BT-Drucksache 18/13152

Möglicherweise rechtswidriges Vergabeverfahren für Kampfdrohnen der Bundeswehr

Vom 12. Juli 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/13152
18. Wahlperiode 12.07.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Christine Buchholz, Frank Tempel,
Jan van Aken, Annette Groth, Inge Höger, Kerstin Kassner, Alexander Ulrich,
Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE.

Möglicherweise rechtswidriges Vergabeverfahren für Kampfdrohnen der
Bundeswehr

Die Bundeswehr wollte fünf Kampfdrohnen aus Israel beschaffen, die nahe Tel
Aviv stationiert werden sollten. Ihr Grundpreis würde über 1 Mrd. Euro betragen,
hinzu kämen Kosten für die Bewaffnung und die jeweiligen Kampfeinsätze
(http://gleft.de/1MD). Exklusiver Hauptauftragnehmer des Drohnen-Deals wäre
der Rüstungskonzern Airbus. Gegen die Vergabe ohne Ausschreibung hatte der
US-Drohnen-Hersteller General Atomics vor dem Oberlandesgericht (OLG)
Düsseldorf gegen das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) prozessiert
(tagesschau.de vom 16. September 2016, „Gericht bremst von der Leyens Droh-
nen-Deal“). Der Rüstungskonzern hat für den europäischen Markt das bewaff-
nungsfähige Modell „Certifiable Predator B – Guardian Eagle“ (Predator CPB)
entwickelt. Die NATO-Partner Großbritannien, Frankreich und Italien haben sich
zur Beschaffung dieses Modells entschieden.
Die Bundesregierung hält das Verfahren für in Ordnung, da die Beschaffung der
„German Heron TP“ (G-Heron TP) nicht über § 12 Absatz 1 Nummer 1 Buch-
stabe c der Vergabeverordnung Verteidigung und Sicherheit (VSVgV), sondern
auf Grundlage des Ausnahmetatbestandes des § 145 Nummer 4 Buchstabe a des
Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) erfolgen würde (Bundes-
tagsdrucksache 18/12502, Antwort zu Frage 30). Mit der Regierung Israels seien
außerdem bereits Gespräche zu einer „Government to government“-Vereinba-
rung geführt worden. Diese Vereinbarung sei komplementär zum Industrievertrag
für die Realisierung des Projektes „in seiner Gesamtheit notwendig“ und bereits
endverhandelt.
Die Entscheidung der Vergabeart wurde in einem Verfahren vor dem OLG Düs-
seldorf ausführlich geprüft. Der Vergabesenat hat am 31. Mai 2017 entschieden,
dass die Bundeswehr rechtskonform gehandelt hat und insofern das System
„G-Heron TP“ wie geplant beschaffen dürfte (Urteil des OLG Düsseldorf,
VII-Verg 36/16 vom 31. Mai 2017). Dagegen hat General Atomics jedoch eine
Anhörungsrüge gestellt (http://gleft.de/1MB). Bis zu einer Entscheidung ist der
Bundesregierung die Erteilung eines Zuschlags für die favorisierte „G-Heron TP“
untersagt. Als Grund nennt das OLG Düsseldorf, der Antragstellerin sei „bei der
im gegenwärtigen Verfahrensstadium gebotenen summarischen – und vorbehalt-
lich einer detaillierten – Überprüfung eine Erfolgsaussicht nicht abzusprechen“.
Die Auswahlentscheidung für die „G-Heron TP“ ist an Bedingungen geknüpft
(Bundestagsdrucksache 18/7725). Hierzu gehört, dass Israel Aerospace Industries
(IAI), Airbus und das israelische Verteidigungsministerium im Falle eines Ver-
tragsabschlusses Auflagen zur Zulassung und Waffenintegration erfüllen. Zudem

Drucksache 18/13152 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

habe der Hersteller eine frühere Verfügbarkeit der „G-Heron TP“ zugesagt. In
diesem Zusammenhang werde die „Predator CPB“ vom Generalinspekteur der
Bundeswehr als Option „erneut betrachtet, wenn die vorgenannten Auflagen der
Auswahlentscheidung nicht erfüllt werden“ (die sogenannte „Rückfalloption“,
siehe „Bundeswehr will israelische Drohne Heron TP leasen“, morgenpost.de
vom 13. Januar 2016).
Vor vier Jahren hatte der damalige Bundesminister der Verteidigung, Dr. Thomas
de Maizière, die Beschaffung eigener Kampfdrohnen „für sicherheitspolitisch,
bündnispolitisch und technologisch sinnvoll“ erklärt (Plenarprotokoll 17/219).
Das Thema sollte nach Presseberichten jedoch aus dem anstehenden Bundestags-
wahlkampf herausgehalten werden (SPIEGEL ONLINE vom 21. März 2013).
Auch in diesem Jahr sorgt die Beschaffung für politischen Ärger. Nachdem die
SPD ihre Zustimmung zur Beschaffung der „G-Heron TP“ zurückzog, warf die
Bundesministerin der Verteidigung, Dr. Ursula von der Leyen, dem Koalitions-
partner vor, dieser ließe „die Soldatinnen und Soldaten in den Einsätzen im Stich“
(„Koalitionskrach über Beschaffung von Drohnen“, handelsblatt.de vom 27. Juni
2017).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Haltung vertritt die Bundesregierung zu der Frage, inwiefern der im

Vergabeverfahren für die Kampfdrohnen der Bundeswehr bislang leer aus-
gegangene Konkurrent General Atomics die zahlreichen, über mehrere Jahre
erfolgten Besuche von Vertretern des Bundesverteidigungsministeriums und
der Bundeswehr in den USA zu Fragen einer möglichen Beschaffung seiner
Drohnen „Predator“ bzw. „Reaper“, auf denen das eine Zeitlang favorisierte
Modell „Guardian Eagle“ basiert, womöglich als Teil eines Vergabeverfah-
rens interpretieren kann und deshalb berechtigterweise gegen die Vergabe an
Airbus klagt?

2. Um wie viele Wochen oder Monate würde sich die Verfügbarkeit und Ein-
satzfähigkeit der „Guardian Eagle“ im Falle einer Vergabe an General
Atomics gegenüber der „G-Heron TP“ verzögern, und welche Gründe sind
der Bundesregierung hierzu bekannt?

3. Welche Angaben haben die Hersteller der beiden Systeme bzw. die Regie-
rungen der Vereinigten Staaten und Israels dazu gemacht, nach wie vielen
Monaten nach Vertragsschluss die „anfängliche Einsatzfähigkeit“ bzw. die
Bewaffnungsfähigkeit hergestellt sein kann?

4. Was ist der Bundesregierung zu den Leistungsmerkmalen der „Guardian Ea-
gle“ des US-Konkurrenten General Atomics bekannt, der nach Kenntnis der
Fragesteller behauptet, dass die Drohne deutlich günstiger als die „G-Heron
TP“ sei, mehr Nutzlast befördere, eine höhere Fluggeschwindigkeit habe und
über eine größere Reichweite verfüge?
a) Inwiefern trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass die neun-

jährigen Leasingkosten des „Guardian Eagle“, wie von der US-Firma Ge-
neral Atomics in einem Schreiben an Abgeordnete des Haushaltsaus-
schusses des Deutschen Bundestages behauptet, bei der Hälfte des Ange-
botes aus Israel lägen und dies der Bundesregierung auch bekannt sei?

b) Was ist der Bundesregierung aus ihren Treffen mit General Atomics dar-
über bekannt, ob die „Guardian Eagle“ über ein automatisches Start- und
Landesystem verfügt bzw. ein solches System schnell zu lizensieren
wäre?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/13152
5. Welches Angebot hat General Atomics der Bundesregierung für einen Kauf
des US-Systems inklusive Zulassung, Ausbildung, logistischer Unterstüt-
zung unterbreitet, und inwiefern wurde dem Bundesverteidigungsministe-
rium auch eine Rückkaufoption angeboten?

6. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, für welche Produktionsab-
läufe der „Guardian Eagle“ (auch die Musterzulassung) deutsche Unterneh-
men eingebunden sind?

7. Was ist damit gemeint, wenn die Bundesregierung vor dem OLG Düsseldorf
vorträgt, die „G-Heron TP“ erfülle lediglich „weitgehend“ die technischen
Voraussetzung für eine Einsatznutzung (Urteil des OLG Düsseldorf,
VII-Verg 36/16 vom 31. Mai 2017), und welche Vorgaben müssen hierfür
noch erfüllt werden?

8. Welche Anpassungen zur Zulassung hat das Bundesministerium der Vertei-
digung für die „G-Heron TP“ identifiziert, und wie müssten diese im Mus-
terprüfungsprogramm für die Zulassung nach deutschem Recht durch das
Luftfahrtamt der Bundeswehr berücksichtigt werden?

9. Hält die Bundesregierung als Grund für die Beschaffung der Drohnen vom
Typ Heron-TP ihre vor dem OLG Düsseldorf getroffene Aussage aufrecht,
wonach IAI die „Auslieferung und Ausbildung incl. Ausbildung zum Waf-
feneinsatz“ von 24 Crews innerhalb von 24 Monaten und damit 18 Monate
früher als der klagende Konkurrent General Atomics anbieten kann?

10. Kann die Bundesregierung die vom OLG Düsseldorf nach Kenntnis der Fra-
gesteller getroffene Aussage bestätigen, dass das US State Department in ei-
nem an das BMVg adressierten Schreiben vom 18. November 2015 die Un-
terstützung für das Leasing einer bewaffnungsfähigen Drohne inkl. Bewaff-
nung zugesichert hat?

11. Hält die Bundesregierung als Grund für die Beschaffung der Drohnen vom
Typ „G-Heron TP“ die vom OLG Düsseldorf zitierte Aussage eines Abtei-
lungsleiters innerhalb des BMVg aufrecht, wonach „auch im Hinblick auf
die Bewaffnungsfähigkeit der Drohnen und die bei einer Bewaffnung not-
wendig werdenden taktischen Waffenausbildung“ die Beschaffung des He-
ron TP derjenigen des amerikanischen Mitbewerbers General Atomics über-
legen sei, da diese mit „skalierbarer und abstandsfähiger Präzisionsmunition
ausgestattet werden“ kann und daher „eher dem Bewaffnungskonzept der
Luftwaffe“ entspreche (Urteil des OLG Düsseldorf, VII-Verg 36/16 vom 31.
Mai 2017)?

12. Welche Einschätzung vertritt die Bundesregierung zur Frage, innerhalb wel-
cher Zeit die US-Regierung eine Exportgenehmigung der bewaffnungsfähi-
gen bzw. bewaffneten „Predator CPB“ für einen europäischen Staat erteilen
könnte?

13. Inwiefern wäre im Falle Deutschlands sogar zu erwarten, dass die Bundesre-
gierung die Genehmigungen noch zügiger erhielte, etwa weil die US-Admi-
nistration in der Vergangenheit bereits mehrfach signalisiert hat, dass eine
Genehmigung im Falle Deutschlands eine reine Formsache sei?

14. Hält die Bundesregierung ihren nach Kenntnis der Fragesteller mit Schrift-
satz vom 28. Februar 2017 gegenüber dem OLG Düsseldorf vorgetragenen
Standpunkt aufrecht, dass bei der Entscheidung gegen die Drohnen des US-
Herstellers General Atomics die Abhängigkeit vom US-Kongress maßgeb-
lich war, während die israelische Seite der Bundesregierung völlig freie Hand
bei der Auswahl der Einsatzgebiete gegeben hat?

15. Was ist der Bundesregierung über Möglichkeiten bekannt, mit denen die US-
Regierung Einfluss auf das Einsatzgebiet ihrer Drohnen nehmen könnte,
wenn sich die Bundeswehr für die „Predator CPB“ entschiede?

Drucksache 18/13152 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

16. Für welchen Zweck wird „im Falle einer erforderlichen durchhaltefähigen

Einsatzunterstützung in zwei Einsatzgebieten“ die Bereitstellung von weite-
ren drei Drohnen plus Bodensegmenten benötigt (Bundestagsdrucksache
18/13086, Antwort zu Frage 3)?

17. Auf Basis welcher konkreten Bewaffnung haben das Verteidigungsministe-
rium bzw. das Luftfahrtamt der Bundeswehr die belastbare Prognose zur „ri-
sikoarmen Integration der auszuwählenden Munitionssorte“ erstellt (Bundes-
tagsdrucksache 18/13086, Antwort zu Frage 5a)?

18. Wann hat das Luftfahrtamt der Bundeswehr die belastbare Prognose vorge-
legt?

19. Inwiefern sind die Anforderungen (standardisierter) Schnittstellen der Auf-
hängepunkte für die Bewaffnung der „G-Heron TP“ mit den NATO-Schnitt-
stellen vollumfänglich kompatibel, bzw. welche Abweichungen werden im
Rahmen der Qualifizierung und Integration der Bewaffnung abgestimmt?

20. Welche Auflagen hat der Generalinspekteur der Bundeswehr bei seiner Aus-
wahlentscheidung für die „G-Heron TP“ hinsichtlich des Nachweises der
Lufttauglichkeit und zu Fragen zur Integration der Bewaffnung gemacht?
a) Wie sollen diese Bedingungen nach Kenntnis der Bundesregierung von

IAI, Airbus und dem israelischen Verteidigungsministerium erfüllt wer-
den?

b) Wann soll der Auswahlentscheidung bzw. den Plänen des Bundesvertei-
digungsministeriums zufolge die „anfängliche Einsatzfähigkeit“ und die
Bewaffnungsfähigkeit der „G-Heron TP“ hergestellt sein?

c) Unter welchen Voraussetzungen könnte der Generalinspekteur der Bun-
deswehr die „Predator CPB“ als Option „erneut betrachte[n], wenn die
vorgenannten Auflagen der Auswahlentscheidung nicht erfüllt werden“?

21. Welche konkreten Sensoren im visuellen und infraroten Spektralbereich
bzw. Radarsensoren sowie Peripheriegerät (Datenübertragungsgeräte zur
Steuerung des Luftfahrzeuges und zur Datenübermittlung bzw. -auswertung)
würden im Falle eines Vertragsschlusses mit IAI bzw. Airbus von den israe-
lischen Firmen ELTA Systems Ltd., Elisra Ltd. und Elbit Systems Ltd. in die
„G-Heron TP“ eingebaut (Bundestagsdrucksache 18/13086, Antwort zu
Frage 10)?

22. Welche Auffassung vertritt die Bundesregierung zur Frage, inwiefern die mit
Airbus und der Regierung Israels ausgehandelten Verträge als Grundlage für
eine neuerliche Abstimmung im Deutschen Bundestag in der 19. Legislatur-
periode dienen können oder hierzu überarbeitet bzw. sogar neu aufgesetzt
werden müssten?

23. Welche Angaben enthalten die unterschriftsreifen Verträge hinsichtlich der
Gültigkeit von Preiskonditionen und Lieferfristen?

Berlin, den 11. Juli 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.