BT-Drucksache 18/13462

Möglicher Verlust des Wahlrechts bei Auslandsdeutschen

Vom 25. August 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/13462
18. Wahlperiode 25.08.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Christine Buchholz, Inge Höger, Andrej Hunko,
Jan Korte, Niema Movassat, Dr. Alexander S. Neu, Kathrin Vogler,
Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Möglicher Verlust des Wahlrechts bei Auslandsdeutschen

Aufgrund der Wahlrechtsreform von April 2013 verlieren deutsche Staatsange-
hörige ohne ständigen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland (sog. Aus-
landsdeutsche), die seit 25 Jahren im Ausland leben, unter bestimmten Umstän-
den zeitweilig das Recht zur Teilnahme an der Bundestagswahl. Die Betroffenen
können sich nicht mehr automatisch ins Wählerregister eintragen lassen, sondern
müssen entweder nachweisen, dass sie nach Vollendung ihres 14. Lebensjahres
während der vergangenen 25 Jahre mindestens drei Monate ununterbrochen in
der Bundesrepublik Deutschland gelebt haben oder gegenüber der zentralen
Wahlkommission den Nachweis ihrer persönlichen und unmittelbaren Vertraut-
heit mit den politischen Verhältnissen in der Bundesrepublik Deutschland erbrin-
gen und darlegen, warum sie davon betroffen sind (www.bundeswahllei-
ter.de/bundestagswahlen/2017/informationen-waehler/deutsche-im-ausland.html
#7ed10b51-a31b-4cf9-8814-f9074e4e9346). Dieses Verfahren wird von Be-
troffenen nicht nur als „übermäßig bürokratisch und unpraktikabel“ kritisiert,
sondern auch als entwürdigender „Wahleignungstest“ empfunden, den man be-
stehen müsse, um sein Wahlrecht wahrzunehmen (https://mallorcamagazin.com/
nachrichten/politik/2013/09/03/38577/kein-wahlrecht-der-heimat.html).
Wie ein Beitrag des ARD-Magazins „Monitor“ am 27. Juli 2017 verdeutlichte,
führt diese Regelung zum Ausschluss von seit langem im Ausland lebenden Deut-
schen vom politischen Leben, da diese in der Regel auch kein Wahlrecht im je-
weiligen Aufenthaltsstaat erhalten, wenn sie nicht bereit sind, dort für eine Ein-
bürgerung die deutsche Staatsangehörigkeit abzugeben (www1.wdr.de/daserste/
monitor/videos/video-verkehrte-welt-deutsche-ohne-wahlrecht-100.html).
Suggeriert wird durch diese Regelung im Wahlrecht nach Ansicht der Fragestel-
lerinnen und Fragesteller fälschlich, dass lange im Ausland lebende Deutsche
kein Interesse an deutscher Politik mehr aufbringen. Umgekehrt müsste aus dieser
Logik heraus nach Ansicht der Fragesteller in Deutschland lebenden Ausländern
auch ohne deutsche Staatsbürgerschaft das Recht zur Teilnahme an der Bundes-
tagswahl zugebilligt werden, was bislang nicht der Fall ist.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie viele Auslandsdeutsche, deren Wohnsitz sich seit mindestens 25 Jahren

im Ausland befindet, gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung (bitte nach
Staaten, in denen sich der Wohnsitz befindet, aufschlüsseln)?

Drucksache 18/13462 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
2. Wie hoch war nach Kenntnis der Bundesregierung die Wahlbeteiligung von
Auslandsdeutschen an der Bundestagswahl 2013 (in absoluten Zahlen sowie
prozentual auf die Zahl der Auslandsdeutschen bezogen)?

3. Wie viele seit mindestens 25 Jahren im Ausland lebende Auslandsdeutsche
haben zur Bundestagswahl 2013 eine Eintragung ins Wählerregister bean-
tragt?
a) Wie viele von ihnen wiesen nach, dass sie während der letzten 25 Jahre

mindestens drei Monate am Stück in der Bundesrepublik Deutschland ge-
lebt haben?

b) Wie viele von ihnen wiesen nach, dass sie persönlich und unmittelbar
Vertrautheit mit den politischen Verhältnissen in der Bundesrepublik
Deutschland erworben haben und von ihnen betroffen sind?

c) In wie vielen und welchen Fällen und aus welchen Gründen wurden An-
träge von seit mindestens 25 Jahren im Ausland lebenden Auslandsdeut-
schen auf eine Eintragung ins Wählerverzeichnis verweigert?

4. Wie viele Personen sind nach Kenntnis der Bundesregierung schätzungs-
weise bei der Bundestagswahl 2017 von der Regelung betroffen, dass sie
nicht mehr automatisch ins Wählerregister eingetragen werden, weil sie seit
25 oder mehr Jahren im Ausland leben?

5. Sollte die Bundesregierung keine gegebenenfalls auch nur geschätzten Zah-
len darüber haben, wie viele Personen von dieser Regelung bei den Bundes-
tagswahlen 2013 und 2017 betroffen waren und sind, für wie zulässig erach-
tet sie dann eine Regelung, deren Konsequenzen sie nicht kennt?

6. Wie genau können im Ausland lebende Auslandsdeutsche nach Auffassung
der Bundesregierung gegenüber der zentralen Wahlkommission nachweisen,
dass sie während der letzten 25 Jahre mindestens drei Monate durchgängig
in der Bundesrepublik Deutschland gelebt haben?
Anhand welcher und von wem und wo festgelegter Nachweise wie Passstem-
pel oder Zeugenaussagen von in Deutschland lebenden Personen kann dieser
Nachweis erbracht werden?

7. Wie genau können seit mindestens 25 Jahren im Ausland lebende Auslands-
deutsche nach Auffassung der Bundesregierung gegenüber der zentralen
Wahlkommission nachweisen, dass sie „persönlich und unmittelbar Ver-
trautheit mit den politischen Verhältnissen in der Bundesrepublik Deutsch-
land erworben haben und von ihnen betroffen sind“ (www.bundeswahlleiter.
de/bundestagswahlen/2017/informationen-waehler/deutsche-im-ausland.html
#7ed10b51-a31b-4cf9-8814-f9074e4e9346)?
Wer überprüft anhand welcher und von wem und wo festgelegter Kriterien
die geforderte „Vertrautheit mit den politischen Verhältnissen“ und die per-
sönliche Betroffenheit des Antragstellers von diesen Verhältnissen?

8. Inwieweit hat sich nach Ansicht der Bundesregierung die 2013 eingeführte
Regelung, wonach Auslandsdeutsche, die mindestens 25 Jahre im Ausland
gelebt haben, nicht mehr automatisch in das Wählerverzeichnis eingetragen
werden, bewährt?
Welchen Überarbeitungsbedarf sieht die Bundesregierung hier gegebenen-
falls?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/13462
9. Inwieweit ist sich die Bundesregierung der Problematik bewusst, dass auf-
grund der 2013 eingeführten Regelung, wonach Auslandsdeutsche, die min-
destens 25 Jahre im Ausland gelebt haben, nicht mehr automatisch in das
Wählerverzeichnis eingetragen werden, vom politischen Leben (weitgehend)
ausgeschlossen werden, da sie in der Regel im jeweiligen Aufenthaltsland
auch kein Wahlrecht zum Parlament besitzen?

10. Inwieweit hält die Bundesregierung es grundsätzlich für zumutbar, dass sich
25 und mehr Jahre im Ausland lebende Auslandsdeutsche für mindestens
drei Monate am Stück in Deutschland aufhalten, um ihr Wahlrecht zu behal-
ten?

11. Welchen grundsätzlichen Sinn und Zweck erfüllt nach Kenntnis der Bundes-
regierung die Regelung, dass Auslandsdeutsche, die mindestens 25 Jahre im
Ausland gelebt haben, nicht mehr automatisch in das Wählerverzeichnis ein-
getragen werden?

12. Inwieweit gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung in welchen anderen
EU-Staaten eine mit der deutschen Regelung vergleichbare Regelung, wo-
nach langjährig im Ausland lebende Bürgerinnen und Bürger ihr Wahlrecht
verlieren oder nicht mehr automatisch in Wählerregister eingetragen werden,
wenn sie nicht einen mehrmonatigen Aufenthalt im Herkunftsland oder eine
Vertrautheit mit und Betroffenheit von den politischen Verhältnissen in ih-
rem Herkunftsland nachweisen können?

13. Welche in Form von Medienberichten, Briefen, Petitionen etc. geäußerten
Klagen, Beschwerden und Proteste von Betroffenen gegen die Regelung,
dass Auslandsdeutsche, die mindestens 25 Jahre im Ausland gelebt haben,
ihr Wahlrecht zum Deutschen Bundestag verlieren bzw. nicht mehr automa-
tisch in das Wählerverzeichnis eingetragen werden, sind der Bundesregie-
rung bekannt, und wie hat sie jeweils darauf reagiert?

14. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass alle in Deutschland lebenden
Wahlberechtigten persönlich und unmittelbar Vertrautheit mit den politi-
schen Verhältnissen in der Bundesrepublik Deutschland erworben haben?
a) Wenn nein, inwieweit befürwortet sie es, dass in Deutschland lebende

Wahlberechtigte ebenfalls nachweisen, dass sie eine solche Vertrautheit
mit den politischen Verhältnissen in der Bundesrepublik Deutschland er-
worben haben oder andernfalls nicht mehr automatisch in das Wählerver-
zeichnis eingetragen werden?

b) Wie begründet die Bundesregierung gegebenenfalls eine unterschiedliche
Behandlung von in Deutschland lebenden Wahlberechtigten, die keine
persönliche und unmittelbare Vertrautheit mit den politischen Verhältnis-
sen in der Bundesrepublik Deutschland erworben haben, und solchen, die
im Ausland leben?

c) Inwieweit befürwortet die Bundesregierung ein Wahlrecht von in
Deutschland lebenden Ausländern zur Bundestagswahl, wenn diese nach-
weisen können, dass sie persönlich und unmittelbar Vertrautheit mit den
politischen Verhältnissen in der Bundesrepublik Deutschland erworben
haben und von ihnen betroffen sind?

Berlin, den 25. August 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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