BT-Drucksache 18/13129

URENCO-Uran für Dual-Use-Atomreaktoren der USA zur Herstellung von Tritium für Atomwaffen

Vom 12. Juli 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/13129
18. Wahlperiode 12.07.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Hubertus Zdebel, Caren Lay, Jan van Aken,
Christine Buchholz, Eva Bulling-Schröter, Annette Groth, Inge Höger,
Andrej Hunko, Birgit Menz, Niema Movassat, Dr. Kirsten Tackmann,
Alexander Ulrich, Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE.

URENCO-Uran für Dual-Use-Atomreaktoren der USA zur Herstellung von Tritium
für Atomwaffen

Medienberichten zufolge (vgl. www.defensenews.com/articles/commentary-the-
looming-crisis-for-us-tritium-production) gibt es seit Jahren in den USA eine
Diskussion, wie die Tritium-Versorgung für Atomsprengköpfe künftig sicherge-
stellt werden könne, nachdem im Jahr 2013 die letzte nationale Urananreiche-
rungsanlage geschlossen wurde.
Tritium ist als Zusatz in den Atomwaffen erforderlich, um deren Wirksamkeit zu
steigern. Da Tritium eine Halbwertzeit von nur rund 12 Jahren hat, muss es regel-
mäßig erneuert werden.
Nachdem diese Tritium-Erzeugung früher in reinen Militärreaktoren erfolgte,
wurde in den USA im Jahr 2002 entschieden, die künftige Tritium-Erzeugung in
dem Block 1 des zivilen bzw. zur Stromerzeugung betriebenen AKW Watts Bar 1
der Tennessee Valley Authority (TVA) durchzuführen. Damit wurde ein kom-
merzieller Atomreaktor von den USA gleichzeitig auch für das Atomwaffenpro-
gramm (Dual Use) genutzt und die Trennung zwischen militärischer und „fried-
licher“ Nutzung aufgehoben.
Im April 2017 teilte die TVA nunmehr mit, dass künftig die Tritium-Erzeugung
in den je zwei Reaktor-Blöcken der Atommeiler Watts Bar und Sequoyah statt-
finden solle (vgl. www.tva.gov/file_source/TVA/Site%20Content/Environment/
Environmental%20Stewardship/Environmental%20Reviews/Production%20of%
20Tritium%20in%20a%20Commercial%20Light%20Water%20Reactor/2017-
06463.pdf). Hintergrund dieser Entscheidung ist offenbar auch, dass es bei der
Tritium-Erzeugung durch die besonderen Brennstäbe zu erhöhten Abgaben von
Tritium in das Kühlwasser und an die Umwelt kommt, sodass zur Einhaltung der
Grenzwerte eine Verteilung der Tritium-Produktion auf mehrere Reaktoren erfor-
derlich ist.
Außerdem teilte die TVA mit, dass für die Belieferung der je zwei Atomreaktoren
Watts Bar und Sequoyah künftig angereichertes Uran von der Firma URENCO
bezogen werden soll. Dazu ist ein Vertrag im Wert von 500 Mio. US-Dollar ge-
schlossen worden. Darüber berichtet u. a. die „Tagesschau“ (vgl. www.tagesschau.
de/wirtschaft/uran-usa-deutschland-103.html).
In einer Meldung von „Nuclear Intelligence Weekly“ vom 12. Mai 2017 (online
nicht verfügbar) heißt es, der Vorstand von TVA „also approved a $500 million
enriched uranium product contract with Urenco’s US subsidiary, also through

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2030 and for the same four reactors – two at Sequoyah and two at Watts Bar.
These are the four reactors that TVA announced last month may host tritiumpro-
ducing burnable absorber rods that when irradiated will produce tritium for the
US nuclear weapons program (NIW Nov. 21’14).“
Im Rahmen der Diskussion über die künftige Tritium-Versorgung hat laut einem
2014 veröffentlichten Bericht des US-Department of Energy (vgl. www.gao.gov/
assets/670/666505.pdf) offenbar die deutsch-niederländisch-britische URENCO,
die seit Mitte der 2000er Jahre in New Mexico eine eigene Urananreicherungsan-
lage aufgebaut hat, eine juristische Prüfung vorgenommen, ob das auf die „fried-
liche“ Atomenergienutzung beschränkte Unternehmen angereichertes Uran lie-
fern könnte, auch wenn aus dem Einsatz der mit URENCO-Uran hergestellten
Brennelemente Tritium für die US-Atomwaffen hergestellt wird. Demnach wird
in diesem juristischen Gutachten im Jahr 2005 festgestellt, dass URENCO trotz
der Tritium-Erzeugung als Lieferant in Frage kommt.
Das Joint Committee – ein im Rahmen des Vertrages von Almelo eingerichtetes
Kontrollorgan über die URENCO, in dem die Regierungen der Bundesrepublik
Deutschland, der Niederlande und Großbritanniens vertreten sind, soll nach dem
genannten Bericht des US-Department of Energy dieser Rechtsauffassung bereits
im Jahr 2005 zugestimmt haben. Nach Artikel 2 Satz 2 des Vertrags von Almelo
besteht im Joint Committee das Einstimmigkeitsprinzip und damit ein Veto-
Recht für die drei Staaten.
In dem genannten „Tagesschau“-Bericht heißt es: „Der frühere URENCO-Chef
Helmut Engelbrecht hatte 2015 in einem Interview mit der Wirtschaftswoche er-
klärt: ‚Alles, was mit angereichertem Uran und mit der Anreicherungstechnologie
zu tun hat, ist Gegenstand der Überwachung und Kontrolle durch die Regierun-
gen.‘“

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welches Ressort der Bundesregierung verantwortet Angelegenheiten in Be-

zug auf URENCO federführend, und – sofern dies nicht deckungsgleich ist
– welches Ressort entsendet jeweils den oder die deutschen Vertreterinnen
und Vertreter in das Joint Committee?

2. Gibt es innerhalb der Bundesregierung ein Gremium (bzw. eine Runde von
Vertreterinnen und Vertretern der befassten Ressorts), die die deutsche Posi-
tion für anstehende Entscheidungen im Joint Committee vorab festlegt?
Wenn ja, welche Bundesministerien sind mit wie vielen Vertreterinnen und
Vertretern auf welcher Ebene (Referatsleiterin/Referatsleiter, Abteilungslei-
terin/Abteilungsleiter u. Ä.) dabei vertreten?
Wenn nein, nach welchem Verfahren wird dann eine deutsche Position ge-
funden?

3. Ist es nach Kenntnis der Bundesregierung zutreffend, dass URENCO ein
Rechtsgutachten über die Möglichkeit erstellt hat, angereichertes Uran an die
USA bzw. an die TVA zu liefern, auch wenn damit in einem zivilen Reaktor
Tritium für Atomwaffen erzeugt wird?
Wenn nein, worauf beziehen sich nach Kenntnis der Bundesregierung die
genannten US-Quellen dann?
Wenn ja, wann ist dieses Gutachten aus welchem Grund und mit welchen
rechtlichen Begründungen angefertigt worden?

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4. Aus welchen Gründen hat nach Kenntnis der Bundesregierung URENCO ein
solches Gutachten bzw. eine solche Stellungnahme angefertigt, und hatte das
Joint Committee bzw. der Ständige Ausschuss vor der Erstellung dieses Gut-
achtens bzw. der Stellungnahme Kenntnis davon, dass URENCO ein solches
Gutachten anfertigen will?

Wenn ja, welche?
Wenn nein, wäre das nicht angesichts der Problematik erforderlich gewesen?

5. Zu welchem Zeitpunkt lag welchen Ressorts der Bundesregierung das Gut-
achten jeweils vor?

6. Zu welchem Zeitpunkt haben sich die mit URENCO befassten Ressorts in
welcher Form (gemeinsame Sitzung, Umlaufverfahren o. Ä.) mit dem Gut-
achten befasst?

7. Hat die Bundesregierung über das URENCO-Gutachten hinaus noch ein ei-
genes Gutachten erstellt bzw. erstellen lassen, und kam dieses Gutachten zu
den gleichen Schlüssen wie das URENCO-Gutachten?
Wenn nein, an welchen Punkten unterschieden sich die beiden Gutachten in
den Schlüssen (bitte detailliert ausführen)?

8. Wann genau und mit welchem Ergebnis hat sich das Joint Committee bzw.
der Gemeinsame Ausschuss (Vertrag von Almelo) mit dieser rechtlichen
Stellungnahme der URENCO befasst?

9. Ist die Bundesregierung bereit, das Rechtsgutachten von URENCO den Mit-
gliedern des Deutschen Bundestages zugänglich zu machen?

Wenn ja, wann?
Wenn nein, welche Gründe macht die Bundesregierung dabei geltend?

10. War zusätzlich zum Kontrollgremium im Rahmen des Vertrags von Almelo
auch das Kontrollgremium im Rahmen des Vertrags von Washington mit
dieser Thematik befasst?

Wenn ja, wann, und mit welchem Ergebnis?
Wenn nein, warum nicht?

11. Welche Bundesministerien und deren Vertreterinnen und Vertreter waren im
Jahr 2005 oder später auf Seiten der Bundesregierung davon informiert, dass
URENCO ein solches Rechtsgutachten angefertigt hat, das die Lieferungen
von angereichertem Uran für Reaktoren zum Einsatz für die Tritium-Produk-
tion für zulässig erklärte?

12. Hat es über die Lieferungen von Uran der Firma URENCO zum Einsatz in
Watts Bar oder Sequoyah zur Tritium-Erzeugung zwischen Vertreterinnen
und Vertretern der Bundesregierung und Vertreterinnen und Vertretern der
US-Regierung Gespräche gegeben, und wenn ja, wann, und wer war daran
jeweils beteiligt?

13. Ist der Bundesregierung bekannt, dass URENCO mit dem US-amerikani-
schen Betreiber TVA Verträge zur Lieferung von angereichertem Uran zum
Einsatz in den Reaktor-Blöcken Watts Bar 1 und 2 sowie Sequoyah 1 und 2
vereinbart hat?
Wenn ja, seit wann, und wie hat die Bundesregierung darüber Kenntnis er-
langt?

14. Wann waren die zwischen URENCO und der TVA jetzt geschlossenen Ver-
träge zur Lieferung von angereichertem Uran für Watts Bar und Sequoyah
Thema im Joint Committee?

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15. Wie bewertet die Bundesregierung vor dem Hintergrund nuklearer Nichtver-

breitung, dass die USA die Erzeugung von Tritium zum Einsatz für das mi-
litärische Atomwaffenprogramm in zivilen Atomreaktoren betreibt und da-
mit die Grenzen zwischen militärischer und ziviler Nutzung der Atomenergie
(Dual Use) mindestens unscharf macht?

16. Wann hat die Bundesregierung die Entscheidung getroffen, dass URENCO
mit der TVA Verträge zur Belieferung von US-Reaktoren abschließen darf,
in denen Tritium für den Einsatz in US-Atomwaffen produziert wird?

17. Wann hat das Joint Committee die Verträge zur Lieferung von angereicher-
tem Uran zwischen der TVA und URENCO für den Einsatz in Watts Bar und
Sequoyah bewilligt?

18. Geht die Bundesregierung davon aus, dass das mit Hilfe der URENCO-Lie-
ferungen erzeugte Tritium Verwendung findet in den in Deutschland gela-
gerten US-Atomwaffen (bitte begründen)?

Berlin, den 11. Juli 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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