BT-Drucksache 18/13053

Die Lage der Menschenrechte in den USA

Vom 28. Juni 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/13053
18. Wahlperiode 28.06.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Wolfgang Gehrcke, Andrej Hunko, Christine Buchholz,
Annette Groth, Inge Höger, Niema Movassat, Kathrin Vogler und der Fraktion
DIE LINKE.

Die Lage der Menschenrechte in den USA

Sämtliche Regierungen der Vereinigten Staaten von Amerika (USA) haben in den
vergangenen Jahrzehnten ihre militärischen Auslandseinsätze gegen verschie-
dene Staaten mit der dortigen Missachtung der Menschenrechte begründet. Das
rückt vice versa die Frage nach der Menschenrechtssituation in den USA in den
Blick.
Die USA haben als einer von wenigen Staaten relevante internationale Menschen-
rechtsabkommen wie den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und
kulturelle Rechte (UN-Sozialpakt) oder das Übereinkommen über die Rechte des
Kindes (UN-Kinderrechtskonvention) nicht ratifiziert. Angesichts von 46,7 Mil-
lionen in Armut lebenden Menschen, mehr als einer halben Millionen Obdachlo-
sen landesweit (http://hungerreport.org/2017/wp-content/uploads/2016/12/2017-
Hunger-Report-Chapter-3-US-12-2.pdf, http://hungerreport.org/2017/wp-content/
uploads/2016/12/2017-Hunger-Report-Chapter-3-US-12-2.pdf), einer ausge-
prägten Fehl- und Mangelernährung sowie der weitgehend privatisierten Gesund-
heitsversorgung ist die Lage der sozialen Menschenrechte in den USA milieu-
weise aus Sicht der Fragesteller äußerst bedenklich. Ebenso ist die Lage der Kin-
derrechte in den USA aus Sicht der Fragesteller beunruhigend, wenn Nichtregie-
rungsorganisationen von weit verbreiteter Kinderarbeit in der US-amerikanischen
Landwirtschaft, vom Einsatz der Prügelstrafe (paddling) an Schulen oder von
der Diskriminierung armer Kinder bei der schulischen Essensausgabe (lunch
shaming) berichten.
Übermäßig betroffen von diesen Problemen ist die afroamerikanische Bevöl-
kerung. Der in den USA vorhandene institutionelle Rassismus führt zu Benach-
teiligungen bei Teilen der afroamerikanischen und hispanischen Bevölkerung
(www.hrw.org/news/2009/06/19/race-drugs-and-law-enforcement-united-states).
Sie werden weitaus häufiger Opfer von Polizeigewalt bis zu tödlichem Schuss-
waffeneinsatz und sind deutlich überproportional in den US-Gefängnissen vertre-
ten (www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2016-01/usa-polizeigewalt-schwarze-
statistik-guardian; www.theguardian.com/us-news/ng-interactive/2015/jun/01/the-
counted-police-killings-us-database), in denen sie teils unter inhumanen Zustän-
den arbeiten (www.theguardian.com/us-news/2016/sep/09/us-nationwide-prison-
strike-alabama-south-carolina-texas; www.globalresearch.ca/the-prison-industry-
in-the-united-states-big-business-or-a-new-form-of-slavery/8289). Obwohl die
Bevölkerung der USA weniger als 5 Prozent der Weltbevölkerung ausmacht, be-
finden sich mehr als 20 Prozent der gesamten Gefängnisbevölkerung der Welt in
den US-Haftanstalten (vgl. Davis, Angela: Eine Gesellschaft ohne Gefängnisse?

Drucksache 18/13053 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Der gefängnisindustrielle Komplex der USA, 2003). Dort wird auch Isolations-
haft, die international von Menschenrechtsorganisationen geächtet und als Folter-
methode bezeichnet wird, angewendet und die Todesstrafe menschenrechtswidrig
vollstreckt.
In US-Militärgefängnissen wie Guantánamo werden Insassen ohne Anklage und
Gerichtsprozess (Administrativhaft) seit Jahren in Haft gehalten und wurden ge-
foltert.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wieso wird die Lage der Menschenrechte in den USA im Zwölften Men-

schenrechtsbericht der Bundesregierung über ihre Menschenrechtspolitik
(C2 Länder A-Z) nicht dargelegt?

2. Welche politischen Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus immer
wiederkehrenden Berichten über erhebliche Menschenrechtsverletzungen in
den USA sowie daraus, dass im Jahr 2015 allein der UN-Menschenrechtsrat
343 Empfehlungen zur Veränderung der menschenrechtspolitischen Praxis
in den USA ausgesprochen hat (www.amnesty.de/jahresbericht/2016/
vereinigte-staaten-von-amerika; www.humanrights.ch/de/service/laenderinfos/
usa/)?

3. Welche diplomatischen Schritte hat die Bundesregierung in der Vergangen-
heit unternommen, um die US-amerikanische Regierung zur Einhaltung und
Durchsetzung der universellen Menschenrechte zu bewegen?

4. Wie schätzt die Bundesregierung die Lage der sozialen Menschenrechte in
den USA, insbesondere mit Blick auf das Gesundheitssystem, die Armutssi-
tuation und den Zustand der Obdachlosigkeit ein?

5. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der Nichtratifizierung
des UN-Sozialpaktes durch die USA, insbesondere vor dem Hintergrund der
kritischen Lage des Menschenrechts auf einen angemessenen Lebensstan-
dard, einschließlich Nahrung, Kleidung, Wohnung, ärztliche Versorgung
und notwendige soziale Leistungen (Artikel 25 Absatz 1 AEMR) in den
USA?

6. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der Nichtratifizierung
der UN-Kinderrechtskonvention durch die USA als einzigem UN-Mitglied-
staat?

7. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung daraus, dass die
Kinderehe in 27 US-Bundesstaaten nicht verboten ist und zwischen 2000
und 2010 mindestens 167 000 (geschätzt rund 248 000) Minderjährige
zwangsverheiratet worden sind (www.unchainedatlast.org/laws-to-end-child-
marriage/)?

8. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung daraus, dass in 19 Staaten
der USA die Körperstrafe an Schulen erlaubt ist und dass von dieser Kinder
mit afroamerikanischem Hintergrund unverhältnismäßig oft betroffen sind
(www.spiegel.de/lebenundlernen/schule/pruegelstrafe-200-000-us-schueler-
werden-geschlagen-a-573301.html)?

9. Hat die Bundesregierung die Praxis der Körperstrafe an Schulen in
19 US-Bundestaaten, namentlich durch „Paddling“, das jährlich an Hundert-
tausenden Schülern und Schülerinnen verübt wird, öffentlich kritisiert
(www.spiegel.de/lebenundlernen/schule/pruegelstrafe-200-000-us-schueler-
werden-geschlagen-a-573301.html)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/13053

10. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der US-weit gän-

gigen Praxis des sogenannten Lunch shaming, bei dem Schülerinnen und
Schüler, deren Eltern das Essensgeld nicht bezahlen, das Essen verweigert
wird und bzw. oder bei dem Schülerinnen und Schüler öffentlich diskrimi-
niert werden (www.spiegel.de/lebenundlernen/schule/schulen-in-den-usa-
new-mexico-verbietet-lunch-shaming-a-1146556.html)?

11. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung daraus, dass in der
US-Landwirtschaft Kinderarbeit verbreitet ist, wenn in dem Sektor zwölf-
bis siebzehnjährige Kinder und Jugendliche beschäftigt sind, die häufig bis
zu zehn Stunden und bis zu sieben Tage die Woche unter dem Mindestlohn
und unter schlechten Arbeitsbedingungen arbeiten (www.hrw.org/de/news/
2010/05/05/usa-das-gefahrliche-leben-von-minderjahrigen-landarbeitern)?

12. Welche konkreten Kenntnisse liegen der Bundesregierung darüber vor, wel-
che derzeit aus den USA nach Deutschland eingeführten Erzeugnisse der
Landwirtschaft mit Beteiligung von Kinderarbeit erbracht und bzw. oder her-
gestellt werden (bitte detailliert auflisten)?

13. Welche konkreten Kenntnisse liegen der Bundesregierung darüber vor, wel-
che deutschen Unternehmen in der US-Landwirtschaft aktiv sind (bitte Liste
der Unternehmen beifügen)?

14. Welche konkreten Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dem Zu-
stand der Kinderarbeit in der US-Landwirtschaft für Import und Importvo-
raussetzungen landwirtschaftlicher Güter aus den USA?

15. Wie schätzt die Bundesregierung die Lage der bürgerlichen und politischen
Menschenrechte in den USA ein, insbesondere mit Blick auf institutionellen
Rassismus, den Zustand des Gefangenensystems und der verbreiteten Voll-
streckung der Todesstrafe in den USA?

16. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung daraus, dass in den USA
jährlich mehrere hundert Menschen Opfer tödlicher Polizeigewalt werden,
darunter ein unverhältnismäßig großer Anteil der afroamerikanischen Be-
völkerung (www.amnestyusa.org/reports/deadly-force-police-use-of-lethal-
force-in-the-united-states/)?

17. Welche konkreten Schritte hat die Bundesregierung unternommen, um die
rassistisch motivierten Schüsse und massiven Übergriffe auf afroamerikani-
sche Bürgerinnen und Bürger der USA zu thematisieren?

18. Gibt es seitens der Bundesregierung konkrete Überlegungen, Polizeiausstat-
tungen an US-amerikanische Bundesstaaten einzustellen, in denen strukturell
rassistische Übergriffe der Polizei häufig auftreten, und wenn nein, warum
nicht?

19. Welche konkreten Kenntnisse und Schätzungen hat die Bundesregierung
über die Anzahl politischer Gefangener in den USA?

20. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über den Umgang mit politi-
schen Gefangenen in den USA?

21. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der in den USA
zahlreich angewandten Isolationshaft, welche von der UNO als Folter einge-
stuft wird und für deren Anwendung die USA in verschiedenen UN-Men-
schenrechtsberichten kritisiert worden sind (www.un.org/apps/news/story.
asp?NewsID=40097#.WRMPu0byg-V)?

Drucksache 18/13053 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

22. In welcher Form setzt sich die Bundesregierung für die Wahrung der Men-

schenrechte langzeitinhaftierter Gefangener ein, deren Verfahren und
Schuldspruch umstritten sind, dabei insbesondere für den Journalisten
Mumia Abu Jamal und den indigenen Menschenrechtsaktivisten Leonard
Peltier?

23. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung daraus, dass aktuell
29 US-Bundesstaaten sowie der Bund an der Anwendung der Todesstrafe
festhalten, gleichwohl die UN-Generalversammlung seit dem Jahr 2007 vier
Resolutionen (A/RES/62/149, A/RES/63/168, A/RES/65/206, A/RES/67/176)
verabschiedet hat, in denen sie die Staaten, in denen die Todesstrafe existiert,
zur Aussetzung der Vollstreckung von Todesurteilen auffordert (www.
amnesty-todesstrafe.de/files/reader_todesstrafe-in-den-usa.pdf)?

24. Welche Vertreterin bzw. welcher Vertreter der Bundesregierung, die am
10. Oktober 2015 die Abschaffung der Todesstrafe weltweit forderte, hat
wann das Thema Todesstrafe gegenüber welcher Repräsentantin bzw. wel-
chem Repräsentanten der US-Regierung thematisiert (www.zeit.de/news/
2015-10/10/deutschland-bundesregierung-fordert-weltweite-abschaffung-der-
todesstrafe-10013007)?

25. Welche konkreten Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dem
US-amerikanischen „Three Strikes Law“, demgemäß ein Straftäter, der be-
reits zweimal wegen eines Verbrechens verurteilt worden war, bei einer drit-
ten Verurteilung automatisch und ohne gesondertes Verfahren eine lebens-
lange Haftstrafe erhält?

26. Fördert die Bundesregierung die Privatisierung des Strafvollzuges auch in
der Bundesrepublik Deutschland (z. B. privat finanzierte JVA Burg in Sach-
sen-Anhalt), obwohl dieses Konzept in den USA zu Masseninhaftierung und
gewaltigen Menschenrechtsverletzungen geführt hat (Angela Davis: Eine
Gesellschaft ohne Gefängnisse? Der gefängnisindustrielle Komplex der
USA, 2003)?

27. Unterstützt die Bundesregierung die Forderung nach Abschaffung der skla-
venähnlichen Arbeitsbedingungen innerhalb der US-Gefängnisse, für die
zehntausende Gefangene seit September 2016 in den USA streiten (www.
newyorker.com/news/news-desk/a-national-strike-against-prison-slavery)?

28. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über den Bau und die Unterhal-
tung von gefängnisartigen Abschiebezentren, welche das private Gefängnis-
unternehmen GEO Group in den USA baut (www.welt.de/politik/ausland/
article163706186/Hier-entsteht-Trumps-erstes-Abschiebe-Lager.html)?

29. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Beteiligung deutscher
Unternehmen an Bau und Renovierung US-amerikanischer Gefängnisse und
Abschiebezentren (bitte Liste der Unternehmen beifügen)?

30. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den gezielten Tö-
tungen durch Kampfdrohnen ohne Gerichtsurteil, wie sie derzeit von den
USA durchgeführt werden?

31. Wie ist es mit dem deutschen Grundgesetz, welches die Todesstrafe aus-
schließt, vereinbar, dass über die US-Basis Ramstein die Tötung von Perso-
nen durch US-amerikanische Kampfdrohnen ermöglicht wird?

32. Wie rechtfertigt die Bundesregierung die zentrale Bedeutung der US-Basis
in Ramstein für den US-Drohnenkrieg, welche die Bundesregierung im ver-
gangenen Jahr öffentlich einräumte (http://daserste.ndr.de/panorama/aktuell/
USA-fuehren-Drohnenkrieg-von-Deutschland-aus,ramstein146.html)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/13053

33. Was ist der Stand des Dialogs der Bundesregierung mit betreffenden US-

Vertreterinnen und US-Vertretern um die Rolle des Luftwaffenstützpunkts
Ramstein im US-Drohnenkrieg, von dem Regierungskreise im Jahr 2016
sprachen (http://daserste.ndr.de/panorama/aktuell/USA-fuehren-Drohnenkrieg-
von-Deutschland-aus,ramstein146.html)?

34. Wer führt den Dialog der Bundesregierung mit betreffenden US-Vertreterin-
nen und US-Vertretern um die Rolle des Luftwaffenstützpunkts Ramstein
im US-Drohnenkrieg, von dem Regierungskreise im Jahr 2016 sprachen
(http://daserste.ndr.de/panorama/aktuell/USA-fuehren-Drohnenkrieg-von-
Deutschland-aus,ramstein146.html)?

35. Welche konkreten Schritte unternimmt die Bundesregierung über den Dialog
hinaus, um die Tötung von Menschen durch US-Kampfdrohnen zu stoppen,
und wenn keine, warum nicht?

36. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung daraus, dass sich im US-
Gefangenenlager Guantánamo rund 100 Personen in Administrativhaft be-
finden, denen die internationalen Menschenrechtsnormen vorenthalten wer-
den, und hat die Bundesregierung diesen Zustand kritisiert?

37. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung daraus, dass Militär-
angehörige und CIA-Agenten im sogenannten Kampf gegen den Terror Ver-
dächtige in US-Militärgefängnissen wie Guantánamo gefoltert haben, ohne
bis dato dafür gerichtlich zur Verantwortung gezogen worden zu sein, und
hat die Bundesregierung diesen Zustand kritisiert (www.tagesspiegel.
de/politik/cia-folter-keine-taten-ohne-taeter/11115496.html)?

38. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Nutzung von Folterge-
fängnissen im Jemen für Verhöre durch US-Beamte (https://apnews.com/
4925f7f0fa654853bd6f2f57174179fe/US-interrogates-detainees-in-Yemen-)?

39. Wann und in welcher Form hat die Bundesregierung diese jüngsten Berichte
über die Nutzung der Foltergefängnisse gegenüber den USA thematisiert und
deren Inhalt kritisiert?

Berlin, den 28. Juni 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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