BT-Drucksache 18/1441

Abkommen zur Weitergabe von Passagierdaten mit Russland, Mexiko, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Südkorea und Androhung von Flugverboten

Vom 15. Mai 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/1441
18. Wahlperiode 15.05.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Annette Groth, Dr. André Hahn, Inge Höger,
Ulla Jelpke, Dr. Alexander S. Neu, Frank Tempel, Kathrin Vogler und der Fraktion
DIE LINKE.

Abkommen zur Weitergabe von Passagierdaten mit Russland, Mexiko,
den Vereinigten Arabischen Emiraten und Südkorea und Androhung von
Flugverboten

Seit letztem Jahr verhandelt das russische Transportministerium mit der Europä-
ischen Union (EU) über die Weitergabe von Fluggastdaten: Vor jedem Flug in
oder über russisches Territorium wollen zuständige Grenzbehörden persönliche
Informationen der mitfliegenden Passagiere. Ein ähnliches Abkommen hat die
EU bereits mit den USA, Australien und Kanada geschlossen (www.unwatched.
org/EDRigram_10.5_Erste_Abstimmung_im_EU-Parlament_ueber_PNR-
Abkommen_mit_den_USA). Die unter dem Zweck einer „Terrorismusbekämp-
fung“ weitergereichten Fluggastdatensätze (Passenger Name Records – PNR)
sind weitgehend. Die Rede ist von rund 60 Einzelinformationen (https://
netzpolitik.org/2012/vorratsdatenspeicherung-von-fluggastdaten-jetzt-auch-in-
europa/). Neben persönlichen Daten werden die genutzten Reisebüros, Post- und
Mailadressen, Zahlungsmittel, Essensvorlieben beim Flug oder auch Hotel-
buchungen bei Zwischenlandungen erfasst. Werden die Informationen nicht,
wie vorgeschrieben, übermittelt, droht den Fluglinien ein Entzug der Lande-
erlaubnis oder auch von Überflugrechten. Eine Rückkehr zum Startflughafen ist
mit hohen Kosten verbunden, weshalb die Airlines in vorauseilendem Gehorsam
mit US-Grenzbehörden kooperieren. Am Flughafen Frankfurt hat sich im Falle
der USA sogar ein Ableger des Heimatschutzministeriums installiert, der Flug-
linien zur Nichtbeförderung mancher Passagiere „berät“ (Bundestagsdruck-
sache 17/6654).
Dass nun auch die russische Regierung mit Flugverboten droht, hatte bereits im
Sommer vergangenen Jahres beim Gipfeltreffen der EU und Russlands für Ärger
gesorgt (Süddeutsche Zeitung, 3. Juni 2013). Das Transportministerium erließ
ein Dekret, das die Übermittlung von Daten aus dem Fluggastdatensatz (PNR)
erzwingen und zum 1. Juli 2013 in Kraft treten sollte. Nicht nur Flugreisen wür-
den erfasst, sondern auch Passagiere von Schiffen, Zügen oder Bussen. Sollten
wie mit Kanada, Australien und den USA weitgehende PNR-Daten gefordert
werden, bräuchte es ein entsprechendes Abkommen zum Datentausch. Aller-
dings hatte die Regierung in Moskau zunächst nachgegeben (www.nopnr.org/die-
geister-die-ich-rief-russland-hat-ab-1-dezember-zugriff-auf-teile-der-fluggast-
daten/). Die weitgehenden PNR-Daten sollen erst dann verbindlich werden,
wenn ein entsprechendes PNR-Abkommen mit der EU geschlossen würde. Ein
Verhandlungsmandat erhielt die Europäische Kommission hierzu jedoch bislang
nicht, ein Abschluss wäre also erst in mehreren Jahren zu erwarten. Komplett
will Russland aber nicht auf den Datentausch verzichten; stattdessen fordert das

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Transportministerium seit Dezember 2013 die sogenannten API-Daten (Ad-
vanced Passenger Information) für Überflüge oder Landungen auf eigenem Ter-
ritorium. Gemeint sind Name, Adresse, Geburtsdatum und Angaben zu den Rei-
sedokumenten. Die Weitergabe vor Bus-, Schiffs- und Zugreisen soll weiterhin
verbindlich bleiben.
Außer Russland fordern nach Information der Fragesteller auch Mexiko, die
Vereinigten Arabischen Emirate und Südkorea PNR-Daten und drohen bei
Nichterfüllung baldige Flugverbote an. Nach Ansicht der Fragesteller sind durch
das jüngste Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zur Vorratsdaten-
speicherung aber auch alle bereits abgeschlossenen bzw. zu verhandelnden
PNR-Abkommen tangiert. Das Gleiche gilt für die geplante Umsetzung einer
EU-PNR-Richtlinie. PNR-Datensammlungen enthalten weitreichende Perso-
nendaten, deren Verarbeitung durch Polizeien und Geheimdiensten Grenzen ge-
setzt werden müssen. Das gilt insbesondere für eine Ausweitung der Zweck-
bestimmung, wenn manche Regierungen die Daten nicht nur zur „Terrorismus-
bekämpfung“ nutzen möchten, sondern auch für die Verfolgung anderer Krimi-
nalitätsformen.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Was ist der Bundesregierung über Ankündigungen der russischen Regierung

gegenüber der EU oder einzelnen Mitgliedstaaten zur verpflichtenden Wei-
tergabe von PNR-Fluggastdaten bekannt?
a) Inwiefern trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass die Regie-

rung in Moskau zunächst nachgegeben hat und ankündigte, die Über-
mittlung von PNR-Daten solle erst dann verbindlich werden, wenn ein
entsprechendes Abkommen mit der EU geschlossen würde, API-Daten
sollen aber bereits übermittelt werden?

b) Inwieweit finden nach Kenntnis der Bundesregierung hierüber entspre-
chende Gespräche statt?

c) Wer sind die jeweiligen Teilnehmenden auf beiden Seiten, und wann haben
in den Jahren 2012 und 2013 entsprechende Treffen stattgefunden?

d) Inwieweit waren auch deutsche Behörden in Verhandlungen bzw. Gesprä-
che zur Festlegung einer EU-Position eingebunden?

e) Inwiefern ist eine Beschränkung Russlands lediglich auf API-Daten nach
Kenntnis der Bundesregierung auf Zusagen in Verhandlungen um Visa-
Erleichterungen zwischen der EU und Russland zurückzuführen?

f) Inwiefern trifft es zu, dass insbesondere Deutschland für Durchbrüche bei
entsprechenden Gesprächen gesorgt habe?

2. Was ist der Bundesregierung über die Umsetzung eines vom Transportminis-
terium erlassenen Dekret zur Übermittlung von Passagierdaten bekannt?
a) Welche konkreten Daten bzw. Einzelinformationen sollen verarbeitet wer-

den?
b) Inwiefern ist auch die Weitergabe von Daten vor Bus-, Schiffs- und Zug-

reisen verbindlich vorgesehen?
c) Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, inwiefern an russischen

Grenzen die erforderliche Infrastruktur zur Verarbeitung von Passagier-
daten existiert?

d) Wie lange sollen übermittelte Einzelinformationen aus Passagierdaten bei
russischen Behörden gespeichert werden?

e) Inwiefern sollen auch Daten über Passagiere von Schiffen, Zügen oder
Bussen verarbeitet werden?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/1441
3. Welche weiteren russischen Rechtsakte zur Übermittlung von API- oder
PNR-Daten sind nach Kenntnis der Bundesregierung angekündigt oder im
Jahr 2014 bereits erfolgt, und welchen Inhalt haben diese?
a) Inwiefern haben auch deutsche Behörden in den Jahren 2013 oder 2014 im

Hinblick auf API- oder PNR-Daten mit russischen Behörden Gespräche
geführt?

b) Welche Sanktionen bei Nichtübermittlung von Fluggastdaten haben russi-
sche Behörden angekündigt?

4. Wann und wem gegenüber hat die russische Regierung nach Kenntnis der
Bundesregierung erstmals damit gedroht, bei Nichtübermittlung von Flug-
gastdaten Flugverbote zu verhängen (Süddeutsche Zeitung, 3. Juni 2013)?

5. Wann und wem gegenüber hat die russische Regierung nach Kenntnis der
Bundesregierung letztmalig damit gedroht, bei Nichtübermittlung von Flug-
gastdaten Flugverbote zu verhängen?

6. Inwiefern hat sich die russische Position nach Einschätzung der Bundesregie-
rung im Zuge der Krise in der Ukraine verändert?

7. Inwiefern ist nach Kenntnis der Bundesregierung auf EU-Ebene davon die
Rede, ein PNR-Abkommen mit Russland zu schließen?
a) Was ist der Bundesregierung über Diskussionen zu einem Verhandlungs-

mandat für die Europäische Kommission zu einem PNR-Abkommen mit
Russland bekannt?

b) Inwiefern ist in Gesprächen oder Verhandlungen mit oder ohne Russland
nach Kenntnis der Bundesregierung davon die Rede, wie bereits im Falle
Kanadas und der USA auch vor Abschluss eines PNR-Abkommens Flug-
gastdatensätze weiterzugeben, die über API-Informationen hinausgehen?

c) Inwieweit orientiert sich eine angestrebte vorläufige oder endgültige Ver-
einbarung zur Weitergabe von Fluggastdaten (API oder PNR) nach Kennt-
nis der Bundesregierung nach gegenwärtigem Stand an ähnlichen Abkom-
men der EU bereits mit den USA, Australien und Kanada (bitte die aus
Sicht der Bundesregierung weitgehend ähnlichen Punkte benennen)?

8. Inwiefern ist nach Kenntnis der Bundesregierung daran gedacht, PNR-Ab-
kommen der USA, Kanadas oder Australiens mit der EU nicht mehr nur auf
„Terrorismusbekämpfung“ zu beschränken, sondern getauschte Daten auch
zur Bekämpfung anderer Delikte zu nutzen, und um welche handelt es sich
dabei?

9. Worum handelt es sich nach Kenntnis der Bundesregierung beim „PNR-Work-
shop vom 26. bis 28. Februar 2014“ (http://europa.eu/rapid/press-release_
IP-13-1295_de.doc), was war dessen Inhalt, und wer nahm daran teil?
a) Sofern auch die Agenturen Europol und Eurojust oder PNR-Partnerstaaten

wie die USA, Australien oder Kanada teilnahmen, welcher Grund ist der
Bundesregierung hierfür bekannt?

b) Mit welchem Inhalt haben die USA, Australien oder Kanada etwaige Er-
fahrungen über PNR-Abkommen mit der EU berichtet, und inwiefern teilt
die Bundesregierung dort vorgetragene Einschätzungen?

c) Welche Abteilungen welcher Behörden des Bundes nahmen an der Kon-
ferenz teil, und inwiefern wurden auch Beiträge gehalten (bitte die The-
men kurz skizzieren)?

d) Inwiefern wurden auf der Konferenz auch Projekte der Kriminalpräven-
tion und Kriminalitätsbekämpfung (ISEC) behandelt?

Drucksache 18/1441 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
e) Inwiefern wurde auf der Konferenz besprochen, den Informationsaus-
tausch nach den PNR-Abkommen mit den USA, Kanada oder Australien
zu erweitern, indem etwa neue Kanäle zur Weitergabe eröffnet würden?

f) In welchen Bereichen wäre eine stärkere Zusammenarbeit demnach
wünschenswert oder nützlich, und wer hat entsprechende Vorschläge
vorgetragen?

10. Was ist der Bundesregierung über Anstrengungen der Europäischen Kom-
mission bekannt, einen Gesetzgebungsvorschlag für ein „unilaterales In-
strument“ zur Weitergabe von PNR-Daten an Drittstaaten vorzulegen?
a) Um welche Art von Legislativvorschlag sollte es sich nach Ansicht der

Bundesregierung dabei handeln?
b) Wann sollen entsprechende Vorschläge oder Vorabpapiere vorliegen?

11. Welche weiteren Staaten haben nach Kenntnis der Bundesregierung ge-
fordert, Abkommen mit der EU zur Übermittlung von PNR-Daten zu
schließen?
a) Mit welchen Staaten wurde bereits ein formeller Dialog eröffnet, bzw.

inwiefern ist dieses anvisiert?
b) Mit welchen Staaten wurden welche Möglichkeiten eines Abkommens

eruiert, darunter auch multilaterale Abkommen oder eine „unilaterale
Lösung“?

c) Inwiefern ist nach Ansicht der Bundesregierung durch das Urteil des
Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zur Vorratsdatenspeicherung auch
eine Umsetzung der PNR-Abkommen mit den entsprechenden Staaten
tangiert?

12. Inwiefern fordern auch die Vereinigten Arabischen Emirate ein PNR-Ab-
kommen mit der EU, und was ist der Bundesregierung über ein entspre-
chendes Projekt des Landes und dessen Umsetzung bekannt?
a) Inwiefern wird das PNR-System der Vereinigten Arabischen Emirate

lediglich zur „Terrorismusbekämpfung“ errichtet, bzw. inwiefern wird es
auch für andere Delikte, etwa im Bereich Drogenhandel oder Migration,
genutzt?

b) Was ist der Bundesregierung über Verhandlungen der Europäischen
Kommission hinsichtlich der Frage bekannt, inwiefern ein EU-PNR-Ab-
kommen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten auch andere Formen
von Kriminalität erfassen soll?

c) Welche Haltung vertritt die Bundesregierung hierzu?
13. Inwiefern trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass Mexiko eine

PNR-Übermittlung fordert und ab Herbst sogar die Verhängung von Straf-
zahlungen bei Nichtübermittlung ankündigt?
a) Inwiefern konnten entsprechende Fristen in Verhandlungen verschoben

werden?
b) Welche Fluglinien aus den Mitgliedstaaten der Europäischen Union ha-

ben nach Kenntnis der Bundesregierung bereits Schreiben mit Fristen er-
halten, und wie rechtsverbindlich sind diese nach Einschätzung der Bun-
desregierung?

c) Inwiefern fließt nach Kenntnis der Bundesregierung auch der „Moraes-
Bericht“ in die Verhandlungen mit Mexiko ein?

d) Welche weiteren Treffen sind mit Mexiko im Jahr 2014 geplant (insbe-
sondere auf höherer Ebene), und wer soll daran teilnehmen?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/1441
14. Was ist der Bundesregierung über Verhandlungen der Regierung von Süd-
korea mit Fluglinien und/oder EU-Behörden zur Übermittlung von PNR-
Daten bekannt?

15. Welche Mitgliedstaaten der Europäischen Union verfügen nach Kenntnis
der Bundesregierung bereits über PNR-Systeme, und welche sind mit der
Errichtung beschäftigt?
a) Inwiefern ist die EU damit befasst, diese Systeme zu standardisieren

oder sie untereinander kompatibel zu machen?
b) Worum handelt es sich bei der „PNRGOV-Push-Methode“, auf welcher

Plattform werden entsprechende Daten getauscht, und inwiefern ist hier
eine Neuerung vorgesehen?

c) Worum handelt es sich bei einer „Passenger Information Unit Interest
Group“, und wer gehört ihr an?

16. Welche Haltung vertritt die Bundesregierung zum Abschluss einer EU-
PNR-Richtlinie?
a) Inwiefern ist nach Ansicht der Bundesregierung durch das EuGH-Urteil

zur Vorratsdatenspeicherung auch eine Umsetzung einer EU-PNR-
Richtlinie tangiert?

b) Inwiefern hat die Europäische Kommission hinsichtlich von PNR auf
das Urteil reagiert, und welche Arbeitsgruppen oder Treffen sind ange-
kündigt bzw. fanden bereits statt?

c) Welche Verabredungen wurden getroffen?

Berlin, den 15. Mai 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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