BT-Drucksache 18/13312

Beitragserstattung und Ansprüche in der Deutschen Rentenversicherung von eingewanderten und ausgereisten Personen

Vom 11. August 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/13312
18. Wahlperiode 11.08.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sevim Dağdelen, Matthias W. Birkwald, Frank Tempel,
Sabine Zimmermann (Zwickau) und der Fraktion DIE LINKE.

Beitragserstattung und Ansprüche in der Deutschen Rentenversicherung von
eingewanderten und ausgereisten Personen

Unabhängig von Staatsangehörigkeit und Aufenthaltsstatus besteht in Deutsch-
land Rentenversicherungspflicht bei sozialversicherungspflichtiger Beschäfti-
gung. Bei Rückkehr, Abschiebung oder Weiterwanderung ins Ausland stellt sich
die Frage der Beitragserstattung nach § 210 des Sechsten Buches Sozialgesetz-
buch. Dort ist geregelt, unter welchen Umständen Beiträge zur gesetzlichen Ren-
tenversicherung erstattet werden können. Diese Möglichkeit besteht unter ande-
rem für Personen, die in Deutschland einer sozialversicherungspflichtigen Be-
schäftigung nachgegangen sind, aber die allgemeine Wartezeit der Rentenversi-
cherung von fünf Jahren nicht erfüllt und zugleich keine Möglichkeit haben, frei-
willig Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zu leisten, und die nicht oder
nicht mehr versicherungspflichtig sind. Das dürfte in erster Linie Menschen ohne
deutsche Staatsangehörigkeit betreffen. Die Erstattung erfolgt in diesen Fällen
ausschließlich auf Antrag und nur dann, wenn mindestens 24 Monate seit Ende
der Versicherungspflicht verstrichen sind. Wenn aufgrund von Sozialversiche-
rungsabkommen eine Zusammenrechnung deutscher und ausländischer Versiche-
rungszeiten erfolgt, ist keine Erstattung möglich. Sozialversicherungsabkommen
bestehen mit zahlreichen Staaten außerhalb der Europäischen Union (EU) und
des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR), ebenfalls ausgeschlossen ist eine Er-
stattung in den EU-Staaten und den Mitgliedsländern des Europäischen Wirt-
schaftsraumes. Verschiedene Studien weisen darauf hin, dass ältere Migrantinnen
und Migranten in Deutschland (und auch in anderen EU-Staaten) sich in oft
schwierigeren Lebenssituationen befinden und insbesondere geringere Renten er-
halten als ältere Personen ohne Migrationshintergrund. In der Antwort der Bun-
desregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. (Bundestags-
drucksache 18/10603, Frage 6) hat die Bundesregierung Daten vorgelegt, denen
zufolge Menschen mit Migrationshintergrund erheblich häufiger einen Niedrig-
lohn erhalten als Personen ohne Migrationshintergrund. Ältere Migrantinnen und
Migranten aus den so genannten Anwerbestaaten gehören überwiegend zur ersten
Einwanderungsgeneration und wurden aufgrund der wirtschaftlichen Bedingun-
gen häufig als un- oder angelernte Arbeitskräfte im verarbeitenden Gewerbe und
im Bergbau eingestellt. Die Konzentration in geringqualifizierten Tätigkeiten
ging mit ungünstigen Arbeitsbedingungen, niedrigem Einkommen und über-
durchschnittlicher Arbeitslosigkeit einher (Bundesamt für Migration und Flücht-
linge – BAMF, Forschungsbericht 18, 2012). Das Renteneinkommen von Ein-
wandererinnen und Einwanderern ist im Mittel in Westeuropa um 20 Prozent
niedriger als das der Bevölkerung ohne Einwanderungsgeschichte (Wissenschafts-
zentrum Berlin für Sozialforschung gGmbH, WZB-Mitteilungen, Heft 150, De-
zember 2015).

Drucksache 18/13312 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Liegen nach Kenntnis der Bundesregierung spezifische Informationen der
Deutschen Rentenversicherung vor, die eine Differenzierung der bei der
Deutschen Rentenversicherung gemeldeten Personen nach Staatsangehörig-
keit, Migrationshintergrund, Aufenthaltsstatus oder Flüchtlingseigenschaft
erlauben, und wie werden diese Informationen bewertet (bitte ausführlich
und differenziert darlegen)?

2. Liegen der Bundesregierung Kenntnisse darüber vor, wie viele ausgereiste
Personen ohne deutsche Staatsbürgerschaft und wie viele abgeschobene Per-
sonen Anspruch auf Beitragsrückerstattung aus der Deutschen Rentenversi-
cherung oder Rentenanwartschaften bei der Deutschen Rentenversicherung
erworben haben (falls ja, bitte auflisten, sofern möglich, nach Anzahl der
Personen, Geschlecht, Staatsbürgerschaft, Anspruch auf Beitragserstat-
tung/Rentenanwartschaft differenzieren)?

3. Wie viele Anträge auf Beitragsrückerstattung sind nach Kenntnis der Bun-
desregierung von Personen mit Migrationshintergrund bzw. ausländischer
Staatsangehörigkeit bei den Rentenversicherungsträgern in den vergangenen
fünf Jahren gestellt worden (bitte nach Staatsangehörigkeit und Geschlecht
differenzieren)?

4. Wie hoch fallen nach Kenntnis der Bundesregierung die Aufwendungen für
die Rückerstattungsansprüche der vergangenen fünf Jahre in der Deutschen
Rentenversicherung aus (bitte nach Herkunftsländern differenzieren)?

5. Welche Konsequenzen ergeben sich nach Kenntnis der Bundesregierung aus
der deutlich schlechteren Bezahlung von Menschen mit Migrationshinter-
grund und den sich daraus ergebenden niedrigeren Rentenansprüchen, und
wie geht und ging die Bundesregierung dagegen vor (bitte ausführen)?

6. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung die Gesamtzahl der Männer
und Frauen ab 65 in Deutschland, die auf Grundsicherung angewiesen sind,
wie viele von ihnen haben die deutsche Staatsbürgerschaft, wie viele sind
ohne deutsche Staatsbürgerschaft, und wie haben sich diese Zahlen in den
vergangenen zehn Jahren entwickelt (sofern möglich, bitte nach Geschlecht,
Altersgruppen 65 bis 74, ab 75 sowie nach deutscher/ausländischer Staats-
bürgerschaft differenzieren)?

7. Wie wird sich die Zahl der Grundsicherungsbezieherinnen und -bezieher ent-
sprechend Frage 6 nach Einschätzung der Bundesregierung in den nächsten
15 Jahren entwickeln (bitte unter Angabe der zentralen Annahmen für die
Projektion, differenziert entsprechend Frage 6)?

8. Wie hoch ist die Gesamtzahl der Männer und Frauen ab 65 in Deutschland,
die nach Kenntnis der Bundesregierung über ein regelmäßiges Einkommen
unterhalb der EU-weit anerkannten Armutsgefährdungsquote von 60 Prozent
des Medianeinkommens verfügen, wie viele von ihnen haben die deutsche
Staatsbürgerschaft, wie viele sind ohne deutsche Staatsbürgerschaft, und wie
haben sich diese Zahlen in den vergangenen zehn Jahren entwickelt (sofern
möglich, bitte nach Geschlecht, Altersgruppen 65 bis 74, ab 75, deut-
scher/ausländischer Staatsbürgerschaft differenzieren)?

9. Wie wird sich die Zahl der in Frage 8 abgefragten Personen nach Einschät-
zung der Bundesregierung in den nächsten 15 Jahren entwickeln (bitte unter
Angabe der zentralen Annahmen für die Projektion, differenziert entspre-
chend Frage 8)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/13312

10. Wie viele Renten wurden nach Kenntnis der Bundesregierung erstmals im

Rentenzugang 2016 im Inland sowie im Ausland bezogen, und wie hat sich
die Zahl in den vergangenen zehn Jahren entwickelt (falls die Zahlen für
2016 noch nicht vorliegen, bitte mit Zahlen für 2015, bitte jährlich aufge-
schlüsselt und differenziert nach Rentenart, Altersrente/Erwerbsminderungs-
rente, deutscher und ausländischer Staatsangehörigkeit in absoluten Zahlen
und als Verhältnis zwischen entsprechenden Personen mit und ohne deutsche
Staatsangehörigkeit auflisten)?

11. Wie hoch war nach Kenntnis der Bundesregierung der monatliche durch-
schnittliche Zahlbetrag bei Renten wegen Alters insgesamt, bei Regelalters-
renten und bei Renten für besonders langjährig Versicherte im Rentenzugang
für die vergangenen zehn Jahre (bitte jährlich aufgeschlüsselt und für die
Rentenarten sowie nach deutscher und ausländischer Staatsangehörigkeit
und Geschlecht differenzieren)?

12. Wie viele Personen bezogen nach Kenntnis der Bundesregierung in den ver-
gangenen zehn Jahren im Neuzugang Mehrfachrenten (Rentenkumulation,
etwa durch den Bezug von Hinterbliebenen- und selbst erworbener Rente),
und wie hoch waren die durchschnittlichen Gesamtrentenzahlungen je Monat
und Person (jährlich aufgeschlüsselt und bitte nach Geschlecht und deut-
scher/ausländischer Staatsangehörigkeit differenzieren)?

13. Liegen der Bundesregierung Informationen oder Einschätzungen vor, für wie
viele Menschen mit Migrationshintergrund im Rentenbezug die Rentenzah-
lungen der gesetzlichen Rentenversicherung die wichtigste Einkommens-
quelle darstellen bzw. welchen Anteil des Einkommens die Rente dieser Per-
sonen ausmacht, und hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, wie viele
Menschen mit Migrationshintergrund nach Erreichen der Regelaltersgrenze
weiterhin einer Erwerbsarbeit nachgehen (sofern möglich, bitte differenziert
nach Geschlecht und Altersgruppen 65 bis 74 Jahre, ab 75 Jahre ausführen)?

14. Mit welchen Staaten hat die Bundesrepublik Deutschland zurzeit geltende
Sozialversicherungsabkommen vereinbart, die eine Beitragserstattung aus
der Rentenversicherung ausschließen, und seit wann gelten die entsprechen-
den Abkommen?

15. Mit welchen Staaten werden derzeit Verhandlungen oder Vorgespräche zu
Sozialversicherungsabkommen geführt, und bei welchen dieser Verhandlun-
gen spielt eine eventuelle Beitragserstattung aus der Rentenversicherung eine
Rolle?

16. Inwieweit wurden nach Kenntnis der Bundesregierung im Zeitraum von
2006 bis einschließlich 2016 bestehende Sozialversicherungsabkommen an-
gepasst oder überarbeitet?

17. In welchen konkreten Fällen werden derzeit bereits bestehende Sozialversi-
cherungsabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem je-
weiligen Vertragspartner neu verhandelt oder zwischen den Vertragspartnern
besprochen (bitte ausführen, welche Veränderungen dabei angestrebt sind),
und inwieweit gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung aktuell Bestrebun-
gen oder Hinweise darauf, dass sich in solche Abkommen involvierte Staaten
aus diesen lösen wollen (bitte Staaten angeben)?

18. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung reguläre Überprüfungs- oder
Evaluierungszeiträume im Hinblick auf die bestehenden Abkommen (z. B.
im Hinblick auf Aktualität, Notwendigkeit und Angemessenheit)?

Falls ja, welche?
Falls nein, warum nicht?

Drucksache 18/13312 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

19. Wie und von wem werden nach Kenntnis der Bundesregierung freiwillig aus-

reisende oder abzuschiebende Personen über einen eventuell bestehenden
Anspruch auf Beitragserstattung oder alternativ über Rentenanwartschaften
informiert, und welche Unterstützung gibt es nach Kenntnis der Bundesre-
gierung bei der entsprechenden Antragstellung auf Beitragsrückerstattung
bzw. Rente von Bundes- oder Landesbehörden für diese Personen?

20. Welche Aktivitäten haben nach Kenntnis der Bundesregierung die deutschen
Auslandsvertretungen unternommen, um über die Möglichkeit der Ansprü-
che von Bürgerinnen und Bürger mit ausländischer Staatsangehörigkeit in
der Deutschen Rentenversicherung aufzuklären?
Wann, wo und in welchen Sprachen wurden entsprechende Informationen
auf deren Webseiten bereitgestellt?

21. Welche Informationen und Unterstützung werden nach Kenntnis der Bun-
desregierung Ausreisewilligen innerhalb des Reintegration and Immigration
Programm for Asylum-Seekers in Germany/Government Assisted Repatria-
tion Programm (REAG/GARP) bzw. bei anderen Programmen im Zusam-
menhang mit der freiwilligen Ausreise mit Bezug auf Ansprüche aus der
Deutschen Rentenversicherung angeboten?

22. Bestehen nach Kenntnis der Bundesregierung interne Regelungen bei der
Deutschen Rentenversicherung, die der besonderen Situation von Migrantin-
nen und Migranten oder auch von Geflüchteten Rechnung tragen?

Falls ja, welche?
23. Wird die Anerkennung der Kindererziehungszeiten bei der Rentenberech-

nung bei Ausländerinnen und Ausländern verweigert, die im Anschluss an
eine Duldung oder Aufenthaltsgestattung einen rechtmäßigen oder später so-
gar einen unbefristeten Aufenthaltsstatus erhalten haben, soweit diese Erzie-
hungsleistungen während des lediglich geduldeten oder gestatteten Aufent-
halts erfolgten?

Und wenn ja, wie bewertet die Bundesregierung diesen Umstand?

Berlin, den 26. Juli 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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