BT-Drucksache 18/13372

Schädlingsbekämpfungsmittel Fipronil in Eiern

Vom 16. August 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/13372
18. Wahlperiode 16.08.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Karin Binder, Caren Lay, Herbert Behrens, Heidrun Bluhm,
Eva Bulling-Schröter, Susanna Karawanskij, Jutta Krellmann, Ralph Lenkert,
Birgit Menz, Dr. Kirsten Tackmann, Harald Weinberg, Hubertus Zdebel und der
Fraktion DIE LINKE.

Schädlingsbekämpfungsmittel Fipronil in Eiern

In Legehennen-Eiern aus Belgien und den Niederlanden wurde das giftige Schäd-
lingsbekämpfungsmittel Fipronil nachgewiesen. Auch in Deutschland wurde das
Gift in mindestens vier Legehennen-Betrieben in Niedersachsen bei der Schäd-
lingsbekämpfung verwendet. Die Anwendung dieses Biozids ist bei Lebensmittel-
liefernden Tieren verboten, da es beim Menschen gesundheitsgefährdend ist und
das Nervensystem schädigen kann. Die belasteten Eier gelangten als Frischeier
oder in verarbeiteten Lebensmitteln in Deutschland in den Handel und wurden
von Verbrauchern gekauft und verzehrt. Nach Angaben des Niedersächsischen
Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 31. Juli
2017 (www.ml.niedersachsen.de/aktuelles/pressemitteilungen/agrarministerium-
mit-insektizid-belastete-eier-aus-belgien-und-den-niederlanden-zurueckgeben-1
56126.html) warnt das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) vor einem po-
tentiell akuten Gesundheitsrisiko für Kinder beim Verzehr von mit Fipronil be-
lasteten Eiern. Nach Angaben des Bundesministeriums für Ernährung und Land-
wirtschaft (BMEL) sei hingegen eine akute gesundheitliche Gefährdung von Ver-
braucherinnen und Verbrauchern, einschließlich Kinder, unwahrscheinlich
(www.bmel.de/DE/Tier/Tiergesundheit/_texte/Fipronil.html).
Der erste Rückruf erfolgte laut dem Internetportal www.lebensmittelwar-
nung.de am 1. August 2017. Im Europäischen Schnellwarnsystem für Lebens-
mittelsicherheit RASFF erschien die erste Warnmeldung belgischer Behörden
schon am 21. Juli 2017 (www.bvl.bund.de/DE/01_Lebensmittel/01_Aufgaben/
04_Schnellwarnsystem/01_aktuelle_rasff_meldungen/04_LM_vormonate/lm_
schnellwarnsystem_rasff_lm_Zusammenstellung_im_Juli_2017.pdf?__blob=
publicationFile&v=2). Dabei wurde auch Deutschland als betroffenes Liefer-
land genannt. Nach Medienberichten (www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/
fipronil-belgische-behoerden-wussten-seit-anfang-juni-von-verdachtsfaellen-a-
1161517.html) wusste die belgische Lebensmittelsicherheitsbehörde FASNK
schon seit dem 2. Juni 2017 von der Fipronil-Belastung in Eiern. Die späte Infor-
mation der EU-Partner und der Öffentlichkeit wurde u. a. damit begründet, dass
meldepflichtige Fipronil-Werte nicht erreicht worden seien. Der Fund von Fipro-
nil in Eiern aus niederländischen Betrieben am 22. Juli 2017 wurde erst am
27. Juli 2017 im RASFF-System angezeigt, jedoch mit unbestimmter Herkunft.
Bis zum 8. August 2017 konnte noch nicht vollständig ermittelt werden, in wel-
chen Produkten belastete Eier verarbeitet wurden, sodass die Rückrufe und War-
nungen an die Verbraucherinnen und Verbraucher bisher unvollständig sind.

Drucksache 18/13372 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Bereits in der Vergangenheit stand die Wirksamkeit der Lebensmittelüberwa-
chung in der Kritik. Immer wieder wird nach Lebensmittelskandalen die unzu-
reichende Zusammenarbeit der Behörden der Bundesländer, des Bundes und der
Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU), ein unzureichender Informations-
austausch sowie Koordinationsmängel in Krisensituationen beklagt. Zudem
könnten die Überwachungsbehörden ihrer Überwachungspflicht aufgrund von
Personal- und Ausstattungsmängeln nicht immer nachkommen (siehe Gutachten
des Präsidenten des Bundesrechnungshofs als Bundesbeauftragter für Wirtschaft-
lichkeit in der Verwaltung „Organisation des gesundheitlichen Verbraucherschut-
zes – Schwerpunkt Lebensmittel“ von Oktober 2011).
Das System der Lebensmittelsicherheit in Deutschland fußt auf EU-Recht, das im
Wesentlichen mit dem Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) in na-
tionales Recht umgesetzt wurde. Obwohl in Deutschland die Bundesländer ganz
überwiegend die Lebensmittelüberwachung durchführen, ist der Bund für die
Umsetzung und Einhaltung der EU-Vorgaben einschließlich der damit zusam-
menhängenden Berichtspflichten zuständig. Zudem muss er laufend die Wirk-
samkeit durch Kontrollverfahren überprüfen und koordiniert die Zusammenarbeit
mit den Ländern. Der aktuelle Fall wirft erneut die Frage auf, inwieweit die der-
zeitige Organisation der Lebensmittelüberwachung hinreichend geeignet ist, die
Gesundheit der Bevölkerung und die Einhaltung EU-rechtlicher Lebensmittelvor-
schriften in geeigneter Weise sicherzustellen.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Aus welchen Gründen haben nach Kenntnis der Bundesregierung weder die

deutschen Lebensmittelkontrollbehörden noch Landwirte oder die deutschen
eierverarbeitenden Betriebe Fipronil vor der belgischen RASFF-Meldung in
Eiern, Eiprodukten oder Geflügel gefunden?

2. Inwieweit kann die Bundesregierung ausschließen, dass mit Fipronil belas-
tete Eier, Eiprodukte oder Geflügel schon vor dem 2. Juni 2017 in den Handel
gelangt sind und von Verbraucherinnen und Verbrauchern in Deutschland
verzehrt wurden?

3. Warum war nach Kenntnis der Bundesregierung das Biozid einem Desinfek-
tionsmittel, das bei Lebensmittel-liefernden Tieren angewendet wird, beige-
mischt, aber nicht deklariert?
Wie wird ausgeschlossen, dass das Desinfektionsmittel nicht auch in anderen
agrarischen Bereichen angewendet wurde bzw. wird und in die Lebensmit-
telkette gelangt?

4. Aus welchen Gründen konnten nach Kenntnis der Bundesregierung die deut-
schen Landwirte die Beimischung von Fipronil im Desinfektionsmittel nicht
erkennen, und welche Kennzeichnungspflichten wurden durch den belgi-
schen Desinfektionsmittelhersteller missachtet?

5. Welche Verantwortung trifft nach Einschätzung der Bundesregierung das
Unternehmen BASF als Fipronil-Hersteller hinsichtlich der gesetzeskonfor-
men Anwendung seiner Produkte?

6. Welche Maßnahmen und Untersuchungen haben die deutschen Staatsanwalt-
schaften bisher eingeleitet?

7. Warum wurden die Verbraucherinnen und Verbraucher nicht frühzeitiger
über die Belastung von Eiern mit dem Biozid informiert?

8. Wie erklärt die Bundesregierung die Verzögerung von zehn Tagen zwischen
der ersten Meldung über Fipronil in Eiern im RASFF-System und der ersten
Warnung von Verbraucherinnen und Verbrauchern im bundesweiten Inter-
net-Portal www.lebensmittelwarnung.de?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/13372
9. Warum hat die Bundesregierung erst am 27. Juli 2017 eine Risikobewertung
zu Fipronil beim BfR in Auftrag gegeben sowie nicht frühzeitiger die Öffent-
lichkeit informiert, obwohl schon am 21. Juli 2017 die Lieferbeziehungen
betroffener belgischer Betriebe nach Deutschland bekannt waren und auch
der Vertrieb nach Deutschland in der RASFF-Meldung angegeben wurde?

10. Wann hatten nach Kenntnis der Bundesregierung Behörden in Deutschland
erstmals Kenntnis von Eiern mit Fipronil-Belastung aus Belgien mit mögli-
chen Lieferbeziehungen nach Deutschland, und welche einzelnen Mess- und
Untersuchungsergebnisse liegen den deutschen Behörden bisher dazu vor?

11. Welche Werte von Fipronil müssen in Belgien sowie in Deutschland nach-
gewiesen werden, um meldepflichtig zu sein, und worin unterscheidet sich
nach Kenntnis der Bundesregierung das EU-rechtskonforme Vorgehen der
beiden Länder?

12. Wieso tauschten sich die Behörden in Belgien sowie in den Niederlanden
nach Kenntnis der Bundesregierung nicht frühzeitiger mit den Behörden in
Deutschland zu den betroffenen Eier-Betrieben aus, obwohl bekannt war,
dass die Eier auch in Deutschland in den Handel gelangen?

13. Wann hatten nach Kenntnis der Bundesregierung Behörden in Deutschland
erstmals Kenntnis von Eiern mit Fipronil-Belastung aus den Niederlanden
mit möglichen Lieferbeziehungen nach Deutschland, und welche einzelnen
Mess- und Untersuchungsergebnisse liegen den deutschen Behörden bisher
dazu vor?

14. Wann hatten nach Kenntnis der Bundesregierung die Behörden erstmals
Kenntnis von Eiern mit Fipronil-Belastung in Betrieben in Deutschland, und
welche einzelnen Mess- und Untersuchungsergebnisse liegen den deutschen
Behörden bisher dazu vor?

15. Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung treffen, um zukünftig Verzö-
gerungen bei der Übermittlung von Daten zur Lebensmittelsicherheit zwi-
schen EU-Mitgliedstaaten zu verhindern?

16. Wie wird die Bundesregierung die geschädigten Lebensmittelbetriebe in
Deutschland bei Schadensersatzforderungen gegenüber Belgien unterstüt-
zen?

17. Wie erklärt die Bundesregierung die unterschiedliche Darstellung zur ge-
sundheitlichen Gefährdung von Kindern bei der Information der Öffentlich-
keit zwischen dem zuständigen Landesministerium in Niedersachsen und
dem BMEL?

18. Warum war es bisher nicht möglich, alle Produkte, in denen belastete Eier
verarbeitet wurden, zu benennen und zurückzurufen (vgl. www.sueddeutsche.
de/panorama/fipronil-schmidt-erwartet-lueckenlose-aufklaerung-im-eier-
skandal-1.3621012)?

19. Bis wann werden die Behörden in Deutschland eine vollständige Liste aller
betroffenen Produkte veröffentlichen?

20. Durch welche Maßnahmen überprüft die Bundesregierung, dass die Informa-
tion der Verbraucherinnen und Verbraucher nach § 40 des Lebensmittel- und
Futtermittelgesetzbuches (LFGB) im aktuellen Fall auch alle Verbraucher
erreicht?

Drucksache 18/13372 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

21. Bis wann wird die Bundesregierung eine verpflichtende Herkunftskenn-

zeichnung bei verarbeiteten Lebensmitteln mit Ei als Zutat einführen?

Berlin, den 11. August 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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