BT-Drucksache 18/1599

Probleme des Mediationsverfahrens Zukunft des Landwehrkanals

Vom 30. Mai 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/1599
18. Wahlperiode 30.05.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Herbert Behrens, Annette Groth, Sabine Leidig, Michael Leutert,
Dr. Gesine Lötzsch, Thomas Lutze, Petra Pau und der Fraktion DIE LINKE.

Probleme des Mediationsverfahrens zur Zukunft des Landwehrkanals

Der Landwehrkanal in Berlin gehört zum Netz der Bundeswasserstraßen, für
deren Verwaltung und Unterhaltung der Bund die Verantwortung trägt. Zuständig
ist das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) und
dort die Wasser- und Schifffahrtsdirektion (WSD) Ost bzw. das Wasser- und
Schifffahrtsamt (WSA) Berlin.
Der Landwehrkanal ist elf Kilometer lang und durchzieht zentrale Lebensräume
im Herzen der Stadt Berlin, fünf Bezirke mit 400 000 direkten Anwohnern und
1,4 Millionen Einwohner in den anliegenden Bezirken.
Seine besondere Bedeutung hat er sowohl als Grünzug mit zum Teil üppiger
Ufervegetation und zahlreichen alten und wertvollen Bäumen als auch als Ort
der Freizeitgestaltung und Erholung der Bevölkerung. Ebenso dient er der Ver-
besserung des Mikroklimas der Stadt durch seine Funktion als Kalt- und Frisch-
luftschneise und ist als Gesamtdenkmal in die Berliner Denkmalliste eingetra-
gen.
Insbesondere der Gegenverkehr bei enger Fahrtrasse hat zur Unterspülung und
Zerstörung der Uferbefestigungen maßgeblich beigetragen. Im April/Mai 2007
kam es zu einem Abbruch am Maybachufer. Das WSA wollte daraufhin mit
einer Sofortmaßnahme über 200 alte Bäume entlang des Kanals fällen, weitere
umfangreiche Fällungen sollten später sanierungsbedingt folgen. Dies führte zu
massiven Bürgerprotesten, die mit 26 000 Unterschriften unterstützt wurden.
Der breite Widerstand von Bürgerinnen und Bürgern führte zu Verhandlungen
und im November 2007 zum Beginn eines Mediationsverfahrens „Zukunft des
Landwehrkanals“.
Im Mediationsverfahren „Zukunft des Landwehrkanals“ wurden die Interessen
und Bedürfnisse von Anwohnerschaft, der Berliner Schifffahrt und zahlreicher
Interessensvertreter in Sachen Natur und Denkmalschutz sowie künftiger Sanie-
rung und Unterhaltung gebündelt.
Obwohl dieses Mediationsverfahren mit der Unterzeichnung einer Mediations-
vereinbarung abgeschlossen wurde, wird das fast sieben Jahre dauernde Verfah-
ren nicht von allen Beteiligten als gelungenes Beteiligungsverfahren angesehen.
Zudem stößt die Vergabe der im Rahmen des Mediationsverfahrens zu leistende
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit an eine freiberufliche Auftragnehmerin (nach-
folgend „Auftragnehmerin“) auf Kritik (vgl. „Ein profitabler Auftrag“, www.
taz.de/!134580/).

Drucksache 18/1599 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie hoch waren die Gesamtkosten für das Mediationsverfahren „Zukunft

des Landwehrkanals“?
2. Wie verteilen sich die Gesamtkosten dieses Mediationsverfahrens auf die

Kostenblöcke Mediatorinnen/Mediatoren, Presse- und Öffentlichkeitsar-
beit, Sitzungsorganisation, Gutachten und Sitzungsgelder für ehrenamtliche
Teilnehmer und Teilnehmerinnen (bitte neben den Gesamtsummen auch die
jährlichen Ausgaben für die jeweiligen Kostenblöcke angeben)?

3. Aus welchen Gründen hat das WSA Berlin im Rahmen des Mediationsver-
fahrens die Koordinations- und Öffentlichkeitsarbeit nicht mit eigenem Per-
sonal geleistet?

4. Ist es zutreffend, dass der Auftrag für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
zum Mediationsverfahren durch eine freihändige Vergabe erteilt wurde, und
wenn ja, mit welcher Begründung?

5. Ist es zutreffend, dass dieser Auftrag in mehrere zeitlich begrenzte Teilauf-
träge aufgeteilt wurde, und wenn ja, mit welcher Begründung (vgl. „Ein
profitabler Auftrag“, www.taz.de/!134580/)?

6. Hätte nach Auffassung der Bundesregierung der Auftrag auch dann freihän-
dig vergeben werden dürfen, wenn er in einem Stück vergeben worden wäre
(bitte begründen), und wenn nein, unter welchen Bedingungen hätte eine
europaweite Ausschreibung des Auftrages erfolgen müssen?

7. War die Auftragnehmerin in den Arbeitsalltag der Dienststelle voll inte-
griert (z. B. eigenes Büro, Zugriff auf personelle Ressourcen der Dienststelle
etc.), und wenn ja, wie wird die der Auftragnehmerin gewährte Nebenkos-
tenpauschale (vgl. ebd.) begründet?

8. War die Auftragnehmerin bereits vor der Annahme des Auftrags zur Beglei-
tung des Mediationsverfahrens für das WSA Berlin tätig, und wenn ja, in
welchen Zeiträumen, und welche Aufgaben wurden ihr dabei übertragen?

9. Wann und mit jeweils welchem Ergebnis hat die WSD Ost die Auftrags-
summen geprüft?

10. Wurden gemäß § 2 Satz 1 Nummer 9 des Sechsten Buches Sozialgesetz-
buch (SGB VI) für die Auftragnehmerin Beiträge an die Sozialversicherung
abgeführt, und wenn nein, warum nicht?

11. Wie bewertet die Bundesregierung die Mediationsvereinbarung „Zukunft
des Landwehrkanals“ vom 18. Dezember 2013 aus haushalterischer Sicht
vor dem Hintergrund, dass Medienberichten zufolge die Gesamtkosten der
Sanierung des Landwehrkanals auf Basis der Mediationsvereinbarung ca.
67 Mio. Euro betragen, im Gegensatz zu den vom WSA Berlin zwischen-
zeitlich veranschlagten ca. 180 Mio. Euro für eine den Baumbestand erhal-
tende Sanierung des Landwehrkanals (vgl. „Preiswert und ökologisch“, In:
Berliner Zeitung vom 18. Dezember 2013)?

12. Betrachtet die Bundesregierung angesichts der im Mediationsverfahren ge-
wonnen Erfahrungen die Bürgerbeteiligung als Instrument effektiver Kos-
tenkontrolle bei Infrastrukturprojekten (bitte begründen), und wenn ja, wie
gedenkt die Bundesregierung die Beteiligung der Bürger bei Planungsent-
scheidungen institutionell zu stärken?
a) Würde nach Ansicht der Bundesregierung die Zahlung von Sitzungs-

geldern die Kontinuität ehrenamtlichen Engagements im Rahmen von
Mediationsverfahren sicherstellen können vor dem Hintergrund, dass
nur fünf der 15 (vgl. „Landwehrkanal: Über ein unnötiges Verfahren“,

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/1599
www.Freitag.de, abgerufen am 7. Mai 2014) ursprünglich am Media-
tionsverfahren beteiligten Bürgerinnen und Bürger regelmäßig an Sit-
zungen teilnahmen (bitte begründen)?

b) Würde nach Ansicht der Bundesregierung die Bürgerbeteiligung im
Rahmen von Mediationsverfahren dadurch gestärkt werden, dass den be-
teiligten zivilgesellschaftlichen Akteuren ein Budget zur eigenständigen
Vergabe von Gutachten zur Verfügung gestellt werden würde (bitte be-
gründen)?

13. Plant die Bundesregierung die Bindungswirkung von Mediationsvereinba-
rungen planungsrechtlich abzusichern, und wenn nein, warum nicht?

14. Wie wirkt sich der Umstand, dass – entgegen der satzungsgemäßen Bestim-
mung, Entscheidungen im Mediationsforum ausschließlich einvernehmlich
zu treffen – die Mediationsvereinbarung angesichts einer ablehnenden
Stimme keine konsensuale Grundlage hat (vgl. ebd.), auf deren Verbindlich-
keit aus?

15. Ist das Wasserstraßenneubauamt (WNA), welches nicht am Mediationsver-
fahren beteiligt war, jedoch für die Ausführungsplanungen der Landwehr-
kanalsanierung zuständig sein wird, vollumfänglich an die Bestimmungen
der Mediationsvereinbarung gebunden (bitte begründen), und wenn nein,
an welche Teile der Mediationsvereinbarung ist es jeweils nicht gebunden
(bitte begründen)?

16. Ist bereits abzusehen, ob für die Sanierung einiger Abschnitte des Land-
wehrkanals Planfeststellungsverfahren eröffnet werden, und wenn ja, für
welche, und wann?

17. Inwieweit ist die Planfeststellungsbehörde an die Vorgaben der Mediations-
vereinbarung gebunden (bitte begründen)?

18. Aus welchen Gründen wurde ein bestehendes Sanierungskonzept für den
Landwehrkanal, für welches seit dem Jahr 1997 Mittel in Höhe von
16,118 Mio. Euro im Bundeshaushalt eingestellt waren, nicht umgesetzt?

19. Welche Sanierungsmaßnahmen wurden im Zuständigkeitsbereich des WSA
Berlin zwischen den Jahren 1990 und 2013 umgesetzt bzw. begonnen, und
wie teuer waren diese Maßnahmen jeweils (bitte tabellarisch aufführen)?

20. In welcher Höhe wurden zwischen den Jahren 1990 und 2013 seitens des
Bundes zur Verfügung gestellte Mittel zur Sanierung oder zum Ausbau der
Wasserwege im Geschäftsbereich des WSA Berlin nicht abgerufen, und wie
viel Geld wurde in diesem Zeitraum für die Sanierung bzw. den Ausbau der
Wasserwege pro Jahr verausgabt (bitte nach Jahren getrennt tabellarisch
aufführen)?

21. Wie haben sich die Personalkapazitäten des WSA Berlin seit dem Jahr 1990
a) insgesamt,
b) im Bereich Fachingenieurwesen,
c) im administrativen Bereich,
d) im Bereich der Binnenschiffer und Binnenschifferinnen und
e) im Bereich Wasserbau
entwickelt (bitte in Jahresschritten angeben)?

Drucksache 18/1599 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
22. Wie viele Aufträge wurden zwischen den Jahren 1990 und 2013 im Ge-
schäftsbereich des WSA Berlin
a) insgesamt,
b) im Bereich Ausführungsplanung und
c) im Bereich Wasserbau
an Dritte vergeben (bitte in Jahresschritten und unter Angabe des jährlichen
finanziellen Gesamtdrittvergabevolumens aufführen)?

23. Wie viele und welche Bau- und Sanierungsmaßnahmen im Geschäftsbe-
reich des WSA Berlin wurden zwischen den Jahren 1990 und 2013 in
Eigenregie des WSA Berlin durchgeführt bzw. begonnen (bitte in Jahres-
schritten angeben)?

Berlin, den 27. Mai 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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