BT-Drucksache 18/12818

zu dem Antrag der Abgeordneten Lisa Paus, Christian Kühn (Tübingen), Kerstin Andreae, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 18/8617 - Spekulation mit Immobilien und Land beenden - Keine Steuerbegünstigung für Übernahmen durch Share Deals

Vom 21. Juni 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/12818
18. Wahlperiode 21.06.2017

Beschlussempfehlung und Bericht
des Finanzausschusses (7. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Lisa Paus, Christian Kühn (Tübingen), Kerstin
Andreae, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 18/8617 –

Spekulation mit Immobilien und Land beenden – Keine Steuerbegünstigung
für Übernahmen durch Share Deals

A. Problem
Die Antragsteller betonen, dass der Handel mit Immobilien alle Rekorde über-
trifft. Das Transaktionsvolumen am Immobilienmarkt ist seit 2009 kontinuierlich
geklettert. Dabei zirkulieren Immobilien zunehmend zwischen wenigen großen
Marktteilnehmern. Der Anteil von Wiederverkäufen an den gesamten Transakti-
onen großer Wohnungsbestände erreicht Spitzenwerte von bis zu 94 Prozent.

Ähnlich ist die Situation auf dem landwirtschaftlichen Bodenmarkt. Die Ver-
kaufspreise sind in den letzten Jahren massiv gestiegen; die nutzbaren Flächen
konzentrieren sich zunehmend bei wenigen großen Unternehmen. Dies gefährdet
in erheblichem Maße die Erhaltung einer ausgewogenen Agrarstruktur.

Nach Einschätzung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sind dafür vor al-
lem Steuerbegünstigungen für Übernahmen durch Share Deals verantwortlich.
Hierbei erwirbt der Käufer das Grundstück nicht direkt, sondern er kauft nur An-
teile an Unternehmen (Shares), in denen die Grundstücke enthalten sind. Erwirbt
der Käufer dabei weniger als 95 Prozent der Unternehmensanteile, so fällt keine
Grunderwerbsteuer an.

Dies führt nach Ansicht der Antragsteller nicht nur zu Steuermindereinnahmen
durch entgangene Grunderwerbsteuern, sondern auch zu steigenden Mieten und
Bodenpreisen.

B. Lösung
Der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sieht vor, dass der Deut-
sche Bundestag die Bundesregierung auffordern soll,

1. die Befreiung von der Grunderwerbssteuer bei der anteiligen Übernahme
von Unternehmen bis 95 Prozent abzuschaffen und dazu

Drucksache 18/12818 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

a) die betreffenden Vorschriften im Grunderwerbsteuergesetz (§ 1 Abs.
2a, 3 und 3a GrEStG) dahingehend zu ändern, dass auch anteilige Un-
ternehmenskäufe grundsätzlich steuerbar und steuerpflichtig sind. We-
sentliche Transaktionen von bis zu 50 Prozent der Unternehmensanteile
sind weiterhin nicht steuerbar, werden es aber, wenn diese Grenze
durch nachfolgende mittelbare oder unmittelbare Erwerbe überschritten
wird;

b) als Bemessungsgrundlage die Grundstückswerte nach den §§ 151, 157
BewG entsprechend der prozentualen Höhe des Anteilserwerbs (50 bis
100 Prozent) zugrunde zu legen;

2. alle Flächenverkäufe und Anteilsverkäufe an landwirtschaftlichen Unterneh-
men zu erfassen und zu regulieren.

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN.

C. Alternativen
Der Antrag diskutiert keine Alternativen.

D. Kosten
Der Antrag beinhaltet keine Angaben zu den Kosten.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/12818
Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 18/8617 abzulehnen.

Berlin, den 21. Juni 2017

Der Finanzausschuss

Ingrid Arndt-Brauer
Vorsitzende

Lisa Paus
Berichterstatterin

Drucksache 18/12818 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Bericht der Abgeordneten Lisa Paus

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat den Antrag auf Drucksache 18/8617 in seiner 173. Sitzung am 2. Juni 2016 dem
Finanzausschuss zur federführenden Beratung sowie dem Innenausschuss, dem Ausschuss für Wirtschaft und
Energie und dem Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zur Mitberatung überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sieht vor, dass der Deutsche Bundestag beschließen soll,

I. festzustellen,

dass dem Staat durch steuerfreie Share-Deal-Übernahmen auf dem Immobilienmarkt und dem landwirtschaftli-
chen Bodenmarkt Steuereinnahmen bei der Grunderwerbsteuer entgehen. Gleichzeitig würden dadurch auch Mie-
ten und Bodenpreise steigen. Die steuerliche Privilegierung von Share Deals in ihrer bisherigen Form sei daher
abzuschaffen;

II. die Bundesregierung aufzufordern,

1. die Befreiung von der Grunderwerbsteuer bei der anteiligen Übernahme von Unternehmen bis 95 Prozent
abzuschaffen und dazu

a) die betreffenden Vorschriften im Grunderwerbsteuergesetz (§ 1 Abs. 2a, 3 und 3a GrEStG) dahinge-
hend zu ändern, dass auch anteilige Unternehmenskäufe grundsätzlich steuerbar und steuerpflichtig
sind. Wesentliche Transaktionen von bis zu 50 Prozent der Unternehmensanteile sind weiterhin nicht
steuerbar, werden es aber, wenn diese Grenze durch nachfolgende mittelbare oder unmittelbare Erwerbe
überschritten wird;

b) als Bemessungsgrundlage die Grundstückswerte nach den §§ 151, 157 BewG entsprechend der prozen-
tualen Höhe des Anteilserwerbs (50 bis 100 Prozent) zugrunde zu legen;

2. alle Flächenverkäufe und Anteilsverkäufe an landwirtschaftlichen Unternehmen zu erfassen und zu regulie-
ren.

III. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Der Innenausschuss hat den Antrag in seiner 90. Sitzung am 28. September 2016 beraten und empfiehlt mit den
Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN Ablehnung.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Energie hat den Antrag in seiner 116. Sitzung am 21. Juni 2017 beraten und
empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE
LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Ablehnung.

Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit hat den Antrag in seiner 122. Sitzung
am 21. Juni 2017 beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die
Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Ablehnung.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/12818

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im federführenden Ausschuss

Der Finanzausschuss hat den Antrag auf Drucksache 18/8617 in seiner 119. Sitzung am 21. Juni 2017 erstmalig
und abschließend beraten.

Der Finanzausschuss empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen
der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Ablehnung des Antrags auf Drucksache 18/8617.

Die Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und SPD betonten, dass es bei den Share Deals im Wesentlichen da-
rum gehe, dass eine Gesellschaft eine Immobilie besitze und diese Gesellschaft in Teilen veräußert werde. Das
spiele eine erhebliche Rolle im Bereich der Unternehmensnachfolge und vorweggenommenen Erbschaften und
betreffe insbesondere den Mittelstand.

Man räume ein, dass es im Zusammenhang mit den Share Deals auch Missbrauch gebe. Eine Ursache sei aber
auch in der erheblichen Erhöhung der Grunderwerbsteuer zu suchen, die insbesondere in den Ländern mit grüner
Regierungsbeteiligung stattgefunden habe. Es sei eine Lebenserfahrung, dass bei einer massiven Erhöhung der
Steuersätze die Bereitschaft für eine kreative Steuergestaltung zunehme und damit auch der Missbrauch. 6,5 Pro-
zent Grunderwerbsteuer würden zusammen mit anderen Nebenkosten eine erhebliche Belastung darstellen.

Die Koalitionsfraktionen sprachen sich dafür aus, dass man sich diese künstlichen Konstruktionen anschauen und
Lösungen finden solle, um die Steuereinnahmen zu erhöhen und den Missbrauch auszuschließen. Das Bundesmi-
nisterium der Finanzen und die Länder würden weitergehende Maßnahmen diskutieren und mögliche Regelungen
prüfen. Diese Regelungen müssten aber zielgenau ausgestaltet werden, um nicht auch diejenigen zu treffen, die
man bewusst nicht treffen wolle.

Die Koalitionsfraktionen betonten, dass man hierbei mit sehr viel Gewissenhaftigkeit und Augenmaß handeln
sollte, um nicht eine weitere Belastung für den Standort Deutschland zu schaffen. Man müsse auch wissen, dass
diese zusätzlichen Belastungen in der Regel über die Nebenkosten am Ende auch an die Mieter weitergegeben
würden. Im Übrigen habe man den Eindruck, dass es nur einen kleinen Teil des Steuersystems betreffe. Es gebe
zwar Missbrauchsfälle. Dabei würde es sich aber um keine bedeutenden Sachverhalte handeln, sondern es sei eher
die Veräußerung von Gewerbegrundstücken und Grundstücken von Industriebetrieben betroffen.

Man werde das Anliegen des Antrags in der nächsten Legislaturperiode intensiv weiter beraten und sicherlich in
den nächsten Jahren zu weiteren Regelungen kommen. Den heutigen Antrag halte man aber für übereilt und lehne
ihn deshalb ab.

Die Fraktion DIE LINKE. betonte, dass das Anliegen des Antrags eine Frage der Gerechtigkeit sei, da die auf
Share Deals aufbauenden Gestaltungsmodelle so komplex seien, dass sie sich nur für Großprojekte oder Speku-
lationsgeschäfte im mehrfachen Millionen-Euro-Bereich rechnen würden. Schätzungen aus der Immobilienbran-
che würden von einer Mindestgröße in Höhe von 15 Millionen Euro ausgehen. Es seien daher so genannte insti-
tutionelle Investoren, wie z. B. in- und ausländische Fonds, Pensionskassen und Versicherungen, die beim Erwerb
von Bürotürmen, Einkaufszentren, Geschäftshäusern und Wohnungspaketen in immer größerem Umfang keine
Grunderwerbsteuer zahlen müssten. Dagegen treffe die Grunderwerbsteuer im Regelfall die privaten und kleinen
gewerblichen Käuferinnen und Käufer, weil für diese solche Konstruktionen viel zu aufwendig seien. Und sie
würden immer stärker belastet, da die meisten Bundesländer die durch Share Deals verursachten Steuerausfälle
mittels Erhöhungen des Steuersatzes ausgleichen würden. Die Folge sei ein Teufelskreislauf, denn höhere Steu-
ersätze würden wiederum die Gestaltungsanreize erhöhen.

Die Fraktion DIE LINKE. unterstütze daher die Stoßrichtung des Antrags der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN, die Beteiligungsschwelle von 95 Prozent auf 50 Prozent abzusenken. Dadurch würden Share Deals zumin-
dest erheblich verteuert und somit weniger genutzt werden. Denn Gestaltungen mit einem Minderheitsanteil von
knapp 50 Prozent seien sehr unattraktiv, da sie mit geringer Verfügungsmacht und hohen Kosten verbunden seien.
Eine vergleichbare Forderung finde sich auch im Antrag der Fraktion DIE LINKE. „Ausverkauf des Bodens an
landwirtschaftsfremde Investoren stoppen – Bodenmarkt im Interesse der Landwirtschaft strenger regulieren“
(Drucksache 18/12551).

Drucksache 18/12818 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Man habe allerdings gewisse Zweifel, ob verfassungsrechtlich eine einfache Absenkung der Beteiligungsschwelle
auf 50 Prozent zulässig sei. Denn die derzeitige Grunderwerbsteuer sei zu sehr auf einen klassischen Grundstücks-
erwerb mittels Kaufvertrag ausgerichtet. Ein solcher könne nicht ohne Weiteres mit einem Anteilserwerb von z.
B. 50,1 Prozent gleichgestellt werden. Nach Einschätzung der Fraktion DIE LINKE. würde es daher einer grund-
sätzlichen Überarbeitung des Steuergegenstands der Grunderwerbsteuer bedürfen, um die Absenkung der Betei-
ligungsschwelle auf 50 Prozent zu ermöglichen. Trotz dieser Zweifel werde man dem Antrag der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN zustimmen, da man grundsätzlich die Stoßrichtung voll und ganz unterstütze.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bestritt, dass es vorliegend nur um Kleinigkeiten gehe, vielmehr
würden Steuermindereinnahmen in der Größenordnung von 1 Milliarde Euro im Raum stehen. Nach Angaben des
Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) habe es sich in den Jahren 1999 bis 2016 bei 71
Prozent aller gehandelten Wohnungen um Share Deals gehandelt. Bei der Hälfte dieser Share Deals seien weniger
als 95 Prozent der Anteile erworben worden, so dass keine Grunderwerbsteuer gezahlt werden musste. Diese Zahl
sei zuletzt gestiegen. In den Jahren 2013 und 2015 habe der Anteil bei 71 bzw. 67 Prozent gelegen. Das mache
deutlich, dass von dieser Möglichkeit der Steuergestaltung in den letzten Jahren noch intensiver Gebrauch ge-
macht worden sei.

Der Antrag sei auch nicht übereilt, sondern liege bereits seit fast einem Jahr vor. Im November 2016 habe die
eigens dafür eingerichtete Arbeitsgruppe der Finanzministerkonferenz bereits erste Ergebnisse vorgestellt. Aller-
dings sei dann entschieden worden, die Arbeit wegen der Bundestagswahl zu vertagen. Diese Zeit habe man aber
nicht. Jeden Tag, jede Woche würden neue Immobilientransaktionen getätigt, die zu neuen Steuermindereinnah-
men führen würden. Durch die Share Deals würden Weiterverkäufe attraktiver gemacht. Man erinnere beispiels-
weise an das Kudamm-Karree in Berlin, das in den letzten acht Jahren dreimal verkauft worden sei. Deswegen
gebe es kurzfristigen Handlungsbedarf.

Die mit dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vorgelegte Lösung sei von Experten der Arbeits-
gruppe der Finanzministerkonferenz bestätigt worden. Man könne darüber diskutieren, ob die Grunderwerbsteuer
schon bei einem Erwerb von 50 Prozent der Unternehmensanteile oder erst ab 75 Prozent anfalle. Denn auch 75
Prozent seien besser als die bisherige Rechtslage mit 95 Prozent. Diese Lösung wäre auch rechtskonform.

Mit der Zustimmung zum Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN würde ein klares Signal in Richtung
der Bundesregierung gesetzt, damit auch in der Sommerpause an entsprechenden Lösungen gearbeitet werden
könne.

Berlin, den 21. Juni 2017

Lisa Paus
Berichterstatterin

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