BT-Drucksache 18/13104

Transparenz in der demokratischen Willensbildung

Vom 11. Juli 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/13104
18. Wahlperiode 11.07.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Petra Sitte, Karin Binder, Eva Bulling-Schröter, Ulla Jelpke,
Susanna Karawanskij, Katrin Kunert, Petra Pau, Kersten Steinke,
Dr. Kirsten Tackmann, Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Transparenz in der demokratischen Willensbildung

Transparenz ist kein Almosen, sondern Anspruch der Wählerinnen und Wähler.
Die parlamentarische Demokratie basiert auf dem Vertrauen des Volkes; Ver-
trauen ohne Transparenz, die erlaubt, zu verfolgen, was politisch geschieht, ist
nicht möglich (BVerfGE 40, 296 (327)).
Politik vollzieht sich heutzutage immer mehr als Gesellschaftspolitik, an deren
Willensbildungs- und Aushandlungsprozessen zahlreiche Akteurinnen und Ak-
teure mitwirken.
Diese Entwicklung ist an sich positiv zu bewerten, führte jedoch in der Folge zu
einer verbandlichen Organisation und Professionalisierung der Interessenvertre-
tung gegenüber den politischen Institutionen. Die Einflussnahme von Lobbyistin-
nen und Lobbyisten auf politische Entscheidungsprozesse ist ein bedeutendes ge-
sellschaftliches Faktum geworden.
Politikerinnen und Politiker greifen immer mehr auf externe Informationen und
Beratungen zurück. Dies liegt nicht zuletzt an der Schnelllebigkeit des parlamen-
tarischen Systems sowie der Komplexität der politischen Inhalte.
Die Gefahr einer möglichen Privatisierung von Politik ist allerdings gegeben,
wenn Entscheidungsfindungsprozesse maßgeblich von Akteurinnen und Akteu-
ren bestimmt werden, denen die Verfassung keine feste Rolle im politischen Sys-
tem zugewiesen hat.
Nicht zuletzt wurde das Vertrauen in demokratische Prozesse durch in CDU-
Werbebriefen gegen finanzielle Aufwendungen angebotene Gespräche mit dem
ehemaligen nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers im
Jahr 2010 sowie die in einem Bericht vom ZDF-Magazin „Frontal21“ am 22. No-
vember 2016 aufgedeckte Vermarktung von sozialdemokratischen Spitzenpo-
litikerinnen und Spitzenpolitikern durch die SPD-Tochterfirma Network Media
GmbH (NWMD), die auch als „rent-a-Sozi-Affäre“ bezeichnet worden ist (www.
spiegel.de/politik/deutschland/parteifinanzierung-spd-agentur-vermittelt-treffen-
mit-ministern-gegen-geld-a-1122471.html), geschwächt.
Dies betraf nach dem genannten Bericht Bundesministerinnen und Bundesminis-
ter, Staatssekretärinnen und Staatsekretäre sowie weitere führende SPD-Politike-
rinnen und SPD-Politiker (vgl. ebenda.).
In pluralistischen Demokratien ist Lobbyismus ein differenziert zu betrachtendes
Phänomen, welches sich zwischen dem Anspruch legitimer, demokratischer In-
teressenvertretung und illegaler Einflussnahme, die bis hin zu Korruption reichen
kann, bewegt.

Drucksache 18/13104 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Die Gesetzgebung muss in einem demokratischen Rechtsstaat auf einem Willens-
bildungsprozess beruhen, der für die Bürgerinnen und Bürger voll und ganz
durchschaubar ist. Die Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Öffentlichkeit par-
lamentarischer Prozesse stellt daher ein entscheidendes Indiz für die Legitimität
der lobbyistischen Einflussnahme auf die Gesetzgebung dar. Die Einflussnahme
von Interessenvertreterinnen und Interessenvertretern auf die Vorgänge und Ent-
scheidungsprozesse der Bundesregierung ist zwingend öffentlich zu machen.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Mitglieder der Bundesregierung sowie Staatssekretärinnen und

Staatssekretäre haben welche Vertreterinnen und Vertreter von Nichtregie-
rungsorganisationen, Verbänden, Vereinen und Unternehmen im Zeitraum
vom 1. Januar 2017 bis zum 30. Juni 2017 getroffen?
a) Wann fanden diese Treffen statt?
b) Wie lange dauerten diese Treffen?
c) Wo fanden diese Treffen statt?
d) Welches Thema war Gegenstand dieser Treffen?
e) Wer nahm an diesen Treffen teil?

2. An welchen Veranstaltungen und Sitzungen der Bundesregierung nahm in
dieser Legislaturperiode (mindestens) eine Vertreterin oder ein Vertreter von
Unternehmen, Verbänden oder Vereinen teil?
a) Wann und wo fanden diese Sitzungen statt?
b) Welche waren ggf. die betreffenden Vertreter bzw. der Vertreterinnen?
c) Welchem Zweck diente nach Kenntnis der Bundesregierung die Teil-

nahme der Vertreterinnen und Vertreter?
3. Welche Beratungsaufträge und Aufträge für Gutachten in welcher Höhe hat

die Bundesregierung in dieser Legislaturperiode wann und zu welchen Kon-
ditionen vergeben?

4. Wie oft, und in welchen Fällen, wurde von einer öffentlichen Ausschreibung
der in der Antwort zu Frage 3 genannten Aufträge mit welcher Begründung
abgesehen?

5. Waren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Unternehmen, Verbänden oder
Vereinen in dieser Legislaturperiode in den Bundesministerien oder im Bun-
deskanzleramt beschäftigt?
Wenn ja, wie viele, und von wem wurden sie während ihrer Arbeit in den
Bundesministerien bzw. dem Bundeskanzleramt bezahlt?

6. Hat die Bundesregierung in dieser Legislaturperiode unaufgefordert Stel-
lungnahmen und bzw. oder Entscheidungsbitten und bzw. oder Entschei-
dungsanregungen von Unternehmen in ihren Entscheidungen berücksichtigt?
Wenn ja, welche konkreten Entscheidungen, einzelnen Rechtssetzungsakte
(Gesetzentwürfe und Verordnungen), sowie jeweils welche federführenden
Fachressorts waren davon ggf. betroffen (bitte ggf. nach jeweils betroffenem
Unternehmen, den betroffenen Rechtssetzungsakten sowie den jeweils feder-
führenden Fachressorts aufschlüsseln)?

7. Wurden Positionspapiere bzw. Stellungnahmen seitens Nichtregierungsor-
ganisationen – außerhalb des Verfahrens der Verbändeanhörung gemäß
§§ 47, 48 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien
(GGO) – an die Bundesregierung in dieser Legislaturperiode übermittelt?

Wenn ja, welche, und welche flossen in das Gesetzgebungsverfahren ein?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/13104
8. Wurden die von Institutsvertretern, Verbandsvertretern oder sonstigen Inte-
ressenvertreterinnen bzw. Interessenvertretern in Arbeitsgruppen oder Kon-
sultationsverfahren geäußerten Änderungswünsche und Änderungsbitten
durch die Bundesregierung aufgegriffen, und wenn ja, in welchen Fällen?

Inwieweit hat die Bundesregierung dies ggf. in der konkreten Entscheidung
öffentlich kenntlich gemacht?

Berlin, den 10. Juli 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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