BT-Drucksache 18/12911

Scheinvaterschaften zur Aufenthaltsrechtserlangung

Vom 23. Juni 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/12911
18. Wahlperiode 23.06.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Norbert Müller (Potsdam), Katrin Werner,
Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Scheinvaterschaften zur Aufenthaltsrechtserlangung

Zahlreiche schwangere ausländische Frauen haben nach Recherchen des „Rund-
funk Berlin-Brandenburg“ (RBB) Tausende Euro an Männer mit deutscher
Staatsangehörigkeit gezahlt, damit diese zum Schein angeben, Vater des Kindes
zu sein. In so einem Fall erhalten die Kinder automatisch die deutsche Staatsbür-
gerschaft und die Mütter ein Bleiberecht. Da es sich bei den Scheinvätern meist
um Hartz-IV-Bezieher handeln soll, erhalten die demnach meist mit einem Tou-
ristenvisum eingereisten Mütter keine Unterhaltszahlungen der Scheinväter. Bis
zu 500 Euro sollen die Scheinväter sowie Rechtsanwälte und Notare für eine Va-
terschaftsanerkennung erhalten. Laut „RBB“ soll es allein in Berlin zu 700 derar-
tigen Fällen gekommen sein. Einige Männer hätten nach Angaben der Berliner
Staatsanwaltschaften mehr als zehn Vaterschaften anerkannt. Das Geschäft mit
der Vaterschaftsankerkennung flog laut „RBB“ durch unglaubwürdige Vater-
schaften auf, etwa im Falle eines offenbar rechtsextrem eingestellten Mannes, der
die Vaterschaft für ein vietnamesisches Kind anerkannte. Das Geschäftsmodell
funktioniert nach Angaben aus dem Bundesministerium des Innern bundesweit.
Es gebe viele Hinweise von Ausländerbehörden, die Dunkelziffer sei aber hoch.
Eine Reihe von Frauen sei aufgrund der Abhängigkeit von den Scheinvätern oder
deren Hintermännern in der Prostitution gelandet, heißt es bei „RBB“ (www.faz.
net/aktuell/gesellschaft/kriminalitaet/vaterschaft-als-kriminelles-geschaeftsmodell-
15048718.html; www.mdr.de/nachrichten/politik/inland/asylbetrug-mit-ungeborenen-
kindern-100.html).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche generelle Kenntnis oder konkreten Kenntnisse hat die Bundesregie-

rung darüber, dass schwangere Frauen deutsche Staatsangehörige für die An-
erkennung von Vaterschaften bezahlten, um auf diese Weise ein Aufenthalts-
recht zu erlangen?

Worauf gründen sich die diesbezüglichen Kenntnisse der Bundesregierung?
Über welche diesbezüglichen Hinweise von Ausländerbehörden verfügt die
Bundesregierung, und worauf gründen diese Behörden jeweils ihr Wissen
oder ihren Verdacht?

Drucksache 18/12911 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
2. Wie viele Fälle fälschlicher Vaterschaftsanerkennungen durch deutsche
Staatsangehörige sind der Bundesregierung während der letzten fünf Jahre
bekannt geworden (bitte nach Möglichkeit nach Jahren der Vaterschaftsan-
erkennung, Bundesländern und Herkunftsländern der Mütter aufgliedern)?
Auf welche Weise wurden die falschen Väter jeweils entlarvt?
Wie groß schätzt die Bundesregierung den Graubereich der nicht erkannten
Scheinvaterschaften ein?

3. Welche, auch quantitativen Erkenntnisse haben die Bundesregierung dazu
gebracht, die sogenannte Scheinvaterschaft mit in den Gesetzentwurf zu bes-
seren Durchsetzung der Ausreisepflicht aufzunehmen, und welche Ereig-
nisse haben dazu geführt, es zu diesem Zeitpunkt zu tun?

4. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung die durchschnittliche
Summe, die ausländische Frauen für eine falsche Vaterschaftsanerkennung
durch einen deutschen Staatsbürger zahlen?
Wie schlüsselt sich diese Summe im Einzelnen auf (Bezahlung des Schein-
vaters, des Vermittlers, Anwalts- und Notarkosten etc.)?

5. Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnis von organisierten Strukturen
oder Netzwerken zur Vermittlung von Scheinvätern?
Wie viele solcher Strukturen oder Netzwerke in welchen Bundesländern sind
der Bundesregierung bekannt, und wie arbeiten diese?

6. Inwieweit ist der Bundesregierung bekannt, ob ausländischen Frauen bereits
in ihren Herkunfts- oder Transitländern – etwa durch so genannte Schlepper-
netzwerke – Scheinvaterschaftsanerkennungen zur Aufenthaltserlangung an-
geboten wurden?

7. In wie vielen Fällen während der letzten fünf Jahre wurden nach Kenntnis
der Bundesregierung Mütter, die sich eine falsche Vaterschaftsanerkennung
kauften, dafür strafrechtlich belangt?

8. Welche ausländerrechtlichen bzw. aufenthaltsrechtlichen Folgen hatte das
Auffliegen von Scheinvaterschaften in wie vielen und welchen Fällen für wie
viele Mütter und ihre Kinder während der letzten fünf Jahre nach Kenntnis
der Bundesregierung?

9. In wie vielen Fällen während der letzten fünf Jahre wurden nach Kenntnis
der Bundesregierung deutsche Staatsangehörige, die fälschlicherweise eine
Vaterschaft gegenüber einer asylsuchenden Frau attestiert hatten, dafür straf-
rechtlich belangt (bitte angeben, ob die Scheinväter Geld bekommen hatten)?

10. In wie vielen Fällen während der letzten fünf Jahre wurden nach Kenntnis
der Bundesregierung Rechtsanwälte oder Notare, die wissentlich bei der At-
testierung einer falschen Vaterschaftsanerkennung eines deutschen Staatsan-
gehörigen gegenüber einer asylsuchenden Frau geholfen haben, dafür straf-
rechtlich belangt?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/12911

11. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung darüber, dass Frauen, die über

falsche Vaterschaftsanerkennungen durch deutsche Staatsbürger zu einem
Bleiberecht kamen, in der Prostitution landeten?
Wie viele solcher Fälle sind der Bundesregierung aus welchen Bundeslän-
dern bekannt?
Inwieweit spielte Nötigung oder ein Abhängigkeitsverhältnis zu den Schein-
vätern oder deren Hintermännern eine Rolle dabei?

Berlin, den 22. Juni 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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