BT-Drucksache 18/1364

Bericht über Anwerbeversuche des russischen Auslandsnachrichtendienstes in Deutschland

Vom 7. Mai 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/1364
18. Wahlperiode 07.05.2014

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Wolfgang Gehrcke, Annette Groth, Harald Petzold
(Havelland) und der Fraktion DIE LINKE.

Bericht über Anwerbeversuche des russischen Auslandsnachrichtendienstes
in Deutschland

Nach einem Bericht der Tageszeitung „WELT am SONNTAG“ (vom 20. April
2014 „Verfassungsschutz warnt vor russischen Spionen“) warnt das Bundesamt
für Verfassungsschutz (BfV) vor intensivierter russischer Spionage. Insbeson-
dere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Politikerinnen und Politikern, Stif-
tungen und Ministerien würden von russischen Spionen angesprochen. Das BfV
befürchte zudem, „dass russische Agenten seit dem Einzug neuer Abgeordneter
in den Bundestag ihre Werbebemühungen noch verstärken“. Der Artikel be-
inhaltet darüber hinaus – ohne dass erkennbar wird, ob dies die Ansicht der Au-
toren oder diejenige des Verfassungsschutzes ist – den Hinweis: „Konspirative
Treffen mit Auslandsdiensten sind in der Bundesrepublik strafbar.“
Sieht man genauer hin, ergeben sich aber ernsthafte Fragen nach der Seriosität
dieser Warnung. Denn die angeblichen Spione treten generell offen als Mitarbei-
ter der russischen Botschaft, also als russische Staatsangestellte auf. Sie verwen-
den dabei ihre echten Namen. Sofern sie tatsächlich für den russischen Aus-
landsnachrichtendienst arbeiten, schreibt die „WELT am SONNTAG“ zudem
unter Berufung auf den Verfassungsschutz: „Nicht selten habe sich die russische
Seite nach einiger Zeit offen als Geheimdienst geoutet.“
Die Fragesteller sind der Auffassung, dass der Dialog mit Russland notwendig
und sinnvoll ist. Dazu gehören auch Gespräche zwischen deutschen und russi-
schen Fachkräften, wie auch, etwa auf der Ebene des Deutschen Bundestages,
Kontakte der deutsch-russischen Parlamentariergruppe zur russischen Bot-
schaft. Solange sich Mitarbeiter der russischen Botschaft als solche zu erkennen
geben und ihre richtigen Namen angeben, sollte alles unterlassen werden, was
solche Kontakte in den Ruch krimineller Spionage stellt. Die Warnung des Ver-
fassungsschutzes ist aber, jedenfalls in ihrer Darstellung durch die „WELT am
SONNTAG“, geeignet, den Dialog mit Russland unter Generalverdacht zu stel-
len und ihn damit zu erschweren, statt ihn zu befördern. Gerade angesichts der
Ukraine-Krise ist dies ausgesprochen kontraproduktiv.
Als vertraulich oder geheim eingestufte Informationen dürfen ohnehin nieman-
dem gegenüber verraten werden, der dazu nicht befugt ist. Nach dem, was man
durch die Enthüllungen von Edward Snowden weiß, besteht hinsichtlich der
Spionage durch die weltweite Überwachung des Telekommunikationsverkehrs
durch die US-amerikanische National Security Agency (NSA) eine weit größere
Gefahr als in offenen Kontakten zur russischen Botschaft.

Drucksache 18/1364 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Die Fragesteller gehen im Übrigen davon aus, dass Gesprächskontakte zu ein-
heimischen Politikern zum üblichen Geschäft von Botschaftsangehörigen ge-
hören, inklusive gelegentlicher Einladungen zum Abendessen.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Inwiefern ist es nach Auffassung der Bundesregierung verwerflich oder be-

denklich, wenn deutsche Politiker und Politikerinnen bzw. deren Mitarbeite-
rinnen und Mitarbeiter zu Angestellten der russischen Botschaft Kontakte
unterhalten?

2. Inwiefern trifft die Darstellung der „WELT am SONNTAG“ vom 20. April
2014 „Verfassungsschutz warnt vor russischen Spionen“ im Kern zu, und
welche darin enthaltenen, dem BfV zugeschriebenen Angaben sind falsch?

3. Hat das BfV bezüglich der möglichen Anwerbetätigkeit des russischen Aus-
landsnachrichtendienstes ein Papier ausgearbeitet, und wenn ja, welche An-
gaben kann die Bundesregierung dazu machen?

4. Inwiefern sieht das BfV in einer möglicherweise verstärkten Kontaktauf-
nahme des russischen Auslandsnachrichtendienstes mit Politikerinnen und
Politikern, deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie Wissenschaftle-
rinnen und Wissenschaftlern, wie von der „WELT am SONNTAG“ angedeu-
tet, einen Zusammenhang zu den Ereignissen in der Ukraine?

5. Welche belastbaren Zahlen gibt es darüber,
a) ob es tatsächlich eine intensivierte russische Spionage in Deutschland

gibt,
b) wie häufig Angehörige der russischen Botschaft in Berlin zu deutschen

Politikerinnen und Politikern bzw. deren Mitarbeiterinnen und Mitarbei-
tern Kontakte aufgebaut haben mit dem Ziel, an eingestufte Informationen
zu kommen, und mit welchen Methoden wird dieses Ziel festgestellt, um
sicher zwischen harmlosen Kontakten und Spionagekontakten zu unter-
scheiden,

c) zu wie vielen Politikerinnen und Politikern bzw. deren Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern sowie Beschäftigten von Stiftungen und Ministerial-
beamtinnen und -beamten in Deutschland der russische Auslandsgeheim-
dienst solche Kontakte unterhält,

d) wie sich die Anzahl solcher Kontakte bzw. Kontaktversuche in den letzten
zwölf Monaten entwickelt hat

(bitte soweit möglich, Kontakte im Deutschen Bundestag und in den Bundes-
ministerien separat hervorheben)?

6. Wie kommt der Verfassungsschutz an diese Zahlen?
7. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragesteller, dass eingestufte

Informationen generell niemals mit Unbefugten ausgetauscht werden dürfen,
also weder mit Angestellten der russischen Botschaft noch mit Angestellten
der US-Botschaft noch mit der eigenen Familie, und wenn ja, inwiefern sieht
sie dann in den behaupteten Kontaktversuchen der russischen Botschaft eine
zusätzliche Gefährdung?
Inwiefern richtet sich diesbezügliches Misstrauen im Prinzip weniger gegen
die Angestellten der russischen Botschaft als gegen „eigenes“, deutsches Per-
sonal, dem womöglich Geschwätzigkeit unterstellt wird?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/1364

8. Inwiefern trifft nach Kenntnis der Bundesregierung die Darstellung der
„WELT am SONNTAG“ zu, die russischen Botschaftsangestellten hätten
ihre deutschen Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner zum Essen
eingeladen?
a) Falls es zutrifft, wie hoch waren im Schnitt die Rechnungen?
b) Falls es zutrifft, dass Geschenke übergeben wurden, um welche Ge-

schenke handelte es sich dabei, und welchen Gegenwert hatten diese
(bitte möglichst vollständig angeben, soweit die Geschenke dem BfV be-
kannt geworden sind)?

c) Laden auch Vertreterinnen und Vertreter anderer Botschaften in
Deutschland ihre Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner gele-
gentlich zum Essen ein?

9. Inwiefern ist es nach Auffassung der Bundesregierung zutreffend, dass be-
reits ein bloßer konspirativer „Kontakt“ zu einem fremden Nachrichten-
dienst strafbewehrt ist, und inwiefern erfüllt die Annahme einer Einladung
zu einem Abendessen in einem Berliner Restaurant in diesem Zusammen-
hang einen Straftatbestand (bitte definieren, was die Bundesregierung unter
„konspirativ“ bzw. „konspirativem Kontakt“ versteht)?

10. Kommt es vor, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der deutschen Bot-
schaften und Konsulate im Ausland ausländische Politikerinnen und Politi-
ker oder deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu Gesprächen treffen?
a) Trifft dies auch für Russland zu?
b) Kommt es vor, dass diesen Gesprächspartnerinnen und Gesprächspart-

nern dabei auch ein Abendessen spendiert wird?
c) Ist der Bundesregierung bekannt, ob der russische Geheimdienst vor sol-

chen Kontakten zu Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der deutschen
Gesandtschaften warnt?

11. Wo liegt aus Sicht der Bundesregierung der prinzipielle Unterschied zwi-
schen Kontakten, die die deutsche Botschaft in Moskau zu russischen Poli-
tikerinnen und Politikern unterhält, und Kontakten, die die russische Bot-
schaft in Berlin zu deutschen Politikerinnen und Politikern unterhält, und
welche konkreten und belastbaren Hinweise hat sie hierzu?

12. Sind nach Kenntnis der Bundesregierung im Rahmen der angeblich intensi-
vierten russischen „Anwerbeversuche“ eingestufte Informationen an den
russischen Geheimdienst geflossen, und wenn ja, zu welchen Bereichen,
und welchen Geheimhaltungsgrad hatten diese Informationen?

Berlin, den 7. Mai 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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