BT-Drucksache 18/13151

Kampfdrohnen der Bundeswehr für sogenannte kleinteilige, chirurgische Angriffe

Vom 11. Juli 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/13151
18. Wahlperiode 11.07.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Christine Buchholz, Annette Groth,
Heike Hänsel, Inge Höger, Ulla Jelpke, Niema Movassat, Kersten Steinke,
Alexander Ulrich, Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE.

Kampfdrohnen der Bundeswehr für sogenannte kleinteilige, chirurgische Angriffe

Für 1,024 Mrd. Euro wollte die Bundeswehr fünf bewaffnungsfähige Drohnen
vom israelischen Hersteller Israel Aerospace Industries (IAI) beschaffen (dpa
vom 21. Juni 2017, „Von der Leyen hat ein Drohnen-Problem“). Die Entschei-
dung für die Drohnen vom Typ „Heron TP“ fiel durch die Auswahlentscheidung
des Generalinspekteurs der Bundeswehr vom 12. Januar 2016 (Bundestagsdruck-
sache 18/7725, Antwort zu Frage 2). Am 28. Juni 2017 wurde dem Verteidi-
gungsausschuss des Deutschen Bundestages eine Vorlage des Bundesministeri-
ums der Finanzen über den Abschluss der Verträge zur Beschaffung von fünf
Kampfdrohnen des Typs „German Heron TP“ (G-Heron TP) vorgelegt. Sie ent-
spricht der seit dem Jahr 2013 bestehenden Absicht der Bundesregierung, bewaff-
nungsfähige Drohnen der MALE-Klasse zu beschaffen (Bundestagsdrucksa-
che 17/14053, Antwort zu Frage 1). Die Vorlage sah den Abschluss eines Dienst-
leistungsvertrages mit der Airbus Defense and Space Airborne Solutions GmbH
(ADAS) sowie eine Regierungsvereinbarung mit dem Verteidigungsministerium
des Staates Israel vor. Die Regierungsvereinbarung sollte die Bereitstellung der
Infrastruktur auf dem israelischen Flughafen Tel Nof regeln, wo die Drohnen sta-
tioniert werden sollten. Schließlich wurde die Vorlage durch die Mehrheit der
Abgeordneten am Ende der Sitzung von der Tagesordnung genommen, ohne dass
über sie abgestimmt worden wäre.
Die Luftwaffe will die „G-Heron TP“ im Falle der Beschaffung mit Präzisions-
munition ausrüsten und damit „kleinteilige, chirurgische Angriffe“ fliegen (Be-
schluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf, VII-Verg 36/16 vom 31. Mai 2017).
Explizit sollen die Drohnen auch in städtischem Gebiet eingesetzt werden kön-
nen. Eine entsprechende Leistungsbeschreibung für die gewünschte Bewaffnung
haben das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) und das israelische Ver-
teidigungsministerium mit der israelischen Luftwaffe festgelegt. Bislang sind
keine Details zur gewünschten Bewaffnung bekannt. Angeblich hat auch die Bun-
desregierung keine Erkenntnisse darüber, welche Bewaffnung von den Herstel-
lern bereits an den Drohnen „Heron TP“ eingesetzt oder getestet wurde (Plenar-
protokoll 18/239, Antwort auf die Mündliche Frage 12 des Abgeordneten Andrej
Hunko). Testergebnisse will die israelische Regierung angeblich erst nach einem
Vertragsschluss herausgeben.
Medienberichten zufolge wollte die Bundeswehr 60 Lenkraketen zu Trainings-
zwecken einkaufen (Newsletter Verteidigung vom 27. Juni 2017, SPIEGEL
ONLINE vom 23. Juni 2017, „SPD will Kauf von ‚Jedi‘-Raketen blockieren“).
Die Waffen seien vom Typ „Jedi“ und würden rund 25 Mio. Euro kosten. Um die
Raketen bei einer geplanten Lieferung der Drohnen in 18 Monaten einsetzen zu

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können, müssten diese außerdem zertifiziert werden. In den Kosten sei auch die
Ausbildung von Bundeswehrangehörigen an den Raketen enthalten. Hierfür wäre
die israelische Luftwaffe zuständig. Zum „durchhaltefähigen Einsatz in zwei Ein-
satzgebieten“ wollte die Bundeswehr bis zu 78 Besatzungen ausbilden (Plenar-
protokoll 18/239, Antwort auf die Mündliche Frage 13 der Abgeordneten Heike
Hänsel).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie definiert die Bundesregierung den Begriff „bewaffnungsfähige

Drohne“?
2. Wann und mit wem hat die Bundesregierung Verhandlungen zur „Bewaff-

nungsfähigkeit“ der favorisierten „G-Heron TP“ begonnen, was einer Aus-
kunft vom vergangenen Jahr zufolge „erst nach der Eröffnung des Vergabe-
verfahrens und basierend auf einem Angebot“ geschehen sollte (Plenarpro-
tokoll 18/175, Anlage 26)?

3. Inwiefern trifft es zu, wie die Bundesregierung vor dem Oberlandesgericht
Düsseldorf als Beklagte vortrug, dass seit Jahren feststehe, welche Bewaff-
nung für die deutschen Kampfdrohnen gekauft werden solle („Die Bewaff-
nung, die die Antragsgegnerin aus sachlich nachvollziehbaren Gründen von
Anfang an favorisiert hat […]“, siehe Beschluss des Oberlandesgerichts Düs-
seldorf, VII-Verg 36/16 vom 31. Mai 2017)?
a) Um welche favorisierte Bewaffnung mit welchen Spezifikationen handelt

es sich dabei?
b) Wann genau („von Anfang an“) und bei welcher Gelegenheit wurde sich

auf diese Bewaffnung festgelegt?
c) Welches Unternehmen aus welchem Land stellt diese Raketen her?
d) Welche Erläuterungen kann die Bundesregierung dazu machen, dass die

Überlegungen zur Bewaffnung, wie vor dem OLG Düsseldorf vorgetra-
gen, nicht erst während des damals laufenden Verfahrens „nachgescho-
ben“ wurden, sondern schon vor der Auswahlentscheidung des General-
inspekteurs der Bundeswehr Berücksichtigung fanden?

e) Aus welchem Grund wurde der Fraktion DIE LINKE. trotz ihrer zahlrei-
chen Nachfragen nicht mitgeteilt, dass längst Überlegungen zur Bewaff-
nung angestellt wurden und diese sogar „von Anfang an“ feststanden
(dazu beispielhaft Bundestagsdrucksache 18/7725)?

4. Inwiefern trifft es zu, dass die Luftwaffe mit ihren Drohnen mit Präzisions-
munition „kleinteilige, chirurgische Angriffe“ fliegen will (Beschluss des
Oberlandesgerichts Düsseldorf, VII-Verg 36/16 vom 31. Mai 2017)?
a) Welches Szenario wird mit der Formulierung „kleinteilige, chirurgische

Angriffe“ umschrieben, und wie soll dabei vermieden werden, dass Un-
beteiligte von den Raketen in die Luft gesprengt werden?

b) Wann und wo wurde der Bedarf bzw. die Forderung zur Einrüstung von
Präzisionsmunition für „kleinteilige, chirurgische Angriffe“ formuliert?

c) Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, inwiefern diese Forderung
auch von Drohnen des Herstellers General Atomics erfüllt würde?

5. Inwiefern enthält die noch nicht unterzeichnete Leistungsbeschreibung für
die gewünschte Bewaffnung der favorisierten „G-Heron TP“, die vom
BMVg und vom israelischen Verteidigungsministerium sowie von der isra-
elischen Luftwaffe festgelegt wurde, Angaben dazu, dass die Waffensysteme
der Drohnen in städtischem Gebiet eingesetzt werden könnten?

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6. Mit welchem Ergebnis hat die Bundesregierung vor dem Aushandeln der
noch nicht unterzeichneten Leistungsbeschreibung Erkundigungen über
mögliche israelische Raketentypen eingeholt, mit denen die favorisierten
„G-Heron TP“ bewaffnet werden könnten?

a) Welche infrage kommenden Waffensysteme sind der Bundesregierung
durch Erkundigungen oder Gespräche mit dem israelischen Verteidi-
gungsministerium sowie der israelischen Luftwaffe bekannt geworden?

b) Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, inwiefern die israeli-
schen Raketen des Typs „Nimrod“ bzw. deren Derivate „Mikhol“ und
„Mikholit“ auch für den Einsatz an den Kampfdrohnen geeignet sind?

7. Wann sind der Bundesregierung Hinweise oder Feststellungen bekannt ge-
worden, welche Hersteller israelischer Waffensysteme damit einverstanden
wären bzw. es ablehnen, ihre Raketen auch in eine US-Drohne einzurüsten?

8. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, nach welcher Maßgabe es der
Rüstungskonzern IAI oder die israelische Regierung technisch und politisch
umsetzen würden, in die favorisierten „G-Heron TP“ auch Waffen aus ande-
ren Ländern einzurüsten?

9. Inwiefern trifft es wie vom Newsletter Verteidigung am 27. Juni 2017 be-
richtet zu, dass die Bundeswehr 60 Lenkraketen des Typs „Jedi“ zu Trai-
ningszwecken einkaufen und hierfür rund 25 Mio. Euro verausgaben wollte?
a) Welche Details sind der Bundesregierung zu Hersteller, Größe, Gewicht

und Sprengwirkung der „Jedi“ bekannt?
b) Inwiefern handelt es sich bei dem Waffensystem um ein Derivat der Ra-

keten des Typs „Nimrod“ bzw. „Mikhol“ und „Mikholit“?
c) Sofern es sich bei den „Jedi“ um eine Lenkwaffe handelt, inwiefern wird

diese mit einer Funkübertragung oder von einem Lichtwellenleiter gesteu-
ert?

d) Sofern die Sprengwirkung der „Jedi“ skalierbar sein soll, nach welchem
Verfahren (etwa Beobachtung über einen Suchkopf, Zündereinstellung)
wird dies technisch umgesetzt?

e) Welche Aufhängepunkte würden für die Bestückung der „G-Heron TP“
mit Raketen des Typs „Jedi“ benötigt, bzw. welche Spezifikationen müss-
ten diese aufweisen?

10. Nach welchem Verfahren würde die Bewaffnung der favorisierten „G-Heron
TP“ lizensiert, und welche Schritte dieses Verfahrens könnten sich auch auf
Drohnen stützen, die von der israelischen Luftwaffe geflogen werden und ein
israelisches Hoheitszeichen tragen?

11. Wie viele Bodenstationen (bitte auch die Zahl der Sitzplätze angeben) wer-
den für einen Einsatz von Drohnen (Steuerung und Luftbildauswertung) be-
nötigt, aus welchen Arbeitsplätzen bestehen diese, und inwiefern werden
diese redundant ausgelegt, müssen also in mehrfacher Ausführung vorhan-
den sein?

12. Welches Personal der Besatzung der favorisierten „G-Heron TP“ wäre im
Falle eines Einsatzes in eine Beobachtung der Lenkwaffen über den Such-
kopf eingebunden, und wer träfe die Entscheidung für den Abbruch eines
Angriffs?

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13. Wie viele der angestrebten 78 Besatzungen der favorisierten „G-Heron TP“

sind bereits ausgebildet bzw. als Piloten oder Luftbildauswerter verwendbar?
a) Wie lange sollte die Ausbildung an den „G-Heron TP“ jeweils dauern,

und wann wären alle 78 Besatzungen verwendbar?
b) Wie viele Piloten oder Luftbildauswerter würden von welchen bestehen-

den Systemen („Tornado“ und „Heron 1“) übernommen, und wie viele
würden erstmals hierzu ausgebildet?

14. Wo genau in Israel oder Deutschland sollte die taktische Waffenausbildung
an den favorisierten „G-Heron TP“ stattfinden?
a) Inwiefern würde die taktische Waffenausbildung an den „G-Heron TP“

auch durch den Hersteller der Drohnen oder der Raketen erfolgen?
b) Inwiefern könnten hierzu auch „Heron TP“ genutzt oder geflogen werden,

die im Dienst der israelischen Luftwaffe stehen?
c) Welche Angaben enthält der noch nicht unterzeichnete Regierungsvertrag

mit Israel zur Frage, wo die Bundeswehr mit den Raketen des Typs „Jedi“
trainieren sollte?

15. Inwiefern sollten bewaffnete Einsätze mit den favorisierten „G-Heron TP“
auch (teilweise) an dem Handhabungs- und Missions-Simulator beim Luft-
waffengeschwader 51 in Jagel (Schleswig-Holstein) geprobt werden?

16. Wie verteilen sich die Kosten von 60 Mio. Euro die der mit Airbus bzw. der
israelischen Regierung ausgehandelte nicht unterschriebene Vertrag veran-
schlagt, wenn die „G-Heron TP“ nicht im Grundbetrieb, sondern zusätzlich
in bis zu zwei Einsatzgebieten betrieben würden (Plenarprotokoll 18/242,
Anlage 22)?
a) Welcher zusätzliche, im Plenarprotokoll 18/242 nicht benannte Finanzbe-

darf ergäbe sich für die Ausübung der Option eines Betriebs in einem Ein-
satzgebiet?

b) Welche Infrastruktur oder sonstige Leistungen würden im Falle eines Ein-
satzes von den Vertragspartnern bereitgestellt?

c) Welche Kosten entstünden den ausgehandelten Verträgen zufolge für die
weiteren zwei „G-Heron TP“, wenn diese im Falle von Einsätzen der an-
deren fünf Drohnen beschafft würden?

17. Welche konkreten Aufgaben übernähmen die Offiziere der israelischen Luft-
waffe, die zur Überwachung der Flugwege der „G-Heron TP“ in allen Bo-
denstationen stationiert würden (Plenarprotokoll 18/242, Anlage 22), und
nach welchem Verfahren wären diese dazu berechtigt, eine Mission abzubre-
chen (etwa wenn diese den Regularien des militärischen Luftraumes in Israel
zuwiderläuft)?

18. Wann soll die Definitionsstudie für ein „Europäisches MALE RPAS“ vor-
liegen, mit der die Rüstungskonzerne Airbus (Deutschland), Dassault Avia-
tion (Frankreich) und Alenia Aermacchi (Italien) unter finanzieller Beteili-
gung der spanischen Regierung mandatiert wurden?
a) Inwiefern wurden bereits Überlegungen angestellt, nach der „Konzept-

phase“ eine „Entwurfsphase“ folgen zu lassen?
b) Welche Beiträge erbringt die Bundeswehr (insbesondere der Standort

Manching) für die Definitionsstudie?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/13151
c) Welche weiteren Unternehmen erhielten Aufträge (auch technische Bera-
terverträge) für die Definitionsstudie, und welche Kosten entstehen hier-
für?

d) Welche Aufgaben übernimmt die multilaterale Gemeinsame Organisation
für Rüstungskooperation (OCCAR) für das „Europäische MALE RPAS“,
und an welchen Standorten ist diese hierzu tätig?

e) Was ist der Bundesregierung über die Einrichtung einer gemeinsamen Zu-
lassungsorganisation für das „Europäische MALE RPAS“ bekannt?

19. Welche Einschätzung vertritt die Bundesregierung zur Frage, inwiefern sich
der Rüstungskonzern Airbus in einem Zielkonflikt befindet, wenn dieser mit
der termingerechten Entwicklung einer „europäischen Drohne“ mandatiert
würde und gleichzeitig an der Überbrückungslösung „G-Heron TP“ aus Is-
rael verdienen würde?

20. Sofern die Bundesregierung hierzu einen Zielkonflikt nicht ausschließen
kann, welche Vorsorge trifft sie diesbezüglich?

21. Welche Bedingungen kann die israelische Regierung laut den mit der Bun-
desregierung ausgehandelten Verträgen hinsichtlich des Einsatzgebietes der
von der Bundeswehr favorisierten „G-Heron TP“ stellen, und inwiefern wer-
den vom Bundesverteidigungsministerium hierzu entsprechende Zusiche-
rungen gefordert?

22. Welche Angaben enthält der mit Israel ausgehandelte Regierungsvertrag zur
Frage, wie ein durchsetzbarer Anspruch sichergestellt wird, dass deutsche
Abgeordnete in jedem Fall und auch im Falle bilateraler Spannungen (etwa
wenn die israelische Regierung von den deutschen Plänen abweichende mi-
litär-taktische oder einsatzpolitische Erwägungen verfolgt) die Drohnenbasis
in Tel Nof inspizieren dürfen?

Berlin, den 10. Juli 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
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