BT-Drucksache 18/1451

Berufliche Bildung zukunftssicher gestalten - Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung stärken

Vom 20. Mai 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/1451
18. Wahlperiode 20.05.2014

Antrag
der Abgeordneten Dr. Thomas Feist, Uda Heller, Albert Rupprecht, Michael
Kretschmer, Stephan Albani, Katrin Albsteiger, Artur Auernhammer, Julia
Bartz, Sybille Benning, Dr. André Berghegger, Dr. Christoph Bergner, Klaus
Brähmig, Helmut Brandt, Cajus Caesar, Alexandra Dinges-Dierig, Thomas
Dörflinger, Dr. Bernd Fabritius, Dr. Maria Flachsbarth, Dr. Hans-Peter
Friedrich, Ingo Gädechens, Dr. Thomas Gebhart, Alois Gerig, Eberhard
Gienger, Cemile Giousouf, Michael Grosse-Brömer, Astrid Grotelüschen,
Fritz Güntzler, Helmut Heiderich, Franz-Josef Holzenkamp, Anette Hübinger,
Xaver Jung, Dr. Stefan Kaufmann, Roderich Kiesewetter, Axel Knörig,
Hartmut Koschyk, Gunther Krichbaum, Katharina Landgraf, Dr. Katja
Leikert, Dr. Philipp Lengsfeld, Ingbert Liebing, Patricia Lips, Dr. Claudia
Lücking-Michel, Yvonne Magwas, Matern von Marschall, Maria Michalk,
Dr. Mathias Middelberg, Phillipp Mißfelder, Dietrich Monstadt, Marlene
Mortler, Dr. Philipp Murmann, Josef Rief, Erwin Rüddel, Tankred Schipanski,
Uwe Schummer, Johannes Selle, Bernd Siebert, Carola Stauche, Dr. Frank
Steffel, Dr. Wolfgang Stefinger, Dieter Stier, Stephan Stracke, Max
Straubinger, Matthäus Strebl, Lena Strothmann, Dr. Volker Ullrich, Volkmar
Vogel (Kleinsaara), Sven Volmering, Christel Voßbeck-Kayser, Marco
Wanderwitz, Marian Wendt, Heinz Wiese (Ehingen), Dagmar G. Wöhrl,
Tobias Zech, Heinrich Zertik, Dr. Matthias Zimmer, Volker Kauder, Gerda
Hasselfeldt und der Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Willi Brase, Rainer Spiering, Dr. Ernst Dieter
Rossmann, Hubertus Heil (Peine), Edelgard Bulmahn, Dr. Daniela De Ridder,
Dr. Karamba Diaby, Saskia Esken, Oliver Kaczmarek, Gabriele Katzmarek,
Christine Lambrecht, Dr. Simone Raatz, Martin Rabanus, René Röspel,
Marianne Schieder, Swen Schulz (Spandau), Thomas Oppermann und der
Fraktion der SPD

Berufliche Bildung zukunftssicher gestalten – Wettbewerbsfähigkeit und
Beschäftigung stärken

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Stärke der deutschen Wirtschaft zeichnet sich durch ihr hohes Maß an Innova-
tionsfähigkeit aus. Dabei ist die Berufsbildung ein weltweit anerkannter Schlüssel-

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faktor für Wettbewerbsfähigkeit, Wohlstand und hohe Beschäftigungsquoten. Das
bestätigt ausdrücklich die von der Bundesregierung eingerichtete Expertenkommis-
sion Forschung und Innovation (EFI) in ihrem jüngst veröffentlichen Jahresgutach-
ten 2014. Die Stärke des deutschen Bildungssystems liegt im internationalen Ver-
gleich darin, dass es neben einer exzellenten Hochschullandschaft ein ausgezeich-
netes Berufsbildungssystem gibt. Durch das duale Berufsausbildungssystem mit
seiner praktischen und theoretischen Ausbildung an verschiedenen Lernorten wer-
den sehr qualifizierte Fachkräfte ausgebildet, die ein hohes Maß an Prozesswissen
und Kompetenzen erlangen. Es ist der besondere Mix aus Fachkräften mit unter-
schiedlichen Bildungsbiographien, die durch ihren Wissensaustausch neue Ideen
und Innovationen auf den Weg bringen. Die Einstufung der Kompetenzen von
Meistern, Technikern und Fachwirten und von Bachelor-Absolventen im Deut-
schen Qualifikationsrahmen dokumentiert die Gleichwertigkeit der Qualifikati-
onswege. Eine fundierte Ausbildung garantiert eine sichere Lebens- und Berufs-
perspektive. Auch in Zukunft muss in den Erhalt und die Weiterentwicklung der
Berufsbildung investiert werden. Dazu gehört auch die regelmäßige Anpassung der
Ausbildungs- und Fortbildungsordnungen an die Herausforderungen der modernen
Arbeits- und Wissensgesellschaft.

Auch international erfährt das deutsche Berufsbildungssystem Anerkennung und
nimmt in Europa und im außereuropäischen Ausland eine Vorbildfunktion ein.
Deutschland weist mit unter acht Prozent europaweit die geringste Jugendarbeitslo-
sigkeitsquote auf (vgl. Eurostat 2014). Diese legt die Notwendigkeit hoher Quali-
tätsanforderungen und Ausbildungsstandards nahe, die auch für die Zukunft beibe-
halten werden müssen. Der Erfahrungsaustausch über dieses bewährte und hohe
Niveau könnte dann dazu beitragen, die Situation in Europa zu verbessern. Unab-
hängig davon sind die jeweiligen Besonderheiten und historisch gewachsenen
Strukturen in den Ausbildungssystemen der europäischen Partnerländer zu respek-
tieren. Positiv sind schon jetzt die Stärkung internationaler Kooperationen zur Ver-
besserung der Ausbildung junger Menschen sowie die bessere Anerkennung aus-
ländischer Berufsqualifikationen (Gesetz zur Verbesserung der Feststellung und
Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen), denn beides ermög-
licht Mobilität und stärkt die Berufsbildung auch in Deutschland.

Die Berufsausbildung muss an Veränderungen in der Arbeitswelt, Auswirkungen
der Demografie und gewandelte Strukturen im Bildungsprozess angepasst werden.
Mitte der 60er Jahre absolvierten 92 Prozent der jungen Menschen eine Berufsaus-
bildung und nur acht Prozent begannen ein Studium. 2011 war die Quote der Aus-
bildungs- und Studienanfängerinnen und -anfänger mit 49,9 bzw. 50,1 Prozent
annähernd gleich (vgl. Gutachten zu Forschung, Innovation und technologischer
Leistungsfähigkeit Deutschlands 2014 – EFI-Gutachten). Gleichzeitig ist festzu-
stellen: Derzeit benötigen acht von zehn Berufsgattungen mit den größten Engpäs-
sen keine Akademiker, sondern durch eine Ausbildung beruflich Qualifizierte (vgl.
Klös 2013). Auf der anderen Seite gelingt es nicht mehr wie früher, ausbildungsin-
teressierte Jugendliche im selben Maß an dualer Ausbildung zu beteiligen. Umso
wichtiger wird es, die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung
wertzuschätzen und mit Substanz zu füllen. Beide Bildungswege müssen den jun-
gen Menschen interessante Perspektiven eröffnen, wobei die Möglichkeit zum
Wechsel zwischen den Bildungsgängen durch eine hohe Durchlässigkeit in beide
Richtungen zur Selbstverständlichkeit werden muss. Im Anschluss an eine Berufs-
bildung (Fachangestellte/-angestellter bzw. Geselle) ergeben sich große Aufstiegs-
chancen durch Weiterbildung z. B. zum/zur Meister/-in, Techniker/-in, Fachwirt/
-in oder durch die Aufnahme eines Studiums.

Das EFI-Gutachten deutet hierbei auf „Probleme am unteren und oberen Rand der
Talentverteilung“ hin. Als Probleme am unteren Rand sind insbesondere fehlende
schulische Voraussetzungen und verpasste erste Chancen der Berufsorientierung

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/1451

schon in der Schulzeit zu identifizieren. Eine frühe Erfahrung von betrieblicher
Arbeit und beruflichen Prozessen ermöglicht es den jungen Menschen, Begabun-
gen zu erkennen, Kompetenzen auszubilden und Qualifikationen entwickeln zu
können. Die Verbesserung der schulischen Voraussetzungen und deren Orientie-
rung an der Berufswelt und ihren Chancen und Herausforderungen sind deshalb
eine Schlüsselfrage.

Weiterhin schwierig gestaltet sich der anschließende zweite Schritt: der Übergang
von der Schule in eine Ausbildung. Trotz deutlicher Rückgänge in den letzten Jah-
ren begannen 2013 immer noch 257 600 junge Menschen eine Maßnahme des
Übergangsbereichs (vgl. Statistisches Bundesamt, Schnellmeldung Integrierte
Ausbildungsberichterstattung). Die Bundesagentur für Arbeit (BA) registrierte
Ende September 2013 rund 21 000 unversorgte Bewerberinnen und Bewerber, die
weder in eine Ausbildung noch in eine Alternative eingemündet sind. Bei knapp
96 000 Bewerberinnen und Bewerbern aus dem Ausbildungsjahr 2013 ist der Ver-
bleib aus BA-Sicht unbekannt. Der Übergang förderungsbedürftiger Jugendlicher
von Schule in Ausbildung und Beruf soll durch das Modell der „Jugendberufsagen-
tur“ gestärkt werden, das die Bündelung von Leistungen nach den Sozialgesetzbü-
chern II, III und VIII für unter 25-Jährige vorsieht.

Insbesondere Jugendliche mit Migrationshintergrund sind in Berufsausbildungen
stark unterrepräsentiert: Die Ausbildungsanfängerquote junger Ausländerinnen und
Ausländer liegt laut Berufsbildungsbericht 2014 bei 29,4 Prozent, wohingegen die
Quote deutscher Jugendlicher bei 58,9 Prozent liegt. Im Sinne einer Ausbildungs-
garantie muss das Motto „Kein Abschluss ohne Anschluss“ lauten. Hier ist beson-
ders der präventive Charakter der erfolgreichen „Bildungsketten“ hervorzuheben,
die bereits in der Schule mit der Berufsorientierung beginnen. Es ist dabei genau zu
prüfen, inwieweit die bestehenden Maßnahmen im Übergangsbereich effizient mit
der weiter auszubauenden „Initiative Bildungsketten“ verknüpft werden können.
Auch diejenigen Jugendlichen, die noch nicht über eine abgeschlossene Schulaus-
bildung verfügen, dürfen nicht aus dem Blick veroren werden. Ziel muss es sein,
auch sie so zu qualifizieren, dass sie sich in den ersten Arbeitsmarkt integrieren
können. Das dient dem nachhaltigen Schutz gegen Arbeitslosigkeit und sichert den
Fachkräftebedarf Deutschlands.

Ein wichtiger Standortfaktor und zugleich eine besondere Stärke ist die Ausbildung
junger Menschen in kleinen und mittleren Unternehmen. Insgesamt nahm der Ge-
samtbestand an Unternehmen im fünften Jahr zu. 2012 gab es in Deutschland 2,102
Millionen Betriebe mit mindestens einem sozialversicherten Beschäftigten. Von
ihnen bildeten im gleichen Jahr nur 447 746 Betriebe aus. Diese 21,3 Prozent (bzw.
52 Prozent unter den ausbildungsberechtigten Betrieben) markieren die niedrigste
Ausbildungsbetriebsquote seit 1999. Ursächlich ist hierbei ein Rückgang der Aus-
bildung insbesondere bei den Kleinstbetrieben (bis zu 9 Beschäftigte) um vier Pro-
zent, während sie bei den Kleinbetrieben um ein Prozent stieg (vgl. Berufsbil-
dungsbericht 2014).

Gleichzeitig gibt es Probleme beim Matching, d. h. viele Unternehmen konstatie-
ren, dass sie ihre freien Ausbildungsplätze nur schwer oder gar nicht besetzen. Das
steht im Widerspruch zu der hohen Zahl der ausbildungssuchenden Jugendlichen
und Ausbildungsumsteiger, bzw. -abbrecher (vgl. Berufsbildungsbericht 2014). Die
Verstärkung der „Bildungsketten“ von der Potentialanalyse, der Berufsorientie-
rung, individueller Begleitung in die Ausbildung und Unterstützungsmaßnahmen
während der Ausbildung (individuelle Begleitung, ausbildungsbegleitende Hilfen –
abH) bis hin zur assistierten Ausbildung werden deshalb immer dringlicher.

Auf der anderen Seite, dem „oberen Rand der Talentverteilung“ nach dem EFI-
Gutachten, ist daran zu arbeiten, die berufliche Bildung durch die Verbesserung der
Aufstiegschancen populärer zu machen. Durch strategische Aus- und Weiterbil-

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dung sowie systematische Qualifizierungsmöglichkeiten eröffnen sich weitere
Zukunftsperspektiven. Ein novelliertes Aufstiegsfortbildungsgesetz und die finan-
zielle Unterstützung durch das Aufstiegsstipendium sind dafür wichtige Verstärker.

Ein weiteres Vorhaben zur Stärkung der Berufsausbildung ist die Evaluation und
ggf. Novellierung des Berufsbildungsgesetzes (BBiG). Ziele sind u. a. die Verbes-
serung der Ausbildungsqualität und Durchlässigkeit zwischen den Bildungswegen
und die Bildung von Berufsfamilien. Ein besonderes Anliegen ist die Sicherung
des bürgerschaftlichen Engagements in den Prüfungsgremien. Ausschlaggebend
für die Zukunftssicherung der dualen Ausbildung ist darüber hinaus eine hochwer-
tige theoretische Ausbildung im Rahmen berufsschulischer Bildung. In den letzten
zwei Jahrzehnten hat sich die Ausbildungssituation der Lehrerinnen und Lehrer an
berufsbildenden Schulen kontinuierlich verschlechtert. Das wissenschaftliche Per-
sonal in den Fach- und Didaktikstudiengängen wurde stetig abgebaut. Das hat zur
Folge, dass Studierende oft in Studiengängen ohne Professuren für die berufliche
Fachrichtung mitversorgt werden und die Qualität der Ausbildung stark beeinträch-
tigt ist.

Alle an der Ausbildung Beteiligten – Bund, Länder, Sozialpartner, Berufsschulen –
müssen im Sinne der Jugendlichen und zur Bewältigung des Fachkräftemangels
ihrer Verantwortung gerecht werden und kooperativ zusammenwirken. Eine be-
sondere Chance bietet hier die Weiterentwicklung des Nationalen Pakts für Aus-
bildung und Fachkräftenachwuchs 2010-2014 in eine Allianz für Aus- und Weiter-
bildung.

II. Der Deutsche Bundestag begrüßt:

1. die Weiterentwicklung des Nationalen Pakts für Ausbildung und Fachkräf-
tenachwuchs 2010-2014 in eine Allianz für Aus- und Weiterbildung. Alle
an der Ausbildung beteiligten Akteure sollen eine Ausbildungsgarantie
umsetzen;

2. die Evaluation des Berufsbildungsgesetzes. Ziele für eine Weiterentwick-
lung des Gesetzes sind u. a. die Verbesserung der Durchlässigkeit zwi-
schen beruflichen und hochschulischen Bildungswegen, die Stärkung der
Ausbildungsqualität und gestufter Ausbildungen, die Bildung von Berufs-
familien sowie die Sicherung des bürgerschaftlichen Engagements in den
Prüfungsgremien;

3. das Bekenntnis zum Konsensprinzip in der Berufsordnungsarbeit von öf-
fentlicher Hand und Sozialpartnern und seine Stärkung;

4. das Vorhaben, ein lokal verankertes Netzwerk von Beratungs- und Infor-
mationsangeboten auf den Weg zu bringen. Schülerinnen und Schüler,
Auszubildende, Studierende und Weiterbildungswillige sollen systema-
tisch beraten werden;

5. den Ausbau der erfolgreichen „Initiative Bildungsketten“. Junge Men-
schen sollen möglichst früh ihre Potenziale erkennen und durch eine ge-
zielte Berufsorientierung den Übergang in Ausbildung meistern können;

6. die Unterstützung von Jugendlichen mit schlechteren Startchancen und
Hemmnissen und deren Betriebe auf dem Weg zu einem erfolgreichen
Ausbildungsabschluss durch die Berufseinstiegsbegleitung und die assis-
tierte Ausbildung;

7. die engagierte Fortführung der bisher durch die Initiative „AusBILDUNG
wird was - Spätstarter gesucht“ durchgeführten Ausbildungsförderung von
jungen Erwachsenen ohne Berufsabschluss durch das geplante Programm
„Die 2. Chance“;

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/1451

8. das Vorhaben der Verbesserung der Inklusion von jungen Menschen mit
Behinderung in Ausbildung;

9. die Überprüfung der Maßnahmen im Übergangssystem zur Förderung der
beruflichen Ausbildung und deren Ausrichtung auf eine ganzheitliche
vollqualifizierende Berufsausbildung mit einer öffentlich-rechtlichen Ab-
schlussprüfung;

10. die weitere Förderung der überbetrieblichen Berufsbildungsstätten und
Kompetenzzentren;

11. die Positionierung der Bundesregierung gegenüber der EU-Kommission
für die Beibehaltung des bewährten Meisterbriefs;

12. die Unterstützung der Europäischen Ausbildungsallianz der EU-
Mitgliedstaaten durch Beratung und Projekte zur Reduzierung der europäi-
schen Jugendarbeitslosigkeit;

13. die Verstärkung der Kooperation sowohl im Rahmen der Bildungskoope-
ration als auch der Entwicklungszusammenarbeit mit Partnerländern, die
an der dualen Berufsausbildung interessiert sind;

14. die Erhöhung des Anteils von Jugendlichen, die während ihrer Ausbildung
einen Auslandsaufenthalt absolvieren, u. a. durch die Fortführung des
wichtigen Mobilitätsberaterprogramms der Bundesregierung;

15. die zahlreichen Maßnahmen und Programme zur beruflichen Bildung zu-
sammenzufassen, zu vernetzen und in Deutschland flächendeckend auszu-
bauen;

16. den Anteil der Mädchen in technischen Berufen zu erhöhen und damit
vorbereitend die Wahl von MINT-Fächern im Vorfeld, aber auch den An-
teil der Jungen in frauentypischen Berufen, wie beispielsweise im
Gesundheitswesen, zu stärken.

Die nachfolgenden Forderungen der Kapitel III, IV und V gelten im Rahmen der
jährlich zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel.

III. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. sich für eine noch höhere Durchlässigkeit im Bildungssystem und die
Gleichwertigkeit der beruflichen und akademischen Bildung einzusetzen;

2. den Nationalen Pakt für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs 2010-2014
zur Allianz für Aus- und Weiterbildung fortzuentwickeln. Dabei ist eine
Ausbildungsgarantie für alle Bewerberinnen und Bewerber anzustreben;

3. die „Bildungsketten“ so zu entwickeln, dass die Einmündung in eine duale
Berufsausbildung vorrangig gegenüber einer außerbetrieblichen Ausbil-
dung ist. Bestehende Instrumente wie Einstiegsqualifizierung, ausbil-
dungsbegleitende Hilfen bis hin zu einer ggf. stärkeren individuellen Un-
terstützung von Jugendlichen und Betrieben im Sinne der assistierten Aus-
bildung sollen systematisch genutzt werden. Dabei sind die einzelnen In-
strumente noch stärker zwischen Bundesministerien, Bundesagentur für
Arbeit, Ländern und Kommunen aufeinander abzustimmen;

4. eine kombinierte Ausbildung für genau definierte Zielgruppen von Ju-
gendlichen weiter zu ermöglichen, bei der eine außerbetriebliche Ausbil-
dung mit flexiblem Übergang in den Betrieb spätestens im zweiten Aus-
bildungsjahr – gegebenenfalls auch früher – verbunden wird. Bei der in-
tegrativen Ausbildung absolviert der Jugendliche seine Ausbildung bei ei-
nem Bildungsträger – auch hier wird in der gesamten Ausbildungszeit ein
Übergang in eine betriebliche Ausbildung angestrebt. Gelingt dies nicht,
schließt die außerbetriebliche Ausbildung mit einer Kammerprüfung ab;

Drucksache 18/1451 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

5. gemeinsam mit den Ländern die Maßnahmen des Übergangssystems auf
einen zielgruppengerechten und zügigen Anschluss und Übergang in eine
vollqualifizierende betriebliche Ausbildung hin auszurichten;

6. die Berufseinstiegsbegleitung und länderspezifische Modelle einer Form
der assistierten Ausbildung bedarfsgerecht so auszugestalten, dass dabei
keine Doppelstrukturen entstehen;

7. das erfolgreiche Berufsorientierungsprogramm in enger Abstimmung mit
Ländern und Bundesagentur für Arbeit grundsätzlich auf sämtliche allge-
meinbildenden Schulen auszuweiten, um möglichst vielen Schülerinnen
und Schülern eine umfassende Berufsorientierung zu ermöglichen, die
auch Karrierewege im Berufsbildungssystem aufzeigt;

8. Jugendliche mit Migrationshintergrund bei der Eingliederung in die Be-
rufsausbildung zu unterstützen. Dieser Personenkreis muss durch gezielte
Maßnahmen in die Lage versetzt werden, eine duale Ausbildung erfolg-
reich zu absolvieren;

9. bei der Umsetzung der europäischen Jugendgarantie auch Maßnahmen
vorzusehen, die es Jugendlichen ohne abgeschlossene Schulausbildung
ermöglichen, sich weiter zu qualifizieren und so in den ersten Arbeits-
markt integrieren zu können;

10. den Hochschulpakt so fortzuentwickeln, dass Hochschulen für gute Lehre
und Angebote, die mehr Studierende qualitätsorientiert zu einem Ab-
schluss führen, stärker honoriert werden. Dies gilt besonders für die Unter-
stützung beruflich qualifizierter Studierender und die Förderung von
Strukturen, die für das Studium dieser Zielgruppe dienlich sind, im Spezi-
ellen an Berufsakademien und Fachhochschulen. Doppelförderungen sind
dabei auszuschließen;

11. Angebote für Menschen, die aus einem Studium in eine berufliche Bildung
wechseln wollen, weiterzuentwickeln, zu bewerben und zu systematisie-
ren;

12. ihren Beitrag dazu zu leisten, dass die Vergleichbarkeit von Berufsab-
schlüssen im europäischen Raum verbessert wird;

13. das bewährte Modell des Meisterbriefs zu schützen;
14. weitere Schritte zur Öffnung des deutschen Arbeitsmarktes hinsichtlich

der Anerkennung ausländischer Abschlüsse und Berufsqualifikationen zu
unternehmen. Insbesondere sind Fördermöglichkeiten zur finanziellen Un-
terstützung von Anpassungs- und Nachqualifizierungen einzuleiten. Eben-
so gilt es, die Fördermöglichkeiten im Rahmen der Ausbildungsförderung
(BAföG, AFBG – „Meister-BAföG“, SGB III) und der aktiven Arbeits-
marktpolitik noch besser auszuschöpfen;

15. die Grundstrukturen der dualen Ausbildung im Rahmen internationaler
Bildungsdebatten sowie transnationaler Bildungs- und Entwicklungspart-
nerschaften zu erklären, ihre Vorteile aufzuzeigen, aktiv zu bewerben und
die berufliche Bildung als Kooperationsinstrument in der internationalen
Entwicklungszusammenarbeit auszubauen;

16. mit den Ländern ein ganzheitliches Konzept zur Neuausrichtung der Aus-
bildung von Lehrerinnen und Lehrern an beruflichen Schulen zu entwi-
ckeln, um den Qualitätsansprüchen und dem Bedarf gerecht zu werden.
Hierzu braucht es eine ausreichende Anzahl leistungsfähiger Institute der
beruflichen Bildung und eine konsequente Berufsbildungsforschung. Die
akademische Ausbildung und Wertschätzung von Lehrerinnen und Leh-
rern an berufsbildenden Schulen ist in der Qualitätsoffensive Lehrerbil-
dung besonders zu berücksichtigen;

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/1451

17. eine Evaluation des BBiG unter sachgerechter Beteiligung des Bundesin-
stituts für Berufsbildung (BIBB) und seiner Gremien mit dem Ziel eines
Ergebnisses zum Frühjahr 2015 in Auftrag zu geben und im Anschluss
notwendige Anpassungen unmittelbar vorzunehmen.

IV. Der Deutsche Bundestag fordert die Länder auf,

1. gemeinsam mit dem Bund die Maßnahmen im Übergangssystem zu über-
prüfen und die Umsetzung des KMK-Beschlusses „Lebenschancen eröff-
nen – Qualifikationspotenziale ausschöpfen – Übergänge gestalten“ zügig
anzugehen und im Sinne erfolgreicher Ländermodelle die Maßnahmen auf
eine voll qualifizierende betriebliche Berufsausbildung auszurichten;

2. ein ganzheitliches Konzept zur Sicherung des Bedarfs an Lehrerinnen und
Lehrern an berufsbildenden Schulen und der damit verbundenen Qualitäts-
anforderungen sowie der akademischen Lehre umzusetzen; dabei sind
auch Studiengänge anzubieten, die für beruflich Qualifizierte offen sind
und den Fortbildungsabschluss „Geprüfter Berufspädagoge“ einbeziehen;

3. gemeinsam mit dem Bund die Ausweitung von Fördermöglichkeiten im
Rahmen der Aufstiegsförderung (BAföG, AFBG) zu prüfen;

4. zu prüfen, inwieweit das regionale Bildungsmanagement in Form von „Ju-
gendberufsagenturen“ gestärkt werden kann.

V. Der Deutsche Bundestag fordert die Sozialpartner auf,

zur Sicherung des Fachkräftebedarfs gemeinsam mit Bund, Ländern und weiteren
Akteuren der Berufsbildung dafür Sorge zu tragen, dass jeder Jugendliche im Sinne
einer Ausbildungsgarantie eine duale Ausbildung erfolgreich abschließen kann.

Berlin, den 20. Mai 2014

Volker Kauder, Gerda Hasselfeldt und Fraktion
Thomas Oppermann und Fraktion

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