BT-Drucksache 18/13464

Auswirkungen des Nicaraguan Investment Conditionality Act ("Nica Act") der USA

Vom 28. August 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/13464
18. Wahlperiode 28.08.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Heike Hänsel, Sevim Dağdelen, Annette Groth, Inge Höger,
Andrej Hunko, Niema Movassat, Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE.

Auswirkungen des Nicaraguan Investment Conditionality Act („Nica Act“) der USA

Im Abgeordnetenhaus der USA ist Ende Juli dieses Jahres der Nicaraguan In-
vestment Conditionality Act (www.congress.gov/bill/115th-congress/house-bill/
1918/all-actions-without-amendments) verabschiedet worden, eine Gesetzinitia-
tive, die darauf abzielt, die US-Regierung bis auf weiteres zum Veto gegen inter-
nationale Finanzhilfen für das mittelamerikanische Nicaragua zu verpflichten.
Der „Nica Act“, wie der Gesetzentwurf gemeinhin genannt wird, geht auf eine
Initiative der Abgeordneten der Republikanischen Partei, Ileana Ros-Lehtinen,
und ihres Parlamentskollegen von den Demokraten, Albio Sires, zurück (https://
twitter.com/RosLehtinen/status/890623418688778240/photo/1). Erstmals wurde
die Gesetzesinitiative im September 2016 in das US-Abgeordnetenhaus einge-
bracht (www.congress.gov/bill/114th-congress/house-bill/5708/text), musste nach
der Präsidentschaftswahl Anfang April 2017 jedoch neu aufgelegt werden. Damit
der „Nica Act“ Rechtskraft erlangt, muss er beide Kammern des US-Senats
durchlaufen.
Nach Angaben lateinamerikanischer Medien sind der Einbringung des Gesetzent-
wurfs Treffen zwischen Ileana Ros-Lehtinen und Vertretern der oppositionellen
Parteien Movimiento Renovador Sandinista (MRS) und Movimiento por Nicara-
gua (MpN) vorangegangen (www.resumenlatinoamericano.org/2016/11/03/
elecciones-de-nicaragua-3-3-los-renovados-sandinistas-proyankies-del-mrs-quieren-
que-la-oea-aplique-la-carta-democratica-contra-el-gobierno-sandinista/). Begrün-
det wird der Gesetzentwurf unter anderem mit Kritik am Ablauf der Präsident-
schaftswahl im November 2016, aus der der bisherige Amtsinhaber Daniel Ortega
erneut als Sieger hervorging. Nicht beachtet wird dabei, dass selbst die US-nahe
Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) die Vorwürfe einer Beeinflussung
der Wahlen nicht bestätigte (www.oas.org/en/media_center/press_release.asp?s
Codigo=E-111/16, www.oas.org/documents/spa/press/NICARAGUA-OEA.pdf),
mit Wahlbeobachtern präsent war (http://wtop.com/latin-america/2016/10/
nicaragua-to-accept-oas-election-observers/) und auf einen Dialog mit den ver-
schiedenen politischen Kräften setzt.
Der „Nica Act“ baut im politischen Konflikt zwischen Washington und Managua
nach Ansicht der fragestellenden Fraktion eine erhebliche Drohkulisse auf. Bei
einer Verabschiedung durch den US-Kongress wären die Konsequenzen für das
mittelamerikanische Land nicht in Gänze abzusehen. Dies gilt vor allem angesichts
des Umstandes, dass die Regierung des US-Präsidenten Donald Trump die bilateralen
Finanzhilfen für Nicaragua ohnehin massiv abbauen will, von rund 10 Mio. US-
Dollar im Vorjahr auf 200 000 US-Dollar (www.laprensa.com.ni/2017/05/23/
internacionales/2234389-presupuesto-trump-recorta-ayuda-latinoamerica). Der

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Direktor der Nicaraguanischen Stiftung für wirtschaftliche und soziale Entwick-
lung (FUNIDES), Juan Sebastián Chamorro Garcia, prognostiziert im Falle des
Inkrafttretens des „Nica Act“ schwere Probleme für das Programm öffentlicher
Investitionen in Nicaragua. Weltbank und Inter-Amerikanische Entwicklungs-
bank (BID) hätten in den vergangenen zehn Jahren im Schnitt ein Viertel der öf-
fentlichen Investitionen finanziert (www.laprensa.com.ni/2016/09/25/economia/
2105883-funides-advierte-nica-act-danaria-inversiones). Wirtschaftsexperten ge-
hen daher davon aus, dass eine Blockade anderweitiger Zahlungen und/oder Kre-
dite an Nicaragua massive soziale Probleme mit sich bringen würde. Angesichts
dieser finanzpolitischen Auswirkungen hat die Regierung des Präsidenten Daniel
Ortega rechtliche Schritte angekündigt (www.nodal.am/2017/07/nicaragua-
reclama-indemnizacion-multimillonaria-eeuu-iniciativa-ley-nica-act-injerencia-
imperial/), um Entschädigungszahlungen einzufordern, zu denen die USA im Jahr
1986 durch ein Urteil des Internationalen Gerichtshofs aufgrund der Folgen des
von den USA unterstützen Contra-Krieges zwischen 1981 und 1990 verurteilt
wurden. Die US-Regierungen haben sich seither geweigert, die Entschädigungs-
zahlung in Höhe von ursprünglich 2,4 Mrd. US-Dollar zu begleichen.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie bewertet die Bundesregierung den Nicaraguan Investment Conditiona-

lity Act vor dem Hintergrund des Völkerrechtes?
2. Welche Auswirkungen erwartet die Bundesregierung für die Bundesrepublik

Deutschland durch den geplanten „Nica Act“ der USA angesichts des Um-
standes, dass Sec. 4a „den Gebrauch von Stimmrechten und Einfluss der Ver-
einigten Staaten“ mit dem Ziel vorsieht, „jedweden Kredit zugunsten der Re-
gierung von Nicaragua“ zu unterbinden?

3. Wie hat sich die Bundesregierung auf eine mögliche Verabschiedung dieses
Gesetzentwurfs durch den US-Kongress vorbereitet?

4. Wie hoch beziffert die Bundesregierung etwaige Mehrbelastungen für
Deutschland im Falle einer Verabschiedung des „Nica Act“ in den USA und
einer daraus folgenden Budget- und Wirtschaftskrise in Nicaragua?

5. Hat die Bundesregierung die etwaige Verabschiedung des „Nica Act“ in bi-
lateralen Gesprächen mit den USA, Nicaragua, anderen Staaten oder Orga-
nisationen – auch Finanzinstitutionen – thematisiert, und falls ja, mit wel-
chem Ziel?
Falls nein, weshalb nicht?

6. Welche bilateralen Programme mit Nicaragua führt die Bundesregierung
derzeit durch, welche entwicklungspolitischen Vorhaben sind geplant, und
sieht die Bundesregierung diese durch den „Nica Act“ gefährdet?

7. Welche Finanzhilfen und/oder Kredite gewährt die Bundesregierung Nicara-
gua, welche entsprechenden Hilfen oder Kredite sind geplant, und sieht die
Bundesregierung diese durch den „Nica Act“ gefährdet?

8. Gewährt die Bundesregierung im Fall von Nicaragua Exportbürgschaften,
und wären diese im Fall der Verabschiedung des „Nica Act“ betroffen?

9. Welche Auswirkungen hätte eine Verabschiedung des „Nica Act“ der USA
nach Einschätzung der Bundesregierung auf die Beteiligung Nicaraguas im
Rahmen des Kooperationsabkommens zwischen der EU und Zentralame-
rika?

10. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung der Organisation Amerikani-
scher Staaten, nach der bei den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen
2016 in Nicaragua „das Recht auf (politische) Repräsentation in den (recht-
lichen) Normen vorgesehen und von der Verfassung garantiert“ war?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/13464

11. Hat der Europäische Auswärtige Dienst nach Kenntnis der Bundesregierung

Störungen am Tag der Parlaments- und Präsidentschaftswahlen konstatiert?
12. Hat die Bundesregierung über die Einschätzung der OAS hinaus eigene Er-

kenntnisse über eine angebliche Beeinflussung der genannten Wahlgänge,
und hat die nicaraguanische Opposition ihrer Meinung nach belastbare An-
gaben für ihre Kritik an den Wahlen vorgelegt?

13. Wie beurteilt der Botschafter der Europäischen Union in Managua nach
Kenntnis der Bundesregierung die jüngste Entwicklung in Nicaragua vor
dem Hintergrund der im „Nica Act“ formulierten schweren Vorwürfe?

14. Ist die Bundesregierung bereit, die Entschädigungsforderungen Nicaraguas
an die USA zu unterstützen, auch eingedenk des Umstandes, dass der von
den USA unterstützte Contra-Krieg westdeutsche Opfer gefordert hat, unter
ihnen die Entwicklungshelfer Berndt Koberstein (1956-1986) und Albrecht
Pflaum (1947-1983) (www.badische-zeitung.de/freiburg/vor-25-jahren-wurde-
berndt-koberstein-in-nicaragua-ermordet--47965659.html)?

Berlin, den 28. August 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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