BT-Drucksache 18/13585

Kontrolle unerwünschter Migration an der libyschen Südgrenze

Vom 15. September 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/13585
18. Wahlperiode 15.09.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken,
Christine Buchholz, Annette Groth, Heike Hänsel, Ulla Jelpke,
Dr. Alexander S. Neu, Kersten Steinke, Alexander Ulrich, Kathrin Vogler und
der Fraktion DIE LINKE.

Kontrolle unerwünschter Migration an der libyschen Südgrenze

In mehreren Vorhaben unterstützt die Bundesregierung derzeit Maßnahmen „zur
verbesserten Migrationssteuerung“ und zur „Reduzierung und Prävention irregu-
lärer Transitmigration in Richtung Libyen“ (Antwort der Bundesregierung auf die
Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 18/13487).
Für ein Projekt der nigrischen Regierung zur „Schleuserbekämpfung“ stellt das
Bundesministerium der Verteidigung Fahrzeuge und Ausrüstungsgegenstände
bereit. Ein Maßnahmenpaket in Höhe von 66 Millionen Euro soll zur Bekämp-
fung der Transitmigration in Niger beitragen. Auch in Mali werden Vorhaben zur
„Kooperation und Kapazitätsstärkung beim Grenzmanagement und dem Kampf
gegen Schleusungskriminalität“ unterstützt. Gelder fließen etwa zur „Verbesse-
rung von Identifizierung und Dokumentierung von irregulären Migranten“ durch
die malischen Behörden. Einige der Projekte werden im Rahmen der bestehenden
GSVP-Missionen (GSVP: Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik)
EUCAP Sahel Mali und EUCAP Sahel Niger umgesetzt. Mit 50 Millionen Euro
aus Mitteln der Friedensfazilität für Afrika unterstützt die Bundesregierung ein
Projekt der Europäischen Union zum Aufbau einer „gemeinsamen Einsatztruppe“
(„Force Conjointe“) der G5-Sahel-Staaten (Mali, Mauretanien, Burkina Faso, Ni-
ger, Tschad). Sie soll in der ersten Phase Grenzgebiete der beteiligten Länder um-
fassen und später auf weitere Gebiete der G5-Sahel-Staaten ausgeweitet werden.
Im ersten Jahr kostet die Truppe 423 Millionen Euro. Weitere Hilfe hierzu kommt
von den Missionen EUTM Mali, EUCAP Sahel Mali und EUCAP Sahel Niger.
Auch die libyschen „Grenzmanagementkapazitäten“ zur Eindämmung irregulärer
Migration sowie zur Bekämpfung der Schleusungskriminalität werden von
der Europäischen Union (EU) gestärkt (Bundestagsdrucksachen 18/13487,
18/13486). Unterstützt von der GSVP-Mission „EU Border Assistance Mission
in Libya“ (EUBAM Libyen) hat die libysche Einheitsregierung ein „nationales
Koordinierungsgremium für Sicherheit und Grenzmanagement“ eingerichtet. Un-
ter anderem soll die Mission im Bereich der Strafverfolgung „zu einer klareren
Aufgabenteilung zwischen Küstenpolizei und Küstenwache“ beitragen. EUBAM
Libyen arbeitet außerdem an der Schaffung einer „Arbeitsgruppe zum Thema
Grenzmanagement an der libyschen Südgrenze“. Ihr sollen die „relevanten Ak-
teure der libyschen Einheitsregierung“ angehören. Auch die Bundespolizei ist an
EUBAM Libyen beteiligt. Zudem engagiert sich die Bundesregierung mit ihrer
Beteiligung am EU-Nothilfefonds für Afrika, der am 28. Juli 2017 ein Programm
über 46 Millionen Euro zur „Stärkung der integrierten Migrations- und Grenzma-
nagementfähigkeiten Libyens“ angenommen hat. Wesentlicher Bestandteil der

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Anstrengungen ist ein gemeinsames Projekt der Europäischen Kommission und
Italiens zur „Unterstützung des Integrierten Grenz- und Migrationsmanagements
in Libyen“, das über den entwicklungspolitischen Nothilfefonds für Afrika
(EUTF) finanziert wird (Antwort auf Bundestagsdrucksache 18/13486). Inhalte
sind der „Kapazitätsaufbau an den libyschen Seegrenzen durch Ausbildungsmaß-
nahmen, die Instandsetzung vorhandener Schiffe sowie die Unterstützung mit
Kommunikation- und Rettungsausstattung, Schlauchbooten und Fahrzeugen; der
Aufbau libyscher Schiffsinstandsetztangskapazitäten; der Aufbau von nationalen
Lage- und Koordinierungszentren inklusive einer Seenotrettungsleitstelle (Mari-
time Rescue Coordination Centre, MRCC) und der Unterstützung bei der Einrich-
tung eines libyschen Such- und Rettungsbereiches (Search and Rescue-
Zone/SAR-Zone)“. Ebenfalls gefördert wird eine „Pilotaktivität“ an der libyschen
Südgrenze, deren genaue Ausgestaltung nach einer noch durchzuführenden Er-
kundungsmission vor Ort festgelegt werden soll. Die technische Abstimmung soll
im September 2017 abgeschlossen und anschließend die Umsetzung begonnen
werden.
Unterstützt von der Bundesregierung hat der Hohe Flüchtlingskommissar der
Vereinten Nationen (UNHCR) mit der Regierung des Niger einen „Nottransfer-
mechanismus“ vereinbart, wonach als „besonders schutzbedürftig erkannte Mi-
granten“ aus Libyen nach Niger ausgeflogen werden können (Antwort auf Bun-
destagsdrucksache 18/13486). Dort soll ihr „Schutzbedarf“ überprüft werden, an-
schließend könnten die Personen in Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf-
genommen werden. Die Bundeskanzlerin hat dem UNHCR und der Internationa-
len Organisation für Migration (IOM) hierfür bis zu 50 Millionen Euro für den
Aufbau einer „humanitären Infrastruktur“ in Libyen in Aussicht gestellt. Schon
jetzt finanziert das Auswärtige Amt über den EU Emergency Trust Fund ein
IOM-Regionalvorhaben zu Migrationsmanagement und freiwilliger Rückkehr
unter anderem aus Libyen mit 48 Millionen Euro.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Maßnahmen wurden auf dem „Migrationsgipfel“ Deutschlands,

Frankreichs, Spaniens und Italiens zur Verhinderung unerwünschter Migra-
tion am 28. August 2017 in Paris beschlossen (Guardian vom 28. August,
„African and European leaders agree action plan on migration crisis”)?
a) Auf welche Weise will Deutschland die Unterbringung und Versorgung

von Geflüchteten in Libyen ausweiten?
b) Welche weiteren nationalen Einzelmaßnahmen haben welche der übrigen

beteiligten Regierungen zur Umsetzung der Gipfelerklärung angekündigt,
und welche dieser Maßnahmen sollen im europäischen Rahmen erfolgen?

2. Welche „humanitäre Infrastruktur“ fördert die Bundesregierung durch zu-
sätzlich bereitgestellte Mittel für den UNHCR und die IOM in Libyen?

3. In welchen Städten befinden sich nach Kenntnis der Bundesregierung die
teilweise von Milizen geführten Lager und Gefängnisse für Geflüchtete in
Libyen (www.stern.de vom 10. September 2017, „Die Beute der Menschen-
händler“)?

4. Welche Gelder der Europäischen Union werden nach Kenntnis der Bundes-
regierung zur Schaffung oder Unterstützung einer „gemeinsamen Einsatz-
truppe“ („Force Conjointe“) der G5-Sahel-Staaten verausgabt (bitte nach den
Finanzinstrumenten European Development Fund, EU Emergency Trust
Fund, Instrument für Stabilität und Frieden, Friedensfazilität aufschlüsseln)?

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5. Auf welche Weise wird die „gemeinsame Einsatztruppe“ der G5-Sahel-Staa-
ten nach Kenntnis der Bundesregierung von den EU-Missionen EUTM Mali,
EUCAP Sahel Mali und EUCAP Sahel Niger unterstützt, und welche zivilen
oder militärischen Maßnahmen sollen hierzu stattfinden?
a) In welchen Grenzgebieten soll die „gemeinsame Einsatztruppe“ zunächst

operieren, und welche Erweiterungen des Mandatsgebietes stehen zur
Diskussion?

b) Wo sollen die Hauptquartiere der Truppe angesiedelt werden?
c) Inwiefern soll die militärische Truppe auch eine Polizeikomponente er-

halten, und welche Aufgaben sollen diese übernehmen?
6. Welche aktuellen Ergebnisse oder Zwischenergebnisse kann die Bundesre-

gierung zu den Abstimmungen zum Aufbau eines „Sahel Security College“
mitteilen, das auf einer bilateralen Initiative Deutschlands und Frankreichs
basiert und unter umfassender Koordinierung mit anderen Aktivitäten vor
Ort verfolgt werden soll?

7. Welche von der Bundesregierung zusammen mit Frankreich bereitgestellten
„Experten“ sollen die G5-Sahel-Staaten bei der Bekämpfung von Schleu-
sungskriminalität und Menschenhandel unterstützen?

8. Mit welchen weiteren Maßnahmen außer der Schenkung von Fahrzeugen
und Ausrüstung unterstützt die Bundesregierung derzeit Projekte „Schleu-
serbekämpfung sowie der Schaffung von Erwerbsälternativen zum Migrati-
onsgeschäft“ in Niger?

9. Welche Vorhaben werden nach Kenntnis der Bundesregierung in dem Maß-
nahmenpaket in Höhe von 66 Millionen Euro zur Bekämpfung der Transit-
migration in Niger unterstützt?

10. Welche weiteren Details sind der Bundesregierung zu dem über den EU-
Nothilfefonds für Afrika geförderten gemeinsamen Projekt der Europäischen
Kommission und Italiens zur „Unterstützung des Integrierten Grenz- und
Migrationsmanagements in Libyen“ (Antwort auf Bundestagsdrucksache
18/13486, Frage 1) in den Bereichen
a) „Kapazitätsaufbau an den libyschen Seegrenzen durch Ausbildungsmaß-

nahmen“,
b) „Instandsetzung vorhandener Schiffe sowie die Unterstützung mit Kom-

munikation- und Rettungsausstattung, Schlauchbooten und Fahrzeugen“,
c) „Aufbau libyscher Schiffsinstandsetzungskapazitäten“,
d) „Aufbau von nationalen Lage- und Koordinierungszentren inklusive einer

Seenotrettungsleitstelle“,
e) „Unterstützung bei der Einrichtung eines libyschen Such- und Rettungs-

bereiches“ bekannt?
11. Worum handelt es sich nach Kenntnis der Bundesregierung bei der ebenfalls

über den EU-Nothilfefonds für Afrika unterstützen „Pilotaktivität“ an der li-
byschen Südgrenze (Antwort auf Bundestagsdrucksache 18/13486, Frage 1),
deren genaue Ausgestaltung nach einer noch durchzuführenden Erkundungs-
mission vor Ort festgelegt werden und mit deren Umsetzung nach Ende einer
technischen Abstimmung im September 2017 begonnen werden soll?

12. Auf welche Weise soll die „Pilotaktivität“ an der libyschen Südgrenze nach
Kenntnis der Bundesregierung auch mit der geplanten neuen Eingreiftruppe
der G5-Sahel-Staaten kooperieren?

Drucksache 18/13585 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

13. Welche weiteren Einzelmaßnahmen werden nach Kenntnis der Bundesregie-

rung in über den EU-Nothilfefonds für Afrika, der am 28. Juli 2017 ein Pro-
gramm über 46 Millionen Euro zur „Stärkung der integrierten Migrations-
und Grenzmanagementfähigkeiten Libyens“ angenommen hat, gefördert
(Antwort auf Bundestagsdrucksache 18/13487, Frage 6a)?

14. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, ob und in welchem Umfang
die Migration über die zentrale Mittelmeerroute im Sommer 2017 abgenom-
men hat, und welche Gründe kennt sie dafür?

15. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, von wem die Schleuser Geld
erhielten, um die Abfahrten von Booten im Sommer 2017 zu reduzieren, wie
es Medienberichten zufolge über den italienischen Geheimdienst berichtet
wird (www.stern.de vom 10. September 2017, „Die Beute der Menschen-
händler“)?

16. Wo sind nach Kenntnis der Bundesregierung die vier Patrouillenboote stati-
oniert, die von Italien an Libyen zurückgegeben und deren Besatzungen zu-
vor in Italien ausgebildet wurden?

17. Welche Trainings für die libysche Küstenwache finden nach Kenntnis der
Bundesregierung derzeit im Rahmen von EUNAVFOR MED statt, wer führt
diese durch, und welche weiteren Trainings sind geplant?

18. Zu welchen Anlässen hat das Pilotprojekt „Luftgestützte Seeüberwachung“
der Europäischen Grenzagentur und der europäischen Agentur für Fischerei-
aufsicht (EFCA) über das „Frontex Situation Center“ in Warschau Aufklä-
rungsergebnisse auch für Einsätze im Bereich der Operationen TRITON und
EUNAVFOR MED übermittelt?

19. Mit welchen Maßnahmen unterstützt die „EU Border Assistance Mission in
Libya“ (EUBAM Libyen) nach Kenntnis der Bundesregierung das „nationale
Koordinierungsgremium für Sicherheit und Grenzmanagement“ der liby-
schen Einheitsregierung?
a) Auf welche Weise könnte die Mission im Bereich der Strafverfolgung „zu

einer klareren Aufgabenteilung zwischen Küstenpolizei und Küstenwa-
che“ beitragen?

b) Wann könnte die Einrichtung einer „leichten Präsenz“ von EUBAM
Libyen in Tripolis aus Sicht der Bundesregierung erfolgen, bzw. wann
könnten die Vertragsverhandlungen über geeignete Liegenschaften und
„eventuelle sicherheitsbedingte Anpassungen“ abgeschlossen werden
(Antwort auf Bundestagsdrucksache 18/13486, Frage 15)?

20. Worum handelt es sich nach Kenntnis der Bundesregierung bei der von
EUBAM Libyen eingerichteten „Arbeitsgruppe zum Thema Grenzmanage-
ment an der libyschen Südgrenze“ (Antwort auf Bundestagsdrucksache
18/13486, Frage 15), und welche „relevanten Akteure der libyschen Ein-
heitsregierung“ gehören ihr an?

21. Inwiefern hat der „Nottransfermechanismus“, den der UNHCR mit Niger für
als in Libyen als „besonders schutzbedürftig erkannte Migranten“ vereinbart
hat (Antwort auf Bundestagsdrucksache 18/13486), nach Kenntnis der Bun-
desregierung bereits begonnen, bzw. wann soll dies erfolgen?

22. Wohin werden die Personen im Rahmen des „Nottransfermechanismus“
nach Niger ausgeflogen, und wo werden diese dort untergebracht?

23. Welche Maßnahmen des IOM-Regionalvorhabens zu Migrationsmanage-
ment und freiwilliger Rückkehr unter anderem des Auswärtigen Amts wer-
den über den EU Emergency Trust Fund gefördert?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/13585

24. Was ergab die Prüfung des „wichtigste[n] Bedarf[s] an Ausrüstung und In-

standhaltungsmaßnahmen in Zusammenarbeit mit den libyschen Behörden“,
den die Europäische Kommission und der Europäische Auswärtige Dienst,
deren Bewertung der aktuellen Prioritäten der Bundesregierung zufolge
„kurz vor dem Abschluss“ steht (Antwort auf Bundestagsdrucksache
18/13486, Frage 20)?

Berlin, den 12. September 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
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