BT-Drucksache 18/13077

Energieverbrauch durch Digitalisierung - Effizienz statt Rebound-Effekt

Vom 29. Juni 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/13077
18. Wahlperiode 29.06.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Bärbel Höhn, Dr. Julia Verlinden, Dieter Janecek,
Konstantin von Notz, Annalena Baerbock, Sylvia Kotting-Uhl, Oliver Krischer,
Christian Kühn (Tübingen), Steffi Lemke, Peter Meiwald, und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Energieverbrauch durch Digitalisierung – Effizienz statt Rebound-Effekt

Das Internet ist aus unserem Alltag, unserem Wirtschaften und unseren sozialen
Beziehungen nicht mehr wegzudenken. Innerhalb von nur zwei Jahrzehnten ist es
aus der Nische zu einer Grundlage moderner Gesellschaften geworden. Viele As-
pekte der ökologischen Modernisierung basieren darauf, dass Prozesse besser
vernetzt und Ressourcen gespart werden. Die Chancen der Digitalisierung zur
Abmilderung der Klimakrise werden aktuell viel diskutiert. Dem digitalen Wan-
del muss es gelingen, auch zu einem ökologischen Wandel zu werden, denn mit
technologischer und sozialer Innovation kann heute eine lebenswerte Welt für
morgen gesichert werden. So können vernetzte IT-Anwendungen wie intelligente
Energie- oder Verkehrssteuerung einen großen ökologischen Beitrag leisten. Al-
lein in Deutschland könnten so bis zu 190 Millionen Tonnen CO2 eingespart wer-
den; weltweit wird das Potenzial auf 9 Milliarden Tonnen CO2 geschätzt (Studie
SMART 2020 der Global e-sustainability Initiative: http://gesi.org/SMAR-
Ter2020). Allerdings gehen die rasant zunehmende Nutzung digitaler Angebote
und die Vernetzung vieler Geräte auch mit einem steigenden Energieverbrauch
einher. Laut einer Greenpeace-Studie (www.greenpeace.de/sites/www.greenpeace.
de/files/publications/clicking-clean-20151905.pdf) verbraucht das Internet so
viel Energie, dass es – wäre es ein Land – der sechstgrößte Energieverbraucher
weltweit wäre. Aktuell sind 2,5 Milliarden Menschen online – und es werden
schnell mehr. Die Zunahme vernetzter Geräte („Internet of Things“) ist ebenfalls
rasend.
Deshalb ist es wichtig, der Energieeffizienz gerade im Bereich Digitalisierung
mehr Aufmerksamkeit zu schenken. So kann beispielsweise der Stromverbrauch
von Rechenzentren durch eine moderne Kühlung um 40 Prozent gesenkt werden.
Ein moderner Computer „braucht heute pro Minute beinahe so viel Strom wie die
ersten ‚Homecomputer‘ vor gut 30 Jahren, die tausend Mal langsamer waren“,
stellt das ETHZ fest (www.ethz.ch/de/news-und-veranstaltungen/eth-news/
news/2015/03/wieviel-strom-braucht-das-internet.html). Die steigende Leistung
frisst die rasanten Effizienzgewinne also wieder auf. Hinzu kommen das Wachs-
tum der Geräteanzahl und ein verändertes Nutzungsverhalten.
Akteure der Branche können dabei die Energiewende sogar beschleunigen, wenn
sie aktiv ihre Infrastrukturen auf die Nutzung erneuerbarer Energien umstellen.
In den USA haben dies drei der größten Internetkonzerne bereits im Jahr 2010
getan. Aus Deutschland sind keine derartigen so weit fortgeschrittenen Maßnah-
men bekannt, obwohl zugleich die Bedingungen im Zuge der Energiewende

Drucksache 18/13077 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

durchaus vorliegen. Eine progressive Politik im Sinne erneuerbarer Energien und
Energieeffizienz könnte somit auch zum internationalen Standortfaktor für die
Digitalwirtschaft werden – und in einer immer digitalisierteren Welt einen we-
sentlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie schnell steigt nach Kenntnis der Bundesregierung die Nutzungsintensi-

tät (Rechenleistung pro Kopf) deutscher Internetuserinnen und Internetuser,
und wie schnell steigt die Energieeffizienz im Vergleich dazu?

2. Stimmt die Bundesregierung der Aussage zu, dass es sich hier um einen
„Rebound-Effekt“ handelt, und wenn ja, welche Rückschlüsse zieht sie dar-
aus für ihre eigenen Energieeffizienzziele, und wenn nein, warum nicht?

3. Wie viel Strom verbraucht nach Kenntnis der Bundesregierung die Internet-
nutzung (Rechenzentren, Netzwerke, Geräte und Produktherstellung) in
Deutschland (bitte absolut und relativ zum Gesamtbedarf für die Jahre 2000
bis 2017 angeben), und wie hoch ist hierbei der CO2-Ausstoß?

4. Wie groß ist nach Kenntnis der Bundesregierung der CO2-Fußabdruck der
Internetnutzung in Deutschland?

5. Welcher Anteil des Energieverbrauchs der Internetnutzung in Deutschland
geht nach Kenntnis der Bundesregierung auf Streamingangebote zurück?

6. Welcher Anteil des Energieverbrauchs der Internetnutzung in Deutschland
fällt nach Kenntnis der Bundesregierung auf Clouddienste zurück?

7. Inwieweit kommt der Bund seiner besonderen Verantwortung bei der Be-
schaffung energieeffizienter und umweltfreundlicher Endgeräte nach?

8. Welche Unternehmen der Digitalwirtschaft in Deutschland haben nach
Kenntnis der Bundesregierung die höchsten Energieverbräuche und den
größten CO2-Fußabdruck (bitte Top 10 auflisten)?

9. Wie setzt sich der Strommix dieser Unternehmen nach Kenntnis der Bundes-
regierung zusammen?

10. Plant die Bundesregierung, darauf hinzuwirken, dass auch in Deutschland
mehr Unternehmen des digitalen Sektors ihren eigenen Strombedarf durch
reinen Ökostrom decken?

Wenn ja, wie genau?
Wenn nein, warum nicht?

11. Welche Erkenntnisse hat das Forschungsprogramm „IT2Green“ der Bundes-
regierung gebracht, und welche Maßnahmen mit welchem Umfang sind da-
raus erwachsen?

12. Plant die Bundesregierung weitere Maßnahmen, um den Energieverbrauch
der Internetnutzung, v. a. der Rechenzentren, zu verringern?

13. Wie viel Energie verbrauchen die Rechner in den Bundesministerien, den
untergeordneten Behörden, dem Bundeskanzleramt und im Deutschen Bun-
destag nach Kenntnis der Bundesregierung pro Jahr (bitte in kWh absolut
und anteilig am Gesamtenergiebedarf angeben)?

14. Welche Ratschläge gibt die Bundesregierung Unternehmen, der öffentlichen
Verwaltung und den Bürgerinnen und Bürgern, um den Energiebedarf der
Internetnutzung zu reduzieren?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/13077

15. Warum wurde das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und

Reaktorsicherheit nicht in die Planung und Umsetzung der Digitalen Agenda
eingebunden, um so Nachhaltigkeitsziele in die Digitalisierungsstrategie der
Bundesregierung zu implementieren?

16. Unterstützt die Bundesregierung Programme und Forschung für energieeffi-
ziente Programmierung?

17. Stehen die Förderprogramme des Bundes zur Energieeffizienzberatung auch
offen für Beratungsleistungen zu Fragen digitaler Firmenhardware und von
Digitalisierungsprozessen?
Wenn ja, wie viele solcher Beratungsleistungen wurden nach Kenntnis der
Bundesregierung in den zurückliegenden zehn Jahren nachgefragt (bitte ein-
zeln für die Jahre 2006 bis 2016 aufschlüsseln)?

18. Welche Forschungsprojekte begleitet die Bundesregierung bzw. fördert sie
mit Bezug zu Rechenzentren und Servereinheiten und deren Energieverbräu-
chen?

19. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung zu Servern mit Flüssigküh-
lung vor, und wie beurteilt sie diese mit Blick auf Energieeffizienzpotenzi-
ale?
Sind dabei Erkenntnisse zur Wärmenutzung berücksichtigt, und wenn ja, mit
welchen Ergebnissen?

20. Gibt es innerhalb der Bundesverwaltung Rechenzentren und Servereinheiten,
die mit Flüssigkühlung betrieben werden?
Wenn ja, wird die Abwärme, die bei der Kühlung entsteht, genutzt, und wenn
ja, wie?

21. Welche Potenziale sieht die Bundesregierung bei unternehmenseigenen Re-
chenzentren und Servereinheiten auch im mittelständischen Bereich, um
Energieverbräuche zu senken?
Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung in diesem Bereich Innovationen,
deren Skalierbarkeit zur Marktreife noch untersucht werden muss?
Und wenn ja, unterstützt sie dies mit eigenen Fördermitteln?

22. Gibt es Förderprogramme der Bundesregierung (außerhalb der Effizienzbe-
ratung), die die Nutzung energieeffizienter Hardware auch im Sinne von Ser-
vern und Rechenzentren anreizen, und wenn ja, welche sind das, und wie
stellt sich der Mittelabfluss dar?

Berlin, den 27. Juni 2017

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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