BT-Drucksache 18/12903

Rekrutierung von Statisten auf dem US-Kriegsübungsgelände im bayerischen Hohenfels

Vom 21. Juni 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/12903
18. Wahlperiode 21.06.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Heike Hänsel, Christine Buchholz, Eva Bulling-Schröter,
Sevim Dağdelen, Annette Groth, Inge Höger, Andrej Hunko, Niema Movassat,
Kathrin Vogler, Harald Weinberg und der Fraktion DIE LINKE.

Rekrutierung von Statisten auf dem US-Kriegsübungsgelände im bayerischen
Hohenfels

Trotz vergangener Skandale (www.juve.de/nachrichten/verfahren/2003/10/
exportstrafverfahren-gegen-optronic-geschaeftsfuehrer) um die Firma Optronic
GmbH & Co. KG mit Sitz in 85521 Ottobrunn ist dieses Unternehmen vom US-
Militär offenbar erneut damit beauftragt worden, Statistenstellen für Manöver der
US-Armee in Deutschland auszuschreiben. Solche Übungen der US-amerikani-
schen Streitkräfte finden regelmäßig auch auf Übungsgeländen in Europa statt,
im hier behandelten Fall auf dem Truppenübungsplatz Hohenfels in Bayern. Die-
ses Gelände wird seit 1951 von der US-Armee genutzt. Um die dort stattfinden-
den Einsatzsimulationen so realistisch wie möglich zu gestalten, werden zahlrei-
che Statisten benötigt, im militärischen Jargon Civilians on the Battlefield
(COBs).
In Deutschland bot Optronic über das Portal der Bundesagentur für Arbeit zuletzt
mehrere Beschäftigungsmöglichkeiten als militärische Statisten im „Combat
Maneuver Training Center“ (CMTC) in Hohenfels an. Diese Arbeitsstellen
richten sich vornehmlich an Bewerber mit Sprachkenntnissen in Polnisch, Rus-
sisch und Tschechisch. Zuletzt waren entsprechende Stellen für die Darstellung
der Zivilbevölkerung in Krisengebieten ausgeschrieben: „Dadurch wird ein rea-
litätsnahes Übungsszenario für die Soldaten und somit eine optimale Vorberei-
tung für deren Auslandsmissionen erreicht“ (u. a.: https://goo.gl/MlH1gk,
https://goo.gl/tXeDDW, https://goo.gl/zxCwqp, https://goo.gl/YvTjyX,; Kopien
der Anzeigen im Büro Hänsel erhältlich).
Die gezielte Suche von Statisten mit Sprachkenntnissen aus dem osteuropäi-
schen Raum wurde in Medien in den vergangenen Wochen und Monaten kritisch
kommentiert (u. a. www.nzz.ch/international/aufregung-um-statisten-fuer-nato-
uebung-militaerbuendnis-westlich-sucht-ld.154344). Vor dem Hintergrund zu-
nehmender Spannungen zwischen den USA und der NATO auf der einen Seite
und Russland auf der anderen Seite ist fraglich, ob Übungen bewaffneter Ausei-
nandersetzungen oder ähnlicher Szenarien einer zweifelsohne notwendigen Ent-
spannung dienlich sind. Eine weitere Zuspitzung in den Beziehungen zu Russ-
land ist vor allem wahrscheinlich, weil die Übungen in Hohenfels mit konkreten
Truppenverlegungen und einer Aufstockung der NATO-Präsenz an der Ost-
flanke des Nordatlantikpaktes einhergeht (u. a. www.welt.de/politik/ausland/
article159074539/Nato-treibt-die-Aufruestung-gegen-Russland-voran.html).
Zugleich könnten die ausgeschriebenen Stellen arbeitsrechtlich problematisch
sein. Einige der genannten Kriterien („Einsätze finden durchgehend, inkl. Wo-
chenende, statt“) weisen auf eine hohe Belastung hin, deren adäquate Entlohnung

Drucksache 18/12903 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

unklar ist. Auch ist die Gefährdungslage der Teilnehmer bei den Stellen unklar,
die auf Jobportalen beworben werden, deren redaktionelle Verantwortung im Be-
reich von Bund und Ländern liegt.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Inwieweit handelt es sich bei den unbefristeten Stellenangeboten „Rollen-

spieler/innen für US-Army Übungen gesucht“ (Chiffre 10000-1152040142-S,
10000-1152039603-S, 10000-1152040057-S) auf dem Portal der Bundes-
agentur für Arbeit nach Einschätzung der Bundesregierung um Risikobe-
rufe?

2. Inwieweit handelt es sich bei dem befristeten Stellenangebot „Rollenspieler/
innen für US-Army Übungen gesucht“ (Chiffre 10000-1151661011-S) auf
dem Portal der Bundesagentur für Arbeit nach Einschätzung der Bundesre-
gierung um einen Risikoberuf?

3. Enthalten die drei unbefristeten Stellenangebote „Rollenspieler/innen für
US-Army Übungen gesucht“ (Chiffre siehe Frage 1) nach Kenntnis der Bun-
desregierung eine Verschwiegenheitsklausel, und ist der Bundesregierung in
diesem Fall bekannt, nach welchen Kriterien sich die Statisten richten müs-
sen, um diese jeweilige Klausel nicht zu verletzen?

4. Enthält das befristete Stellenangebot „Rollenspieler/innen für US-Army
Übungen gesucht“ (Chiffre siehe Frage 2) nach Kenntnis der Bundesregie-
rung eine Verschwiegenheitsklausel, und ist der Bundesregierung in diesem
Fall bekannt, nach welchen Kriterien sich die Statisten richten müssen, um
diese Klausel nicht zu verletzen?

5. Welche Pausenzeiten gelten nach Kenntnis der Bundesregierung bei den un-
befristeten Stellenangeboten „Rollenspieler/innen für US-Army Übungen
gesucht“ (Chiffre siehe Frage 1), und kann die Bundesregierung gewährleis-
ten, dass § 5 des Arbeitszeitgesetzes gewahrt wird?

6. Welche Pausenzeiten gelten nach Kenntnis der Bundesregierung bei dem be-
fristeten Stellenangebot „Rollenspieler/innen für US-Army Übungen ge-
sucht“ (Chiffre siehe Frage 2), und kann die Bundesregierung gewährleisten,
dass die Arbeitnehmerrechte nach § 5 des Arbeitszeitgesetzes gewahrt blei-
ben?

7. Welche Bereiche der Arbeitsschutzgesetzgebung sind für das befristete Stel-
lenangebot „Rollenspieler/innen für US-Army Übungen gesucht“ (Chiffre
siehe Frage 2) nach Kenntnis der Bundesregierung ausgenommen?

8. Welche weiteren Aufgaben müssen die Arbeitnehmer im Rahmen der unbe-
fristeten Stellenangebote „Rollenspieler/innen für US-Army Übungen ge-
sucht“ (Chiffre siehe Frage 1) nach Kenntnis der Bundesregierung zusätzlich
zu der Statistenrolle als „Viehzüchter, Ladenbesitzer oder auch der Bürger-
meister eines Dorfes in Afghanistan, der hin und wieder auch mit den anwe-
senden U.S. Streitkräften vermittelt und verhandelt“ erbringen?

9. Wie wird nach Kenntnis der Bundesregierung die Arbeitszeit dieser Arbeits-
beschäftigung gemäß dem Arbeitszeitgesetz angesichts des Umstandes defi-
niert, dass bei den unbefristeten Stellenangeboten „Rollenspieler/innen für
US-Army Übungen gesucht“ (Chiffre siehe Frage 1) keine Obergrenze der
Arbeitsstunden vermerkt ist?

10. Nach welchen Kriterien oder Leistungen wird welcher Lohn nach Kenntnis
der Bundesregierung angesichts des Umstandes ausgezahlt, dass die Entloh-
nung der Stellenangebote „Rollenspieler/innen für US-Army Übungen ge-
sucht“ (Chiffre siehe Frage 1) mit einer Spanne „zwischen 88,40 bis
120.- Euro/Tag“ angegeben wird?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/12903

11. Handelt es sich bei der Entlohnung des Stellenangebots „Russisch-Rollen-

spieler/innen für US-Army Übungen gesucht“ (Chiffre siehe Frage 2), wel-
che maximal 120 Euro pro Tag vorsieht und ausschließlich auf Lohnsteuer-
karte erfolgt, nach Kenntnis der Bundesregierung um ein Nettogehalt oder
um ein Bruttogehalt?

12. Handelt es sich gemäß des Teilzeit- und Befristungsgesetzes – TzBfG – bei
dem befristeten Stellenangebot „Rollenspieler/innen für US-Army Übungen
gesucht“ (Chiffre siehe Frage 2) nach Kenntnis der Bundesregierung um eine
Befristung ohne Sachgrund oder um eine Befristung mit Sachgrund?

13. Welchen besonderen Gefährdungen oder Beeinträchtigungen körperlicher
und/oder psychischer Natur sind nach Ansicht der Bundesregierung dieje-
nigen Menschen ausgesetzt, die die Stellenangebote „Rollenspieler/innen für
US-Army Übungen gesucht“ (Chiffre siehe Frage 1) in Hohenfels annehmen?

14. Welchen besonderen Gefährdungen oder Beeinträchtigungen körperlicher
und/oder psychischer Natur sind nach Ansicht der Bundesregierung Bewer-
ber ausgesetzt, die das Stellenangebot „Rollenspieler/innen für US-Army
Übungen gesucht“ (Chiffre siehe Frage 2) in Hohenfels annehmen?

15. Sind nach Kenntnis der Bundesregierung bei den in Frage 13 oder 14 ge-
nannten Militärübungen oder vergangenen Manövern auf dem US-Truppen-
übungsplatz in Hohenfels beteiligte Zivilisten zu Schaden gekommen, und
wenn ja, in welcher Weise (bitte detailliert aufführen)?

16. Welche Erschwerniszulagen können nach Kenntnis der Bundesregierung bei
der Ausübung der Stellenangebote „Rollenspieler/innen für US-Army Übun-
gen gesucht“ (Chiffre siehe Frage 1) gewährt werden?

17. Welche Erschwerniszulagen können nach Kenntnis der Bundesregierung bei
der Ausübung des Stellenangebots „Rollenspieler/innen für US-Army Übun-
gen gesucht“ (Chiffre siehe Frage 2) gewährt werden?

18. Welche Rechtsverordnung oder weitere betrieblichen Absprachen regeln
nach Ansicht der Bundesregierung die Gewährung von Zulagen zur Abgel-
tung besonderer Belastungen, Gefährdungen oder Beeinträchtigungen bei
der Bewertung der unbefristeten Stellenangebote „Rollenspieler/innen für
US-Army Übungen gesucht“ (Chiffre siehe Frage 1)?

19. Welche Rechtsverordnung oder weiteren betrieblichen Absprachen regeln
nach Ansicht der Bundesregierung die Gewährung von Zulagen zur Abgel-
tung besonderer Belastungen, Gefährdungen oder Beeinträchtigungen bei
der Bewertung des befristeten Stellenangebotes „Rollenspieler/innen für
US-Army Übungen gesucht“ (Chiffre siehe Frage 2)?

20. Für welche Einsätze werden nach Kenntnis der Bundesregierung russisch-
sprachige Bewerber für das Stellenangebot „Russisch-Rollenspieler/innen
für US-Army Übungen gesucht“ (Chiffre: 10000-1152039603-S) benötigt?

21. Für welche Einsätze werden nach Kenntnis der Bundesregierung tsche-
chischsprachige Teilnehmer für das Stellenangebot „Tschechisch-Rollen-
spieler/innen für US-Army Übungen gesucht“ (Chiffre: 10000-1152040142-S)
benötigt?

22. Für welche Einsätze werden nach Kenntnis der Bundesregierung polnisch-
sprachige Teilnehmer für das Stellenangebot: „Polnisch-Rollenspieler/innen
für US-Army Übungen gesucht“ (Chiffre: 10000-1152040057-S) benötigt?

23. Worin begründet sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Notwendig-
keit, die Stellen „Rollenspieler/innen für US-Army Übungen gesucht“ (Chiffre
siehe Frage 1) als unbefristete Arbeitsverhältnisse anzubieten?

Drucksache 18/12903 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

24. Ist nach Kenntnis der Bundesregierung von einem permanenten Einsatzsze-

nario in Osteuropa ausgehen, wenn die Arbeitsstellen „Rollenspieler/innen
für US-Army Übungen gesucht“ (Chiffre siehe Frage 1) unbefristet angebo-
ten werden?

25. Weshalb werden nach Kenntnis der Bundesregierung bei den Arbeitsange-
boten „Rollenspieler/innen für US-Army Übungen gesucht“ (Chiffre siehe
Frage 1) das Truppenübungsgelände Hohenfels als Einsatzort angegeben und
gleichzeitig die Arbeitsorte Dresden, Berlin, Leipzig, Magdeburg, Köln, Es-
sen, Schwerin, Nürnberg angegeben?

26. Wird die Bundesregierung von der US-Armee über Planung, Inhalte oder
Ziele der Manöver auf dem Truppenübungsplatz Hohenfels informiert oder
sind Beobachter vor Ort präsent?

27. Wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass Ausschreibungen für Sta-
tistenrollen bei Militärmanövern durch das Unternehmen Optronic oder an-
dere Vermittler künftig nicht mehr als „geeignet“ beworben werden, „die In-
tegration Zugewanderter zu unterstützen“ (siehe Antworten auf die Schrift-
lichen Fragen 51 und 52 auf Bundestagsdrucksache 18/11885)?

Berlin, den 20. Juni 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.