BT-Drucksache 18/13127

Pläne der Europäischen Union für eine Vorratsdatenspeicherung der Grenzübertritte von Unionsangehörigen

Vom 12. Juli 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/13127
18. Wahlperiode 12.07.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Jan van Aken, Annette Groth, Dr. André Hahn,
Inge Höger, Ulla Jelpke, Jan Korte, Martina Renner, Frank Tempel, Kathrin Vogler
und der Fraktion DIE LINKE.

Pläne der Europäischen Union für eine Vorratsdatenspeicherung der
Grenzübertritte von Unionsangehörigen

Im Mai hat die Europäische Kommission den Abschlussbericht der „hochrangi-
gen Expertengruppe für Informationssysteme und Interoperabilität“ veröffent-
licht (http://gleft.de/1MF). Dem Dokument zufolge könnten europäische Grenz-
behörden bald die Reisewege aller Staatsangehörigen der EU-Mitgliedstaaten
ausforschen. Die Reisenden würden hiervon nichts bemerken. Neben ihren bio-
grafischen Daten soll das noch zu errichtende System die Richtung des Grenz-
übertrittes protokollieren. Die neue Datensammlung zu Grenzübertritten aller
Land-, See- und Luftgrenzen könnte im Schengener Informationssystem (SIS II),
der größten Datenbank europäischer Polizei- und Grenzbehörden, angesiedelt
werden. Bevorzugt wird jedoch die Einrichtung eines gänzlich neuen Datenspei-
chers.
Zu Zwecken des Datenschutzes und der Informationsfreiheit wird bereits jetzt
jede Abfrage von Reisedokumenten protokolliert. Die „Expertengruppe“ schlägt
nun vor, diese Logs um den Ort und den Zeitpunkt des Grenzübertritts zu erwei-
tern. Auf diese Daten könnten dann Strafverfolgungsbehörden zugreifen und den
Reiseweg einer Person nachvollziehen. Die Abfrage soll nicht nur zur Gefahren-
abwehr erlaubt sein, sondern auch in Ermittlungen zu Terrorismus oder Formen
schwerer Kriminalität.
Grundsätzlich neu ist die Idee, die Reisehistorie von Unionsangehörigen einer
stärkeren Kontrolle zu unterziehen, nicht. Zuerst hatten das Bundesministerium
des Innern (BMI) und das französische Innenministerium einen solchen Vor-
schlag lanciert (http://gleft.de/1MG). Demzufolge könnte das derzeit neu errich-
tete „Einreise-/Ausreisesystem“ (EES), in dem alle Grenzübertritte von Drittstaa-
tenangehörigen gespeichert werden, EU-Angehörige einbeziehen. Die von der
Europäischen Kommission eingesetzte „Expertengruppe“ verwarf die Option je-
doch, da dies unter anderem dem Zweck des EES – der aufenthaltsrechtlichen
Kontrolle – widerspräche.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wo wurde der Vorschlag des BMI und des französischen Innenministeriums

erörtert und geprüft, das derzeit neu errichtete „Einreise-/Ausreisesystem“
(EES), in dem alle Grenzübertritte von Drittstaatenangehörigen gespeichert
werden, auf EU-Angehörige auszuweiten?

Drucksache 18/13127 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
2. Wie hätte dies aus Sicht der Bundesregierung technisch umgesetzt werden
sollen, und welcher rechtlichen Änderungen hätte es hierzu bedurft?

3. Aus welchem Grund hat die von der Europäischen Kommission eingesetzte
„Expertengruppe“ die Option nach Kenntnis der Bundesregierung verwor-
fen?

4. Was ist der Bundesregierung über den Hintergrund des Vorschlags der „Ex-
pertengruppe“ der Europäischen Kommission bekannt, das Datum und den
Ort jedes Grenzübertrittes an Land-, See- und Luftgrenzen von Unionsange-
hörigen zu speichern?

5. Wann und von wem hat die Europäische Kommission den Auftrag erhalten,
Vorschläge zur Umsetzung einer solchen Kontrolle zu prüfen?

6. Welche Haltung vertritt die Bundesregierung zur Notwendigkeit einer sol-
chen Speicherung?

7. Welche Daten sollten aus Sicht der Bundesregierung erhoben und gespei-
chert werden, und auf welche Daten könnte verzichtet werden?

8. Welche Behörden sollten aus Sicht der Bundesregierung nach welcher Maß-
gabe auf diese Daten zugreifen?

9. Wo könnte eine solche neue Datensammlung zu Grenzübertritten aller Land-,
See- und Luftgrenzen aus Sicht der Bundesregierung angesiedelt werden?

10. Was spräche aus Sicht der Bundesregierung dafür oder dagegen, für die Ver-
arbeitung einen gänzlich neuen Datenspeicher anzulegen?

11. Was spräche aus Sicht der Bundesregierung dafür oder dagegen, die Daten
im Schengener Informationssystem (SIS II) zu verarbeiten?

12. Was spräche aus Sicht der Bundesregierung dafür oder dagegen, die Daten
im „Einreise-/Ausreisesystem“ (EES), in dem alle Grenzübertritte von Dritt-
staatenangehörigen gespeichert werden, zu verarbeiten?

13. Welche Haltung vertritt die Bundesregierung zur Frage, inwiefern zur Spei-
cherung der Grenzübertritte auch jenes System genutzt werden könnte, das
eigentlich zu Zwecken des Datenschutzes und der Informationsfreiheit ange-
legt wurde und jede Abfrage der Reisedokumente protokolliert, damit die
Betroffenen später Auskunftsersuchen zu den Kontrollen stellen können?

14. Inwiefern könnten diese Logs aus Sicht der Bundesregierung um den Ort und
den Zeitpunkt des Grenzübertritts erweitert werden, damit Strafverfolgungs-
behörden den Reiseweg einer Person nachvollziehen können?

15. Welche Haltung vertritt die Bundesregierung zur Frage, nach welcher Maß-
gabe auf die Informationen in einem „Einreise-/Ausreisesystem“ (EES) auch
die Asyl- und Migrationsbehörden zugreifen sollen?

16. Auf welche Weise könnte die unter anderem vom Bundesminister der Justiz
und für Verbraucherschutz, Heiko Maas, geforderte Datensammlung von
„asoziale[n] Schwerstkriminelle[n]“ aus Sicht der Bundesregierung umge-
setzt werden bzw. bei welchem bereits vorhandenen Informationssystem
könnte diese „europäische Extremistendatei“ angesiedelt werden (n-tv.de
vom 10. Juli 2017, „Maas: ‚Das sind asoziale Schwerstkriminelle‘“)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/13127

17. Welche weiteren Details kann die Bundesregierung zu Beteiligten und zum

Zeitrahmen einer Prüfung der „rechtlichen und technischen Machbarkeit“
des Europäischen Kriminalaktennachweises (EPRIS) mitteilen, deren
„grundsätzlicher polizeifachlicher Bedarf“ bereits durch eine von der Euro-
päischen Kommission beauftragte Machbarkeitsstudie durch Belgien festge-
stellt wurde, die aber nicht wie angekündigt im Dezember 2015 abschließend
bewertet wurde (vgl. die Antworten der Bundesregierung auf die Kleinen
Anfragen der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksachen 18/1832
und 18/7698)?
a) Sofern das Ergebnis inzwischen vorliegt, wie bewertet die Bundesregie-

rung die Möglichkeiten zur technischen und rechtlichen Umsetzung einer
solchen Datei?

b) Welche Ergebnisse sind der Bundesregierung zur technischen und recht-
lichen Machbarkeit in Kooperation mit Europol bekannt?

c) Inwiefern könnte ein Verfahren zur pseudonymisierten Suche nach ein-
zelnen Verdächtigen in Kriminalaktennachweisen der Partnerstaaten im
„Hit/No-Hit-Verfahren“ aus Sicht der Bundesregierung auch bei Grenz-
kontrollen erfolgen?

d) Inwiefern bzw. mit welchen Einschränkungen könnten aus Sicht der Bun-
desregierung auch die beim Bundeskriminalamt geführten „Gewalttäter-
dateien“ in den EU-weiten Austausch von Kriminal- bzw. Ermittlungsak-
ten im Rahmen von EPRIS eingebunden werden?

Berlin, den 11. Juli 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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