BT-Drucksache 18/13237

Ausrichtung der schiitischen Verbände und ihre Verbindungen zum iranischen Regime

Vom 28. Juli 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/13237
18. Wahlperiode 28.07.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Katja Keul und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Ausrichtung der schiitischen Verbände und ihre Verbindungen zum
iranischen Regime

Die „Islamische Gemeinschaft der schiitischen Gemeinden in Deutschland“
(IGS) ist der seit 2009 existierende Dachverband des schiitischen Islams in
Deutschland mit nach eigener Aussage 150 Moscheegemeinden als Mitglieder.
Sie ist Mitglied der Deutschen Islamkonferenz (DIK) und des Präventionsnetz-
werks gegen religiös begründeten Extremismus.
Im Juli 2017 nahm die IGS zur Gründung der Ibn-Rushd-Goethe-Moschee und
zur Gesetzgebung des Deutschen Bundestages in einer Weise Stellung, die als
Angriff auf die Religionsfreiheit und Trennung von Religion und Staat (miss-)ver-
standen werden kann (www.facebook.com/igsdeutschland/posts/13542402679873
38?pnref=story), was vor dem Hintergrund der Drohungen gegen die Ibn-Rushd-
Goethe-Moschee Anlass zur Sorge ist.
Mitglied der IGS ist das „Islamische Zentrum Hamburg“ (IZH), welches auch
Mitglied im Rat der islamischen Gemeinschaften in Hamburg e. V. (SCHURA)
und dem Zentralrat der Muslime (ZdM) ist. Die IGS wurde auf Initiative des
IZH gegründet (www.verfassungsschutz.bayern.de/mam/anlagen/vsb_2015_
druckfassung.pdf). Dieses wiederum ist eng mit der Regierung der Islamischen
Republik Iran verbunden: Der Vorsitzende des IZH, Reza Ramezani, ist Stellver-
treter des Revolutionsführers des Irans, Ali Khamenei und vertritt auch die irani-
sche Staatsdoktrin, die laut dem Verfassungsschutz „mit der freiheitlichen demo-
kratischen Grundordnung nicht vereinbar ist“ (Verfassungsschutzbericht des
Landes Hamburg für 2016, S. 54, www.hamburg.de/innenbehoerde/schlagzeilen/
6509770/islamisches-zentrum-hamburg-verfassungsschutz/). Er ist auch Mit-
glied des „Expertenrates“, eines Gremiums im Iran, das alle vom iranischen Par-
lament beschlossenen Gesetze auf Konformität mit den Prinzipien der islami-
schen Republik und ihrem Einklang mit den islamischen Maßstäben überwacht
und den obersten Führer des iranischen Regimes wählt (vgl. Verfassungsschutz-
bericht des Landes Hamburg für das Jahr 2016, S. 55).
Das IZH gilt als eines der wichtigsten islamischen Zentren in Europa, das von
schiitischen Musliminnen und Muslimen aus verschiedenen Ländern als zentrale
religiöse Anlaufstelle genutzt wird. Es wurde bereits zu Zeiten des Schahs ge-
gründet und galt zumindest unter seinen früheren Leitern Mohammad Khatami
und Abbas Hosseini Ghaemmaghami als Ort einer schiitischen Reformtheologie,
deren Positionierungen oft von denen der geistlichen Führung des Iran abwichen
(vgl. www.taz.de/!5164771/). So war dort bis 2014 mit Halima Krausen auch eine
Imamim aktiv.

Drucksache 18/13237 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Laut dem Verfassungsschutzbericht des Landes Hamburg für das Jahr 2016 ver-
tritt das IZH heute durch eine umfangreiche Öffentlichkeitsarbeit den Islam ira-
nischer Prägung und strebe damit an, den „Export der islamischen Revolution“
zu verwirklichen. Zu diesem Zweck habe es ein umfangreiches Kontaktnetz auf-
gebaut und übe auf Schiiten unterschiedlicher Herkunft sowie die schiitisch-isla-
mischen Moscheen und Vereine Einfluss – bis hin zur vollständigen Kontrolle –
aus. Über diese Organisationen sorge das IZH vor allem mit finanziellen Mitteln
für die Verbreitung der iranischen Revolutionsidee in unterschiedlichen gesell-
schaftlichen Bereichen wie Religion, Bildung und Sport (vgl. Verfassungsschutz-
bericht des Landes Hamburg für das Jahr 2016, S. 55 bis 57). Im Juni 2016 wurde
in Berlin die „Al-Mustafa-Institut für Kultur-, Humanwissenschaften und ge-
meinnützige Studien GmbH“ gegründet. Sie gilt als Ableger der in Qom behei-
mateten Al-Mustafa-Universität, die eng mit der iranischen Führung verbunden
ist. Führungskräfte des IZH gehören zu den Teilnehmerinnen und Teilnehmern
bzw. Unterstützerinnen und Unterstützern des jährlichen Quds-Marsches in Ber-
lin, der vom iranischen Revolutionsführer Ayatollah Khamenei ins Leben gerufen
wurde und sich gegen das Existenzrecht Israels richtet. Nachdem sich das IZH
unter Ayatollah Ghaemmaghami vom Quds-Marsch distanziert hatte (www.
taz.de/!5164771), gibt der Hamburgische Verfassungsschutz an, wieder Hinweise
auf eine Beteiligung des Zentrums an „Organisation und Durchführung“ des
Marsches zu haben (www.hamburg.de/innenbehoerde/schlagzeilen/6509770/
islamisches-zentrum-hamburg-verfassungsschutz/).
Im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben! Aktiv gegen Rechtsext-
remismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit“ wird im Programmbereich „Mo-
dellprojekte zur Radikalisierungsprävention“, im Themenfeld „Islamistische Ori-
entierungen und Handlungen“ das Modellprojekt „Präventionsnetzwerk gegen re-
ligiös begründeten Extremismus“ des Trägers Türkische Gemeinde in Deutsch-
land e. V. gefördert. Mit dem Modellprojekt soll ein bundesweites Präventions-
netzwerk entstehen. Dabei richtet sich das Netzwerk zunächst an die Verbände
der Deutschen Islam Konferenz (DIK), die durch das Bundesministerium des In-
nern verantwortet wird.
Einer der Netzwerkpartner des Modellprojekts ist die Islamische Gemeinschaft
der schiitischen Gemeinden Deutschlands e. V. (IGS). Ende Juli dieses Jahres
findet ein dreitägiger Workshop „Islamverständnis zwischen Rationalität und Ra-
dikalität“ des Al-Mustafa-Institutes und der IGS im Rahmen des Bundesprogram-
mes „Demokratie Leben“ statt.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Einflüsse und Kontakte gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung

zwischen dem IGS, dem IZH, anderen Mitgliedsorganisationen des IGS und
welchen iranischen Stellen?
Wie sind nach Kenntnis der Bundesregierung die personellen und finanziel-
len Verbindungen der IGS oder ihrer Mitgliedsorganisationen zur Führung
des iranischen Regimes?

2. Welche Mitgliedsgemeinden bzw. -organisationen der IGS werden vom
Bundesamt für Verfassungsschutz oder nach Kenntnis der Bundesregierung
durch welche Landesämter für Verfassungsschutz beobachtet (bitte nach
Dauer der Beobachtung, Grund der Beobachtung und Name der Institution
aufschlüsseln)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/13237
3. Welche Positionen des IGS, der IZH, des Al-Mustafa-Institutes und anderer
Mitgliedsorganisationen der IGS sind der Bundesregierung bekannt zu
a) den Prinzipien der freiheitlich-demokratischen Grundordnung,
b) den Grundrechten, insbesondere der Meinungs-, Presse- und Religions-

freiheit (einschließlich des Rechts zur Konversion und zum Austritt aus
einer Glaubens- bzw. Religionsgemeinschaft),

c) der Todesstrafe,
d) der Gleichberechtigung von Mann und Frau,
e) Gewalt in der Ehe,
f) den Menschenrechten von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transse-

xuellen,
g) dem Recht Israels auf Existenz, Selbstverteidigung und Sicherheit?

4. Teilt die Bundesregierung die oben wiedergegebene Einschätzung des Lan-
desverfassungsschutzes Hamburg zum IZH?
a) Wenn ja, welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht sie daraus?
b) Wenn nein, warum nicht, und wie schätzt sie das IZH aufgrund welcher

Erkenntnisse ein?
5. Inwiefern hat sich die theologische und politische Ausrichtung des IZH nach

Kenntnis der Bundesregierung seit dem Wechsel der Führung im Jahr 2010
verändert?

6. Welche Kenntnisse (ggf. auch nachrichtendienstlicher Art) besitzt die Bun-
desregierung oder besitzen nach Kenntnis der Bundesregierung die Länder
über (insbesondere personelle und finanzielle) Einflussnahmen der irani-
schen Regierung oder von der Regierung beauftragter Personen auf die Po-
sitionen der IGS, des IZH und anderer Mitgliedsorganisationen?

7. Welche Kenntnisse (ggf. auch nachrichtendienstlicher Art) besitzt die Bun-
desregierung oder besitzen nach Kenntnis der Bundesregierung die Länder
über Anhänger der Hizbollah, die im IZH verkehren (vgl. Verfassungs-
schutzbericht des Landes Hamburg für das Jahr 2016, S. 53)?

8. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus der Tatsache, dass der Leiter des IZH zugleich Mitglied eines Regie-
rungsgremiums im Iran ist, vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlich
garantierten religiösen Selbstbestimmungsrechts, welches auch das IZH in
Anspruch nehmen kann, aus Artikel 137 Absatz 3 der Weimarer Reichsver-
fassung i. V. m. Artikel 140 des Grundgesetzes?

9. Welche Kenntnisse besitzt die Bundesregierung über die „Al-Mustafa-Insti-
tut für Kultur-, Humanwissenschaften und gemeinnützige Studien GmbH“
die im Juni 2016 in Berlin als Filiale der in Qom beheimateten Al-Mustafa-
Universität gegründet wurde und ihre Verbindungen in den Iran?

10. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus der Doppelrolle von Reza Ramezani als Leiter des IZH und Mitglied im
Gelehrtenrat des IGS?

11. Welche Bundesmittel erhalten die IGS oder ihre Mitgliedsorganisationen di-
rekt oder indirekt für welche Projekte?

12. Gibt die IGS laut Kenntnis der Bundesregierung Mittel aus dem Projekt „De-
mokratie leben!“ an das Al-Mustafa-Institut weiter, und welche Schlussfol-
gerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung ggf. hieraus?

Drucksache 18/13237 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

13. Welche Workshopleiter, Moderatoren und Referenten etc. waren nach

Kenntnis der Bundesregierung für den dreitägigen Workshop „Islamver-
ständnis zwischen Rationalität und Radikalität“ der IGS und des Al-Mustafa-
Instituts (www.al-mustafa.de/Ankuendigungen/Dreitaegiger-Workshop-
Islamverstaendnis-zwischen-Rationalitaet-und-Radikalitaet-vom-28.-30.-Juli)
vorgesehen?

14. Wie stellt die Bundesregierung vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die
IGS eng mit dem vom Verfassungsschutz beobachteten und mit der irani-
schen Führung verbundenen IZH zusammenarbeitet, sicher, dass keine Mit-
tel aus dem Projekt „Demokratie leben!“ an Einrichtungen in Deutschland
gehen, die im Verdacht stehen, zumindest teilweise aus dem Iran kontrolliert
zu werden?

15. Inwiefern setzt sich die Bundesregierung dafür ein, dass diese oder vergleich-
bare Mittel in Zukunft weiter oder nicht mehr an die IGS gezahlt oder ihr
unmittelbar oder mittelbar zur Verfügung gestellt werden?

16. Inwiefern vertritt die IGS nach Ansicht der Bundesregierung „eine Werte-
ordnung, die mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung nicht ver-
einbar ist“ (vgl. Verfassungsschutzbericht Hamburg vom 1. Juni 2017)?

17. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus der Erkenntnis des Verfassungsschutzes Hamburg (Landesverfassungs-
schutzbericht für 2016, S. 57) „Das IZH hat ein bundesweites Kontaktnetz
aufgebaut und übt auf Schiiten unterschiedlicher Nationalität sowie die schi-
itisch-islamischen Moscheen und Vereine Einfluss aus, bis hin zur vollstän-
digen Kontrolle“ in Bezug auf die Verbindung von IZH und IGS?

18. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus den antiisraelischen Positionen, die Funktionäre des IZH bei Auftritten
auf bzw. durch die Teilnahme an Al-Quds-Demonstrationen (https://jfda.de/
blog/2017/07/03/auswertung-al-quds-marsch-2017/) kundtun, und inwiefern
ist das IZH nach Kenntnis der Bundesregierung an der „Organisation und
Durchführung“ der Veranstaltung (vgl. Landesverfassungsschutzbericht
Hamburg für 2016, S. 56) beteiligt?
Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung oder haben nach Kenntnis der
Bundesregierung die Länder über Organisatoren, Unterstützer und Teilneh-
mer der Al-Quds-Märsche?

19. Inwiefern sind die Demonstrationen anlässlich des Al-Quds-Tages Gegen-
stand einer Überwachung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz oder
nach Kenntnis der Bundesregierung durch Landesämter für Verfassungs-
schutz?

20. Welche Fälle von Einschüchterung von Exiliranern (http://daserste.ndr.de/
panorama/archiv/2009/Iraner-in-Deutschland-Das-Regime-verfolgt-seine-
Kritiker.panoramairan106.html) durch das IZH oder andere Mitgliedsorga-
nisationen der IGS sind der Bundesregierung oder nach Kenntnis der Bun-
desregierung den Ländern bekannt?

21. Inwiefern gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung andere Organisationen
in Deutschland, auf deren Tätigkeiten Vertreter der iranischen Regierung wie
im Falle des IZH direkten Einfluss haben, und wie üben sie ihn ggf. aus (bitte
ggf. nach Organisationen aufschlüsseln)?

Berlin, den 28. Juli 2017

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
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