfassungsrechtssatz des Inhalts, dass einer Mehrheit der Mitglieder des Bundestages notwendi-
gerweise eine Mehrheit der Zweitstimmen in der Bundestagswahl entsprechen müsse, sei nicht feststellbar.
Wenn aber eine Partei in einer Wahl eine absolute Mehrheit der Zweitstimmen erhalte, sei gesichert, dass auf
sie mehr als die Hälfte der Sitze entfalle (§ 6 Absatz 7 BWG).

5. Gegen die Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht vorgebracht werden, sie verhindere bzw. erschwere
in übermäßiger Weise die Entstehung oder Etablierung neuer Parteien und schränke dadurch in unzulässiger
Weise die Chancengleichheit der Parteien ein. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Chancengleichheit
der Parteien verlange nicht, dass jeder Partei, die bei der Bundestagswahl Stimmen erhalte, Sitze im Bundes-
tag garantiert seien. Jede Partei habe rechtlich die gleiche Chance auf Teilnahme an der Sitzverteilung bei
Überwindung der Sperrklausel. Wenn eine Partei die für alle geltende Sperrklausel nicht überwinde, so sei
dies Resultat zu geringer Zustimmung in der Wählerschaft und gerade nicht ungleicher Chancen, denn die
unterschiedliche Gewichtung des Erfolgswerts von Wahlstimmen durch eine Sperrklausel treffe alle Parteien
gleichermaßen (vgl. BVerfGE 82, 322 [345]).

Dass die Fünf-Prozent-Sperrklausel die Entstehung und Etablierung neuer Parteien nicht verhindere oder
übermäßig erschwere, zeige der Einzug in die Parlamente auch neuer Parteien in den vergangenen Jahren bei
Bundestagswahlen und Landtagswahlen, bei denen nach Landesrecht ebenfalls Fünf-Prozent-Sperrklauseln
bestünden. Die Sperrklauseln trügen zu einem Mindestmaß an Konsolidierung neuer Parteien bei, indem sie
eine funktionierende Organisation und eine hinreichende Kampagnenfähigkeit der Partei erforderlich mach-
ten, um einen erfolgreichen Wahlkampf zu führen, der den Einzug ins Parlament ermögliche. Auch das Bun-
desverfassungsgericht sehe in ständiger Rechtsprechung in der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestags-
wahlen keinen verfassungswidrigen Eingriff in die Chancengleichheit der Parteien (siehe die Nachweise un-
ter 1.).

6. Die Fünf-Prozent-Sperrklausel habe nicht zur Folge, dass die Parteien, die die Sperrklausel überwunden
haben und deshalb an der Sitzverteilung teilnehmen, von den Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die an
der Sperrklausel gescheitert sind und somit nicht an der Sitzverteilung teilnehmen, profitierten und die Wäh-
ler bei der Stimmabgabe nicht erkennen könnten, welche Partei letztlich tatsächlich von ihrer Zweitstimme
profitiere. Von der Zweitstimme für eine Partei profitiere stets die Partei, für die die Stimme abgegeben wor-
den sei. Wenn eine Partei aufgrund eines zur Überwindung der Sperrklausel nicht ausreichenden Zuspruchs
in der Wählerschaft nicht an der Sitzverteilung teilnehme, würden die zu vergebenden Sitze auf die Parteien
verteilt, die die Sperrklausel überwunden haben. Diese Parteien profitierten bei dieser Verteilung von den für
sie abgegebenen Zweitstimmen, nicht von den Zweitstimmen für die an der Sperrklausel gescheiterten Partei-
en, die wegen Nichtteilnahme an der Sitzverteilung zu keinem Sitzerfolg führten.

7. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht entgegengehalten
werden, der Umstand, dass aufgrund der Sperrklausel eine hohe Zahl von Stimmen bei der Sitzverteilung
unberücksichtigt bleibe, befördere die Politikverdrossenheit der Wahlberechtigten. Unabhängig davon, ob
dies tatsächlich der Fall sei, habe sich der Gesetzgeber dazu entschieden, der Sicherung der Funktionsfähig-
keit des Parlaments Vorrang vor derartigen Erwägungen einzuräumen. Das Bundesverfassungsgericht erachte
dies in ständiger Rechtsprechung für verfassungsrechtlich zulässig (siehe die Nachweise unter 1.). Ein wegen
Zersplitterung in kleine und kleinste Fraktionen nicht mehrheits- und handlungsfähiges Parlament, das zur

Drucksache 18/1810 – 362 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nicht in der Lage sei, wäre zudem in weit höherem Maße geeignet, Politikverdrossenheit zu för-
dern.

8. Aufgrund der verfassungskonformen Ausgestaltung der Fünf-Prozent-Sperrklausel im geltenden Bundes-
wahlgesetz sei der Wahlgesetzgeber auch nicht zur Einführung einer Alternativstimme („Eventualstimme“,
„Ersatzstimme“ bzw. „Stimmweitergabe-Option“) verpflichtet. Ergänzend sei darauf verwiesen, dass im
Schrifttum gegen die Einführung einer solchen Alternativstimme verfassungsrechtliche Bedenken geltend
gemacht würden: Eine Alternativstimme sei mit dem Charakter der Stimmabgabe als einer vorbehaltlosen
und bedingungsfeindlichen Willenserklärung nicht zu vereinbaren und verstoße daher gegen den Grundsatz
der Unmittelbarkeit der Wahl im Sinne des Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) und gegen
das Demokratieprinzip nach Artikel 20 Absatz 1 GG (so Strelen, in: Schreiber, Bundeswahlgesetz, 9. Auflage
2013, § 6 Rn. 37 sowie Schreiber, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: 43. Lfg.
April 2014, Art. 38 Rn. 40, 132). Überdies wäre die Gewährung einer Alternativstimme auch keine verfas-
sungspolitisch angezeigte Fortentwicklung des Wahlrechts. Sie würde das Stimmabgabeverfahren verkompli-
zieren, die Ermittlung des Wahlergebnisses wesentlich erschweren und verzögern und den Wähler von einer
eindeutigen politischen Entscheidung ohne Vorbehalt und Rückfallposition entpflichten (vgl. im Einzelnen
hierzu Strelen, in: Schreiber, § 6 Rn. 37).

9. Die Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Klausel sei schließlich auch nicht davon abhängig, dass Par-
teien, die jeweils mit einer eigenen Liste an der Bundestagswahl teilnehmen, ihre Landeslisten verbinden
dürften, um als Zählgemeinschaft die Sperrklausel zu überwinden. Derartige Listenverbindungen verschiede-
ner Parteien bei der Bundestagswahl seien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wegen
Verstoßes gegen den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit der Parteien verfas-
sungswidrig (BVerfGE 82, 322 [345 f.]). Eine derartige Listenverbindung würde allein dem Zweck dienen,
die verfassungslegitime Zielsetzung einer Fünf-Prozent-Sperrklausel, die Verhinderung einer Zersplitterung
des Parlaments, zu umgehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet. Dem Vortrag des Einspruchsführers lässt sich kein Verstoß
gegen Wahlrechtsvorschriften und damit kein Wahlfehler entnehmen.

Der Einspruchsführer bestreitet nicht, dass das Verfahren zur Auszählung der Stimmen und zur Verteilung
der Sitze auf die Landeslisten der Parteien bei der Bundestagswahl 2013 den Vorgaben des Bundeswahlge-
setzes entsprach. Dieses regelt in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1,
dass bei der Verteilung der Sitze auf die Landeslisten nur Parteien berücksichtigt werden, die mindestens fünf
Prozent der im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten oder in mindestens drei Wahlkrei-
sen einen Sitz errungen haben. Soweit der Einspruchsführer geltend macht, die Sperrklausel sei verfassungs-
widrig, ist darauf hinzuweisen, dass der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in ständiger
Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens die Verfassungsmäßigkeit der für die Wahl geltenden
Rechtsvorschriften nicht überprüfen. Eine derartige Kontrolle ist stets dem Bundesverfassungsgericht vorbe-
halten worden (vgl. etwa Bundestagsdrucksachen 16/1800, Anlagen 26 bis 28 mit weiteren Nachweisen;
17/1000, Anlagen 5 und 11; 17/2200, Anlagen 1, 13 bis 15, 17 bis 20, 23 und 24; 17/3100, Anlagen 15, 19,
20, 22 bis 30, 32, 34 bis 36; 17/4600, Anlagen 10, 12, 13, 32, 38, 40 bis 43 mit weiteren Nachweisen;
17/6300, Anlage 19). Allerdings hat der Wahlprüfungsausschuss schon in zahlreichen Wahlprüfungsent-
scheidungen früherer Wahlperioden keinen Anlass für Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Regelung
gesehen (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen 15/1850, Anlagen 9 und 47; 16/900, Anlage 14), zumal das
Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit der Sperrklausel in ihrer Ausgestaltung durch das Bun-
deswahlgesetz in ständiger Rechtsprechung – anders als der Einspruchsführer meint – bestätigt hat (vgl.
BVerfGE 1, 208 [247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366]; 95,
408 [417 ff.]; 120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.], siehe auch Bundestagsdrucksache
16/900, Anlage 14). Es ist folglich verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass alle Parlamentssitze auf
diejenigen Parteien verteilt werden, welche die Fünf-Prozent-Hürde überwunden haben. Zwar kann nach der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Sperrklausel durch veränderte Verhältnisse infrage ge-
stellt werden. Dies ist bezüglich der Bundestagswahl 2013 aber nicht der Fall, wie das Bundesministerium
des Innern – auch unter Bezugnahme auf die Urteile vom 9. November 2011 und 26. Februar 2014 – in seiner

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 363 – Drucksache 18/1810

Stellungnahme zutreffend feststellt: Dass nach dem amtlichen Endergebnis der Bundestagswahl 2013 insge-
samt 15,7 Prozent der gültigen Zweitstimmen nicht in die Mandatsverteilung eingeflossen sind, weil sie für
insgesamt 25 Parteien abgegeben wurden, die bundesweit weniger als fünf Prozent der Zweitstimmen erreicht
haben, ändert nichts an der vom Bundesverfassungsgericht festgestellten Verfassungskonformität der Fünf-
Prozent-Hürde. Zwar war der Anteil der gültigen, aber wegen der Sperrklausel nicht in die Sitzverteilung
eingeflossenen Zweitstimmen bei der Bundestagswahl 2013 höher als bei früheren Bundestagswahlen, da –
anders als bei vorhergehenden Wahlen – zwei Parteien jeweils fast fünf Prozent und zudem 23 weitere Par-
teien insgesamt 6,2 Prozent (für sich genommen aber teilweise weniger als 0,1 Prozent) erreicht haben. Je-
doch ist dieser Umstand nicht atypisch oder zuvor unbekannt gewesen. Es ist zudem durchaus möglich, dass
er bei kommenden Bundestagswahlen mit anderen Wahlergebnissen nicht (mehr) auftritt. Der Einzug neuer
Parteien in den Deutschen Bundestag wird, wie Beispiele aus der Geschichte der Bundesrepublik zeigen,
ohnehin nicht durch die Sperrklausel verhindert. Außerdem ist die Fünf-Prozent-Hürde auf das jeweilige
Ergebnis einer jeden Partei bezogen. Nur die konkrete Stimmenzahl jeder Partei kann der Ausgangspunkt der
Sitzverteilung auf die Landeslisten sein (vgl. § 6 Absatz 1 BWG) – übrigens auch dann, wenn man gedank-
lich die Sperrklausel streicht oder eine niedrigere Sperrklausel ansetzt –; erst im zweiten Schritt ist die Stim-
menzahl einer jeden Partei in Relation zu den Stimmenanteilen der anderen Parteien zu setzen (vgl. § 6 Ab-
sätze 2 bis 7 BWG). Die gedankliche Addition von Zweitstimmenanteilen kann folglich für die Fünf-Prozent-
Hürde keine Aussagekraft beanspruchen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 365 – Drucksache 18/1810

Anlage 56

Beschlussempfehlung

ZumWahleinspruch

1. des Herrn C. H., 04135 Leipzig,
2. der Frau K. L., 04157 Leipzig,
3. des Herrn C. S., 04177 Leipzig,
4. des Herrn R. Z., 04135 Leipzig,

– Az.: WP 198/13 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag
am 22. September 2013

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 26. Juni 2014 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Die Einspruchsführer haben mit einem Schreiben vom 18. November und zwei Telefaxen vom 22. November
2013 Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag am 22. September 2013 einge-
legt.

Sie wenden sich gegen die Fünf-Prozent-Hürde. § 6 Absatz 3 Satz 1 Variante 1 des Bundeswahlgesetzes
(BWG) sei insoweit nicht mit dem Grundgesetz (GG) vereinbar, als dass mehr als 9,8 Prozent aller gültigen
Zweitstimmen bei der Zusammensetzung des Deutschen Bundestages unberücksichtigt geblieben seien. Bei
der angegriffenen Wahl seien 15,7 Prozent der gültigen Zweitstimmen auf Parteien entfallen, die den Sprung
über die Fünf-Prozent-Hürde nicht geschafft hätten. Damit seien 7.442.508 Stimmen „ungehört“ geblieben.
Ohne die Sperrklausel würde sich eine veränderte Zusammensetzung des Deutschen Bundestages ergeben.
14,3 Prozent der Stimmen seien der Sperrklausel „zum Opfer gefallen“. § 6 Absatz 3 Satz 1 Variante 1 BWG
verstoße gegen den Grundsatz der Gleichheit der Wahl, der die Gleichheit der Staatsbürger sichere. Der
Grundsatz sei im Sinne strenger und formaler Gleichheit zu verstehen. Abweichungen bedürften besonderer
sachlicher Gründe, die durch die Verfassung legitimiert und von gleichem Gewicht sein müssten. Zu diesen
Gründen zählten – nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts – die Verwirklichung der mit der
Parlamentswahl verfolgten Ziele sowie die Sicherung des Charakters der Wahl und der Funktionsfähigkeit
des zu wählenden Parlaments. Jede gültige Stimme müsse – im Rahmen des vom Gesetzgeber gewählten
Wahlsystems – den gleichen Einfluss auf das Wahlergebnis haben. Bei Verhältniswahl- und Mischwahlsys-
temen heiße dies nach ständiger Verfassungsrechtsprechung, dass jede Stimme nicht nur den gleichen
Zählwert, sondern auch den gleichen Erfolgswert haben müsse. Durch die Sperrklausel sollten das Repräsen-
tationsprinzip und das diesem teilweise gegenüberstehende Funktionsprinzip zum Ausgleich gebracht wer-
den. Letzteres fuße auf dem Demokratieprinzip, da ein nicht funktionierendes, sich selbst blockierendes Par-
lament den Volkswillen überhaupt nicht umsetze. Dem Repräsentationsprinzip sei grundsätzlich der Vorrang
einzuräumen, um eine möglichst große Abbildung der im Wahlvolk vertretenen Ansichten zu gewährleisten,.
Dies schon deshalb, weil das Volk die Staatsgewalt auf Bundesebene nur durch die Parlamentswahl ausüben
könne. Das Funktionsprinzip diene immer der möglichst breiten Verwirklichung des Volkswillens und sei
damit Teil des Repräsentationsprinzips. Zugleich müsse verhindert werden, dass Partikularinteressen einzel-
ner politischer Gruppierungen über den Willen aller gestellt würden. Eine zu hohe Sperrklausel würde ebenso
die Gefahr mit sich bringen, solchen Interessen zur Durchsetzung zu verhelfen, wie eine zu geringe Sperr-
klausel.

Die Sperrklausel sei nur in den Bereichen gerechtfertigt, in denen sie als zwingender Grund unbedingt erfor-
derlich sei, um die beiden genannten Prinzpien zum Ausgleich zu bringen. Dies sei dann nicht mehr der Fall,
wenn sie zu einer erheblichen Verzerrung des Wählerwillens führe und sich ihr Zweck damit genau ins Ge-

Drucksache 18/1810 – 366 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

genteil verkehre. Wenn zwei oder mehr Parteien mit 4,9 Prozent aus der Sitzverteilung herausfielen, handele
es sich dabei nicht um ein Randphänomen, welches um der Funktionsfähigkeit des Parlaments willen hinzu-
nehmen wäre. Vielmehr habe sich eine breite Wählerschicht trotz der Gefahr, dass ihre Stimmen unberück-
sichtigt bleiben könnten, für diese Parteien entschieden. Die Annahme, diese Parteien hätten ohne Sperrklau-
sel noch wesentlich mehr Stimmen erlangt, sei wesentlich wahrscheinlicher als die Annahme, diese Parteien
hätten auch ohne Sperrklausel nicht an der Verteilung teilgenommen. Bei der angegriffenen Wahl seien 4,2
Millionen Wähler und damit Bevölkerungsteile nicht repräsentiert, die zusammengenommen ohne Weiteres
(zahlenmäßig) ein eigenes Bundesland ausmachen würden. Der Wahlvorgang leide daher an schwerwiegen-
den Mängeln. Hätten die Wähler einer von der Sperrklausel „bedrohten“ Partei vorausgesehen, dass ihre
Zweitstimme möglicherweise berücksichtigt worden wäre, liege die Annahme nahe, dass die entsprechenden
Parteien mehr Stimmen erhalten hätten. Lösungsmöglichkeiten, die den geschilderten Problemen begegnen,
aber zur Beibehaltung der Sperrklausel führen sollten, wie die Ersatzstimme, eine Absenkung der Hürde oder
eine Einführung variabler Hürden, seien allesamt nicht überzeugend. Selbst wenn man die Wahl insgesamt
als verfassungskonform ansehe, sei wenigstens das zugrunde gelegte „Berechnungsverfahren“ angesichts
15,7 Prozent nicht berücksichtigter Zweitstimmen verfassungswidrig.

Wegen der Einzelheiten des Vortrages der Einspruchsführer wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Das Bundesministerium des Innern hat zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-
Sperrklausel am 16. Juni 2014 wie folgt Stellung genommen:

1. Das Bundesverfassungsgericht erachte in ständiger Rechtsprechung bei Wahlen zum Deutschen Bundestag
die heute in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG vorgesehene, auf
das gesamte Wahlgebiet bezogene Fünf-Prozent-Sperrklausel für verfassungsgemäß (vgl. BVerfGE 1, 208
[247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366]; 95, 408 [417 ff.];
120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.]). Zuletzt habe das Gericht in seinem Urteil vom
9. Januar 2011 zur Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen entschieden, dass die Fünf-Prozent-
Sperrklausel bei der Wahl zum Deutschen Bundestag ihre Rechtfertigung im Wesentlichen darin finde, dass
die Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende
Unterstützung nötig sei und dieses Ziel durch die Zersplitterung des Parlaments in viele kleine Gruppen ge-
fährdet werde (BVerfGE 129, 300 [335 f.]). In der Entscheidung vom 26. Februar 2014 (2 BvE 2/13 u. a.) zur
Drei-Prozent-Sperrklausel im Europawahlrecht habe das Gericht erneut bestätigt, dass eine Sperrklausel ge-
rechtfertigt sein könne, wenn Verhältnisse wie auf nationaler Ebene gegeben sind, wo die Bildung einer
stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Unterstützung nötig
sei (ebd. Rn. 72).

Angesichts der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei der Wahlgesetzgeber verfas-
sungsrechtlich nicht daran gehindert, bei der Verteilung der zu vergebenden Sitze auf die Landeslisten bei der
Bundestagswahl grundsätzlich nur die Parteien zu berücksichtigen, die mindestens fünf Prozent der im Wahl-
gebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten haben (§ 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Ab-
satz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG). Es sei ihm mit anderen Worten von Verfassungs wegen unbenommen,
gültige Zweitstimmen, die auf Landeslisten von Parteien entfallen sind, die nicht die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben, zwar für die Ergebnisfeststellung als relevant zu werten (§ 42 BWG), nicht
aber für die Sitzverteilung. Der Wahlgesetzgeber dürfe also ohne Verstoß gegen Bundesverfassungsrecht alle
zu vergebenden Parlamentssitze auf die Landeslisten derjenigen Parteien verteilen, die die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben.

Im Interesse der Handlungsfähigkeit des Deutschen Bundestages habe der Wahlgesetzgeber bisher an der auf
das gesamte Wahlgebiet bezogenen Fünf-Prozent-Sperrklausel, die seit der Wahl zum 2. Deutschen Bundes-
tag 1953 gilt, festgehalten. Denn eine Wahl habe – wie das Bundesverfassungsgericht betone (vgl. BVerfGE
51, 222 [236]) – „nicht nur das Ziel, eine Volksvertretung zu schaffen, die ein Spiegelbild der in der Wähler-
schaft vorhandenen politischen Meinungen darstellt, sondern sie soll auch ein funktionsfähiges Organ her-
vorbringen.“ Hierfür seien „(k)lare und ihrer Verantwortung für das Gesamtwohl bewusste Mehrheiten in
einer Volksvertretung (…) für eine Bewältigung der ihr gestellten Aufgaben unentbehrlich“, die durch einen
unbegrenzten Proporz nicht gewährleistet sind.

2. Zwar könne nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die verfassungsrechtliche Rechtfer-
tigung einer die Wahlgleichheit berührenden Norm des Wahlrechts wie eine Sperrklauselregelung durch ver-
änderte Verhältnisse oder neue Entwicklungen – etwa durch eine Änderung der vom Gesetzgeber vorausge-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 367 – Drucksache 18/1810

setzten tatsächlichen oder normativen Grundlagen oder wenn sich die beim Erlass der Norm hinsichtlich ihrer
Auswirkungen angestellte Prognose als irrig erwiesen habe – in Frage gestellt werden (BVerfGE 82, 322
[338 f.]; 120, 82 [108]; 129, 300 [321 f.]; Urteil vom 26. Februar 2014, Az. 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 56). Dies
sei im Hinblick auf die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen jedoch nicht der Fall.

Eine Änderung der normativen Grundlagen für die Beurteilung der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundes-
tagswahlen, die das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung als verfassungsgemäß angesehen
habe, sei nicht festzustellen. Insbesondere führten das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
9. November 2011 zur Verfassungswidrigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen (BVerfGE
129, 300) und sein Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Sperrklausel im
Europawahlgesetz (2 BvE 2/13 u. a.) nicht zu einer abweichenden Bewertung. Das Bundesverfassungsgericht
begründe die Verfassungswidrigkeit der Sperrklauseln bei Europawahlen in diesen Urteilen mit der besonde-
ren Stellung und Funktion des Europäischen Parlaments im Gefüge der Organe der Europäischen Union, wo
eine vergleichbare Interessenlage wie bei der Bundestagswahl nicht bestehe (BVerfGE 129, 300 [336]). Auch
in seinem Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Klausel im Europawahl-
gesetz halte das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich an der gefestigten Rechtsprechung zum verfassungs-
rechtlichen Maßstab für die Beurteilung wahlrechtlicher Sperrklauseln fest und lege – wie es mehrfach beto-
ne – seinem Urteil die gleichen Prüfungsmaßstäbe wie im Urteil vom 9. November 2011 zugrunde (Az. 2
BvE 2/13 u. a., Rn. 37, 45, 63). In beiden Urteilen weise das Gericht zudem darauf hin, dass bei der Bundes-
tagswahl – anders als bei der Europawahl – der Deutsche Bundestag im Falle einer eintretenden Funktionsbe-
einträchtigung aufgrund seiner veränderten strukturellen Zusammensetzung nicht mehr in der Lage wäre, die
gesetzlichen Regelungen zur Sicherung seiner Funktionsfähigkeit zu ändern, weil die erforderliche Mehrheit
nicht mehr zustande käme (BVerfGE 129, 300 [324]; Urteil vom 26. Februar 2014, 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 58).

3. Auch in tatsächlicher Hinsicht erfordere das Wahlergebnis der Bundestagswahl 2013, bei der zwei Parteien
mit einem Stimmenanteil von 4,8 Prozent bzw. 4,7 Prozent der Zweitstimmen vergleichsweise knapp an der
Fünf-Prozent-Klausel gescheitert seien, keine Neubewertung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der
Klausel. Der Gesetzgeber habe sich für die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen entschieden und
diese bis heute beibehalten, um in Konstellationen, in denen eine oder mehrere Parteien weniger als fünf
Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, die Funktionsfähigkeit des Bundestages sicherzustellen. Wenn eine
solche Konstellation bei einer Wahl – wie nun der Bundestagswahl 2013 – tatsächlich auftrete, liege gerade
nicht der Fall vor, dass sich eine Prognose des Gesetzgebers als irrig erwiesen habe oder dass eine Änderung
der vom Gesetzgeber vorausgesetzten tatsächlichen Verhältnisse eingetreten sei, sondern es habe sich ledig-
lich ein Szenario realisiert, das der Gesetzgeber mit seiner Regelung von vornherein habe erfassen wollen.
Auch das Bundesverfassungsgericht habe die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen in Kenntnis
des Umstands, dass an ihr nicht nur Parteien mit einem niedrigen Stimmenanteil zwischen null und zwei
Prozent der Zweitstimmen, sondern auch Parteien mit einem Stimmenanteil knapp unter fünf Prozent schei-
tern können, in ständiger Rechtsprechung als verfassungsmäßig angesehen (siehe die Nachweise unter 1.).

Die bei der Bundestagswahl 2013 aufgetretene hohe Gesamtzahl von abgegebenen gültigen Zweitstimmen
für Parteien, die die Fünf-Prozent-Sperrklausel nicht überwunden haben, sei kein Grund, das Vorliegen ver-
änderter Verhältnisse bzw. neuer Entwicklungen anzunehmen, die eine Neubewertung der verfassungsrecht-
lichen Zulässigkeit der Sperrklausel erforderten. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Sperrklausel sei
nicht von der Gesamtzahl der Stimmen für diejenigen Parteien abhängig, die die Sperrklausel bei einer ein-
zelnen Wahl nicht überwinden. Die Sperrklausel rechtfertige sich vielmehr durch den mit ihr verfolgten ver-
fassungsrechtlich legitimen Zweck, die Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages sicherzustellen (siehe
die Nachweise unter 1.). Sie erfülle ihren Zweck gerade dann, wenn viele an der Wahl teilnehmende Parteien
die Sperrklausel nicht überwinden, aber ohne Sperrklausel Sitze im Parlament erlangt hätten, da auf diese
Weise eine die stabile Mehrheitsbildung gefährdende Zersplitterung des Bundestages vermieden werde.

4. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel stehe nicht entgegen, dass eine
hohe Zahl von Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die aufgrund der Sperrklausel nicht an der Sitzvertei-
lung teilnehmen, eine absolute Mehrheit der Sitze für Parteien ermögliche, die bei der Wahl deutlich weniger
als der Hälfte der Stimmen erreicht haben. Das Erreichen einer Mehrheit der Sitze im Parlament sei immer
mit weniger als der Hälfte der gültigen Zweitstimmen möglich. Denn auch ohne Sperrklausel erhalte nicht
jede Partei, für die bei der Wahl gültige Stimmen abgegeben wurden, automatisch einen Sitz. Da für einen
Sitz auch ohne Sperrklausel stets eine bestimmte Zahl von Stimmen erforderlich sei, führten nicht alle Stim-
men zu einem Sitzerfolg und darum weniger als 50 Prozent der gültigen Zweitstimmen zu einer Mehrheit der

Drucksache 18/1810 – 368 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Sitze. Ein Verfassungsrechtssatz des Inhalts, dass einer Mehrheit der Mitglieder des Bundestages notwendi-
gerweise eine Mehrheit der Zweitstimmen in der Bundestagswahl entsprechen müsse, sei nicht feststellbar.
Wenn aber eine Partei in einer Wahl eine absolute Mehrheit der Zweitstimmen erhalte, sei gesichert, dass auf
sie mehr als die Hälfte der Sitze entfalle (§ 6 Absatz 7 BWG).

5. Gegen die Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht vorgebracht werden, sie verhindere bzw. erschwere
in übermäßiger Weise die Entstehung oder Etablierung neuer Parteien und schränke dadurch in unzulässiger
Weise die Chancengleichheit der Parteien ein. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Chancengleichheit
der Parteien verlange nicht, dass jeder Partei, die bei der Bundestagswahl Stimmen erhalte, Sitze im Bundes-
tag garantiert seien. Jede Partei habe rechtlich die gleiche Chance auf Teilnahme an der Sitzverteilung bei
Überwindung der Sperrklausel. Wenn eine Partei die für alle geltende Sperrklausel nicht überwinde, so sei
dies Resultat zu geringer Zustimmung in der Wählerschaft und gerade nicht ungleicher Chancen, denn die
unterschiedliche Gewichtung des Erfolgswerts von Wahlstimmen durch eine Sperrklausel treffe alle Parteien
gleichermaßen (vgl. BVerfGE 82, 322 [345]).

Dass die Fünf-Prozent-Sperrklausel die Entstehung und Etablierung neuer Parteien nicht verhindere oder
übermäßig erschwere, zeige der Einzug in die Parlamente auch neuer Parteien in den vergangenen Jahren bei
Bundestagswahlen und Landtagswahlen, bei denen nach Landesrecht ebenfalls Fünf-Prozent-Sperrklauseln
bestünden. Die Sperrklauseln trügen zu einem Mindestmaß an Konsolidierung neuer Parteien bei, indem sie
eine funktionierende Organisation und eine hinreichende Kampagnenfähigkeit der Partei erforderlich mach-
ten, um einen erfolgreichen Wahlkampf zu führen, der den Einzug ins Parlament ermögliche. Auch das Bun-
desverfassungsgericht sehe in ständiger Rechtsprechung in der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestags-
wahlen keinen verfassungswidrigen Eingriff in die Chancengleichheit der Parteien (siehe die Nachweise un-
ter 1.).

6. Die Fünf-Prozent-Sperrklausel habe nicht zur Folge, dass die Parteien, die die Sperrklausel überwunden
haben und deshalb an der Sitzverteilung teilnehmen, von den Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die an
der Sperrklausel gescheitert sind und somit nicht an der Sitzverteilung teilnehmen, profitierten und die Wäh-
ler bei der Stimmabgabe nicht erkennen könnten, welche Partei letztlich tatsächlich von ihrer Zweitstimme
profitiere. Von der Zweitstimme für eine Partei profitiere stets die Partei, für die die Stimme abgegeben wor-
den sei. Wenn eine Partei aufgrund eines zur Überwindung der Sperrklausel nicht ausreichenden Zuspruchs
in der Wählerschaft nicht an der Sitzverteilung teilnehme, würden die zu vergebenden Sitze auf die Parteien
verteilt, die die Sperrklausel überwunden haben. Diese Parteien profitierten bei dieser Verteilung von den für
sie abgegebenen Zweitstimmen, nicht von den Zweitstimmen für die an der Sperrklausel gescheiterten Partei-
en, die wegen Nichtteilnahme an der Sitzverteilung zu keinem Sitzerfolg führten.

7. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht entgegengehalten
werden, der Umstand, dass aufgrund der Sperrklausel eine hohe Zahl von Stimmen bei der Sitzverteilung
unberücksichtigt bleibe, befördere die Politikverdrossenheit der Wahlberechtigten. Unabhängig davon, ob
dies tatsächlich der Fall sei, habe sich der Gesetzgeber dazu entschieden, der Sicherung der Funktionsfähig-
keit des Parlaments Vorrang vor derartigen Erwägungen einzuräumen. Das Bundesverfassungsgericht erachte
dies in ständiger Rechtsprechung für verfassungsrechtlich zulässig (siehe die Nachweise unter 1.). Ein wegen
Zersplitterung in kleine und kleinste Fraktionen nicht mehrheits- und handlungsfähiges Parlament, das zur
Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nicht in der Lage sei, wäre zudem in weit höherem Maße geeignet, Politikverdrossenheit zu för-
dern.

8. Aufgrund der verfassungskonformen Ausgestaltung der Fünf-Prozent-Sperrklausel im geltenden Bundes-
wahlgesetz sei der Wahlgesetzgeber auch nicht zur Einführung einer Alternativstimme („Eventualstimme“,
„Ersatzstimme“ bzw. „Stimmweitergabe-Option“) verpflichtet. Ergänzend sei darauf verwiesen, dass im
Schrifttum gegen die Einführung einer solchen Alternativstimme verfassungsrechtliche Bedenken geltend
gemacht würden: Eine Alternativstimme sei mit dem Charakter der Stimmabgabe als einer vorbehaltlosen
und bedingungsfeindlichen Willenserklärung nicht zu vereinbaren und verstoße daher gegen den Grundsatz
der Unmittelbarkeit der Wahl im Sinne des Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 GG und gegen das Demokratieprinzip
nach Artikel 20 Absatz 1 GG (so Strelen, in: Schreiber, Bundeswahlgesetz, 9. Auflage 2013, § 6 Rn. 37 so-
wie Schreiber, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: 43. Lfg. April 2014, Art. 38
Rn. 40, 132). Überdies wäre die Gewährung einer Alternativstimme auch keine verfassungspolitisch ange-
zeigte Fortentwicklung des Wahlrechts. Sie würde das Stimmabgabeverfahren verkomplizieren, die Ermitt-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 369 – Drucksache 18/1810

lung des Wahlergebnisses wesentlich erschweren und verzögern und den Wähler von einer eindeutigen poli-
tischen Entscheidung ohne Vorbehalt und Rückfallposition entpflichten (vgl. im Einzelnen hierzu Strelen, in:
Schreiber, § 6 Rn. 37).

9. Die Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Klausel sei schließlich auch nicht davon abhängig, dass Par-
teien, die jeweils mit einer eigenen Liste an der Bundestagswahl teilnehmen, ihre Landeslisten verbinden
dürften, um als Zählgemeinschaft die Sperrklausel zu überwinden. Derartige Listenverbindungen verschiede-
ner Parteien bei der Bundestagswahl seien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wegen
Verstoßes gegen den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit der Parteien verfas-
sungswidrig (BVerfGE 82, 322 [345 f.]). Eine derartige Listenverbindung würde allein dem Zweck dienen,
die verfassungslegitime Zielsetzung einer Fünf-Prozent-Sperrklausel, die Verhinderung einer Zersplitterung
des Parlaments, zu umgehen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, aber unbegründet. Dem Vortrag der Einspruchsführer lässt sich kein Verstoß ge-
gen Wahlrechtsvorschriften und damit kein Wahlfehler entnehmen.

Die Einspruchsführer bestreiten nicht, dass das in § 6 Absatz 3 Satz 1 BWG vorgeschriebene Verfahren zur
Auszählung der Stimmen und zur Verteilung der Sitze auf die Landeslisten der Parteien bei der Bundestags-
wahl 2013 angewandt wurde. Soweit die Einspruchsführer geltend machen, die Sperrklausel verstoße gegen
den Grundsatz der Wahlgleichheit und sei daher verfassungswidrig, ist darauf hinzuweisen, dass der Wahl-
prüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsverfah-
rens die Verfassungsmäßigkeit der für die Wahl geltenden Rechtsvorschriften nicht überprüfen. Eine derarti-
ge Kontrolle ist stets dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten worden (vgl. etwa Bundestagsdrucksachen
16/1800, Anlagen 26 bis 28 mit weiteren Nachweisen; 17/1000, Anlagen 5 und 11; 17/2200, Anlagen 1, 13
bis 15, 17 bis 20, 23 und 24; 17/3100, Anlagen 15, 19, 20, 22 bis 30, 32, 34 bis 36; 17/4600, Anlagen 10, 12,
13, 32, 38, 40 bis 43 mit weiteren Nachweisen; 17/6300, Anlage 19). Allerdings hat der Wahlprüfungsaus-
schuss schon in zahlreichen Wahlprüfungsentscheidungen früherer Wahlperioden keinen Anlass für Zweifel
an der Verfassungsmäßigkeit der Regelung gesehen (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen 15/1850, Anlagen 9
und 47; 16/900, Anlage 14), zumal das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit der Sperrklausel
in ihrer Ausgestaltung durch das Bundeswahlgesetz in ständiger Rechtsprechung bestätigt hat (vgl. BVerfGE
1, 208 [247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366]; 95, 408
[417 ff.]; 120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.], siehe auch Bundestagsdrucksache 16/900,
Anlage 14). Es ist folglich verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass alle Parlamentssitze auf diejeni-
gen Parteien verteilt werden, welche die Fünf-Prozent-Hürde überwunden haben. Zwar kann nach der Recht-
sprechung des Bundesverfassungsgerichts die Sperrklausel durch veränderte Verhältnisse infrage gestellt
werden. Dies ist bezüglich der Bundestagswahl 2013 aber nicht der Fall, wie das Bundesministerium des
Innern – auch unter Bezugnahme auf die Urteile vom 9. November 2011 und 26. Februar 2014 – in seiner
Stellungnahme zutreffend feststellt: Dass nach dem amtlichen Endergebnis der Bundestagswahl 2013 insge-
samt 15,7 Prozent der gültigen Zweitstimmen nicht in die Mandatsverteilung eingeflossen sind, weil sie für
insgesamt 25 Parteien abgegeben wurden, die bundesweit weniger als fünf Prozent der Zweitstimmen erreicht
haben, ändert nichts an der vom Bundesverfassungsgericht festgestellten Verfassungskonformität der Fünf-
Prozent-Hürde. Zwar war der Anteil der gültigen, aber wegen der Sperrklausel nicht in die Sitzverteilung
eingeflossenen Zweitstimmen bei der Bundestagswahl 2013 höher als bei früheren Bundestagswahlen, da –
anders als bei vorhergehenden Wahlen – zwei Parteien jeweils fast fünf Prozent und zudem 23 weitere Par-
teien insgesamt 6,2 Prozent (für sich genommen aber teilweise weniger als 0,1 Prozent) erreicht haben. Je-
doch ist dieser Umstand nicht atypisch oder zuvor unbekannt gewesen. Es ist zudem durchaus möglich, dass
er bei kommenden Bundestagswahlen mit anderen Wahlergebnissen nicht (mehr) auftritt. Der Einzug neuer
Parteien in den Deutschen Bundestag wird, wie Beispiele aus der Geschichte der Bundesrepublik zeigen,
ohnehin nicht durch die Sperrklausel verhindert. Außerdem ist die Fünf-Prozent-Hürde auf das jeweilige
Ergebnis einer jeden Partei bezogen. Nur die konkrete Stimmenzahl jeder Partei kann der Ausgangspunkt der
Sitzverteilung auf die Landeslisten sein (vgl. § 6 Absatz 1 BWG) – übrigens auch dann, wenn man gedank-
lich die Sperrklausel streicht oder eine niedrigere Sperrklausel ansetzt –; erst im zweiten Schritt ist die Stim-
menzahl einer jeden Partei in Relation zu den Stimmenanteilen der anderen Parteien zu setzen (vgl. § 6 Ab-

Drucksache 18/1810 – 370 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

sätze 2 bis 7 BWG). Die gedankliche Addition von Zweitstimmenanteilen kann folglich für die Fünf-Prozent-
Hürde keine Aussagekraft beanspruchen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 371 – Drucksache 18/1810

Anlage 57

Beschlussempfehlung

ZumWahleinspruch

des Herrn C. J., 10132 Berlin,

– Az.: WP 199/13 –

gegen die Gültigkeit der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag
am 22. September 2013

hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 26. Juni 2014 beschlossen,
dem Deutschen Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Einspruchsführer hat mit einem Fax vom 22. November 2013 Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl
zum 18. Deutschen Bundestag am 22. September 2013 eingelegt.

Er wendet sich gegen die Fünf-Prozent-Hürde. Die angegriffene Wahl sei keine gleiche und zum Teil auch
keine unmittelbare Wahl gewesen. Denn viele Mitglieder des (18.) Deutschen Bundestages seien allein des-
halb ins Parlament gekommen, weil über 15 Prozent der Stimmen wegen der Sperrklausel nicht unmittelbar
zu Mandaten geführt hätten. Stattdessen habe der Wegfall dieser Stimmen paradoxer- und ungerechterweise –
entgegen der Intention dieser Wähler – zu weiteren Bundestagssitzen für Vertreter größerer Parteien geführt.
Diese Parteien würden dadurch gestärkt und erhielten meistens Spenden besagter Abgeordneter, die für eine
Tätigkeit, welche nicht einmal in Vollzeit ausgeübt werden müsse, ein „fürstliches“ Gehalt sowie hohe Spe-
senpauschalen und Gelder für Mitarbeiter erhielten. Dies wirke sich auch negativ auf die Chancengleichheit
der Parteien bei den nächsten Wahlen aus. Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) werde zum einen da-
durch verletzt, dass die Kandidaten kleiner Parteien nicht genauso behandelt würden wie die Kandidaten der
Parteien, welche „über die Sperrklausel“ ins Parlament einzögen. Artikel 3 Absatz 1 GG werde zum anderen
dadurch verletzt, dass Wähler, die mit ihren politischen Ansichten in der Minderheit (unter fünf Prozent)
seien, im Deutschen Bundestag politisch nicht vertreten sein könnten und dadurch auch die Beteiligung von
Minderheitenparteien an der politischen Willensbildung gemäß Artikel 21 Absatz 1 Satz 1 GG in verfas-
sungswidriger Weise eingeschränkt sei. So unterschieden z. B. die Medien bei der Berichterstattung sehr
stark zwischen im Deutschen Bundestag vertretenen und nicht vertretenen Parteien. Wegen der Fünf-Prozent-
Klausel habe keine Chancengleichheit zwischen den Parteien bestanden. Für diese Benachteiligung sei kein
Ausgleich, z. B. über eine höhere Parteienfinanzierung, vorgesehen. Auch die gesetzlichen Regeln zur Partei-
enfinanzierung behandelten die Parteien ungleich. Kleinstparteien mit einem Stimmenanteil unter 0,5 Prozent
hätten keinen Anspruch auf Parteienfinanzierung. Eine völlige Aufhebung der Fünf-Prozent-Hürde sei ver-
fassungsrechtlich geboten.

Der Einspruchsführer macht sich zudem die Ausführungen in einem seinem Einspruch beigefügten Wahlein-
spruch der Herren Dr. B. B. und G. K. aus dem Jahr 2002 zu eigen. Darin wird davon ausgegangen, die Fünf-
Prozent-Hürde verletzte erstens das verfassungsrechtliche Gebot der Gleichheit der Wahl, da ihretwegen
nicht alle Stimmen nicht den gleichen Erfolgswert besäßen. Zweitens werde die Freiheit der Wahl in verfas-
sungswidriger Weise verletzt, da die Entschließungsfreiheit der Wähler eingeengt werde. Wenn die Wähler
einer kleinen Partei befürchten müssten, dass ihre Stimme aller Voraussicht nach verloren seien, weil diese
bei der Sitzverteilung nicht mehr berücksichtigt würden, fühlten sie einen mehr oder weniger starken psycho-
logischen Druck, entgegen ihrer eigentlichen Präferenz und sozusagen aus taktischen Gründen eine jener
Parteien zu wählen, die den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde mit relativ großer Sicherheit schafften.
Einen zwingenden, rechtfertigenden verfassungsrechtlichen Grund für die derzeitige Gestaltung der Sperr-
klausel gebe es nicht. Vielmehr existiere mit der „Stimmweitergabe-Option“ ein Instrument, mit dem die

Drucksache 18/1810 – 372 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Verfassungskonformität der Sperrklausel (und des Wahlrechts) erreicht werden könne. Eine Zersplitterung
des Parteienspektrums könne so in milderer Weise gelingen.

Wegen der Einzelheiten des Vortrages des Einspruchsführers wird auf den Inhalt der Akten Bezug genom-
men.

Das Bundesministerium des Innern hat zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-
Sperrklausel am 16. Juni 2014 wie folgt Stellung genommen:

1. Das Bundesverfassungsgericht erachte in ständiger Rechtsprechung bei Wahlen zum Deutschen Bundestag
die heute in § 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1 des Bundeswahlgesetzes
(BWG) vorgesehene, auf das gesamte Wahlgebiet bezogene Fünf-Prozent-Sperrklausel für verfassungsgemäß
(vgl. BVerfGE 1, 208 [247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366];
95, 408 [417 ff.]; 120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.]). Zuletzt habe das Gericht in seinem
Urteil vom 9. Januar 2011 zur Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen entschieden, dass die Fünf-
Prozent-Sperrklausel bei der Wahl zum Deutschen Bundestag ihre Rechtfertigung im Wesentlichen darin
finde, dass die Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren
fortlaufende Unterstützung nötig sei und dieses Ziel durch die Zersplitterung des Parlaments in viele kleine
Gruppen gefährdet werde (BVerfGE 129, 300 [335 f.]). In der Entscheidung vom 26. Februar 2014 (2 BvE
2/13 u. a.) zur Drei-Prozent-Sperrklausel im Europawahlrecht habe das Gericht erneut bestätigt, dass eine
Sperrklausel gerechtfertigt sein könne, wenn Verhältnisse wie auf nationaler Ebene gegeben sind, wo die
Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nötig sei (ebd. Rn. 72).

Angesichts der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei der Wahlgesetzgeber verfas-
sungsrechtlich nicht daran gehindert, bei der Verteilung der zu vergebenden Sitze auf die Landeslisten bei der
Bundestagswahl grundsätzlich nur die Parteien zu berücksichtigen, die mindestens fünf Prozent der im Wahl-
gebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten haben (§ 6 Absatz 6 Satz 1 in Verbindung mit § 6 Ab-
satz 3 Satz 1 Alternative 1 BWG). Es sei ihm mit anderen Worten von Verfassungs wegen unbenommen,
gültige Zweitstimmen, die auf Landeslisten von Parteien entfallen sind, die nicht die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben, zwar für die Ergebnisfeststellung als relevant zu werten (§ 42 BWG), nicht
aber für die Sitzverteilung. Der Wahlgesetzgeber dürfe also ohne Verstoß gegen Bundesverfassungsrecht alle
zu vergebenden Parlamentssitze auf die Landeslisten derjenigen Parteien verteilen, die die Fünf-Prozent-
Sperrklausel überwunden haben.

Im Interesse der Handlungsfähigkeit des Deutschen Bundestages habe der Wahlgesetzgeber bisher an der auf
das gesamte Wahlgebiet bezogenen Fünf-Prozent-Sperrklausel, die seit der Wahl zum 2. Deutschen Bundes-
tag 1953 gilt, festgehalten. Denn eine Wahl habe – wie das Bundesverfassungsgericht betone (vgl. BVerfGE
51, 222 [236]) – „nicht nur das Ziel, eine Volksvertretung zu schaffen, die ein Spiegelbild der in der Wähler-
schaft vorhandenen politischen Meinungen darstellt, sondern sie soll auch ein funktionsfähiges Organ her-
vorbringen.“ Hierfür seien „(k)lare und ihrer Verantwortung für das Gesamtwohl bewusste Mehrheiten in
einer Volksvertretung (…) für eine Bewältigung der ihr gestellten Aufgaben unentbehrlich“, die durch einen
unbegrenzten Proporz nicht gewährleistet sind.

2. Zwar könne nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die verfassungsrechtliche Rechtfer-
tigung einer die Wahlgleichheit berührenden Norm des Wahlrechts wie eine Sperrklauselregelung durch ver-
änderte Verhältnisse oder neue Entwicklungen – etwa durch eine Änderung der vom Gesetzgeber vorausge-
setzten tatsächlichen oder normativen Grundlagen oder wenn sich die beim Erlass der Norm hinsichtlich ihrer
Auswirkungen angestellte Prognose als irrig erwiesen habe – in Frage gestellt werden (BVerfGE 82, 322
[338 f.]; 120, 82 [108]; 129, 300 [321 f.]; Urteil vom 26. Februar 2014, Az. 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 56). Dies
sei im Hinblick auf die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen jedoch nicht der Fall.

Eine Änderung der normativen Grundlagen für die Beurteilung der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundes-
tagswahlen, die das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung als verfassungsgemäß angesehen
habe, sei nicht festzustellen. Insbesondere führten das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
9. November 2011 zur Verfassungswidrigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen (BVerfGE
129, 300) und sein Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Sperrklausel im
Europawahlgesetz (2 BvE 2/13 u. a.) nicht zu einer abweichenden Bewertung. Das Bundesverfassungsgericht
begründe die Verfassungswidrigkeit der Sperrklauseln bei Europawahlen in diesen Urteilen mit der besonde-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 373 – Drucksache 18/1810

ren Stellung und Funktion des Europäischen Parlaments im Gefüge der Organe der Europäischen Union, wo
eine vergleichbare Interessenlage wie bei der Bundestagswahl nicht bestehe (BVerfGE 129, 300 [336]). Auch
in seinem Urteil vom 26. Februar 2014 zur Verfassungswidrigkeit der Drei-Prozent-Klausel im Europawahl-
gesetz halte das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich an der gefestigten Rechtsprechung zum verfassungs-
rechtlichen Maßstab für die Beurteilung wahlrechtlicher Sperrklauseln fest und lege – wie es mehrfach beto-
ne – seinem Urteil die gleichen Prüfungsmaßstäbe wie im Urteil vom 9. November 2011 zugrunde (Az. 2
BvE 2/13 u. a., Rn. 37, 45, 63). In beiden Urteilen weise das Gericht zudem darauf hin, dass bei der Bundes-
tagswahl – anders als bei der Europawahl – der Deutsche Bundestag im Falle einer eintretenden Funktionsbe-
einträchtigung aufgrund seiner veränderten strukturellen Zusammensetzung nicht mehr in der Lage wäre, die
gesetzlichen Regelungen zur Sicherung seiner Funktionsfähigkeit zu ändern, weil die erforderliche Mehrheit
nicht mehr zustande käme (BVerfGE 129, 300 [324]; Urteil vom 26. Februar 2014, 2 BvE 2/13 u. a., Rn. 58).

3. Auch in tatsächlicher Hinsicht erfordere das Wahlergebnis der Bundestagswahl 2013, bei der zwei Parteien
mit einem Stimmenanteil von 4,8 Prozent bzw. 4,7 Prozent der Zweitstimmen vergleichsweise knapp an der
Fünf-Prozent-Klausel gescheitert seien, keine Neubewertung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der
Klausel. Der Gesetzgeber habe sich für die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen entschieden und
diese bis heute beibehalten, um in Konstellationen, in denen eine oder mehrere Parteien weniger als fünf
Prozent der Zweitstimmen erreicht haben, die Funktionsfähigkeit des Bundestages sicherzustellen. Wenn eine
solche Konstellation bei einer Wahl – wie nun der Bundestagswahl 2013 – tatsächlich auftrete, liege gerade
nicht der Fall vor, dass sich eine Prognose des Gesetzgebers als irrig erwiesen habe oder dass eine Änderung
der vom Gesetzgeber vorausgesetzten tatsächlichen Verhältnisse eingetreten sei, sondern es habe sich ledig-
lich ein Szenario realisiert, das der Gesetzgeber mit seiner Regelung von vornherein habe erfassen wollen.
Auch das Bundesverfassungsgericht habe die Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestagswahlen in Kenntnis
des Umstands, dass an ihr nicht nur Parteien mit einem niedrigen Stimmenanteil zwischen null und zwei
Prozent der Zweitstimmen, sondern auch Parteien mit einem Stimmenanteil knapp unter fünf Prozent schei-
tern können, in ständiger Rechtsprechung als verfassungsmäßig angesehen (siehe die Nachweise unter 1.).

Die bei der Bundestagswahl 2013 aufgetretene hohe Gesamtzahl von abgegebenen gültigen Zweitstimmen
für Parteien, die die Fünf-Prozent-Sperrklausel nicht überwunden haben, sei kein Grund, das Vorliegen ver-
änderter Verhältnisse bzw. neuer Entwicklungen anzunehmen, die eine Neubewertung der verfassungsrecht-
lichen Zulässigkeit der Sperrklausel erforderten. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Sperrklausel sei
nicht von der Gesamtzahl der Stimmen für diejenigen Parteien abhängig, die die Sperrklausel bei einer ein-
zelnen Wahl nicht überwinden. Die Sperrklausel rechtfertige sich vielmehr durch den mit ihr verfolgten ver-
fassungsrechtlich legitimen Zweck, die Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages sicherzustellen (siehe
die Nachweise unter 1.). Sie erfülle ihren Zweck gerade dann, wenn viele an der Wahl teilnehmende Parteien
die Sperrklausel nicht überwinden, aber ohne Sperrklausel Sitze im Parlament erlangt hätten, da auf diese
Weise eine die stabile Mehrheitsbildung gefährdende Zersplitterung des Bundestages vermieden werde.

4. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel stehe nicht entgegen, dass eine
hohe Zahl von Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die aufgrund der Sperrklausel nicht an der Sitzvertei-
lung teilnehmen, eine absolute Mehrheit der Sitze für Parteien ermögliche, die bei der Wahl deutlich weniger
als der Hälfte der Stimmen erreicht haben. Das Erreichen einer Mehrheit der Sitze im Parlament sei immer
mit weniger als der Hälfte der gültigen Zweitstimmen möglich. Denn auch ohne Sperrklausel erhalte nicht
jede Partei, für die bei der Wahl gültige Stimmen abgegeben wurden, automatisch einen Sitz. Da für einen
Sitz auch ohne Sperrklausel stets eine bestimmte Zahl von Stimmen erforderlich sei, führten nicht alle Stim-
men zu einem Sitzerfolg und darum weniger als 50 Prozent der gültigen Zweitstimmen zu einer Mehrheit der
Sitze. Ein Verfassungsrechtssatz des Inhalts, dass einer Mehrheit der Mitglieder des Bundestages notwendi-
gerweise eine Mehrheit der Zweitstimmen in der Bundestagswahl entsprechen müsse, sei nicht feststellbar.
Wenn aber eine Partei in einer Wahl eine absolute Mehrheit der Zweitstimmen erhalte, sei gesichert, dass auf
sie mehr als die Hälfte der Sitze entfalle (§ 6 Absatz 7 BWG).

5. Gegen die Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht vorgebracht werden, sie verhindere bzw. erschwere
in übermäßiger Weise die Entstehung oder Etablierung neuer Parteien und schränke dadurch in unzulässiger
Weise die Chancengleichheit der Parteien ein. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Chancengleichheit
der Parteien verlange nicht, dass jeder Partei, die bei der Bundestagswahl Stimmen erhalte, Sitze im Bundes-
tag garantiert seien. Jede Partei habe rechtlich die gleiche Chance auf Teilnahme an der Sitzverteilung bei
Überwindung der Sperrklausel. Wenn eine Partei die für alle geltende Sperrklausel nicht überwinde, so sei
dies Resultat zu geringer Zustimmung in der Wählerschaft und gerade nicht ungleicher Chancen, denn die

Drucksache 18/1810 – 374 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

unterschiedliche Gewichtung des Erfolgswerts von Wahlstimmen durch eine Sperrklausel treffe alle Parteien
gleichermaßen (vgl. BVerfGE 82, 322 [345]).

Dass die Fünf-Prozent-Sperrklausel die Entstehung und Etablierung neuer Parteien nicht verhindere oder
übermäßig erschwere, zeige der Einzug in die Parlamente auch neuer Parteien in den vergangenen Jahren bei
Bundestagswahlen und Landtagswahlen, bei denen nach Landesrecht ebenfalls Fünf-Prozent-Sperrklauseln
bestünden. Die Sperrklauseln trügen zu einem Mindestmaß an Konsolidierung neuer Parteien bei, indem sie
eine funktionierende Organisation und eine hinreichende Kampagnenfähigkeit der Partei erforderlich mach-
ten, um einen erfolgreichen Wahlkampf zu führen, der den Einzug ins Parlament ermögliche. Auch das Bun-
desverfassungsgericht sehe in ständiger Rechtsprechung in der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei Bundestags-
wahlen keinen verfassungswidrigen Eingriff in die Chancengleichheit der Parteien (siehe die Nachweise un-
ter 1.).

6. Die Fünf-Prozent-Sperrklausel habe nicht zur Folge, dass die Parteien, die die Sperrklausel überwunden
haben und deshalb an der Sitzverteilung teilnehmen, von den Zweitstimmen für diejenigen Parteien, die an
der Sperrklausel gescheitert sind und somit nicht an der Sitzverteilung teilnehmen, profitierten und die Wäh-
ler bei der Stimmabgabe nicht erkennen könnten, welche Partei letztlich tatsächlich von ihrer Zweitstimme
profitiere. Von der Zweitstimme für eine Partei profitiere stets die Partei, für die die Stimme abgegeben wor-
den sei. Wenn eine Partei aufgrund eines zur Überwindung der Sperrklausel nicht ausreichenden Zuspruchs
in der Wählerschaft nicht an der Sitzverteilung teilnehme, würden die zu vergebenden Sitze auf die Parteien
verteilt, die die Sperrklausel überwunden haben. Diese Parteien profitierten bei dieser Verteilung von den für
sie abgegebenen Zweitstimmen, nicht von den Zweitstimmen für die an der Sperrklausel gescheiterten Partei-
en, die wegen Nichtteilnahme an der Sitzverteilung zu keinem Sitzerfolg führten.

7. Der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Fünf-Prozent-Sperrklausel könne auch nicht entgegengehalten
werden, der Umstand, dass aufgrund der Sperrklausel eine hohe Zahl von Stimmen bei der Sitzverteilung
unberücksichtigt bleibe, befördere die Politikverdrossenheit der Wahlberechtigten. Unabhängig davon, ob
dies tatsächlich der Fall sei, habe sich der Gesetzgeber dazu entschieden, der Sicherung der Funktionsfähig-
keit des Parlaments Vorrang vor derartigen Erwägungen einzuräumen. Das Bundesverfassungsgericht erachte
dies in ständiger Rechtsprechung für verfassungsrechtlich zulässig (siehe die Nachweise unter 1.). Ein wegen
Zersplitterung in kleine und kleinste Fraktionen nicht mehrheits- und handlungsfähiges Parlament, das zur
Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Un-
terstützung nicht in der Lage sei, wäre zudem in weit höherem Maße geeignet, Politikverdrossenheit zu för-
dern.

8. Aufgrund der verfassungskonformen Ausgestaltung der Fünf-Prozent-Sperrklausel im geltenden Bundes-
wahlgesetz sei der Wahlgesetzgeber auch nicht zur Einführung einer Alternativstimme („Eventualstimme“,
„Ersatzstimme“ bzw. „Stimmweitergabe-Option“) verpflichtet. Ergänzend sei darauf verwiesen, dass im
Schrifttum gegen die Einführung einer solchen Alternativstimme verfassungsrechtliche Bedenken geltend
gemacht würden: Eine Alternativstimme sei mit dem Charakter der Stimmabgabe als einer vorbehaltlosen
und bedingungsfeindlichen Willenserklärung nicht zu vereinbaren und verstoße daher gegen den Grundsatz
der Unmittelbarkeit der Wahl im Sinne des Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 GG und gegen das Demokratieprinzip
nach Artikel 20 Absatz 1 GG (so Strelen, in: Schreiber, Bundeswahlgesetz, 9. Auflage 2013, § 6 Rn. 37 so-
wie Schreiber, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: 43. Lfg. April 2014, Art. 38
Rn. 40, 132). Überdies wäre die Gewährung einer Alternativstimme auch keine verfassungspolitisch ange-
zeigte Fortentwicklung des Wahlrechts. Sie würde das Stimmabgabeverfahren verkomplizieren, die Ermitt-
lung des Wahlergebnisses wesentlich erschweren und verzögern und den Wähler von einer eindeutigen poli-
tischen Entscheidung ohne Vorbehalt und Rückfallposition entpflichten (vgl. im Einzelnen hierzu Strelen, in:
Schreiber, § 6 Rn. 37).

9. Die Verfassungsmäßigkeit der Fünf-Prozent-Klausel sei schließlich auch nicht davon abhängig, dass Par-
teien, die jeweils mit einer eigenen Liste an der Bundestagswahl teilnehmen, ihre Landeslisten verbinden
dürften, um als Zählgemeinschaft die Sperrklausel zu überwinden. Derartige Listenverbindungen verschiede-
ner Parteien bei der Bundestagswahl seien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wegen
Verstoßes gegen den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit der Parteien verfas-
sungswidrig (BVerfGE 82, 322 [345 f.]). Eine derartige Listenverbindung würde allein dem Zweck dienen,
die verfassungslegitime Zielsetzung einer Fünf-Prozent-Sperrklausel, die Verhinderung einer Zersplitterung
des Parlaments, zu umgehen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 375 – Drucksache 18/1810

Entscheidungsgründe

I.

Es bestehen bereits Bedenken gegen die Zulässigkeit des Einspruchs. Der Einspruchsführer hat keine Woh-
nungsanschrift angegeben, unter der er tatsächlich zu erreichen ist, sondern lediglich ein Postfach. Zwar wird
die Angabe einer sog. ladungsfähigen Anschrift nach dem Wortlaut des Wahlprüfungsgesetzes nicht aus-
drücklich verlangt. Dies ist jedoch auch im Falle der Zivilprozess- und der Verwaltungsgerichtsordnung nicht
anders. Gleichwohl ist für beide Prozessarten anerkannt, dass eine ordnungsgemäße Klageerhebung zumin-
dest im Regelfall die Angabe einer ladungsfähigen Anschrift voraussetzt (vgl. Bundestagsdrucksache
16/1800, Anlage 57 und die dort angeführten Nachweise; 16/3600, Anlage 27; 17/1000, Anlage 5) und dass
die Angabe eines Postfachs diesem Erfordernis grundsätzlich nicht genügt (vgl. BVerwG, NJW 1999, S.
2608 [2609]; Greger, in: Zöller, Zivilprozessordnung, 30. Auflage 2013, § 253 Rn. 8; Geisler, in: Prüt-
ting/Gehrlein [Hrsg.], ZPO, 5. Auflage 2013, § 253 Rn. 11; Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung,
19. Auflage 2013, § 82 Rn. 4). Wahlprüfungsausschuss und Deutscher Bundestag haben die Frage, ob diese
Grundsätze auch im Wahlprüfungsverfahren gelten, bislang offengelassen (vgl. Bundestagsdrucksachen
16/1800, Anlage 58; 17/1000, Anlage 5). Beide Zweifelsfragen können auch im vorliegenden Verfahren
unbeantwortet bleiben, da der Einspruch jedenfalls unbegründet ist.

II.

Der Einspruch ist unbegründet, da sich dem Vortrag des Einspruchsführers kein Verstoß gegen Wahlrechts-
vorschriften und damit kein Wahlfehler entnehmen lässt.

1. Das Verfahren zur Auszählung der Stimmen und zur Verteilung der Sitze auf die Landeslisten der Parteien
bei der Bundestagswahl 2013 entsprach den Vorgaben des Bundeswahlgesetzes. Dieses regelt in § 6 Absatz 6
Satz 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 3 Satz 1 Alternative 1, dass bei der Verteilung der Sitze auf die Landes-
listen nur Parteien berücksichtigt werden, die mindestens fünf Prozent der im Wahlgebiet abgegebenen gülti-
gen Zweitstimmen erhalten oder in mindestens drei Wahlkreisen einen Sitz errungen haben. Soweit der Ein-
spruchsführer geltend macht, die Sperrklausel verstoße gegen die Grundsätze der Gleichheit, der Freiheit und
der Unmittelbarkeit der Wahl und sei daher verfassungswidrig, ist darauf hinzuweisen, dass der Wahlprü-
fungsausschuss und der Deutsche Bundestag in ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens
die Verfassungsmäßigkeit der für die Wahl geltenden Rechtsvorschriften nicht überprüfen. Eine derartige
Kontrolle ist stets dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten worden (vgl. etwa Bundestagsdrucksachen
16/1800, Anlagen 26 bis 28 mit weiteren Nachweisen; 17/1000, Anlagen 5 und 11; 17/2200, Anlagen 1, 13
bis 15, 17 bis 20, 23 und 24; 17/3100, Anlagen 15, 19, 20, 22 bis 30, 32, 34 bis 36; 17/4600, Anlagen 10, 12,
13, 32, 38, 40 bis 43 mit weiteren Nachweisen; 17/6300, Anlage 19). Allerdings hat der Wahlprüfungsaus-
schuss schon in zahlreichen Wahlprüfungsentscheidungen früherer Wahlperioden keinen Anlass für Zweifel
an der Verfassungsmäßigkeit der Regelung gesehen (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksachen 15/1850, Anlagen 9
und 47; 16/900, Anlage 14), zumal das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit der Sperrklausel
in ihrer Ausgestaltung durch das Bundeswahlgesetz in ständiger Rechtsprechung bestätigt hat (vgl. BVerfGE
1, 208 [247 ff.]; 4, 31 [39 ff.]; 6, 84 [92 ff.]; 51, 222 [235 ff.]; 82, 322 [337 ff.]; 95, 335 [366]; 95, 408
[417 ff.]; 120, 82 [109 ff.]; 122, 304 [314 f.]; 129, 300 [335 f.], siehe auch Bundestagsdrucksache 16/900,
Anlage 14). Es ist folglich verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass alle Parlamentssitze auf diejeni-
gen Parteien verteilt werden, welche die Fünf-Prozent-Hürde überwunden haben. Zwar kann nach der Recht-
sprechung des Bundesverfassungsgerichts die Sperrklausel durch veränderte Verhältnisse infrage gestellt
werden. Dies ist bezüglich der Bundestagswahl 2013 aber nicht der Fall, wie das Bundesministerium des
Innern – auch unter Bezugnahme auf die Urteile vom 9. November 2011 und 26. Februar 2014 – in seiner
Stellungnahme zutreffend feststellt: Dass nach dem amtlichen Endergebnis der Bundestagswahl 2013 insge-
samt 15,7 Prozent der gültigen Zweitstimmen nicht in die Mandatsverteilung eingeflossen sind, weil sie für
insgesamt 25 Parteien abgegeben wurden, die bundesweit weniger als fünf Prozent der Zweitstimmen erreicht
haben, ändert nichts an der vom Bundesverfassungsgericht festgestellten Verfassungskonformität der Fünf-
Prozent-Hürde. Zwar war der Anteil der gültigen, aber wegen der Sperrklausel nicht in die Sitzverteilung
eingeflossenen Zweitstimmen bei der Bundestagswahl 2013 höher als bei früheren Bundestagswahlen, da –
anders als bei vorhergehenden Wahlen – zwei Parteien jeweils fast fünf Prozent und zudem 23 weitere Par-
teien insgesamt 6,2 Prozent (für sich genommen aber teilweise weniger als 0,1 Prozent) erreicht haben. Je-
doch ist dieser Umstand nicht atypisch oder zuvor unbekannt gewesen. Es ist zudem durchaus möglich, dass
er bei kommenden Bundestagswahlen mit anderen Wahlergebnissen nicht (mehr) auftritt. Der Einzug neuer
Drucksache 18/1810 – 376 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Parteien in den Deutschen Bundestag wird, wie Beispiele aus der Geschichte der Bundesrepublik zeigen,
ohnehin nicht durch die Sperrklausel verhindert. Außerdem ist die Fünf-Prozent-Hürde auf das jeweilige
Ergebnis einer jeden Partei bezogen. Nur die konkrete Stimmenzahl jeder Partei kann der Ausgangspunkt der
Sitzverteilung auf die Landeslisten sein (vgl. § 6 Absatz 1 BWG) – übrigens auch dann, wenn man gedank-
lich die Sperrklausel streicht oder eine niedrigere Sperrklausel ansetzt –; erst im zweiten Schritt ist die Stim-
menzahl einer jeden Partei in Relation zu den Stimmenanteilen der anderen Parteien zu setzen (vgl. § 6 Ab-
sätze 2 bis 7 BWG). Die gedankliche Addition von Zweitstimmenanteilen kann folglich für die Fünf-Prozent-
Hürde keine Aussagekraft beanspruchen.

Das vom Einspruchsführer befürwortete Konzept einer Eventualstimme (Alternativstimme, Ersatzstimme)
wäre – wenn es Gesetz würde – verfassungwidrig. Die Einführung einer Eventualstimme verstieße gegen den
Grundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl im Sinne des Artikels 38 Absatz 1 Satz 1 GG und gegen das Demo-
kratieprinzip in Art. 20 Absatz 1 GG (vgl. nur Strelen, in: Schreiber, § 6 Rn. 37).

2. Dem Vorbringen des Einspruchsführers, die Chancengleichheit der Parteien sei verletzt worden, weil die
Wahlkampfkostenerstattung nicht für alle zur Wahl angetretenen Parteien gleich hoch sei, lässt sich kein
Wahlfehler entnehmen. Vorab ist erneut darauf hinzuweisen, dass der Wahlprüfungsausschuss und der Deut-
sche Bundestag in ständiger Praxis im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens die Verfassungsmäßigkeit von
Wahlrechtsvorschriften nicht überprüfen und eine derartige Kontrolle stets dem Bundesverfassungsgericht
vorbehalten wurde. Außerdem ist bereits fraglich, ob der der Finanzierung zugrunde liegende § 18 des Partei-
engesetzes (PartG) zu den Wahlrechtsvorschriften im weiteren Sinne zählt; denn die Wahlprüfung bezieht
sich, wie sich aus § 1 Absatz 1 des Wahlprüfungsgesetzes ergibt, nur auf Fehler bei der Vorbereitung und
Durchführung der Wahl. Davon abgesehen begründet der Vortrag des Einspruchsführers keinen Verstoß
gegen den mit Verfassungsrang ausgestatteten Grundsatz der Chancengleichheit aller Wahlvorschlagsträger,
der eine Differenzierung nur aus zwingenden Gründen zulässt (BVerfGE 41, 399 [413]; 78, 350 [358]).

Die Regelungen zur Parteienfinanzierung in § 18 PartG verstoßen nicht gegen diesen Grundsatz. Nach der
oben erwähnten ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts rechtfertigt es die Sicherung des
Charakters der Wahl als eines entscheidenden Integrationsvorganges, in einem bestimmten Umfang bei der
Verhältniswahl den Erfolgswert der Wählerstimmen zu dfferenzieren. Auch bei der staatlichen Parteienfinan-
zierung kann der Gesetzgeber der Stimmenzersplitterung schon im Vorfeld der Wahl durch eine angemessene
Beschränkung der Zuweisung staatlicher Mittel entgegentreten. Dadurch wird die Funktionsfähigkeit der
Volksvertetung gesichert (vgl. BVerfGE 111, 382 [399]; 121, 108 [123]). Indem der Gesetzgeber die Gefahr
bekämpft, dass sich kleine Splittergruppen nur deshalb an Wahlen beteiligen, um an der staatlichen Parteien-
finanzierung teilzuhaben, wirkt er zugleich der Gefahr einer übermäßigen Aufsplitterung der Stimmen und
der Parteien entgegen (Hahlen, in: Schreiber, § 50 Rn. 17). Die in § 18 Absatz 4 PartG festgelegten Mindest-
stimmenanteile von 0,5, 1,0 und 10 Prozent entsprechen den verfassungsrechtlichen Anforderungen an den
Nachweis der Ernsthaftigkeit der Wahlkampfbemühungen (Hahlen, in: Schreiber, a. a. O.).

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.