BT-Drucksache 18/12969

zu der Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung - Drucksache 18/12813 - Leitlinien der Bundesregierung - Krisen verhindern, Konflikte bewältigen, Frieden fördern

Vom 27. Juni 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/12969
18. Wahlperiode 27.06.2017
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Kathrin Vogler, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken,
Christine Buchholz, Dr. Diether Dehm, Annette Groth, Heike Hänsel, Inge
Höger, Andrej Hunko, Katrin Kunert, Niema Movassat, Dr. Alexander S. Neu,
Dr. Petra Sitte, Alexander Ulrich und der Fraktion DIE LINKE.

zu der Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung
– Drucksache 18/12813 –

Leitlinien der Bundesregierung – Krisen verhindern, Konflikte bewältigen,
Frieden fördern

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Am 14. Juni 2017 verabschiedete die Bundesregierung die neuen Leitlinien „Krisen
verhindern, Konflikte bewältigen, Frieden fördern“, mit denen sie ihre Politik in den
Bereichen Krisenprävention, Konfliktbewältigung und Friedensförderung neu ausrich-
ten will. Die neuen Leitlinien ersetzen den Aktionsplan Zivile Krisenprävention und
die Leitlinien zum Umgang mit fragilen Staaten. Der Aktionsplan aus dem Jahr 2004
hatte Friedenspolitik und zivile Konfliktbearbeitung nicht nur als Aufgabe der Au-
ßen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik, sondern als Querschnittsaufgabe des ge-
samten Regierungshandelns beschrieben. In sehr konkreten Aktionen hat er Ziele und
Maßnahmen beschrieben, mit denen die damalige Bundesregierung die zivile Krisen-
prävention und Konfliktlösung fördern wollte. Den neuen Leitlinien geht es hingegen
vor allem darum, unter Schlagworten wie „Kohärenz“ und „ressortgemeinsames Han-
deln“ Elemente der zivilen Konfliktbearbeitung für das militärisch definierte Konzept
der „Vernetzten Sicherheit“ verwertbar zu machen. In den Leitlinien heißt es zwar,
dass der „Einsatz völkerrechtlich zulässiger militärischer Gewalt“ „Ultima Ratio“
bleibe, „zivilen Maßnahmen der Konfliktlösung“ will die Bundesregierung aber nur,
„wo immer möglich“, Vorrang einräumen. Wie wenig sich die Bundesregierung am
Vorrang für „Zivil“ orientiert, zeigt sich schon in der Terminologie: Im gesamten Do-
kument wurde das „zivil“ vor der „Krisenprävention“ gestrichen. Die gezielte Ver-
mengung ziviler und militärischer Maßnahmen ist eine neue Stufe der Militarisierung
deutscher Außenpolitik.
Die Bundesregierung hat es versäumt, ihre eigene Rolle bei der Verschärfung von
Konflikten kritisch zu reflektieren.

Drucksache 18/12969 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Rüstungskontrolle, Abrüstung und Nichtverbreitung sind, wie die Leitlinien richtig
feststellen, ein wichtiger Beitrag zur Friedensförderung. Die Bundesregierung rüstet
aber selbst auf. Der Verteidigungsetat wurde um über 2 Mrd. Euro im Haushalt 2017
aufgestockt und weitere Erhöhungen für die kommenden Jahre sind schon angekün-
digt. Um das auch von der Bundesregierung mitgetragene NATO-Ziel zu erreichen,
2 % des Bruttoinlandsproduktes für Rüstung und Militär aufzuwenden, wird die Bun-
desregierung in anderen Bereichen Einsparungen vornehmen müssen oder zumindest
keine signifikante Erhöhung vornehmen. Vor diesem Hintergrund kann der Verzicht
auf das Wort „zivil“ im Kontext mit Krisenprävention als Hinweis darauf gelesen wer-
den, die Bundeswehr künftig auch in sehr frühen Konfliktstadien einsetzen zu wollen.
Dies weist der Deutsche Bundestag ausdrücklich zurück.
Die Bundesregierung bekennt sich auch in den Leitlinien zur nuklearen Abschreckung
und boykottiert die Verhandlungen um einen Atomwaffenverbotsvertrag. Die in den
Leitlinien behauptete restriktive Rüstungsexportpolitik wird durch Waffenlieferungen
selbst an Länder wie Saudi-Arabien, das sich am grausamen Krieg in Jemen beteiligt,
konterkariert. Die als „Ertüchtigung“ bezeichnete Aufrüstung und Ausbildung von Ar-
meen in Krisengebieten werden in den Leitlinien als Beitrag zu regionaler Stabilität
dargestellt. Die Bundesregierung unterstützt zudem im Rahmen dieser „Ertüchtigungs-
initiative“ aktiv die Bestrebungen der EU-Kommission, aus dem Etat der Europäischen
Union für zivile Konfliktbearbeitung („Instrument für Stabilität und Frieden“/IcSP)
künftig Ausbildung und Ausrüstung für Streitkräfte in Krisenländern zu finanzieren.
Die Bundesregierung will sich zwar um die „Gestaltung der globalen Wirtschafts-,
Finanz- und Handelspolitik“ bemühen, weil diese Auswirkungen auf Konflikte hat,
aber welche Änderungen das in der deutschen und europäischen Außenhandelspolitik
erfordert, wird nicht dargestellt.
Die Bundeswehr steht aktuell in 16 Auslandseinsätzen, die hohe Kosten verursachen
und in den betreffenden Regionen weder Frieden noch Entwicklung bringen, sondern
zur Gewalteskalation und zur Verfestigung von Konfliktlagen beitragen.
In vielen Debattenbeiträgen im Diskussionsprozess zur Erstellung der Leitlinien wur-
den verbindliche Schritte zur Stärkung ziviler Instrumente gefordert. Die Bundesre-
gierung hat es versäumt, den dringend nötigen Ausbau ziviler Instrumente mit konkre-
ten Kennzahlen und finanziellen Mitteln zu untersetzen. Das wäre erforderlich, um das
strukturelle Übergewicht des Militärs abzubauen.
Statt einer weiteren Militarisierung muss die deutsche Außenpolitik auf Gewaltfreiheit
in den internationalen Beziehungen ausgerichtet werden. Leitlinien, die die Prävention
und den Umgang mit Konflikten zum Gegenstand haben, müssen die Unabhängigkeit
zivilen Handelns sichern und zivile Instrumente als Alternative, nicht nur als Ergän-
zung zu militärischem Handeln weiterentwickeln.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

– Konflikte ausschließlich mit politischen und zivilen Mitteln zu lösen, um das
Recht, in Frieden zu leben, für alle Menschen zu verwirklichen;

– die Deklaration zum Recht auf Frieden unverzüglich umzusetzen und dabei der
positiven Dimension des Rechts auf Frieden, wie in der Santiago Deklaration zum
Menschenrecht auf Frieden (2010) ausgeführt, Geltung zu verschaffen;

– eine Strategie zur Stärkung der zivilen, nichtmilitärischen Konfliktbearbeitung
und Friedensförderung zu entwickeln, in der konkrete und überprüfbare Schritte
zum Ausbau der entsprechenden Instrumente festgelegt werden;

– die Instrumente der zivilen Krisenprävention und Konfliktbearbeitung in den
kommenden Jahren finanziell deutlich besserzustellen, um sie zu zentralen In-
strumenten der deutschen Außenpolitik weiterzuentwickeln;

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/12969
– alle Maßnahmen der deutschen Außen-, Sicherheits- und Außenwirtschaftspolitik

einer Friedensverträglichkeitsprüfung zu unterziehen und Maßnahmen, die das
Potenzial einer Konfliktverschärfung bieten, zu unterlassen;

– nichtstaatliche Organisationen der Friedens- und Entwicklungsarbeit an der Wei-
terentwicklung der zivilen Krisenprävention und Konfliktbearbeitung gleichbe-
rechtigt zu beteiligen und die internationale Zusammenarbeit zivilgesellschaftli-
cher Organisationen, Gruppen und Einzelakteure auf nichtstaatlicher Ebene zu
fördern;

– dem Bundestag weiterhin jährlich über die Fortentwicklung der Instrumente der
zivilen Krisenprävention und Konfliktbearbeitung Bericht zu erstatten;

– das Ertüchtigungsinstrument im Einzelplan 60 aufzulösen und auch im Rahmen
der Ausstattungshilfe keine militärische Ertüchtigung von Partnern in Krisenre-
gionen vorzunehmen;

– sicherzustellen, dass aus dem Haushalt der EU keine militärischen Maßnahmen,
keine Waffenlieferungen oder Militärberatungen finanziert werden, und die Pläne
für eine europäische Verteidigungsunion abzulehnen;

– sich dafür einzusetzen, dass die Finanzierung der sogenannten Afrikanischen
Friedensfazilität, mit der Militäreinsätze in Afrika unterstützt werden, aus dem
Europäischen Entwicklungsfonds beendet wird und die Mittel wieder ausschließ-
lich für Entwicklungszusammenarbeit verwendet werden;

– ihre Handelspolitik auf konfliktverschärfende Wirkungen hin zu evaluieren und
sich in der EU gegen den Abschluss weiterer Freihandelsabkommen auszuspre-
chen;

– Waffenexporte in alle Krisenregionen unverzüglich zu stoppen und keine weite-
ren Waffenexporte mehr zu genehmigen;

– den Abzug der Bundeswehr aus allen Auslandseinsätzen vorzubereiten;
– eine Initiative für einen Europäischen und einen Afrikanischen Zivilen Friedens-

dienst zu ergreifen und sie mit einer Anschubfinanzierung auszustatten.

Berlin, den 27. Juni 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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