BT-Drucksache 18/171

Nutzung des Spionagesystems ISIS und Subventionierung des Rüstungskonzerns EADS

Vom 6. Dezember 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 18/171
18. Wahlperiode 06.12.2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken,
Christine Buchholz, Annette Groth, Dr. André Hahn, Inge Höger, Ulla Jelpke,
Dr. Alexander S. Neu, Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE.

Nutzung des Spionagesystems ISIS und Subventionierung des
Rüstungskonzerns EADS

Laut einem Bericht des Nachrichtenmagazins „DER SPIEGEL“ vom
24. November 2013 lässt die Bundeswehr die Option eines Verzichts auf die
360 Mio. Euro teure Signaltechnik „Integriertes SIGINT System“ (ISIS) unter-
suchen. Das Signalerfassungssystem (SIGINT) wurde vom Rüstungskonzern
EADS entwickelt und sollte ursprünglich in die Riesendrohne „Euro Hawk“
verbaut werden (vgl. Bundestagsdrucksache 17/14052). Zu den Kosten hieß es
zunächst, die Gesamtausgaben von 562 Mio. Euro verteilten sich auf rund
261 Mio. Euro für das Luftfahrzeug, rund 249 Mio. Euro für die Entwicklung
des „ISIS“ und rund 52 Mio. Euro für dessen Erprobung.
Jedoch scheiterte das Gesamtprojekt, beschäftigte wochenlang den Verteidi-
gungsausschuss als 2. Untersuchungsausschuss gemäß Artikel 45a Absatz 2 des
Grundgesetzes und führte zu Rücktrittsforderungen gegen den verantwortlichen
Bundesminister der Verteidigung, Thomas de Maizière, (vgl. Bundestagsdruck-
sache 17/14650). Er habe die „Reißleine“ für das Trägerflugzeug gezogen, da
immense Kosten für die luftfahrtrechtliche Zulassung anstünden. Die Rede war
zunächst von mehreren hundert Millionen Euro. Jedoch wollte der Bundesmi-
nister der Verteidigung nicht auf ein „Weitreichendes Abbildendes Signalerfas-
sendes Aufklärungssystem“ (WASLA) verzichten. So hieß es von der Bundes-
regierung bereits im Mai 2013, Ausgaben für den Träger, also „Euro Hawk“
seien zwar „vergebens, ziemlich vergebens“. Das von EADS entwickelte
„ISIS“-System habe sich aber ausdrücklich bewährt („Dieses ‚Juwel‘, das da
drin ist, mit dem man sehr schön gucken und schauen kann, behalten wir“; Bun-
despressekonferenz vom 15. Mai 2013). Um das ISIS zu testen, müssten auch
Testflüge bis Ende September 2013 vorgenommen werden. Hierfür entstanden
weitere Kosten. Der Rüstungskonzern EADS erhielt dadurch nach Ansicht der
Fragestellenden die Möglichkeit, die Aufklärungstechnik bis zur Serienreife zu
entwickeln. Zunächst hieß es, das ISIS solle in ein anderes Flugzeug eingebaut
werden. Hierzu hatte die Bundeswehr jedoch – angeblich ohne Wissen des Bun-
desverteidigungsministers – schon im Jahr 2012 eine Studie „Alternativen zur
Trägerplattform Euro Hawk“ beauftragt (vgl. Bundestagsdrucksache 17/14776).
Geprüft wurden insgesamt elf bemannte und unbemannte Plattformen, als Favo-
riten galten die Typen „Airbus 319“, „Heron TP“ und „Future European MALE“
(FEMALE), eine noch nicht entwickelte Langstreckendrohne von EADS. Mög-
lich sei auch, das Spionagesystem „ISIS“ in seine Bestandteile COMINT und
ELINT aufzuteilen, wenn eine andere Drohne über nicht genügend Nutzlast für
das Gesamtsystem verfüge (vgl. Bundestagsdrucksache 17/14776). Etwaige
Leistungseinschränkungen seien „Teil der noch laufenden Gesamtbewertung der
Lösungsvorschläge für eine alternative ISIS Trägerplattform“. Ein Ergebnis lag
im Herbst demnach noch nicht vor.

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Laut dem Nachrichtenmagazin „DER SPIEGEL“ wies der Generalinspekteur
der Bundeswehr, Volker Wieker, das Beschaffungsamt am 4. November 2013
an, „mindestens einen Lösungsvorschlag ohne die Nutzung von ,Isis‘ zu erarbei-
ten“. Es sollten demnach andere „marktverfügbare Produkte“ geprüft werden,
darunter ein mit einem israelischen Aufklärungssystem ausgerüsteter bemannter
Jet des Typs „Gulfstream“. Bis Jahresende sollten Ergebnisse vorliegen.
Sollte die Information des Nachrichtenmagazins „DER SPIEGEL“ zutreffen,
hat der Bundesverteidigungsminister nach Ansicht der Fragesteller das Parla-
ment über die wahren Risiken des Gesamtprojekts „Euro Hawk“ getäuscht.
Weder im Untersuchungsausschuss noch in späteren parlamentarischen Initiati-
ven wurde von einem möglichen Verzicht auch auf das „ISIS“ berichtet.
Das Bundesministerium der Verteidigung widerspricht dem Nachrichtenmaga-
zin „DER SPIEGEL“ nun vehement (25. November 2013). Das Blatt versuche
demnach „erneut mit einer Panoramameldung das Thema ‚Euro Hawk‘ zu skan-
dalisieren“. Informationen seien stark verkürzt dargestellt worden. Dies hatte
das Bundesverteidigungsministerium angeblich noch am Freitag vor Erscheinen
der Druckausgabe mitgeteilt. Demnach handele es sich um neue Verfahrensbe-
stimmungen zur Bedarfsdeckung, wonach zu jeder größeren Beschaffung Alter-
nativen ausgelotet werden müssen. Dies sei im Zuge der Neuausrichtung der
Bundeswehr festgelegt worden. Verantwortlich sei mit dem Bundesamt für Aus-
rüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) jene
Behörde, die am Scheitern des „Euro Hawk“ maßgeblich beteiligt war. Eine
Auswahlentscheidung unter den Vorschlägen trifft der Generalinspekteur der
Bundeswehr. Dieser habe die Prüfung von Alternativen zum ISIS am 4. November
2013 persönlich angewiesen. Zuvor habe der Bundesminister der Verteidigung,
Dr. Thomas de Maizière, dieses Verfahren „nach Beratung durch die beiden
Staatssekretäre“ persönlich festgelegt.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche weiteren Hinweise zum Bericht des Nachrichtenmagazins „DER

SPIEGEL“ vom 24. November 2013 zum möglichen Verzicht auf die
360 Mio. Euro teure Signaltechnik „Integriertes SIGINT System“ (ISIS)
kann die Bundesregierung außer ihrer bereits veröffentlichten Stellungnahme
geben?

2. Welche Personen aus der Leitungsebene des Bundesministeriums der Vertei-
digung und Vertretern des Rüstungskonzerns EADS bzw. deren Tochter- und
Beteiligungsfirmen haben in dieser Angelegenheit wann mit EADS oder des-
sen Ableger Cassidian kommuniziert, und welchen Inhalt oder Ergebnis hatte
die Kommunikation?

3. Wie hoch veranschlagt die Bundesregierung mittlerweile die Gesamtausga-
ben für den „Euro Hawk“, und wie verteilen sich diese auf das Luftfahrzeug,
die Entwicklung des „ISIS“ und dessen Erprobung?

4. Wo befindet sich das „ISIS“ derzeit (COMINT und ELINT), wie sind die Ei-
gentumsverhältnisse geregelt, und wann erfolgt(e) die verabredete Bezah-
lung an EADS?

5. Inwiefern finden auch ohne Einrüstung in den „Euro Hawk“ weitere Tests am
„ISIS“ statt?

6. Inwiefern hält das Bundesverteidigungsministerium an der Einschätzung
fest, das „ISIS“-System habe sich ausdrücklich bewährt?

7. Wo wurde die Studie „Alternativen zur Trägerplattform Euro Hawk“ nach
dem Untersuchungsausschuss weiter behandelt, geprüft oder bewertet?

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8. Inwieweit ist die „Untersuchung und Bewertung des Lösungsvorschlags für
A319“ mittlerweile abgeschlossen, und wie bewertet die Bundesregierung
die vor einem Jahr vorgeschlagenen EADS-Alternativen „Airbus 319“ und
„FEMALE“ im Hinblick auf zusätzliche, eigene Erkenntnisse (vgl. Bundes-
tagsdrucksache 17/14776)?

9. Was kann die Bundesregierung mittlerweile zur „Gesamtbewertung der Lö-
sungsvorschläge für eine alternative ISIS Trägerplattform“ mitteilen, die
laut der Stellungnahme des Bundesverteidigungsministeriums bis Ende des
Jahres entscheidungsreif vorliegen sollen?

10. Sofern diese „Gesamtbewertung“ entgegen der Mitteilung auch zur Beant-
wortung dieser Kleinen Anfrage noch immer nicht abgeschlossen ist, wel-
che Zwischenergebnisse kann die Bundesregierung mitteilen, und wann ist
mit einem endgültigen Bericht zu rechnen?

11. Welche weiteren Überlegungen wurden angestellt, das Spionagesystem in
seine Bestandteile COMINT und ELINT aufzuteilen, wenn eine einzige
Drohne über nicht genügend Nutzlast für das Gesamtsystem verfügt?

12. Wie kam der Auftrag des Generalinspekteurs der Bundeswehr, Volker
Wieker, zustande, der angeblich das Beschaffungsamt am 4. November
2013 anwies, „mindestens einen Lösungsvorschlag ohne die Nutzung von
,Isis‘ zu erarbeiten“?

13. Worin besteht der Auftrag konkret, wer erhielt ihn, und welche weiteren An-
gaben bzw. Einschränkungen wurden hierzu gemacht?

14. Welche Aufklärungssysteme welcher Hersteller und welche Trägerflug-
zeuge welcher Hersteller sollen im „Lösungsvorschlag“ ausdrücklich be-
rücksichtigt werden?

15. Inwiefern und mit welchem Inhalt wurden welche Hersteller zur Einrei-
chung von Angeboten oder sonstigen Beiträgen aufgefordert, und nach wel-
chen Kriterien wurden diese ausgewählt?

16. Welche weiteren Abteilungen waren mit welcher Fragestellung und wel-
chem Ergebnis zuvor mit der Angelegenheit befasst?

17. Wann und von wem wurden hierzu entsprechende Hinweise, Weisungen,
Aufträge oder sonstigen Maßnahmen angeordnet?

18. Auf welche Weise werden vom Beschaffungsamt andere „marktverfügbare
Produkte“ geprüft, inwiefern werden weitere Dienstleister eingebunden,
welche Kosten entstehen hierfür, und aus welchem Budget werden diese
übernommen?

19. Wann sollen welche Stellen der Bundesregierung von wem Ergebnisse er-
halten, und wo werden diese weiter bearbeitet?

20. Welche Kosten entstehen für die Ausarbeitung eines „Lösungsvorschlag[s]
ohne die Nutzung von ,Isis‘“?

21. Inwiefern bzw. wann zeichnete sich während der Testflüge des „Euro
Hawk“ bis Ende September 2013 ab, dass womöglich Alternativen zum
System gesucht werden müssten?

22. Welche Luftbeschränkungsgebiete wurden für die Testflüge des „Euro
Hawk“ jeweils durchquert?

23. Welchen Fortgang nahm das Angebot der Diehl BGT Defence
GmbH & Co. KG „zur Realisierung des Projekts SAATEG VTOL“, welche
Abteilungen der Bundeswehr oder des Bundesverteidigungsministeriums
waren damit befasst, und wann ist mit einer Beschaffungsentscheidung zu
rechnen (vgl. Bundestagsdrucksache 17/14652)?

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24. Wann haben im Zeitraum ab 27. Juni 2013 (vgl. Bundestagsdrucksache 17/
14483) auch anderweitige Gespräche zwischen Personen aus der Leitungs-
ebene des Bundesministeriums der Verteidigung und Vertretern des Rüs-
tungskonzerns EADS bzw. deren Tochter- und Beteiligungsfirmen stattge-
funden, und was waren jeweils die Gesprächsthemen (bitte Datum, teilneh-
mende Personen und Gesprächsthemen auflisten)?

25. Sofern es sich um „Luftfahrtthemen“ handelte, inwiefern und mit welchem
Inhalt betrafen diese auch Drohnen oder deren mitzuführende Nutzlast (bitte
das jeweils besprochene Projekt benennen)?

26. Welche neueren Details sind der Bundesregierung zu geplanten Probeflügen
eines Prototypen der Kampfdrohne „SAGITTA“ in Deutschland bekannt,
die der EADS kürzlich ankündigte (http://tinyurl.com/obekckr), wo sollen
diese stattfinden, und welche Behörden der Bundesregierung sind hierzu
mit welchen Aufgaben betraut bzw. beteiligt (vgl. Bundestagsdrucksache
17/14652)?

27. Inwiefern treffen nach Kenntnis der Bundesregierung Berichte zu, wonach
„SAGITTA“ im Jahr 2015 erste Testflüge unternehmen soll (Defense Up-
date, 17. November 2013)?

28. Inwiefern ist EADS inzwischen erneut „im Zusammenhang mit der Suche
nach geeigneten Start- und Landefeldern für diesen Technologieträger“ an
das BMVg herangetreten (vgl. Bundestagsdrucksache 17/14652), und welche
„konkreten Unterstützungsleistungen des BMVg“ ergaben sich aus diesem
Kontakt?

29. Wo werden die Tests nach Kenntnis der Bundesregierung vorbereitet, wie ist
die Bundesregierung daran beteiligt, und welche Rolle spielen entspre-
chende Dienststellen in Manching?

30. Wo, und von wem werden nach Kenntnis der Bundesregierung entspre-
chende Teile für den Demonstrator gefertigt?

31. Inwiefern trifft es zu, dass bereits Tests mit Modellen erfolgreich verlaufen
sind, und wer nahm diese vor?

32. Wann könnte nach Einschätzung der Bundesregierung mit ersten Überle-
gungen sowie Entscheidungen zu Flugzeugmuster und Ausrüstung deut-
scher Beistellungen zum NATO-Projekt „Alliance Ground Surveillance“ zu
rechnen sein, und wann würden dann Firmen mit der Einreichung von An-
geboten beauftragt (vgl. Bundestagsdrucksache 17/14052)?

33. Wann haben welche Flüge von Drohnen der Bundeswehr auf dem Gelände
bzw. unter Mitwirkung des Joint Multinational Training Command (JMTC)
in Vilseck stattgefunden?

34. Welche neueren Details kann die Bundesregierung zur „zentralen Genehmi-
gungs- und Aufsichtsorganisation“ für Militärflugzeuge und Drohnen mit-
teilen?

35. Wie viele Dienststellen soll die Behörde umfassen, und auf welche Stand-
orte sollen diese verteilt werden?

36. Welche Überlegungen spielen bei der Gewichtung der Standorte Manching
und Köln-Wahn eine Rolle?

37. Wann ist mit einer Entscheidung zu rechnen?

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38. Welche neueren Überlegungen kann die Bundesregierung zur weiteren Ver-
wendung des Prototypen der Drohne „Euro Hawk“ mitteilen?
a) Welche Anfragen oder Vorschläge sind vom bzw. beim Bundesverteidi-

gungsministerium oder den zuständigen Abteilungen der Bundeswehr
hierzu eingegangen, und welche davon werden weiterverfolgt?

b) Wie ist die Drohne auf ihre vermutlich längere Standzeit vorbereitet wor-
den?

c) Inwieweit wird die Drohne auch ohne Flugbetrieb genutzt, etwa zu Aus-
bildungszwecken oder Materialtests?

39. Inwiefern wurden welche Hersteller zur Einreichung von Angeboten oder
sonstigen Beiträgen zur geplanten Beschaffung bewaffnungsfähiger Droh-
nen aufgefordert, und nach welchen Kriterien wurden diese ausgewählt?
a) Inwiefern wurden nicht nur Hersteller von Luftfahrzeugen angeschrie-

ben, sondern auch Konzerne, die Nutzlast, insbesondere Waffen, verkau-
fen?

b) Wann wurden die Angebote bzw. Beiträge erbeten, und wann wurden sie
beantwortet, bzw. welche Frist wurde hierzu vereinbart?

c) Wer hat wann und wem gegenüber den Auftrag zum Einholen der Ange-
bote bzw. Beiträge erteilt?

d) Wann und von wem werden die Antworten weiter bearbeitet?
e) Wann ist mit einem Ergebnis der Bewertung zu rechnen, und wie wird

dann weiter verfahren?
f) Teilt die Bundesregierung die Schlussfolgerung der Fragesteller, dass die

Beschaffung von Kampfdrohnen also keineswegs verschoben wurde
oder ab dem Jahr 2020 in einer „europäischen Drohne“ münden soll, son-
dern die hier erfragten Aktivitäten vielmehr den unveränderten Willen
zur Anschaffung der Waffensysteme belegen (bitte begründen)?

Berlin, den 4. Dezember 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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