BT-Drucksache 18/13389

Fortentwicklung der europäischen CO2-Gesetzgebung für Personenkraftwagen

Vom 21. August 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/13389
18. Wahlperiode 21.08.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Stephan Kühn (Dresden), Oliver Krischer, Cem Özdemir,
Dr. Valerie Wilms, Annalena Baerbock, Matthias Gastel, Sylvia Kotting-Uhl,
Christian Kühn (Tübingen) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Fortentwicklung der europäischen CO2-Gesetzgebung für Personenkraftwagen

Um die CO2-Emissionen bei Neuwagen zu reduzieren, wurden auf europäischer
Ebene flottenspezifische Grenzwerte festgelegt. Mit der geänderten Verordnung
(EG) Nr. 443/2009 soll der durchschnittliche CO2-Ausstoß aller Neuwagen bis
zum Jahr 2021 auf 95 g/km gesenkt werden. Aufgrund unterschiedlicher Fahr-
zeugportfolios wurde das Ziel auf Grundlage der durchschnittlichen Fahrzeugge-
wichte der Herstellerflotten in herstellerspezifische Teilziele übertragen.
Derzeit wird davon ausgegangen, dass die Europäische Kommission im Herbst
2017 einen Vorschlag unterbreiten wird, wie diese CO2-Gesetzgebung fortge-
schrieben werden kann. Nicht nur ist es nach Ansicht der Fragesteller nötig, auch
in Zukunft Grenzwerte festzulegen, die ab bestimmten Jahren eingehalten werden
müssen. Auch sollte die Reform genutzt werden, um verschiedene Abschwächun-
gen und Ausnahmeregelungen abzuschaffen und realistischere Messmethoden zu
etablieren.
So hat beispielsweise die Regelung des „Phasing-In“ dafür gesorgt, dass in aus-
gewählten Jahren nur ein bestimmter Anteil der Neuwagenflotte für die Zielerrei-
chung berücksichtigt werden muss. Die Mehrfachanrechnung von emissionsar-
men Fahrzeugen, die Berücksichtigung sogenannter Ökoinnovationen (z. B. spar-
same Beleuchtungssysteme) und Ausnahmen für kleinere Hersteller schwächen
das Instrument weiter. Auch die unzureichenden Verbrauchstests auf dem Rol-
lenprüfstand haben dafür gesorgt, dass die Diskrepanz zwischen den im Labor
und in der Realität gemessenen CO2-Emissionswerten in den vergangenen Jahren
deutlich zugenommen hat (vgl. www.theicct.org/sites/default/files/FactSheet_
FromLabToRoad_ICCT_2016_DE.pdf). Die geringe Realitätsnähe der gemesse-
nen CO2-Emissionswerte, die der Zielerreichung zugrunde liegen, vermindert so-
mit ebenfalls die Wirksamkeit der CO2-Regulierung.
Es ist fraglich, welche Position die Bundesregierung zu den bisherigen Regelun-
gen und möglichen Änderungen einnimmt. Eine Positionierung ist für die Teil-
nahme an den Verhandlungen über die Überarbeitung der Gesetzgebung jedoch
notwendig.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wann wird die Europäische Kommission nach Kenntnis der Bundesregie-

rung Vorschläge für die Fortentwicklung der europäischen CO2-Gesetzge-
bung für Personenkraftwagen vorlegen?

Drucksache 18/13389 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
2. Welche Gespräche mit Vertretern der Europäischen Kommission zur Fort-
entwicklung der europäischen CO2-Gesetzgebung für Personenkraftwagen
hat die Bundesregierung seit Jahresbeginn geführt?
Welche Vertreter der Bundesregierung haben an diesen Gesprächen jeweils
teilgenommen, und welche Ziele, Maßnahmen und weiteren Möglichkeiten
zur Fortentwicklung der CO2-Gesetzgebung für Personenkraftwagen wurden
dabei erörtert?

3. Welche Gespräche mit Industrie- und Branchenverbandsvertretern zur Fort-
entwicklung der europäischen CO2-Gesetzgebung für Personenkraftwagen
hat die Bundesregierung seit Jahresbeginn geführt?
Welche Vertreter der Bundesregierung und welche Industrie- und Branchen-
verbandsvertreter haben an diesen Gesprächen jeweils teilgenommen, und
welche Ziele, Maßnahmen und weiteren Möglichkeiten zur Fortentwicklung
der CO2-Gesetzgebung für Personenkraftwagen wurden dabei an die Bun-
desregierung herangetragen?

4. Inwiefern hält die Bundesregierung das bestehende System der CO2-Flotten-
grenzwerte mitsamt den darin enthaltenen Grenzwerten und Zieljahren für
angemessen und zielführend, um die CO2-Emissionen im Pkw-Segment im
realen Fahrbetrieb auf der Straße und nicht nur auf dem Prüfstand zu senken?

5. Befürwortet die Bundesregierung, das bestehende System der CO2-Flotten-
grenzwerte auch künftig beizubehalten und durch Grenzwerte für den Zeit-
raum nach 2020/2021 fortzuschreiben?
Wenn nein, warum nicht, und für welches System setzt sich die Bundesre-
gierung stattdessen ein?

6. Befürwortet die Bundesregierung, dass sowohl für das Jahr 2025 als auch für
das Jahr 2030 neue CO2-Flottengrenzwerte festgesetzt werden?
Wenn ja, für welche CO2-Flottengrenzwerte spricht sich die Bundesregie-
rung in Bezug auf die Jahre 2025 und 2030 jeweils aus?
Wenn nein, warum nicht, und für welche Jahre sollen nach Ansicht der Bun-
desregierung Grenzwerte in welcher Höhe festgesetzt werden (bitte die Fest-
legung der Jahreszahlen und die Höhe der Grenzwerte begründen)?

7. Inwiefern hält die Bundesregierung die bestehenden Regelungen zum „Pha-
sing-in“ für die Jahre 2020 und 2021 für angemessen und zielführend, um
die CO2-Emissionen im Pkw-Segment zu senken?

8. Befürwortet die Bundesregierung, dass die künftigen Zielvorgaben zu jedem
Zeitpunkt für die gesamte Neuwagenflotte gelten und insbesondere ein „Pha-
sing-in“ vermieden wird?
Wenn nein, warum nicht, und welche Vorgaben für das „Phasing-in“ soll es
nach Ansicht der Bundesregierung künftig geben?

9. Inwiefern hält die Bundesregierung den bislang geltenden Gewichtungsfak-
tor in Bezug auf das durchschnittliche Fahrzeuggewicht der Herstellerflotten
für angemessen und zielführend, um die CO2-Emissionen im Pkw-Segment
zu senken?

10. Befürwortet die Bundesregierung, den bislang geltenden Gewichtungsfak-
tor künftig statt auf das Fahrzeuggewicht auf die Fahrzeuggrundfläche („Sha-
dow“) zu beziehen?

Wenn nein, warum nicht?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/13389

11. Befürwortet die Bundesregierung, den bislang geltenden Gewichtungsfaktor

künftig zu verringern oder abzuschaffen?
Wie hoch soll der Gewichtungsfaktor nach Ansicht der Bundesregierung
künftig ausfallen?

12. Für welchen Zeitraum soll nach Kenntnis der Bundesregierung im Rahmen
der CO2-Gesetzgebung für Personenkraftwagen eine Umrechnung der im
WLTP-Verfahren („Worldwide Harmonized Light-Duty Vehicles Test Pro-
cedure“) ermittelten CO2-Emissionswerte auf NEFZ-Werte („Neuer Europä-
ischer Fahrzyklus“) erfolgen, und inwiefern unterstützt die Bundesregierung
die Festlegung auf diesen Zeitraum?

13. Hält die Bundesregierung die Umrechnung der im WLTP-Verfahren ermit-
telten CO2-Emissionswerte auf NEFZ-Werte im Rahmen der CO2-Gesetzge-
bung für Personenkraftwagen für angemessen und zielführend, um die CO2-
Emissionen im Pkw-Segment zu senken?

14. Befürwortet die Bundesregierung, künftig zur Berechnung der CO2-Emissi-
onswerte das WLTP-Verfahren ohne Umrechnung auf NEFZ-Werte zu-
grunde zu legen?
Wenn ja, ab wann soll das WLPT-Verfahren ohne Umrechnung nach Ansicht
der Bundesregierung zur Anwendung kommen?
Wenn nein, warum nicht, und für welches Umrechnungsverfahren spricht
sich die Bundesregierung aus?

15. Um wie viel Prozent liegen die im WLTP-Verfahren ermittelten CO2-Emis-
sionswerte nach Kenntnis der Bundesregierung durchschnittlich über den im
NEFZ-Verfahren ermittelten Werten?

16. Befürwortet die Bundesregierung, dass der ab 2020/2021 geltende CO2-Flot-
tengrenzwert nicht aufgrund durchschnittlich höherer WLTP-Werte im Ver-
gleich zu NEFZ-Werten angepasst wird?
Wenn ja, wie wird sie die weitere Gültigkeit des bestehenden CO2-Flotten-
grenzwertes sicherstellen?
Wenn nein, warum nicht, und für welche Anpassung spricht sich die Bun-
desregierung aus?

17. Befürwortet die Bundesregierung, die auf dem Prüfstand ermittelten CO2-
Emissionswerte mittels „Not to exceed“-Grenzwerten, wie sie bei Schadstof-
femissionen bereits gelten, künftig im RDE-Verfahren („Real Driving Emis-
sions“) nachzuprüfen?
Wenn ja, ab wann soll dieses Nachprüfverfahren nach Ansicht der Bundes-
regierung zur Anwendung kommen, und wie hoch sollen nach Ansicht der
Bundesregierung die „Not to exceed“-Grenzwerte ausfallen?
Wenn nein, warum nicht?

18. Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass die Abweichungen beim Kraft-
stoffverbrauch zwischen Prüfstandsmessungen und Messungen im realen
Betrieb minimiert werden und nicht wie in der Vergangenheit über die Jahre
hinweg zunehmen, und wie vermeidet sie insbesondere Optimierungen von
Fahrzeugen auf das neue WLTP-Verfahren, die zu steigenden Abweichun-
gen führen könnten?

19. Mit welchen bestehenden oder neu einzuführenden Instrumenten überprüft
die Bundesregierung, wie sich die Abweichungen beim Kraftstoffverbrauch
zwischen Prüfstandsmessungen und Messungen im realen Betrieb über die
Jahre hinweg entwickeln?

Drucksache 18/13389 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

20. Inwiefern hält die Bundesregierung die ab 2019 geltende Strafzahlung von

95 Euro pro Gramm Grenzwertüberschreitung und verkauftem Neuwagen
für wirksam, verhältnismäßig und abschreckend?

21. Befürwortet die Bundesregierung, die ab 2019 geltende Strafzahlung von
95 Euro pro Gramm Grenzwertüberschreitung und verkauftem Neuwagen zu
erhöhen, und wie begründet sie ihre Position?
Wie hoch soll die Strafe nach Ansicht der Bundesregierung künftig ausfal-
len?

22. Inwiefern hält die Bundesregierung die gestaffelte Einführung des Strafzah-
lungssystems für angemessen?

23. Inwiefern hält die Bundesregierung die Möglichkeit, die Reduktionsziele
über Emissionsgemeinschaften („Pooling“) zu erreichen, für angemessen
und zielführend, um die CO2-Emissionen im Pkw-Segment zu senken?

24. Befürwortet die Bundesregierung, dass es künftig keine Möglichkeit geben
wird, die Reduktionsziele über Emissionsgemeinschaften zu erreichen?
Wenn nein, welche Regelungen für Emissionsgemeinschaften sollen nach
Ansicht der Bundesregierung künftig gelten?

25. Inwiefern hält die Bundesregierung die derzeit geltenden Sonderregelungen
für Hersteller mit einer geringen Anzahl produzierter Fahrzeuge für ange-
messen und zielführend, um die CO2-Emissionen im Pkw-Segment zu sen-
ken?

26. Befürwortet die Bundesregierung, dass es künftig keine Sonderregelungen
für Hersteller mit einer geringen Anzahl produzierter Fahrzeuge geben wird,
sodass jeder Hersteller spezifische CO2-Flottengrenzwerte einhalten muss?
Wenn nein, wie sollen die Sonderregelungen nach Ansicht der Bundesregie-
rung künftig gestaltet sein?

27. Inwiefern hält die Bundesregierung die derzeit mögliche Anrechnung von
Ökoinnovationen für angemessen und zielführend, um die CO2-Emissionen
im Pkw-Segment zu senken?

28. Befürwortet die Bundesregierung, dass künftig keine Anrechnung von
Ökoinnovationen mehr erfolgen darf?
Wenn nein, warum nicht, und wie soll die Anrechnung von Ökoinnovationen
nach Ansicht der Bundesregierung künftig gestaltet sein?

29. Inwiefern hält die Bundesregierung eine erneute mögliche Mehrfachanrech-
nung von emissionsarmen Fahrzeugen über die Super-Credits-Regelung ab
2020 für angemessen und zielführend, um die CO2-Emissionen im Pkw-Seg-
ment zu senken?

30. Befürwortet die Bundesregierung, dass künftig keine Mehrfachanrechnung
von emissionsarmen Fahrzeugen über die Super-Credits-Regelung erfolgen
darf?
Wenn nein, warum nicht, und wie soll die Super-Credits-Regelung nach An-
sicht der Bundesregierung künftig gestaltet sein?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/13389

31. Befürwortet die Bundesregierung den Vorschlag, statt einer Super-Credits-

Regelung eine verpflichtende Quote für den Anteil lokal emissionsarmer
Fahrzeuge an allen verkauften Neuwagen eines Herstellers einzuführen (vgl.
www.handelsblatt.com/my/unternehmen/industrie/dieselskandal-eu-prueft-
quote-fuer-e-autos/20153522.html)?
Wenn ja, wie hoch soll diese Quote nach Ansicht der Bundesregierung in
welchem Jahr ausfallen, und welche Bedingungen muss ein emissionsarmes
Fahrzeug erfüllen?
Wenn nein, warum nicht?

32. Inwiefern unterstützt die Bundesregierung Überlegungen des Verbands der Au-
tomobilindustrie e. V. (VDA), Kraftstoffe in den EU-Emissionshandel einzube-
ziehen (vgl. www.vda.de/de/themen/umwelt-und-klima/co2-regulierung-bei-
pkw-und-leichten-nfz/co2-regulierung-bei-pkw-und-leichten-nutzfahrzeugen.
html), und inwiefern sieht sie eine Einbeziehung als möglichen Ersatz für die
CO2-Regulierung von Neuwagen an?

33. Inwiefern sieht die Bundesregierung im Einsatz von synthetischen Kraftstof-
fen auf Basis erneuerbarer Energien („E-Fuels“) eine Alternative zu ambiti-
onierten CO2-Flottengrenzwerten?
Wie begründet sie diese Annahme, und für wie groß hält sie das CO2-Reduk-
tionspotenzial?

34. Inwiefern unterstützt die Bundesregierung Überlegungen der Europäischen
Kommission, dass Automobilhersteller die CO2-Emissionsreduktion bei Per-
sonenkraftwagen nicht über die Erreichung von absoluten, herstellerspezifi-
schen CO2-Flottengrenzwerten erreichen müssen, sondern über eine herstel-
lerunabhängige prozentuale Reduktionsvorgabe (vgl. www.spiegel.de/auto/
aktuell/eu-kommission-plant-neue-regeln-fuer-co2-grenzwerte-bei-pkw-a-11
55094.html)?

35. Plant die Bundesregierung, die CO2-Emissionsreduktion bei Personenkraft-
wagen zusätzlich über eine Reform der Energie- und Kraftstoffsteuer zu be-
schleunigen, sodass Kraftstoffe auf Basis ihres CO2-Gehalts besteuert wer-
den, und wenn nein, warum nicht?

36. Wie hoch fallen die herstellerspezifischen CO2-Flottengrenzwerte für das
Jahr 2020 für die deutschen Automobilhersteller nach Kenntnis der Bundes-
regierung derzeit jeweils aus (bitte nach Automobilherstellern aufschlüs-
seln)?

37. Wie haben sich die herstellerspezifischen CO2-Emissionsdurchschnittswerte
der von der Gesetzgebung betroffenen Neuwagenflotte der deutschen Auto-
mobilhersteller in den letzten zehn Jahren nach Kenntnis der Bundesregie-
rung jeweils entwickelt (bitte nach Automobilherstellern und jährlichen Wer-
ten aufschlüsseln)?

38. Geht die Bundesregierung davon aus, dass die deutschen Automobilherstel-
ler ihre herstellerspezifischen CO2-Flottengrenzwerte im Jahr 2020 (unter
Berücksichtigung von 95 Prozent der Neuwagen) bzw. ab dem Jahr 2021
(unter Berücksichtigung aller Neuwagen) jeweils einhalten werden, und
wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 17. August 2017

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
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