BT-Drucksache 18/1562

Entwicklung einer sogenannten europäischen Drohne und das Angebot einer bewaffnungsfähigen Langstreckendrohne MALE2020

Vom 27. Mai 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/1562
18. Wahlperiode 27.05.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Jan van Aken, Christine Buchholz,
Wolfgang Gehrcke, Annette Groth, Dr. André Hahn, Inge Höger, Stefan Liebich,
Niema Movassat, Dr. Alexander S. Neu, Martina Renner, Dr. Petra Sitte,
Frank Tempel, Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE.

Entwicklung einer sogenannten europäischen Drohne und das Angebot einer
bewaffnungsfähigen Langstreckendrohne MALE2020

Nach Informationen des ARD-Hauptstadtstudios in Berlin werben drei europä-
ische Rüstungskonzerne „für ein neues, europäisches Drohnenprojekt“ (ARD,
18. Mai 2014). Auf der Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung in Ber-
lin wollten demnach das deutsch-französische Luftfahrtunternehmen Airbus
Defence and Space, das französische Unternehmen Dassault Aviation und das
italienische Unternehmen Alenia Aermacchi bei der Bundesregierung „Über-
zeugungsarbeit“ für ein Projekt namens „MALE2020“ leisten. Vorab berichtete
die ARD aus einer Pressemitteilung der Rüstungskonzerne, dass ein entspre-
chendes Angebot den Verteidigungsministerien Frankreichs, Deutschlands und
Italiens zugestellt worden sei. Für eine hochfliegende europäische Drohne sol-
len die Regierungen, die Streitkräfte und die Konzerne der drei Länder in einer
„Definitionsphase“ ihre Anforderungen an ein europäisches Drohnen-Entwick-
lungsprogramm formulieren und koordinieren. Hierzu gehöre auch die Finanz-
planung und die Frage der Bewaffnung. Bisher hatte Airbus (früher EADS) für
ein eigenes Drohnen-Projekt unter dem Namen „FEMALE“ geworben. Das Bun-
desministerium der Verteidigung (BMVg) ist laut Medienberichten wegen eines
behaupteten „Gesprächs“ (DIE WELT, 18. Mai 2014) über das Angebot von Air-
bus Defence, Dassault und Alenia Aermacchi „verstimmt“ (FAZ, 19. Mai 2014).
Es habe kein direktes Gespräch gegeben, allerdings sei ein Schreiben einge-
gangen.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Treffen der Joint Capability Group Unmanned Aircraft Systems

(JCGUAS) sowie ihrer Arbeitsgruppe „Flight in Non-Segregated Airspace
Working Group“ (FINAS) haben nach Kenntnis der Bundesregierung im Jahr
2014 stattgefunden, wer nahm daran teil, und welche Tagesordnung hatten
diese?

2. Inwiefern und mit welchem Inhalt wurden im Rahmen von Sitzungen des
Lenkungsausschusses (Steering Board) der Europäischen Verteidigungs-
agentur (EDA) in den Jahren 2013 und 2014 auch die mögliche gemeinsame
Produktion einer „europäischen Drohne“ thematisiert?

Drucksache 18/1562 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
a) Worin besteht der „Arbeitsplan zur weiteren Bearbeitung von UAS (Un-
manned Aeriel Systems, unbemannte Luftfahrzeuge) in der Europäischen
Verteidigungsagentur“ (Bundestagsdrucksache 18/213)?

b) Welche Angaben macht der „Arbeitsplan“ hinsichtlich
i) der Zertifizierung von UAS,
ii) der Integration in den europäischen Luftraum,
iii) der Bestimmung des Bedarfs für ein mögliches europäisches UAS-

Programm,
iv) der Überlegungen für eine Nutzergemeinschaft der Mitgliedstaaten,

die UAS in der Nutzung haben oder diese planen?
3. Welche Position nimmt die Bundesregierung hinsichtlich der gemeinsamen

Entwicklung einer Drohne der „MALE“-Klasse als „europäische Drohne“
ein?

4. Welche direkten oder indirekten Gespräche hat die Bundesministerin der Ver-
teidigung, Dr. Ursula von der Leyen, hierzu seit Januar 2014 mit der Europä-
ischen Kommission, der Europäischen Verteidigungsagentur (EDA) oder
dem zivil-militärischen Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) geführt
(Bundestagsdrucksachen 18/213 und 18/819)?
a) Bei welchen „Anlässen“ wurde eine „mögliche gemeinsame europäische

Entwicklung eines unbemannten Luftfahrzeuges der MALE-Klasse“ zwi-
schen den europäischen Verteidigungsministern diskutiert (Bundestags-
drucksache 18/819)?

b) Inwiefern hat es auch nach dem 10. Dezember 2012 „Vier-Augen-Ge-
spräche“ oder sonstige Kontakte mit Airbus Defence and Space auf Ebene
der Staatssekretäre bzw. deren Abteilungen hinsichtlich eines Projekts
„FEMALE“ oder „MALE2020“ gegeben (bitte nicht nur wie auf Bun-
destagsdrucksache 18/213 beauskunften, dass „ein Informationsaustausch
zwischen den Staatssekretären und führenden Industrievertretern“ stattfin-
det, sondern auch wann und wo)?

c) Inwiefern haben an derartigen Gesprächen außer Airbus Defence and
Space auch das französische Unternehmen Dassault Aviation und das ita-
lienische Unternehmen Alenia Aermacchi teilgenommen?

5. Inwiefern trifft es zu, dass sich die Bundesministerin der Verteidigung mit
Bernhard Gerwert, Vorstandschef von Airbus Defence and Space, zum Ge-
spräch getroffen hat (DIE WELT, 18. Mai 2014) oder ein solches anstrebt,
wer hatte hierum gebeten, und welche Themen wurden behandelt bzw. sollen
behandelt werden?
Welche Angaben hatte Bernhard Gerwert hinsichtlich einer „Arbeitsteilung
innerhalb des Industriekonsortiums“ sowie einer ausgearbeiteten „Koopera-
tionsvereinbarung“ gemacht?

6. Was ist der Inhalt eines „Angebot[s] zur Formulierung eines europäischen
Drohnenprogramms für mittlere Flughöhe und lange Flugdauer (MALE)“,
das Airbus Defence and Space, Dassault Aviation und Alenia Aermacchi den
Verteidigungsministerien Frankreichs, Deutschlands und Italiens vorgelegt
haben sollen (tagesschau.de, 18. Mai 2014)?
a) Was ist nach Kenntnis der Bundesregierung damit gemeint, wenn „in einer

Definitionsphase“ die „Regierungen, die Streitkräfte und die Konzerne
der drei Länder gemeinsam ihre Anforderungen an ein europäisches Droh-
nen-Entwicklungsprogramm formulieren und koordinieren“ sollen?

b) Welche Angaben macht das Angebot hinsichtlich einer Finanzplanung
und einer möglichen Bewaffnung?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/1562
c) Wie wird sich die Bundesregierung zu dem Angebot positionieren, und
welche Mitteilungen hat sie bereits gemacht?

7. Inwiefern hat es nach Kenntnis der Bundesregierung weitere Aktivitäten oder
Treffen hinsichtlich des „Letter of Intent“ zur Einrichtung einer European
MALE RPAS User Group in der Europäischen Verteidigungsagentur gege-
ben?
a) Inwiefern wurde der Versuch des „Austauschs von Informationen und der

Kooperation zwischen den beteiligten Staaten, die solche Systeme betrei-
ben bzw. in der Zukunft betreiben wollen“, mittlerweile begonnen?

b) An welchem „Austausch operationeller Erfahrungen und von ‚Best Prac-
tices‘ in der Nutzung sowie die Verbesserung der Interoperabilität über
Verfahren und Übungen“ hat die Bundesregierung teilgenommen, und
welchen Inhalt hatte dieser?

c) Welche „Kooperationspotentiale in den Bereichen Übung und Ausbil-
dung, Logistik, Instandhaltung sowie in Doktrinen und Konzepten“ wur-
den identifiziert?

8. Welche weiteren Ergebnisse zeitigte der „Impuls“ des Bundesverteidigungs-
ministeriums zur „Harmonisierung des Betriebes und des Zulassungswesens
für UAS in Europa“ (Bundestagsdrucksache 18/213)?
a) Was ergab die Initiative Frankreichs, auf europäischer Ebene eine Initia-

tive mit dem Ziel zu starten, „den Betrieb und das Zulassungswesen für
UAS in Europa zu harmonisieren“?

b) Inwiefern hat die Bundesregierung dies weiter unterstützt, und welches
Verfahren wurde mit welchen Schritten verabredet?

c) Was ergab die „Analyse, ob die aktuell gültigen European Military Air-
worthiness Requirements (EMARs) die Zulassungskriterien für UAS in
vollem Umfang abdecken“?

d) Welchen „Anpassungsbedarf unter Berücksichtigung der von den beteilig-
ten Nationen gemachten Erfahrungen“ sieht die Bundesregierung auch
dann, wenn das Ergebnis der europäischen Befragung noch nicht vorliegt?

9. Wann und wo fanden die auf Bundestagsdrucksache 18/819 beauskunfteten
Treffen zur Prüfung der Vorabmitteilung der US-amerikanischen Regierung
zu einer möglichen Beschaffung von Drohnen des Typs „Predator“ bzw.
„Reaper“ statt, und wer nahm jeweils daran teil?
a) Welchen Abteilungen gehörten nach Kenntnis der Bundesregierung die

Vertreter der „US Air Force“ an?
b) Welches „Vorgehen im Hinblick auf eine mögliche Beschaffung des unbe-

waffneten PREDATOR B“ wurde erörtert, und welches wurde schließlich
„festgelegt“?

c) Was ist darunter zu verstehen, wenn die Bundesregierung von einem
Schwerpunkt der „Minimierung des Zulassungsrisikos“ spricht, und was
wurde hierzu besprochen oder sogar vereinbart?

d) Welche Bedeutung hat die Verlängerung der Angebotsbindefrist des „Let-
ter of Offer and Acceptance“ zur Beschaffung von US-Drohnen durch das
zuständige Referat für Regierungskäufe im Bundesamt für Ausrüstung,
Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr bis zum 31. Juli 2014
bzw. darüber hinaus?

e) Was ergab die Übersendung einer „Leistungsbeschreibung mit Angebots-
aufforderung“ an die Firma RUAG für „Zulassungsaktivitäten zur Erlan-
gung der Muster- und Verkehrszulassung“ einer US-Drohne in Deutsch-
land, bzw. wann endet die Angebotsaufforderung?

Drucksache 18/1562 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
f) Welche konkreten Zuständigkeiten sowie Aufgaben sollen in der „Zu-
sammenarbeitsvereinbarung“ geregelt werden?

10. Inwiefern wurde auch für die mögliche Beschaffung einer israelischen
„Heron“-Drohne ein ähnliches Verfahren wie für die „Predator“ begonnen,
und welche Hersteller waren oder sind daran beteiligt?

11. Über wie viele Drohnen des Typs „Heron 1“ verfügt die Airbus-Tochter
Cassidian Airborne Solutions (jetzt Airbus Defence and Space) nach Kennt-
nis der Bundesregierung?
a) Für welche Verwendung außer der Überlassung an die Bundeswehr

werden die Drohnen nach Kenntnis der Bundesregierung bevorratet?
b) Über wie viele Drohnen des Typs „Heron TP“ verfügt die Airbus-Tochter

Cassidian Airborne Solutions (jetzt Airbus Defence and Space) nach
Kenntnis der Bundesregierung, bzw. was ist ihr über den Zweck einer
geplanten Beschaffung bekannt (heise.de, 21. Mai 2014)?

12. Inwiefern trifft es zu, dass „Heron“-Drohnen und Ersatzteile durch Air-
bus Defence and Space vom Hersteller IAI in Israel gekauft werden und
auf Stundenbasis an die Bundeswehr in Afghanistan vermietet werden
(heise.de, 21. Mai 2014)?
a) Inwiefern trifft es zu, dass es bezüglich der Abrechnung oder der Angabe

von Stunden in erforderlichen Nachweisen „Auseinandersetzungen“
zwischen der Firma und der Bundeswehr bzw. dem Bundesverteidi-
gungsministerium gegeben habe?

b) Was ist der Bundesregierung über das angekündigte Angebot einer
„Kaufoption“ für die „Heron TP“ bekannt?

13. Mit welchen Aufträgen war bzw. ist die Firma IABG Industrieanlagen-Be-
triebsgesellschaft mbH von Bundesbehörden im Jahr 2014 mit der Durch-
führung von Studien zur Beschaffung, Integration, Navigation, Steuerung
oder Bewaffnung von Drohnen beauftragt worden?
Welche Zielsetzung haben die Studien „Analyse zur Ermöglichung des Be-
triebs von MALE UAS“ sowie „Fähigkeiten UAS 2025“, welche Schluss-
folgerungen zieht die Bundesregierung aus den Ergebnissen, bzw. für wann
sind Ergebnisse angekündigt?

14. Inwiefern hat sich die Bundeswehr bereits mit posttraumatischen Belas-
tungsstörungen von Drohnenpilotinnen und Drohnenpiloten befasst, die im
Rahmen von Einsätzen durch aufklärende Drohnen in Afghanistan entste-
hen können, wenn diese etwa Kampfeinsätze von bemannten Flugzeugen
vorbereiten oder deren Wirkung aufklären?
Inwiefern hat sich die Bundeswehr bereits mit posttraumatischen Be-
lastungsstörungen von Drohnenpilotinnen und Drohnenpiloten befasst, die
entstehen könnten, sofern Drohnen des deutschen Militärs bewaffnet wür-
den?

15. Wie definiert die Bundesregierung die von ihr bevorzugte „breit angelegte
Debatte in Politik und Gesellschaft“ zu bewaffneten, unbemannten Luft-
fahrzeugen, und welchen Gruppen müsste hierfür Gehör verschafft werden
(Bundestagsdrucksache 17/14053)?
Welche Fachausschüsse des Deutschen Bundestages müssten hiermit be-
fasst werden?

16. Auf welche Art und Weise ist das Deutsche Zentrum für Luft- und Raum-
fahrt e. V. (DLR) im Rahmen des EU-Projekts „MidCAS“ gegenwärtig mit
Forschungen an Drohnen befasst?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/1562
a) Welche Flugzeuge oder sonstige Technik wurden vom DLR hierfür ein-
gesetzt?

b) Inwiefern sollen den Tests des DLR weitere Testflüge mit Drohnen fol-
gen, etwa des italienischen Herstellers Alenia Aermacchi?

c) Wann und wo sollen weitere Tests stattfinden, und welche Drohnen sol-
len hierfür genutzt werden?

17. In welchen Vorhaben ist die Bundesregierung mit Forschungen zu „Sense &
Avoid-Systemen“ befasst, und welche Hersteller, Institute oder Endnutzer
sind daran beteiligt?

18. Welche Typen von „Synthetic Aperture Radar (SAR)“ werden durch die
Bundeswehr in Drohnen eingerüstet (Bundestagsdrucksache 18/819), um
welche Hersteller handelt es sich jeweils, und über welche Funktionalitäten
verfügen die Geräte?

19. Wann hat die „Leitungsebene des BMVg“ im Jahr 2014 „bei unterschied-
lichen Anlässen mit Vertretern der Industrie“ über „Optionen zur Weiter-
verwendung von ISIS – ergebnisoffen diskutiert“ (Bundestagsdrucksache
18/819), und wer nahm an den Treffen teil (da über Inhalte und Ergebnisse
derartiger Zusammenkünfte „in der Regel keine umfänglichen Aufzeich-
nungen angefertigt“ werden, bitte soweit erinnerlich beauskunften)?

20. Was ist der Bundesregierung über den Zeitpunkt einer Entscheidung über
einen Ersatz für den „Euro Hawk“ bekannt, wozu der Generalinspekteur der
Bundeswehr, General Volker Wieker, um einen zeitlichen Aufschub gebeten
hatte, ehe er einen Beschluss fälle (Reuters, 13. Februar 2014)?

21. Inwiefern hat sich die Bundesregierung mittlerweile mit den vier vor-
geschlagenen Alternativen zum „Euro Hawk“ befasst (Telepolis, 14. Februar
2014)?

22. Welches (Zwischen-)Ergebnis kann die Bundesregierung hierzu berichten,
bzw. in welchen Gremien und unter Einhaltung welchen Zeitplans wird
hierzu nach einer Entscheidung des Generalinspekteurs der Bundeswehr
und vor einer Befassung des Deutschen Bundestages weiter beraten (sofern
dies die „üblichen“ Gremien sind, diese bitte kurz schildern)?

Berlin, den 27. Mai 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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