BT-Drucksache 18/13185

Neue Befunde in den belgischen Atomkraftwerken Tihange 2 und Doel 3 (Nachfragen zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksache 18/13125)

Vom 21. Juli 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/13185
18. Wahlperiode 21.07.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Oliver Krischer, Britta Haßelmann,
Annalena Baerbock, Christian Kühn (Tübingen), Steffi Lemke, Peter Meiwald,
Markus Tressel, Dr. Valerie Wilms und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Neue Befunde in den belgischen Atomkraftwerken Tihange 2 und Doel 3
(Nachfragen zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage auf
Bundestagsdrucksache 18/13125)

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat am 29. Juni 2017 eine Kleine An-
frage zu den neuen Befunden in den belgischen Atomkraftwerken (AKW)
Tihange 2 und Doel 3 eingereicht (Bundestagsdrucksache 18/13042), die die
Bundesregierung am 12. Juli 2017 beantwortet hat (Bundestagsdrucksache
18/13125). Aus Sicht der Fragestellerinnen und Fragesteller besteht noch weiterer
Klärungsbedarf.
Das Atomkraftwerk Tihange ist nicht einmal 60 km und das Atomkraftwerk Doel
nur rund 115 km von der deutsch-belgischen Grenze entfernt. Für das Rheinland
und insbesondere für die grenznahe StädteRegion Aachen besteht deswegen ein
starkes öffentliches Interesse an den Atommeilern. Im Sommer 2012 wurden in
Doel 3 und Tihange 2 mehrere tausend Ultraschallanzeigen im Grundmaterial der
geschmiedeten Reaktordruckbehälter (RDB) festgestellt. Der RDB ist das Herz-
stück des Reaktors. In dem Behälter befinden sich die Brennelemente, dort ent-
steht die nukleare Kettenreaktion. Er ist eine von mehreren Barrieren, die das
Austreten radioaktiver Stoffe verhindern sollen. Beide Atommeiler sind weiterhin
in Betrieb. Unklar sind nach wie vor der Verbleib von Bestandteilen der entspre-
chenden Herstellungsdokumentation und die Frage, ob die Reaktoren mit diesem
Materialzustand überhaupt genehmigungsfähig gewesen wären.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche konkreten Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Anzahl be-

wertungspflichtiger und nicht bewertungspflichtiger Anzeigen in Tihange 2
und Doel 3?

2. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung zu den unterschiedlichen Be-
wertungskriterien von bewertungspflichtigen und nicht bewertungspflichti-
gen Anzeigen aus den Jahren 2014 und 2016/2017, und warum wurden nach
Kenntnis der Bundesregierung die Bewertungskriterien zwischen 2014 und
2016/2017 verändert?

3. Warum liegen der Bundesregierung keine Kenntnisse darüber vor, warum
und in welchem konkreten Umfang die Herstellungsdokumentation der RDB
der Reaktoren Doel 3 und Tihange 2 fehlt oder unvollständig ist (vgl. Ant-
worten der Bundesregierung zu den Fragen 7 und 8 der Kleinen Anfrage auf
Bundestagsdrucksache 18/13125)?

Drucksache 18/13185 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
4. Beabsichtigt die Bundesregierung, durch Fragen an die belgische Atomauf-
sicht zu klären, aus welchem konkreten Grund (fehlerhaft/unvollständig do-
kumentiert etc.) die Anzeigen nicht bei der Abnahmeprüfung der RDB-
Schmiederinge gefunden oder dokumentiert wurden und warum dies von der
belgischen Atomaufsicht aus der vorliegenden Herstellungsdokumentation
nicht mehr nachvollzogen werden kann (wenn nein, bitte erläutern; vgl. Ant-
wort der Bundesregierung zu Frage 7 der Kleinen Anfrage auf Bundestags-
drucksache 18/12295)?

5. Stimmt die Bundesregierung der Aussage zu, dass eine vollständige RDB-
Herstellungsdokumentation für die aktuelle Sicherheitsbeurteilung der RDB
von Doel 3 und Tihange 2 zwingend notwendig ist (wenn nein, bitte erläu-
tern; vgl. Antwort der Bundesregierung zu Frage 11 der Kleinen Anfrage auf
Bundestagsdrucksache 18/13125)?

6. Wie bewertet die Bundesregierung aus sicherheitstechnischer Sicht, dass die
Dokumente der RDB-Herstellung unvollständig sind?
Welches sind nach Kenntnis der Bundesregierung die sicherheitsrelevanten
Bestandteile der RDB-Herstellungsdokumentation, die nicht mehr auffind-
bar sind (bitte vollständige Angabe)?

7. Warum ist die Bundesregierung noch nicht der Frage nachgegangen, ob die
Anzeigen trotz heute fehlender RDB-Herstellungsdokumentation bei der Er-
richtungs- und/oder Inbetriebnahmegenehmigung berücksichtigt worden
sind (bitte erläutern; vgl. Antwort der Bundesregierung zu Frage 12 der Klei-
nen Anfrage auf Bundestagsdrucksache 18/13125)?

8. Welche anderen Genehmigungsunterlagen können nach Ansicht der Bundes-
regierung Hinweise enthalten, ob die Anzeigen bei der Errichtung des AKW
berücksichtigt wurden?
Sind z. B. die sog. Acceptance reports aus den 1970er Jahren dahingehend
geprüft worden (vgl. (2013): Doel 3 – Tihange 2 RPV issue. International
Expert Review Board Final Report; www.fanc.fgov.be/GED/00000000/
3300/3393.pdf)?
Sind diese oder andere Unterlagen ebenfalls nicht auffindbar?
Falls nein, wurde nach Kenntnis der Bundesregierung der Frage nachgegan-
gen, ob und ggf. welche Hinweise sie hierzu enthalten, und falls ja, mit wel-
chen konkreten Ergebnissen?

9. Wird die Bundesregierung durch Fragen an die belgische Atomaufsicht der
Frage nachgehen, ob und ggf. in welchem Umfang die Anzeigen bei der Er-
richtungs- und/oder Inbetriebnahmegenehmigung berücksichtigt worden
sind (wenn nein, bitte erläutern)?

10. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung über die Anmerkung eines von
der belgischen Atomaufsicht eingesetzten Expertenpanels, dass bereits Zwi-
schenringe aufgrund von Wasserstoffflocken abgelehnt worden sind
(„Furthermore, it is documented that some other parts, like the transition
rings, were rejected exactly because of these hydrogen flakes“, vgl. (2013):
Doel 3 – Tihange 2 RPV issue. International Expert Review Board Final Re-
port, www.fanc.fgov.be/GED/00000000/3300/3393.pdf)?

11. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung über diese verworfenen Zwi-
schenringe (z. B. Anzahl, Größe und räumliche Verteilung der Anzeigen)
und insbesondere über die Unterschiede zwischen den verworfenen Zwi-
schenringen mit Wasserstoffflocken und den ebenfalls von Wasserstoffflo-
cken betroffenen, aber im RDB verbauten Schmiederingen?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/13185

12. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung darüber, inwiefern die belgische

Atomaufsichts- und Genehmigungsbehörde in der Errichtungszeit der AKW
Tihange 2 und Doel 3 darüber informiert war oder nicht, dass Zwischenringe
aufgrund von derartigen Befunden verworfen wurden?
Wenn sie darüber informiert war,
a) geschah das Verwerfen dieser Zwischenringe nach Kenntnis der Bundes-

regierung sogar auf Veranlassung der belgischen Atomaufsichts- und Ge-
nehmigungsbehörde,

b) welche weiteren Konsequenzen zog die belgische Behörde nach Kenntnis
der Bundesregierung hinsichtlich anderer RDB-Teile, wie beispielsweise
der Anordnung von konkreten Prüfungen anderer RDB-Teile auf Betrof-
fenheit ähnlicher Befunde?

13. Hat die Bundesregierung Kenntnis über weitere Teile, die damals aufgrund
von Wasserstoffflocken verworfen wurden?

14. Welche Teile des RDB der AKW Tihange 2 und Doel 3 mit Wasserstoffflo-
ckenbefunden hätten nach Kenntnis der Bundesregierung nach damaligem
belgischen Regelwerk verworfen werden müssen, wenn sie bei den herstel-
lungsbegleitenden Prüfungen bzw. den betreffenden Prüfungen vor der Inbe-
triebnahme des AKW Tihange 2 aufgefallen wären?

15. Sofern der Bundesregierung keine Kenntnisse hierzu vorliegen, hat sie die
belgische Atomaufsicht hierzu jemals befragt?

Wenn nein, warum nicht?
Wenn ja, wollte die belgische Atomaufsicht betreffende Fragen nicht beant-
worten, oder konnte sie es nicht (bitte mit der Begründung der belgischen
Atomaufsicht, soweit bekannt)?

16. Hat die Bundesregierung Erkenntnisse darüber, ob es im belgischen Atom-
recht Regelungen gibt, die vergleichbar zu § 17 Absatz 2 bis 5 des Atomge-
setzes sind, und wenn ja, welche genau sind dies?

17. Wird die Bundesregierung alle angesprochenen offenen Fragen zur Herstel-
lungsdokumentation, so, wie sie sich aus dem deutschen Regelwerk ergeben,
an die belgische Atomaufsichtsbehörde stellen und auf klare Antworten
drängen?

Bis wann soll dies ggf. geschehen (wenn nein, bitte erläutern)?
18. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung darüber, ob nach wie vor nur in

Doel 3 das Notkühlwasser vorgewärmt wird, und wenn ja, welche Kennt-
nisse hat sie darüber, warum das Notkühlwasser in Tihange 2 nicht vorge-
wärmt wird?

Berlin, den 21. Juli 2017

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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